Table.Briefing: Berlin Ausgabe: 538

Voßkuhle kritisiert Schwarz-Rot + Serie: Wer bekommt welche Rolle? + Union und SPD setzen auf Kleingruppen

Berlin.Table
Das Late-Night-Briefing aus der Hauptstadt
#538 / 02. April 2025
Talk of the Town: Schwarz-rote Koalitionsverhandlungen – Andreas Voßkuhle über alte Reflexe und neue Wege  
Serie (IV): Wer bekommt welche Rolle? Potenzielle Ämter und Aufgaben für Jens Spahn
Verhandlungsformate: SPD und Union setzen auf Kleingruppen
Strompreis: Entlastung von 5 Cent für die Industrie
Staat als AKW-Betreiber: Grüner Spott für den Plan einiger Unionsabgeordneter
Xis Wirtschaftsstrategie: Was China mit seinen Überkapazitäten plant
Arktisforschung: Wo im Machtpoker Deutschlands Rolle liegt
Anwerbung von US-Wissenschaftler: Warum es für das neue Leitner-Einstein-Programm nicht nur Lob gibt
Kohleausstieg: Wie ungelöschte ETS-Zertifikate vom Markt verschwinden
“Palästinenser-Tuch” im Bundestag: Klöckner reagiert diplomatisch
Table.Today Podcast: KI-Experte Richard Socher über Künstliche Intelligenz in Deutschland
Table.Documents: 10-Punkte-Plan der Grünen zur Innenpolitik + Erklärung der Wirtschaft zu den Koalitionsverhandlungen + Petition für eine CDU-Mitgliederbefragung
Heads: Jürgen Janssen + Jeanette Hofmann + Anja Nordmann
Best of Table: Finanzierung von Gasprojekten im Ausland + Aus für die Feststoffbatterie? + Marco Rubios Auftritt bei der Nato
Must-Reads: Zieht Musk sich aus dem Weißen Haus zurück? + Rechtsextreme Verdachtsfälle + Streit um Münsteraner Richterposten
Table.Picks: Die Grenzen der Trump’schen Politik
Nachttisch: “Nie wieder ist jetzt!” – Sachbuch von Nicolai Schwarzer
Talk of the Town
Andreas Voßkuhle
Schwarz-rote Koalitionsverhandlungen: Andreas Voßkuhle über alte Reflexe und neue Wege  
von Okan Bellikli
Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts ist zwar nicht mehr oberster Richter, aber politisch ist Andreas Voßkuhle in einem ganz besonderen Unruhestand. So gehört er jener Staatsreform-Initiative an, die erst vor Kurzem den Verhandlern von Union und SPD radikale Vorschläge zur Beschleunigung von Verfahren und politischen Prozessen unterbreitete. Wie sich jetzt zeigt, ist Voßkuhle mit der bisherigen Performance der Koalition in spe nicht zufrieden. Aus seiner Sicht tun sich Union und SPD im Gegenteil schwer, aus alten Mustern auszubrechen. Das zeige sich in den Verhandlungen, “bei denen alte Schätzchen wie die Mütterrente, die Pendlerpauschale und das Ehegattensplitting aus dem Schrank geholt wurden”, sagte Voßkuhle Table.Briefings. Ginge es nach ihm, dann müssten die Verhandler stattdessen “ganz neue Prioritäten” setzen.

Voßkuhle nennt mehrere Beispiele, wie man Prozesse in kurzer Zeit beschleunigen könnte. Wichtig wären ihm zufolge zum Beispiel sogenannte Genehmigungsfiktionen. Sie würden bedeuten, dass ein Antrag als genehmigt gilt, wenn das Amt nicht innerhalb einer Frist antwortet. Ähnlich funktionierten sogenannte Präklusionsregelungen. Sie hätten zur Folge, dass Einwände gegen Projekte wie Bauvorhaben innerhalb einer bestimmten Zeit vorgebracht werden müssten. Wäre das nicht der Fall, dann würden sie nicht mehr berücksichtigt.

