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Berlin.Table
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Das Late-Night-Briefing aus der Hauptstadt
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#555
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28. April 2025
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Talk of the Town
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Gruppenbild mit Raute – Friedrich Merz und seine CDU-Kabinettsmannschaft
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Merz und die CDU: Last der Verantwortung, Lust aufs Regieren und ein umstrittener Staatsminister
Keine Euphorie, kein übertriebener Beifall, kein rauschendes Fest, sondern viele ernste Worte: Wenige Tage vor der geplanten Übernahme der Regierung konnte man Friedrich Merz und seiner CDU anmerken, wie schwer die Last der Aufgabe für sie noch werden könnte. Vorneweg der Kanzler in spe zeigte mit seinem Auftritt, dass ihm, je näher er dem Kanzleramt kommt, immer stärker die Verantwortung bewusst wird. Merz verzichtete auf jeden scharfen Ton und erinnerte immer wieder daran, wie historisch heikel die Mission werden dürfte angesichts einer Weltlage, in der die für Deutschland so wichtigen Stützpfeiler wegbrächen. Der künftige Regierungschef sprach nicht ausschließlich über Krieg und Frieden. Aber er machte klar, dass ohne Sicherheit im Äußeren alle noch so wichtigen Fragen im Inneren unlösbar blieben. Westbindung, Wiedervereinigung, Europa – in diese Dimension stellte der CDU-Chef die anstehende Aufgabe. Das erklärt auch am besten, warum von Feststimmung im Estrel keine Rede sein konnte. Es gab zwar manches glücklich-stolze Gesicht, weil sich zum Beispiel Johann Wadephul (AA), Karin Prien (Bildung/Familie) und Serap Güler (Staatsministerin) sehr über ihre Nominierungen freuten. Aber selbst aus der Präsentation der künftigen Ministerinnen und Minister wurde keine Jubelfeier. Merz bemühte sich stattdessen, die Auswahl in jedem einzelnen Fall zu begründen. Der Beifall war bei allen ungefähr gleich; auch an der Stelle wollte niemand ein erstes Beliebtheitsranking machen. Zu ernst ist die Lage. Auf drei Kritikpunkte ging Merz besonders ein. Er betonte, dass die Lockerung der Schuldenbremse sich allein über die äußere Gefährdung begründen lasse. Ohne diesen Beschluss hätte die Handlungsfähigkeit des Staates massiv in Frage gestanden. Das Sondervermögen Infrastruktur lasse sich gegenüber der jüngeren Generation nur dadurch rechtfertigen, dass man damit nicht Substanz “verfrühstücke”, sondern neue Substanz schaffe. Und zur Kritik der Jungen Union, man kümmere sich nicht genügend um eine Reform des Sozialstaates, erklärte Merz, man sei fest entschlossen, diesen Eindruck zu widerlegen. Seine Zusage: Noch in dieser Legislatur werde man bei Rente, Gesundheit und Pflege große Reformen angehen. Das war zwar nur ein Versprechen, aber eines nicht ohne Risiko. Für die SPD können sich derlei Ankündigungen aktuell schnell zu einer mindestens gefühlten Drohung auswachsen. Stabilität lieferten im Estrel nicht zuletzt diejenigen, die sich als Verlierer fühlen könnten. Dazu gehören Abgeordnete wie Armin Laschet, Andreas Jung und Norbert Röttgen, die erstmal nichts wurden, aber im Estrel nicht jammerten, sondern sich demonstrativ mit anderen freuten. Hinzu kommen Landesverbände wie Hessen und Niedersachsen, die vom Kuchen wenig abbekommen haben, aber trotzdem uneingeschränkt für den Koa-Vertrag warben. Und auch NRW-MP Hendrik Wüst ließ nichts Negatives verlauten, obwohl NRW im Kabinett wenig Posten besetzt – und die weiter mächtigen Leute aus NRW wie Generalsekretär Carsten Linnemann und der künftige Fraktionschef Jens Spahn jedenfalls nicht zum Wüst-Lager gehören. Einziges Thema, das manchem im Estrel Sorgen bereitet: Wolfram Weimer. Der bisherige Verleger, den Merz als Staatsminister für Medien und Kunst nominierte, hat ob problematischer Aussagen schon heftige Kritik auf sich gezogen. Deshalb konnte man im Estrel MPs, Staatskanzleichefs und MdBs sprechen, die befürchten, dass diese Personalie nicht nur die Öffentlichkeit spalten, sondern auch die Bewertung des sonstigen Kabinetts negativ überlagern könnte. Weimer, der mit Merz befreundet ist, hatte in einem “Konservativen Manifest” unter anderem die Sorge um die “Fortdauer des eigenen Bluts” geäußert und eine “biologische Selbstaufgabe” Europas beklagt. | |
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News
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Regierungszentrale: Merz baut das Kanzleramt massiv um. Sämtliche Abteilungsleiter sollen in den Ruhestand wechseln, berichtet die FAZ. Für die Nachfolge hat Merz bisher ausschließlich Männer vorgesehen. Der wichtigste ist Jacob Schrot, der bisherige Planungschef von Merz in der Fraktion, er wird der neue Büroleiter des Bundeskanzlers und zugleich den Stab Nationaler Sicherheitsrat leiten. Damit wäre Schrot der zentrale Koordinator der Sicherheitspolitik in Deutschland.
