Table.Briefing: Berlin

Das Late-Night-Briefing für die Hauptstadt

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Das Late-Night-Briefing für die Hauptstadt

Liebe Leserin, lieber Leser,

Herzlich willkommen zum Late.Night.Briefing an diesem 9. Juni 2024. Heute ist in vielfacher Weise ein besonderer Tag. Deshalb werden wir Sie in einem Wahl-Spezial auch in besonderer Weise mit Informationen versorgen. Die Staaten der EU wählen sich ein neues Parlament. Das hat Auswirkungen auf die Ampel in Deutschland, macht die AfD zur stärksten Kraft in Ostdeutschland und hat nun in Frankreich Ende Juni sogar die Neuwahl des Parlaments zur Folge. Wir hoffen, Sie für die kommenden Tage gut auszustatten.  

Diese Informationen bieten wir Ihnen heute Abend:

Talk of the Town: Was diese Wahl für die Parteien der Ampel bedeutet  

Elefantenrunde: Neuer Moderator, konkrete Konflikte 

Union: Kein Triumph und keine Niederlage  

AfD: Wie stark ist sie jetzt wirklich? 

BSW und Linke: Die einen selbstbewusst, die anderen schwer angeschlagen 

Frankreich: Parlamentsneuwahlen Ende Juni 

Kommunalwahlen: Warum die Ergebnisse auf sich warten lassen 

EM.Table: Noch fünf Tage bis zum Eröffnungsspiel 

Heads: Peter Schaar + Bundestagsnachrücker 

Must-Reads: Kommentarlage am Abend 

Nachttisch: “M. Die letzten Tage von Europa” von Antonio Scurati


Talk of the Town

Was bedeutet die Wahl für die Ampel? 

Von Stefan Braun, Horand Knaup und Maximilian Stascheit 

Der kleinste Partner erleichtert bis zufrieden, die Kanzler-Partei mit historisch schlechtem Ergebnis und die Grünen dazwischen als größte Verlierer – die Ampel hat am Sonntagabend schmerzhafte Resultate zu verkraften. Was das für die aktuell hochheiklen Haushaltsverhandlungen bedeutet, lässt sich erahnen: die Liberalen dürften an ihrem harten Kurs festhalten, die Sozialdemokraten ähnlich zornig dagegenhalten. Und die Grünen von Robert Habeck, die sich bislang als Brückenbauer versuchten, müssen mit wachsenden Zweifeln in den eigenen Reihen leben.  

Die Grünen müssen sich fragen: Was ist schiefgelaufen? Die Verluste vor allem bei jungen Wählern sind schmerzhaft; sie zeigen überdeutlich, dass die Erwartungen dort enttäuscht wurden. Klimaschutz ist das große Ziel der Grünen gewesen; und auf diesem Feld sind sie für die Jüngeren gefühlt nicht weit genug vorangekommen. Zugleich aber wächst bei manchem in der Regierung der Ärger, dass die Kampagne keine wirklich eigene Erzählung ausstrahlte – und in der letzten Woche manche die Debatte um die Abschiebung eines Straftäters wie bei den Grünen oft üblich beantworteten: dass das halt nicht möglich sei. Für die Pragmatiker war das wenige Tage vor der Wahl ein schwerer Fehler. Aus diesem Grund soll sich am Montag die Sechser-Runde aus Parteispitze, Fraktionsspitze sowie Habeck und Baerbock treffen. Themen: Kampagne, Strukturfragen, Personal für die Wahlkampagne.   

Das Ergebnis zeigt, dass die Partei auf ihre Kernklientel zurückfällt. Das bedeutet: Gerade jene, die vor ein paar Jahren den Grünen neues Vertrauen schenkten, sind weggeblieben. Möglicherweise unter anderem, weil in der Debatte um die Abschiebungen alte grüne Reflexe deutlich wurden. Sie sind eher die Habeck-Wähler, die das Gefühl haben, dass sein moderaterer Kurs durch interne Konflikte immer wieder konterkariert wurde. Nicht nur das Ergebnis ist für die Grünen an diesem Abend unerquicklich; auch die Frage, wie sie darauf antworten sollen, bleibt unangenehm offen. Der langjährige Grünen-Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer rät seiner Partei, auf Kurs zu bleiben, aber ihre Politik besser zu erklären. Das Interview lesen Sie hier.  