Der ehemalige Präsident äußerte sich auch zur Stärkung der Resilienz des Bundesverfassungsgerichts. Das Ende 2024 verabschiedete Gesetz reiche nicht aus. “Eine einfache Mehrheit im Bundestag sollte keine prozessualen Regelungen ändern können, da bräuchte es zumindest einen Zustimmungsvorbehalt des Bundesrats”, sagte der Jurist. Als Beispiel nannte er einen möglichen Beschluss, wonach das Gericht seine Fälle nach der Reihenfolge des Eingangs bearbeiten muss. Das würde ihm zufolge dazu führen, dass es zu aktuellen Debatten aufgrund des hohen Fallaufkommens keine Voten mehr abgeben könnte. “Das Gericht wäre faktisch kaltgestellt, was zeitkritische Themen angeht.”

Auch für die Landesebene fordert er eine bessere Absicherung der Verfassungsgerichte, etwa in Thüringen. Dort scheiterte die Ernennung von Richtern auf Lebenszeit zuletzt mehrfach an der AfD-Sperrminorität im Landtag. Ähnlich dem Ersatzwahlmechanismus auf Bundesebene, wo der Bundesrat bei einer Blockade des Bundestags einspringen kann und umgekehrt, könnte man an einen speziellen Richterwahlausschuss mit Mitgliedern aus Politik, Richterschaft und Anwaltschaft denken, so Voßkuhle. Dieser würde einspringen, wenn das sonst zuständige Gremium blockiert sei.

Ein weiteres Problem sieht er in der Bestellung der Richter durch die Justizministerien der Länder. Wenn ein solches Ressort in der Hand einer Partei wäre, “die nicht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht, dann kann diese Partei ihre Gefolgsleute zu Richtern ernennen”, sagte Voßkuhle. Ein Blick nach Polen zeige, wie schwer ein solcher Vorgang rückgängig zu machen ist. Wo er in Sachen Staatsreform noch Änderungsbedarf sieht, lesen Sie hier.
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In herausfordernden Zeiten gilt mehr denn je: Können schafft Zuversicht. Was auch immer die Zukunft bringt: Auf unsere Fähigkeiten können wir bauen. Jederzeit.
News
Serie (IV): Wer bekommt welche Rolle? Potenzielle Ämter und Aufgaben für Jens Spahn. Er war ein erbitterter Rivale und parteiinterner Kritiker von Friedrich Merz, heute ist Jens Spahn einer der obersten Prätorianer des möglichen Bundeskanzlers. Der frühere Gesundheitsminister und Ex-Finanzstaatssekretär hat sich in der Oppositionszeit mit Fleiß und Loyalität Sympathien bei Merz erworben. In dem schwarz-roten Sondierungsteam ist Spahn der “Plus 1”- der Politiker, der nachträglich zur engen Runde dazu kam (ursprünglich 9+9), weil Merz auf dessen Regierungs- und Verhandlungserfahrung nicht verzichten wollte. Spahn saß schon 2013 mit Karl Lauterbach in schwarz-roten Koalitionsgesprächen. Er gilt wie CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, mit dem Spahn gut harmoniert, als einer der wenigen erfahrenen Verhandler bei der Union. Mit SPD-Finanzminister Jörg Kukies bereitete Spahn das Finanztableau und das Schuldenpaket für die Sondierer vor, später leitete er die Industrie- und Wirtschaftsarbeitsgruppe.   
 
Es war Roland Koch, der Merz und Spahn zusammenbrachte. Der ehemalige hessische Ministerpräsident hatte seinem Freund Merz schon früh geraten, die Differenzen mit Spahn auszuräumen und ihn in sein Team zu holen. Die mediale Präsenz und Erfahrung von Spahn könne der Union nur helfen, so Koch. Inhaltlich liegen die beiden etwa bei Migration und Wirtschaft ohnehin eng beieinander. Und es könne nicht schaden, einen “Bad Cop” in den Gesprächen dabei zu haben, der bei der SPD regelmäßig für Schnappatmung sorgt, heißt es in der CDU-Führung.
 
