seien Sie herzlich gegrüßt zu unserer 400. Ausgabe. Wir danken Ihnen für Ihre Treue. Heute werfen wir für Sie einen umfassenden Blick auf die Kandidatur von Friedrich Merz:
Talk of the Town: Merz wird’s – Wie es dazu gekommen ist
Der Kandidat: Seine Stärken und Schwächen
Die CSU und Söder: Seehofer fordert Loyalität, die Partei Mäßigung im Ton
Die SPD und der Herausforderer: Die Sozialdemokraten nehmen’s gelassen
Die Grünen: Zwischen tiefer Abneigung und erstaunlichem Respekt
Die FDP: Wenn ein CDU-Politiker zum gefährlichsten Konkurrenten wird
Die AfD: Zwischen Dankesschreiben und Sorgen
Das BSW: Unberührt, aber wachsam
Table.Today Podcast: Analysen und Gespräche zur Kanzlerkandidatur von Friedrich Merz, Kurzinterviews mit Ricarda Lang, Karin Prien und Horst Seehofer
Table.Documents: WZB-Studie zur Unterstützung der AfD in den ostdeutschen Kommunen durch etablierte Parteien + Offener Brief von Reporter ohne Grenzen an Israel und Ägypten + Papier der Arbeitnehmerkammer Bremen zur kalten Progression
Heads: Ursula von der Leyens EU-Kommission
Best of Table: Kritis-Dachgesetz verzögert sich + Schleppende Lkw-Elektrifizierung + Flexiblere Oberstufe an Gymnasien
Must-Reads: Kommentare zu Friedrich Merz + Intel macht Rückzieher + Explosionen im Libanon
Nachttisch: “Gute Politik” – Sachbuch von Peter Kurz
Merz wird’s: Wie es dazu gekommen ist
Von Stefan Braun und Michael Bröcker
Friedrich Merz hat den bisher größten Machtkampf seiner Karriere ausgesessen. Er hat seine Widersacher abtropfen lassen, hat Gifteleien ignoriert und ist stoisch ruhig geblieben, obwohl seine Konkurrenz ihn nur zu gerne aus der Reserve gelockt hätte. Dass der CDU-Chef Kanzlerkandidat geworden ist, hat er einer Technik zu verdanken, die ihm kaum jemand zugetraut hätte; er ist wie ein wissbegieriger Schüler von Angela Merkel aufgetreten. Ob das eine – neue – Stärke des Kanzlerkandidaten ist oder eine einmalige Leistung bleiben wird? Noch kann das niemand sagen.
Sicher aber ist, wie sich Merz taktisch klug in den letzten Wochen die Kandidatur gesichert hat. Er setzte sich beim Thema Migration an die Spitze der Bewegung, und holte im Hintergrund in diversen Telefonaten die Unterstützung der CDU-Landeschefs ein. Zugleich blieben die Umfragen für die CDU konstant über 30 Prozent, die interne Mindestmarke.
Am Ende ging es nur noch darum, ob Markus Söder oder Hendrik Wüst den Königsmacher geben dürfen. Am vergangenen Wochenende soll Söder Merz angerufen und den Dienstag als Tag der Verkündung angeboten haben. Ort: Bayerns Landesvertretung in Berlin. Ein bisschen bajuwarische Bühne sollte schon sein. Söder wollte vor der Klausurtagung der CSU in Kloster Banz Fakten schaffen, da er dort sonst unter Zugzwang gekommen wäre. Das Wüst dann schon am vergangenen Montag seinen Landesvorstand über seinen Verzicht informierte und danach die Presse einlud, verärgerte Söder. So kam Wüst dem CSU-Chef zuvor, der jetzt nur noch nachziehen konnte.
Der Kandidat: Seine Stärken und seine Schwächen
Wo liegen die Stärken des Kanzlerkandidaten? Wo seine Schwächen? Wir listen auf, was Merz kann – und wo er verwundbar bleiben könnte.
