morgen startet das neue Ausbildungsjahr und heute hat die Bundesagentur für Arbeit ihre neue Geschäftsstatistik zum Ausbildungsmarkt veröffentlicht. Zwar kann diese den Markt nicht in Gänze beleuchten. Jugendliche, die sich etwa ausschließlich für eine schulische Ausbildung – zum Beispiel zum Erzieher – interessieren, tauchen in der Statistik gar nicht auf. Auch erfasst die BA nur die betrieblichen Ausbildungsplätze (und die kleine Zahl außerbetrieblicher Stellen), nicht aber schulische Plätze.
Dennoch sind die Daten für die duale Ausbildung ein erster wichtiger Hinweis darauf, wie das Ausbildungsjahr 2024 laufen könnte. Soviel sei hier schon verraten: Matching-Probleme bleiben bestehen. Noch dazu macht sich die schwächelnde Konjunktur bemerkbar.
Ich hoffe, Sie gewinnen einen guten ersten Eindruck von der Lage!
Ihre Anna Parrisius
Analyse
BA-Statistik: Warum der Ausbildungsmarkt ein “Langzeitopfer von Corona” ist
Für viele Jugendliche beginnt bereits am 1. August die Ausbildung.
Der Ausbildungsmarkt hat sich von der Pandemie immer noch nicht erholt: Die Bundesagentur für Arbeit (BA) verzeichnet diesen Juli knapp 80.000 gemeldete Bewerber weniger als noch im Juli 2019. Gleichzeitig sank die Zahl der gemeldeten Ausbildungsplätze seither um 50.000.
Für Daniel Terzenbach, Vorstand der BA, der am Mittwochmorgen den Monatsbericht für den Juli zum Arbeits- und Ausbildungsmarkt präsentierte, ist das mit Blick auf die duale Ausbildung die zentrale Erkenntnis. “Der Ausbildungsmarkt ist ein Langzeitopfer von Corona, muss man sagen. Sonst haben wir Corona am Arbeitsmarkt weitestgehend überwunden”, sagte er.
Die Daten der BA sind generell mit Vorsicht zu genießen, da sie den Ausbildungsmarkt nur unvollständig abbilden können. Denn nicht alle Betriebe melden ihr offene Lehrstellen und lange nicht alle ausbildungsinteressierten Jugendlichen werden als Bewerber aufgeführt. Nur, wer sich von der BA beraten lässt, von ihr als “ausbildungsreif” eingestuft wird und sich für duale Ausbildungsplätze interessiert, taucht in der Statistik auf. Allerdings gibt es zu diesem frühen Zeitpunkt keine bessere Alternative.
Etwas mehr Bewerber – aber weniger Ausbildungsstellen
In die richtige Richtung geht es Terzenbach zufolge bei den Bewerberzahlen trotzdem: Sie stiegen im Vergleich zum Vorjahresmonat um knapp 10.000 (plus drei Prozent). In zehn Ländern war ein Anstieg der Bewerberzahl festzustellen, am deutlichsten in Schleswig-Holstein und Hamburg. Allerdings schränkt die BA in ihrem Monatsbericht ein (zum Download): Der Zuwachs steht im Einklang mit der Vorausberechnung der KMK, die im September 2023 eine Zunahme der Schulabgänger um ein Prozent prognostizierte.
Gleichzeitig sank im Vergleich zum Juli 2023 jedoch die Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen: um 22.000 auf 492.000. Das war ein Minus von vier Prozent. Zusammenhängen kann das mit der konjunkturellen Entwicklung. Die schwache Wirtschaftsentwicklung belastet aktuell den gesamten Arbeitsmarkt, Unternehmen melden nur verhalten neue Arbeitsstellen, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung sind etwas stärker gestiegen als sonst zu Beginn der Sommerpause.
Bewerber-Stellen-Relation verbessert, in zehn Ländern mehr unversorgte Bewerber
Rechnerisch gab es immer noch deutlich mehr Stellen als Bewerber: Auf 100 betriebliche Ausbildungsstellen kommen nur 83 gemeldete Bewerber. Im Einzelnen heißt das jedoch nicht, dass alle Bewerber eine Ausbildung finden. Die Passungsprobleme scheinen vielmehr zugenommen zu haben. Im Juli 2024 gab es im Vergleich zum Vorjahresmonat etwas mehr unversorgte Bewerber. Und mehr Bewerber, die zwar eine Alternative gefunden haben – zum Beispiel die Schule weiter besuchen oder ein Freiwilliges Soziales Jahr machen -, die aber trotzdem weiter eine Ausbildungsstelle suchen. Laut BA ist die Zahl unversorgter Bewerber in zehn Bundesländern gestiegen, zuvorderst in Hamburg und Berlin – dabei waren diese beiden Bundesländer die einzigen, in denen es einen Anstieg gemeldeter betrieblicher Lehrstellen gab.