Angefasst zeigten sich die SPD-Granden. Vom Zuwachs der AfD, trotz aller Skandale. Vor allem aber auch von den eigenen Werten. Von einer “bitteren Niederlage” sprach ungeschminkt Parteichef Lars Klingbeil. Und dann schob er nach: “Für uns ist das Ergebnis ein Auftrag.” Die Arbeitnehmer hätten “klare Erwartungen” an die Sozialdemokratie: “Darum geht es jetzt auch bei den anstehenden Haushaltsverhandlungen.” Womit sich neben dem Bundesfinanzminister insbesondere der Kanzler angesprochen gefühlt haben dürfte.  

Die Genossen hadern immer hörbarer mit dem moderierenden Führungsstil von Scholz. Es ist nach diesem Sonntag offensichtlich: Es wird in den kommenden Wochen ruppig werden in der Koalition. “Unsere Partei muss den Führungsanspruch in dieser Bundesregierung klarmachen”, sagt Vorstandsmitglied Andreas Stoch. “Wir brauchen einen Haushalt 2025, mit dem wir aussichtsreich in die Bundestagswahl gehen”, heißt es unter Spitzengenossen. Jedenfalls keinen, der den vielfältigen Herausforderungen – von der Ukraine bis zum Hochwasser, von den Bahnmilliarden bis zum Wohngeld – nicht Rechnung trage. “Was hilft uns ein ausgeglichener Haushalt, wenn gleichzeitig ganze Dörfer absaufen, die Ukraine den Krieg verliert und unsere Bahn zum internationalen Gespött wird?”, fragt der Bochumer Abgeordnete Axel Schäfer. “Klartext vom Kanzler”, erwartet auch die badische Abgeordnete Derya Türk-Nachbaur.  “Dass Kleinstparteien den Ton angeben, muss ein Ende haben.” Was Ex-EU-Parlamentspräsident Martin Schulz zum Wahlergebnis sagt, lesen Sie hier.  

Die FDP ist erleichtert, sogar überaus zufrieden – und sieht sich in ihrem Kurs bestätigt. Im Hans-Dietrich-Genscher-Haus sorgten die Prognosen für offenen Jubel. Zwar ist den Liberalen bewusst, dass sie einen nicht unerheblichen Teil der Stimmen Marie-Agnes Strack-Zimmermann persönlich zu verdanken haben. Und der eine oder andere bedauert, dass sie und ihre Kampagne nicht noch stärker mobilisieren konnten. Dennoch dürfte sich Christian Lindner für die hoch schwierigen Haushaltsgespräche erstmal gestärkt fühlen. Und diese, so war am Sonntagabend häufig zu hören, werden für die Ampel-Zukunft entscheidender sein als die Ergebnisse der Europawahl.


News

Sechs Parteien waren vertreten, die Linke fehlte

Elefantenrunde: Neuer Moderator, konkrete Konflikte. Regieführer neu, Gäste in dieser Zusammensetzung neu: die erste Elefantenrunde bei RTL und ntv hatte einiges aufgeboten – und ziemlich viel zu bieten. Nikolaus Blome als einziger Moderator schaffte es, die Parteivorsitzenden von sechs Parteien in eine Debatte über die drei drängendsten Probleme zu zwingen. Und herausgekommen sind teilweise ehrliche Eingeständnisse und noch häufiger erstaunliche Allianzen.  

Im Ukraine-Konflikt kämpfen Friedrich Merz und Omid Nouripour Seite an Seite. Sie sprechen – wie auch Christian Lindner – von einem Krieg, der nur einen Aggressor kenne und deshalb nicht zu Lasten der Ukraine beendet werden dürfe. Ihr Angriff gilt Sahra Wagenknecht und Alice Weidel; Friedrich Merz wirft beiden Geschichtsvergessenheit vor und erklärt neben einem nickenden Omid Nouripour: “Chamberlain spielen wir in Deutschland nicht.”  

