Table.Briefing: Bildung

+++Alert+++ Digitalpakt II: Bund und Länder einig

Liebe Leserin, lieber Leser,

manchmal gehen die Dinge doch schneller als gedacht. Kaum ist der neue grüne Bildungsminister Cem Özdemir im Amt, schon kann er seinen ersten großen Erfolg verzeichnen: eine Einigung zum Digitalpakt II. Daran war seine Vorgängerin Bettina Stark-Watzinger von der FDP noch gescheitert, oder die Länder an ihr, je nach Sichtweise.

Wer aber tiefer in das uns vorliegende Papier hineinschaut, der wird merken: ohne zu wissen, wie eine künftige Regierung auf den Digitalpakt II schaut, kann sich diese Einigung auch schnell als ziemlich wertlos entpuppen. Die Beteiligten aus Bund und Ländern müssten sich jetzt schnell auf den Weg machen, und die potenziellen künftigen Regierungspartner zumindest mal konsultieren, wenn die Einigung, die bis Februar finalisiert werden soll, rechtssichere Entscheidungen möglich machen soll.

Alles, was Sie zum jetzt öffentlich gewordenen Entwurf der gemeinsamen Erklärung zum Digitalpakt II wissen müssen, lesen Sie in dieser Sonderausgabe unseres Bildung.Table.

Bleiben Sie uns gewogen.

Ihr
Thorsten Denkler
Bild von Thorsten  Denkler

Analyse

Digitalpakt II: Was im Bund-Länder Eckpunkte-Papier steht

Es mutet wie ein kleines Wunder an: Monatelang schienen die Verhandlungen zwischen den Ländern und der damaligen Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) wie festgefroren zu sein. Immer neue Verhandlungsrunden ohne greifbares Ergebnis. Frustration auf allen Seiten. Dabei ging es am Ende im Wesentlichen nur noch um die Frage, wie viel frisches Geld die Länder in den Topf werfen würden.

Vergangenen Mittwoch dann offenbar der Durchbruch. Neun Tage nach Ernennung von Cem Özdemir (Grüne) zum neuen Bildungsminister. Beide Seiten einigen sich auf den “Entwurf einer
gemeinsamen Erklärung
“, mit der der letzte große Streitpunkt aus dem Weg geräumt zu sein scheint. Der Entwurf liegt Table.Briefings vor. Zuvor hatte der Bildungsjournalist Jan-Martin Wiarda berichtet.

Um es vorweg zu sagen: Ob das Papier eine neue Bundesregierung überleben wird, die sich nach den Wahlen Ende Februar finden muss, ist völlig offen. Dafür müsste es auch mit denen besprochen werden, die potentiell im Bund regieren werden. Ganz gute Aussichten hat da im Moment die Union. Wie aber aus der Bundestagsfraktion von CDU und CSU zu hören ist, hat zumindest dort bislang niemand angeklopft, um mit den Bildungspolitikern den Austausch zu suchen.

Was die Eckpunkte im Detail festlegen

Finanzierung: Am Angebot des Bundes, 2,5 Milliarden Euro bis 2030 ausgeben zu wollen, hat sich nichts geändert. Auch die Ansage des Bundes, nicht mehr als die Hälfte der Kosten tragen zu wollen, bleibt bestehen. Zumindest auf dem Papier. Das wären dann zusammen fünf Milliarden Euro.

Die Länder wollen 500 Millionen Euro frisches Geld dazugeben. Was dem Betrag im Digitalpakt I entspricht. Für die restlichen zwei Milliarden Euro wollen sie Ausgaben gegenrechnen, die sie ohnehin schon für die Digitalisierung haben. Damit reduziert sich der Umfang des Digitalpaktes II gegenüber der ersten Version von sieben Milliarden Euro verteilt auf fünf Jahre – wohlgemerkt inklusive der Corona-Zusatzvereinbarungen – auf gerade mal drei Milliarden Euro auf sechs Jahre verteilt.