Stärken:
Merz hat in der CDU wieder so etwas wie Teamgeist ausgelöst. Das mag überraschend klingen; nach seiner Rückkehr 2018 hatte Merz erstmal Merkels Regierung und das CDU-Establishment angegriffen. Aber über die Debatten ums neue Grundsatzprogramm ist es ihm gelungen, auch ehemalige Kritiker wieder einzubinden. Karl-Josef Laumann kann davon berichten, ebenso dessen Nachfolger an der CDA-Spitze, Dennis Radtke. Selbst Armin Laschet und Norbert Röttgen sind inzwischen eingebunden. Und Michael Kretschmer und Mario Voigt erleben zurzeit, dass ihnen Merz in den Koalitionsbemühungen ziemlich viel Vertrauen schenkt.
Dem CDU-Chef ist es außerdem gelungen, zur Konkurrenz auf persönlicher Ebene verlässliche Beziehungen aufzubauen. Mit Christian Lindner spricht er regelmäßig, aber seit geraumer Zeit pflegt er in Sachfragen auch einen belastbaren Gesprächskontakt zu SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich. Darüber hinaus bemüht er sich um stabile Gesprächsfäden zur Grünen-Spitze. Und er spricht regelmäßig mit den beiden Schlüsselakteuren der Grünen, Robert Habeck und Annalena Baerbock. Wohlwissend, dass die Schnittmengen mit beiden in der Außen- und Sicherheitspolitik am größten sind. Merz hat eines verinnerlicht: er wird auf alle Fälle Partner aus der politischen Mitte brauchen.
Und Merz ist bis heute stabil bei der Abgrenzung zur AfD: keine Gespräche, keine Nähe, keine Kooperationen. Kritiker werfen ihm bis heute vor, er verwende das Vokabular der Extremisten. Aber in der eigenen Partei ist dieser Vorwurf leiser geworden. Dabei versucht der CDU-Chef einen Drahtseilakt. Im Kampf gegen die illegale Migration setzt er noch immer auf Zurückweisungen an den Grenzen für alle, die keine gültigen Papiere haben. Zugleich würde er das Thema am liebsten beruhigen, bevor der eigentliche Wahlkampf beginnt. Seine Sorge: Wenn Probleme ungelöst bleiben, wird 2025 nur die AfD profitieren.
Schwächen:
Friedrich Merz’ größte Schwäche ist bis jetzt Friedrich Merz. Also seine Unberechenbarkeit. Er kann unerbittlich nachtragend sein, wenn ihn Parteifreunde (oder Journalisten) mit scharfer Kritik angehen oder Interna verbreiten. Die beste Wahlkampfstrategie sei es, dass Merz bis zum 28. September 2025 keine Interviews mehr gibt, ist ein gängiger Scherz in der CDU. Dann könne der Chef auch nicht wieder “einen raushauen”.
Der emotionale Ausbruch des Fraktionsvorsitzenden vor einem Jahr, als sich der Widersacher Hendrik Wüst mit einem Gastbeitrag in der FAZ als bessere Alternative positionierte, wurde in der Fraktion breit erzählt. Es war Wolfgang Schäuble, der Merz damals beruhigen musste, damit er nicht hinschmeißt. Das Merkel’sche Machtprinzip: Gegner einfach mal ignorieren, hat Merz erst in den letzten Monaten verinnerlicht.
Bei Frauen und jungen Menschen hat der CDU-Chef laut Umfragen die größten Akzeptanzprobleme. Laut Forsa würden nur 9 Prozent der jüngeren Frauen Merz zum Kanzler wählen. CDU-Vize Karin Prien kennt diese Zahlen natürlich. “Es wird noch Überzeugungsarbeit zu leisten sein”, sagte sie Table.Briefings. “Er wird darauf achten müssen, dass er breite Kreise anspricht. Es ist in erster Linie eine Frage der Ansprache, nicht der Themen.”
Bleibt die inhaltliche Strategie. Der Sozialflügel und die ehemaligen Merkelianer wollen keinen wirtschaftsliberalen Radikalkurs. Hier wird Merz Abstriche an seiner wirtschaftsliberalen Agenda machen müssen. Seinen alten politischen Gassenhauer, die radikale Steuerreform auf einem Bierdeckel, hat er bereits abmoderiert. “Das geht heute so alles nicht mehr”, sagte er vergangene Woche beim Chemie-Summit. Auch beim Kündigungsschutz und in der Rentenpolitik sind radikale Forderungen von ihm nicht mehr zu hören.