Fraktionsvorsitz oder Bundesminister? Nun gilt Spahn trotz eines gewissen Überangebots an NRW-CDU-Männern (Merz, Linnemann) als möglicher Kandidat für den Fraktionsvorsitz, wenn der wahrscheinliche künftige Regierungschef den Unionsteil des Kabinetts “Merkel-frei” halten will. Alternativ würde sich Spahn für das Innen- oder Infrastrukturministerium interessieren, heißt es. Aber der ehrgeizige und medienaffine Westmünsterländer würde “auch aus dem Entwicklungshilfeministerium ein Neben-Außenministerium machen”, sagt ein CDU-Insider. Vielseitig einsetzbar, würde man im Fußball sagen. Nur die Startaufstellung muss es aus Sicht von Spahn schon sein. Michael Bröcker
Verhandlungsformate: SPD und Union setzen auf Kleingruppen. Wie am Mittwoch bekannt wurde, haben die Spitzen von Union und SPD für den weiteren Verlauf der Verhandlungen Dreiergruppen berufen, die einzelne Themen weitestmöglich schlussverhandeln sollen. Das Ziel: Die Gespräche von der sehr großen 19er-Runde in kleinere Gruppen zu verlagern, um effizienter zu diskutieren und Einigungsvorschläge schneller zu produzieren. Nach Informationen von Table.Briefings gibt es unter anderem zu folgenden Themen Dreier-Runden:
 
  • Verkehr: Jens Spahn, Anke Rehlinger, Martin Huber
  • Innen: Boris Pistorius, Alexander Dobrindt, Thorsten Frei
  • Haushalt: Alexander Dobrindt, Jens Spahn, Achim Post
  • Arbeit und Soziales: Carsten Linnemann, Hubertus Heil, Dorothee Bär
  • Energie: Jens Spahn, Anke Rehlinger, Martin Huber
  • Digitales: Karin Prien, Dorothee Bär, Hubertus Heil
  • Gesundheit: Carsten Linnemann, Dorothee Bär, Bärbel Bas
 
Damit gibt es nun drei verschiedene Verhandlungsformate. An der Spitze steht das große 19er-Gremium, daneben wurden zahlreiche Dreier-Gruppen gebildet. Und dazu kommt noch eine Runde der Parteivorsitzenden mit den sogenannten UAGs, also den einzelnen Dreiergruppen. Berichte darüber, dass der “gordische Knoten” in den Verhandlungen schon durchschlagen sei, wurden am Mittwochnachmittag dementiert. Damit bleibt auch der weitere Verlauf offen. Optimisten halten Erfolge bis zum Wochenende für möglich; vorsichtige Verhandler bleiben eher bei der Erwartung, dass auch in der nächsten Woche noch gesprochen werden muss. Damit wird der 7. Mai als Tag der Kanzlerwahl immer wahrscheinlicher. Stefan Braun, Horand Knaup
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“Ärztebarometer” bestätigt die hohe Bedeutung von Privatpatienten für die Arztpraxen. Für 70 Prozent der Ärzte in Deutschland sind die Honorare von Privatpatienten wichtig für den Betrieb ihrer Praxis. Diese Erkenntnis aus dem aktuellen “Ärztebarometer” unterstreicht die wichtige Rolle der PKV beim Erhalt einer möglichst flächendeckenden ambulanten Versorgung. (mehr auf pkv.de)
Strompreis: Entlastung von 5 Cent für die Industrie. Die künftigen Koalitionäre haben sich nach Informationen von Table.Briefings offenbar grundsätzlich darauf geeinigt, dass auch die energieintensive Industrie beim Strompreis einen Rabatt von 5 Cent pro Kilowattstunde (kWh) bekommt. Damit würde die geplante Absenkung des Strompreises für private Kunden (durch die Reduktion der Stromsteuer und der Netzentgelte) in gleicher Höhe auch für jene Unternehmen gelten, die bisher schon weitgehend von den Netzentgelten und der Stromsteuer befreit waren. Die Entlastung wirke wie ein “Industriestrompreis”, sagte ein Verhandler. Der Börsenstrompreis lag zuletzt bei 10 bis 12 Cent pro kWh. Ein Rabatt von 5 Cent würde ihn auf etwa 6 Cent drücken. Diesen Preis hatte schon Noch-Wirtschaftsminister Robert Habeck als Industriestrompreis vorgeschlagen.

