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Talk of the Town: Scholz gegen Merz – Sofort auf Temperatur, oft kontrovers, meistens zivilisiert
Streitpunkt Migration: Union lotet bereits Kompromisslinien aus
Krieg und Ukraine: Kanzler und Kandidat erwarten keinen schnellen Trump-Frieden
Verhältnis zu Trump: Einigkeit und kleinere Differenzen
Klimaschutz: Praktisch kein Thema
Wirtschaft: Zwei sehr unterschiedliche Blicke auf das Land
Schuldenbremse: Merz will Reform nicht ausschließen
Sozialpolitik: Wie viel kann man beim Bürgergeld einsparen?
FDP-Parteitag: Anti-Grünen-Kurs als letzte Hoffnung
Merz und die CSU: In Erleichterung vereint
Chinesen in Deutschland: Migranten-Verein fordert mehr politische Teilhabe
Table.Documents: Wahlaufrufe von FDP und CDU + Referentenentwurf des BMI + Referentenentwurf des BMWK und des BMDV
Heads: Kaja Kallas
Best of Table: Schnelle Hilfe für Europas Autobauer + Afrika-Politik der CSU
Must-Reads: Berichte über Niedergang der Industrie sind übertrieben + Kretschmer für Sondervermögen + Unwuchten im Wahlsystem
Nachttisch: “Die Entscheidung” – Buch von Jens Bisky
Scholz gegen Merz: Sofort auf Temperatur, oft kontrovers, meistens zivilisiert
Von Stefan Braun und Damir Fras
Der Kanzler und der Kandidat haben sich im TV-Duell hart beharkt und zum Teil mit dem Vorwurf der Lüge überzogen, aber sich trotzdem eine in der Summe zivilisierte Auseinandersetzung geliefert. Beiden spürte man die Anspannung an; Merz blieb bemüht ruhig und gelassen, obwohl ihm manchmal erkennbar nach scharfer Replik zu Mute war. Scholz setzte mehr auf Zorn und Provokation, nannte Argumente von Merz “lächerlich”. So gesehen spiegelten sich im Verhalten nicht die aktuellen Rollen, sondern die Umfragewerte der beiden wider.
Die schärfste Auseinandersetzung kam gleich zu Beginn und drehte sich um die AfD. Scholz wiederholte seinen Vorwurf, er könne Merz nicht mehr trauen, nachdem dieser im Parlament eine Abstimmung mit der AfD zugelassen hatte. Merz verwies darauf, er habe stundenlang um eine Zusammenarbeit geworben, und bemühte sich zu versichern, dass es mit ihm nie eine Zusammenarbeit mit der AfD geben werde.
In einer Blitzumfrage zeigt sich wenig Potenzial für eine große Veränderung. Das Politbarometer kam zu dem Ergebnis, dass Scholz mit 37 Prozent knapp besser gewesen sei als Merz mit 34 Prozent. Dabei zeigte sich, dass Scholz vor allem bei jungen Wählern und Frauen punktete, während Merz knapp vorne lag bei den Älteren und deutlich bei den Männern. Zugleich zeigte eine dritte Frage, dass Scholz bei den Befragten sympathischer und glaubwürdiger wirkte, beide aber bei der Sachkunde gleichauf lagen.
Durchaus gut waren die Moderatorinnen. Maybrit Illner und Sandra Maischberger gelang es durch einen sachlichen Ton, dass die Kontrahenten trotz des Streits letztlich höflich blieben. Bei 90 Minuten blieben allerdings einige Themen außen vor, darunter sehr wichtige Baustellen wie die mangelhafte Digitalisierung, die Zukunft der Forschung, der Umgang mit Bildung oder auch die Vorstellungen vom Europa von morgen. Ärger dürfte es darüber geben, dass sie das Thema Klima nur durch eine Kurzfrage über Windräder integrierten.
Streitpunkt Migration: Union lotet bereits Kompromisslinien aus. Merz’ Kritik an der Migrationspolitik der Bundesregierung richtete sich in erster Linie gegen die Grünen. Mehrfach sprach er an, dass Maßnahmen zur strengeren Regulierung vor allem an ihnen gescheitert seien. Scholz verteidigte seinen Koalitionspartner nicht und versuchte, die Attacken seines Herausforderers mit der Auflistung eigener Erfolge zu parieren. Merz argumentierte emotionaler als Scholz, ließ sich vom Kanzler aber nicht zu unbedachten Äußerungen provozieren. Der Zuschauer musste am Ende für sich entscheiden: Sollte Deutschland Asylbewerber an den Außengrenzen zurückweisen und damit möglicherweise EU-Partner brüskieren? Dass es über die rechtlichen Folgen bei Merz und Scholz unterschiedliche Einschätzungen gibt, wurde deutlich.