Der Merz des Jahres 2024 – so lautet seine Botschaft – ist nicht mehr der Merz der 2000er-Jahre.
Im Podcast analysieren wir die Nominierung Merz’ zum Kanzlerkandidaten. Dazu sprechen wir mit CDU-Vize Karin Prien, Ex-CSU-Chef Horst Seehofer, der Grünen-Vorsitzenden Ricarda Lang und dem Merz-Vertrauten und Unternehmer aus dem Sauerland, Arndt G. Kirchhoff. Den Podcast hören Sie ab 6 Uhr hier.
Die CSU: Seehofer erwartet Loyalität, die Partei Mäßigung im Ton. Der ehemalige CSU-Vorsitzende fordert seinen Nachfolger auf, Friedrich Merz auch im Wahlkampf zu unterstützen. “Ich erwarte, dass er das, was er vor der Öffentlichkeit erklärt hat, einfach jeden Tag lebt.” Nur dann werde die Einigkeit der Union von der Bevölkerung auch ernst genommen, sagte Horst Seehofer Table.Briefings. Er sei froh, dass die K-Frage geklärt sei, “denn jetzt kann man sich wieder der eigentlichen Politik zuwenden”. Und die werde schwer genug werden. Was auf Merz zukomme, sei “eine Herkulesaufgabe”. Und nur dann, wenn die Union das gemeinsam positiv gestalte, “werden wir auch bei der Bundestagswahl das Vertrauen der Menschen bekommen.”
Seehofers Unterstützung für Merz ist außergewöhnlich. Immerhin hatten sich die beiden zwischen 2002 und 2005 als Fraktionsvizes aufs bitterste bekämpft. Aber die neue Unterstützung passt zu Stimmung. In der CSU, so beschrieb es ein Vorstandsmitglied am Dienstag, herrsche Erleichterung darüber, dass das Thema Kanzlerkandidatur erledigt sei. Deswegen müsse Markus Söder auch keine offenen Vorwürfe wegen seines Verhaltens fürchten, sondern könne im Gegenteil darauf bauen, von der eigenen Partei über seine krachende Niederlage hinweggetröstet zu werden. Im Kloster Banz, wo gegenwärtig die Klausurtagung der CSU-Landtagsfraktion stattfindet, werde sicherlich “viel schwarze Salbe angerührt werden”, hieß es.
Spannend wird sein, ob Söder seinen scharfen Anti-Grün-Kurs ändert. Ein Wahlkampf, bei dem die CDU sich ein Bündnis mit den Grünen offenhält, während die CSU jede Zusammenarbeit ausschließt, ist schwer vorstellbar. Dass Söder einen abrupten Kurswechsel vornimmt, gilt als ausgeschlossen, dazu kommen die Attacken auf die Grünen an der Basis zu gut an. Aber es gibt die klare Erwartung, dass sich Söder im Ton mäßigt. Dies werde nicht von heute auf morgen passieren, sondern “schrittweise auf Normalton gebracht”, sagte ein Mitglied des Vorstandes. Helene Bubrowski, Peter Fahrenholz
Die SPD und der Herausforderer: Die Sozialdemokraten nehmen’s gelassen. Im Willy-Brandt-Haus schlug die Nachricht von der Entscheidung der Union keine großen Wellen. Eine Überraschung war es nicht, Konterstrategien gegen Friedrich Merz haben sie in der Schublade, die Genossen wähnen sich gewappnet – umso amüsierter nahmen sie die kleinen Sticheleien von Hendrik Wüst in Richtung Markus Söder zur Kenntnis. Olaf Scholz, der schon vor Monaten offenbarte, dass er sich Merz als Herausforderer wünsche, sagte auf seiner Asienreise nur: “Es ist mir recht, wenn Herr Merz Kanzlerkandidat der Union ist.” Der Generalsekretär schwieg, und Parteichef Lars Klingbeil sprach von einem “Gegner, den ich gerne annehme”. Merz habe zuletzt “intensiv daran gearbeitet, die Merkel-Politik der letzten Jahre wegzuräumen und die Union auf einen neuen Kurs zu bringen”.