Jörg Semmler, der bisher Fraktionsdirektor war und den Organisationserlass der neuen Regierung koordinierte, soll neuer Staatssekretär werden. Die Position gab es bisher nicht, sie gilt als zentrale Position, um frühzeitig Streitpunkte in der Koalition zu identifizieren und aufzulösen. Semmler soll eine Art Amtschef werden, der sich frühzeitig um die Koordinierung der Ministerien kümmert, um Kanzleramtschef Thorsten Frei zu entlasten. Semmler, Jurist aus Hildesheim, war früher Büroleiter von Kanzleramtschef Peter Altmaier und kennt die Arbeit in der Regierungszentrale.
Der neue außenpolitische Berater des Kanzlers wird Günter Sautter, ein erfahrener Diplomat, der seit 2002 im Auswärtigen Dienst arbeitet und inzwischen Politischer Direktor des Auswärtigen Amts ist. Er leitete auf deutscher Seite die Verhandlungen zum Iran-Abkommen. Die Abteilung 7, die die Geheimdienste koordiniert, soll der bisherige Vizechef des BND, Philipp Wolf, führen. Der Jurist arbeitete früher beim Generalbundesanwalt und beim Bundesverfassungsgericht.
Von der Deutschen Bahn kommt Finanzvorstand Levin Holle ins Kanzleramt. Er soll die wirtschaftspolitische Abteilung 4 leiten. Der Finanzexperte war von 2012 bis 2020 unter Wolfgang Schäuble Leiter der Abteilung Finanzmarktpolitik im Finanzministerium, bevor er zur Bahn wechselte. In CDU-Kreisen wurde Holle auch als möglicher neuer Bahn-Chef gehandelt, nun wird er der wichtigste Wirtschaftsberater des Kanzlers. Michael Bröcker
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Forschung ist Deutschlands beste Medizin.
Denn innovative Impfstoffe entlasten das Gesundheitssystem. Diese Woche startet die Europäische Impfwoche. Sie erinnert uns daran: Das Potenzial digitaler Lösungen beim Impfen muss besser ausgeschöpft werden. Mehr Infos rund um das Impfwesen in Deutschland erfahren Sie beim vfa.
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Digitalminister: Ein Transformationsmanager ohne digitalpolitische Erfahrung. Mit Karsten Wildberger hat Friedrich Merz seine Ankündigung eingehalten, einen Wirtschafts-Praktiker von außen in das Digitalministerium zu holen. Der 56-jährige war bislang CEO der Ceconomy AG, dem Dachunternehmen von Media Markt und Saturn. Der promovierte Physiker arbeitete lange in der Telekommunikationsbranche, verbrachte mehrere Jahre in Australien, bevor er 2016 nach Deutschland zurückkehrte, um Vorstandsmitglied bei E.ON zu werden. Seit 2021 leitet er als Vorstandvorsitzender bei Ceconomy die Transformation, vor ihm gab es viele Wechsel in der Geschäftsführung. Laut FAZ hat er es geschafft, Media Markt “wieder cool” zu machen, zum Beispiel durch Kooperationen mit Uber und Werbedeals mit Jürgen Klopp. Bei einem Podcast-Auftritt im November sagte Wildberger, dass “wir in Deutschland weniger staatliche Eingriffe brauchen, sondern mehr Vertrauen in die soziale Marktwirtschaft”.
In der Digital-Szene ist Wildberger bislang ein unbeschriebenes Blatt. Das hat Vor- und Nachteile. Im digitalpolitischen Berlin ist zunächst eine prinzipielle Offenheit gegenüber der Überraschungspersonalie zu vernehmen. Beim SPD-nahen digitalpolitischen Verein D64 gibt es jedoch Bedenken, ob der Wirtschaftsmann auch die gesellschaftspolitischen Aspekte der Digitalpolitik mitdenke. Zudem ist Wildberger Vizepräsident der Lobbyverbände HDE und dem Wirtschaftsrat der CDU. Laut Lobbycontrol vertrete HDE große Konzerne wie ALDI, Lidl und Amazon. Sprecherin Christina Deckwirth sagte: “Die künftige Bundesregierung muss nun sicherstellen, dass den bisherigen Arbeitgebern keine einseitigen Vorteile oder privilegierte Zugänge eingeräumt werden.”
