Table.Briefing: Berlin

Das Late-Night-Briefing für die Hauptstadt

Das Late-Night-Briefing für die Hauptstadt

Liebe Leserin, lieber Leser,

wir begrüßen Sie zum Late-Night-Memo für die Hauptstadt. Diese Informationen bieten wir Ihnen heute Abend:

Talk of the Town: Die Wende des Friedrich Merz – Was der Schuldenplan in den eigenen Reihen auslöst 

Die SPD am Tag danach: Zuversicht, Zweifel und Zorn 

Kampf um die Grünen: Merz verhält sich “anständig”, Söder attackiert weiter 

Mehrheitsverhältnisse: Zur Lage in Bundestag und Bundesrat 

Mögliche Klage: Darf der alte Bundestag die Verfassungsänderungen beschließen? 

Sondervermögen Infrastruktur: Die Bauwirtschaft lobt den Schuldenplan 

Vorbild Deutschland: Wie die EU-Staaten über den Merz’schen Wumms denken 

Entwicklungspolitik: Ruf nach besserer Abstimmung 

Seit Trumps Wahlsieg: Wissenschaftsfeindlichkeit breitet sich aus 

Nationaler Volkskongress: Deutsche Wirtschaft setzt auf Chinas Reformpläne 

Table.Documents: Zeitplan für die Grundgesetzänderung zum Sondervermögen + Brief von Annalena Baerbock an die Grünen-Fraktion + Impulspapier des Netzwerks Entwicklungspolitik  

Heads: Annalena Baerbock + Julia von Blumenthal + Yan Xuetong 

Best of Table: Anerkennung von Abschlüssen + Aufrüstung in China + Klischees und Politik 

Must-Reads: Trump erhöht Druck auf Ukraine + AfD blockiert Richterwahl in Thüringen + Joschka Fischer über Friedrich Merz 

Nachttisch: “The Most Interesting Book in the World” – Buch von Edward Brooke-Hitching


Talk of the Town

Christina Stumpp, Julia Klöckner und Silvia Breher

Die Wende des Friedrich Merz: Was der Schuldenplan in den eigenen Reihen auslöst 

Von Michael Bröcker 

In den WhatsApp-Gruppen der CDU laufen nach der Ankündigung des Milliardenpakets durch Friedrich Merz und die sich anbahnende schwarz-rote Koalition hitzige Debatten. “Merkel 2.0”, “verheerend”, “Wahnsinn” sind nur einige der Kommentare der Konservativen in der Partei, die von ihrem Idol Merz abrücken.  

Zweifel am Verhandlungsgeschick von Friedrich Merz. Dass der CDU-Chef und Unions-Kanzlerkandidat plötzlich mit einem 900-Milliarden-Schuldenpaket der SPD so weit entgegengekommen ist, ohne in dem Beschlusspapier auch eigene Unionsforderungen wie Steuersenkungen oder die Begrenzung der Migration zumindest zu thematisieren, halten manche für ein “Verhandlungsdesaster”. Der JU-Vorsitzende Johannes Winkel spricht öffentlich von einer “deutlichen Niederlage” für die Union. 

In der Schaltkonferenz des Präsidiums am Dienstagabend gab es erstmals seit Monaten auch Kritik an Merz. Treue Merz-Unterstützer wie Julia Klöckner, Silvia Breher oder Christina Stumpp monierten, dass sie dieses Ergebnis ihren Wählern kaum erklären könnten, wenn sich die Union beim Thema Migration und Wettbewerbsfähigkeit jetzt nicht auch durchsetzen sollte. Dabei geht es CDU-Kreisen zufolge um dauerhafte Grenzkontrollen und Zurückweisungen von Asylbewerbern, eine ernsthafte Prüfung des Drittstaatsverfahrens und ein Update des EU-Türkei-Abkommens.  

Merz wiederum verteidigte sein Vorgehen. Er begründete die Kehrtwende in der Finanzpolitik auch damit, dass Donald Trump den Austritt der USA aus der Nato erklären könnte. Dazu kam es in Trumps Rede vor dem US-Kongress allerdings nicht. Über die SPD äußerte sich Merz mehreren Teilnehmern zufolge kritisch, die Parteichefs Saskia Esken und Lars Klingbeil seien “kein Gespann”, der Generalsekretär Matthias Miersch habe keine Verhandlungsmacht. Merz hob die Rolle von Anke Rehlinger und Manuela Schwesig hervor. Die SPD-Ministerpräsidentinnen hatten angeblich am Montagabend in den Verhandlungen auf eine generelle Reform der Schuldenbremse gepocht, wonach es kurzzeitig zu einer Unterbrechung der Sondierungen kam. Am Ende setzte sich die SPD damit durch, eine Kommission soll nun eine Reform vorschlagen, die bis Ende 2025 umgesetzt werden soll. Merz legte dies in der Fraktionssitzung allerdings anders aus und sprach Teilnehmern zufolge davon, dass “die Schuldenbremse darüber hinaus nicht zur Disposition” stehe. Weitere Modifikationen müssten noch besprochen werden.  