Nur der wahlkampferprobte Fraktionsvize Achim Post schlug die Trommel etwas kräftiger. Er freue sich auf die Auseinandersetzung. Damit sei “die Ausgangslage glasklar: Egal, ob es um einen starken Staat, Industriepolitik, stabile Renten oder den sozialen Zusammenhalt in Deutschland geht, die Auseinandersetzung mit der Merz-CDU wird zu einem Richtungswahlkampf, wie er sich gewaschen hat.” Horand Knaup
Translation missing.Die Grünen: Zwischen tiefer Abneigung und erstaunlichem Respekt. Für die Grünen ist Friedrich Merz im Vergleich zu Markus Söder das kleinere Übel. Während der CSUler nicht härter gegen sie poltern könnte, gibt es in der CDU immer noch Stimmen wie Hendrik Wüst und Daniel Günther, die regelmäßig für Grünen-Bündnisse werben. Auch Merz schlägt vorsichtigere Töne an. Zuletzt hatte er offen erklärt, die Grünen müssten sich zwar ändern, aber sie würden wichtige Themen adressieren und hätten damit teilweise auch Recht. Das wird vor allem bei den wichtigsten Grünen-Ministern und in der Parteispitze wahrgenommen. Und die, die es schon erlebt haben, loben seinen persönlich freundlichen Umgang und verbindlichen Ton.
Andere Spitzen-Leute und erhebliche Teile der Fraktion empfinden Merz dagegen bis heute als rückwärtsgewandten Chauvinisten. Sie verweisen auf seine Tonlage, die sie mehr mit Bierzelt als mit nachdenklicher Politik verbinden. Für manche ist er bis heute das personifizierte Zurück in die Vergangenheit. Schmerzhaft bis unerträglich ist für viele Grüne die aus ihrer Sicht von ihm ausgehende Feindlichkeit gegenüber Geflüchteten. Mit seinem Ton hetze er auf, heißt es. Und seinen Behauptungen fehlten oft die Fakten – was die Union manchen Grünen freilich umgekehrt auch vorwirft. Die Sorge der Grünen: Merz bringe sich mit seiner Rhetorik in gefährliche Nähe zur AfD. Franziska Klemenz
Translation missing.Die FDP: Wenn ein CDU-Politiker zum gefährlichsten Konkurrenten wird. In der FDP ist die Freude über die Kanzlerkandidatur von Friedrich Merz gering. Dass mit Merz ein Mann den Wahlkampf anführt, der wie kaum in anderer in der Union für eine wirtschaftsliberale Politik steht, stellt die FDP vor besondere Herausforderungen. In seinem Statement am Dienstagmittag machte Merz die wirtschaftspolitische Situation des Landes zum Hauptthema. Er sei der Überzeugung, dass “nicht die Hilfe von Fall zu Fall und große Fördertöpfe das Problem lösen”, sondern es bessere Rahmenbedingungen brauche. Das wolle er “in den nächsten Wochen und Monaten noch klarer artikulieren”. Christian Lindner reagierte prompt und forderte konkrete Vorschläge dafür ein. Denn inhaltlich liegt er oft so nah bei den Vorstellungen von Merz, dass ein eigenes Profil daneben immer schwerer werden könnte.