Kritik gibt es auch daran, dass seine künftigen Staatssekretäre zwei Männer sind. Philipp Amthor, der sich vor allem um die Verwaltungsdigitalisierungsabteilungen kümmern wird, die aus dem BMI kommen. Und Thomas Jarzombek, der sich als ehemaliger Beauftragter des BMW für digitale Wirtschaft und Startups und ehemaliges Mitglied des Digitalausschusses um Regulierung und Digitalwirtschaft kümmern soll. Amthor, der als bestens vernetzt in der CDU gilt, könnte zudem Wildberger dabei unterstützen, sich ein Standing in der Partei aufzubauen, das er bisher noch nicht hat. Leonard Schulz
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Wichtige Impulse für Gesundheit und Pflege. Der Koalitionsvertrag von Union und SPD benennt die richtigen Reformthemen für unser Gesundheitswesen. Die neue Regierung muss jetzt die Finanzen der Kranken- und Pflegeversicherung generationengerecht aufstellen. Dabei sollte sie auf die Expertise der PKV mit ihrer nachhaltigen und demografiefesten Finanzierung zurückgreifen. (mehr auf pkv.de)
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Verkehrsminister: Ein Top-Jurist ohne Allüren, aber mit wenig Fachwissen. Eine Überraschung für viele ist die Nominierung des Eifeler Bundestagsabgeordneten und Fraktionsgeschäftsführers Patrick Schnieder zum Verkehrsminister. Damit wertet CDU-Chef Merz den rheinland-pfälzischen Landesverband ein Jahr vor der Landtagswahl auf. Bruder Gordon Schnieder ist dort Spitzenkandidat und soll im März 2026 den SPD-Amtsinhaber Alexander Schweitzer herausfordern und das Land nach 35 Jahren wieder für die CDU gewinnen. Patrick Schnieder holte mit 40,2 Prozent das beste Erststimmen-Ergebnis im Land im Wahlkreis Bitburg in der Eifel. “Er ist ein an der Sache orientierter Abgeordneter, der sich schnell in die Themen einarbeitet”, sagt der frühere CDU-Landeschef Christian Baldauf.
In der Verkehrspolitik ist der Volljurist bisher indes nicht aufgefallen. Abgeordnete erinnern sich an ihn als fleißiges Mitglied des Verkehrsausschusses in der vorvergangenen Legislaturperiode, aber ohne besondere Akzente. Dafür kann der 56-Jährige, der wegen seiner Herkunft und Körpergröße “Eifelturm” genannt wird und einen gleichnamigen Podcast gestartet hat, stundenlang über Planungs- und Genehmigungsverfahren fachsimpeln, die er beschleunigen will. Mehr Tempo auf den diversen Infrastruktur-Baustellen dürfte ein Schwerpunkt des Ministers sein, ein anderes die gezielte Verwendung der 400 Milliarden Euro aus dem neuen Sondervermögen. Schnieder will außerdem den personellen Neuanfang bei der Bahn, ebenso wie der künftige CSU-Staatssekretär Ulrich Lange, der schon lange einen Wechsel im Bahn-Vorstand fordert. Lange dürfte als PStS auch Bahn-Beauftragter werden. Michael Bröcker
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Deutschland verdient eine bessere Behandlung. Jedes Jahr sind knapp 18 Millionen Menschen von einer psychischen Erkrankung betroffen. Psychische Erkrankungen sind die zweithäufigste Ursache für Krankmeldungen. Psychiaterinnen und Psychiater helfen mit ihrem ärztlichen Blick auf den ganzen Menschen.
(mehr auf die-psychiater.net)
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Gesundheitsministerin Warken: Politikmanagerin im Lobbyisten-Dschungel. In der Gesundheitsbranche hörte man sich zunächst einmal aufgeregt um, als der Name der neuen Ministerin am Sonntag durchsickerte: Nina wer? Nina Warken, bislang Parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion und Generalsekretärin in Baden-Württemberg, hatte für die Nachfolge von Karl Lauterbach wirklich niemand auf dem Schirm. Denn abgesehen von ihrer Mitgliedschaft im Begleitausschuss des Bundestags zur Corona-Pandemie, in dem bewusst auch fachfremde Politiker vertreten waren, ist sie in der Gesundheitspolitik nie in Erscheinung getreten.