Im Kampf ums Klima treffen sich Lindner und Wagenknecht. Die BSW-Chefin argumentiert im Ringen um eine Zukunft des Verbrenners wie der FDP-Vorsitzende: Man müsse die Ingenieure und Techniker machen lassen: “Wenn nicht geforscht wird, wenn nicht investiert wird, verlieren wir unsere Schlüsselindustrien.” Und SPD-Chef Lars Klingbeil? Er räumt ein, dass man mit dem Heizungsgesetz schwere Fehler gemacht habe. “Das war zu viel, das war zu schnell, da haben wir Menschen verloren.” Trotz mancher Schärfe – es war eine gewinnbringende Debatte. Stefan Braun

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CDU und CSU: Kein Triumph und keine Niederlage. Glas halb voll? Glas halb leer? Für CDU und CSU lässt sich das an diesem Sonntagabend kaum sagen. Sie liegen im Vergleich zur Ampel deutlich vorne, sie haben grosso modo die angestrebten 30 Prozent erreicht. Aber eben nicht wirklich mehr. Und gemessen an der Schwäche der Ampel bleibt das Ergebnis bescheiden. Seit Wochen stabil auf 30 Prozent, erst in den Umfragen, jetzt bei der Europawahl – das hatte sich die CDU-Spitze um Friedrich Merz ganz anders vorgestellt. Ist der Trend ein Christdemokrat? Das kann im Augenblick bei einem ehrlichen Blick nicht mal die Führung der CDU behaupten.  

Bei der CSU ist die Lage nicht anders, es sind gemischte Gefühle, die den Abend beschreiben. Einerseits ist sie in Bayern klar stärkste Partei, andererseits hat sie das erhoffte Ziel von mehr als 40 Prozent offenbar verfehlt. “Nicht Fisch, nicht Fleisch”, hieß es deshalb unter Besuchern der Wahlparty. Zumal die CSU gegenüber der Europawahl 2019 leicht verloren hat. Manfred Weber vergleicht das Resultat deshalb lieber mit der Bundestagswahl. Und weil man da besser liegt, lobt Weber die “Teamleistung”. Das kann man als Seitenhieb gegen Markus Söder verstehen. Weber gilt als größter innerparteilicher Rivale des CSU-Chefs.  

Und die Kanzlerkandidatur? Da hat sich nichts geändert. Merz liegt weiter vorne, weil vor allem in der CDU die allermeisten Markus Söder nicht wollen. Gleichzeitig bleiben Zweifel an Merz, weil er die Schwäche der Ampel nicht in eine neue Stärke ummünzen kann. Positiv für die CSU (und die Union) ist hingegen, dass der Höhenflug für die Freien Wähler offenbar gestoppt ist. Die Partei von Hubert Aiwanger kann der Prognose zufolge nur mit Bayern-weit rund 7 Prozent rechnen. Das Europa-Ergebnis ist damit weit von den 15,8 Prozent der Landtagswahl entfernt und dürfte Aiwanger auch in der Koalition mit der CSU schwächen. Wie Elmar Brok, CDU-Urgestein für Europa, über die Wahl denkt, lesen Sie hier. Stefan Braun, Peter Fahrenholz

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AfD: Wie stark ist sie jetzt wirklich? Trotz Korruptions-Vorwürfen, Verhaftungen und Verurteilungen ist das AfD-Ergebnis von 11 auf 16,3 Prozent gewachsen, die Partei geht als große Siegerin aus der Wahl. In den Ländern, die im Herbst wählen, euphorisiert das. “Wir freuen uns wie Bolle”, sagt Sachsens AfD-Sprecher Andreas Harlaß. “Wenn bei einer Europawahl die AfD in sämtlichen ost- und mitteldeutschen Ländern stärkste Kraft wird, ist das ein Signal.” Ziel für die Landtagswahl seien “mindestens 30 Prozent oder besser”. Der Vize-Landtagspräsident aus Sachsen, André Wendt, verkündet im Gespräch mit Table.Briefings am Abend, die AfD liege in 90 von 418 ausgezählten Wahllokalen mit 42,5 Prozent so deutlich vorne, dass Hoffnungen auf eine Alleinregierung ab Herbst wachsen. Man habe auch schon darüber gesprochen, wer welches Ministerium leiten könne; er käme für Soziales infrage.  