Der Partei könnte jetzt auf die Füße fallen, dass sie ihre liberale Gesellschaftspolitik selten ins Schaufenster gestellt hat. Und das, obwohl sie historisch immer ihr zweiter Markenkern gewesen ist. Dabei hat die Ampel auf diesem Feld einiges erreicht und beschlossen, angetrieben auch vom liberalen Justizminister Marco Buschmann. Doch die Streitereien ums Geld und um die Klimaschutzpolitik haben dies oft überlagert. Vollkommen offen ist, ob die FDP das in Abgrenzung zur Union noch einmal offensiv nach vorne schieben kann. Maximilian Stascheit
Die AfD: Zwischen Dankesschreiben und Sorgen. Die AfD zieht Freude und Verdruss aus Friedrich Merz. Seine Abkehr von der Herzensgröße, die Angela Merkel gegenüber Geflüchteten zeigte, sehen viele als Bestätigung: Was die AfD seit elf Jahren fordert, sehe die CDU nun endlich ein. Manche scherzen gar, sie könnten urheberrechtliche Forderungen an Merz stellen, weil seine Aussagen doch kaum mehr von denen zu unterscheiden seien, die etwa Alice Weidel seit Jahren vorbringe.
Allerdings verliert die AfD damit eine für sie immens wichtige Angriffsfläche. Solange Sie ihm das Kopieren vorwirft, kann sie die Union nicht mehr als “links-grün versiffte Gutmenschenpartei” bezeichnen (wie sie es immer wieder getan hat). Was die AfD dennoch versuchen wird, ließ sich im sächsischen Wahlkampf beobachten, wo Michael Kretschmer ähnlich rigide Positionen vertreten hat wie Merz. Dort höhnte sie, Kretschmer sei ihr “politischer Raubkopierer”, am Ende koaliere er trotzdem wieder mit einer Partei links der Mitte. Die AfD wird die CDU mit der Behauptung konfrontieren, die Wähler wollten eine Koalition von Schwarz und Blau, die CDU aber verweigere sich dem. Ob das ziehen wird? Offen. Franziska Klemenz
Das BSW: Unberührt, aber wachsam. Für Sahra Wagenknecht ist Merz zumindest für den Wahlkampf nicht der schlechteste Kandidat. Er bietet mehr Angriffsfläche als ein Hendrik Wüst – und Wagenknecht wird sich bequem an ihm abarbeiten können. Das bedeutet allerdings auch, dass der Wahlkampf insgesamt polarisierter geführt werden dürfte. Beide, Merz und Wagenknecht, leben von ihren markigen, auch bei Merz durchaus populistischen Aussagen. Die politische Debatte insgesamt könnte das weiter aufheizen.
Eine Regierungsbeteiligung im Bund bleibt für das BSW unwahrscheinlich. Zum einen, weil die Mehrheitsverhältnisse (Stand heute) das BSW nicht unverzichtbar machen; zum anderen, weil auf Bundesebene Themen wie Waffenlieferungen, Außenpolitik und Ukraine-Kurs kaum überwindbare Hindernisse sein werden. Für beide Parteien. Vera Weidenbach
Studie des WZB: Brandmauer – is still alive! Empirische Ergebnisse zur Unterstützung der AfD in Ost-Kommunen durch etablierte Parteien (2019-2024)
Offener Brief von Reporter ohne Grenzen, DJV und deutschen Medien an Israel und Ägypten: Forderung nach Zugang zum Gazastreifen
Papier der Arbeitnehmerkammer Bremen zu Alternativen zum Ausgleich der kalten Progression: Belastungen vermeiden? Unbedingt, aber zielgenau!
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts: Hessisches Verfassungsschutzgesetz teilweise verfassungswidrig
Protokoll einer EU-Verhandlungsrunde zur Chatkontrolle
Ursula von der Leyen hat ihr neues Team vorgestellt. Noch bis in die Nacht hinein hatte die Präsidentin an ihrer neuen EU-Kommission gepuzzelt, um die vielen Wünsche aus den Mitgliedstaaten auszubalancieren. “Es war keine leichte Übung”, sagte ein hochrangiger Kommissionsbeamter.
Auf den ersten Blick dominieren Vertreter traditionell ausgabenfreundlicher und dirigistischer Länder die neue Kommission: Die Spanierin Teresa Ribera wird Erste Vizepräsidentin mit Zuständigkeit für Klima und Wettbewerb, der Franzose Stéphane Séjourné soll sich um Binnenmarkt und Industrie kümmern, Raffaele Fitto aus Italien um Kohäsionspolitik. Überdies wird mit dem Polen Piotr Serafin der Vertreter eines Nettoempfängerlandes für die anstehenden Verhandlungen über den neuen Finanzrahmen zuständig sein.