Im Gegensatz zur scharfen Tonlage hier schaute vor allem Merz schon am Wochenende auf die Frage, wie man bei diesem Thema nach der Wahl trotzdem zusammenkommt. Die Union hofft darauf, dass vor allem die SPD spätestens mit der Wahl zum Umschwenken bereit ist. “Wenn die SPD Wahlkreise an die AfD verliert, müsste sie doch begreifen, auf welche Abwege sie sich da begeben hat”, sagte Merz am Rande des CSU-Parteitags.
Für eine Annäherung gibt es aus Sicht der Union eine Kompromisslinie. Sie hält es für denkbar, die umstrittene Zurückweisung von Flüchtlingen an den Grenzen nur so lange zu praktizieren, bis der europäische Asylkompromiss umgesetzt ist. Und sich gleichzeitig gemeinsam dafür einzusetzen, das neue EU-Asylsystem schneller als geplant in die Tat umzusetzen. Tatsächlich würde das neue System vor allem Deutschland stark entlasten. Es sieht vor, über offenkundig aussichtlose Asylanträge bereits in Flüchtlingszentren an den EU-Außengrenzen zu entscheiden. Peter Fahrenholz, Maximilian Stascheit
Translation missing.Krieg und Ukraine: Kanzler und Kandidat erwarten keinen schnellen Trump-Frieden. Merz hofft auf einen möglichen US-Friedensplan, den US-Vertreter nächste Woche auf der Münchner Sicherheitskonferenz präsentieren könnten. Die Kontrahenten stimmten auch überein, dass eine künftige Sicherheitspolitik für die Ukraine nicht ohne Kyjiw entschieden werden könne. Auffällig war, dass beide nicht klar Ja oder Nein antworteten auf die Frage, ob die Ukraine in die Nato soll. Sie verwiesen nur auf die Nato-Regel, dass kein Kriegsland Mitglied werden dürfe. Merz machte keine gute Figur bei der Taurus-Frage – bei der Lieferung der Marschflugkörper ist er nach eigener Aussage immer klar gewesen. Da widersprach ihm Illner und hielt ihm seine unterschiedlichen Positionen vor.
Weniger klar als Scholz blieb Merz auch bei der Frage, wie höhere Ausgaben für die Bundeswehr finanziert werden sollten. Auf achtzig Milliarden Euro bezifferte der Bundeskanzler den Verteidigungsetat ab 2028 – finanziert durch Steuererhöhungen oder eine Reform der Schuldenbremse. Auch wenn Merz bei der Höhe der künftigen Verteidigungsausgaben mit Scholz übereinstimmte – mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts, dem Nato-Ziel von 2014 – nannte er lediglich ein höheres Wirtschaftswachstum, dass die nötigen Mittel in die Kassen des Bundes spülen werde. Perspektivisch sieht Merz Ausgaben “in Richtung von drei Prozent” auf die Bundesrepublik zukommen, die durch Wachstum finanziert werden müssten – etwas, was der Kanzler angesichts einer Deckungslücke von dreißig Milliarden Euro zwischen dem jetzigen Verteidigungsetat und dem künftigen Bedarf als unrealistisch bezeichnete. Markus Bickel, Viktor Funk
Translation missing.Verhältnis zu Trump: Einigkeit und kleinere Differenzen. Worauf sich Deutschland und Europa bei Donald Trump einstellen müssen, schätzen Merz und Scholz ähnlich ein. Es dürfte unruhig werden im transatlantischen Verhältnis in den nächsten Jahren. Und beide sagen: Europa müsse geschlossen auf Drohungen Trumps reagieren, Zölle zu verhängen, und im Zweifel mit Gegenzöllen antworten.