Der Unions-Kanzlerkandidat drückt aufs Tempo. Die Verhandlungen über die Finanzen wollte Merz unbedingt vor dem EU-Gipfel am Donnerstag in Brüssel (und CSU-Chef Markus Söder auch vor dem politischen Aschermittwoch) beenden. Laut Zeitplan sollen die Sondierungen nun Freitagabend beendet sein. Die Themen Migration, Bürgergeld und Wirtschaft stünden noch aus, heißt es bei den Verhandlern. Am 13. März sollen die Gesetzesänderungen für das Sondervermögen und die Schuldenbremse in erster Lesung im Bundestag diskutiert werden, am 18. März die zweite und dritte Lesung stattfinden. Der Bundesrat könnte am 21. März abstimmen. 

In der Wirtschaft und bei den Fachleuten sind die Reaktionen gemischt. Während die Wirtschaftswissenschaftler Monika Schnitzer, Michael Hüther oder Moritz Schularick die Maßnahmen loben, um Deutschland zu sanieren, kritisieren die Ökonomen Veronika Grimm oder Lars Feld fehlende Strukturreformen und Anpassungen im Haushalt. Auch der Arbeitgeberverband Gesamtmetall und die Familienunternehmen sehen die massive Schuldenaufnahme kritisch. Die Deutsche Bank dagegen sprach in einer Analyse von einem “historischen Whatever-it-takes-Moment”. Manche in der CDU hatten den im Wahlkampf angekündigten Politikwechsel allerdings anders verstanden.  

Auch im Podcast Table.Today diskutieren wir über die Auswirkungen des Schuldenplans und sprechen dazu unter anderem mit Handwerks-Präsident Jörg Dittrich, INSM-Geschäftsführer Thorsten Alsleben und Sparkassen-Präsident Professor Ulrich Reuter. Sie hören den Podcast ab 6 Uhr hier.

Translation missing.

News

Anke Rehlinger, Manuela Schwesig und Bärbel Bas

Die SPD am Tag danach: Zuversicht, Zweifel und Zorn. Auch am Tag danach blieb die Anspannung hoch. In der Fraktionssitzung am Dienstagabend waren von Optimismus über Skepsis bis hin zu Wut alle Aggregatzustände aufgebrochen. “Sehr froh” über das Ergebnis äußerte sich Verhandlerin Manuela Schwesig. “Vollste Zustimmung” signalisierte ein Bundestagsabgeordneter. “Viele tolle Dinge” seien durchgesetzt worden, lobte eine andere MdB, “wir haben nichts zurücknehmen müssen”, eine weitere. Es gab aber auch die Mahnenden. “Es wird superhart bleiben”, wird die Saarländerin Anke Rehlinger zitiert. Die Union habe sich “selbst radikalisiert” und müsse sich nun “wieder zurückkämpfen in dieses Leben”.  

Die Wut über den Wahlkampf der Union ist noch nicht verraucht. Monatelang habe Friedrich Merz das Gegenteil dessen erzählt, was er nur neun Tage nach der Wahl abnicke, beklagten mehrere Teilnehmer. Und das müsse auch in der Kommunikation deutlich werden. Von “historischer Tragik” soll Hubertus Heil gesprochen haben: Was die Ampel in drei Jahren nicht geschafft habe, sei mit der Union innerhalb weniger Tage gelungen. Der Mainzer Ministerpräsident Alexander Schweitzer erinnerte daran, wie seine Partei “verzweifelt Wahlkampf gegen die Union gemacht” habe. Mit den richtigen Themen, wie sich nun zeige – “aber ein paar Tage zu spät”.  

Einigkeit herrschte an anderer Stelle: “Wir müssen auf die Linken zugehen.” Die werden gebraucht für eine Reform der Schuldenbremse, die bis Ende des Jahres erarbeitet sein soll. Lars Klingbeil berichtete, dass er die Gegenseite ausdrücklich auf das nötige Commitment hingewiesen habe: “Das bedeutet auch, mit den Linken zu verhandeln.” Die unmissverständliche Antwort sei gewesen: “Ja.” 

