Table.Briefing: Bildung

+++ Alert +++ Nationaler Bildungsbericht 2024 + Dörings Rücktritt und die Folgen

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Vorstellung des nationalen Bildungsberichts alle zwei Jahre ist ein bildungspolitisches Großereignis. Zig Wissenschaftler der wichtigsten Bildungsforschungsinstitute beugen sich im Auftrag von KMK und BMBF über amtliche Statistiken und sozialwissenschaftliche Studien und legen eine Bestandsaufnahme zu allen Bildungsbereichen vor. Schwerpunktthema war in diesem Jahr die berufliche Bildung. Wir geben Ihnen in unserer heutigen Extra-Ausgabe einen Überblick über die wichtigsten Punkte. Meine Kollegin Anna Parrisius hat sich außerdem die Zahlen zur beruflichen Bildung von der Wirtschaftspädagogin Susan Seeber einordnen lassen.

An diesem Montag muss man aber wohl einschränkend sagen: Eigentlich ist das ein Großereignis. Denn bei der Pressekonferenz am Mittag richtete sich das Interesse nicht ausschließlich auf den nationalen Bildungsbericht. Im Fokus stand vor allem die Bundesbildungsministerin, die sich nach dem Rausschmiss ihrer Staatssekretärin Sabine Döring vielen unbequemen Fragen stellen musste. Vielen reicht die Konsequenz nicht, die Bettina Stark-Watzinger gezogen hat, schreibt meine Kollegin Nicola Kuhrt in ihrer Analyse im Research.Table, die Sie auch hier lesen können.

Auch für die Bildungspolitik wirft die Versetzung der Staatssekretärin in den einstweiligen Ruhestand zumindest eine große Frage auf: Welche Auswirkungen hat Dörings Abgang für die Verhandlungen zum Digitalpakt? Denn immerhin war sie bei diesem Thema Verhandlungsführerin von BMBF-Seite.

Wir bleiben dran – und halten Sie auf dem Laufenden!

Ihre
Annette Kuhn
Bild von Annette  Kuhn

Analyse

Nationaler Bildungsbericht: die fünf größten Herausforderungen

Die größte Überraschung im neuen nationalen Bildungsbericht “Bildung in Deutschland 2024” ist vielleicht diese: Es gibt keine wirkliche Überraschung. Die Herausforderungen haben sich gegenüber dem Vorgängerbericht kaum verändert – im Gegenteil: Zum Teil hat der Druck sogar noch zugenommen. Vor allem zeigt der Bericht, dass der Bildungserfolg nach wie vor stark – zu stark – von der sozialen Herkunft abhängt. “Bildungsbeteiligung ist von sozialen Ungleichheiten geprägt. Wir werden dem noch nicht gerecht”, gab auch Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger bei der Vorstellung des Berichts am Montag zu. Vor dem Hintergrund der gestiegenen Heterogenität der Schülerschaft sagte sie weiter: “Wir brauchen dringend eine bildungspolitische Trendwende.” KMK-Präsidentin Christine Streichert-Clivot ergänzte: “Wir müssen noch ehrgeiziger sein, um das Versprechen des sozialen Aufstiegs für Jugendliche zu erneuern.”

Für den nationalen Bildungsbericht, der von BMBF und KMK gefördert wird, haben Wissenschaftler der wichtigsten Bildungsforschungsinstitute – unter Federführung des Leibniz-Instituts für Bildungsforschung und Bildungsinformation (DIPF) – amtliche Statistiken und sozialwissenschaftliche Studien analysiert. Überwiegend beziehen sich die Daten auf das Jahr 2022. Alle zwei Jahre erscheint eine umfangreiche Bestandsaufnahme des Bildungswesens in Deutschland – von der frühkindlichen Bildung bis zur Weiterbildung. In jedem nationalen Bildungsbericht gibt es auch ein Schwerpunktthema – 2024 ist das die berufliche Bildung.

Bildungsausgaben steigen – aber nicht gemessen an der Wirtschaftskraft

In allen Bildungsbereichen stehe das System vor großen Herausforderungen. “Es bewegt sich zwar, aber oft zu langsam, um zum Beispiel auf die Bedarfe durch eine sich sprunghaft verändernde Schülerschaft zu reagieren”, so Kai Maaz, geschäftsführender Direktor des DIPF und Sprecher der Autorengruppe des Bildungsberichts bei der Vorabvorstellung des Bildungsberichts am Freitag.

Daran ändern offenbar auch die gestiegenen Bildungsausgaben nichts. Laut Bildungsbericht betrugen die Bildungsausgaben 2022 über alle Bereiche hinweg 264 Milliarden Euro. Davon fielen 16 Prozent auf den Elementar- und 46 Prozent auf den Schulbereich. Seit 2012 sind die Bildungsausgaben kontinuierlich gestiegen, allerdings haben sie sich gemessen an der Wirtschaftskraft kaum verändert. 2022 machten die Bildungsausgaben laut Bildungsbericht 6,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus.

Den größten Posten bilden die Personalkosten mit rund 72 Prozent. Dabei zeigt die Verteilung der Bildungsteilnehmer auf die verschiedenen Bereiche eine leichte Verschiebung. Während es vor zwei Jahren noch einen besonders großen Personalbedarf in den Kitas und Grundschulen gab, wächst er jetzt auch in der Sekundarstufe I.

Die Entwicklung der Schülerzahlen spiegelt sich aber nicht in der Zahl der Bildungseinrichtungen wider. Zwar ist die Zahl der Kitas in Deutschland seit 2012 um 14 Prozent gestiegen. Aber die Zahl der Grund- und vor allem der weiterführenden Schulen sinkt, obwohl sich gerade dort ein größerer Bedarf prognostizieren lässt. Denn wenn heute mehr Kinder in den Grundschulen sind, kommen die spätestens vier Jahre später in der weiterführenden Schule an.

Aus der Datenanalyse leitet die Autorengruppe des nationalen Bildungsberichts fünf große Herausforderungen und damit verknüpfte Forderungen ab:

  • Bessere Abstimmungsprozesse in der Governance: Bei der Umsetzung von Innovationen sollten alle Akteure besser eingebunden werden und eine Umsetzungsstrategie von vornherein mitgedacht werden. “Wir sehen, dass es nicht an Aktivitäten fehlt, aber viele scheitern an der Frage, wie sie ineinandergreifen”, erläutert Kai Maaz. Es gehe darum, vorhandene Programme stärker zu synthetisieren.
  • Gemeinsames Verständnis von Zielen, Aufgaben und Verantwortlichkeiten: Wer ist für was zuständig? An dieser Frage scheitern manche Prozesse in der Bildung und versickern dann vor lauter Nicht-Zuständigkeit.
  • Bedarfsorientierte Ressourcensteuerung: Statt nach dem Gießkannenprinzip sollten Mittel stärker nach Bedarf verteilt werden. Maaz hob dabei das Startchancen-Programm als zukunftsweisendes Programm hervor. Er betonte aber: “Solche Ansätze müssen systemisch umgesetzt werden, die vielen Einzelprojekte im System zusammenbringen und auch die eigenen Steuerungslogiken auf den Prüfstand stellen. Und dann müssten sie auch den frühkindlichen Bereich und die Weiterbildung adressieren.” Es gelte, möglichst früh bei ungleichen Ausgangslagen gegenzusteuern. Der Erfolg – das zeigt der Bildungsbericht allerdings auch – ist bislang offenbar mäßig. Zum Beispiel besuchen nicht unbedingt die Kinder eine Kita, deren Familiensprache nicht Deutsch ist. Gerade für sie wäre der Kita-Besuch für den Spracherwerb aber essenziell. So ist die Zahl der Drei- bis Sechsjährigen mit Migrationshintergrund zwischen 2014 und 2022 sogar um sieben Prozentpunkte zurückgegangen.
  • Datengestützte Qualitätsentwicklung: Die Autorengruppe rät zum Aufbau eines wissenschaftsbasierten Monitoringsystems, um vor allem individuelle Lernverläufe und Wirkungen von Reformmaßnahmen zu erfassen. Maaz sieht es als Chance, dass beim Startchancen-Programm eine Evaluation von Anfang an vorgesehen ist.
  • Qualitätssicherung trotz Personalmangel: Um dem Personalmangel vor allem in Kitas und Schulen zu begegnen, kommen immer mehr Quer- und Seiteneinsteiger ins System. Die Autorengruppe warnt davor, dass die Behebung der Mangelsituation zu einer Deprofessionalisierung führen könne. Die Ausgangslage in den Ländern ist dabei sehr unterschiedlich.