Das Wahlergebnis stärkt auch die Bundesspitze vor dem Parteitag. Das räumen auch jene Fraktionsmitglieder ein, deren Unmut über die AfD seit Monaten, teilweise Jahren immer weiterwächst – die teilweise nicht mal mehr die eigene Partei gewählt haben. Als “absurd hoch” bezeichnet ein Frustrierter aus AfD-nahem Kreis das Ergebnis. Alice Weidel und Tino Chrupalla sahen sich in den letzten Monaten mit Fraktions-Austritten, offener Kritik für Verstrickungen in der Partei und ihren Umgang mit Maximilian Krah konfrontiert. Dem Bundesparteitag, der Ende Juni stattfinden soll, gehen sie nun gestärkt entgegen. Mit größeren Revolten war allerdings ohnehin nicht zu rechnen, dem Vernehmen nach hat sich die Bundesspitze die Unterstützung relevanter Landesverbände schon gesichert. Welche AfD-Leute nun nach Brüssel ziehen und wer in den Bundestag nachrückt, lesen Sie hier. Franziska Klemenz

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BSW und Linke: Die einen selbstbewusst, die anderen sehr geschwächt. Das Bündnis Sahra Wagenknecht feiert sich für ein “historisches Ergebnis”. “Es gab noch keine Partei, die sechs Monate nach ihrer Gründung, bundesweit ein solches Ergebnis hatte”, sagt eine sichtlich gelöste Sahra Wagenknecht. Die Wahlparty findet nicht ohne Grund am gleichen Ort statt wie schon der Gründungsparteitag im Januar. Tatsächlich kann das BSW mit den rund 6 Prozent zufrieden sein, es ist im ersten Test den Umfrage-Erwartungen gerecht geworden. Offen ist, ob es dem BSW auch gelingt, das Europaparlament nach seinen Vorstellungen zu verändern und eine neue Fraktion für den populistischen und europaskeptischen Kurs zustande kommt. 

Das BSW hat laut erster Zahlen vor allem SPD und Linkspartei geschwächt. Von der AfD sind dagegen verhältnismäßig wenige Wähler zum BSW gewechselt. Für die Linke sind es herbe Verluste – sie kommt nur noch auf knapp 3 Prozent. Diese erneute Niederlage dürfte vor allem den Parteivorsitzenden Martin Schirdewan und Janine Wissler angelastet werden und sie weiter schwächen. Über Konsequenzen müsse auf dem Parteitag im Oktober diskutiert werden, hieß es am Abend aus der Parteizentrale. Dann wird auch ein neuer Parteivorstand gewählt. Vera Weidenbach


Sonstige: Sechs Kleinparteien schaffen den Einzug. Neben Volt, den Freien Wählern und der PARTEI werden voraussichtlich die ÖDP, die Tierschutz- sowie die Familienpartei im Parlament vertreten sein. Alle sechs waren schon in der letzten Legislatur vertreten, konnten jetzt zum Teil sogar zulegen. Weil es bisher keine Sperrklausel gibt, reicht weniger als ein Prozent der Stimmen für einen Sitz. Insgesamt kommen die “Sonstigen” auf rund 14 Prozent.  