Die SPD war gut präpariert in die Gespräche gegangen. Von Noch-Finanzminister Jörg Kukies munitioniert, hatte das Verhandlungsteam gleich mehrere Optionen in der Tasche. Alle umfassten ein Schuldenpaket in Höhe von mehreren hundert Milliarden Euro. Bärbel Bas hatte dann bei den Gesprächen die juristischen Bedenken zerstreut, den Schuldenplan noch vom alten Bundestag beschließen zu lassen.  

Noch sind nicht alle Finanzfragen geklärt. Die SPD hätte gerne die Altschuldenregelung ins Paket aufgenommen, um den Kommunen insbesondere in NRW und Rheinland-Pfalz wieder Spielräume zu ermöglichen. Die Union sperrte sich und wollte den Länderfinanzausgleich, bei dem Bayern, Baden-Württemberg und Hessen zu den Geberländern gehören, gegenrechnen. Auch in den Verteilungs-, also Steuerfragen kann es noch zu erheblichen Konflikten kommen.   

Doch erst einmal überwog auf SPD-Seite das Gefühl der Genugtuung. “Wir setzen damit einen Kernbestandteil unserer Wahlversprechen um”, formulierte ein erfahrener Haushälter. Trotzdem mahnte Klingbeil Zurückhaltung an. “Kein Triumphgeheul”, bat er seine Genossen. Ein erster Schritt sei getan. Zugleich weiß der Parteichef um die Herausforderung für Merz, sein Lager von dem Paket zu überzeugen. “Wenn wir falsch auftreten, provozieren oder demütigen”, seien weitere Erfolge gefährdet. Horand Knaup

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Kampf um die Grünen: Merz verhält sich “anständig”, Söder attackiert weiter. Obwohl Union und SPD die Grünen für ihre Pläne dringend brauchen, hat CSU-Chef Markus Söder seinen Aschermittwoch-Auftritt in Passau dazu genutzt, die Partei und ihren bisherigen Frontmann noch einmal frontal zu attackieren. Er habe versprochen, dass es keine Koalition mit den Grünen geben werde. “Ich habe diese Mission mit Euch erfüllt: Grün ist raus”, rief Söder unter stürmischem Applaus. Die Grünen hätten sich der Union “wochenlang angebiedert”, doch das habe genauso wenig bewirkt wie die “Maulkörbe”, die man der CSU umzuhängen versucht habe. “Es ist vorbei.” Robert Habeck habe die Wirtschaft “in die Steinzeit” geführt und vom Thema “Nullkommanullnull Ahnung”. Er, Söder, sei sich sicher, dass Daniel Günther Habeck “ein warmes Plätzchen in seinem Kabinett reserviert” habe. “Good bye, gute Reise, auf Nimmerwiedersehen”, rief Söder unter dem Jubel seiner Leute.  

Die für die Grünen logische Konsequenz: Kein schnelles Ja zu den Plänen. Stattdessen zeigte sich Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann massiv verärgert über Söders Auftritt, der unmittelbar vor dem ersten Treffen mit Vertretern der neuen Koalition das Klima vergiftete. “Was wir gerade von Markus Söder hören, widert an.” Das sei ein “Mackergehabe” und eine “Sprücheklopperei”. Das alles habe mit der Ernsthaftigkeit der Lage des Landes nichts zu tun. Insgesamt eine Stunde sprach die Grünen-Fraktionsführung mit Friedrich Merz, Lars Klingbeil und Alexander Dobrindt; Haßelmann sprach anschließend von einem “anständigen” Austausch.  

Die Grünen fordern Erklärungen, bevor sie sich entscheiden. Katharina Dröge betonte, Merz und Klingbeil müssten noch Fragen beantworten, bevor sich die Fraktion entscheiden werde. So müsse die Eilbedürftigkeit genauso begründet werden wie die Tatsache, dass sich das mögliche Regierungsbündnis bei der Verteidigung für ein Aussetzen der Schuldenbremse, bei der Infrastruktur aber für ein Sondervermögen entschieden habe. Die schärfste Kritik aber bezog sich auf ein Thema, das wie eine Bedingung gelesen werden konnte: Wo bleibt bei so vielen Milliarden der Klimaschutz? Auch Dröge warnte davor zu glauben, die Zustimmung der Grünen sei nur eine Formsache. Im Gegenteil erinnerten beide daran, dass es in ihren Reihen eine erhebliche Anzahl an Abgeordneten gebe, die noch lange nicht entschieden seien, ob sie für Merz und seine Pläne die Hand heben werden. Die fehlende Erwähnung des Klimaschutzes stieß auch bei Umweltverbänden auf scharfe Kritik. Mehr dazu lesen Sie im Climate.Table. Stefan Braun, Peter Fahrenholz