Die Zahlen aus dem nationalen Bildungsbericht machen auch deutlich, wie sehr soziale Disparitäten den gesamten Bildungsverlauf prägen und wie sehr Defizite kulminieren können. Ein Beleg dafür ist die wachsende Zahl an Schülern, die nicht die Mindeststandards erreichen. Und ein weiterer Beleg ist, dass wieder mehr Jugendliche ohne Schulabschluss die Schule verlassen.

Mehr Jugendliche landen wieder im Übergangssektor

Mit der gestiegenen Zahl an Jugendlichen ohne Schulabschluss ist auch die Zahl derjenigen gestiegen, die im Übergangssektor landen. Waren es 2021 noch 224.850 Schüler, ist die Zahl im Jahr 2023 auf 249.790 angestiegen. Das stellt die berufliche Bildung vor große Herausforderungen. Hinzu kommt, dass der Lehrermangel auch an den beruflichen Schulen groß ist und dass es hier einen besonders großen Anteil an Seiteneinsteigern ohne Lehramtsausbildung gibt. Für Rainer Schulz, Staatsrat im Hamburger Schulsenat, ist das eine alarmierende Entwicklung. “Wenn wir für berufliche Schulen nicht genug Lehrkräfte finden, scheitert die berufliche Bildung irgendwann auch daran”, sagte er bei der Vorabvorstellung des Bildungsberichts.

Schulz begrüßt es, dass der nationale Bildungsbericht als Schwerpunkt 2024 die berufliche Bildung gewählt hat, denn gerade hier seien die genannten Herausforderungen besonders groß. Aufgrund der verschiedenen Zuständigkeiten bliebe besonders die Frage der Governance meist ungelöst. Er kündigte auch an, dass die KMK auf Basis des Bildungsberichts eine “Tiefenbohrung zur beruflichen Bildung” vornehmen wolle. Man wisse einfach noch viel zu wenig: zum Beispiel, wo die 25- bis 34-Jährigen bleiben, die keinen formalen Abschluss haben.

Aber dass mehr junge Menschen später noch einen qualifizierten Abschluss machen, sei positiv, betonte Kai Maaz an dieser Stelle. Das zeige, dass das Bildungssystem flexibler geworden sei – zumindest ein Zeichen für mehr Bildungsgerechtigkeit.

  • Berufliche Bildung
  • Bildungsforschung
  • Bildungspolitik
  • Frühkindliche Bildung
  • Grundschule
  • Kitas

Start in Ausbildung: Forscherin fordert, Jugendliche besser zu unterstützen

Sie ist Mitglied der SWK und Professorin für Wirtschaftspädagogik und Personalentwicklung an der Uni Göttingen: Susan Seeber.

Frau Seeber, die Zahl der Jugendlichen, die direkt nach der Schule keinen Ausbildungsplatz finden und in den Übergangssektor kommen, ist von 2021 bis 2023 um knapp 25.000 auf rund 250.000 angestiegen. Woran liegt das?

Der größte Teil des Anstiegs geht auf ukrainische Jugendliche zurück, die infolge des Krieges zugewandert sind. Wenn sie im Ausbildungsalter sind, werden sie in der Regel in das Übergangssystem bei den beruflichen Schulen integriert. Insgesamt haben aktuell ungefähr 38 Prozent der Jugendlichen im Übergangssektor eine ausländische Staatsangehörigkeit. Ein großer Teil der Gruppe ist in den vergangenen Jahren erst zugewandert.

Ist die Zahl von 250.000 dann kein Problem?

Doch, auf jeden Fall. Ungefähr 62 Prozent, rund 150.000 Jugendliche, sind zumindest in großen Teilen durch das deutsche Bildungssystem gegangen. Das ist eine substanzielle Gruppe, bei der wir uns fragen müssen, wie das allgemeinbildende System auf die berufliche Bildung vorbereitet hat. Warum klappt der Ausbildungseinstieg nicht, obwohl sich die Angebot-Nachfrage-Relation auf dem Ausbildungsmarkt in den vergangenen zehn Jahren deutlich verbessert hat? Wir verschenken hier Fachkräftepotenzial, aber vor allem auch Integrationschancen für die jungen Menschen selbst.

“Schüler ohne Schulabschluss probieren erst gar nicht, sich zu bewerben”

Warum finden viele Jugendliche nach der Schulzeit nicht in Ausbildung?

Zum Teil ist es sicherlich darauf zurückzuführen, dass Jugendliche in einer Region wohnen, wo der Ausbildungsmarkt nicht so günstig ist. In einem Teil der westdeutschen Flächenländer oder auch in Berlin haben wir nach wie vor deutlich mehr Nachfrage als Angebote. Das erklärt es aber nur in Teilen. Wir wissen aus Studien, dass Schülerinnen und Schüler ohne ersten Schulabschluss – das betrifft zu großen Teilen Förderschülerinnen und -schüler – erst gar nicht probieren, sich zu bewerben. Außerdem empfehlen Berater und Beraterinnen gerade dieser Gruppe junger Menschen aus Förderschulen oft auch, erst mal einen Schulabschluss nachzuholen oder ihre Ausbildungsfähigkeiten zu verbessern.

Was halten Sie von Appellen wie dem der Chefin der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles, Jugendliche müssten angesichts unbesetzter Ausbildungsstellen “mehr Kompromissbereitschaft” zeigen?

Frau Nahles müsste sich die Daten anschauen: Ungefähr die Hälfte aller Jugendlichen geht bereits einen Kompromiss ein und entscheidet sich für eine Ausbildung, die ungünstiger ist als die ursprünglich gewünschte. Zum Beispiel wollen viele in ein mittelgroßes oder großes Unternehmen, beginnen ihre Ausbildung dann aber in einem kleineren Betrieb, wo das Ausbildungsentgelt und später auch das Gehalt geringer ist.

Ein großer Teil nimmt ungünstigere Arbeitsbedingungen oder ein geringeres soziales Ansehen des Berufs in Kauf. Acht Prozent gehen insgesamt schlechtere Bedingungen ein. Den Jugendlichen noch mehr Kompromissbereitschaft abzufordern, ist nicht immer sinnvoll, denn wir wissen auch, dass das Risiko, die Ausbildung abzubrechen, steigt, je stärker der gewählte Beruf vom Wunschberuf abweicht.