Handlungsstränge: Hier bleibt es weitgehend wie verabredet. Es wird drei große Handlungsfelder geben: 

  • Handlungsstrang 1: Auf-, Ausbau und Nutzung der digitalen Infrastruktur. Vor allem Beschaffung neuer Endgeräte. 
  • Handlungsstrang 2: Schul- und Unterrichtsentwicklung für das digitale Lernen. Dazu zählen die Weiterentwicklung curricularer Vorgaben, die Lehrkräftbildung und die “flächendeckende Nutzung und Weiterentwicklung einer länderübergreifenden integrierten digitalen Bildungs(medien)infrastruktur”, heißt es im Entwurf.  
  • Handlungsstrang 3: Evidenzbasierte Qualitätsentwicklung in der digitalen Lehrkräftebildung. Dafür soll es eine neue Bund-Länder-Forschungsinitiative “Digitales Lehren und Lernen” geben. Die Länder wollen dann den Transfer der Erkenntnisse “in die Breite der Lehrkräftebildung” steuern. Eine allgemeine Verpflichtung zur Lehrkräftebildung scheint es nicht mehr zu geben. Das hatte Stark-Watzinger noch von den Ländern gefordert.  

Verteilung wohl nach Königsteiner Schlüssel

Verteilung des Bundesanteils: Für den ersten Handlungsstrang, dem “Auf- und Ausbau einer leistungsfähigen digitalen Bildungsinfrastruktur”, gibt der Bund mit einer Finanzhilfe nach Artikel 104c Grundgesetz den größten Anteil des zugesagten Geldes: 2,25 Milliarden Euro. Die Gelder sollen, so ist von mehreren Seiten zu hören, nach dem Königsteiner Schlüssel verteilt werden. Die GEW hatte noch im September gefordert, dass es einen Sozialindex geben müsse. Auch das FDP-geführte BMBF hatte einen anderen Verteilschlüssel angestrebt. In den dritten, den Forschungsstrang, investiert der Bund die restlichen 250 Millionen Euro.

Verteilung des Länderanteils: Da steht ein großes Fragezeichen. Wie die Länder mit den 500 Millionen Euro umgehen, die sie frisch ins System geben wollen, ist im Entwurf nicht näher beschrieben. Für das Ziel der hälftigen Beteiligung stellt die Einigung den Ländern eine Art Blanko-Check aus: Laufende und geplante Länderausgaben, die mit den Zielen des Digitalpaktes II übereinstimmten, sollen “über die verschiedenen Handlungsstränge und die gesamte Laufzeit des Digitalpakts 2.0 hinweg ermöglicht werden”.

Ko-Finanzierung: Die Ko-Finanzierung soll über ein Stufenmodell umgesetzt werden, das in der letzten Stufe in eine Ko-Finanzierungsquote von 70/30 münden soll. Über die Laufzeit dürfte das auf eine Quote von 80/20 hinauslaufen. Die Bundesmittel sollen auf Jahrestranchen verteilt bis ins Jahr 2031 hinein abrufbar sein. Mit einer sogenannten Nachveranschlagung soll zum Ende der Paktlaufzeit geprüft werden, ob es nachweisbar unverschuldete Projektverzögerungen gegeben hat, die auch über diesen Zeitraum hinaus noch refinanziert werden können. Die Länder sind aufgerufen, “eine Teilnahme finanzschwacher Kommunen” zu ermöglichen. Stark-Watzinger hatte die Kommunen aus der Ko-Finanzierung noch raushalten wollen.