Doch waren durchaus Unterschiede erkennbar. Merz ergänzte seine frühere Einschätzung, Trump sei berechenbar. Der US-Präsident sei “berechenbar unberechenbar”, erklärte er jetzt. Viele seiner Ankündigungen besorgten ihn zwar. Doch es müsse noch abgewartet werden, ob und welche Ideen der US-Präsident unbedingt durchsetzen wolle, so Merz. Scholz scheint sich weniger Hoffnungen zu machen, dass das Verhältnis der Europäer zu Trump ein freundschaftlich Verbindliches werden könnte. Die transatlantische Partnerschaft müsse zwar gepflegt werden, doch sei er auch für “klare Worte”, sagte Scholz. Trumps Vorschlag etwa, die Palästinenser aus dem Gaza-Streifen umzusiedeln und aus dem Landstreifen am Mittelmeer die “Riviera des Nahen Ostens” zu machen, nannte er “einen Skandal”. Damir Fras
Translation missing.Klimaschutz: Praktisch kein Thema. Wahrscheinlich wäre es bei Teilnahme von Robert Habeck anders gewesen. Verantwortlich aber waren in diesem Fall die beiden Moderatorinnen, die den Klimaschutz nur mit einer Kurzfrage ansprachen. Obwohl 2024 das erste Jahr war, in dem die 1,5-Grad-Grenze global überschritten wurde, sprachen Maischberger und Illner die Klimakrise lediglich bei den Satz-Vervollständigungen an – was Merz die Gelegenheit gab zu erklären, dass er Windräder “nicht schön, aber notwendig” findet. Und Scholz brüstete sich mit dem von den Grünen beschleunigten Erneuerbaren-Ausbau.
Eine Aussage von Merz ließ trotzdem aufhorchen: Der CDU-Chef kündigte an, zum Ausgleich für den CO₂-Preis ein Klimageld von 200 Euro pro Monat auszahlen zu wollen. Das würde Ausgaben von 200 Milliarden Euro pro Jahr bedeuten – und damit mehr als zehnmal so viel wie die gesamten Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung. Gemeint hat Merz vermutlich 200 Euro pro Jahr. Aber auch das wäre erstaunlich, weil damit die gesamten CO₂-Einnahmen als Klimageld rückerstattet würden – was zum einen nicht im Einklang mit EU-Vorgaben stehen dürfte und zum anderen dem CDU-Wahlprogramm widerspricht. Dort kündigt die Partei an: “Wir reduzieren mit den CO₂-Einnahmen zuerst die Stromsteuer und die Netzentgelte.” Malte Kreutzfeldt
Translation missing.Wirtschaft: Zwei sehr unterschiedliche Blicke auf das Land. Es ist das Thema, bei dem Merz besonders punkten wollte – schließlich präsentiert er sich als Mann für die Wirtschaft. Gelungen ist das zumindest teilweise: Der Herausforderer zeichnete ein düsteres Bild von der Lage in Deutschland: 300.000 verlorene Arbeitsplätze in der Industrie, drei Jahre Rezession, eine Rekordzahl an Insolvenzen. Scholz hielt dagegen, indem er auf den Höchststand bei der Beschäftigung und den Rückgang der Inflation verwies – und auf den russischen Angriffskrieg gegen die Union als Hauptursache der Wirtschaftskrise.
Wenig Neues gab es bei den möglichen Reaktionen auf die Krise: Scholz präsentierte erneut den “Made-in-Germany-Bonus”, mit dem Investitionen in Deutschland gezielt steuerlich gefördert werden sollen. Merz fordert dagegen vor allem massive Steuersenkungen. Auf die Frage, wie diese finanziert werden sollen, ohne zusätzliche Schulden in Kauf zu nehmen, hatte er keine Antwort, sondern zog die Berechnungen mehrerer renommierter Wirtschaftsinstitute zu den Steuerausfällen pauschal in Zweifel. Überraschend waren die Antworten auf die Frage, ob beim Bürokratieabbau eine “Kettensäge” erforderlich sei. Während Merz erklärte, dass dies nicht unbedingt seine Wortwahl wäre – er forderte einen “geordneten Rückbau” -, stimmte Scholz dem Bild unumwunden zu. Malte Kreutzfeldt
Schuldenbremse: Merz will Reform nicht ausschließen. Aber: Hohe Priorität hat eine Überarbeitung nicht. “Wir rechnen viel zu statisch”, argumentiert er. Seine Herleitung setzt vor allem auf das Prinzip Hoffnung: dass die Konjunktur anspringt, dass die Wirtschaft wächst, dass die Steuern wieder sprudeln. Das DIW warnt: 111 Milliarden Euro fehlten den öffentlichen Haushalten, setzte die Union ihre Wahlkampfzusagen um. Trotzdem will der Herausforderer die Einkommensteuer senken, will die Unternehmenssteuern (die es als Einzelsteuer nicht gibt), auf 25 Prozent reduzieren. Alles machbar, verspricht er, in vier Schritten. 50 Milliarden Euro seien allein 2025 durch zusätzliche Kredite möglich – und das im Rahmen der bestehenden Schuldenregelungen. Weitere 50 Milliarden durch einen Nachtragshaushalt für 2024. Unwahrscheinlich, dass beides einem Faktencheck standhält. Höchste Priorität haben für Merz jedoch Umschichtungen und Sparoperationen im Haushalt, weniger Personal im Öffentlichen Dienst, gezielter Subventionsabbau.
