Liebe Leserin, lieber Leser,
heute Vormittag hat die Bundesagentur für Arbeit (BA) neue Zahlen zum Ausbildungsmarkt vorgestellt. Mit einer ernüchternden Botschaft: Am 30. September waren mehr Bewerberinnen und Bewerber unversorgt als in den vergangenen 16 Jahren.
Zugenommen haben auch die Passungsprobleme. Bewerberinnen und Bewerber und die Betriebe haben noch schlechter zueinander gefunden. Auf 100 gemeldete Stellen kamen bundesweit zwar 86 gemeldete Bewerber. Doch was auf den ersten Blick nach einer günstigen Lage für die Jugendlichen klingt, birgt im Detail viele Probleme.
Worin genau diese bestehen, hat meine Kollegin Anna Parrisius analysiert. Sie hat auch aufgeschrieben, welche Angebote die BA nun stärken will und welchen Appell die BA-Chefin Andrea Nahles an Ausbildungsinteressierte und Betriebe richtet.
Ich wünsche Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre,
Analyse
Ausbildungsmarkt-Bilanz der BA: Noch mehr Jugendliche gehen leer aus
Die Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA), Andrea Nahles, hatte am heutigen Mittwochmorgen eine ernüchternde Botschaft: Aus Sicht ihrer Behörde sei es zunehmend schwierig, jungen Menschen eine Ausbildungsstelle zu organisieren.
Deutlich macht dies etwa diese neue Rekordzahl: Seit 2006/7 hat es nicht mehr so viele Jugendliche gegeben, die keine Ausbildung gefunden haben. Das zeigen Zahlen der BA im Zeitraum bis zum 30. September. 31.000 Bewerber hatten demnach keine Ausbildungsstelle gefunden und planen laut BA auch keine Alternative wie ein Freiwilliges Soziales Jahr oder einen weiteren Schulbesuch – 5.000 mehr als noch im Vorjahr.
Nahles zog bei der Pressekonferenz Bilanz zum Berufsberatungsjahr von Oktober 2023 bis September 2024 (Monatsbericht zum Download). Nicht mal jeder zweite Ausbildungsbewerber (46 Prozent) hat demnach eine Lehrstelle gefunden. Vom Rest gehen mit 16 Prozent die meisten weiter in die Schule, beginnen ein Studium oder ein Praktikum. Bei 13 Prozent fehlen Nahles’ Behörde Informationen, was sie inzwischen machen.
Generell bilden die Daten der BA den Ausbildungsmarkt nur unvollständig ab. Nicht alle Betriebe melden ihr offene Lehrstellen und lange nicht alle ausbildungsinteressierten Jugendlichen werden als Bewerber aufgeführt. In der Statistik taucht nur auf, wer sich von der BA beraten lässt, von ihr als “ausbildungsreif” eingestuft wird und sich für duale Ausbildungsplätze interessiert.
Die Behörde geht selbst davon aus, dass ihre Daten die reale Zahl der Bewerber dabei noch “viel unvollständiger abbilden, als es bei den gemeldeten Berufsausbildungsstellen der Fall ist”. Allerdings gibt es aktuell keine besseren Daten. Erst im Dezember liefert das Bundesinstitut für Berufsbildung ein umfassenderes Bild.
Lesen Sie auch: Ausbildungsmarkt in der Krise: Es braucht bessere Daten
Passungsprobleme sind größer geworden
Dass so viele Jugendliche in diesem Jahr leer ausgegangen sind, bringt Andrea Nahles zu einer zweiten ernüchternden Botschaft: Passungsprobleme haben zugenommen. Das heißt, Bewerber und Betriebe haben noch schlechter zueinander gefunden. Zwar kamen bundesweit 86 gemeldete Bewerber auf 100 gemeldete Stellen, was nach einer für die Jugendlichen günstigen Lage klingt. Allerdings liegt der Teufel im Detail. So muss im Einzelnen davon ausgegangen werden,
- dass Bewerber und Betriebe regional ungleich verteilt sind,
- dass es einen Mismatch zwischen Stellenangebot und Berufswünschen der Bewerber gibt,
- dass Qualifikationen der Bewerber und Ansprüche der Unternehmen auseinanderklaffen.
In 31 Bezirken gab es zu wenige Ausbildungsstellen
Wie heterogen die Situation in Deutschland ist, zeigen etwa folgende Details im Monatsbericht der BA:
- In 86 der bundesweit 150 Agenturbezirke gab es deutlich mehr gemeldete Lehrstellen als Bewerber. In 31 Bezirken kamen hingegen mehr als 110 Bewerber auf 100 Stellen, das Angebot war rechnerisch also zu gering.
