Table.Briefing: Berlin Ausgabe: 535

Hürden bei den Verhandlungen + Serie: Wer bekommt welche Rolle? + Linke wächst

Berlin.Table
Das Late-Night-Briefing aus der Hauptstadt
#535 / 30. März 2025
Talk of the Town: Schwarz-rote Koalitionsverhandlungen – Über die Rolle gewachsener Haltungen auf dem Weg zu einem Bündnis
Neue Serie: Wer bekommt welche Rolle? Was Lars Klingbeil für sich abwägen muss
Mitgliederzuwachs: Wie er die Sicherheitspolitik der Linken verändern könnte
Entlastung von Unternehmen: Chemie-Industrie fordert Steuerreform
Energieexperte: In Großbatterien statt in Gaskraftwerke investieren
Cannabis-Gesetz: Bayern fordert Rücknahme
Kapitalmarktunion: Grünen-Politiker kritisiert “Überschrifteneuropäer”
Wehrpflicht: Bedürfnisse der Jugend müssen mitgedacht werden
China-Strategie: Deutsche Marine könnte Taiwanstraße regelmäßig nutzen
Table.Today Podcast: Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst über die Digitalisierung
Table.Documents: 100-Tage-Programm der Linken-Bundestagsfraktion + Gutachten zum Steuerrecht für Abgeordnete
Heads: Henning Höne + Lamia Messari-Becker + Gerhard Trabert
Best of Table: Industriekrise in den Regionen + Syriens bedrohte Einheit + Chinas Wirtschaftspolitik
Must-Reads: Trump-Tracker + Quantum will Drohnenwall aufbauen + Rückzugsgerüchte um Stephan Weil
Nachttisch: “Songs of Gastarbeiter: Liebe, D-Mark und Tod” – Dokumentarfilm
Talk of the Town
Schwarz-Rot debattiert über die Rückkehr zur Wehrpflicht
Schwarz-rote Koalitionsverhandlungen: Über die Rolle gewachsener Haltungen auf dem Weg zu einem Bündnis
von Stefan Braun und Maximilian Stascheit
Nur wenige Details dringen aus den Verhandlungen. Über genaue Zahlen oder konkrete Summen hört man erst recht nichts. Eines aber zeichnet sich immer stärker ab: Wollen Friedrich Merz, Lars Klingbeil und Markus Söder wirklich besser und stabiler regieren als die Ampel, dann müssen sie und ihre Leute auch über Jahrzehnte gewachsene Haltungen und Blickwinkel überdenken. Ist das Diktum “Keine Steuererhöhungen” in derartigen Krisenzeiten selbst für die Reichsten noch zu halten? Und: Sollte man im Bemühen um ein wehrhafteres Europa auf eine Rückkehr zur Wehrpflicht verzichten? Hinter diesen Fragen stehen gewachsene Überzeugungen. Ihre Überwindung könnte zur schwersten und wichtigsten Aufgabe werden. Ein Überblick.

Warum Steuerfragen mehr sind als Steuerfragen. Es gibt für die Union in der Finanzpolitik keinen Leitspruch, der tiefer wirkt als das Versprechen, dass es auf keinen Fall Steuererhöhungen geben werde. Merz hat ihn im Wahlkampf oft zitiert; Söder hat ihn zum Start der 19-er Runde wiederholt. Und doch stellt sich die Frage, und die stellen jetzt die Sozialdemokraten, warum nicht zumindest Superreiche, deren Vermögen nicht an einen Betrieb gebunden ist, in derart krisenhaften Zeiten eine höhere Last tragen sollen. Zugleich müssen sich die Sozialdemokraten die Frage der Union gefallen lassen, ob es angesichts der Wirtschaftskrise nicht doch sinnvoll wäre, die Unternehmen zu entlasten, mit niedrigeren Steuern und gebremsten Sozialabgaben. In beiden Fällen geht es um fundamentale Überzeugungen; beide zu überwinden, könnte enorme Veränderungen bringen.

Die Rolle des Sozialstaats: einig im Ziel, uneinig in der Lösung. In der Beschreibung des Problems sind sich Union und SPD einig: Eine Familie, in der beide Eltern arbeiten, aber nicht über ein hohes Einkommen verfügen, leidet besonders unter steigenden Lebenshaltungskosten und der Herausforderung, Familie und Beruf zu vereinbaren. Sie soll spürbar entlastet werden. Die SPD schlägt ein “Familienbudget für Alltagshelfer” vor, aus dem diese Familien etwa Reinigungskräfte oder Babysitter bezahlen können. Eine typisch sozialdemokratische Idee – mit einer direkten staatlichen Sozialleistung. Die Union aber ist bislang dagegen – aus der Überzeugung, dass der Staat nicht noch eine Sozialleistung tragen kann. Ihr Gegenvorschlag: Der Staat unterstützt nicht direkt, sondern entlastet bei der Steuer mit einer höheren Absetzbarkeit von haushaltsnahen Dienstleistungen. Das wäre unkomplizierter, würde jedoch alle entlasten. Auch die, die es gar nicht brauchen. Welche Idee siegt? Offen.