Im Papier der Arbeitsgruppe Energie und Klima war zwar von einem Industriestrompreis die Rede, doch Details wurden noch nicht festgelegt. Vor allem Brandenburgs SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke hatte für eine zusätzliche Kompensation auch der energieintensiven Industrien geworben. Die Unions-Wirtschaftspolitiker Anja Weisgerber und Tilman Kuban hatten daraufhin durchgesetzt, dass die Kompensation nicht als garantierter Preis, sondern gleichlautend mit den Entlastungen für Private als Rabatt auf den Börsenpreis erfolgt. Unions-Verhandlungsführer Andreas Jung soll den Kompromiss akzeptiert haben. SPD-Chef Lars Klingbeil und die SPD-regierten Bundesländer hatten schon im Wahlkampf einen subventionierten Strompreis für die Industrie gefordert. Der nun gefundene Kompromiss erlaubt beiden Seiten eine gesichtswahrende Lösung. Die SPD bekommt ihre zusätzliche Hilfe für die Industrie, die Union kann auf einen “marktwirtschaftlichen” Ansatz pochen: Durch den Rabatt statt eines Festpreises müssen Unternehmen weiterhin auf Marktsignale reagieren.

Die genaue Umsetzung der geplanten Regelung ist noch offen. Schon jetzt bekommen Teile der energieintensiven Industrie über die sogenannte Strompreiskompensation eine gesonderte Subvention in der Größenordnung von bis zu 4 Cent pro Kilowattstunde Strom. Dies ist allerdings an diverse Bedingungen geknüpft, die von der EU vorgegeben werden. Die Einigung könnte bedeuten, dass die Strompreiskompensation erhöht und auf mehr Branchen ausgeweitet wird. Als Grundlage soll die sogenannte KUEBLL-Liste der EU dienen. Ob diese eine so breite Subvention rechtlich trägt, ist allerdings fraglich. Denn auch die neue Maßnahme, die bis 2030 befristet sein soll, muss von der EU genehmigt werden. “Für die Koalition wird ein Industriestrompreis in Brüssel sicher kein glatter Durchlauf. Irgendwer wird schon klagen, ob andere Mitgliedstaaten oder nicht begünstigte Branchen”, sagt Beihilferechtlerin Sarah Blazek von der Kanzlei Noerr. Manuel Berkel, Michael Bröcker und Malte Kreutzfeldt 
Staat als AKW-Betreiber: Grüner Spott für den Plan einiger Unionsabgeordneter. Die aus der Unionsfraktion erhobene Forderung, dass der Staat als AKW-Betreiber einspringen soll, sorgt bei den Grünen für Unverständnis. “Dass die Partei der Marktwirtschaft jetzt das Hohelied des Atom-Sozialismus singt, ist an Absurdität nicht zu überbieten und allein ideologisch begründet”, sagte Grünen-Fraktionsvize Julia Verlinden Table.Briefings. Der “atomare Phantomschmerz” der Union sei offenbar so stark, dass sie bereit sei, Milliarden von Steuergeldern für die Reaktivierung der Technologie einzusetzen.