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Mehrheitsverhältnisse: Zur Lage in Bundestag und Bundesrat. Zur Umsetzung seiner Finanzpläne muss Friedrich Merz über die eigenen Reihen hinaus um Zustimmung werben. Auch mit den Stimmen seines möglichen Koalitionspartners, der SPD, reicht es bei weitem nicht für die benötigte Zweidrittelmehrheit. Dazu braucht es die Grünen. Im alten Bundestag, der am 13. März in erster Lesung über die Gesetzesänderungen zu Schuldenbremse und Sondervermögen debattieren soll, kommen Union, SPD und Grüne zusammen auf 520 Stimmen. Im neuen Bundestag, der sich voraussichtlich am 25. März konstituiert, würden die Stimmen der drei Fraktionen nicht mehr ausreichen. Für eine Zweidrittelmehrheit müssten mindestens sechs Abgeordnete der Linken zustimmen.

Komplizierter ist es im Bundesrat. Dort sind 46 von 69 Stimmen für eine Zweidrittelmehrheit nötig. Die unterschiedlichen Koalitionen in den Ländern beeinflussen das Abstimmungsverhalten im Bundesrat. In den 16 Ländern koalieren acht verschiedene Parteien miteinander. Klar ist aber: Die Stimmen von Union und SPD reichen im Bundesrat nicht für eine Zweidrittelmehrheit. Selbst die Landesregierungen, an denen nur CDU, SPD und Grüne beteiligt sind, kommen zusammen auf lediglich 41 Stimmen. Die notwendige Mehrheit von 46 Stimmen würde mit Bayern erreicht, wo die CSU mit den Freien Wählern regiert. Franziska Klemenz

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Mögliche Klage: Darf der alte Bundestag die Verfassungsänderungen beschließen? Die Linke hat eine Klage gegen die geplanten Verfassungsänderungen angekündigt, die noch mit den bisherigen Mehrheiten beschlossen werden. Rechtlich sind zwei Anknüpfungspunkte für die Klage denkbar:  

1. Der Zeitdruck: Bis zum spätesten Zeitpunkt der konstituierenden Sitzung des Bundestags bleiben nur noch 18 Tage, am 21. März ist eine Bundesratssitzung anberaumt. Bis dahin müssen die Verfassungsänderungen in drei Lesungen vom Bundestag verabschiedet werden. Wenn – wie nun geplant – der Gesetzentwurf aus der Mitte des Parlaments kommt, muss der Bundesrat nicht vorab befasst werden. Dennoch ist die Zeit für diese weitreichenden Entscheidungen knapp. Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings in der Entscheidung über das Heizungsgesetz im Juli 2023 deutlich gemacht, dass eine übermäßige Verkürzung der Fristen für die Beratung die Rechte der Abgeordneten missachten kann.  

Anders als die damaligen Änderungsvorschläge zum GEG von mehr als hundert Seiten dürfte die geplante Verfassungsänderung gesetzestechnisch schmal ausfallen. Für das Sondervermögen gibt es bereits eine Formulierungsvorlage in Art 87a. Etwas komplizierter ist die Reform der Schuldenbremse in Art 115, allerdings sind die Vorgaben im Sondierungspapier dafür ziemlich klar, die Gesetzesbegründung dürfte sich in Grenzen halten. Wenn der Gesetzentwurf bis spätestens Ende der Woche beim Bundestag eingeht und dann eine Drucksachen-Nummer bekommt, erscheint es unwahrscheinlich, dass der Zweite Senat hier Bedenken hat.  

2. Das Prinzip der Verfassungsorgantreue: Der Bundestag ist bis zu seiner Auflösung und Konstituierung eines neuen Bundestags voll handlungsfähig, einschließlich Verfassungsänderungen. Der Staatsrechtslehrer Kyrill-Alexander Schwarz bringt aber doch eine Einschränkung ins Spiel, die sich aus dem Prinzip der Verfassungsorgantreue ergeben solle. Er argumentiert, der alte Bundestag dürfe nichts tun, “was der neue Bundestag so nicht gutheißen würde”.  