- Blickt man auf die Bundesländer, blieben laut BA überdurchschnittlich viele Bewerber in Berlin unversorgt, gefolgt von Hamburg, Schleswig-Holstein und Brandenburg. Gering war der Anteil unversorgter Bewerber hingegen im Saarland, in Bayern und Baden-Württemberg.
- Während es zu wenige Stellen etwa im Friseurhandwerk, in der Softwareentwicklung und der Tischlerei gab, hatten Bäckereien oder Fleischereien, Betriebe in Bauberufen wie dem Malerhandwerk sowie Hotels und Gaststätten große Probleme, Bewerber zu finden.
BA will mit Unterstützungsangeboten “nochmal angreifen”
Andrea Nahles unterstrich bei ihrer Vorstellung, dass überproportional viele junge Menschen mit Hauptschulabschluss oder mit ausländischer Staatsbürgerschaft keine Ausbildung fanden. Aber es gebe auch Abiturienten, die leer ausgingen, weil sie etwa einen Beruf im Medienbereich anstrebten. Einen Ausgleich zu schaffen, sei Nahles zufolge in diesem Jahr noch schwieriger geworden. So seien mehr junge Menschen in die Beratung gekommen, die “eine intensivere persönliche Unterstützung benötigen”.
Helfen könnten hier Angebote der Bundesagentur für Arbeit wie die Assistierte Ausbildung – bei der Azubis einen externen Begleiter zur Seite gestellt bekommen – oder die Einstiegsqualifizierung, ein von Arbeitsagenturen und Jobcentern gefördertes Praktikum.
Allerdings sind diese Hilfen offenbar weiterhin noch nicht bekannt genug. Nahles verweist hier auf einen unveröffentlichten Evaluationsbericht der Hochschule der BA von 2024, der zeige, dass viele Unternehmen die Hilfen immer noch nicht kennen und Jugendliche mit besonderem Unterstützungsbedarf daher ablehnen. Bestätigt werde diese Beobachtung laut einer Sprecherin der BA auch durch eine Erhebung des IAB im Rahmen des Betriebspanels von 2023. Gleichzeitig kündigte die BA-Chefin an, ihre Behörde wolle “da nochmal angreifen”: Einerseits wolle sie die Bekanntheit der Instrumente durch Marketing erhöhen, andererseits die Abwicklung durch eine Entbürokratisierung weiter erleichtern.
Ausbildungsgarantie: Nur in sechs Regionen zeigt sich Besserung
Zur Wirkung der in diesem Jahr in Kraft getretenen Ausbildungsgarantie konnte die BA derweil noch keine Details liefern. Genaue Daten sollen im Januar folgen. Einen ersten Einblick gab Andrea Nahles dann aber doch bei den neuen außerbetrieblichen Ausbildungsplätzen für Jugendliche, die in Regionen leben, in denen es zu wenige betriebliche Stellen gibt.
Diese Zwischenbilanz klang eher mau: In 15 der 22 Agenturbezirke, in denen die Verwaltungsausschüsse der Agenturen für Arbeit 2023 eine Unterversorgung festgestellt haben, hat die Zahl der unversorgten Bewerber sogar zugenommen. Nur in sechs der betroffenen Agenturbezirke, darunter Berlin, ist sie verglichen mit dem Vorjahr gesunken.
Nahles appelliert erneut an Kompromissbereitschaft
Derweil wiederholte Nahles eine Forderung, die sie auch im vergangenen Jahr vorgetragen hatte: Ausbildungsinteressierte wie Betriebe müssten “noch mehr Kompromissbereitschaft” zeigen. Bewerber sollten “Alternativen jenseits des Traumberufs in Erwägung ziehen und auch regional mobil sein”.
Helfen könne in ihren Augen hierbei der Mobilitätszuschuss im Rahmen der Ausbildungsgarantie. Er soll Jugendliche, die für ihre Lehre umziehen, im ersten Ausbildungsjahr das Geld für zwei Heimfahrten pro Monat erstatten.
Die Betriebe sollten sich für junge Menschen öffnen, “die nicht die perfekten Kandidatinnen und Kandidaten sind”. Ob dieser Appell allein etwas bringt, ist fraglich.