Eine wehrhaftere Gesellschaft, aber keine Rückkehr zur Wehrpflicht? Auch diese Frage rührt an mehr als nur den Rekrutierungszahlen. Als die AG ihre Gespräche aufnahm, war es Boris Pistorius, der darauf bestand, mit einer Lagebeschreibung zu beginnen. Aus Sicht vieler Unionsvertreter galt sein Vortrag nicht ihnen, sondern Pistorius’ eigenen Parteifreunden. Sein Ziel, so wurde es gelesen: Er wollte vor allem den Sozialdemokraten den Ernst der Lage unmissverständlich klar machen. Trotzdem wollten die SPD-Vertreter von einer Rückkehr zur Wehrpflicht nichts wissen, sondern schlugen vor, in den nächsten Jahren eine Debatte über eine freiwillige Dienstpflicht anzustoßen. Von Unionsseite wurde das mit Unverständnis aufgenommen. Man könne nicht hunderte Milliarden Schulden für die Ausstattung machen, aber auf die Wehrpflicht verzichten, hieß es. Da liegen noch Welten dazwischen.  

Abgrenzung und Einladung: Beim Thema Migration ist es besonders schwer. Hier prallen tiefsitzende Unterschiede aufeinander. Die Sozialdemokraten sind noch immer aufgebracht über die Wahlkampfrhetorik der Union; dabei wissen auch viele SPDler, dass die illegale Migration und die auch mit ihr verbundene Kriminalität vor allem vieler jüngerer zugewanderter Männer ein nicht mehr zu ignorierendes Problem geworden ist. Umgekehrt hat es die Union bis heute nicht geschafft, auf das einzugehen, was die SPD seit Jahren beim Anwerben und Einladen von Facharbeitern und Spitzenkräften für zwingend hält. Ein Beispiel: das von der SPD propagierte, liberalere Staatsbürgerschaftsrecht. Beide Seiten ahnen, dass ihr bisheriges Denken Bewegung blockiert; beide stehen vor der Frage, ob sie den Mut haben, neue Schritte zu gehen.

Gesellschaftliche Veränderungen: Wenn Werte und Weltanschauungen aufeinanderprallen. In Zeiten russischer Bedrohung und großer wirtschaftlicher Schwierigkeiten wirken Debatten über das Selbstbestimmungsgesetz nicht sonderlich wichtig. Trotzdem haben sie immer wieder besonders hohes spalterisches Potenzial. Auch für ein neues schwarz-rotes Bündnis, wenn SPD und Union nicht mehr Verständnis füreinander aufbringen. Hat der Schutz des ungeborenen Lebens oder das Selbstbestimmungsrecht der Frau mehr Gewicht, wenn eine Schwangere ihr Kind abtreiben möchte? Oder auch: Sollten Frauen, die miteinander verheiratet sind, von Behörden automatisch beide als gesetzliche Mütter angesehen werden, wenn eine von ihnen ein Kind zur Welt bringt? Für manche mögen diese Themen aktuell Nebensächlichkeiten sein. Und doch könnte eine Überbrückung der Gräben an dieser Stelle dem gegenseitigen Verständnis und dem Gemeinschaftsgefühl erheblich helfen.
News
Neue Serie: Wer bekommt welche Rolle? Was Lars Klingbeil für sich abwägen muss. Im Moment kann sich der SPD-Parteichef sicher fühlen. Offen vorgetragene Kritik gibt es nicht. Noch hoffen viele Abgeordnete auf Posten und Sitze, die es nach der Zuordnung der Ressorts zu verteilen gibt. Und das Grummeln an der Basis dringt allenfalls dosiert nach Berlin durch. Trotzdem stehen Klingbeil drei maximal herausfordernde Monate bevor. Er muss mit Friedrich Merz heikle Verhandlungen führen. Und er muss zugleich entscheiden, welche Rolle er selbst danach übernehmen wird. Egal, für welche Option er sich entscheidet – es wird in seiner SPD nicht geräuschlos ablaufen.  
 