Dagegen lässt sich einwenden, dass es nur ein Verfassungsorgan Bundestag gibt, nur die Zusammensetzung variiert. Der Göttinger Staatsrechtslehrer Florian Meinel sagte Table.Briefings, die Pflicht zur Verfassungstreue bestehe nicht zwischen einem Organ und seinem Nachfolgeorgan, sondern gelte “nur horizontal”.Es ist ja gerade das Wesen von Verfassungsänderungen, dass man künftige einfache Mehrheiten ‘austricksen’ will”, so Meinel. Auch eine Eilbedürftigkeit der Angelegenheit ist rechtlich nicht notwendig – auch wenn das 1998 der Grund dafür war, dass der alte Bundestag noch die Beteiligung der Bundeswehr am Kosovo-Einsatz beschlossen hat (damals im Einvernehmen mit dem neuen Bundestag). Eine andere ist der politischen Klugheit. Ein Vorgehen, das handstreichartig wirkt, kann das Vertrauen in die Demokratie schwächen. Helene Bubrowski


Sondervermögen Infrastruktur: Die Bauwirtschaft lobt den Schuldenplan. Das Baugewerbe und die Bauwirtschaft fordern effiziente Planungs- und Genehmigungsverfahren, um die Milliarden aus dem Sondervermögen Infrastruktur auch einzusetzen. “Es gibt kein Kapazitätsproblem, im Gegenteil: Aufgrund der seit Jahren rückläufigen Investitionen befinden wir uns eher in der Situation, dass das Personal der Unternehmen unterausgelastet ist”, sagte der Hauptgeschäftsführer der Bauindustrie, Tim-Oliver Müller, Table.Briefings. “In Deutschland ist noch nie ein Bauprojekt daran gescheitert, weil wir nicht leistungsfähig gewesen wären. Im Gegenteil – wir würden gern viel mehr, schneller und effizienter bauen.” Die Frage sei, ob die öffentlichen Auftraggeber in der Lage sind, “die nun beschlossenen Gelder geordnet und schnell an den Markt zu bringen”.  

Ähnlich argumentiert Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes. “Gerade bei Infrastrukturprojekten dauern Planungen und Genehmigungen erheblich länger als das Bauen selbst”, sagte er. Behörden und Planungsämter müssten personell ausgebaut werden, fordert Pakleppa: “Nur so können wir die geplanten Investitionen auch bauen.” Michael Bröcker


Vorbild Deutschland: Wie die EU-Staaten über den Merz’schen Wumms denken. Im eigenen Lager muss sich Friedrich Merz viel Kritik anhören für das geplante Milliardenpaket. In der EU findet der CDU-Kanzlerkandidat hingegen in vielen Mitgliedstaaten große Zustimmung: “Gut für Deutschland und gut für Europa”, kommentierte ein EU-Diplomat. Die höheren Verteidigungsausgaben seien ein wichtiges Signal an Staaten wie Italien, Spanien oder Belgien, die weit unterhalb des Zwei-Prozent-Ziels der Nato liegen.  

Selbst in den auf Haushaltsdisziplin bedachten EU-Staaten finden die Pläne Anerkennung. Sie seien ein Zeichen dafür, wie außergewöhnlich die Zeiten seien, sagte eine hochrangige EU-Diplomatin. Wenn Deutschland in Infrastruktur investiere, würden davon auch französische, niederländische und polnische Unternehmen profitieren und die Wirtschaft ankurbeln. Am Donnerstag treffen sich die EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel zu einem Sondergipfel, bei dem es um die Verteidigungsfähigkeit der EU gehen soll. Mehr lesen Sie im Europe.Table. János Allenbach-Ammann, Till Hoppe


Entwicklungspolitik: Ruf nach besserer Abstimmung. Die Ankündigung von Donald Trump, die Humanitäre Hilfe ganz einzustellen und die Entwicklungszusammenarbeit (EZ) nationalen Interessen unterzuordnen, befeuert auch die Nord-Süd-Debatte in Deutschland. Sechs EZ-Experten plädieren in einem Impulspapier dafür, die deutsche Entwicklungspolitik strategisch neu auszurichten und “die Wirtschaft als Teil der Lösung zu betrachten und angemessen einzubeziehen”. Grundsätzlich müsse die EZ “überzeugender kommuniziert und konsequenter umgesetzt werden”. In die Planung und Umsetzung von Projekten sollten häufiger gezielt lokale Akteure eingebunden werden.  