Der Kanzler sieht das grundlegend anders. “Uns fehlen schon 2025 25 Milliarden Euro”, sagt er. Und 2028, wenn das Sondervermögen Bundeswehr auslaufe, werde es richtig kritisch werden. Scholz’ klares Credo: “Wir brauchen eine Reform der Schuldenbremse.” Ohne Investitionen in die Bereiche Rente, Gesundheit, in Pflege und Bahn sei eine Modernisierung des Landes kaum vorstellbar. Dafür brauche es zusätzliche Mittel. Und weder Extra-Hilfen für die Ukraine noch drei Prozent für die Bundeswehr seien ohne neue Schuldenregelung vorstellbar. In vielen Nachbarländern seien diese Investitionen über Steuererhöhungen finanziert worden. Was er nicht sagte: Es dürfte dann nicht nur bei Erhöhungen für die Superreichen bleiben. Horand Knaup
Sozialpolitik: Wie viel kann man beim Bürgergeld sparen? Merz sagte, 100.000 in Arbeit gebrachte Leistungsempfänger würden mindestens 1,5 Milliarden Euro bringen. Abgesehen davon, dass ein Fünftel der erwerbsfähigen Bürgergeld-Bezieher nicht arbeitslos ist, sagen offizielle Zahlen etwas anderes: Auf eine Anfrage von Jens Spahn nannte das BMAS Ende 2023 65 Millionen Euro pro Monat, davon 56 Millionen Euro beim Bund – im Jahr wären das knapp 800 Millionen Euro. Die Unionsfraktion kam in einer eigenen Berechnung laut Bild damals auf 1,3 Milliarden Euro. In der Vergangenheit sagte Merz, man könne beim Bürgergeld einen zweistelligen Milliardenbetrag einsparen. Fachleute halten das für unmöglich. Das hat auch rechtliche Gründe, wie die Zeit aufgeschlüsselt hat. Gleichzeitig gelten auch die zuletzt von der Bundesregierung unter Scholz im Haushalt eingeplanten Einsparungen beim Bürgergeld als unrealistisch, wie das IW Köln kürzlich notierte. Okan Bellikli
FDP-Parteitag: Anti-Grünen-Kurs als letzte Hoffnung. Die Freien Demokraten setzten für die finale Wahlkampfphase darauf, potenzielle Unionswähler für sich zu gewinnen. Dazu verabschiedeten sie auf ihrem Parteitag am Sonntag einen Wahlaufruf, in dem sie eine Koalition mit den Grünen ausschließen. Friedrich Merz werde mit “an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit” Bundeskanzler, sagte Christian Lindner in seiner 50-minütigen Rede. Die Frage sei daher nicht “Merz, Scholz oder Habeck.” Die Frage sei “Lindner oder Habeck im Kabinett”. Gegen den CDU-Chef, der in der vergangenen Woche davor gewarnt hatte, Stimmen an die FDP zu verschenken, stichelte Lindner zwar, ohne aber zum harschen Gegenschlag auszuholen.
Die Stimmung in der Partei ist dennoch angespannt. Dass der Schwerpunkt des Wahlkampfs sich von der Wirtschaft zur Migration gewendet hat, macht es für die Liberalen nicht leichter. Wahlkämpfer berichten, dass das uneinheitliche Abstimmungsverhalten beim Zustrombegrenzungsgesetz zu einem Motivationsknick geführt habe. Zudem schwindet bei den Abgeordneten, die für einen Wiedereinzug ins Parlament auf ein Ergebnis von sieben oder mehr Prozent angewiesen wären, angesichts der stabil schlechten Umfragewerte von etwa vier Prozent allmählich die Hoffnung auf den persönlichen Erfolg.