- Ausbildung
- Ausbildung 2024
- Ausbildungsgarantie
- Bundesagentur für Arbeit
- Daten
- Studium
Bildung.Table Redaktion
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heute Vormittag hat die Bundesagentur für Arbeit (BA) neue Zahlen zum Ausbildungsmarkt vorgestellt. Mit einer ernüchternden Botschaft: Am 30. September waren mehr Bewerberinnen und Bewerber unversorgt als in den vergangenen 16 Jahren.
Zugenommen haben auch die Passungsprobleme. Bewerberinnen und Bewerber und die Betriebe haben noch schlechter zueinander gefunden. Auf 100 gemeldete Stellen kamen bundesweit zwar 86 gemeldete Bewerber. Doch was auf den ersten Blick nach einer günstigen Lage für die Jugendlichen klingt, birgt im Detail viele Probleme.
Worin genau diese bestehen, hat meine Kollegin Anna Parrisius analysiert. Sie hat auch aufgeschrieben, welche Angebote die BA nun stärken will und welchen Appell die BA-Chefin Andrea Nahles an Ausbildungsinteressierte und Betriebe richtet.
Ich wünsche Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre,
Analyse
Ausbildungsmarkt-Bilanz der BA: Noch mehr Jugendliche gehen leer aus
Die Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA), Andrea Nahles, hatte am heutigen Mittwochmorgen eine ernüchternde Botschaft: Aus Sicht ihrer Behörde sei es zunehmend schwierig, jungen Menschen eine Ausbildungsstelle zu organisieren.
Deutlich macht dies etwa diese neue Rekordzahl: Seit 2006/7 hat es nicht mehr so viele Jugendliche gegeben, die keine Ausbildung gefunden haben. Das zeigen Zahlen der BA im Zeitraum bis zum 30. September. 31.000 Bewerber hatten demnach keine Ausbildungsstelle gefunden und planen laut BA auch keine Alternative wie ein Freiwilliges Soziales Jahr oder einen weiteren Schulbesuch – 5.000 mehr als noch im Vorjahr.
Nahles zog bei der Pressekonferenz Bilanz zum Berufsberatungsjahr von Oktober 2023 bis September 2024 (Monatsbericht zum Download). Nicht mal jeder zweite Ausbildungsbewerber (46 Prozent) hat demnach eine Lehrstelle gefunden. Vom Rest gehen mit 16 Prozent die meisten weiter in die Schule, beginnen ein Studium oder ein Praktikum. Bei 13 Prozent fehlen Nahles’ Behörde Informationen, was sie inzwischen machen.
Generell bilden die Daten der BA den Ausbildungsmarkt nur unvollständig ab. Nicht alle Betriebe melden ihr offene Lehrstellen und lange nicht alle ausbildungsinteressierten Jugendlichen werden als Bewerber aufgeführt. In der Statistik taucht nur auf, wer sich von der BA beraten lässt, von ihr als “ausbildungsreif” eingestuft wird und sich für duale Ausbildungsplätze interessiert.
Die Behörde geht selbst davon aus, dass ihre Daten die reale Zahl der Bewerber dabei noch “viel unvollständiger abbilden, als es bei den gemeldeten Berufsausbildungsstellen der Fall ist”. Allerdings gibt es aktuell keine besseren Daten. Erst im Dezember liefert das Bundesinstitut für Berufsbildung ein umfassenderes Bild.
Lesen Sie auch: Ausbildungsmarkt in der Krise: Es braucht bessere Daten
Passungsprobleme sind größer geworden
Dass so viele Jugendliche in diesem Jahr leer ausgegangen sind, bringt Andrea Nahles zu einer zweiten ernüchternden Botschaft: Passungsprobleme haben zugenommen. Das heißt, Bewerber und Betriebe haben noch schlechter zueinander gefunden. Zwar kamen bundesweit 86 gemeldete Bewerber auf 100 gemeldete Stellen, was nach einer für die Jugendlichen günstigen Lage klingt. Allerdings liegt der Teufel im Detail. So muss im Einzelnen davon ausgegangen werden,
- dass Bewerber und Betriebe regional ungleich verteilt sind,
- dass es einen Mismatch zwischen Stellenangebot und Berufswünschen der Bewerber gibt,
- dass Qualifikationen der Bewerber und Ansprüche der Unternehmen auseinanderklaffen.