Ausbildungsgarantie werde nur “sehr restriktiv eingeführt”

Wird die sogenannte Ausbildungsgarantie dazu beitragen, dass mehr Jugendliche direkt in Ausbildung finden?

Zu hoffen und zu wünschen wäre es. Meine Befürchtung ist aber, dass das nicht passiert, weil die Ausbildungsgarantie sehr restriktiv eingeführt wird. Zusätzliche überbetriebliche Ausbildungsplätze sollen nur in Regionen geschaffen werden, in denen es keine ausreichende Versorgung mit Ausbildungsangeboten gibt.

Was die einzelne Arbeitsagentur als ausreichend definiert, wissen wir außerdem nicht. Gelten schon 100 Ausbildungsstellen auf 100 Nachfragen als ausreichend, wäre das zu kurz gesprungen, denn es braucht Wahlmöglichkeiten für die Jugendlichen, aber auch für die Betriebe.  

Lesen Sie auch: Ausbildungsgarantie: Der Realitätscheck steht noch aus

Könnte der Mobilitätszuschuss, der künftig im ersten Ausbildungsjahr gezahlt wird, Jugendliche animieren, umzuziehen?

Damit Jugendliche etwa aus den nördlichen Bundesländern nach Bayern oder in ostdeutsche Bundesländer gehen, wo es relativ viele Ausbildungsstellen gibt, bräuchte es mehr als zwei kostenfreie Familienheimfahrten im Monat.

Das Hauptproblem für Jugendliche, die ihre Ausbildung in einer anderen Stadt machen, ist es, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Hier braucht es wie für Studierende Wohnheime. Das Ausbildungsentgelt ist oft zu niedrig, um eine Wohnung auf dem freien Markt zu zahlen.

“Brauchen im Übergangssektor eine intensivere Eingangsdiagnostik”

Nochmal zurück zu den Jugendlichen im Übergangssektor: Auch 36 Monate nach Start einer Übergangsmaßnahme haben es nach Daten des Nationalen Bildungspanels nur zwei Drittel in eine Ausbildung geschafft. Wie können die Länder hier die Wirkung steigern?

Es gibt Bundesländer wie Hamburg, die sehr gute Erfahrungen mit dualen Konzepten der Ausbildungsvorbereitung gemacht haben. Da sind die Jugendlichen neben der Berufsschule zwei oder drei Tage im Betrieb, um berufliche Tätigkeiten kennenzulernen und sich auszuprobieren. Gerade für schulmüde Jugendliche ist ein solches Modell sehr sinnvoll.

Andere hatten vielleicht nur eine schwierige Phase in der Schule, aber haben eine klare Berufsvorstellung, für die sie den ersten oder mittleren Schulabschluss brauchen. Da ergibt es Sinn, vor allem das zu fördern. Wir brauchen im Übergangssektor insgesamt eine intensivere und förderbezogene Eingangsdiagnostik, damit man weiß, wo die Jugendlichen stehen.

Und dann braucht es vor allem eine bessere Begleitung. Die Jugendlichen brauchen eine Vertrauensperson, mit der sie sich immer wieder intensiv austauschen und Praktika reflektieren können. Am besten haben sie auch eine Begleitung in die Ausbildung hinein, um Abbruchrisiken zu mindern.

“Gerade bei Jugendlichen aus dem Übergangssektor ist das Abbruchrisiko hoch”

Die Zahl derer, die die Ausbildung abbrechen, ist mit 30 Prozent recht hoch.

Ein Abbruch ist nicht immer ein Problem, wenn Jugendliche zum Beispiel nur den Betrieb wechseln oder sich umorientieren. Aber gerade bei Jugendlichen aus dem Übergangssektor ist das Abbruchrisiko hoch, bei ihnen liegt es bei 45 Prozent. Und das Problem ist, dass diese Jugendlichen meist in kleinere Betriebe einmünden, die keine so professionelle Ausbildungsinfrastruktur haben. Dort kümmern sich die Ausbilderinnen und Ausbilder häufiger nebenberuflich um die Azubis.

Könnten die Betriebe nicht die Assistierte Ausbildung oder die Einstiegsqualifizierung stärker nutzen?

Gerade die Assistenz in der Ausbildung ist eine gute Möglichkeit. Aber wissen die Unternehmen überhaupt, wie, wo und wann sie Förderung beantragen können? Da brauchen wir niedrigschwellige, möglichst unbürokratische Angebote, damit auch kleine Unternehmen die Fördermöglichkeiten tatsächlich abrufen.

Rainer Schulz, Staatsrat der Behörde für Schule und Berufsbildung in Hamburg, hat angekündigt, dass die KMK eine “Tiefenbohrung zur beruflichen Bildung” vornehmen will. Wo sollte die KMK anfangen?

Bei der Berufsorientierung, denn aktuell fühlt sich nur die Hälfte der Jugendlichen am Übergang gut orientiert. Obwohl die Länder viel Geld ausgeben, ist unklar, was wirkt. Dann sollte die KMK den Übergangssektor in den Blick nehmen. Wir brauchen dringend mehr Daten dazu, wohin die Jugendlichen nach einer Übergangsmaßnahme gehen. Und genauso ist es bei Ausbildungsabbrüchen: Wir müssen noch besser wissen, wodurch sie verursacht werden und wie wir diese verhindern können.

Susan Seeber gehört seit 2010 zur Autorengruppe des nationalen Bildungsberichts und ist Mitglied der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der KMK. Sie ist Professorin für Wirtschaftspädagogik und Personalentwicklung an der Uni Göttingen.

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Sabine Döring muss gehen: Warum Bettina Stark-Watzinger weiterhin in der Kritik steht

Ein Rauswurf – und kein Rücktritt: Sabine Döring wird in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Sonntagabend hatte sie zunächst selbst auf X getwittert: “Dieser Abschnitt meiner beruflichen Laufbahn findet ein jähes Ende“. Kurz darauf war der Post gelöscht, ein neuer besagte, sie habe einen Anruf bekommen – “muss den Tweet löschen”.  Eine offizielle Bestätigung für das Ende von Döring als Staatssekretärin im BMBF folgte dann eine Stunde später in einer Pressemitteilung – von der Ministerin selbst.

Döring-Rauswurf: “Eindruck, ein personeller Neuanfang sei nötig” 

“Die für die Hochschulabteilung fachlich zuständige Staatssekretärin Prof. Dr. Sabine Döring hat – wie schon öffentlich bekannt – den zugrundeliegenden Prüfauftrag veranlasst. Ebenfalls hat sie erklärt, dass sie sich bei ihrem Auftrag der rechtlichen Prüfung offenbar missverständlich ausgedrückt habe.”  

Nichtsdestotrotz sei der Eindruck erweckt worden, dass die Prüfung förderrechtlicher Konsequenzen auf der Basis eines von der Meinungsfreiheit gedeckten offenen Briefes im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) erwogen werde. “Das widerspricht den Prinzipien der Wissenschaftsfreiheit. Prüfungen förderrechtlicher Konsequenzen wegen von der Meinungsfreiheit gedeckten Äußerungen finden nicht statt.”

Der entstandene Eindruck sei geeignet, das Vertrauen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in das BMBF nachhaltig zu beschädigen, erklärt Stark-Watzinger. “Vor diesem Hintergrund und da ich im Prozess der Aufarbeitung zu der Überzeugung gelangt bin, dass ein personeller Neuanfang nötig ist, habe ich den Bundeskanzler darum gebeten, Staatssekretärin Prof. Dr. Sabine Döring in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen. Ich danke Sabine Döring für ihren Einsatz für Bildung, Wissenschaft und das BMBF.” 