Innerparteiliche Konflikte zwischen dem sozialliberalen und dem wirtschaftskonservativen Lager oder Kritik an Lindner trat auf der Bühne am Sonntag dennoch nicht zutage. Johannes Vogel, Konstantin Kuhle, Marie-Agnes Strack-Zimmermann und all jene, denen in den vergangenen Wochen vorgeworfen worden war, bereits den Lindner-Putsch zu planen, stärkten dem Parteichef in der Aussprache demonstrativ den Rücken. Sie wissen, dass es Geschlossenheit braucht, um in zwei Wochen noch eine Chance auf den Wiedereinzug zu haben. Und viele deuten hinter vorgehaltener Hand an, dass sich die Lindner-Ära unabhängig vom Wahlergebnis dem Ende zuneige. Selbst wenn der Parteichef als Minister in eine Deutschland-Koalition eintreten würde, dürften bis zum nächsten Parteitag im Mai Rufe nach einer Neuaufstellung der Parteiführung laut werden. Maximilian Stascheit
Merz und die CSU: In Erleichterung vereint. Auf dem CSU-Parteitag am Samstag war ein seltenes Bild zu beobachten: kollektive Erleichterung. Und zwar darüber, dass das riskante Manöver von Friedrich Merz, zuletzt im Bundestag beim Thema Migration eine Mehrheit mit der AfD in Kauf zu nehmen, offenbar nicht nach hinten losgegangen ist. Obwohl es seither in vielen Städten zu Großdemonstrationen gekommen ist (allein in München am Samstag mehr als 250.000 Menschen), haben die jüngsten Umfragen von ARD und ZDF die Union beruhigt: die Zahlen für die Union sind stabil geblieben. Merz selbst, der von den CSU-Delegierten minutenlang gefeiert wurde, wirkte befreit. “Am 23. Februar um 18 Uhr werden wir Grund zum Feiern haben”, kündigte er an.
Am Rande des Parteitages wurde viel über das Hauptmotiv für die gefährliche Gratwanderung gesprochen. Zahlreiche Delegierte berichteten von Begegnungen aus dem Wahlkampf, bei denen große Zweifel an der Entschlossenheit der Union geäußert worden seien. Nach dem Motto: Eure Worte klingen gut, aber das kommt doch eh nicht. Markus Söder bestätigte das in seiner Rede. “Die Bürger hören uns, aber fragen: Meint ihr das eigentlich ernst?”, sagte der CSU-Chef. Jetzt aber habe Merz bewiesen, dass er es ernst meine. Merz und Söder grenzten sich erneut scharf von der AfD ab. Er würde “die Seele der CDU verraten”, wenn er der AfD “auch nur den kleinen Finger reichen” würde, sagte Merz. Und Söder erklärte, die wahre Schutzmauer gegen die Rechtsextremisten sei die Union. Peter Fahrenholz
Chinesen in Deutschland: Migranten-Verein fordert mehr politische Teilhabe. Der Verein 706 Berlin ist eines der größten Netzwerke junger chinesischer Migranten in Deutschland. Vor der Bundestagswahl kritisieren die Vorstandsmitglieder Rui Li und Chao Tan im Interview, dass regierungsunabhängige chinesische Gruppen fast keine Stimme in deutschen Debatten über China haben. Die eingeschränkte Sicht auf ihr Land mache sich für viele auch im Alltag bemerkbar. “Wenn wir mit Menschen hier sprechen, treffen wir auf viele, oft negative, Vorannahmen über China und die Bevölkerung dort.” Zudem befürchtet der Verein eine zunehmend ausgrenzende Grundstimmung. Deutschland werde bei einem weiteren Erstarken der AfD für junge gut ausgebildete Menschen aus China an Attraktivität verlieren. Wie der Verein unabhängigen chinesischen Stimmen in deutschen Debatten mehr Raum verschaffen will, lesen Sie im China.Table. Leonardo Pape
Translation missing.Wahlaufruf der FDP
Wahlaufruf der CSU
Referentenentwurf des BMI für eine Verordnung über Standards für den Onlinezugang zu Verwaltungsdienstleistungen
Referentenentwurf des BMWK und des BMDV für ein Data-Act-Durchführungsgesetz
Kaja Kallas, die Außenbeauftragte der EU, erhält am Samstag von der Münchner Sicherheitskonferenz den Ewald von Kleist-Award für ihr politisches Engagement für die Ukraine. Die Laudatio hält Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Kallas gilt in Europa als eine der engagiertesten Unterstützerinnen der Ukraine. Die frühere estnische Ministerpräsidentin hatte sich kurz nach dem russischen Überfall auf die Ukraine für die vehemente militärische Unterstützung der Ukraine ausgesprochen und die baltischen Staaten koordiniert. MSC-Leiter und Botschafter Christoph Heusgen nennt Kallas eine “beeindruckende, widerstandsfähige und weithin geachtete politische Führungspersönlichkeit”. Der Preis, der an den früheren Widerstandskämpfer in Nazi-Deutschland, Ewald von Kleist, erinnert, wird in der Münchner Residenz übergeben.