Der Anteil unbesetzter Ausbildungsstellen ist insgesamt leicht gesunken, von 45 Prozent im Juli 2023 auf jetzt 42 Prozent. Allerdings betrug er 2019 noch 38 Prozent.
Überhang an Lehrstellen in Bayern, BaWü und Thüringen
Daniel Terzenbach betonte regionale Matching-Probleme: “In Bayern, Baden-Württemberg und Thüringen gibt es einen großen Überhang potenzieller Ausbildungsstellen, während es in anderen Regionen deutlich zu wenige gibt und das die Auswahl für Jugendliche zum Teil einengt.” Zudem müssten die Neigungen, die Interessen und Kompetenzen der jungen Menschen zu den angebotenen Stellen passen.
Wie in den Vorjahren verzeichnete die BA deutlich mehr Ausbildungsstellen als Bewerber in der Lebensmittelindustrie, in Bauberufen oder in Gastronomieberufen. Zu viele Bewerber gibt es hingegen etwa in der Softwareentwicklung, der Tischlerei oder im Kfz-Technik und –Verkauf.
Effekt der Ausbildungsgarantie erst Anfang 2025 abzuschätzen
“Vom demografischen Wandel sind wir so stark betroffen, dass wir es uns nicht leisten können, irgendwen am Ausbildungsmarkt zu verlieren”, sagte BA-Vorstand Terzenbach. Er empfahl jungen Menschen und ihren Eltern, sich bei der Berufsberatung der Arbeitsagenturen zu melden. Unternehmen können sich beim Arbeitgeberservice oder bei ihren Kammern beraten lassen. “Traditionell geht noch bis in den Oktober etwas.”
Morgen tritt der letzte Teil der Ausbildungsgarantie in Kraft: Junge Menschen, die keinen Betrieb finden, sollen dann in 22 Regionen, in denen es besonders wenige Lehrstellen gibt, ein außerbetriebliches Ausbildungsangebot erhalten. Allerdings rechnet Terzenbach erst im neuen Jahr mit einer ersten Bilanz. “Wir sehen, dass die betroffenen Arbeitsagenturen sich gemeinsam mit den Partnerinnen und Partnern besonders vorbereiten und mit den Ländern und zum Teil mit Kommunen Programme aufgesetzt haben.” Ein Erfolg könne aber noch nicht abgeschätzt werden.
Noch mehr Potenzial für Geflüchtete und bei Teilzeitausbildung
Mit Blick auf junge Menschen mit Fluchtgeschichte, sagte Terzenbach, der auch Sonderbeauftragter der Bundesregierung für die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten ist, sollten Unterstützungsangebote wie die Assistierte Ausbildung noch stärker genutzt werden. Oft heißt es noch, viele Betriebe wüssten nicht um Unterstützungsmöglichkeiten. “Wir tragen sie akut nach außen”, sagte Terzenbach. Bei Geflüchteten sei der Spracherwerb zentral, “da die Ausbildung nicht nur an der Werkbank, sondern auch in der Schule geschafft werden muss”. Daher erhofft sich Terzenbach einen positiven Effekt davon, dass die Einstiegsqualifizierung, ein von Arbeitsagenturen und Jobcentern gefördertes Praktikum, seit April auch in Teilzeit möglich ist. Jugendliche könnten einen Sprachkurs dann parallel absolvieren.
Generell, betonte Terzenbach, müsse klar sein, wie sehr eine Ausbildung vor Arbeitslosigkeit schützt: Ohne abgeschlossene Ausbildung lag sie 2023 bei 20,8 Prozent und damit höher als noch 2018 (18,3 Prozent).
