Table.Briefing: Berlin

Das Late-Night-Briefing für die Hauptstadt

Das Late-Night-Briefing für die Hauptstadt

Liebe Leserin, lieber Leser,

herzlich willkommen, wir freuen uns, dass Sie bei uns sind. Am Vorabend des Feiertags haben wir uns entschieden, Ihnen zum Abschluss des CDU-Parteitags ein frühes kleines Spezial zu bieten, mit Blick auf den Kalender und auf die Stimmungslage rund um die größte Oppositionspartei. Hier sind unsere Themen:

Friedrich Merz: Warum der Vorsitzende und seine Partei plötzlich zusammenpassen 

Europawahl: Was die Christdemokraten mit ihrer Kandidatin am stärksten verbindet 

“Braunbuch AfD: Wie die CDU gegen die rechtsradikale Partei kämpfen will 

Table.Today Podcast: Grünen-Oberbürgermeister Belit Onay zur Zukunft der Stadt  

Table.Documents: CDU-Grundsatzprogramm + CDU-CSU-Europawahlprogramm 

Must-Reads: Kommentare zum CDU-Parteitag

Nachttisch: Konrad Adenauer und die Karikatur 


Talk of the Town

Friedrich Merz: Warum der Vorsitzende und seine Partei plötzlich zusammenpassen 

Von Stefan Braun 

Friedrich Merz galt seit seiner Rückkehr 2018 nicht als Brückenbauer, sondern als Spalter. Vor allem bei seinen Kritikern. Und doch hat der Parteitag etwas gebracht, das seiner Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer und erst recht Armin Laschet verbaut war: Die Partei ist wieder vereint. Sich einig. Geschlossen in dem Gefühl, auf einem guten Weg zu sein. Wer sich erinnert, wie Viele ihn zu Beginn auf Distanz halten wollten, kann in Berlin eine Partei erleben, die sich hinter ihn gestellt hat.  

Das liegt an der enormen Schwäche der Ampel. Aber es liegt auch an der Lernkurve beim CDU-Chef. Von vielen Merkel-Anhängern in den ersten Jahren hart abgelehnt, hat auch Merz zu Beginn zu einem großen Graben beigetragen, den er erst auf dem Parteitag, also sechs Jahre nach der Rückkehr auf die Bühne, geschlossen hat. Mit einer Rede, die auf jede Schärfe auch gegen politische Konkurrenten verzichtete; mit einem klugen Geschenk für Markus Söder, das Kräfteverhältnisse, aber auch Respekt signalisierte; und mit einer geduldigen Programmdebatte, an deren Ende es gelang, die Delegierten zum Jubeln zu bringen. So kalt er oft wahrgenommen wurde und wird – in Berlin ist sein Gefühl fürs Team zum Vorschein gekommen.  

Vielleicht ist das der stärkste Unterschied zu Angela Merkel: Sie hielt die Partei zwar lange an der Macht, aber fand Partei und Parteitage mühsam bis fürchterlich. Merz dagegen hat sich hier wohlgefühlt, er hat um die Partei geworben – und er hat sie auch ziemlich umfassend bekommen, obwohl niemand schon sicher sein kann, dass er sie wirklich zurück ins Kanzleramt führt. Für die Partei ist das zwingend, um in den Wahlkämpfen stolz aufzutreten.  

Und doch bleibt die neue innere Stärke von Berlin eine Momentaufnahme. Zu heikel kann dieses Wahljahr noch werden. Mario Voigt, Michael Kretschmer und Jan Redmann erhielten zwar viel Unterstützung. Trotzdem bleiben vor den drei Landtagswahlen im September die Sorgen groß, dass der Kampf gegen die AfD auch schlecht ausgehen könnte. Dass Merz bei seiner Kampfansage gegen die Rechtsradikalen den lautesten Beifall erhielt, zeigt zweierlei: Die Befürchtungen sind real; aber die Geschlossenheit ist groß und der Wille enorm. Sehr wahrscheinlich ist das am wichtigsten, drei Jahre, nachdem die CDU ihr größtes Debakel erlebt hat.


News

Europawahl: Was die Christdemokraten am stärksten mit ihrer Kandidatin verbindet. Die CDU hat oft gefremdelt mit Ursula von der Leyen. Bei ihrem Auftritt auf dem CDU-Bundesparteitag brachte die EU-Kommissionspräsidentin und EVP-Spitzenkandidatin für die Europawahl die Delegierten aber schließlich hinter sich – mit harter Kritik an der AfD. “Die AfD macht vor der Europawahl Propaganda für Putin und Spionage für China”, sagte sie mit Blick auf die Vorwürfe gegen führende Politiker der Partei und deren Mitarbeiter. AfD-Vertreter schwadronierten über Volk und Vaterland, und dann verrieten sie “dieses Vaterland hinterrücks an die Autokraten. Die sollten sich was schämen!” 