Vorzeitiger Maßnahmenbeginn zum 1. Januar beabsichtigt

So geht es weiter: Die Eckpunkte müssen jetzt noch von den Ländern abgesegnet werden. Bis Mitte Februar 2025 sollen “weitgehend konsentierte Vereinbarungsentwürfe” vorliegen. Allerdings ist ein, wie es in dem Papier heißt, “vorzeitiger Maßnahmebeginn zum 1. Januar” beabsichtigt. Wie der für Länder und Kommunen rechtssicher umgesetzt werden kann, ist offen. Möglich ist natürlich, dass sie in Vorleistung gehen. Das müssten sie dann aber wohl auf eigenes Risiko tun.

Wie eine neue Bundesregierung mit der Einigung umgeht, lässt sich kaum vorhersagen. Im besten Fall segnet sie es einfach ab. Im schlimmsten Fall macht sie das Fass neu auf.

  • Bettina Stark-Watzinger
  • Bildung
  • Bildungspolitik
  • BMBF
  • Cem Özdemir
  • Digitales Lernen
  • Digitalisierung
  • Digitalpakt
  • GEW
  • KMK
  • Sozialindex
  • Transfer

Bildung.Table Redaktion

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    Wer aber tiefer in das uns vorliegende Papier hineinschaut, der wird merken: ohne zu wissen, wie eine künftige Regierung auf den Digitalpakt II schaut, kann sich diese Einigung auch schnell als ziemlich wertlos entpuppen. Die Beteiligten aus Bund und Ländern müssten sich jetzt schnell auf den Weg machen, und die potenziellen künftigen Regierungspartner zumindest mal konsultieren, wenn die Einigung, die bis Februar finalisiert werden soll, rechtssichere Entscheidungen möglich machen soll.

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    Digitalpakt II: Was im Bund-Länder Eckpunkte-Papier steht

    Es mutet wie ein kleines Wunder an: Monatelang schienen die Verhandlungen zwischen den Ländern und der damaligen Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) wie festgefroren zu sein. Immer neue Verhandlungsrunden ohne greifbares Ergebnis. Frustration auf allen Seiten. Dabei ging es am Ende im Wesentlichen nur noch um die Frage, wie viel frisches Geld die Länder in den Topf werfen würden.

    Vergangenen Mittwoch dann offenbar der Durchbruch. Neun Tage nach Ernennung von Cem Özdemir (Grüne) zum neuen Bildungsminister. Beide Seiten einigen sich auf den “Entwurf einer
    gemeinsamen Erklärung
    “, mit der der letzte große Streitpunkt aus dem Weg geräumt zu sein scheint. Der Entwurf liegt Table.Briefings vor. Zuvor hatte der Bildungsjournalist Jan-Martin Wiarda berichtet.

    Um es vorweg zu sagen: Ob das Papier eine neue Bundesregierung überleben wird, die sich nach den Wahlen Ende Februar finden muss, ist völlig offen. Dafür müsste es auch mit denen besprochen werden, die potentiell im Bund regieren werden. Ganz gute Aussichten hat da im Moment die Union. Wie aber aus der Bundestagsfraktion von CDU und CSU zu hören ist, hat zumindest dort bislang niemand angeklopft, um mit den Bildungspolitikern den Austausch zu suchen.

    Was die Eckpunkte im Detail festlegen

    Finanzierung: Am Angebot des Bundes, 2,5 Milliarden Euro bis 2030 ausgeben zu wollen, hat sich nichts geändert. Auch die Ansage des Bundes, nicht mehr als die Hälfte der Kosten tragen zu wollen, bleibt bestehen. Zumindest auf dem Papier. Das wären dann zusammen fünf Milliarden Euro.

    Die Länder wollen 500 Millionen Euro frisches Geld dazugeben. Was dem Betrag im Digitalpakt I entspricht. Für die restlichen zwei Milliarden Euro wollen sie Ausgaben gegenrechnen, die sie ohnehin schon für die Digitalisierung haben. Damit reduziert sich der Umfang des Digitalpaktes II gegenüber der ersten Version von sieben Milliarden Euro verteilt auf fünf Jahre – wohlgemerkt inklusive der Corona-Zusatzvereinbarungen – auf gerade mal drei Milliarden Euro auf sechs Jahre verteilt.