Entsprechend zurückhaltend fielen die Reaktionen der Verbände aus. Positiv stimmt viele, dass sich Warken den Ruf einer versierten Generalistin erworben hat, die zuhören, moderieren und sich schnell in Themen einarbeiten kann. Eine wichtige Kompetenz in einem Politikfeld, das wie kaum ein anderes durch divergierende, selbstbewusste und lautstarke Interessenvertreter dominiert ist. Warken ist wahrlich das Gegenteil von Lauterbach, der eine unbestrittene fachliche Expertise vorweisen konnte, damit im Laufe seiner Amtszeit jedoch auch viele vor den Kopf stieß. Mit dem bisherigen gesundheitspolitischen Sprecher Tino Sorge, der sich selbst Hoffnung auf das Ministeramt gemacht hatte, und Obmann Georg Kippels stellt die CDU Warken ihre versiertesten Fachpolitiker als Parlamentarische Staatssekretäre an die Seite.
Überraschend wurde unterdessen in München verkündet, dass die CSU-Politikerin Katrin Staffler Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung wird. Sie löst damit SPD-Frau Claudia Moll ab. Bislang war nicht bekannt, dass sich die CSU das Amt in den Koalitionsverhandlungen gesichert hat. Anders als Moll, die selbst gelernte Altenpflegerin ist, war Staffler noch nicht als Gesundheitspolitikerin tätig. Markus Söder betonte aber, dass sie persönliche Erfahrung als pflegende Angehörige mitbringe, als Forschungspolitikerin auch “die modernen Themen der Pflege” kenne und in ihrem neuen Amt “das sozialpolitische Gesicht der CSU” werden solle. Maximilian Stascheit
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Kabinettsliste der CSU: Söder gibt Dobrindt herausgehobene Stellung. CSU-Chef Markus Söder hat mit der Kabinettsliste seiner Partei dem bisherigen Landesgruppenchef Alexander Dobrindt eine Sonderrolle gegeben und dessen Rolle dadurch gestärkt. Dobrindt soll nicht nur neuer Innenminister werden, sondern zugleich als Sprecher der CSU-Minister fungieren. In dieser Funktion werde Dobrindt “mit mir im Koalitionsausschuss sitzen”, sagte Söder bei der Präsentation seiner Regierungsmitglieder. Söder räumte ein, dass er und Dobrindt “lange überlegt” hätten, ob Dobrindt Landesgruppenchef bleiben soll. “Am Ende haben wir entschieden, dass er Minister wird”, sagt Söder.
Die Berufung von CSU-Vizin Dorothee Bär zur Forschungsministerin stand schon seit längerem quasi fest. Mit der Berufung des niederbayerischen Bundestagsabgeordneten Alois Rainer hat Söder indes eine überraschende Personalentscheidung getroffen. Söder lobte den gelernten Metzgermeister, der ein Bruder der ehemaligen CSU-Politikerin Gerda Hasselfeldt ist, als “perfekten Kandidaten” und konnte sich dabei einen neuerlichen Seitenhieb auf die Grünen nicht verkneifen. “Jetzt gibt es wieder Leberkäs, statt Tofu-Tümelei.” Nach Informationen von Table.Briefings hatte Söder seine Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber zu einem Wechsel nach Berlin bewegen wollen, eher er auf die Idee mit dem bayerischen Bauernverbandspräsidenten Günther Felßner verfiel. Parteiintern soll Kaniber jetzt abgeraten worden sein. Sie wäre in der Landesgruppe keineswegs mit offenen Armen aufgenommen worden und hätte zudem empfindliche Gehaltseinbußen in Kauf nehmen müssen. Welche Motive bei Rainers Berufung sonst eine Rolle gespielt haben, lesen Sie im Agrifood.Table.
