Table.Briefing: Berlin

Das Late-Night-Briefing für die Hauptstadt

Das Late-Night-Briefing für die Hauptstadt

Liebe Leserin, lieber Leser,

wir begrüßen Sie herzlich. Diese Informationen bieten wir Ihnen heute Abend:

Talk of the Town: Komplexer Sozialstaat – Warum eine Reform so schwer ist 

Rekordsumme: Krypto-Börse spendet 1,75 Millionen Euro an CDU/CSU, SPD und FDP 

Sachsen: AfD übernimmt Vorsitz bei zentralen Landtagsausschüssen 

Atomausschuss: Marathon-Befragung von Lemke ohne neue Erkenntnisse 

Kommunale Altschulden: Lösung vor der Wahl unwahrscheinlich  

Syrien-Flüchtlinge: Wadephul kritisiert Baerbocks Shuttle-Diplomatie

Klimaneutrale Energie: VKU rechnet mit Finanzbedarf von 721 Milliarden Euro 

Kohleausstieg: Warum Verzögerung die Versorgungssicherheit nicht unbedingt erhöht 

Soziale Medien: Keine Partei so präsent wie die AfD 

Wirtschaft: Deutschland schrumpft, Spanien wächst 

Table.Documents: Positionspapier des VKU + Familienbericht des BMFSFJ + Bericht des BDI 

Heads: Stephanie Aeffner + Ina Czyborra 

Best of Table: Polens Kohleausstieg + Klimaschutz, Chance für die Landwirtschaft + Wie Peking eine Annexion Taiwans rechtfertigen will 

Must-Reads: Waffenruhe in Gaza + Polizeibehörden schlecht vernetzt + Vorschule als Verpflichtung 

Nachttisch: “Den Bach rauf” – Buch von Robert Habeck


Talk of the Town

Fordert eine “Managementkultur” statt Verwaltungsdenken: Katja Robinson

Komplexer Sozialstaat: Warum eine Reform so schwer ist 

Von Okan Bellikli 

Aus Sicht von Fachleuten hat sich das Sozialsystem in Deutschland so sehr in Bürokratie und unterschiedlichen Verantwortlichkeiten verheddert, dass der Spielraum für Veränderungen gegen null geht. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags ist sogar zu dem Ergebnis gekommen, dass niemand ganz genau sagen kann, wie viele Sozialleistungen es in Deutschland überhaupt gibt. Der Auftraggeber der Analyse, der CDU-Politiker Kai Whittaker, sagte Table.Briefings: “Unser Sozialstaat ist ein undurchsichtiges, bürokratisches und teures Labyrinth geworden.”   

Ein Blick in die Praxis zeigt, dass tiefgreifende Reformen kaum mehr möglich sind. Die Chefin des Kölner Sozialamts, Katja Robinson, kann darüber eine lange Geschichte erzählen. Und sie erklärt auch, wo ein Schlüsselproblem liegt: “Wenn ein Wirtschaftsunternehmen schlecht läuft, kann es insolvent gehen, die nicht lukrativen Bereiche abschalten und neu anfangen”, sagte sie Table.Briefings. Der Sozialstaat mit seiner Verwaltung aber könne das nicht. Aus Robinsons Sicht braucht es eine “Managementkultur”: Sie verlangt, mehr in Prozessen zu denken, statt nur Verfahren abzuarbeiten. “Das System ist so sehr auf Perfektion ausgerichtet, dass wir strukturell lernen müssen, loszulassen”, so die Juristin.  

Keiner wolle Fehler machen. Weil jeder im Gesetz festgeschriebene Schritt “potenziell von Rechnungsprüfungsämtern, Rechnungshöfen und Gerichten geprüft wird”, sei das ganze Gefüge auf Rechtmäßigkeit und Einzelfallgerechtigkeit getrimmt. Robinson plädiert für eine engere Zusammenarbeit über die verschiedenen Teile des Sozialgesetzbuchs hinweg: Für die Umsetzung etwa des SGB II sind die Jobcenter zuständig, für das SGB III die Agenturen für Arbeit und für das SGB XII die Sozialämter. Bisher grenze sich jedes System mangels Ressourcen von dem anderen ab. 