In 31 Bezirken gab es zu wenige Ausbildungsstellen
Wie heterogen die Situation in Deutschland ist, zeigen etwa folgende Details im Monatsbericht der BA:
- In 86 der bundesweit 150 Agenturbezirke gab es deutlich mehr gemeldete Lehrstellen als Bewerber. In 31 Bezirken kamen hingegen mehr als 110 Bewerber auf 100 Stellen, das Angebot war rechnerisch also zu gering.
- Blickt man auf die Bundesländer, blieben laut BA überdurchschnittlich viele Bewerber in Berlin unversorgt, gefolgt von Hamburg, Schleswig-Holstein und Brandenburg. Gering war der Anteil unversorgter Bewerber hingegen im Saarland, in Bayern und Baden-Württemberg.
- Während es zu wenige Stellen etwa im Friseurhandwerk, in der Softwareentwicklung und der Tischlerei gab, hatten Bäckereien oder Fleischereien, Betriebe in Bauberufen wie dem Malerhandwerk sowie Hotels und Gaststätten große Probleme, Bewerber zu finden.
BA will mit Unterstützungsangeboten “nochmal angreifen”
Andrea Nahles unterstrich bei ihrer Vorstellung, dass überproportional viele junge Menschen mit Hauptschulabschluss oder mit ausländischer Staatsbürgerschaft keine Ausbildung fanden. Aber es gebe auch Abiturienten, die leer ausgingen, weil sie etwa einen Beruf im Medienbereich anstrebten. Einen Ausgleich zu schaffen, sei Nahles zufolge in diesem Jahr noch schwieriger geworden. So seien mehr junge Menschen in die Beratung gekommen, die “eine intensivere persönliche Unterstützung benötigen”.
Helfen könnten hier Angebote der Bundesagentur für Arbeit wie die Assistierte Ausbildung – bei der Azubis einen externen Begleiter zur Seite gestellt bekommen – oder die Einstiegsqualifizierung, ein von Arbeitsagenturen und Jobcentern gefördertes Praktikum.
Allerdings sind diese Hilfen offenbar weiterhin noch nicht bekannt genug. Nahles verweist hier auf einen unveröffentlichten Evaluationsbericht der Hochschule der BA von 2024, der zeige, dass viele Unternehmen die Hilfen immer noch nicht kennen und Jugendliche mit besonderem Unterstützungsbedarf daher ablehnen. Bestätigt werde diese Beobachtung laut einer Sprecherin der BA auch durch eine Erhebung des IAB im Rahmen des Betriebspanels von 2023. Gleichzeitig kündigte die BA-Chefin an, ihre Behörde wolle “da nochmal angreifen”: Einerseits wolle sie die Bekanntheit der Instrumente durch Marketing erhöhen, andererseits die Abwicklung durch eine Entbürokratisierung weiter erleichtern.
Ausbildungsgarantie: Nur in sechs Regionen zeigt sich Besserung
Zur Wirkung der in diesem Jahr in Kraft getretenen Ausbildungsgarantie konnte die BA derweil noch keine Details liefern. Genaue Daten sollen im Januar folgen. Einen ersten Einblick gab Andrea Nahles dann aber doch bei den neuen außerbetrieblichen Ausbildungsplätzen für Jugendliche, die in Regionen leben, in denen es zu wenige betriebliche Stellen gibt.
Diese Zwischenbilanz klang eher mau: In 15 der 22 Agenturbezirke, in denen die Verwaltungsausschüsse der Agenturen für Arbeit 2023 eine Unterversorgung festgestellt haben, hat die Zahl der unversorgten Bewerber sogar zugenommen. Nur in sechs der betroffenen Agenturbezirke, darunter Berlin, ist sie verglichen mit dem Vorjahr gesunken.
Nahles appelliert erneut an Kompromissbereitschaft
Derweil wiederholte Nahles eine Forderung, die sie auch im vergangenen Jahr vorgetragen hatte: Ausbildungsinteressierte wie Betriebe müssten “noch mehr Kompromissbereitschaft” zeigen. Bewerber sollten “Alternativen jenseits des Traumberufs in Erwägung ziehen und auch regional mobil sein”.
Helfen könne in ihren Augen hierbei der Mobilitätszuschuss im Rahmen der Ausbildungsgarantie. Er soll Jugendliche, die für ihre Lehre umziehen, im ersten Ausbildungsjahr das Geld für zwei Heimfahrten pro Monat erstatten.
Die Betriebe sollten sich für junge Menschen öffnen, “die nicht die perfekten Kandidatinnen und Kandidaten sind”. Ob dieser Appell allein etwas bringt, ist fraglich.
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Bildung.Table Redaktion