Söder verkaufte sein Tableau aus drei Ministern, fünf Staatsministern oder Staatssekretären und zwei Beauftragten als Erfolg, mit dem die CSU “so gut wie seit Jahren nicht” aufgestellt sei. In der Landesgruppe dürfte der Jubel aber keineswegs so einhellig sein, wie Söder ihn darstellte. Denn nach Informationen von Table.Briefings hatte Dobrindt beim Personal unterhalb der Ministerebene freie Hand. Dabei hat er ausschließlich Vertraute zum Zuge kommen lassen. Erfahrene Abgeordnete wie der oberfränkische Abgeordnete Thomas Silberhorn, der schon zweimal Staatssekretär in verschiedenen Ministerien war, sind hingegen leer ausgegangen. Peter Fahrenholz
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Große Aufgaben, wenig Spielraum: Dorothee Bär wird Forschungsministerin. Die frühere Digitalbeauftragte übernimmt mit dem Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt ein Ressort, das große Zukunftsversprechen verkörpert – aber in der Realität von engen Haushaltsgrenzen und hohem Erwartungsdruck geprägt ist. Zwar wandert der Bildungsbereich weitgehend ins Familienministerium (CDU), doch Bär muss zentrale Aufgaben wie Raumfahrt und Innovationsförderung zurück ins Haus holen und die ambitionierte “Hightech-Agenda für Deutschland” vorantreiben. Ihr Start ist schwierig: Die beiden Parlamentarischen Staatssekretäre Silke Launert (CSU) und Matthias Hauer (CDU) sind fachfremd. Zudem stellt sich die Frage, ob Bär überhaupt ein eigenes Profil entwickeln kann – oder letztlich nur Söders politische Vorgaben abarbeitet. Wer Bärs Verbündete sind, lesen Sie im Research.Table. Nicola Kuhrt
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Vorschuss-Lorbeeren und Warnung vor Interessenkonflikten: Katherina Reiche wird Wirtschaftsministerin. Sie gehört zu den wenigen, die einen doppelten Seitenwechsel vollziehen: 2015 war Katherina Reiche nahtlos aus dem Bundestag zunächst zum Verband Kommunaler Unternehmen und später zur E.ON-Tochter Westenergie gewechselt; jetzt gibt sie ihren Posten als Vorstandsvorsitzende auf, um als Ministerin für Wirtschaft und Energie in die Politik zurückzukehren. Die Reaktionen fallen überwiegend positiv aus. So erklärte etwa Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie und ehemalige Grünen-Politikerin, Reiche sei eine “erfahrene Energiepraktikerin”, die klar hinter dem Umstieg auf erneuerbare Energien stehe.
Leer ausgegangen ist damit erneut CDU-Energie- und Klimaexperte Andreas Jung. Er hatte das Angebot von Friedrich Merz, Parlamentarischer Staatssekretär zu werden, abgelehnt, und zeigte sich als guter Verlierer und lobte gegenüber Table.Briefings Reiches “breite Erfahrung aus Energiewirtschaft, Umweltpolitik und Wasserstoffrat”. Kritik an der Nominierung kam dagegen von der Organisation Lobbycontrol: Sie fürchtet, dass Reiche die “nötige kritische Distanz” zur Energiebranche fehle und warnt vor einem Interessenkonflikt, weil diese nun Entscheidungen treffen müsse, die unmittelbar ihre bisherigen Arbeitgeber betreffen. Mehr zu den Erwartungen an Reiches Energiepolitik lesen Sie im Climate.Table. Malte Kreutzfeldt
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BMWE: Afrika-Experte wird Staatssekretär. Mit der Nominierung von CDU-Wirtschaftspolitiker Stefan Rouenhoff als künftigem Parlamentarischen Staatssekretär im Wirtschaftsministerium könnten die Wirtschaftsbeziehungen zum Nachbarkontinent Afrika Aufwind bekommen. Denn Rouenhoff ist ausgewiesener Afrika-Experte und war maßgeblich an der Ausarbeitung der Ende 2023 veröffentlichten Afrika-Strategie der Union beteiligt. Rouenhoffs Nominierung deckt sich mit den Plänen der künftigen schwarz-roten Regierungskoalition, die im Koalitionsvertrag eine neue Afrika-Wirtschaftsstrategie angekündigt hatte. Welche weiteren neuen Regierungspersonalien afrikapolitisch relevant sind, lesen Sie im Africa.Table. David Renke
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Ostdeutschland: Im Kabinett bislang unterrepräsentiert. “Wir wollen die Repräsentation Ostdeutscher in Führungspositionen und Entscheidungsgremien in allen Bereichen weiter verbessern.” So steht es im schwarz-roten Koalitionsvertrag. Während die Ostdeutschen rund ein Fünftel der Bevölkerung stellen, sind sie indes unter den 16 Kabinettsmitgliedern der Union nur zu einem Achtel repräsentiert: Katherina Reiche aus Brandenburg übernimmt das Wirtschaftsministerium, Christiane Schenderlein aus Sachsen wird Staatsministerin für Sport und Ehrenamt. Schenderlein soll zwischendurch als Kulturstaatsministerin vorgesehen gewesen sein. Sie hat für die Union die Verhandlungsgruppe Kultur und Medien geleitet. “Christiane kann beides”, sagte ein Parteikollege Table.Briefings.