Die meistgehandelte Variante: Klingbeil übernimmt nach der Verständigung auf einen Koalitionstext das Finanzministerium, richtet sich dort als Vizekanzler ein und lässt sich im Juni als Parteichef bestätigen. Diese Variante birgt aber mehrere Gefahren für ihn. Die Erste: Was passiert mit Saskia Esken? Sie will und wird nicht einfach zuschauen, wie Genosse Klingbeil Epauletten anhäuft, während sie weichen soll. Geliebt ist sie nicht in der Partei, aber so viel Ungleichheit nach verlorenen 9,3 Prozent bei der Bundestagswahl, für die beide gleichermaßen Verantwortung tragen, erträgt die Partei schlecht. Zugleich ist klar: Tritt Esken beim Parteitag Ende Juni nochmal an, wird sie eine Gegenkandidatin bekommen – und verlieren. Zu gering ist ihr Rückhalt. Klingbeil wird ihr also klarmachen müssen, dass sie große Verdienste für die Partei hat, ihre Zeit aber abgelaufen ist. Eine undankbare Pflichtaufgabe, die ihm keine Pluspunkte bringt.
 
Der nächste Malus: Der Umgang mit Rolf Mützenich. Es ist an der Basis durchaus wahrgenommen worden, wie sich der Parteichef am Wahlabend den Fraktionsvorsitz gesichert und seinen Vorgänger beiseite geschoben hat. Klingbeil kann gute Gründe dafür ins Feld führen. Und doch: “Das ist ein dunkler Fleck auf seiner Weste”, sagt ein erfahrener Genosse. Und das nur, um selbst wenige Wochen später wieder Platz zu machen und ins Kabinett zu rutschen? Auch das würde dem Parteichef kaum Beifall einbringen. Zumal der Koalitionsvertrag Zumutungen enthalten wird. Weil auch Merz unter Druck steht und Erwartungen zu befriedigen hat, muss er der SPD Zugeständnisse abringen. Begeisterung wird bei alledem kaum aufkommen, eine Selbstverständlichkeit ist die Mehrheit beim Mitgliedervotum nicht. Und wenn sich dann auch nur der Verdacht breit macht, Klingbeil schaue vor allem auf sich und mögliche Ämter, könnte alles noch schwerer werden.
 
Angesichts dessen könnte es ihm helfen, wenn er Fraktionschef bliebe und Boris Pistorius zum Verteidigungsminister und Vizekanzler machte. Pistorius hätte vermutlich wenig dagegen; dazu käme, dass der Koalitionsausschuss für Klingbeil zum entscheidenden Gremium würde. Mancher Genosse würde ihm den Verzicht auf einen Kabinettsposten hoch anrechnen. Einziges Problem: Klingbeil bräuchte einen anderen, der für ihn das Finanzministerium führt. Zu intensiv hat die SPD mit Christian Lindner erlebt und erlitten, welche Macht ein Finanzminister entwickeln kann. Hier gibt es nicht eben viele Kandidaten bei den Sozialdemokraten. Der Einzige, der es spontan und sofort machen könnte, ist Jörg Kukies. Sein Handicap: kein Fraktionsmitglied, wenig Stallgeruch und seine Nähe zu Olaf Scholz. Bleibt zudem die Frage: Vertrauen sich die beiden so sehr, dass das funktionieren könnte?   
 
Die höchste Hürde könnte für Klingbeil am Ende aber der Parteitag werden. Bis dahin steht der Koalitionsvertrag, die Posten in Regierung und Fraktion sind verteilt. Es wird eine Reihe von Verlierern geben, und auch der Koalitionsvertrag dürfte kein Papier zum Jubeln werden. Die Partei ist auf der Suche nach ihrer Identität, für eine programmatische Neuaufstellung jedoch ist die Zeit zu kurz. “Was ist unsere Erzählung, was macht uns noch aus?”, fragen sie in der Partei. Es ist absehbar: Sollte sich Klingbeil als Parteichef bestätigen lassen wollen, und das wird er wohl, dann wird das Ergebnis kein gutes werden. Horand Knaup
Mitgliederzuwachs: Wie er die Sicherheitspolitik der Linken verändern könnte. Mittlerweile zählt die Partei mehr als 110.000 Mitglieder. Zu Jahresbeginn 2024 waren es gerade einmal etwas mehr als 50.000, somit hat sich die Basis der Partei mehr als verdoppelt. Viele der neuen Mitglieder dürften die Partei vor allem wegen ihrer klaren Abgrenzung zur AfD sowie ihrer Sozial- und Asylpolitik gewählt haben. Dass Waffenlieferungen in die Ukraine bei der Linken umstritten sind, mag einigen Neu-Wählern nicht bewusst gewesen sein. Deswegen und wegen des verschobenen globalen Sicherheitsgefüges regen sich in Parteikreisen erste Stimmen, die eine Neupositionierung bei dem Thema für notwendig halten.
 