Ein zentraler Kritikpunkt der Autoren: die fragmentierte Zuständigkeit der Bundesministerien bei der Umsetzung der Mittel. Hilfreich wäre auch “eine schnellere und flexiblere Anpassung an aktuelle geopolitische Herausforderungen”. Wichtig sind den Autoren darüber hinaus Investitionen in Zukunftsmärkte zum beiderseitigen Vorteil, die Einbindung von KMUs in die Entwicklungszusammenarbeit und eine Neubewertung der Kriterien für PPP-Projekte. Schließlich sollten Ausbildungsprogramme in den Partnerländern neu aufgesetzt werden: In vielen Ländern biete die demografische Dynamik “ein enormes Potenzial für wirtschaftliches Wachstum, das durch gezielte Bildungs- und Arbeitsmarktprojekte erschlossen werden kann”. Horand Knaup


Martin Rennert

Seit Trumps Wahlsieg: Wissenschaftsfeindlichkeit breitet sich aus. Martin Rennert, Vorsitzender der Einstein Stiftung Berlin, warnt im Interview mit Table.Briefings vor einer zunehmenden Wissenschaftsfeindlichkeit, die aus den USA nach Deutschland überschwappe. “Wissenschaft wird diskreditiert, um unliebsame Themen zu vermeiden”, sagt er. Besonders betroffen seien Klimaforschung, Medizin und Geisteswissenschaften. Die Folgen seien bereits spürbar. Seit dem Wahlsieg von Donald Trump gebe es Anfragen von Wissenschaftlern, die Europa als neuen Arbeitsort suchten. Welche Haltung Rennert von Universitätsleitungen in dieser Situation erwartet, lesen Sie im Research.Table. Nicola Kuhrt


Nationaler Volkskongress: Deutsche Wirtschaft setzt auf Chinas Reformpläne. Der Bericht, den die chinesische Regierung während des Nationalen Volkskongresses vorgelegt hat, setzt auf Stabilität und Reformen. Besonders die Betonung der Binnenkonjunktur und die versprochene Unterstützung für ausländische Unternehmen sorgen bei deutschen Firmen für verhaltenen Optimismus. Oliver Oehms, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Deutschen Handelskammer in Nordchina, sagt: “Diesmal wurden mehr Impulse zur Stabilisierung der Wirtschaft gesetzt.”  

Viele deutsche Unternehmen hatten mangelnde Verlässlichkeit bei der Umsetzung von Reformankündigungen kritisiert. Dass nun ein “Sonderaktionsplan” zur Stärkung des Konsums im Zentrum steht, könnte eine Trendwende markieren – sofern den Worten konkrete Taten folgen. Mehr zu Pekings Wirtschaftsplänen lesen Sie im China.Table. Jörn Petring


Table.Documents

Brief von Annalena Baerbock an die Grünen-Bundestagsfraktion 

Zeitplan für die Grundgesetzänderung zum Sondervermögen 

Zwischenbericht zur Evaluation des Deutschlandtickets des Instituts für angewandte Sozialwissenschaft im Auftrag des BMDV 

Impulspapier des Netzwerks Entwicklungspolitik 

Studie des IW Köln: Sondervermögen ließe Investitionen deutlich steigen 

Gutachten im Auftrag von Die Familienunternehmer zu verfassungsrechtlichen Ansprüchen auf eine Reform der Sozialversicherungen 


Heads

Annalena Baerbock will in der neuen Legislaturperiode nicht für den Fraktionsvorsitz der Grünen kandidieren. Darüber informierte die Außenministerin die Fraktionsmitglieder am Mittwochmorgen in einem Brief und nannte persönliche Gründe für ihre Entscheidung. “Nach Jahren auf Highspeed” habe sie sich entschieden, “erst einmal einen Schritt aus dem grellen Scheinwerferlicht zu machen” und sich für kein führendes Amt in der Bundestagsfraktion zu bewerben. Mit ihrem Verzicht ebnet Baerbock Katharina Dröge und Britta Haßelmann den Weg für eine weitere Legislaturperiode an der Spitze der Fraktion: “Mit zwei starken Frauen an der Spitze beginnt jetzt ein neues Kapitel für unsere Fraktion.” Maximilian Stascheit 

Julia von Blumenthal, Präsidentin der Berliner Humboldt-Universität, muss im Umgang mit der Landespolitik zurzeit taktisches Geschick beweisen. Als Sprecherin der Landeskonferenz der Berliner Hochschulrektoren und -präsidenten will sie die massiven Einsparungen abwenden, die wegen der Haushaltskrise verfügt wurden. Welche Strategie die Politikwissenschaftlerin dabei verfolgt, lesen Sie im Research.Table.  

Yan Xuetong ist nicht nur einer der einflussreichsten Denker Chinas, er erklärt auch der Welt, wie Peking tickt – und sendet damit zugleich feine Signale ins eigene Land. Als Stimme der Vorsicht warnt er vor außenpolitischen Abenteuern und sieht den wahren Wettstreit mit den USA nicht in der Ideologie, sondern in der Technologie. Mehr über Yan und seine Agenda erfahren Sie im China.Table.