Dennoch fielen die Reaktionen in Berlin und Den Haag gelassen aus. Denn von der Leyen stellt den drei Vizepräsidenten erfahrene Kommissare an die Seite, die den direkten Zugang zu den Generaldirektionen haben. Im Falle Riberas sind das der Däne Dan Jørgensen (Energie) sowie der Niederländer Wopke Hoekstra (Klima). Séjourné wird sich mit Hoekstra und mit Valdis Dombrovskis auseinandersetzen müssen: Der Lette wird unter anderem zuständig für die Defizitverfahren sein.
Die Kandidierenden müssen sich nun Anhörungen im Europaparlament stellen. Diese werden voraussichtlich erst im November stattfinden. Die neue Kommission wäre dann frühestens zum 1. Dezember arbeitsfähig. Weitere Verzögerungen will von der Leyen angesichts der geopolitischen Risiken vermeiden. Details lesen Sie im Europe.Table. Till Hoppe
Security.Table: Opposition auf den Barrikaden wegen Kritis. Das Kabinett hat die Befassung mit dem Kritis-Dachgesetz, das den physischen Schutz kritischer Infrastrukturen verbessern soll, auf nächste Woche vertagt. Warum die CDU die Versorgungssicherheit gefährdet sieht, lesen Sie hier.
ESG.Table: Klima- und ESG-Klagen gegen Unternehmen. Ein deutsches Gericht hat sein Urteil erstmals mit den “Eigenrechten der Natur” begründet. Der Fall reiht sich ein in die zunehmende Zahl von Klagen gegen Unternehmen. Was die Entwicklung bedeutet, lesen Sie hier.
ESG.Table: Schleppende Lkw-Elektrifizierung. Elektro-Lkw stehen im Mittelpunkt der diesjährigen IAA Transportation. Noch rollen wenige über deutsche Straßen – warum Hersteller und Analysten trotzdem mit einem starken Wachstum rechnen, lesen Sie hier.
China.Table: Neue EU-Kommissare im Machtspiel um Peking. Einige der Kandidaten haben klare Ansichten und Pläne in Bezug auf China. Ob Europa künftig mehr auf Konfrontation oder Dialog setzt, lesen Sie hier.
China.Table: Streit um Sabina Shoal eskaliert. China hat 65 Schiffe vor dem umstrittenen Riff stationiert, während die Philippinen nach einem schweren Zwischenfall ihr wichtigstes Schiff abziehen mussten. Was jetzt passieren könnte, lesen Sie hier.
Bildung.Table: Neues Abitur könnte Weg für Schulreform ebnen. Viele Fachleute fordern eine flexiblere Oberstufe am Gymnasium. Schüler sollten mehr Zukunftskompetenzen lernen und Prüfungen stärker an die Lebensrealität anknüpfen. Wie das aussehen könnte, lesen Sie hier.
Bildung.Table: Finanzbildung an Schulen. Mit einer eigenen Strategie wollen Christian Lindner und Bettina Stark-Watzinger die ökonomische Bildung stärken. Was Ramona Pop, ehemals Wirtschaftssenatorin von Berlin und jetzt Vorständin des Verbraucherzentrale-Bundesverbands, davon hält, lesen Sie hier.