Ein strukturelles Problem liegt für sie auch im Föderalismus. Wenn in Berlin ein Gesetz verabschiedet ist, “wird das dort gefeiert – umsetzen müssen es aber andere”, sagte die Amtschefin. Im Zweifel setze das Land dann noch ein Ausführungsgesetz obendrauf, bevor es dann an die personell und finanziell unterbesetzten Kommunen gehe. Helfen würde aus Robinsons Sicht, wenn der Bund die Auszahlung von Leistungen zentral über die Finanzverwaltung abwickeln würde. Allein in Köln seien 400 von 950 Leuten nur damit beschäftigt, die Sozialhilfe zu berechnen, auszuzahlen und dazu zu beraten. 

Einfach mal ein bisschen was “zu vereinfachen”, hält sie für unmöglich. Sie beklagt, dass “die Wirkung von Veränderungen in diesem komplexen System überhaupt nicht abschätzbar ist”. Das habe die Kindergrundsicherung gezeigt, bei der in der geplanten Form drei verschiedene Gerichtsbarkeiten zuständig gewesen wären: Sozial, Finanzen und Verwaltung. Zudem hat die Kommunalpolitik laut Robinson andere Sorgen als die Umsetzung von kompliziertem Bundesrecht. Auch CDU-MdB Whittaker, der das Gutachten zum Thema in Auftrag gegeben hatte, sieht Änderungsbedarf: Er fordert ein einziges System der Grundsicherung – bisher gibt es mit dem Bürgergeld auf der einen sowie Wohngeld und Kinderzuschlag auf der anderen Seite de facto zwei. Was der Bund aus Robinsons Sicht tun sollte, lesen Sie im Interview des Berlin.Table.  

Translation missing.

News

Eric Demuth, CEO Bitpanda

Rekordsumme: Krypto-Börse spendet 1,75 Millionen Euro an CDU/CSU, SPD und FDP. Das ist der bisher höchste Betrag, den ein einzelnes Unternehmen im Vorfeld der Bundestagswahl gespendet hat. Initiator der Spende ist Eric Demuth, Chef von Bitpanda, Europas größter Handelsplattform für Kryptowährungen. Der in Wismar geborene Tech-Manager will mit dem Geld eine Politik der Mitte stützen und in Europa ein Zeichen setzen. “Ein starkes Europa gibt es nur mit einem starken Deutschland”, sagte Demuth Table.Briefings. Stark bleibe Deutschland aber nur, wenn es wieder eine international angesehene Wirtschaftsmacht werde. Er sei überzeugt, dass die von ihm unterstützten Parteien die Mittel sinnvoll einsetzen werden, um die “Zukunfts-Themen” voranzutreiben. Dazu gehöre zwingend der digitale Wandel. “CDU, CSU, SPD und FDP haben für mich die überzeugendsten Ansätze, wie wir die digitale Transformation, wirtschaftliche Stabilität und den Aufbau neuer Kompetenzen vorantreiben können”, sagte Demuth. Jeweils 500.000 Euro sollen an CDU, SPD und FDP gehen, 250.000 Euro an die CSU.  

Bitpanda sitzt in Wien und ist Europas größte Handelsplattform für Kryptowährungen, ETFs, Rohstoffe und Wertpapiere. Die Kryptowährungen, die 2009 erstmals mit dem Bitcoin auf den Markt kamen, sind auch Gegenstand der politischen Debatte. Kritiker fürchten negative Folgen für die Finanzmärkte durch Spekulationen. Seit Mitte 2023 gilt in der EU deshalb der einheitliche Rechtsrahmen MICAR, der die Kryptowährungen reguliert. In Deutschland ist die dem Finanzministerium unterstellte BaFin für die Kontrolle zuständig.  

In den Wahlprogrammen von Union, SPD und Linken werden Kryptowährungen nicht erwähnt. Die AfD begrüßt den Bitcoin als “Kandidat im Wettbewerb der Währungen”. Die Grünen behandeln die neuen Währungen nur im Kapitel “Organisierte Kriminalität” und wollen mit einer bundesweiten Servicestelle gegen Missbrauch vorgehen. Die FDP empfiehlt die Währung hingegen als offizielle Reservewährung für EZB und Bundesbank. Auch “Krypto-ETF” sollen verstärkt zugelassen werden, also indexierte Anlagefonds für diese Währungen. Michael Bröcker

Über seine Spende spricht Eric Demuth auch im Podcast Table.Today. Das Gespräch hören Sie ab 6 Uhr hier.