Macht man die Friedensfrage zu früh auf, könnten erneute Gräben entstehen. Der derzeitige Erfolg basiert auf Einigkeit. Auch die neue Fraktion zeigt sich bislang sehr friedvoll. 46 der 64 Abgeordneten sind neu im Bundestag, die Themen- und Ausschussverteilung steht noch aus. Welche verteidigungspolitischen Positionen Jan van Aken hat, an dem bei dem Thema in der Partei kein Weg dran vorbeiführt, lesen Sie im Security.Table. Leonard Schulz
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GKV und PKV: Wie der Systemwettbewerb allen Versicherten zugutekommt. Das deutsche Gesundheitswesen ruht auf zwei Säulen: Der Privaten und der Gesetzlichen Krankenversicherung. Dieses duale System stärkt den Wettbewerb und die medizinische Versorgung und bietet damit auch unter schwierigen Bedingungen Vorteile für alle. Deswegen bleibt eine starke PKV unverzichtbar. (mehr auf pkv.de)
Entlastung von Unternehmen: Chemie-Industrie fordert Steuerreform. Die chemische Industrie in Deutschland warnt vor falschen Kompromissen bei der Entlastung von Unternehmen. “Entscheidende Fortschritte fehlen noch. Diverse Maßnahmen gefährden weiterhin die Wettbewerbsfähigkeit des Industrielandes Deutschland”, sagte VCI-Präsident Markus Steilemann. “So kommt die Notwendigkeit, sich in Europa für smarte Regulierungen und eine bessere Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Europa einzusetzen, noch immer viel zu kurz.” Besonders kritisch bewertet die Chemie-Industrie vor allem die in den Verhandlungen umstrittenen finanz- und steuerpolitischen Passagen. “Statt zusätzlicher Belastungen braucht es eine echte Unternehmenssteuerreform, um im internationalen Wettbewerb wieder aufzuholen. Hier muss die Union standhaft bleiben.”

Positiv äußerte sich der Chemiemanager zu den Maßnahmen zur Senkung der Energiepreise, zum geplanten Bürokratieabbau und zur Staatsreform. “Auch im Umgang mit chemischen Stoffen, dem Innovationsbaukasten unserer Industrie, gibt es gute Ansätze.” Am Ende zähle aber die Umsetzung. Die 19er-Chefrunde von Union und SPD müsse jetzt “noch stärker das Wirtschaftswachstum in den Fokus ihrer Politik nehmen”. Davon profitierten letztlich alle. Michael Bröcker
Energieexperte: In Großbatterien statt in Gaskraftwerke investieren. Für mehr Dezentralität im deutschen Stromsystem plädiert der Berliner Energieexperte und ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Klaus Mindrup. Statt in neue Gaskraftwerke zu investieren, empfiehlt er für die Energiesicherheit Großbatterien zu installieren. Im Interview mit Table.Briefings berichtet er von einer Informationsreise nach Kalifornien, wo die Einsatzzeiten von Gaskraftwerken gerade “dramatisch reduziert” würden, “weil die Batterien viel schneller und effizienter reagieren und auch kostengünstiger sind”. Grundsätzlich plädiert Mindrup für eine dezentralere und dadurch flexiblere Stromversorgung, auch zum Vorteil der Kunden: “Natürlich müsste es zu Zeiten und an Orten mit viel Sonne und Wind möglich sein, die Strompreise zu senken und darüber das Verbrauchsverhalten zu steuern.”