Deutschland hat eine Zwei-Prozent-Hürde auf den Weg gebracht. Diese beruht auf einem EU-Beschluss. Noch haben allerdings nicht alle Mitgliedstaaten zugestimmt, weshalb die Klausel voraussichtlich auch 2029 nicht zum Einsatz kommen wird. Mit einer solchen Klausel wären diesmal wohl nur Volt – die Partei von Spitzenkandidat Damian Boeselager kommt auf rund drei Prozent – und die Freien Wähler eingezogen. Okan Bellikli

Erste EP-Sitzprojektion: EVP liegt vorne. Die informelle Koalition aus EVP, S&D und Renew könnte auch in der neuen Wahlperiode die Mehrheit der 720 Abgeordneten im Europaparlament stellen. Die EVP mit Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen kann als stärkste Fraktion ihren Vorsprung ausbauen. Sie käme danach auf 181 Abgeordnete nach 176 in der vergangenen Wahlperiode. Die beiden anderen Partner der informellen Koalition, S&D und Renew müssen Verluste verkraften. Die S&D bliebe zweitstärkste Fraktion mit 135 Sitzen nach 139 Sitzen in der vergangenen Wahlperiode. Die Liberalen verlieren demnach 20 Sitze und kommen nur noch auf 82 Sitze. Zusammen kämen EVP, S&D und Renew auf 398 Sitze. Für die Wahl des Kommissionspräsidenten sind 361 Stimmen nötig.  

In Frankreich löst Emmanuel Macron als Reaktion auf die Wahl das Parlament auf. Zuvor hatte die Partei von Marine Le Pen mit gut 30 Prozent mehr als doppelt so viel Stimmen wie das Bündnis des Präsidenten bekommen. Am 30. Juni findet der erste Wahlgang statt, am 7. Juli der zweite. In Österreich ist unterdessen die FPÖ mit rund 27 Prozent vorne, die Konservativen liegen – nach Verlusten von rund 11 Prozent – knapp vor den Sozialdemokraten. In Polen gewinnt die Bürgerplattform von Donald Tusk vor der PiS. Okan Bellikli, Markus Grabitz

Die Europäische Volkspartei liegt nach der ersten Sitzprojektion vor
Das Bündnis von Präsident Emmanuel Macron muss eine schwere Niederlage einstecken
Das rot-grüne Bündnis liegt vor der Partei von Rechtspopulist Geert Wilders
Die rechtspopulistische FPÖ liegt – wie in den Umfragen zur anstehenden Nationalratswahl – vorne
Die Konservativen liegen knapp vor den Sozialdemokraten von Ministerpräsident Pedro Sánchez
Die linksgrüne Sozialistische Volkspartei liegt vor den Sozialdemokraten
Die Konservativen kommen auf fast doppelt so viele Stimmen wie die linke Syriza, die einst den Ministerpräsidenten stellte

Kommunalwahlen: Warum die Ergebnisse auf sich warten lassen. Zum einen wurden die Europawahl-Stimmen zuerst ausgezählt. In manchen Bundesländern wie Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz darf man zudem kumulieren und panaschieren, was das Ganze komplizierter macht. Ersteres bedeutet, dass man einem Kandidaten mehrere Stimmen geben kann. Letzteres heißt, dass man Stimmen über mehrere Wahllisten hinweg verteilen kann.  

Zum Teil wird auch erst ab Montag ausgezählt. Im thüringischen Kreis Hildburghausen hatte zuletzt Tommy Frenck für Aufsehen gesorgt. Der bekannte Neonazi schaffte es in die Stichwahl zum Landrat, am Sonntagabend lag aber sein Gegenkandidat von den Freien Wählern vorne. Im 1300-Einwohner-Ort Wülknitz in Sachsen, der landesweit als erste Kommune mit der Aufzählung fertig war, kam die AfD auf gut 50 Prozent. Okan Bellikli


EM.Table: Noch fünf Tage bis zum Eröffnungsspiel. Nach dem holprigen 2:1-Sieg gegen Griechenland am vergangenen Wochenende haben die Zweifler zwar wieder Oberwasser, doch unser EM-Kolumnist Michael Horeni rückt in seinem neuen Text die Erwartungen ins rechte Licht. Ein neues Sommermärchen sei nicht zu erwarten, zu unterschiedlich sind die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen im Vergleich zu 2006. Aber spielerisch sei sogar mehr drin, nämlich der Titel. Warum, das lesen Sie hier.