Wird die Entlassung die Diskussionen um ihre Person beenden?

Die ursprüngliche Kritik an der Hausleitung des BMBF hatte sich an einer Äußerung Bettina Stark-Watzingers in der Bild-Zeitung entzündet. Am 9. Mai hatte sie in der Bild-Zeitung angezweifelt, ob die Professorinnen und Professoren, die den offenen Brief nach Räumung eines propalästinensischen Protestcamps unterzeichnet hatten, noch auf dem Boden des Grundgesetzes stünden. “Dieses Statement von Lehrenden an Berliner Universitäten macht fassungslos”, erklärte sie damals zudem. Statt sich klar gegen Israel- und Judenhass zu stellen, würden Uni-Besetzer zu Opfern gemacht und Gewalt verharmlost.

Zu der Kritik hieran erklärt Stark-Watzinger nun: “Eine Gruppe von Hochschullehrerinnen und -lehrern hatte sich im Mai dieses Jahres mit einem offenen Brief zu den Protestcamps an Hochschulen positioniert. Das ist ein legitimer Teil von Debatte und Meinungsfreiheit. Genauso selbstverständlich ist es, dem eine andere Meinung gegenüberzustellen. Denn Meinungsfreiheit ist kein Recht auf Zustimmung”.

Ihre Bemerkung aus dem Bild-Artikel, mit der Stark-Watzinger die Grundgesetztreue der Unterzeichner des offenen Briefs hinterfragte, wird in ihrem neuerlichen Statement mit keinem Wort erwähnt. Dabei scheint es doch genau diese Aussage zu sein, die nicht nur in der Wissenschaftscommunity, sondern auch in der Hausleitung des BMBF und für Sabine Döring zu folgenschweren Reaktion geführt hat.

Ansage Stark-Watzingers “hat Richtung für das BMBF vorgegeben” 

Bettina Stark-Watzinger wird seit Bekanntwerden des Auftrags von allen Seiten aufgefordert, sich öffentlich zu erklären. In einem neuerlichen offenen Brief fordern Menschen aus der Wissenschaftsszene ihren Rücktritt. Stand Montagmittag gibt es bereits knapp 3.000 Unterzeichner.

“Bundesministerin Stark-Watzinger hat recht: Ein personeller Neuanfang im BMBF ist notwendig. Sie muss diesen Schritt jetzt selbst vollziehen”, schreibt Forschungspolitiker Thomas Jarzombek (CDU) auf X.  “Es war ihre Ansage, dass sich die Dozenten mit ihrem Brief nicht auf dem Boden des Grundgesetzes befänden. Damit hat sie die Richtung für das BMBF vorgegeben, die von den Beamten umgesetzt wurde. Dass sie dies mit keinem Wort einordnet, spricht Bände über die tatsächlichen Abläufe.”

Karin Prien: Politik zeigt sich von ihrer hässlichen Seite

In den sozialen Medien ist seit Sonntagabend viel davon die Rede, Sabine Döring sei ein “Bauernopfer” Stark-Watzingers. So sieht es auch Karin Prien (CDU), Ministerin für Bildung und Wissenschaft in Schleswig-Holstein. Sie schrieb heute Früh auf der Plattform X, es sei “beispielhaft mutig” von Sabine Döring gewesen, aus der Wissenschaft ins BMBF zu wechseln. “Mit dieser nächtlichen Posse, mit der @sabinedoering jetzt zum Bauernopfer gemacht wird, zeigt sich Politik von ihrer hässlichen Seite. Leider.”

Auch Peter Dabrock, ehemaliger Ethikrats-Vorsitzender, bedauert die Entlassung Dörings. “Ob die @BMBF_Bund-Ministerin damit den Kopf aus der Schlinge ziehen kann, ist zu bezweifeln”, schreibt er auf X. Vieles bleibe ungeklärt, “und die Letztverantwortung liegt bei der Ministerin”. 

BMBF-Eklat setzt auch Ampel unter Druck

Amrei Bahr, Juniorprofessorin an der Universität Stuttgart und #IchBinHanna-Mitinitiatorin, sieht die Ministerin ebenfalls weiterhin in der Verantwortung. “Stark-Watzinger ist Meisterin darin, ihre Verantwortung auf andere abzuwälzen. In Sachen #WissZeitVG ist sie unsichtbar, schickt Staatssekretär Brandenburg vor. Nun soll Staatssekretärin Döring Skandal um Wissenschaftsfreiheit ausbaden. Verantwortlich ist & bleibt bei beidem aber sie als Ministerin!”, schreibt sie bei Bluesky.

Etwas zurückhaltender äußert sich Kai Gehring, Vorsitzender des Forschungsausschusses im Bundestag. “Druck auf das BMBF kam zuvorderst aus der Wissenschaftscommunity, zugleich haben auch die regierungstragenden Fraktionen ihre Aufgabe erfüllt, die Regierung zu kontrollieren – demgemäß haben wir intern und extern Aufklärung und Transparenz eingefordert, um den entstandenen Anschein auszuräumen”.

Die BMBF-Leitung habe den Vorgang intern aufgearbeitet und ist dabei zu dem Entschluss gelangt, dass personelle Konsequenzen notwendig waren. “Entscheidend ist, dass die Ministerin unmissverständlich klargemacht hat, dass die Wissenschaftsfreiheit garantiert wird – nur so lässt sich verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen.” 

Statement Stark-Watzingers kommt viel zu spät

Was bedeutet die Erosion in der BMBF-Spitze? Der politische Schaden für Ministerin Stark-Watzinger ist trotz Entlassung der Staatssekretärin groß – die Reaktionen in der Wissenschaftscommunity sehen die Lage für Stark-Watzinger eigentlich als nicht reparabel. Das BMBF hat an Vertrauen eingebüßt – und das mitten im Wissenschaftsjahr der Freiheit. Das Statement von Ministerin Stark-Watzinger komme zu spät, sie hätte bereits in der vergangenen Woche beherzt kommunizieren müssen. 
 
So mancher erklärt, er habe zunehmend den Eindruck, dass die Ampel insgesamt doch noch vorzeitig kollabiert. Scholz stehe SPD-intern massiv unter Druck und es sei auch nicht erkennbar, wie sich SPD, Grüne und FDP auf den Bundeshaushalt einigen können.

“Vertrauen in die Ministerin nachhaltig beschädigt”

Die Ministerin selbst habe durch Ihr Interview mit der “Bild” der Diffamierungskampagne und der internen Prüfung Vorschub geleistet, sagt Ilyas Saliba, Non-Resident Fellow des Global Public Policy Institute in Berlin. Er hat sowohl den Brief der Hochschullehrenden unterzeichnet, der Auslöser des Eklats war, als auch den aktuellen offenen Brief. Auch Saliba sieht Sabine Döring als Bauernopfer. “Damit soll ein Schlussstrich unter die Angelegenheit gezogen werden. Doch das Vertrauen der Wissenschaft in die Ministerin und Ihr Amtsverständnis bleibt nachhaltig beschädigt. Transparenz und Vertrauensbildung sieht anders aus.” 