Beispielhaft gingen aktuell die Stadtwerke Trier und Speyer vor. Sie versuchten, den regional gewonnenen erneuerbaren Strom auch regional zu vermarkten. Doch die Kapazitäten sind begrenzt, weil das Regelsystem nur den Zugriff auf Anlagen mit mehr als 100 kWh Leitung erlaubt, die meisten Dachanlagen damit für die Regionalversorger nicht zugänglich sind. Mindrup: “Es ist in sich paradox, dass gerade kleine Anlagen zentralistisch vermarktet werden.” Eine dezentrale Versorgungsstruktur würde auch günstigere Strompreise ermöglichen. Warum Mindrup wenig von aktuellen Studien hält, die von deutlich geringeren Strombedarfen ausgehen als noch vor Kurzem angenommen, lesen Sie frei zugänglich im Interview. Horand Knaup
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Einladung: Die neue Agrarpolitik – strategische Lebensmittel, hohe Fleischstandards. Deutsches Geflügel-Forum, 8. April, Berlin. Diskutieren Sie mit G. Felßner, Bauernverb. Bayern, P. Hauk, Agrarministerkonf., H.-P. Goldnick, Zentralverb. Geflügelwirtschaft, P. Wesjohann, Bundesverb. Geflügelschlachtung, K. Kleeberg, Sternekoch, J. Resch, Ernährungsinfluencerin, K. Swoboda, BMEL, H. Seo, Umweltbundesamt, J. Gickel, Hochsch. Hannover, M. Rubach, LMU, P. Selzam, Fraunhofer. Kostenlos anmelden.
Cannabis-Gesetz: Bayern fordert Rücknahme. Die bayerische Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) hat die Chefverhandler von Union und SPD aufgefordert, das Cannabis-Gesetz in seiner bisherigen Form wieder abzuschaffen. “Jetzt gibt es die Chance, diesen gefährlichen Irrweg wieder zu beenden. Denn es gibt aus der Ärzteschaft bereits Hinweise auf eine Zunahme des Cannabis-Konsums”, schreibt die CSU-Politikerin in einem Gastbeitrag für Table.Briefings.
 
In der Arbeitsgruppe von Union und SPD blieb der Umgang mit dem Gesetz strittig. Der Konsum erhöhe das Risiko von Psychosen deutlich, so Gerlach mit Verweis auf eine aktuelle Studie, die vom Bundesministerium für Gesundheit selbst in Auftrag gegeben wurde. Kürzlich veröffentlichte Daten aus Kanada, wo Cannabis bereits seit 2018 legal ist, bestätigen die Gefährdung: “Dort haben sich nach der Legalisierung die Diagnosen von Schizophrenie bei Patienten mit Cannabiskonsumstörungen verdreifacht.” Warum Ärzte vor Cannabis warnen und warum das Gesetz der Ampel allein 37 Bußgeldtatbestände geschaffen hat, lesen Sie hier. Michael Bröcker
Kapitalmarktunion: Grünen-Politiker kritisiert “Überschrifteneuropäer”. Niedrigere Gebühren, bessere Anlageberatung, geringere Hürden für private Investitionen – das sind die Argumente von Experten für eine europäische Kapitalmarktunion. Doch die möglichen künftigen Koalitionspartner Union und SPD klammerten dabei zentrale Streitfragen aus, wie der stellvertretende Grünen-Bundesvorsitzende Sven Giegold kritisiert. Deren Bekenntnis zur Investitionsunion sei reines “Überschrifteneuropäertum”. In welchen Punkten Schwarz-Rot eigentlich Farbe bekennen müsste und welche Rolle eine europäische Einlagensicherung spielt, lesen Sie im Europe.Table. János Allenbach-Ammann, Till Hoppe
Wehrpflicht: Bedürfnisse der Jugend müssen mitgedacht werden. Das fordert Jörn Fischer von der Universität Köln in einem Standpunkt für Table.Briefings. “Eine Kombination aus Erklärpflicht und einem Rechtsanspruch auf einen Freiwilligendienst wäre ein gegenseitiges Geben und Nehmen”, schreibt der Wissenschaftler, der auch Mitherausgeber von Voluntaris ist, einer Zeitschrift für Freiwilligendienste. Er will die “Antwortpflicht” für junge Männer, die Boris Pistorius in seinem neuen Wehrdienstmodell vorgeschlagen hat, zu einer “Erklärpflicht” weiterentwickeln. Das zwinge die Jugendlichen dazu, sich auch wirklich mit der Thematik auseinanderzusetzen. Wie die Kombination aus Pflicht und Recht aussehen könnte und wer davon noch profitiert, lesen Sie im Security.Table. Wilhelmine Preußen
China-Strategie: Deutsche Marine könnte Taiwanstraße regelmäßig nutzen.  Nicolas Zippelius (CDU) hält es für möglich, dass deutsche Kriegsschiffe künftig regelmäßig die umstrittene Taiwanstraße durchfahren. Es handle sich um einen vorhandenen Seeweg, dessen Nutzung normalisiert werden sollte, sagte der Bundestagsabgeordnete im Interview mit Table.Briefings. Im September 2024 hatte die deutsche Marine die Meerenge zwischen Festlandchina und der Insel Taiwans trotz Warnungen Pekings durchquert.
 