Verlinden reagierte damit auf einen Handelsblatt-Bericht. Demnach drängen mehrere MdB der Union darauf, prüfen zu lassen, ob der Staat als Betreiber für die zuletzt stillgelegten AKWs einspringen kann, wenn die bisherigen Betreiber kein Interesse am Weiterbetrieb haben. Sie gehen damit über die Forderungen aus dem Unions-Wahlprogramm hinaus. Die SPD hatte Überlegungen zur Wiederinbetriebnahme der AKWs in den bisherigen Koalitionsgesprächen eine Absage erteilt. Malte Kreutzfeldt 
Xis Wirtschaftsstrategie: Was China mit seinen Überkapazitäten plant. In immer mehr Industrien drängen chinesische Überkapazitäten auf den europäischen Markt. Eine neue Studie des Thinktanks Merics warnt vor stärkerem Preisdruck unter anderem bei Halbleitern und Industriemaschinen. Unter Xi Jinping verfolgt China demnach keine wachstumsorientierte Politik mehr, um die Mittelklasse zu stärken. Stattdessen setzt die chinesische Führung auf technologische und wirtschaftliche Unabhängigkeit. Wie die EU im zu befürchtenden Zwei-Fronten-Konflikt mit China und den USA agieren sollte, lesen Sie im China.Table. Marcel Grzanna, Angela Köckritz
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Arktisforschung: Wo im Machtpoker Deutschlands Rolle liegt. In Zeiten geopolitischer Krisen sortieren sich die Forschungsaktivitäten im hohen Norden neu. Das betrifft auch Deutschland, dessen Polarforschung einen erstklassigen Ruf hat – und jahrzehntelang von enger Zusammenarbeit mit Russland profitierte. Mit Beginn des Ukrainekriegs endete die Kooperation. Inzwischen ist man vor allem nach Kanada ausgewichen. Neuer Problemfall sind die USA. Die Arbeit der US-Kollegen werde zunehmend eingeschränkt, sagt Volker Rachold vom Deutschen Arktisbüro. Für die Arktisforschung könne dies ein größeres Problem werden als das Aus der Kooperation mit Russland. Warum neuerdings auch Kreuzfahrtschiffe wichtig für die Wissenschaft sind, lesen Sie im Research.Table. Ralf Nestler
Anwerbung von US-Wissenschaftler: Warum es für das neue Leitner-Einstein-Programm nicht nur Lob gibt. Deutschland sucht weiter nach einer geeinten Position zum Abwerben von US-Spitzenforschern. Renommierte Ökonomen fordern ein “Meitner-Einstein-Programm”, mit dem bis zu 100 Professuren an deutschen Universitäten und Forschungseinrichtungen geschaffen werden sollen. “Wir haben in Deutschland die Erfahrung gemacht, dass Wissenschaftler unser Land verlassen mussten. Lise Meitner und Albert Einstein stehen symbolisch für eine Generation, die wir an den Nationalsozialismus verloren haben”, sagte Cornelia Woll, Präsidentin der Hertie-School und eine der Initiatorinnen der Forderung im Gespräch mit Table.Briefings. Zuletzt hatten sich Friedrich Merz und Lars Klingbeil für ein aktives Abwerben von Spitzenforschern ausgesprochen. Die Allianz der Wissenschaftsorganisationen und das BMBF wollen dagegen einen vorsichtigeren Kurs einschlagen. Mehr dazu lesen Sie im Research.TableTim Gabel
Kohleausstieg: Wie ungelöschte ETS-Zertifikate vom Markt verschwinden. Die Bundesregierung hat am Mittwoch fristgerecht eine weitere Tranche für die Löschung von CO₂-Emissionszertifikaten im Zuge des Kohleausstiegs beschlossen. 514.000 Zertifikate, die je einer Tonne CO₂entsprechen, sollen gelöscht werden. Damit sei, so das BMWK, die “Klimaschutzwirkung des Kohleausstiegs gesichert”.
 
In einem anderen Fall war genau das umstritten: Weil die Regierung sich mit der EU nicht über die Modalitäten einigte, konnte sie die Zertifikate für Stilllegungen von Kohlekraftwerken 2021 nicht zur Löschung anmelden. Der Vorwurf lautete damals, der Kohleausstieg habe “keine messbare Klimawirkung”. Nun zeigt sich: Ein großer Teil der Zertifikate wurde dennoch dem Markt über die “Marktstabilitätsreserve” endgültig entzogen. Dadurch sollen zu hohe oder zu niedrige Preise abgepuffert werden. Obwohl Deutschland die Löschung versäumte, wanderten die Zertifikate aufgrund einer Verschärfung der Marktstabilitätsreserve vom Markt – und somit trug der Kohleausstieg auch 2021 durchaus zum Klimaschutz bei. Näheres dazu lesen Sie im Climate.Table. Bernhard Pötter
“Palästinenser-Tuch” im Bundestag: Klöckner reagiert diplomatisch. Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) hat darauf hingewiesen, dass “Meinungsbekundungen durch Spruchbänder, Flugblätter oder Teile der Bekleidung” im Plenum des Bundestags nicht zulässig sind. Sie reagiert damit auf einen Brief ihrer Fraktionskollegen Johannes Volkmann, Daniela Ludwig und Pascal Reddig. Diese hatten sich darüber beschwert, dass die Linken-Abgeordnete Cansin Köktürk in der konstituierenden Sitzung eine Kufiya getragen hatte (wir berichteten). Ohne die Abgeordnete oder das “Palästinenser-Tuch” wörtlich zu erwähnen, schrieb Klöckner auf X, dass Auseinandersetzungen im Parlament “ausschließlich über das Wort geführt” würden. Sie empfehle allen, “es nicht auf Zweifelsfälle anzulegen”. Maximilian Stascheit
Table.Today Podcast
Er ist einer der renommiertesten deutschen KI-Experten und forscht seit vielen Jahren im Silicon Valley. Richard Socher war zuletzt Chefentwickler des US-Softwareunternehmens Salesforce und ist inzwischen CEO seines eigenen KI-Start-ups You.com. Der in Dresden geborene Computerlinguist forschte an den Elite-Universitäten Princeton und Stanford und berät die Politik in KI-Fragen. Im Podcast erläutert er, warum das Industrieland Deutschland besondere Chancen hat, von der KI zu profitieren und was er von dem Brain-Drain in den USA unter Donald Trump hält. Das Gespräch hören Sie ab 6 Uhr hier.
Table.Documents
10-Punkte-Plan der Grünen zu den aktuellen Herausforderungen in der Innenpolitik
 