Translation missing.Europe: Schnelle Hilfe für Europas Autobauer. Der Action Plan der EU-Kommission für Europas Automobilindustrie soll bereits Anfang März präsentiert werden. Beobachter gehen davon aus, dass der Plan weitgehend steht. Welche Themen er aufgreifen könnte, lesen Sie hier.
China: Wie sich die CSU eine Afrika-Politik vorstellt. Häfen, Eisenbahnen, Flughäfen: Chinas Investitionen sind überall in Afrika sichtbar. Europa und Deutschland sollten den Nachbarkontinent nicht Peking überlassen, fordert Wolfgang Stefinger, CSU-Politiker und Afrika-Experte. Er plädiert für mehr demokratisches Selbstbewusstsein. Wie das gelingen kann, lesen Sie hier.
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FT: Berichte über den Niedergang der deutschen Industrie sind übertrieben. Tej Parikh kommt zu dem Schluss, dass das verarbeitende Gewerbe “erstaunlich widerstandsfähig und agil” sei. “Trotz der düsteren Nachrichten über die deutsche Wirtschaft hat der Dax im vergangenen Jahr alle anderen wichtigen Indizes – einschließlich des S&P 500 – übertroffen.” Unabhängig von der Zusammensetzung der Regierung sei das Glas halb voll. Selbst marginale Verbesserungen in der Politik könnten das Produktivitätswachstum ankurbeln. (“Germany’s weak economy has strong foundations”)
Deutschlandfunk: Kretschmer für Sondervermögen. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer spricht sich dafür aus, zwei Sondervermögen von jeweils 100 Milliarden Euro einzurichten. Auf diese Weise könne man in wichtigen Teilbereichen Ausnahmen von der Schuldenbremse ermöglichen – für die Modernisierung der Bahn sowie die finanzielle Ausstattung von Ländern und Kommunen für Kitas, Schulen und Sportstätten. (“Kretschmer will 90 Prozent weniger Migration”)
SZ: Unwuchten im Wahlsystem. Nur drei Viertel der 60 Millionen Wahlberechtigten werden wohl wählen. Das sind nur etwa 55 Prozent aller 84 Millionen Menschen. Falls FDP, Linke und BSW an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, wäre der Wählerwille von fast neun Millionen weiteren Menschen nicht im Bundestag repräsentiert. FDP und Linke haben besonders vieler junge Wähler, so dass davon tendenziell die alten Volksparteien SPD und Union profitieren, die häufiger von älteren Menschen gewählt werden. (“Wer die Wahl entscheidet”)
FAZ: Welchen Einfluss hat der Benzinpreis auf die Geschwindigkeit? Das fragten Wissenschaftler der Uni Münster und fanden heraus: Steigt der Benzinpreis um 30 Cent pro Liter, geht auf Autobahnschnitten mit Tempolimit und einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 112 km/h die Geschwindigkeit um 0,75 km/h zurück, auf Abschnitten ohne Tempolimit sogar um 1,2 km/h. Für NRW hieße das: Würde bei den 860 Millionen jährlichen Autobahnfahrten die Geschwindigkeit ein wenig reduziert, führte dies in der Summe zu Einsparungen von mehr als 32 Millionen Liter Kraftstoff. (“Der Preis der Geschwindigkeit”)
Nicht überlesen!