Sachsen: AfD übernimmt Vorsitz bei zentralen Landtagsausschüssen. Nach Informationen von Table.Briefings übernimmt die AfD von der CDU die Vorsitze für Sachsens Innen- und Justizausschuss, wofür die CDU von der AfD Soziales erhält. Als Vorsitzenden für Inneres setzt die AfD den früheren Polizisten Lars Kuppi ein, der sich 2022 an damals verbotenen Protesten des Querdenker-Milieus beteiligte. Justiz soll der frühere Vermögensberater Alexander Wiesner übernehmen. Holger Hentschel bleibt Finanz- und Romy Penz Bildungsausschussvorsitzende der AfD.  

Die CDU sitzt fünf Ausschüssen vor, BSW und SPD jeweils einem. Die Fraktionen mit Anspruch auf Ausschüsse handeln untereinander aus, wer welchen erhält. Der Innenausschuss befasst sich unter anderem mit dem Landesamt für Verfassungsschutz, der die Sachsen-AfD als gesichert rechtsextrem eingestuft hat. AfD-Bundesschatzmeister Carsten Hütter ist mit CDU-Unterstützung weiter Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission, die auch über den Verfassungsschutz wacht. Franziska Klemenz 


Atomausschuss: Marathon-Befragung von Lemke bringt kaum neue Erkenntnisse. Es war die bisher längste Zeugenvernehmung im Untersuchungsausschuss zum Atomausstieg: Über sieben Stunden lang stand Bundesumweltministerin Steffi Lemke Rede und Antwort. Sie machte dabei zwar deutlich, dass sie Atomkraft für ein großes Risiko hält; den Vorwurf, dass ihr Ministerium bei der Prüfung einer Verlängerung der Laufzeiten über das Jahresende 2022 hinaus voreingenommen gewesen sei, wies sie aber entschieden zurück. Diese Möglichkeit sei “sehr ernsthaft geprüft” und schließlich auch umgesetzt worden, betonte sie.  

Erst am frühen Abend begann die Befragung von Christian Lindner. Der frühere Bundesfinanzminister erklärte, nach seinem Eindruck hätten “parteitaktische Erwägungen” bei der Entscheidung eine große Rolle gespielt. Er sei “überzeugt, dass es weitergehende Optionen gegeben hätte” als den Weiterbetrieb für dreieinhalb Monate. Zudem bestätigte Lindner, dass die Richtlinienentscheidung des Kanzlers vorab mit ihm und Habeck abgesprochen war. Die ebenfalls für Mittwoch geplante Vernehmung von Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt hatte bis Redaktionsschluss noch nicht begonnen. 

Seinen Höhepunkt erreicht der Ausschuss an diesem Donnerstag. Dann sind Robert Habeck und Olaf Scholz vorgeladen. Der Ausschussvorsitzende Stefan Heck (CDU) wirft auch ihnen vor, die Möglichkeit längerer Laufzeiten nicht ergebnisoffen geprüft zu haben. “Nach allen Fakten, die uns vorliegen, war das nicht der Fall” sagte Heck Table.Briefings. Nach Durchsicht aller veröffentlichten Mails und Akten der zuständigen Ministerien sei die Lage für ihn eindeutig. “Es gab eine Offenheit auf der Fachebene in beiden Ministerien, aber beim zuständigen Abteilungsleiter im Umweltministerium und beim Staatssekretär im Wirtschaftsministerium wurde daraus eine Festlegung gegen einen Weiterbetrieb.” SPD-Obmann Jakob Blankenburg betonte dagegen, die Bundesregierung habe “besonnen gehandelt, indem wir die drei verbliebenen Kernkraftwerke noch für einige Monate weiter in einen Streckbetrieb geschickt haben”. Michael Bröcker, Malte Kreutzfeldt


Kommunale Altschulden: Lösung vor der Wahl unwahrscheinlich. Die schon länger geplante hälftige Übernahme der Schulden der Kommunen durch den Bund dürfte trotz Bemühungen des BMF nicht mehr kommen. Dafür wäre eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat nötig, weil es einer Grundgesetz-Änderung bedarf. Mit einer Zustimmung der Union ist nicht zu rechnen. Ina Scharrenbach, CDU-Kommunalministerin in NRW, sieht ein Wahlkampf-Manöver des SPD-geführten Bundesfinanzministeriums. Keine Regierung habe jemals “so schamlos in die kommunalen Kassen gegriffen” wie die unter Olaf Scholz, sagte die Politikerin Table.Briefings. Scharrenbach ist Mitglied des CDU-Präsidiums und stellvertretende Landesvorsitzende. 