Schenderlein gelang in Sachsens konservativer CDU ein schneller Aufstieg; dabei gilt sie als eher progressiv, wenn auch weniger als etwa die frühere Vize-Bundestagspräsidentin Yvonne Magwas. “Sie weiß zu changieren”, sagt eine sächsische Politikerin über Schenderlein. 2023 scheiterte sie trotz Unterstützung von Michael Kretschmer überraschend an der Wahl zur Vize-Landeschefin. Kretschmer lobte das Kabinett am Montag bei Politico. Auch der frühere Ostbeauftragte Christian Hirte sah zur Frage nach der Repräsentanz kein Problem: “Ich bin überzeugt, dass wir insgesamt einen politischen Wechsel hinbekommen”, sagt er Table.Briefings. “Die Regierungsmitglieder aus Ost- und Mitteldeutschland sind dabei gute Repräsentanten.” Franziska Klemenz
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Table.Today Podcast
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Table.Documents
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Brief von Julia Klöckner an die Mitarbeiter der Bundestagsverwaltung zur Ernennung des neuen Bundestagsdirektors
Brief von Jörg Kukies an hohe EU-Repräsentanten zu Ausnahmen bei den europäischen Schuldenregeln
Kurz-Profile der künftigen CDU-Mitglieder der Bundesregierung
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Heads
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Karl-Theodor zu Guttenberg und Katherina Reiche sind ein Paar. Die Bald-Ministerin und der Ex-Minister haben ihrem Anwalt zu Folge schon seit längerem eine Beziehung. (Spiegel)
Paul Göttke soll ab dem 12. Mai als Nachfolger von Michael Schäfer Direktor des Deutschen Bundestags werden. Der Politikwissenschaftler arbeitet seit 2006 in der Parlamentsverwaltung und war zuletzt stellvertretender Fraktionsdirektor der Union. “Vordringliche Aufgabe des neuen Direktors wird es sein, gemeinsam die Modernisierung der Bundestagsverwaltung voranzutreiben und dadurch das Parlament in seiner Funktionsfähigkeit zu stärken”, schrieb Bundestagspräsidentin Julia Klöckner in einem Brief an die Mitarbeiter. Maximilian Stascheit
Saskia Esken wird von dem Landesvorstand der SPD in Baden-Württemberg nicht erneut als Kandidatin für den Bundesvorstand nominiert, berichtet der Spiegel. Sie habe sich nicht um eine Nominierung bemüht. Theoretisch könnte sie auch von der Parteispitze nominiert werden, allerdings gilt sie in der Partei als umstritten. Leonard Schulz
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Best of Table
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China.Table: Unterschiedliche Vorstellungen zur China-Politik im Kabinett. Katherina Reiche betont die Bedeutung internationaler Zusammenarbeit im Energiesektor, während Gitta Connemann und Gunter Krichbaum vor einer wachsenden Abhängigkeit von der Volksrepublik warnen – in der neuen Bundesregierung treffen unterschiedliche Vorstellungen über den künftigen Kurs gegenüber der Volksrepublik aufeinander. Wer in Sachen China wie tickt, lesen Sie hier.
China.Table: Wie Huawei die Gunst der Stunde nutzt. Nvidia darf seine H20-Chips nicht mehr nach China liefern. Dort springt Huawei jetzt in die Bresche und arbeitet mit Hochdruck an der Entwicklung der nächsten Chip-Generation. Warum die chinesische Chipindustrie langfristig vom Chip-Lieferstopp profitieren könnte, lesen Sie hier.
Climate.Table: Weltbank zwischen Klima und Trump. Unter dem Druck der US-Regierung hat Weltbankchef Ajay Banga bei der Frühjahrstagung einen Balanceakt begonnen: Rhetorisch fällt das Klimathema unter den Tisch, strukturell hält Banga an seinen Reformen fest. Wahrscheinlicher Preis für die Strategie: Mehr Weltbank-Mittel für Gas und Atomkraft. Mehr dazu lesen Sie hier.
Europe.Table: Schlag gegen deutsche Strompreiszone. Die europäischen Netzbetreiber haben vorgeschlagen, Deutschland in fünf Gebotszonen aufzuteilen. Was die Wirtschaft nun von der neuen Bundesregierung fordert, lesen Sie hier.
Research.Table: Für Trump ist die Wissenschaft Staatsfeind Nummer 1. Stellenstreichungen, Budgetkürzungen und Verhaftungen: US-Präsident Donald Trump hat in den ersten 100 Tagen seiner zweiten Amtszeit das gesamte System der US-Wissenschaft ins Visier genommen. Der Kulturkampf läuft auf Hochtouren. Welcher zumindest atmosphärische Wendepunkt zuletzt erreicht wurde, lesen Sie hier.