Erklärung der deutschen Wirtschaft zu den Koalitionsverhandlungen
 
Bericht der Bundesregierung zur Weiterentwicklung des gesamtdeutschen Fördersystems für strukturschwache Regionen
 
Petition für eine CDU-Mitgliederbefragung
Heads
Jürgen Janssen ist neuer Generalsekretär des Rats für Nachhaltige Entwicklung (RNE). Der 58 Jahre alte Agraringenieur war zuvor unter anderem Koordinator des deutschen Netzwerks des UN Global Compact sowie Leiter des Bündnisses für Nachhaltige Textilien bei der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ). Zuletzt hat er das Privatsektor- und Green-Economy-Programm der GIZ in den palästinensischen Gebieten geführt. Janssen folgt auf Marc-Oliver Pahl, der den RNE bereits im Dezember verlassen hat. Das Gremium berät die Bundesregierung, die es 2001 unter dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder gegründet hat. Marc Winkelmann
 
Jeanette Hofmann sieht soziale Medien als Verstärker von Desinformation, nicht aber als Auslöser. Falschinformationen seien vor allem Symptome einer Krise der Demokratie, sagt die Gründungsdirektorin des Alexander von Humboldt Instituts für Internet und Gesellschaft in Berlin. “Die Quellen dahinter sind schließlich oft führende Politiker – und das auch in demokratischen Ländern wie den USA, Italien oder Großbritannien”. Was die Politikwissenschaftlerin – eine der wichtigsten netzpolitischen Stimmen in Deutschland – im Jahr 1992 am Internetgame “Pong” fasziniert hat, lesen Sie im Research.Table.   
 
San Mao hatte ein bewegtes Leben hinter sich, als sie 1991 mit nur 47 Jahren starb. Die Autorin wurde mit ihren Reiseberichten aus der Sahara-Wüste und Lateinamerika berühmt. Bis heute inspiriert sie junge Aussteiger in China und Taiwan. Mehr über die Frau, die durch ihren unkonventionellen Lebensstil und Mut zu neuen Anfängen ein frühes Vorbild für alternative Lebensentwürfe wurde, lesen Sie im China.Table.
  
Anja Nordmann ist neue politische Geschäftsführerin von Lobbycontrol. Sie arbeitete zuletzt als Geschäftsführerin des Deutschen Frauenrats. (Lobbycontrol)
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Best of Table
Climate.Table: Deutschland finanziert weiterhin Gasprojekte im Ausland. Union und SPD wollen Klimaleitlinien zur Finanzierung von fossilen Projekten im Ausland aufweichen. Doch entgegen einer Zusage auf der Klimakonferenz 2021 stellt Deutschland schon heute weiterhin Finanzierungen bereit. Welche Schlupflöcher es dabei ausnutzt, lesen Sie hier.

China.Table: Das langsame Sterben der Feststoffbatterien. In der E-Mobilität gilt die Feststoffbatterie als der heilige Gral. Chinesische Hersteller liefern sich ein Wettrennen mit der Konkurrenz aus Europa und den USA – doch bislang bleibt die Entwicklung bei allen hinter den Erwartungen zurück. Weshalb der Technologie in der Autobranche das Aus droht, lesen Sie hier.

Europe.Table: Marco Rubio zum ersten Mal bei der Nato. Beim Treffen der Nato-Außenminister in Brüssel werden Europäer und Kanadier jedes Wort des neuen US-Kollegen genau analysieren. Warum die Nervosität vor Rubios erstem Auftritt beim Verteidigungsbündnis groß ist, lesen Sie hier.
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Must-Reads
Politico: Zieht Musk sich aus dem Weißen Haus zurück? Donald Trump soll im engsten Kreis angekündigt haben, dass Elon Musk von seiner aktuellen Position in der Regierung zurücktreten und einfacher Berater werden soll. Bislang waren Beobachter davon ausgegangen, dass Trump das 130-Tage-Limit für “Special Government Employees” umgehen würde. (“Trump Tells Inner Circle That Musk Will Leave Soon”)
 