Zuvor hatte das BMF einen Entwurf vorgelegt. Er sieht eine einmalige Ausnahmeregelung für die Beteiligung des Bundes vor. Im Herbst hatte der damalige FDP-Finanzminister Christian Lindner in einem Brief Scharrenbach und NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) darum gebeten, in ihrer Partei für eine Zustimmung zu werben. Okan Bellikli


Syrien-Flüchtlinge: Wadephul kritisiert Baerbocks Shuttle-Diplomatie. Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Johann Wadephul, fordert rasch weitere Schritte, um Beziehungen zur neuen syrischen Regierung aufzubauen. “Es muss eine der Top-Prioritäten der deutschen Außenpolitik sein, ein belastbares Verhältnis zu den neuen Machthabern in Syrien aufzubauen und die Entwicklungen in enger Partnerschaft mit den regionalen Akteuren in eine gute Richtung zu bringen”, sagte Wadephul Table.Briefings. Dabei sei aber nicht nur “Shuttle-Diplomatie gefragt”, sagte der CDU-Politiker mit Blick auf Außenministerin Annalena Baerbock. “Wir brauchen ein gemeinsames, kohärentes Vorgehen der verschiedenen Bundesressorts, das ich aktuell noch nicht sehe.” Die Regierung müsse sich auch in ihren letzten Wochen noch mit all ihrem Gewicht einbringen. Michael Bröcker


Wissenschaftsrat: Vier Prozent des BIP für Forschung und Entwicklung. Für eine starke Forschungs- und Innovationspolitik brauche es mehr Geld und eine Priorisierung der Vorhaben, sagt der Wissenschaftsratsvorsitzende Wolfgang Wick. Im Interview mit Table.Briefings weist er auf die Innovationslücke in Deutschland hin. “Wir werden derzeit von Ländern wie den USA, Israel, Südkorea und auch China abgehängt.” In der nächsten Legislaturperiode brauche es jedoch nicht nur Investitionen in Innovation und Transfer, sondern auch in Forschungsinfrastruktur. Was der Mediziner vom Vorschlag von Alice Weidel zur Abschaffung der Genderforschungs-Professuren hält, lesen Sie im Research.TableMarkus Weißkopf 


Klimaneutrale Energie: VKU rechnet mit Finanzbedarf von 721 Milliarden Euro. Der Verband der kommunalen Unternehmen, darunter 800 Stadtwerke, fordert eine größere Planungssicherheit für die Energiewende. “Die Stadtwerke brauchen planbare und verlässliche politische Rahmenbedingungen”, sagte der VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing Table.Briefings. “Wir müssen wieder in langfristigen Planungs- und Umsetzungszyklen denken, weil Infrastrukturen für Generationen gebaut werden.” In der Energie- und Klimapolitik fordert der VKU “einen Realitäts- und Kostencheck”. Man dürfe keine CO2-Reduktionen feiern, die sich wie 2023 nur aus einem Rückgang der Wirtschaftsleistung ergebe.  

Oberste Priorität für eine neue Regierung müsse die Versorgungssicherheit haben. Auch wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint. Liebing: “Dann brauchen wir neue beziehungsweise modernisierte Gaskraftwerke.”  Auch die Wärmewende sei noch nicht vorangekommen, sagt Liebing. “Wir heizen zu 75 Prozent fossil, der Wärmepumpen-Absatz ist eingebrochen, stattdessen sehen wir einen Boom bei Öl- und Gasheizungen.” Im Positionspapier des VKU zur Bundestagswahl ist von einem stagnierenden Fernwärmemarkt die Rede. Den Bedarf für einen klimaneutralen Energiesektor bis 2030 beziffert der VKU auf 721 Milliarden Euro. Michael Bröcker


Kohleausstieg: Warum Verzögerung die Versorgungssicherheit nicht unbedingt erhöht. Die CDU-Forderung, es dürfe “auf dem Weg” zum Kohleausstieg “kein weiteres endgültiges Abschalten von Kohlekraftwerken geben, solange als Ersatz keine neuen Gaskraftwerke” gebaut sind, trifft bei Experten auf Skepsis. Ohnehin sei geplant, dass einige der Kohlemeiler, die in den 2020er Jahren abgeschaltet werden sollen, in die Sicherheitsbereitschaft gehen. Andere Instrumente zur Sicherung der Energieversorgung könnten günstiger sein, etwa indem Angebot und Nachfrage effizienter zusammengebracht werden. Dadurch ließe sich “der Bedarf an fossilen Back-Up-Kraftwerken geringer halten”, sagt Bernd Weber vom Think-Tank Epico. Warum auch die Strompreise und Netzentgelte bei dem Vorschlag steigen könnten, lesen Sie in einem Faktencheck im Climate.TableNico Beckert