Heads

Peter Schaar war von 2003 bis 2013 Bundesdatenschutzbeauftragter, heute ist er Vorsitzender der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz. In dieser Rolle beschäftigt er sich intensiv mit Tiktok. Die App hat 1,6 Milliarden aktive Nutzer – für viele junge Leute ist sie die wichtigste Informationsquelle. Ist es sinnvoll, wenn Olaf Scholz sich dort mit mehr oder minder lustigen Filmchen präsentiert? Schaars Antwort finden Sie im China.Table.  

Wer für die ins Europaparlament gewählten Bundestagsabgeordneten nachrückt: 

Fabian Griewel (NRW) für Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) 

Klaus Lang (Bayern) für Petr Bystron (AfD) 

Volker Münz (Baden-Württemberg) für Marc Jongen (AfD)

Must-Reads: Die Kommentarlage am Abend

Süddeutsche: Scholz’ Strategie ist gescheitert. Weil der Bundeskanzler diesem Wahlkampf sein Gesicht gegeben hat, ist das Ergebnis auch eine persönliche Niederlage für Olaf Scholz, kommentiert Nicolas Richter. Der Versuch, mit Besonnenheit zu punkten, sei schief gegangen – was aus sozialdemokratischer Sicht besonders besorgniserregend ist, weil die SPD den Kanzler auch im Bundestagswahlkampf vor allem als abwägend und besonnen darstellen will.  (“Die Ampel muss sich Sorgen machen”)  

Taz: Nur Populismus hat Erfolg. Ein bitteres bis ratloses Resümee der Wahl zieht Stefan Reinecke: Die Union gewinnt ohne echte Inhalte aufgrund der Anti-Ampel-Stimmung. Die Hoffnungen von SPD und Grünen, diese Stimmung mit pragmatischen Botschaften zu drehen, ist gescheitert. Die AfD erweist sich als resistent gegen Skandale. Den Mitte-Links-Parteien stellt sich die Frage, ob sie selbst populistischer werden müssen, um die Populisten zu schlagen (“Die Anti-Ampel-Wahl”)  

Handelsblatt: Grüne brauchen keinen Kanzlerkandidaten. Als rein nationalen Stimmungstest interpretiert Thomas Sigmund das Ergebnis der Wahl – und das Ergebnis fällt klar aus: CDU-Chef Merz ist der eindeutige Sieger, die Ampel-Parteien sind die großen Verlierer. Obwohl die Grünen nicht weiter hinter der SPD liegen, könnten sie sich die Aufstellung eines Kanzlerkandidaten angesichts dieses Ergebnisses schenken. (“Friedrich Merz gewinnt haushoch gegen Olaf Scholz”)  

RND: Kein guter Tag für Europa. Der Vormarsch der nationalen, populistischen und extremen Parteien von rechts, die in vielen EU-Ländern Erfolge erzielten, gefährde die Einheit der EU, kommentiert Eva Quadbeck. In Deutschland sei das Ergebnis zugleich ein Misstrauensvotum gegen die Ampel-Koalition – und ein schlechtes Vorzeichen für die bevorstehenden Landtagswahlen im Osten. (“Ein Votum gegen die Einheit Europas”)  

Welt: Kein großer Erfolg für die Union. Zwar bewertet auch Jennifer Wilton das Ergebnis der Europawahl als klares Misstrauensvotum gegen die Ampel. Doch auch die Union könne nicht zufrieden sein; ihr Erfolg sei angesichts der Ampel-Schwäche und der Erfolge der Populisten zu klein, meint die Autorin. Grund seien der Mangel an Geschlossenheit und das Fehlen neuer Antworten auf neue Fragen.  (“Frustration, die zur Verzweiflung gewachsen ist”

FAZ: Merz widerlegt seine Kritiker. Eher gegensätzlich bewertet Nikolas Busse das Ergebnis der Union: Der Kurs von Friedrich Merz, nicht auf die eher liberalen Merkel-Wähler zu setzen, sondern auf die nach rechts verschobene Mitte, sei erfolgreich gewesen. Der Kanzlerkandidatur sei er damit ein Stück nähergekommen. Für die Ampel werde das Regieren nun angesichts der Verluste aller Koalitionspartner noch schwerer. (“Eine Belohnung für Merz”

Nicht überlesen! 