RND: Verdacht auf rechtsextreme Motive in mehreren Fällen. Bei dem Brandanschlag in Solingen kommt nach Recherchen des WDR ein rechtsextremes Motiv infrage. Ähnliche Erkenntnisse gibt es mit Blick auf die jüngsten Anschläge von Mannheim, Magdeburg und Altdöbern. Am Wochenende wurde zudem bekannt, dass die NSU-Terroristin Beate Zschäpe mehrmals mit dem Thüringer Verfassungsschutz telefoniert haben soll. (“Solingen, Mannheim, Altdöbern: Rechtsextreme Gewalt auf den zweiten Blick?”)
 
SZ: Wüst und Neubaur bestreiten Einmischung in Richterwahl. Im Streit um die Neubenennung des Präsidenten des OVG Münster haben sich MP Hendrik Wüst und seine Vize Mona Neubaur gegen den Vorwuf gewehrt, “politisch manipulierte Personalauswahl” getroffen zu haben. Der Posten ist seit fast vier Jahren unbesetzt. (“Wunschkandidaten und Wirklichkeit”)
 
FAZ: Thüringen verschärft Asylrecht. Bewerber aus sicheren Herkunftsstaaten sollen nicht in Kommunen verteilt werden, sondern müssen in einer der beiden Landeseinrichtungen bleiben, bis sie abgeschoben werden. Auch eine Einführung der Bezahlkarte noch in diesem Halbjahr hat die Brombeer-Koalition angekündigt. (“Union stimmt BAMF-Chef zu”)
 
NYT: Amazon macht Last-Minute-Angebot für TikTok. Der US-amerikanische Versandhändler soll in einem Brief an J.D. Vance angeboten haben, die App zu kaufen. Amazon ist vor allem an TikToks Influencer-Geschäft interessiert. In Wirtschaftskreisen wird das Angebot jedoch nicht ernst genommen. (“Amazon Said to Make a Bid to Buy TikTok in the U.S.”
Table.Picks
Foreign Affairs: Die Grenzen der Trump’schen Politik. Mit aggressiven Gesten und Drohungen hat Donald Trump die Nachbarstaaten auf dem amerikanischen Kontinent unter Druck gesetzt, um etwa den Einfluss Chinas in der Region zurückdrängen. Ein Beispiel dafür ist Panama. Aber Druck und Drohungen reichten nicht aus, schreibt Matias Spektor, Politik-Professor in São Paulo, in Foreign Affairs. Nur durch Engagement, das den Staaten nicht allein Druck mache, sondern auch Vorteile verschaffe, könnten sich die USA dauerhaft Einfluss in der Region sichern. Antje Sirleschtov  
Schlagzeilen von morgen
SZ: In Deutschland nimmt die Gewalt zu  
FAZ: Deutlich mehr Gewalttaten von Kindern und Jugendlichen
Tagesspiegel: Neue Härte in der Sicherheitspolitik
Handelsblatt: Tesla-Absatz bricht ein  
Taz: Klein-Istanbul grüßt İmamoğlu
Meistgelesenes von heute
Zeit Online: Hollywood-Schauspieler Val Kilmer ist tot
Spiegel:  Trump-Kandidat erleidet Wahlschlappe in Wisconsin
Taz: “Kaufen Sie sich halt ein neues Handy”
Handelsblatt: Handgepäckmassen im Flieger: “Wir sind keine Gepäckverlader”
NZZ: Ein Lebenszeichen der Demokraten – Die amerikanische Oppositionspartei übertrifft an den Wahlurnen die Erwartungen
Interviews von morgen

Deutschlandfunk
 
6:50 Uhr: Michael Rimmel, Leiter der KAS in Israel: Neue Gaza-Offensive
7:15 Uhr: Johann Wadephul, Vize-Fraktionsvorsitzender der Union: Nato-Außenministertreffen
8:10 Uhr: Bernd Lange, Vorsitzender EP-Handelsausschuss (SPD): US-Zollpolitik
 