Zippelius hält auch eine Fortschreibung der China-Strategie der Ampel-Regierung für angebracht. “So wie sich China und die Welt verändern, so verändert sich natürlich auch das Papier.” Allerdings müsste die Strategie auch kohärent umgesetzt werden, sagte er mit Blick auf Deutschlands Dual-Use-Exporte. Was darüberhinaus nötig sei, lesen Sie im China.Table. Manuel Liu
Table.Today Podcast
One stop only, Verwaltungs-Cloud, Deutschland-ID: Die schwarz-roten Verhandler sparen in ihrem Papier zur Digitalpolitik nicht mit wohlklingenden Modernisierungsthemen. Doch eine entschlossene Digitalisierung der Verwaltung und der Staatlichkeit sei in den vergangenen Koalitionen stets unter die Räder gekommen, sagt der Präsident des Digitalverbands Bitkom, Ralf Wintergerst. Wie sich das ändern könnte, und warum die neue Bundesregierung dringend ein Digitalministerium benötigt, hören Sie im Podcast Table.Today ab 6 Uhr.
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Table.Documents
100-Tage-Programm der Linken-Bundestagsfraktion
 
Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags: Steuerrecht für Abgeordnete
Heads
Henning Höne will für das Präsidium der FDP kandidieren. Das kündigte der Vorsitzende des NRW-Landesverbands am Samstag auf dem Landesparteitag in Duisburg an. Die neue Führungsriege der Liberalen soll auf dem Bundesparteitag am 16. und 17. Mai in Berlin gewählt werden. Maximilian Stascheit
 
Lamia Messari-Becker, Ex-Staatssekretärin im hessischen Wirtschaftsministerium, übernimmt vom 1. April an den Lehrstuhl für energieeffiziente Gebäudetechnik am Karlsruhe Institut für Technologie. Von 2014 bis 2024 war Messari-Becker Professorin für Gebäudetechnik an der Universität Siegen. Dann hatte sie der hessische SPD-Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori als Staatssekretärin in sein Ministerium geholt. Doch nach wenigen Monaten kam es zum Bruch, und Mansoori entließ die Bauphysikerin wegen eines “vermeintlich nicht hinnehmbaren Fehlverhaltens”. Es ging dabei offenbar um ein Notengespräch der Staatssekretärin an der Schule ihrer Tochter. Der Schulleiter sah zwar kein Fehlverhalten der Staatssekretärin, behauptete aber, dass Messari-Becker gesagt habe, sie sei eine “Person des öffentlichen Lebens” und erwarte eine “Exit-Tür”. Messari-Becker bestreitet das Zitat. Ein anderer Lehrer bestätigte, dass nicht eine Notenverbesserung der Arbeit ihrer Tochter Ziel des Gesprächs gewesen sei. Die Affäre war unlängst auch Thema in einem Untersuchungsausschuss. Dass Messari-Becker ihr Amt missbraucht haben könnte, um eine bessere Note für ihre Tochter zu erreichen, wurde im Ausschuss nicht belegt. Michael Bröcker 

Gerhard Trabert kann sein Bundestagsmandat für die Linke vorerst nicht antreten. Der Sozialmediziner und Ex-Bundespräsidentschaftskandidat hatte vor der Wahl mehrere Schlaganfälle und befindet sich derzeit in Reha. In einer Erklärung teilte seine Familie mit, laut Landeswahlleiter dürfe sie nicht für ihn entscheiden, ob er das Mandat behält oder nicht. Daher wolle man nun “das Gespräch mit den zuständigen Gremien des Bundestags suchen”. (Die Linke)
 
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Best of Table
Europe.Table: Industriekrise in den Regionen. In Deutschland sind besonders viele Regionen von der Industriekrise betroffen. Davor warnt eine neue Studie der EU-Kommission. Welche Branchen und Regionen in Europa besonders leiden, lesen Sie hier.
 
Security.Table: Syriens bedrohte Einheit. Mit der Ernennung von christlichen und alawitischen Ministern versucht Syriens Präsident Ahmed al-Scharaa auf die Minderheiten zuzugehen. Doch von der Türkei unterstützte Milizen bedrohen die Einheit des Landes. Welchen Einfluss das haben könnte, lesen Sie hier.
 