Soziale Medien: Keine Partei so präsent wie die AfD. Welchen Einfluss soziale Plattformen bei jungen Menschen haben, hat jüngst der Boom der “Dubai-Schokolade” gezeigt. Und in der politischen Auseinandersetzung? Gibt es dort so etwas wie politische Dubai-Schokolade? Die Sorgen angesichts des politischen Wirkens des reichsten Mannes der Welt auf und jenseits seiner Plattform X sind groß. Die Befürchtung ist nicht zuletzt, Elon Musk könnte den Wahlkampf in Deutschland beeinflussen. Die Befragung von knapp 8.000 jungen Menschen zwischen 15 und 20 Jahren im Vorfeld der Europawahl hat ergeben, dass diese Sorgen berechtigt sind. Das Ergebnis: Eine Mehrheit junger Menschen nimmt bestimmte Parteien auf ihren Social-Media-Kanälen als besonders präsent wahr; nur jeweils rund 20 Prozent können diese Fragen entweder nicht beantworten oder sagen “alle Parteien gleich”. Die sichtbarste Partei ist mit großem Vorsprung und 38,1 Prozent (bezogen auf alle Befragten) die AfD. In weitem Abstand folgen die anderen Parteien: Grüne (5,1 Prozent), SPD (3,6), Linke (3,1) und Union (2,6). 

Damit soziale Netzwerke politischen Einfluss erzielen, müssen zwei Bedingungen erfüllt sein: Nutzer der Plattformen müssen erstens bestimmte Inhalte wahrnehmen, zweitens müssen diese Inhalte sie überzeugen. Dabei gilt: Ohne Wahrnehmung gibt es keine Überzeugung. Daher wurde im Rahmen der “Jugendwahlstudie zur Europawahl 2024” direkt nach dieser notwendigen Bedingung gefragt: Kamen kurz vor der Europawahl Parteien mit ihren Inhalten besonders häufig in den Social Networks vor? Das Ergebnis ist ernüchternd, die verzerrte Wahrnehmung der Präsenz von Parteien spiegelt aber nicht automatisch auch die Stärke des Einflusses wider. Aber es bedeutet doch: Wenn ein Einfluss von diesen Präsenzen ausgeht, dann am ehesten zugunsten der medial aktiven Parteien. Das sollten die demokratischen Parteien zumindest wahrnehmen. Vielleicht sollten sie aber auch darüber nachdenken, ob das ein Dauerzustand bleiben soll. Thorsten Faas 

Das ist der zweite Teil einer Folge, konzipiert von Thorsten Faas und Ansgar Wolsing, die sich mit Wahlkampf, Wahlverhalten und Demoskopie bei Bundestagswahlen beschäftigt. Sie wird bis zum Wahlsonntag einmal wöchentlich erscheinen. Hinweis: Am Donnerstagabend wird es um 19.30 Uhr auf dem Instagram-Kanal @polsozosifu ein InstaLive mit Thorsten Faas und Gästen zum Thema “Social Media im Wahlkampf” geben.


Wirtschaft: Deutschland schrumpft, Spanien wächst. Deutschland verharrt das zweite Jahr in Folge in der Rezession: Laut den vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes ist die größte Volkswirtschaft Europas 2024 um 0,2 Prozent geschrumpft, nachdem das BIP 2023 bereits um 0,3 Prozent gesunken war. Das einstige Zugpferd der Eurozone kommt damit nicht vom Fleck, ganz anders als einige Volkswirtschaften im lange schwächelnden Süden: Spanien etwa erwartet mehr als zwei Prozent Wachstum für dieses Jahr, angetrieben vom boomenden Tourismus und einer steigenden Zahl von Arbeitskräften insbesondere aus Lateinamerika. Mehr über die Gründe der spanischen Erfolgsstory lesen Sie im Europe.Table. Isabel Cuesta Camacho, János Allenbach-Ammann


Table.Documents

Entwurf des BMF für ein Gesetz für eine Änderung des Grundgesetzes (Artikel 143h) 

Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags: Darstellung staatlicher Sozialleistungen in Deutschland 