Africa.Table: Rechenzentren für den Kontinent. Das Amsterdamer Unternehmen Raxio und die International Finance Corporation der Weltbank investieren 100 Millionen US-Dollar in Rechenzentren in Afrika. Es wird erwartet, dass sich der afrikanische Markt dafür in den kommenden Jahren verdoppelt. Vor welchen Herausforderungen das Unternehmen steht, lesen Sie hier.
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Must-Reads
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SZ und FAZ: Weimer steht für verquere Ideologie, Unwissen und Unfähigkeit. Dass Wolfram Weimer trotz denkbar großer Zweifel an seiner Eignung Kulturstaatsminister wird, führt Hans-Jürgen Jakobs auf die “Tegernsee-Connection” zu Friedrich Merz zurück. Beide haben Villen in der Luxusregion, waren Stipendiaten der KAS, spielen zusammen Golf. Wichtiger noch lobte der Verleger Friedrich Merz regelmäßig auf verschiedenen medialen Bühnen, etwa als “Mann der Woche”, steht klar für einen reaktionären Kurs der CDU. “Es fällt nicht leicht, sich vorzustellen, wie er die nächste Documenta eröffnet, sich für die Nöte der Clubkultur oder die Chöre im ländlichen Raum starkmacht”, schreibt SZ-Feuilletonist Jörg Häntzschel. FAZ-Herausgeber Jürgen Kaube fürchtet sich davor, “was er im Amt alles zum Besten geben wird”, führt reihenweise Falsch-Behauptungen und alarmierende Ansichten auf. (“Die Tegernsee-Connection”), (“Verleger Weimer soll Kulturstaatsminister werden”), (“Sorgen um die ‘Fortdauer des eigenen Bluts’?”)
Taz: AfD zahlt wegen dubioser Spende 2,35 Millionen. Die Überweisung ging präventiv an die Bundestagsverwaltung. Als Sanktion fällt das Dreifache an, wenn eine Partei Geld annimmt, ohne den Spender vorher festgestellt zu haben. Es geht um eine Plakatspende durch einen Strohmann. (“Rechtsextreme zahlen Millionen für gespendete Plakate”)
SZ: Kabinett bringt Wegner in Bedrängnis. Weil Wolfram Weimer Kulturstaatsminister wird, kann Kai Wegner sich Joe Chialos doch nicht elegant entledigen. Der Kultursenator habe sich als so unfähig bewiesen, dass seine Staatssekretärin und Wegner dessen Fehler ohne ihn korrigieren. Wegner soll erwägen, ob er ihm den Rücktritt vor der Wahl 2026 nahelegt. (“Was wird aus diesem Mann?”)
Tagesspiegel: Brandbrief an Grünen-Führung. Ostdeutsche Spitzen-Grüne fordern “Gesichter, die für bündnisgrüne Politik im Osten stehen”. Die westdeutsche Besetzung des Fraktionsvorstands widerspreche der Ost-Strategie der Parteispitze. Felix Banaszak hat als Reaktion die Bewerbung einer Rostocker Abgeordneten als PGF erwähnt. (“Es reicht nicht, den Osten zu besuchen”)
Spiegel: Keine Volksverhetzung durch Sylter Party-Sänger. Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen gegen drei Männer eingestellt, deren Video mit “Ausländer raus”-Gegröle viral ging. Für Volksverhetzung fehle, dass die Männer zweifelsfrei “aggressive Missachtung und Feindschaft” erzeugen oder steigern wollten. Dem Vierten droht wegen eines Hitlergrußes eine Geldstrafe. (“Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen wegen Sylt-Videos überwiegend ein”)
Spiegel: Zwei Rostocker BSW-Mitglieder wechseln zur Linken. Der Fraktionschef und seine Stellvertreterin im Rostocker Stadtparlament verlassen das BSW, das somit den Fraktionsstatus verliert. Die Linke wird durch die Eintritte stärkste Kraft im Rathaus. Als Begründung sagte Brigitte Dade: “Ich will nicht in einer Partei sein, die Steigbügelhalter für die AfD ist. (“Rostocker BSW-Fraktionschef läuft zur Linken über”)
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Schlagzeilen von morgen
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Meistgelesenes von heute
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Interviews von morgen
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Deutschlandfunk
6:50 Uhr: Jan-Werner Müller, Princeton University: 100 Tage Trump-Regierung
7:15 Uhr: Ralph Brinkhaus, MdB (CDU): Erwartungen an Reformen und Erneuerung