Best of Table

Research.Table: Die Fusionsindustrie begrüßt Trump und Merz. Die Branche erwartet von den Regierungswechseln in den USA und Deutschland einheitliche Regulierung und ambitionierte Finanzierung. Welche Ziele die Unternehmen formulieren, lesen Sie hier

Europe.Table: Leichtere Anerkennung von Abschlüssen. So will die EU gegen den Fachkräftemangel vorgehen. Aber viele Kompetenzen hat sie dabei nicht. Warum ein Pilotprojekt zum Thema Recht auf Weiterbildung für Kritik sorgt, lesen Sie hier.  

China.Table: Warum Peking aufrüstet. Trotz schwächelnder Wirtschaft steigert China seinen Militäretat erneut überdurchschnittlich – um 7,2 Prozent auf rund 230 Milliarden Euro – und treibt die atomare Aufrüstung massiv voran. Ob die strategische Balance im Pazifik kippt, lesen Sie hier

Climate.Table: Wie Klischees über Frauen Politik erschweren. In der klimapolitischen Debatte werden Frauen oft einseitig als Retterinnen oder Opfer dargestellt, schreiben Chung-Ah Baek, Naila Kabeer, Deepta Chopra in einem Standpunkt. Warum das einer gerechten Politik im Wege steht, lesen Sie hier.

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Must-Reads

Financial Times: USA erhöhen Druck auf Ukraine. Trotz der Bereitschaft von Wolodymyr Selenskyj, ein Abkommen zur Rohstoffnutzung zu unterschreiben, hat die US-Regierung die Weitergabe von Geheimdienstinformationen gestoppt. Dies soll, zusammen mit dem Stopp von Militärhilfen, die Ukraine zwingen, den “Friedensplänen” von Donald Trump zuzustimmen. (“US cuts off intelligence sharing with Ukraine”

SZ: Hinweise auf rechtsextreme Verbindungen. Laut einem linken Recherchekollektiv war der tatverdächtige Amokfahrer von Mannheim auf der Liste einer rechtsextremen Vereinigung und soll 2018 an einer Neonazi-Demo teilgenommen haben. Die Staatsanwaltschaft sagt, sie prüfe solche Verbindungen des Angeklagten. (“War die Amokfahrt politisch motiviert?”

FAZ: Gutachten zu Richterblockade in Thüringen. Laut Justizministerin Beate Meißner (CDU) können Landtagsausschüsse aus der vergangenen Legislaturperiode Richter und Staatsanwälte benennen, bis neue Ausschüsse gewählt wurden. Bisher blockiert das die AfD mit ihrer Sperrminorität. (“Richterernennungen in Thüringen möglich”

Zeit: Joschka Fischer über Friedrich Merz. Der frühere Außenminister hält einen europäischen Atomschirm für nötig und sieht eine “dramatische” Rolle auf Deutschland zukommen: “An den nächsten Bundeskanzler, also mit hoher Wahrscheinlichkeit Friedrich Merz, wird ein Maßstab angelegt werden wie an den ersten Kanzler der Bundesrepublik, Konrad Adenauer.” Dessen Westbindung sei entscheidend gewesen. (“Die Messlatte für Merz ist Adenauer”

Zeit: SPD dürfte sich im Kampf um ihren Saal gegen AfD durchsetzen. Noch muss die SPD um ihren “Otto-Wels-Saal” im Bundestag bangen, als zweitgrößte Fraktion beansprucht ihn die AfD. Voraussichtlich wird der Ältestenrat entscheiden. Der spiegelt die Mehrheitsverhältnisse wider, was der SPD helfen dürfte, wenn sie eine Koalition mit der Union eingehen sollte. Die AfD könnte in den frei gewordenen FDP-Saal mit 250 Quadratmetern umziehen. (“Kampf um Raum und Macht”)

Schlagzeilen von morgen

SZ: Grüne lassen Merz warten 

FAZ: Union und SPD suchen Mehrheit für neue Schulden 

Tagesspiegel: Ärger über Verschuldungs-Paket – Zweidrittelmehrheit ungewiss 

Handelsblatt: Merz löst Zinssprung aus 

Sächsische Zeitung: Lob und Skepsis in Sachsen für historisches Schuldenpaket

Meistgelesenes von heute

Zeit Online: Union und SPD kündigen Reform der Schuldenbremse an 

Spiegel: Rede vor US-Kongress – Trump lobt Zölle, Musk und sich selbst 

Taz: Pkw-Attacke in Mannheim – Amokfahrer war früher in rechtsextremer Szene aktiv 

Handelsblatt: Wie Russland eine der reichsten Familien Deutschlands entzweit  

NZZ: Friedrich Merz legt mit einer Schuldenorgie einen fulminanten Fehlstart hin

Interviews von morgen

Deutschlandfunk 

6:50 Uhr: Markus Ferber, MdEP (CSU): Gemeinsame Verteidigungsausgaben 

7:15 Uhr: Sigmar Gabriel, Ex-Außenminister (SPD): Stärkung der europäischen Verteidigung 

8:10 Uhr: Marcel Fratzscher, DIW-Präsident: Milliardeninvestitionen fix? 