Positionspapier des Verbands Kommunaler Unternehmen (VKU) zur Bundestagswahl 

Zehnter Familienbericht der Bundesregierung und Kurzfassung 

“Update Steuer- und Finanzpolitik” des BDI


Heads

Stephanie Aeffner ist überraschend im Alter von 48 Jahren verstorben. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete vertrat seit 2021 Pforzheim und den Enzkreis (Baden-Württemberg) im Parlament in Berlin. Sie habe sich “ihr ganzes politisches Leben für den sozialen Zusammenhalt, für mehr Gerechtigkeit und die Teilhabe aller Menschen eingesetzt”, teilte die Fraktion mit. Erst kürzlich hatte die Rollstuhlfahrerin Aeffner darauf hingewiesen, dass auch der Bundestag in Sachen Barrierefreiheit besser werden müsse. Okan Bellikli 

Ina Czyborra, Berliner Wissenschaftssenatorin, hat eine schwierige Mission. Wegen strikter Sparvorgaben muss sie die Budgets der Hochschulen massiv kürzen. Wie die SPD-Politikerin diese Aufgabe im Einvernehmen mit der Wissenschaft lösen will, lesen Sie im Research.Table.

Translation missing.

Best of Table

Research.Table: Bidens letzte Maßnahmen, Trumps erste Einblicke. Studienkredite, China-Kooperationen und Forschungsausgaben: In der Woche vor dem Regierungswechsel in den USA, arbeitet Joe Biden an seinem Vermächtnis. Welche Einblicke Trumps Regierungs-Nominierte gewähren, lesen Sie hier

Climate.Table: So plant Polen den Kohleausstieg. In Polen nimmt die Bedeutung der Kohle für die Stromversorgung rapide ab: Von 80 Prozent ist ihr Anteil auf 57 Prozent gesunken. Gas, Erneuerbare und bald auch Atomkraft sollen Kohle ersetzen. Warum die Regierung aber vor einem großen Problem steht, lesen Sie hier

Climate.Table: Wie Klimaschutz zur Chance für die Landwirtschaft wird. Mit kluger Politik könne die künftige Bundesregierung den Klimaschutz im Agrarsektor vorantreiben und den Betrieben neue Geschäftsfelder eröffnen, schreibt Harald Grethe vom Thinktank Agora Agrar. Seine Vorschläge lesen Sie hier.  

China.Table: Wie Peking eine Annexion Taiwans rechtfertigen will. Mit einer eigenwilligen Interpretation einer UN-Resolution aus dem Jahr 1971 will Peking seinen Anspruch auf Taiwan untermauern – und gewinnt damit zunehmend internationalen Einfluss. Was dahinter steckt, lesen Sie hier.  

China.Table: Handelsbeziehungen zu den USA auf der Kippe. Mit der Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus stehen die US-chinesischen Handelsbeziehungen auf der Kippe. Was das für die globalen Märkte bedeutet, lesen Sie hier.

Lernen Sie alle Table.Briefings in voller Länge kostenlos kennen: Vier Wochen, ohne automatische Verlängerung, ohne Zahldaten – und informiert wie die Topentscheider.

Must-Reads

tagesschau.de: Waffenruhe in Gaza. Israel und die Hamas haben eine Vereinbarung über eine Feuerpause in Gaza erzielt. 33 israelische Geiseln sollen im Austausch für palästinensische Häftlinge freikommen. Darunter seien alle festgehaltenen Frauen, Kinder, Verwundete sowie Männer über 50. Israel werde für jede zivile Geisel 30 palästinensische Gefangene entlassen. Die Waffenruhe soll zunächst für sechs Wochen gelten. Das israelische Militär solle sich schrittweise aus dem Gazastreifen zurückziehen. Die Verständigung löste sowohl in Israel als auch in dem Palästinensergebiet Jubel aus. (“Hamas und Israel einig bei Waffenruhe und Geiseldeal”

SZ: Polizeibehörden zu schlecht vernetzt. Der Fall des Magdeburger Attentäters Taleb al-A. offenbart die Defizite bei den deutschen Sicherheitsbehörden. Die Hinweise zu einer Gefahreneinschätzung wurden nirgendwo zusammengeführt. Ein Hauptproblem liege in den getrennten Datensystemen der Polizeien, die den Informationsaustausch erschweren und zu lückenhaften Analysen führen. Projekte zur Verbesserung wurden zwar angestoßen, aber bislang nur unzureichend umgesetzt. (“Gefährliche Lücken im System”

FAZ: Einigen sich rbb und Schlesinger? Es könnte schwierig für den rbb werden, seine Ansprüche gegen die Ex-Intendantin Patricia Schlesinger durchzusetzen, jedenfalls im gewünschten Umfang. Am ersten Verhandlungstag vor dem Zivilgericht warb der Richter sehr für eine gütliche Verständigung. Auch in der Frage “sittenwidriger” Gehälter und einer Unterscheidung zwischen Übergangs- und Ruhegeld wollte er der rbb-Argumentation nicht folgen. (“Schlesinger und der RBB suchen einen Vergleich”