Von den Delegierten erntete von der Leyen dafür viel Applaus. Parteichef Friedrich Merz dankte ihr, “dass Du das so klar und so deutlich gesagt hast”. Angesichts des Erstarkens radikaler Parteien in Europa gehe es für die Union bei der Wahl vom 6. bis 9. Juni darum, das Erbe der europäischen Politik zu bewahren, mahnte er und versprach von der Leyen volle Unterstützung von CDU und CSU in den verbleibenden Wochen des Wahlkampfes.  

Vielen in der Union ist von der Leyen zwar zu eigensinnig und ihre Politik zu grün angehaucht. Aber zumindest die Parteispitzen verbindet mit der Kandidatin doch mehr als das gemeinsame Interesse an einem guten Wahlergebnis. Man sei “stolz” darauf, die erst zweite deutsche Kommissionspräsidentin nach Walter Hallstein zu stellen, sagte Merz. Und CSU-Chef Markus Söder berichtete nach einem Gespräch mit dem chinesischen Premier Li Qiang: “Die Welt respektiert Ursula von der Leyen.” Till Hoppe 


“Braunbuch AfD”: Wie die CDU gegen die rechtsradikale Partei kämpfen will. Die CDU in Nordrhein-Westfalen hat den Wahlkämpfern in den kommenden Kommunal- und Landtagswahlen ein “Braunbuch AfD” mit Fakten und Argumenten gegen die rechtspopulistische Partei zusammengestellt. Darin werden die umstrittensten Aussagen führender AfD-Politiker sowie das Netzwerk der Partei und ihrer Unterstützervereine detailliert dargestellt. Die Autoren dokumentieren darin rassistische Ausfälle einzelner AfD-Politiker, zeigen Widersprüche in der Sozial- und Wirtschaftspolitik der AfD auf und arbeiten die russland-freundlichen Einflüsse auf.  

Initiator ist NRW-CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak. Parteichef Friedrich Merz soll das Projekt ausdrücklich begrüßt haben. Man müsse auf die AfD-Positionen mit “konkreten Antworten, Argumenten und Fakten” reagieren, heißt es in dem Handbuch. Michael Bröcker 


Table.Today Podcast

Table.Documents

CDU-Grundsatzprogramm 

CDU/CSU-Europaprogramm 


Heads

Christine Carboni ist seit Februar Hauptabteilungsleiterin Kampagne und Mobilisierung der CDU. Dass die Partei mehr Wert auf ihre Optik legt, wurde beim Parteitag deutlich: Die neuen Farben “Cadenabbia-Türkis” und “Rhöndorf-Blau” dominierten die Bühne und durchzogen über elektronische Laufbänder auch die Hallendecke. Zu Carbonis wichtigsten Aufgaben gehört es, die Partei in einem modernen, frechen, selbstbewussten Licht zu präsentieren. Aber sie soll auch Ausrutscher wie in der Vergangenheit vermeiden: In einem Werbefilm war der falsche Reichstag zu sehen, bei ihrer Kampagne “Fair heizen statt verheizen” räumte die CDU einen Datenschutz-Verstoß ein. Genug Erfahrung bringt Carboni mit: Sie war als “Head of Brand” bei Würth Elektronik für die Bekanntheit der Marke zuständig, davor managte sie das Hauptstadtmarketing von Berlin. Okan Bellikli, Stefan Braun 


Must-Reads

Kommentare: Vermerkelt die CDU? Spielt Merz auf Sicherheit? Oder gewinnt die Partei Profil? Eckart Lohse fragt in der FAZ, ob Friedrich Merz‘ Anhänger akzeptieren werden, “dass der Klare-Kante-Merz um des Machtgewinns und Machterhalts willen allmählich vermerkeln muss?” Das werde sich daran zeigen, ob es der CDU gelinge, weitgehende Versprechen (Wehrpflicht, Drittstaatenregelung) erfüllen zu können und zugleich die breite Mitte mitzunehmen. “Merz machte deutlich, dass das neue Grundsatzprogramm auf Wechselwähler ziele, die überzeugt werden sollten.”  

Ausgerechnet Merz, der sich lange Zeit als eine Art Anti-Merkel gegeben und es auch damit am Ende an die Spitze der CDU geschafft habe, “hielt eine Rede im Stil der Altkanzlerin”, schreibt auch Florian Gathmann im Spiegel. Offenbar habe Merz mit Blick auf die volatile Lage der Ampelkoalition erkannt, dass er fürs Erste besser auf Sicherheit spielt. Darin dürfte die Einsicht liegen, dass die Christdemokraten immer dann erfolgreich im Bund gewesen seien, wenn sie Ruhe und Überlegenheit ausstrahlten. “Angela Merkel, das gehört zur historischen Wahrheit dazu, hat das Prinzip auch nur von Helmut Kohl übernommen, ihrem Vorgänger als CDU-Kanzler.”  