ZDF
 
6:35 Uhr: Daniel Grein, Bundesgeschäftsführer Kinderschutzbund: Kinderporno-Ring
 7:10 Uhr: Laura von Daniels, SWP-Forschungsgruppenleiterin Amerika: US-Zölle und Elon Musk
 8:10 Uhr: Mario Voigt, Ministerpräsident von Thüringen (CDU): Ost-MPK
8:35 Uhr: Henning Otte (CDU) und Philipp Türmer (Jusos): Debatte zum Thema Gefahr im Verzug – Braucht Deutschland die Wehrpflicht?
  
rbb24-Inforadio
 
7:05 Uhr: Deniz Yücel, Journalist: Türkei – Boykottaufruf und Protestpläne
7:25 Uhr: Svenja Hahn, MdEP (FDP): Trumps Zölle – wie wehrt sich die EU?
9:05 Uhr: Jürgen Dusel, Beauftragter für die Belange von Menschen mit Behinderungen: Weltgipfel für Menschen mit Behinderungen
 
Phoenix
 
09:05 Uhr: Volker Treier, Außenwirtschaftschef der DIHK: US-Zölle
 
RTL/n-tv Frühstart
 
7:30: Mario Voigt, Ministerpräsident von Thüringen (CDU): Ost-MPK, Koalitionsverhandlungen, Umfragewerte CDU

Time.Table

Staatsbesuch: König Abdullah II. von Jordanien trifft Olaf Scholz und Frank-Walter Steinmeier. Pressekonferenz mit Scholz 10:15 Uhr, Kanzleramt
 
Nato: Treffen der Außenminister. 3.-4. April, Brüssel
 
Zentralasien: Erstes Gipfeltreffen der EU mit den zentralasiatischen Staaten. Mit Ursula von der Leyen. 3.-4. April, Samarkand, Usbekistan
 
Energiewende: Konferenz zum Thema Energiewende im Fokus – Transformation gestalten. Mit Robert Habeck, Jörg Kukies und Richard Lutz. Schloss Heidelberg
 
Außenpolitik: Olaf Scholz reist nach Spanien und trifft dort Pedro Sánchez.
 
Rechte Gewalt: Pressekonferenz der Dokumentationsstelle “Berliner Register” zu rechtsextremen Vorfällen 2024. 11 Uhr, Dragonerareal. Weitere Informationen

Geburtstage von morgen
Marlon Bröhr, MdB (CDU), 51
Christin Willnat, MdB (Linke), 39
Hannah Neumann, MdEP (Grüne), 41
Nachttisch
Unser Tipp führt sie heute mitten in die jüdische Gemeinde. Der Berliner Unternehmer Nicolai Schwarzer, dessen Großvater Harry Auschwitz und Treblinka überlebte, beschreibt eindrucksvoll, aber ohne den Duktus des anklagenden Opfers, wie der Antisemitismus in Deutschland von scharf rechts bis links in den letzten Jahren gewachsen ist. Und er zählt konkret auf, was die Demokraten der Mitte tun können, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Schwarzers Lehrbuch gegen den Extremismus ist zugleich eine optimistische Zukunftserzählung für Deutschland. Michael Bröcker

Nicolai Schwarzer: “Nie wieder ist jetzt!” | Nicolai Verlag
Das war’s für heute. Good night and good luck!

Heute haben Okan Bellikli, Manuel Berkel, Stefan Braun, Michael Bröcker, Damir Fras, Tim Gabel, Marcel Grzanna, Horand Knaup, Angela Köckritz, Malte Kreutzfeldt, Ralf Nestler, Marit Niederhausen, Bernhard Pötter, Leonard Schulz, Antje Sirleschtov, Maximilian Stascheit und Marc Winkelmann mitgewirkt. 

Der Berlin.Table ist das Late-Night-Briefing für die Table.Media-Community. Wenn Ihnen der Berlin.Table gefällt, empfehlen Sie uns bitte weiter. Wenn Ihnen diese Mail weitergeleitet wurde: Hier können Sie sich kostenlos anmelden.
Berlin.Table Redaktion
Stefan Braun Stefan Braun
Okan Bellikli Okan Bellikli
Michael Bröcker Michael Bröcker
Helene Bubrowski Helene Bubrowski
Peter Fahrenholz Peter Fahrenholz
Damir Fras Damir Fras
Franziska Klemenz Franziska Klemenz
Horand Knaup Horand Knaup
Malte Kreutzfeldt Malte Kreutzfeldt
Leonard Schulz
Sven Siebert Sven Siebert
Maximilian Stascheit Maximilian Stascheit
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