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Translation missing.Stimmen zur Merz-Kandidatur:
Robert Roßmann, SZ: Mit der Kandidatur Merz, sei der Wahlkampf zu einem Duell zwischen Olaf Scholz und Friedrich Merz geworden. Robert Habeck habe gegen die beiden keine Chance. Scholz habe seinen Wunschkandidaten bekommen, obwohl bei Merz’ Steckenpferd-Themen Wirtschaft und Migration Scholz’ Schwächen liegen. (“Scholz oder er”)
Robin Alexander, Welt: Die CDU habe mit Merz die Chance, die letzte Hoffnung für Deutschland, die letzte große Volkspartei zu sein. Merz habe deshalb die große Verantwortung, ein Angebot “für alle Vernünftigen zu machen”. Er dürfe sich nicht in Kulturkämpfe hineinziehen lassen. Alexander warnt die SPD vor einem Wahlkampf, der die Union “als Rechtsaußen diffamiert”. (“Merz sollte jetzt ein Angebot für alle Vernünftigen machen”)
Daniel Bax, Taz: Unter dem Zeitungstitel “Erste erfolgreiche Zurückweisung an der deutsch-bayerischen Grenze”, schreibt Bax, das “Retro-Konzept” von Merz für seine Partei sei aufgegangen. Nur an der politischen Realität, die vielfältiger sei, als Merz es mit seinem Retro-Kurs wahrhaben wolle, könne er jetzt noch scheitern. (“Nur Merz kann Merz noch stoppen”)
Thomas Wieder, Le Monde: Die Inszenierung des Verzichts von Markus Söder zugunsten von Friedrich Merz zeige, dass die Konservativen ihre Lektion von 2021 gelernt hätten, als “das Psychodrama um die Wahl ihres gemeinsamen Kanzlerkandidaten zu ihrer Wahlniederlage beigetragen hatte”. (X)
Birgit Baumann, Der Standard: Der CDU-Vorsitzende sei bisher “kein Totalausfall” und daher an Söders Stelle Kandidat geworden. Ganz sicher könne man bei Letzterem aber nicht sein, “ob er seinen Job tatsächlich verinnerlicht hat (…): einfach mal den Mund halten und sich wirklich hinter Merz stellen”. (“Söder muss jetzt schweigen lernen”)
Guy Chazan, FT: Merz’ Schritt kläre “endlich eine der größten Fragen, die über Europas größter Volkswirtschaft schweben”: wer Deutschlands Mitte-Rechts-Partei in die Bundestagswahl führe – und diese laut aktuellen Umfragen großer Wahrscheinlichkeit gewinnen werde. (“German conservative leader Friedrich Merz says he will run for chancellor”)
Nicht überlesen!
FAZ: Intel und der Haushalt. Der Konzern verschiebt seine Pläne für eine Fabrik in Magdeburg. Daher stellt sich die Frage, was mit den angedachten Subventionen in Höhe von knapp zehn Milliarden Euro geschieht. Im Haushaltsentwurf 2025 gibt es keinen eigenen Posten, im Klimafonds stehen für 2024 circa vier Milliarden Euro. Der Haushaltsausschuss könnte eine Umwidmung der Mittel beschließen. (“Was tun mit den Intel-Milliarden?”)
NYT: Pager explodieren im Libanon. Zahlreiche Mitglieder der libanesischen Hisbollah-Miliz wurden am Dienstag von der Explosion ihrer Pager überrascht. Die Regierung in Beirut sprach von acht Toten und bis zu 2750 Verletzten. Warum die Funkempfänger explodierten, war am Abend noch unklar. Die Hisbollah beschuldigte Israel und kündigte Vergeltung an. Die israelische Armee wollte sich nicht äußern. (“Pagers Explode Across Lebanon in Apparent Attack on Hezbollah”)
SZ: Söder macht für Merz den Weg frei
FAZ: Friedrich Merz wird Kanzlerkandidat der Union
Tagesspiegel: “Friedrich Merz macht’s”: CDU und CSU einigen sich auf Kanzlerkandidaten
Handelsblatt: Merz wird Kanzlerkandidat
Sächsische Zeitung: Intel verschiebt Bau in Magdeburg: Was heißt das für Dresden?
Zeit Online: Intel verschiebt Bau von Chipfabrik in Magdeburg
Spiegel: Aktuelle Karten zum Hochwasser in Deutschland und Österreich
Taz: Vernichtende Preiserhöhung
Handelsblatt: “Viele Superreiche sind wie Diktatoren”
NZZ: Oil boom in Guyana: The world takes notice of one of Latin America’s smallest nations
Deutschlandfunk
6:50 Uhr: Katarina Barley, MdEP (SPD): Kritik an neuer EU-Kommission
7:15 Uhr: Dorothee Bär, Mitglied des CSU-Präsidiums: Union in K-Frage geschlossen?