China.Table: Xi will Wirtschaftssorgen zerstreuen. Angesichts wachsender Handelsspannungen hat Xi Jinping bei einem Treffen mit CEOs internationaler Top-Unternehmen darauf gedrängt, globale Lieferketten zu schützen. Welche Schlüsse deutsche Firmen in Peking aus dem Treffen ziehen, lesen Sie hier.
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Must-Reads
SZ: Münchens OB frustriert über Rolle der Kommunen. Dieter Reiter ist frustriert, dass sich aus den Verhandlungsteams von Union und SPD niemand bei ihm nach der Rolle der Kommunen erkundigt habe und diese in den Gesprächen “konsequent ignoriert” würden. Reiter fordert, den Kommunen aus dem Infrastruktur-Sondervermögen 200 statt 100 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen. (“,Wir bräuchten dringend einen Vertreter der Kommunen im Kabinett'”)
 
Taz: US-Software Palantir für deutsche Sicherheitsbehörden. Der Bundesrat fordert von der Bundesregierung, den Weg für die Nutzung der US-Software Palantir von Tech-Milliardär Peter Thiel freizumachen. Sie sammelt personenbezogene Daten und macht sie per KI durchsuchbar. Sicherheitsexperten warnen, dass nicht klar sei, wie die Daten gesichert sind. (“Bald auch in Deutschland: Peter Thiel is watching you”)
 
Handelsblatt: Rüstungsindustrie will mehr Drohnen produzieren. Um einen Drohnenwall entlang der Nato-Ostflanke aufzubauen, wollen Quantum, Helsing und Airbus ihre Drohnenproduktion kräftig ausbauen. Laut Martin Karkour von Quantum könne der Drohnenwall innerhalb eines Jahres stehen, wenn der politische Wille da sei. Dafür brauche es eine zentrale Koordinierungsstelle bei der EU. (“Industrie plant Drohnenwall”)
 
Tagesspiegel: Zieht Weil sich zurück? In der SPD gibt es Zweifel, ob Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil bis 2027 im Amt bleibt oder vorzeitig an einen Nachfolger übergibt. Im niedersächsischen Landesverband heißt es, Weil werde auf dem Parteitag am 27. Mai bereits nicht mehr für den Landesvorsitz kandidieren. Als wahrscheinlichster Nachfolger gilt Wirtschaftsminister Olaf Lies. (“Weil und die Rückzugsgerüchte”)

FT: Der Trump-Tracker. Donald Trump erlässt ein Dekret nach dem anderen. Damit Leser angesichts des Tempos den Überblick behalten können, hat das Blatt einen KI-basierten Trump-Tracker eingerichtet. Dieses Tool schreibt die Entwicklungen in verschiedenen Politikfeldern wie Zölle, Handel, Wirtschaft, Energie und Umwelt beständig fort. (“Trump tracker: US tariffs”)
 
Nicht überlesen!
 
MDR: Fast die Hälfte der ostdeutschen MdBs sind von der AfD. Im neuen Bundestag sitzen 98 Ost-Abgeordnete. Dies entspräche zwar dem Verhältnis in der Bevölkerung, doch in Spitzenpositionen säßen Ost-MdBs nur selten. Politologe Julian Nejkow fordert, dass der Ostbeauftragte besser am Kanzleramt als am Wirtschaftsministerium angedockt sein sollte. (“Die alten Ost-West-Unterschiede im neuen Parlament”)
Schlagzeilen von morgen
SSZ: Boykotte sollen Erdoğan schwächen
FAZ: Tausende Tote nach Erdbeben in Myanmar befürchtet
Tagesspiegel: Zölle auf Soja und Kleidung – Europäer kündigen harte Reaktion auf Trump an
Handelsblatt: Industrie plant Drohnenwall
Meistgelesenes von heute
Zeit Online: USA drängen europäische Unternehmen zu Antidiversitätskurs
Spiegel: Europäische Firmen sollen Trumps Anti-Diversitäts-Linie folgen
Taz: “Erdoğan, tritt zurück!”
Handelsblatt: Das soll Europas Superkampfjet werden
NZZ: 100 Sachbücher, die Sie weiterbringen
Interviews von morgen

Deutschlandfunk
 
6:50 Uhr: Christoph Johnen, DRK: Myanmar – Wie schlimm sind die Schäden?
7:15 Uhr: Eva Högl, Wehrbeauftragte des Bundestages (SPD): Wehrpflicht
8:10 Uhr: Daniela Schwarzer, Bertelsmann Stiftung: Le Pen-Prozess
 
ZDF
 
7:08 Uhr: Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin Mecklenburg-Vorpommern (SPD): Stand der Koalitionsverhandlungen
7:13 Uhr: Klaus Rosenfeld, Vorstandsvorsitzender Schaeffler: Hannover Messe
7:38 Uhr: Agnes Heftberger, Vorstandsvorsitzende Microsoft Deutschland: Hannover Messe
8:09 Uhr: Roland Busch, Vorstandsvorsitzender Siemens: Hannover Messe
8:45 Uhr: Andrea Franke, Schulleiterin Willy-Brandt-Schule Berlin: Deutscher Lehrkräftepreis
 
phoenix
 
9:05 Uhr: Mathias Middelberg, MdB (CDU): Stand der Koalitionsverhandlungen
 
RTL/n-tv Frühstart
 
7:30 Uhr: Philipp Amthor, MdB (CDU): Stand der Koalitionsverhandlungen
 

Time.Table

Highlights der Woche
 
Am Dienstag zieht Nancy Faeser Bilanz zur Migrationspolitik der abgelaufenen Legislaturperiode.
 