8:10 Uhr: Sebastian Roloff, MdB (SPD), SPD stimmt über Koalitionsvertrag ab
ZDF
6:35 Uhr: Julia Duchrow, Generalsekretärin der deutschen Sektion von Amnesty International: Jahresbericht von ai
7:05 Uhr: Martin Florack, Politikwissenschaftler: Personaltableau der CDU/CSU
8:05 Uhr: Annalena Baerbock: Ostseetreffen
8:35 Uhr: Simone Borchardt, MdB (CDU) und Gesundheitsökonomin, und Verena Bentele, Präsidentin Sozialverband VdK: Hausarztmodell
rbb24-Inforadio
7:05 Uhr: Rainer Rudolph, stellvertretender Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz: 100 Tage Trump im Weißen Haus
7:25 Uhr: Tino Chrupalla, Vorsitzender der AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag: 100 Tage Trump im Weißen Haus
Phoenix
9:05 Uhr: James D. Bindenagel, ehemaliger Botschafter der USA in Deutschland: 100 Tage US-Präsident Donald Trump
RTL/n-tv Frühstart
7:30 Uhr, Felix Banaszak: Regierungsbildung und Aktuelles
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Time.Table
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29. April
Regierungsbildung: Ende der Abstimmungsfrist der SPD-Mitglieder zum Koalitionsvertrag.
Nahost-Konflikt: Anhörung vor dem Internationalem Gerichtshof zu Israels Verpflichtungen in besetzten palästinensischen Gebieten. Friedenspalast, Den Haag, 10 Uhr
Trauer: Bundesweites Requiem der römisch-katholischen Kirche in Deutschland für Papst Franziskus. Mit Frank-Walter Steinmeier. St. Hedwigs-Kathedrale Berlin, 11:15 Uhr
Cyber-Sicherheit: Boris Pistorius besucht die “Locked Shields”-Übung, eine multinationale Übung der Nato. Messe und Kongresszentrum Kalkar, 13 Uhr
Medien: Webtalk der Zeitschrift Internationale Politik (IP) Uninformierte Öffentlichkeit: Wie sehr schaden Medien der Demokratie? Mit Martin Bialecki und Roger de Weck. Online, 17:30 Uhr. Weitere Informationen
Aufsichtsräte: FidAR-Forum 2025 unter dem Titel 10 Jahre Führungspositionen-Gesetze – Eine Erfolgsgeschichte! Mit Lisa Paus. DIHK Berlin, 13:15 Uhr. Weitere Informationen
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Geburtstage von morgen
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Anja Karliczek, MdB (CDU), 54
Dennis Radtke, MdEP (CDU), 46
Ingo Vogel, MdB (SPD), 50
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Nachttisch
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Unser Tipp führt Sie heute in eine Vernehmungs-Zelle. So sah das Studio von Kurt Krömer aus, wo er viele Umstrittene und Schillernde aus der Politik verhört hat. Anschließend folgt ein Urteil. Das Format gewinnt, weil es tiefer als gewohnt in den Charakter gräbt. Manche fühlen sich so angegriffen, dass die Stimmung kippt. Frauke Petry pöbelt: “Welches Angebot haben Sie dem Wähler gemacht, außer Clown beim RBB?” Krömer resümiert ihre Karriere als “Vogelschiss in der Geschichte”. Jens Spahn soll seine Immobilien rechtfertigen: “Spielen Sie Lotto, Bingo oder Hausflohmarkt?” Philipp Amthor offeriert er Milch und Alkopops, fragt zum Wahlkampf: “Haste Luftballons verteilt?” Amthor überraschend selbstironisch: “Wähler überzeugt – hat geklappt, sogar bei mir.” Die Sendung lief bis 2022, hat aber keinerlei Sehenswert eingebüßt. Franziska Klemenz
Chez Krömer | RBB
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Das war’s für heute. Good night and good luck!
Heute haben Okan Bellikli, Stefan Braun, Michael Bröcker, Peter Fahrenholz, Franziska Klemenz, Malte Kreutzfeldt, Nicola Kuhrt, Carli Bess Kutschera, Marit Niederhausen, David Renke, Leonard Schulz, Sven Siebert und Maximilian Stascheit mitgewirkt.
Der Berlin.Table ist das Late-Night-Briefing für die Table.Media-Community. Wenn Ihnen der Berlin.Table gefällt, empfehlen Sie uns bitte weiter. Wenn Ihnen diese Mail weitergeleitet wurde: Hier können Sie sich kostenlos anmelden.
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Berlin.Table Redaktion
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