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  • Bettina Stark-Watzinger
  • BMBF
  • Forschungspolitik
  • Universitäten

Bildung.Table Redaktion

BILDUNG.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    die Vorstellung des nationalen Bildungsberichts alle zwei Jahre ist ein bildungspolitisches Großereignis. Zig Wissenschaftler der wichtigsten Bildungsforschungsinstitute beugen sich im Auftrag von KMK und BMBF über amtliche Statistiken und sozialwissenschaftliche Studien und legen eine Bestandsaufnahme zu allen Bildungsbereichen vor. Schwerpunktthema war in diesem Jahr die berufliche Bildung. Wir geben Ihnen in unserer heutigen Extra-Ausgabe einen Überblick über die wichtigsten Punkte. Meine Kollegin Anna Parrisius hat sich außerdem die Zahlen zur beruflichen Bildung von der Wirtschaftspädagogin Susan Seeber einordnen lassen.

    An diesem Montag muss man aber wohl einschränkend sagen: Eigentlich ist das ein Großereignis. Denn bei der Pressekonferenz am Mittag richtete sich das Interesse nicht ausschließlich auf den nationalen Bildungsbericht. Im Fokus stand vor allem die Bundesbildungsministerin, die sich nach dem Rausschmiss ihrer Staatssekretärin Sabine Döring vielen unbequemen Fragen stellen musste. Vielen reicht die Konsequenz nicht, die Bettina Stark-Watzinger gezogen hat, schreibt meine Kollegin Nicola Kuhrt in ihrer Analyse im Research.Table, die Sie auch hier lesen können.

    Auch für die Bildungspolitik wirft die Versetzung der Staatssekretärin in den einstweiligen Ruhestand zumindest eine große Frage auf: Welche Auswirkungen hat Dörings Abgang für die Verhandlungen zum Digitalpakt? Denn immerhin war sie bei diesem Thema Verhandlungsführerin von BMBF-Seite.

    Wir bleiben dran – und halten Sie auf dem Laufenden!

    Ihre
    Annette Kuhn
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    Analyse

    Nationaler Bildungsbericht: die fünf größten Herausforderungen

    Die größte Überraschung im neuen nationalen Bildungsbericht “Bildung in Deutschland 2024” ist vielleicht diese: Es gibt keine wirkliche Überraschung. Die Herausforderungen haben sich gegenüber dem Vorgängerbericht kaum verändert – im Gegenteil: Zum Teil hat der Druck sogar noch zugenommen. Vor allem zeigt der Bericht, dass der Bildungserfolg nach wie vor stark – zu stark – von der sozialen Herkunft abhängt. “Bildungsbeteiligung ist von sozialen Ungleichheiten geprägt. Wir werden dem noch nicht gerecht”, gab auch Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger bei der Vorstellung des Berichts am Montag zu. Vor dem Hintergrund der gestiegenen Heterogenität der Schülerschaft sagte sie weiter: “Wir brauchen dringend eine bildungspolitische Trendwende.” KMK-Präsidentin Christine Streichert-Clivot ergänzte: “Wir müssen noch ehrgeiziger sein, um das Versprechen des sozialen Aufstiegs für Jugendliche zu erneuern.”

    Für den nationalen Bildungsbericht, der von BMBF und KMK gefördert wird, haben Wissenschaftler der wichtigsten Bildungsforschungsinstitute – unter Federführung des Leibniz-Instituts für Bildungsforschung und Bildungsinformation (DIPF) – amtliche Statistiken und sozialwissenschaftliche Studien analysiert. Überwiegend beziehen sich die Daten auf das Jahr 2022. Alle zwei Jahre erscheint eine umfangreiche Bestandsaufnahme des Bildungswesens in Deutschland – von der frühkindlichen Bildung bis zur Weiterbildung. In jedem nationalen Bildungsbericht gibt es auch ein Schwerpunktthema – 2024 ist das die berufliche Bildung.

    Bildungsausgaben steigen – aber nicht gemessen an der Wirtschaftskraft

    In allen Bildungsbereichen stehe das System vor großen Herausforderungen. “Es bewegt sich zwar, aber oft zu langsam, um zum Beispiel auf die Bedarfe durch eine sich sprunghaft verändernde Schülerschaft zu reagieren”, so Kai Maaz, geschäftsführender Direktor des DIPF und Sprecher der Autorengruppe des Bildungsberichts bei der Vorabvorstellung des Bildungsberichts am Freitag.

    Daran ändern offenbar auch die gestiegenen Bildungsausgaben nichts. Laut Bildungsbericht betrugen die Bildungsausgaben 2022 über alle Bereiche hinweg 264 Milliarden Euro. Davon fielen 16 Prozent auf den Elementar- und 46 Prozent auf den Schulbereich. Seit 2012 sind die Bildungsausgaben kontinuierlich gestiegen, allerdings haben sie sich gemessen an der Wirtschaftskraft kaum verändert. 2022 machten die Bildungsausgaben laut Bildungsbericht 6,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus.

    Den größten Posten bilden die Personalkosten mit rund 72 Prozent. Dabei zeigt die Verteilung der Bildungsteilnehmer auf die verschiedenen Bereiche eine leichte Verschiebung. Während es vor zwei Jahren noch einen besonders großen Personalbedarf in den Kitas und Grundschulen gab, wächst er jetzt auch in der Sekundarstufe I.

    Die Entwicklung der Schülerzahlen spiegelt sich aber nicht in der Zahl der Bildungseinrichtungen wider. Zwar ist die Zahl der Kitas in Deutschland seit 2012 um 14 Prozent gestiegen. Aber die Zahl der Grund- und vor allem der weiterführenden Schulen sinkt, obwohl sich gerade dort ein größerer Bedarf prognostizieren lässt. Denn wenn heute mehr Kinder in den Grundschulen sind, kommen die spätestens vier Jahre später in der weiterführenden Schule an.

    Aus der Datenanalyse leitet die Autorengruppe des nationalen Bildungsberichts fünf große Herausforderungen und damit verknüpfte Forderungen ab:

    • Bessere Abstimmungsprozesse in der Governance: Bei der Umsetzung von Innovationen sollten alle Akteure besser eingebunden werden und eine Umsetzungsstrategie von vornherein mitgedacht werden. “Wir sehen, dass es nicht an Aktivitäten fehlt, aber viele scheitern an der Frage, wie sie ineinandergreifen”, erläutert Kai Maaz. Es gehe darum, vorhandene Programme stärker zu synthetisieren.
    • Gemeinsames Verständnis von Zielen, Aufgaben und Verantwortlichkeiten: Wer ist für was zuständig? An dieser Frage scheitern manche Prozesse in der Bildung und versickern dann vor lauter Nicht-Zuständigkeit.
    • Bedarfsorientierte Ressourcensteuerung: Statt nach dem Gießkannenprinzip sollten Mittel stärker nach Bedarf verteilt werden. Maaz hob dabei das Startchancen-Programm als zukunftsweisendes Programm hervor. Er betonte aber: “Solche Ansätze müssen systemisch umgesetzt werden, die vielen Einzelprojekte im System zusammenbringen und auch die eigenen Steuerungslogiken auf den Prüfstand stellen. Und dann müssten sie auch den frühkindlichen Bereich und die Weiterbildung adressieren.” Es gelte, möglichst früh bei ungleichen Ausgangslagen gegenzusteuern. Der Erfolg – das zeigt der Bildungsbericht allerdings auch – ist bislang offenbar mäßig. Zum Beispiel besuchen nicht unbedingt die Kinder eine Kita, deren Familiensprache nicht Deutsch ist. Gerade für sie wäre der Kita-Besuch für den Spracherwerb aber essenziell. So ist die Zahl der Drei- bis Sechsjährigen mit Migrationshintergrund zwischen 2014 und 2022 sogar um sieben Prozentpunkte zurückgegangen.
    • Datengestützte Qualitätsentwicklung: Die Autorengruppe rät zum Aufbau eines wissenschaftsbasierten Monitoringsystems, um vor allem individuelle Lernverläufe und Wirkungen von Reformmaßnahmen zu erfassen. Maaz sieht es als Chance, dass beim Startchancen-Programm eine Evaluation von Anfang an vorgesehen ist.
    • Qualitätssicherung trotz Personalmangel: Um dem Personalmangel vor allem in Kitas und Schulen zu begegnen, kommen immer mehr Quer- und Seiteneinsteiger ins System. Die Autorengruppe warnt davor, dass die Behebung der Mangelsituation zu einer Deprofessionalisierung führen könne. Die Ausgangslage in den Ländern ist dabei sehr unterschiedlich.