SZ: Keine politische Mitte. Dort sind nicht viele Stimmen zu holen, die Parteien suchen sich daher ihre Nische. Das BSW könnte zu einer weiteren Polarisierung führen, da es konservative SPD- und linke CDU-/AfD-Wähler anspricht. Ein von drei Universitäten erstellter Test zur Europawahl zeigt, wie stark man mit den Parteien übereinstimmt. (“Warum es in Deutschland keine Partei der Mitte gibt”)

Schlagzeilen von morgen

SZAmpel bricht bei Europawahl ein 

FAZUnion gewinnt Europawahl deutlich 

Tagesspiegel: Europawahl: Union vorn, AfD legt zu, SPD schwach, Grüne stürzen ab

HandelsblattNiederlage für die Ampel 

Sächsische ZeitungEuropawahl: Union gewinnt, AfD kommt auf Platz zwei

Meistgelesenes von heute

Zeit Online: Alle Ergebnisse der Europawahl 2024 in Deutschland – live 

Spiegel: Befreiungsaktion der israelischen Armee: Das sind die befreiten Geiseln 

Welt: So deutlich muss die Bundeswehr die militärische Reserve verstärken  

HandelsblattTesla senkt Preise für Model Y um 6000 Euro  

NZZ: Die Stars verlöschen

Interviews von morgen

ZDF 

7:05 Uhr: Carsten Linnemann, CDU-Generalsekretär: Ergebnisse der Europawahl

8:05 Uhr: Cem Özdemir, Bundeslandwirtschaftsminister (Grüne): Ergebnisse der Europawahl

Time.Table

Highlights 

Am Montag empfängt Olaf Scholz den chilenischen Präsidenten Gabriel Boric im Kanzleramt (15:30 Uhr). Am Dienstag wird Boric von Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue begrüßt (9:30 Uhr). 

Am Dienstagvormittag eröffnet Scholz die Ukraine Recovery Conference zum Wiederaufbau der Ukraine in Berlin. An der Konferenz, die bis Mittwoch läuft, nehmen die meisten Kabinettsmitglieder teil. Aus dem Ausland reisen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte sowie zahlreiche europäische Außenminister an. 

Am Dienstag und Mittwoch ist Wirtschaftstag 2024 des Wirtschaftsrats der CDU. Im Marriott Hotel Berlin werden unter anderem Robert Habeck, Christian Lindner, Bettina Stark-Watzinger, Volker Wissing, Friedrich Merz, Boris Pistorius, Marco Buschmann, Omid Nouripour und Carsten Linnemann erwartet.  

Von Donnerstag bis Samstag findet im italienischen Borgo Egnazia der G7-Gipfel statt. Aus Deutschland reist Olaf Scholz an. Schwerpunktthemen sind die Ukraine und Nahost. 

Am Donnerstag findet das Creative Bureaucracy Festival im Festsaal Kreuzberg statt. Marco Buschmann und Hubertus Heil sind Gastredner. 

Am Freitag beginnt die EM in der Allianz-Arena in München. Deutschland spielt gegen Schottland. Unter den Zuschauern: Frank-Walter Steinmeier

Am Samstag und Sonntag organisiert die Schweiz auf dem Bürgenstock bei Luzern eine Konferenz zum Frieden in der Ukraine. Das Gipfeltreffen ist die erste hochrangige Friedenskonferenz auf Ebene der Staats- und Regierungschefs. Mit dabei sind Olaf Scholz und Ursula von der Leyen

10. Juni 

Außenpolitik I: Frank-Walter Steinmeier fliegt nach Frankreich und nimmt mit Emmanuel Macron an der Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag des SS-Massakers in Oradour-sur-Glane teil. 