Mehr Potenzial sieht Terzenbach daneben in mehr Teilzeitausbildungen. Nur jeder 200. Azubi lässt sich bisher in Teilzeit ausbilden. “Natürlich ist eine Ausbildung in Teilzeit auch eine Herausforderung: Die Entlohnung ist geringer. Und wenn Kinder zu betreuen sind, ist es aufwendig, den Arbeitsort und die Schule aufzusuchen. Aber ich glaube, dass das Instrument gerade für junge Familien in der Zukunft an Bedeutung gewinnt.”
morgen startet das neue Ausbildungsjahr und heute hat die Bundesagentur für Arbeit ihre neue Geschäftsstatistik zum Ausbildungsmarkt veröffentlicht. Zwar kann diese den Markt nicht in Gänze beleuchten. Jugendliche, die sich etwa ausschließlich für eine schulische Ausbildung – zum Beispiel zum Erzieher – interessieren, tauchen in der Statistik gar nicht auf. Auch erfasst die BA nur die betrieblichen Ausbildungsplätze (und die kleine Zahl außerbetrieblicher Stellen), nicht aber schulische Plätze.
Dennoch sind die Daten für die duale Ausbildung ein erster wichtiger Hinweis darauf, wie das Ausbildungsjahr 2024 laufen könnte. Soviel sei hier schon verraten: Matching-Probleme bleiben bestehen. Noch dazu macht sich die schwächelnde Konjunktur bemerkbar.
Ich hoffe, Sie gewinnen einen guten ersten Eindruck von der Lage!
Ihre Anna Parrisius
Analyse
BA-Statistik: Warum der Ausbildungsmarkt ein “Langzeitopfer von Corona” ist
Für viele Jugendliche beginnt bereits am 1. August die Ausbildung.
Der Ausbildungsmarkt hat sich von der Pandemie immer noch nicht erholt: Die Bundesagentur für Arbeit (BA) verzeichnet diesen Juli knapp 80.000 gemeldete Bewerber weniger als noch im Juli 2019. Gleichzeitig sank die Zahl der gemeldeten Ausbildungsplätze seither um 50.000.
Für Daniel Terzenbach, Vorstand der BA, der am Mittwochmorgen den Monatsbericht für den Juli zum Arbeits- und Ausbildungsmarkt präsentierte, ist das mit Blick auf die duale Ausbildung die zentrale Erkenntnis. “Der Ausbildungsmarkt ist ein Langzeitopfer von Corona, muss man sagen. Sonst haben wir Corona am Arbeitsmarkt weitestgehend überwunden”, sagte er.
Die Daten der BA sind generell mit Vorsicht zu genießen, da sie den Ausbildungsmarkt nur unvollständig abbilden können. Denn nicht alle Betriebe melden ihr offene Lehrstellen und lange nicht alle ausbildungsinteressierten Jugendlichen werden als Bewerber aufgeführt. Nur, wer sich von der BA beraten lässt, von ihr als “ausbildungsreif” eingestuft wird und sich für duale Ausbildungsplätze interessiert, taucht in der Statistik auf. Allerdings gibt es zu diesem frühen Zeitpunkt keine bessere Alternative.
Etwas mehr Bewerber – aber weniger Ausbildungsstellen
In die richtige Richtung geht es Terzenbach zufolge bei den Bewerberzahlen trotzdem: Sie stiegen im Vergleich zum Vorjahresmonat um knapp 10.000 (plus drei Prozent). In zehn Ländern war ein Anstieg der Bewerberzahl festzustellen, am deutlichsten in Schleswig-Holstein und Hamburg. Allerdings schränkt die BA in ihrem Monatsbericht ein (zum Download): Der Zuwachs steht im Einklang mit der Vorausberechnung der KMK, die im September 2023 eine Zunahme der Schulabgänger um ein Prozent prognostizierte.
Gleichzeitig sank im Vergleich zum Juli 2023 jedoch die Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen: um 22.000 auf 492.000. Das war ein Minus von vier Prozent. Zusammenhängen kann das mit der konjunkturellen Entwicklung. Die schwache Wirtschaftsentwicklung belastet aktuell den gesamten Arbeitsmarkt, Unternehmen melden nur verhalten neue Arbeitsstellen, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung sind etwas stärker gestiegen als sonst zu Beginn der Sommerpause.
Bewerber-Stellen-Relation verbessert, in zehn Ländern mehr unversorgte Bewerber
Rechnerisch gab es immer noch deutlich mehr Stellen als Bewerber: Auf 100 betriebliche Ausbildungsstellen kommen nur 83 gemeldete Bewerber. Im Einzelnen heißt das jedoch nicht, dass alle Bewerber eine Ausbildung finden. Die Passungsprobleme scheinen vielmehr zugenommen zu haben. Im Juli 2024 gab es im Vergleich zum Vorjahresmonat etwas mehr unversorgte Bewerber. Und mehr Bewerber, die zwar eine Alternative gefunden haben – zum Beispiel die Schule weiter besuchen oder ein Freiwilliges Soziales Jahr machen -, die aber trotzdem weiter eine Ausbildungsstelle suchen. Laut BA ist die Zahl unversorgter Bewerber in zehn Bundesländern gestiegen, zuvorderst in Hamburg und Berlin – dabei waren diese beiden Bundesländer die einzigen, in denen es einen Anstieg gemeldeter betrieblicher Lehrstellen gab.