Tagesspiegel: Vorschule als Verpflichtung. Für Berlin plädiert Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch für eine Vorschulpflicht für Kinder ab drei Jahren. Gerne ab sofort. England und Neuseeland hätten eine solche Pflicht längst, und auch die Wissenschaft unterstütze eine frühe Vorschule. Die Hürde: Dafür bräuchte es eine Änderung des Grundgesetzes. (“Günther-Wünsch fordert dreijährige Vorschulpflicht”

Spiegel: Viel Sonne, hohe Kosten. Der PV-Boom schafft Probleme. Im Sommer ist zu viel Strom im Netz, es gibt zu wenige Speicher, zu wenig intelligente Messsysteme. Die Netze sind überlastet, der Staat muss Milliarden für die Vergütung zahlen. Die Defizite sind erkannt, doch für eine Reform fehlt auf den letzten Metern die Mehrheit – auch wenn Regierung und Opposition nicht weit auseinanderliegen. (“Solardächer sind für Eigentümer lukrativ, für den Staat werden sie zum Problem”)

Euractiv: Wieder zaudert Scholz bei der Ukraine-Unterstützung. Die Entscheidung von Olaf Scholz, keine zusätzliche Milliarden-Hilfe für die Ukraine aufzulegen, unterstreicht nach Meinung von Nicholas Wallace und Nick Alipour die Unentschlossenheit, die den Umgang seiner Regierung mit der Ukraine und der deutschen Aufrüstung seit dem Beginn des russischen Einmarsches vor fast drei Jahren kennzeichne. Deutschlands Rüstungsbemühungen seien unzureichend. “In der Zwischenzeit schwankte die Regierung, ob es nicht zu weit gehe, den ukrainischen Streitkräften Helme zu schicken.” (“Zeitenflipflop: Why Olaf Scholz got weak-kneed on Ukraine (again)”)

Schlagzeilen von morgen

SZ: Bundeswehr soll Drohnen abschießen 

FAZ: Lauterbach verspricht Sicherheit der digitalen Patientendaten 

Tagesspiegel: Berliner Bildungssenatorin Günther-Wünsch fordert dreijährige Vorschulpflicht 

Handelsblatt: Dax auf Rekordkurs 

Sächsische Zeitung: Ein Drittel der sächsischen Erstklässler hat Sprachprobleme

Meistgelesenes von heute

Zeit Online: Eltern-Kind-Beziehung – Ich bin dein Kind, nicht deine Freundin 

Spiegel: FPÖ-Politiker hetzen gegen Flüchtlinge und ziehen über potenziellen Regierungspartner her 

Taz: “Campact” startet Anti-CDU-Kampagne – Kein Kreuz für Merz 

Handelsblatt: Droht nun ein Crash wie zur Jahrtausendwende? 

NZZ: Erdrutschsieg für den kroatischen Trump – geht noch ein ostmitteleuropäisches Land auf Konfrontation mit Brüssel?

Interviews von morgen

Deutschlandfunk 

6:50 Uhr: Simon Wolfgang Fuchs, Professor für Nahoststudien an der Universität Freiburg: Geisel-Deal in Gaza 

7:15 Uhr: Oleksii Makeiev, Botschafter der Ukraine: Lage und Militärhilfen 

8:10 Uhr: Konstantin von Notz, Obmann im Atom-Untersuchungsausschuss (Grüne): Auschusssitzung 

Das Erste 

5:35 Uhr/6:40 Uhr/7:40 Uhr: Bernd Lehmann, Wahlamtsleiter in Siegburg: Hindernisse bei der Briefwahl 

6:10 Uhr/8:35 Uhr: Andreas Blätte, Politikwissenschaftler an der Universität Duisburg-Essen: Migration als Wahlkampfthema 

7:10 Uhr: Serap Güler, MdB (CDU): Migration als Wahlkampfthema 

8:10 Uhr: Konstantin Kuhle, Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium (FDP): Konsequenzen aus dem Anschlag in Magdeburg 

rbb24-Inforadio 

6:45 Uhr: Steffen Reiter, Hauptgeschäftsführer Verband der Fleischwirtschaft: MKS – Auswirkungen für die Fleischwirtschaft 