    Die Zahlen aus dem nationalen Bildungsbericht machen auch deutlich, wie sehr soziale Disparitäten den gesamten Bildungsverlauf prägen und wie sehr Defizite kulminieren können. Ein Beleg dafür ist die wachsende Zahl an Schülern, die nicht die Mindeststandards erreichen. Und ein weiterer Beleg ist, dass wieder mehr Jugendliche ohne Schulabschluss die Schule verlassen.

    Mehr Jugendliche landen wieder im Übergangssektor

    Mit der gestiegenen Zahl an Jugendlichen ohne Schulabschluss ist auch die Zahl derjenigen gestiegen, die im Übergangssektor landen. Waren es 2021 noch 224.850 Schüler, ist die Zahl im Jahr 2023 auf 249.790 angestiegen. Das stellt die berufliche Bildung vor große Herausforderungen. Hinzu kommt, dass der Lehrermangel auch an den beruflichen Schulen groß ist und dass es hier einen besonders großen Anteil an Seiteneinsteigern ohne Lehramtsausbildung gibt. Für Rainer Schulz, Staatsrat im Hamburger Schulsenat, ist das eine alarmierende Entwicklung. “Wenn wir für berufliche Schulen nicht genug Lehrkräfte finden, scheitert die berufliche Bildung irgendwann auch daran”, sagte er bei der Vorabvorstellung des Bildungsberichts.

    Schulz begrüßt es, dass der nationale Bildungsbericht als Schwerpunkt 2024 die berufliche Bildung gewählt hat, denn gerade hier seien die genannten Herausforderungen besonders groß. Aufgrund der verschiedenen Zuständigkeiten bliebe besonders die Frage der Governance meist ungelöst. Er kündigte auch an, dass die KMK auf Basis des Bildungsberichts eine “Tiefenbohrung zur beruflichen Bildung” vornehmen wolle. Man wisse einfach noch viel zu wenig: zum Beispiel, wo die 25- bis 34-Jährigen bleiben, die keinen formalen Abschluss haben.

    Aber dass mehr junge Menschen später noch einen qualifizierten Abschluss machen, sei positiv, betonte Kai Maaz an dieser Stelle. Das zeige, dass das Bildungssystem flexibler geworden sei – zumindest ein Zeichen für mehr Bildungsgerechtigkeit.

    • Berufliche Bildung
    • Bildungsforschung
    • Bildungspolitik
    • Frühkindliche Bildung
    • Grundschule
    • Kitas

    Start in Ausbildung: Forscherin fordert, Jugendliche besser zu unterstützen

    Sie ist Mitglied der SWK und Professorin für Wirtschaftspädagogik und Personalentwicklung an der Uni Göttingen: Susan Seeber.

    Frau Seeber, die Zahl der Jugendlichen, die direkt nach der Schule keinen Ausbildungsplatz finden und in den Übergangssektor kommen, ist von 2021 bis 2023 um knapp 25.000 auf rund 250.000 angestiegen. Woran liegt das?

    Der größte Teil des Anstiegs geht auf ukrainische Jugendliche zurück, die infolge des Krieges zugewandert sind. Wenn sie im Ausbildungsalter sind, werden sie in der Regel in das Übergangssystem bei den beruflichen Schulen integriert. Insgesamt haben aktuell ungefähr 38 Prozent der Jugendlichen im Übergangssektor eine ausländische Staatsangehörigkeit. Ein großer Teil der Gruppe ist in den vergangenen Jahren erst zugewandert.

    Ist die Zahl von 250.000 dann kein Problem?

    Doch, auf jeden Fall. Ungefähr 62 Prozent, rund 150.000 Jugendliche, sind zumindest in großen Teilen durch das deutsche Bildungssystem gegangen. Das ist eine substanzielle Gruppe, bei der wir uns fragen müssen, wie das allgemeinbildende System auf die berufliche Bildung vorbereitet hat. Warum klappt der Ausbildungseinstieg nicht, obwohl sich die Angebot-Nachfrage-Relation auf dem Ausbildungsmarkt in den vergangenen zehn Jahren deutlich verbessert hat? Wir verschenken hier Fachkräftepotenzial, aber vor allem auch Integrationschancen für die jungen Menschen selbst.

    “Schüler ohne Schulabschluss probieren erst gar nicht, sich zu bewerben”

    Warum finden viele Jugendliche nach der Schulzeit nicht in Ausbildung?

    Zum Teil ist es sicherlich darauf zurückzuführen, dass Jugendliche in einer Region wohnen, wo der Ausbildungsmarkt nicht so günstig ist. In einem Teil der westdeutschen Flächenländer oder auch in Berlin haben wir nach wie vor deutlich mehr Nachfrage als Angebote. Das erklärt es aber nur in Teilen. Wir wissen aus Studien, dass Schülerinnen und Schüler ohne ersten Schulabschluss – das betrifft zu großen Teilen Förderschülerinnen und -schüler – erst gar nicht probieren, sich zu bewerben. Außerdem empfehlen Berater und Beraterinnen gerade dieser Gruppe junger Menschen aus Förderschulen oft auch, erst mal einen Schulabschluss nachzuholen oder ihre Ausbildungsfähigkeiten zu verbessern.

    Was halten Sie von Appellen wie dem der Chefin der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles, Jugendliche müssten angesichts unbesetzter Ausbildungsstellen “mehr Kompromissbereitschaft” zeigen?

    Frau Nahles müsste sich die Daten anschauen: Ungefähr die Hälfte aller Jugendlichen geht bereits einen Kompromiss ein und entscheidet sich für eine Ausbildung, die ungünstiger ist als die ursprünglich gewünschte. Zum Beispiel wollen viele in ein mittelgroßes oder großes Unternehmen, beginnen ihre Ausbildung dann aber in einem kleineren Betrieb, wo das Ausbildungsentgelt und später auch das Gehalt geringer ist.

    Ein großer Teil nimmt ungünstigere Arbeitsbedingungen oder ein geringeres soziales Ansehen des Berufs in Kauf. Acht Prozent gehen insgesamt schlechtere Bedingungen ein. Den Jugendlichen noch mehr Kompromissbereitschaft abzufordern, ist nicht immer sinnvoll, denn wir wissen auch, dass das Risiko, die Ausbildung abzubrechen, steigt, je stärker der gewählte Beruf vom Wunschberuf abweicht.