Der Anteil unbesetzter Ausbildungsstellen ist insgesamt leicht gesunken, von 45 Prozent im Juli 2023 auf jetzt 42 Prozent. Allerdings betrug er 2019 noch 38 Prozent.
Überhang an Lehrstellen in Bayern, BaWü und Thüringen
Daniel Terzenbach betonte regionale Matching-Probleme: “In Bayern, Baden-Württemberg und Thüringen gibt es einen großen Überhang potenzieller Ausbildungsstellen, während es in anderen Regionen deutlich zu wenige gibt und das die Auswahl für Jugendliche zum Teil einengt.” Zudem müssten die Neigungen, die Interessen und Kompetenzen der jungen Menschen zu den angebotenen Stellen passen.
Wie in den Vorjahren verzeichnete die BA deutlich mehr Ausbildungsstellen als Bewerber in der Lebensmittelindustrie, in Bauberufen oder in Gastronomieberufen. Zu viele Bewerber gibt es hingegen etwa in der Softwareentwicklung, der Tischlerei oder im Kfz-Technik und –Verkauf.
Effekt der Ausbildungsgarantie erst Anfang 2025 abzuschätzen
“Vom demografischen Wandel sind wir so stark betroffen, dass wir es uns nicht leisten können, irgendwen am Ausbildungsmarkt zu verlieren”, sagte BA-Vorstand Terzenbach. Er empfahl jungen Menschen und ihren Eltern, sich bei der Berufsberatung der Arbeitsagenturen zu melden. Unternehmen können sich beim Arbeitgeberservice oder bei ihren Kammern beraten lassen. “Traditionell geht noch bis in den Oktober etwas.”
Morgen tritt der letzte Teil der Ausbildungsgarantie in Kraft: Junge Menschen, die keinen Betrieb finden, sollen dann in 22 Regionen, in denen es besonders wenige Lehrstellen gibt, ein außerbetriebliches Ausbildungsangebot erhalten. Allerdings rechnet Terzenbach erst im neuen Jahr mit einer ersten Bilanz. “Wir sehen, dass die betroffenen Arbeitsagenturen sich gemeinsam mit den Partnerinnen und Partnern besonders vorbereiten und mit den Ländern und zum Teil mit Kommunen Programme aufgesetzt haben.” Ein Erfolg könne aber noch nicht abgeschätzt werden.
Noch mehr Potenzial für Geflüchtete und bei Teilzeitausbildung
Mit Blick auf junge Menschen mit Fluchtgeschichte, sagte Terzenbach, der auch Sonderbeauftragter der Bundesregierung für die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten ist, sollten Unterstützungsangebote wie die Assistierte Ausbildung noch stärker genutzt werden. Oft heißt es noch, viele Betriebe wüssten nicht um Unterstützungsmöglichkeiten. “Wir tragen sie akut nach außen”, sagte Terzenbach. Bei Geflüchteten sei der Spracherwerb zentral, “da die Ausbildung nicht nur an der Werkbank, sondern auch in der Schule geschafft werden muss”. Daher erhofft sich Terzenbach einen positiven Effekt davon, dass die Einstiegsqualifizierung, ein von Arbeitsagenturen und Jobcentern gefördertes Praktikum, seit April auch in Teilzeit möglich ist. Jugendliche könnten einen Sprachkurs dann parallel absolvieren.
Generell, betonte Terzenbach, müsse klar sein, wie sehr eine Ausbildung vor Arbeitslosigkeit schützt: Ohne abgeschlossene Ausbildung lag sie 2023 bei 20,8 Prozent und damit höher als noch 2018 (18,3 Prozent).
Mehr Potenzial sieht Terzenbach daneben in mehr Teilzeitausbildungen. Nur jeder 200. Azubi lässt sich bisher in Teilzeit ausbilden. “Natürlich ist eine Ausbildung in Teilzeit auch eine Herausforderung: Die Entlohnung ist geringer. Und wenn Kinder zu betreuen sind, ist es aufwendig, den Arbeitsort und die Schule aufzusuchen. Aber ich glaube, dass das Instrument gerade für junge Familien in der Zukunft an Bedeutung gewinnt.”