7:25 Uhr: Daniel Keller, Wirtschaftsminister von Brandenburg: 5 Jahre nach dem Kohleausstieg  

phoenix 

9:05 Uhr: Konstantin von Notz, Obmann im Atom-Untersuchungsausschuss (Grüne): Ausschusssitzung 

Welt TV 

18 Uhr: TV-Duell zwischen Markus Söder (CSU) und Lars Klingbeil (SPD)

Time.Table

Erinnerung: Frank-Walter Steinmeier gedenkt der Opfer des Anschlags vom 20. Dezember 2024 in Magdeburg mit einer Kranzniederlegung an der Johanniskirche. 16:45 Uhr 

Bundestag: Untersuchungsausschuss zum Atomausstieg. Mit Robert Habeck und Olaf Scholz. Paul-Löbe-Haus, 10:30 Uhr 

Naturschutz: Steffi Lemke, Valdecy Urquiza (Interpol) und Heike Vesper (WWF Deutschland) stellen in einer Pressekonferenz ihre Initiative gegen Umweltkriminalität vor. BMUV, 12 Uhr 

Landwirtschaft: Christophe Hansen eröffnet die Internationale Grüne Woche in Berlin. City Cube Berlin, 18 Uhr. Weitere Informationen 

Wahlkampf-Termine 

Grüne I: Annalena Baerbock und Katrin Göring-Eckardt im Volksbad Jena (12:30 Uhr). Außerdem: Annalena Baerbock im Kongress Palais, Kassel (18 Uhr) 

Grüne II: Veranstaltung Bier mit Banaszak mit Felix Banaszak und Karoline Otte. Brauhaus Goslar, 18:30 Uhr 

SPD: Bürgerdialog mit Saskia Essen und Katrin Zschau im Kaffeehaus Rostock (11 Uhr). Außerdem: Saskia Esken, Falko Droßmann und Baris Önes im Kultur Palast Hamburg-Billstedt (18 Uhr). 

FDP: Christian Lindner im Westbad Leipzig (15 Uhr) und auf dem Marktplatz in Halle (12:45 Uhr). 

CDU: Pinar Atalay interviewt Friedrich Merz im RTL-Kanzlerkandidatencheck. RTL Direkt Spezial, 22:15 Uhr 

Linke: Markus Feldkirchen interviewt Jan van Aken im Spiegel Spitzenkandidatengespräch. 20 Uhr. Weitere Informationen

Geburtstage von morgen

Jörn Rohde, Botschafter in Kosovo, 66
Mehmet Gürcan Daimagüler, Antiziganismus-Beauftragter der Bundesregierung, 57
Amira Mohamed Ali, BSW-Parteivorsitzende, 45
Gregor Gysi, MdB (Linke), 77
Tobias Winkler, MdB (CSU), 47
Anne-Monika Spallek, MdB (Grüne), 57

Nachttisch

Unser Tipp führt Sie heute zu Robert Habeck. “Den Bach rauf” heißt das neue Buch des Kanzlerkandidaten. Es ist ein Plädoyer gegen das Schlechtreden des Landes. Es würde den “Bach runtergehen”, wenn sich sogar die Politiker der demokratischen Mitte gegenseitig überböten mit Negativem, “der nächsten Katastrophe, der noch fieseren Beleidigung, der noch gemeineren Anfeindung”, schreibt Habeck. Der grüne Spitzenmann widmet ein ganzes Kapitel der Sprache, seiner Suche nach den richtigen Worten in dieser Zeit – und nutzt selbst manch typisch Floskeln des Polit-Sprechs. Im Tonfall gibt es einen ziemlichen Sprung zu den Analysen zu Wirtschaft oder Außenpolitik, manches liest sich wie Passagen aus dem grünen Wahlprogramm. Helene Bubrowski

Robert Habeck: “Den Bach rauf” | Kiepenheuer & Witsch


Das war’s für heute. Good night and good luck!

Heute haben János Allenbach-Ammann, Nico Beckert, Okan Bellikli, Stefan Braun, Michael Bröcker, Helene Bubrowski, Isabel Cuesta Camacho, Damir Fras, Franziska Klemenz, Horand Knaup, Malte Kreutzfeldt, Carli Bess Kutschera, Sven Siebert, Maximilian Stascheit und Markus Weißkopf mitgewirkt.

Der Berlin.Table ist das Late-Night-Briefing für die Table.Media-Community. Wenn Ihnen der Berlin.Table gefällt, empfehlen Sie uns bitte weiter. Wenn Ihnen diese Mail weitergeleitet wurde: Hier können Sie sich kostenlos anmelden.


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