FAS: Schuldenbremse-Reform, aber anders. Die bestehenden Vorgaben gehen nicht weit genug, schreiben Lars Feld und Ex-BMF-Staatssekretär Wolf Reuter in einem Gastbeitrag. Demnach sollte etwa die auf EU-Ebene aufgenommene Neuverschuldung anteilig in der deutschen Verschuldung berücksichtigt werden. (“Die Schuldenbremse ist nicht streng genug”)
NYT: Trumps Politik ermutigt andere Länder zu Handelsbündnissen. Die protektionistische Handelspolitik von Donald Trump hat eine internationale Entwicklung beschleunigt. Die EU habe allein drei neue Handelsabkommen abgeschlossen. Die BRICS-Staaten nehmen neue Partner auf. Die ASEAN verhandle mit den Ländern des Golfkooperationsrats. Es gebe immer mehr tiefer gehende Handelsbeziehungen unter Ausschluss der USA, sagt Jacob F. Kirkegaard vom Peterson Institute for International Economics. (“One Response to Trump’s Tariffs: Trade That Excludes the U.S.”)
SZ: Bundeswehr alarmiert wegen Drohnen
FAZ: FDP schließt Koalition mit Grünen nach der Bundestagswahl aus
Tagesspiegel: DIW-Studie zerlegt Steuerpläne – Wahlversprechen von CDU, FDP und AfD belasten Staatshaushalt
Handelsblatt: Riskante Wachstumswette
Sächsische Zeitung: Geburtenzahlen in Sachsen gehen erneut zurück
Zeit Online: Israelische Ärzte sorgen sich um freigelassene Geiseln
Spiegel: Demoskopie – Wahlforscher sieht Gegenmobilisierung in den Umfragen
Taz: Rechtsextreme und Homosexualität: Who the fuck is Alice?
Handelsblatt: Persil-Hersteller stellt Marken im Milliarden-Wert ein
NZZ: Die Vergoldung der Alpen – Wie die Schweizer Berge auf Luxus getrimmt werden
Deutschlandfunk
6:50 Uhr: Antonio Krüger, Deutsches Forschungszentrum für KI: KI-Gipfel in Paris
7:15 Uhr: Matthias Miersch, SPD-Generalsekretär: TV-Duell Scholz und Merz
7:25 Uhr: Philipp Amthor, MdB (CDU): TV-Duell Scholz und Merz
8:10 Uhr: Jochen Hellbeck, Historiker über sein neues Buch: “Ein Krieg wie kein anderer”
Das Erste
6:10 Uhr/7:35 Uhr: Thomas Zwingmann, Verbraucherzentrale NRW: Steigende Nachfrage nach Wärmepumpen
8:05 Uhr: Karla Bauszus, Studentin der Nachhaltigkeitswissenschaft/Christian Lindner, FDP-Spitzenkandidat: 6 Minuten für meine Stimme
8:35 Uhr: Karla Bauszus, Studentin der Nachhaltigkeitswissenschaft: 6 Minuten für meine Stimme
Highlights der Woche
Am Montag stellt die Fotokünstlerin Herlinde Koelbl in Anwesenheit von Boris Pistorius ihr Interviewbuch Pistorius vor. Es moderiert Table.Briefings-Chefredakteur Michael Bröcker. Max-Liebermann-Haus, 19.30 Uhr.
Am Montag, kurz vor der 61. Münchner Sicherheitskonferenz, präsentieren MSC-Chairman Christoph Heusgen, Tobias Bunde und Sophie Eisentraut in Berlin die Neuauflage des Munich-Security-Reports. Los geht es in der Bundespressekonferenz um 10 Uhr. Um 12 Uhr trifft sich die Sicherheitsszene zum offiziellen Kick-off in der Landesvertretung von Bayern. Dabei sind der ehemalige EU-Kommissar Margaritis Schinas und Polens Vize-Außenminister Marek Prawda.
Am Dienstag findet die voraussichtlich letzte Plenarsitzung vor der Wahl statt.
Am Donnerstag stellen sich Olaf Scholz, Friedrich Merz, Robert Habeck und Alice Weidel um 19:25 Uhr live im ZDF-Wahlforum den Fragen der Bürgerinnen und Bürger. Die Moderation übernehmen Bettina Schausten und Christian Sievers.
Am Donnerstag beginnt die 75. Berlinale. Sie geht bis zum 23. Februar.
Von Freitag bis Sonntag findet die Münchner Sicherheitskonferenz statt. Es werden rund 60 Staats- und Regierungschefs sowie 150 Ministerinnen und Minister aus aller Welt erwartet. Zu den Gästen zählen Frank-Walter Steinmeier, Olaf Scholz, Boris Pistorius, Ursula von der Leyen und J.D. Vance.