    Ausbildungsgarantie werde nur “sehr restriktiv eingeführt”

    Wird die sogenannte Ausbildungsgarantie dazu beitragen, dass mehr Jugendliche direkt in Ausbildung finden?

    Zu hoffen und zu wünschen wäre es. Meine Befürchtung ist aber, dass das nicht passiert, weil die Ausbildungsgarantie sehr restriktiv eingeführt wird. Zusätzliche überbetriebliche Ausbildungsplätze sollen nur in Regionen geschaffen werden, in denen es keine ausreichende Versorgung mit Ausbildungsangeboten gibt.

    Was die einzelne Arbeitsagentur als ausreichend definiert, wissen wir außerdem nicht. Gelten schon 100 Ausbildungsstellen auf 100 Nachfragen als ausreichend, wäre das zu kurz gesprungen, denn es braucht Wahlmöglichkeiten für die Jugendlichen, aber auch für die Betriebe.  

    Lesen Sie auch: Ausbildungsgarantie: Der Realitätscheck steht noch aus

    Könnte der Mobilitätszuschuss, der künftig im ersten Ausbildungsjahr gezahlt wird, Jugendliche animieren, umzuziehen?

    Damit Jugendliche etwa aus den nördlichen Bundesländern nach Bayern oder in ostdeutsche Bundesländer gehen, wo es relativ viele Ausbildungsstellen gibt, bräuchte es mehr als zwei kostenfreie Familienheimfahrten im Monat.

    Das Hauptproblem für Jugendliche, die ihre Ausbildung in einer anderen Stadt machen, ist es, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Hier braucht es wie für Studierende Wohnheime. Das Ausbildungsentgelt ist oft zu niedrig, um eine Wohnung auf dem freien Markt zu zahlen.

    “Brauchen im Übergangssektor eine intensivere Eingangsdiagnostik”

    Nochmal zurück zu den Jugendlichen im Übergangssektor: Auch 36 Monate nach Start einer Übergangsmaßnahme haben es nach Daten des Nationalen Bildungspanels nur zwei Drittel in eine Ausbildung geschafft. Wie können die Länder hier die Wirkung steigern?

    Es gibt Bundesländer wie Hamburg, die sehr gute Erfahrungen mit dualen Konzepten der Ausbildungsvorbereitung gemacht haben. Da sind die Jugendlichen neben der Berufsschule zwei oder drei Tage im Betrieb, um berufliche Tätigkeiten kennenzulernen und sich auszuprobieren. Gerade für schulmüde Jugendliche ist ein solches Modell sehr sinnvoll.

    Andere hatten vielleicht nur eine schwierige Phase in der Schule, aber haben eine klare Berufsvorstellung, für die sie den ersten oder mittleren Schulabschluss brauchen. Da ergibt es Sinn, vor allem das zu fördern. Wir brauchen im Übergangssektor insgesamt eine intensivere und förderbezogene Eingangsdiagnostik, damit man weiß, wo die Jugendlichen stehen.

    Und dann braucht es vor allem eine bessere Begleitung. Die Jugendlichen brauchen eine Vertrauensperson, mit der sie sich immer wieder intensiv austauschen und Praktika reflektieren können. Am besten haben sie auch eine Begleitung in die Ausbildung hinein, um Abbruchrisiken zu mindern.

    “Gerade bei Jugendlichen aus dem Übergangssektor ist das Abbruchrisiko hoch”

    Die Zahl derer, die die Ausbildung abbrechen, ist mit 30 Prozent recht hoch.

    Ein Abbruch ist nicht immer ein Problem, wenn Jugendliche zum Beispiel nur den Betrieb wechseln oder sich umorientieren. Aber gerade bei Jugendlichen aus dem Übergangssektor ist das Abbruchrisiko hoch, bei ihnen liegt es bei 45 Prozent. Und das Problem ist, dass diese Jugendlichen meist in kleinere Betriebe einmünden, die keine so professionelle Ausbildungsinfrastruktur haben. Dort kümmern sich die Ausbilderinnen und Ausbilder häufiger nebenberuflich um die Azubis.

    Könnten die Betriebe nicht die Assistierte Ausbildung oder die Einstiegsqualifizierung stärker nutzen?

    Gerade die Assistenz in der Ausbildung ist eine gute Möglichkeit. Aber wissen die Unternehmen überhaupt, wie, wo und wann sie Förderung beantragen können? Da brauchen wir niedrigschwellige, möglichst unbürokratische Angebote, damit auch kleine Unternehmen die Fördermöglichkeiten tatsächlich abrufen.

    Rainer Schulz, Staatsrat der Behörde für Schule und Berufsbildung in Hamburg, hat angekündigt, dass die KMK eine “Tiefenbohrung zur beruflichen Bildung” vornehmen will. Wo sollte die KMK anfangen?

    Bei der Berufsorientierung, denn aktuell fühlt sich nur die Hälfte der Jugendlichen am Übergang gut orientiert. Obwohl die Länder viel Geld ausgeben, ist unklar, was wirkt. Dann sollte die KMK den Übergangssektor in den Blick nehmen. Wir brauchen dringend mehr Daten dazu, wohin die Jugendlichen nach einer Übergangsmaßnahme gehen. Und genauso ist es bei Ausbildungsabbrüchen: Wir müssen noch besser wissen, wodurch sie verursacht werden und wie wir diese verhindern können.

    Susan Seeber gehört seit 2010 zur Autorengruppe des nationalen Bildungsberichts und ist Mitglied der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der KMK. Sie ist Professorin für Wirtschaftspädagogik und Personalentwicklung an der Uni Göttingen.

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    Sabine Döring muss gehen: Warum Bettina Stark-Watzinger weiterhin in der Kritik steht

    Ein Rauswurf – und kein Rücktritt: Sabine Döring wird in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Sonntagabend hatte sie zunächst selbst auf X getwittert: “Dieser Abschnitt meiner beruflichen Laufbahn findet ein jähes Ende“. Kurz darauf war der Post gelöscht, ein neuer besagte, sie habe einen Anruf bekommen – “muss den Tweet löschen”.  Eine offizielle Bestätigung für das Ende von Döring als Staatssekretärin im BMBF folgte dann eine Stunde später in einer Pressemitteilung – von der Ministerin selbst.

    Döring-Rauswurf: “Eindruck, ein personeller Neuanfang sei nötig” 

    “Die für die Hochschulabteilung fachlich zuständige Staatssekretärin Prof. Dr. Sabine Döring hat – wie schon öffentlich bekannt – den zugrundeliegenden Prüfauftrag veranlasst. Ebenfalls hat sie erklärt, dass sie sich bei ihrem Auftrag der rechtlichen Prüfung offenbar missverständlich ausgedrückt habe.”  

    Nichtsdestotrotz sei der Eindruck erweckt worden, dass die Prüfung förderrechtlicher Konsequenzen auf der Basis eines von der Meinungsfreiheit gedeckten offenen Briefes im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) erwogen werde. “Das widerspricht den Prinzipien der Wissenschaftsfreiheit. Prüfungen förderrechtlicher Konsequenzen wegen von der Meinungsfreiheit gedeckten Äußerungen finden nicht statt.”