ZDF 

6:39 Uhr: Monika Schnitzer, Wirtschaftsweise: Sondierungen, Sondervermögen und Schuldenbremse 

7:08 Uhr: Britta Haßelmann, Fraktionsvorsitzende der Grünen: Sondierungen, Sondervermögen und Schuldenbremse 

8:09 Uhr: Thorsten Frei, erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion: Sondierungen, Sondervermögen und Schuldenbremse 

8:38 Uhr: Jürgen Hardt, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion/Jan van Aken, Parteivorsitzender der Linken: Brauchen Deutschland und Europa neue Strategien atomarer Abschreckung? 

rbb24-Inforadio 

6:45 Uhr: Franziska Giffey, Wirtschaftssenatorin von Berlin (SPD): Sondervermögen – was sagen Länder und Kommunen? 

7:25 Uhr: David McAllister,  MdEP (CDU): EU-Sondergipfel Ukraine 

9:05 Uhr:  Gerd Landsberg,  Ehrengeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes: Künftig Milliarden für die Kommunen? 

phoenix 

9:05 Uhr: Manfred Weber,  MdEP (CSU): EU-Sondergipfel Ukraine

Time.Table

Europäischer Rat: EU-Sondergipfel in Brüssel zum Kurswechsel der USA in der Ukraine-Politik sowie zur Stärkung der europäischen Sicherheits- und Verteidigungsfähigkeit. Mit Olaf Scholz

Frauentag: Empfang der Berliner SPD-Fraktion anlässlich des bevorstehenden Feiertages. Mit Raed Saleh. Abgeordnetenhaus, 18 Uhr 

Gleichstellung I: Podiumsgespräch zum Thema Gleichstellung von Frauen beginnt bei den Finanzen. BdF, 18 Uhr. Weitere Informationen 

Gleichstellung II: ICE-Sonderfahrt der DB – Female ICE 2.0. Eröffnet wird das Event von Lisa Paus. Hauptbahnhof Berlin, Gleis 6, 7:45 Uhr. Weitere Informationen 

Verteidigung: Boris Pistorius empfängt seinen ukrainischen Amtskollegen Rustem Umjerow. BMVg, 13:30 Uhr  

Außenpolitik: Podiumsdiskussion der Freien Universität zum Thema Neue Regierung, andere Außenpolitik?  Europäisches Haus, 18:30 Uhr. Weitere Informationen  

Geschichte: Vortrag und Diskussionsrunde zum Thema Willy Brandts Ostpolitik. Mit Bernd Rother und Albrecht von Lucke. Forum Willy Brandt Berlin, 18 Uhr. Weitere Informationen

Geburtstag von morgen

Alexander Hoffmann, parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, 50

Nachttisch

Unser Tipp führt Sie heute zu einer “Sammlung höchst merkwürdiger Begebenheiten”. So lautet der Untertitel dieses Buchs eines britischen Dokumentarfilmers. Demnach ließ sich beispielsweise Saddam Hussein Blut abnehmen, das dann als Tinte für einen Koran diente. Weitere Anekdoten drehen sich um den Anteil an Neandertaler-DNA im heutigen Menschen, um Drogenexperimente der Nasa an Spinnen und eine nach Donald Trump benannte Motte. Eine Fundgrube, die viel Gesprächsstoff bietet. Okan Bellikli 

Edward Brooke-Hitching: The Most Interesting Book in the World | Knesebeck


Das war’s für heute. Good night and good luck!

Heute haben János Allenbach-Ammann, Okan Bellikli, Stefan Braun, Michael Bröcker, Helene Bubrowski, Peter Fahrenholz, Damir Fras, Till Hoppe, Franziska Klemenz, Horand Knaup, Malte Kreutzfeldt, Nicola Kuhrt, Carli Bess Kutschera, Marit Niederhausen, Jörn Petring, Maximilian Stascheit und Vera Weidenbach mitgewirkt.

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Berlin.Table Redaktion

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