Am Sonntag treten Olaf Scholz, Friedrich Merz, Robert Habeck und Alice Weidel live um 20:15 Uhr bei RTL, ntv und stern im “Quadrell” gegeneinander an, moderiert von Pinar Atalay und Günther Jauch. Vor dem Duell kommen ab 19 Uhr bereits Sahra Wagenknecht, Christian Lindner und Gregor Gysi zu Wort.
10. Februar
Rechtsausschuss: Öffentliche Anhörung zu Neuregelungen bei Schwangerschaftsabbrüchen. Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, 17 Uhr.
Innenausschuss: Öffentliche Anhörung zur Änderung des Landeswahlgesetztes mit Landeswahlleiter Stephan Bröchler. Bernhard-Letterhaus-Saal, 9 Uhr
KI: AI-Action Summit in Paris. Mit Olaf Scholz und J.D. Vance. Weitere Informationen
Verteidigung: Boris Pistorius empfängt den EU-Kommissar für Verteidigung und Raumfahrt Andrius Kubilius. BMVg, 16 Uhr
Tacheles Pur: Diskussionsrunde der Jüdischen Allgemeinen über die Haltung der Spitzenkandidaten zur Bundestagswahl und mögliche Regierungsoptionen. Mit Dinah Riese, Jan Philipp Burgard, Stefanie Witte und Tobias Rapp. Theater Die Stachelschweine, Europa-Center, 19 Uhr. Weitere Informationen
TV: Stephan Lamby und Christian Bock haben für ihre Dokumentation Die Vertrauensfrage den Wahlkampf begleitet. Das Erste, 20:15 Uhr. Mediathek
Wahlkampf-Termine
TV: Robert Habeck und Alice Weidel stellen sich bei “Was nun?” live den Fragen von Bettina Schausten und Anne Gellinek. 19:25 Uhr. Weitere Informationen
SPD: Olaf Scholz ist zu Gast im Filmpalast Capitol in Schwerin. 14 Uhr
BSW: Sahra Wagenknecht tritt in der Messe Dresden auf. 17 Uhr
Linke: Gregor Gysi und Ines Schwerdtner sprechen im Genossenschaftssaal Vorwärts in Berlin. 17:30 Uhr
Grüne: Robert Habeck und Steffi Lemke treten in der Georg-Friedrich-Händel-Halle in Halle auf (19 Uhr). Annalena Baerbock lädt in Jakobshagen zum Bürgergespräch ein (18 Uhr).
Frank Bsirske, MdB (Grüne), 73
Peter Ramsauer, MdB (CSU), 71
Johann Wadephul, MdB (CDU), 62
Tom Schilling, Schauspieler, 43
Unser Tipp führt Sie heute in den Oktober 1929. Jenen Monat, in dem der über Jahre wichtigste Politiker der Weimarer Republik, Gustav Stresemann, stirbt. Jens Bisky nimmt das Ereignis zum Ausgangspunkt für einen erschreckend klaren Blick auf alles, was dann folgt, bis die Nazis ihre Macht etabliert haben. Minutiös schildert Bisky, warum die Parteien der Mitte nicht zusammenfinden, wie die Angst vor den Faschisten steigt, die Bauern mit Gewalt protestieren, die Ränder von der gegenseitigen Aggressivität leben – und das Land trotz sehr klarer Analysen und Prognosen nicht mehr zusammenfindet. Man liest es, man reibt sich die Augen – und will nicht glauben, wie sehr Heutiges immer mehr an Damaliges erinnert. Stefan Braun
Jens Bisky: Die Entscheidung | Rowohlt-Verlag – Leseprobe
Das war’s für heute. Good night and good luck!
Heute haben Okan Bellikli, Stefan Braun, Markus Bickel, Peter Fahrenholz, Viktor Funk, Damir Fras, Horand Knaup, Malte Kreutzfeldt, Carli Bess Kutschera, Leonardo Pape, Sven Siebert und Maximilian Stascheit mitgewirkt.
Der Berlin.Table ist das Late-Night-Briefing für die Table.Media-Community. Wenn Ihnen der Berlin.Table gefällt, empfehlen Sie uns bitte weiter. Wenn Ihnen diese Mail weitergeleitet wurde: Hier können Sie sich kostenlos anmelden.