    Der entstandene Eindruck sei geeignet, das Vertrauen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in das BMBF nachhaltig zu beschädigen, erklärt Stark-Watzinger. “Vor diesem Hintergrund und da ich im Prozess der Aufarbeitung zu der Überzeugung gelangt bin, dass ein personeller Neuanfang nötig ist, habe ich den Bundeskanzler darum gebeten, Staatssekretärin Prof. Dr. Sabine Döring in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen. Ich danke Sabine Döring für ihren Einsatz für Bildung, Wissenschaft und das BMBF.” 

    Wird die Entlassung die Diskussionen um ihre Person beenden?

    Die ursprüngliche Kritik an der Hausleitung des BMBF hatte sich an einer Äußerung Bettina Stark-Watzingers in der Bild-Zeitung entzündet. Am 9. Mai hatte sie in der Bild-Zeitung angezweifelt, ob die Professorinnen und Professoren, die den offenen Brief nach Räumung eines propalästinensischen Protestcamps unterzeichnet hatten, noch auf dem Boden des Grundgesetzes stünden. “Dieses Statement von Lehrenden an Berliner Universitäten macht fassungslos”, erklärte sie damals zudem. Statt sich klar gegen Israel- und Judenhass zu stellen, würden Uni-Besetzer zu Opfern gemacht und Gewalt verharmlost.

    Zu der Kritik hieran erklärt Stark-Watzinger nun: “Eine Gruppe von Hochschullehrerinnen und -lehrern hatte sich im Mai dieses Jahres mit einem offenen Brief zu den Protestcamps an Hochschulen positioniert. Das ist ein legitimer Teil von Debatte und Meinungsfreiheit. Genauso selbstverständlich ist es, dem eine andere Meinung gegenüberzustellen. Denn Meinungsfreiheit ist kein Recht auf Zustimmung”.

    Ihre Bemerkung aus dem Bild-Artikel, mit der Stark-Watzinger die Grundgesetztreue der Unterzeichner des offenen Briefs hinterfragte, wird in ihrem neuerlichen Statement mit keinem Wort erwähnt. Dabei scheint es doch genau diese Aussage zu sein, die nicht nur in der Wissenschaftscommunity, sondern auch in der Hausleitung des BMBF und für Sabine Döring zu folgenschweren Reaktion geführt hat.

    Ansage Stark-Watzingers “hat Richtung für das BMBF vorgegeben” 

    Bettina Stark-Watzinger wird seit Bekanntwerden des Auftrags von allen Seiten aufgefordert, sich öffentlich zu erklären. In einem neuerlichen offenen Brief fordern Menschen aus der Wissenschaftsszene ihren Rücktritt. Stand Montagmittag gibt es bereits knapp 3.000 Unterzeichner.

    “Bundesministerin Stark-Watzinger hat recht: Ein personeller Neuanfang im BMBF ist notwendig. Sie muss diesen Schritt jetzt selbst vollziehen”, schreibt Forschungspolitiker Thomas Jarzombek (CDU) auf X.  “Es war ihre Ansage, dass sich die Dozenten mit ihrem Brief nicht auf dem Boden des Grundgesetzes befänden. Damit hat sie die Richtung für das BMBF vorgegeben, die von den Beamten umgesetzt wurde. Dass sie dies mit keinem Wort einordnet, spricht Bände über die tatsächlichen Abläufe.”

    Karin Prien: Politik zeigt sich von ihrer hässlichen Seite

    In den sozialen Medien ist seit Sonntagabend viel davon die Rede, Sabine Döring sei ein “Bauernopfer” Stark-Watzingers. So sieht es auch Karin Prien (CDU), Ministerin für Bildung und Wissenschaft in Schleswig-Holstein. Sie schrieb heute Früh auf der Plattform X, es sei “beispielhaft mutig” von Sabine Döring gewesen, aus der Wissenschaft ins BMBF zu wechseln. “Mit dieser nächtlichen Posse, mit der @sabinedoering jetzt zum Bauernopfer gemacht wird, zeigt sich Politik von ihrer hässlichen Seite. Leider.”

    Auch Peter Dabrock, ehemaliger Ethikrats-Vorsitzender, bedauert die Entlassung Dörings. “Ob die @BMBF_Bund-Ministerin damit den Kopf aus der Schlinge ziehen kann, ist zu bezweifeln”, schreibt er auf X. Vieles bleibe ungeklärt, “und die Letztverantwortung liegt bei der Ministerin”. 

    BMBF-Eklat setzt auch Ampel unter Druck

    Amrei Bahr, Juniorprofessorin an der Universität Stuttgart und #IchBinHanna-Mitinitiatorin, sieht die Ministerin ebenfalls weiterhin in der Verantwortung. “Stark-Watzinger ist Meisterin darin, ihre Verantwortung auf andere abzuwälzen. In Sachen #WissZeitVG ist sie unsichtbar, schickt Staatssekretär Brandenburg vor. Nun soll Staatssekretärin Döring Skandal um Wissenschaftsfreiheit ausbaden. Verantwortlich ist & bleibt bei beidem aber sie als Ministerin!”, schreibt sie bei Bluesky.

    Etwas zurückhaltender äußert sich Kai Gehring, Vorsitzender des Forschungsausschusses im Bundestag. “Druck auf das BMBF kam zuvorderst aus der Wissenschaftscommunity, zugleich haben auch die regierungstragenden Fraktionen ihre Aufgabe erfüllt, die Regierung zu kontrollieren – demgemäß haben wir intern und extern Aufklärung und Transparenz eingefordert, um den entstandenen Anschein auszuräumen”.

    Die BMBF-Leitung habe den Vorgang intern aufgearbeitet und ist dabei zu dem Entschluss gelangt, dass personelle Konsequenzen notwendig waren. “Entscheidend ist, dass die Ministerin unmissverständlich klargemacht hat, dass die Wissenschaftsfreiheit garantiert wird – nur so lässt sich verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen.” 

    Statement Stark-Watzingers kommt viel zu spät

    Was bedeutet die Erosion in der BMBF-Spitze? Der politische Schaden für Ministerin Stark-Watzinger ist trotz Entlassung der Staatssekretärin groß – die Reaktionen in der Wissenschaftscommunity sehen die Lage für Stark-Watzinger eigentlich als nicht reparabel. Das BMBF hat an Vertrauen eingebüßt – und das mitten im Wissenschaftsjahr der Freiheit. Das Statement von Ministerin Stark-Watzinger komme zu spät, sie hätte bereits in der vergangenen Woche beherzt kommunizieren müssen. 
     
    So mancher erklärt, er habe zunehmend den Eindruck, dass die Ampel insgesamt doch noch vorzeitig kollabiert. Scholz stehe SPD-intern massiv unter Druck und es sei auch nicht erkennbar, wie sich SPD, Grüne und FDP auf den Bundeshaushalt einigen können.

    “Vertrauen in die Ministerin nachhaltig beschädigt”

    Die Ministerin selbst habe durch Ihr Interview mit der “Bild” der Diffamierungskampagne und der internen Prüfung Vorschub geleistet, sagt Ilyas Saliba, Non-Resident Fellow des Global Public Policy Institute in Berlin. Er hat sowohl den Brief der Hochschullehrenden unterzeichnet, der Auslöser des Eklats war, als auch den aktuellen offenen Brief. Auch Saliba sieht Sabine Döring als Bauernopfer. “Damit soll ein Schlussstrich unter die Angelegenheit gezogen werden. Doch das Vertrauen der Wissenschaft in die Ministerin und Ihr Amtsverständnis bleibt nachhaltig beschädigt. Transparenz und Vertrauensbildung sieht anders aus.” 

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