8:10 Uhr: Michael Kellner, Parlamentarischer Staatssekretär im BMWK: Wohin mit den Intel-Milliarden?
ZDF
6:30 Uhr: Friedrich Heinemann, ZEW: Intel
8:10 Uhr: Volker Wissing, Bundesverkehrsminister (FDP): Das Sanierungsprogramm der Deutschen Bahn
7:50 Uhr: Célia Šašić, DFB-Vizepräsidentin: Frauen im Fußball
18. September
Parteien I: Klausur der CSU-Landtagsfraktion. Mit Grundsatzrede von Markus Söder. Bad Staffelstein
Parteien II: Sommerfest der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Berlin, 18:30 Uhr
Gewerkschaften: Bundesweiter Aktionstag des DGB für mehr Tarifverträge im Rahmen der “Tarifwende-Kampagne”
Bauen I: Weltkongress der International Union for Housing Finance. Mit Rolf Bösinger, Staatssekretär im BMWSB. Humboldt Carré, Berlin
Bauen II: Bundeskongress Nationale Stadtentwicklungspolitik. Mit Elisabeth Kaiser, Parlamentarische Staatssekretärin im BMWSB. Heidelberg Informationen & Livestream
Bauen III: Klara Geywitz besucht die US-Militärklinik in Weilerbach. Ramstein-Miesenbach, 8 Uhr
Wirtschaft I: Der BDI stellt beim InnoNation-Festival die Ergebnisse des “Innovationsindikators” vor. Mit Robert Habeck. Berlin, 9 Uhr
Wirtschaft II: Keynote von Robert Habeck bei der IAA Transportation. Hannover, 16 Uhr
Wirtschaft III: US-Notenbank Fed entscheidet über ihren weiteren Kurs in der Geldpolitik. Washington D.C., 20 Uhr
Justiz: Das Bundesverfassungsgericht entscheidet über AfD-Klagen zur Wahl von Ausschussvorsitzenden im Bundestag. Karlsruhe, 10 Uhr
Bundespressekonferenz: Lisa Paus stellt den 17. Kinder- und Jugendbericht vor. 12:15 Uhr
Außenpolitik: Frank-Walter Steinmeier empfängt Königin Silvia von Schweden, 13 Uhr
Landtagswahl: Abschlussveranstaltung des BSW in Brandenburg. Mit Sahra Wagenknecht. Potsdam, 17 Uhr
Sportpolitik: Saisonauftakt der Sportmetropole Berlin. Mit Kai Wegner und Iris Spranger. Olympiastadion, 18 Uhr
18. September
Esther Dilcher, MdB (SPD), 59
Thomas Röwekamp, MdB (CDU), 58
Barbara Otte-Kinast, Vizepräsidentin des Landtags von Niedersachsen, 60
Unser Tipp führt Sie heute zur Frage, was gute Politik ausmacht. Peter Kurz, Ex-Oberbürgermeister von Mannheim (SPD), ruft dazu auf, die “allzu lange eingeübten Haltungen und Bedingungen” zu ändern. Die Bundespolitik braucht aus seiner Sicht ein größeres Ohr für die Expertise von Kommunen. Schließlich müssten diese umsetzen, was in Berlin beschlossen wird – auch wenn sie, wie so oft, nicht genug Personal oder Mittel dafür haben. Ein konstruktiver Appell über Parteigrenzen hinweg. Okan Bellikli
Peter Kurz: Gute Politik | S. Fischer
Das war’s für heute. Good night and good luck!
Heute haben Okan Bellikli, Stefan Braun, Michael Bröcker, Helene Bubrowski, Peter Fahrenholz, Arthur Fiedler, Damir Fras, Till Hoppe, Franziska Klemenz, Horand Knaup, Maximilian Stascheit und Vera Weidenbach mitgewirkt.
Der Berlin.Table ist das Late-Night-Briefing für die Table.Media-Community. Wenn Ihnen der Berlin.Table gefällt, empfehlen Sie uns bitte weiter. Wenn Ihnen diese Mail weitergeleitet wurde: Hier können Sie sich kostenlos anmelden.