Am Mittwoch präsentieren Nancy Faeser, Holger Münch und Ulrich Mäurer die polizeiliche Kriminalstatistik für 2024.
 
Am Mittwoch entscheidet das Berliner Verfassungsgericht über die Zulässigkeit des 2021 gestarteten Volksbegehrens für eine weitgehend autofreie Innenstadt.
 
Von Mittwoch bis Donnerstag tagt der 3. Global Disability Summit in Berlin.
 
Am Donnerstag ist bundesweiter Girls’ Day und Boys’ Day.  
 
Am Donnerstag besucht der jordanische König Abdullah II. bin al-Hussein Berlin. Empfangen wird er von Olaf Scholz und Frank-Walter Steinmeier.
 
Am Freitag findet die 2. Westfälische Friedenskonferenz in Münster statt. Zu den Rednern gehören neben Frank-Walter Steinmeier auch Friedrich Merz, Lars Klingbeil, Boris Pistorius und Hendrik Wüst. Margot Friedhändler erhält den diesjährigen Sonderpreis des Westfälischen Friedens.
 
Von Freitag bis Sonntag tagt der 28. Bundeskongress der Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur in Berlin.
 
31. März
 
Behinderung: Zum Auftakt des Global Disability Summits stellen Kathrin Geyer, Christian Specht und Björn Wohlert ihre Arbeit im Berliner Behindertenparlament vor. Abgeordnetenhaus, 14 Uhr
 
Jubiläum: Festakt anlässlich des 100-jährigen Bestehens der Friedrich-Ebert-Stiftung. Mit Bärbel Bas. Haus der Geschichte, Bonn. Weitere Informationen
 
Desinformation: Digitalevent der FES zum Thema Wie Journalist:innen Desinformation entgegenwirken können. 10 Uhr. Anmeldung

Geburtstage von morgen
Dietmar Bartsch, MdB (Linke), 67
Volker Schlöndorff, Regisseur, 86
Nachttisch
Unser Tipp führt sie heute zu einem besonderen Kapitel der Musikgeschichte. Um die türkischen Gastarbeiter, die seit den 1960er Jahren nach Deutschland kamen, bildete sich schnell eine lebhafte Musikszene. In dem preisgekrönten Dokumentarfilm erzählt Cem Kaya die einzigartigen Geschichten von Bands wie Derdiyoklar, dem Polit-Rocker Cem Karaca und vergessenen Orten wie dem türkischen Basar im damals stillgelegten U-Bahnhof Bülowstraße in Berlin. Eine Reise in die Vergangenheit, die neben den politischen Auswirkungen der Anwerbeabkommen die oft weniger berücksichtigten kulturellen Errungenschaften der türkischen Migranten zeigt. Leonard Schulz
 
Songs of Gastarbeiter: Liebe, D-Mark und Tod” | Dokumentarfilm
Das war’s für heute. Good night and good luck!

Heute haben János Allenbach-Ammann, Okan Bellikli, Stefan Braun, Michael Bröcker, Damir Fras, Till Hoppe, Manuel Liu, Horand Knaup, Carli Bess Kutschera, Marit Niederhausen, Wilhelmine Preußen, Leonard Schulz und Maximilian Stascheit mitgewirkt

Der Berlin.Table ist das Late-Night-Briefing für die Table.Media-Community. Wenn Ihnen der Berlin.Table gefällt, empfehlen Sie uns bitte weiter. Wenn Ihnen diese Mail weitergeleitet wurde: Hier können Sie sich kostenlos anmelden.
Berlin.Table Redaktion
Stefan Braun Stefan Braun
Okan Bellikli Okan Bellikli
Michael Bröcker Michael Bröcker
Helene Bubrowski Helene Bubrowski
Peter Fahrenholz Peter Fahrenholz
Damir Fras Damir Fras
Franziska Klemenz Franziska Klemenz
Horand Knaup Horand Knaup
Malte Kreutzfeldt Malte Kreutzfeldt
Leonard Schulz
Sven Siebert Sven Siebert
Maximilian Stascheit Maximilian Stascheit
Julian-Heissler Julian Heissler

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