    Handlungsstränge: Hier bleibt es weitgehend wie verabredet. Es wird drei große Handlungsfelder geben: 

    • Handlungsstrang 1: Auf-, Ausbau und Nutzung der digitalen Infrastruktur. Vor allem Beschaffung neuer Endgeräte. 
    • Handlungsstrang 2: Schul- und Unterrichtsentwicklung für das digitale Lernen. Dazu zählen die Weiterentwicklung curricularer Vorgaben, die Lehrkräftbildung und die “flächendeckende Nutzung und Weiterentwicklung einer länderübergreifenden integrierten digitalen Bildungs(medien)infrastruktur”, heißt es im Entwurf.  
    • Handlungsstrang 3: Evidenzbasierte Qualitätsentwicklung in der digitalen Lehrkräftebildung. Dafür soll es eine neue Bund-Länder-Forschungsinitiative “Digitales Lehren und Lernen” geben. Die Länder wollen dann den Transfer der Erkenntnisse “in die Breite der Lehrkräftebildung” steuern. Eine allgemeine Verpflichtung zur Lehrkräftebildung scheint es nicht mehr zu geben. Das hatte Stark-Watzinger noch von den Ländern gefordert.  

    Verteilung wohl nach Königsteiner Schlüssel

    Verteilung des Bundesanteils: Für den ersten Handlungsstrang, dem “Auf- und Ausbau einer leistungsfähigen digitalen Bildungsinfrastruktur”, gibt der Bund mit einer Finanzhilfe nach Artikel 104c Grundgesetz den größten Anteil des zugesagten Geldes: 2,25 Milliarden Euro. Die Gelder sollen, so ist von mehreren Seiten zu hören, nach dem Königsteiner Schlüssel verteilt werden. Die GEW hatte noch im September gefordert, dass es einen Sozialindex geben müsse. Auch das FDP-geführte BMBF hatte einen anderen Verteilschlüssel angestrebt. In den dritten, den Forschungsstrang, investiert der Bund die restlichen 250 Millionen Euro.

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    Ko-Finanzierung: Die Ko-Finanzierung soll über ein Stufenmodell umgesetzt werden, das in der letzten Stufe in eine Ko-Finanzierungsquote von 70/30 münden soll. Über die Laufzeit dürfte das auf eine Quote von 80/20 hinauslaufen. Die Bundesmittel sollen auf Jahrestranchen verteilt bis ins Jahr 2031 hinein abrufbar sein. Mit einer sogenannten Nachveranschlagung soll zum Ende der Paktlaufzeit geprüft werden, ob es nachweisbar unverschuldete Projektverzögerungen gegeben hat, die auch über diesen Zeitraum hinaus noch refinanziert werden können. Die Länder sind aufgerufen, “eine Teilnahme finanzschwacher Kommunen” zu ermöglichen. Stark-Watzinger hatte die Kommunen aus der Ko-Finanzierung noch raushalten wollen.

    Vorzeitiger Maßnahmenbeginn zum 1. Januar beabsichtigt

    So geht es weiter: Die Eckpunkte müssen jetzt noch von den Ländern abgesegnet werden. Bis Mitte Februar 2025 sollen “weitgehend konsentierte Vereinbarungsentwürfe” vorliegen. Allerdings ist ein, wie es in dem Papier heißt, “vorzeitiger Maßnahmebeginn zum 1. Januar” beabsichtigt. Wie der für Länder und Kommunen rechtssicher umgesetzt werden kann, ist offen. Möglich ist natürlich, dass sie in Vorleistung gehen. Das müssten sie dann aber wohl auf eigenes Risiko tun.

    Wie eine neue Bundesregierung mit der Einigung umgeht, lässt sich kaum vorhersagen. Im besten Fall segnet sie es einfach ab. Im schlimmsten Fall macht sie das Fass neu auf.

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