Außenpolitik II: Der Vizepräsident der Europäischen Kommission, Maroš Šefčovič kommt für zwei Tage nach Berlin. Unter anderem nimmt er an einer Veranstaltung des Europe-Ukraine Energy Transition Hub teil. Bei der Ukraine-Wiederaufbaukonferenz ist er ebenfalls dabei. Am Dienstagmorgen ist eine Pressekonferenz mit Robert Habeck geplant. 

Europawahl I: Pressekonferenzen der Parteien nach der Europawahl. 11:30 Uhr: Katarina Barley und Kevin Kühnert (SPD) sowie Christian Lindner und Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP). 13 Uhr: Sahra Wagenknecht (BSW). 13:30 Uhr: Friedrich Merz und Ursula von der Leyen (CDU). 14 Uhr: Omid Nouripour, Ricarda Lang und Terry Reintke (Grüne) sowie Alice Weidel und Tino Chrupalla (AfD). 

Bildung: “Europe at a crossroads: Looking back to move forward”: 20-jähriges Jubiläum der Hertie School im Humboldt Carré Berlin. Mit Gastbeiträgen von Boris Pistorius, Christoph Heusgen, Norbert Röttgen, Anna Lührmann und François Delattre. Bis Dienstag. Informationen & Anmeldung

Europawahl II: “Europa hat gewählt – was jetzt?”: Paneldiskussion im Europäischen Haus mit einem Grußwort von Kommissionsvertreterin Barbara Gessler. 18 Uhr, Informationen & mehr 

Europawahl III: “Europawahlen im Schatten des Krieges”: Podiumsdiskussion der Bundeszentrale für politische Bildung. 18:30 Uhr, Informationen & Anmeldung 

Europawahl IV: “Mehr Demokratie in der Arbeitswelt wagen!”: Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung mit Hubertus Heil, der DGB-Vorsitzenden Yasmin Fahimi und Berlins Arbeitssenatorin Cansel Kiziltepe. 15 Uhr, Informationen & Programm 

Bundespressekonferenz: Ursula Schröder (IFSH), Christopher Daase (PRIF), Tobias Debiel (INEF) und Conrad Schetter (BICC) stellen das Friedensgutachten 2024 vor. 13 Uhr 

Gaza: Sondersitzung des TU-Kuratoriums zur möglichen Absetzung der TU-Präsidentin Geraldine Rauch. 8 Uhr 

Verbraucherschutz: Beim Wettbewerb “Landgemacht! Deine Idee für den Verbraucherschutz” hält Steffi Lemke eine Rede. 10:30 Uhr 

MINT: Lisa Paus besucht die Messe Ideen-Expo in Hannover. 10 Uhr

Geburtstage von morgen

Albert Rupprecht, MdB (CSU), 56 

Johannes Schätzl, MdB (SPD), 31 

Veronica Ferres, Schauspielerin, 59 

Jürgen Prochnow, Schauspieler, 83

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Nachttisch

Unser Tipp führt Sie heute in ein rechtsextremes Europa. Ende der Dreißigerjahre führte das Bündnis zwischen Benito Mussolini und Adolf Hitler den Kontinent in die Katastrophe. Wie es dazu kam, ist in diesem Roman aus italienischer Sicht zu lesen. Er ist Teil eines mehrbändigen Projekts über den Aufstieg des Faschismus. Mit vielen Originalzitaten zeichnet der Autor das bedrückende Bild einer Zeit, die manche Parallele zur Gegenwart aufweist. Okan Bellikli 

Antonio Scurati: M. Die Letzten Tage von Europa | Klett-Cotta


Das war’s für heute. Good night and good luck!

Heute haben Constanze Baumann, Okan Bellikli, Stefan Braun, Michael Bröcker, Helene Bubrowski, Peter Fahrenholz, Damir Fras, Markus Grabitz, Franziska Klemenz, Horand Knaup, Malte Kreutzfeldt, Maximilian Stascheit und Vera Weidenbach mitgewirkt.

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