Wo blieb der scharfe Chili?”, fragt auch Mariam Lau von der Zeit. Um dann allerdings zu erläutern, dass “die Mittigkeit der CDU unter Merkel das Resultat von gutmütigem Desinteresse der Chefin an ihrer Partei, von Konfliktvermeidung, von ‘asymmetrischer Demobilisierung'” gewesen sei. Unter Merz aber sei diese Mittigkeit hart erkämpft. Lau hebt hervor, dass die Partei unter Merz nun “praktisch komplett aus NRW regiert” werde, wo “ein geräuschlos kooperierendes schwarz-grünes Bündnis” regiere. Wenn die dort gelebte politische Erfahrung Programm werde, “könnte es sehr schwer werden, die CDU zu schlagen”. Allerdings habe der Parteitag für die Grünen nur “rhetorischen Politschrott im Angebot” gehabt.  

Eine Rechtsverschiebung der Partei unter Merz, keine Vermerkelung oder Mittigkeit sieht Stefan Reinecke von der taz. Diese Rechtswende aber sei richtig. Sie nutze der Kenntlichkeit der CDU – “und die nutzt dem bundesdeutschen Volksparteiensystem”. In der Ära Merkel seien die Unterschiede zwischen Union und SPD verschwommen. Beide Parteien hätte wie “Flügel einer Staatspartei” gewirkt. “Eine Zukunft haben die Volksparteien aber nur, wenn sie wieder klare Alternativen bilden – moderat rechts und moderat links.” Die AfD mit einer freundlichen Daniel-Günther-Partei zu bekämpfen, die fast klingt wie die Grünen – “wäre das aussichtsreich?”  

Time.Table

Wahlkampf-Termine von CDU-Chef Friedrich Merz: 

Dienstag, 21. Mai  

15 Uhr mit Andreas Sturm, Daniel Caspary, Olav Gutting in Reilingen, Rhein-Neckar-Kreis  

18 Uhr mit Christina Stumpp in Waiblingen 

Mittwoch, 22. Mai  

17 Uhr mit der CDU-Saar und Marc Speicher in Saarlouis. 

Donnerstag, 23 Mai 

18 Uhr Großveranstaltung in Aachen, Katschhof. 

Freitag, 24. Mai  

14 Uhr Großveranstaltung am Steinhuder Meer 

18:30 Uhr mit der CDU Sachsen-Anhalt mit Sven Schulze in Magdeburg 

Dienstag, 28. Mai  

16:30 Uhr Veranstaltung mit Katja Leikert in Hanau, CDU Hessen 

Mittwoch, 29. Mai 

15 Uhr Veranstaltung der RCDS und Besuch der Universität Jena & Frühlingsempfang der CDU & JU Jena in Jena 

Freitag, 07. Juni  

19 Uhr Abschlussveranstaltung zur Europawahl in München  

Weitere Termine 

9. Mai 2024 

Außenpolitik: Boris Pistorius trifft am dritten Tag seiner USA-Reise Verteidigungsminister Lloyd Austin im Pentagon. Außerdem hält er eine Rede an der Johns-Hopkins-Universität 

G7: Die Justizminister Italiens, Kanadas, Japans, Frankreichs, Großbritanniens, Deutschlands und der USA treffen sich in Venedig. Auf der Agenda: Internationale Kriege, Cybersicherheit, Drogenhandel sowie Migration 

Europa: Verleihung des Karlspreises an den Präsidenten der Konferenz der europäischen Rabbiner, Pinchas Goldschmidt in Aachen. Mit NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger. Davor wird es eine pro-palästinensische Demonstration geben. 11:15 Uhr

Sport: Frank-Walter Steinmeier besucht das DFB-Pokalfinale der Frauen in Köln. 16 Uhr 

Umwelt: Steffi Lemke hält eine Rede beim Donau-Fest in Niederalteich (Bayern). 14 Uhr 

Geburtstage von morgen

Terry Reintke, Europa-Spitzenkandidatin der Grünen, 37  

Ralph Lenkert, MdB (Linke), 57 

Manuela Rottmann, MdB (Grüne), 52 

Jutta Paulus, MdEP (Grüne), 53  

Lars Lindemann, Generalsekretär der FDP Berlin, 53 

Carolin Kebekus, Komikerin, 44  

Ulrich Matthes, Schauspieler, 65 

Joscha Sauer, Cartoonist, 46 

Nachttisch

Unser Tipp führt Sie heute zu Konrad Adenauer. Der von der gleichnamigen Stiftung herausgegebene Band versammelt mehr als 150 Karikaturen über den ersten Bundeskanzler. Ergänzt werden sie durch Hintergrundinformationen zu den politischen Umständen und dem Verhältnis des CDU-Politikers zur Satire. Ein interessanter Einblick auf Adenauer – und auf die Fünfziger- und Sechzigerjahre. Okan Bellikli 

Wilhelm Hartung: Adenauer-Karikaturen | Schaltzeit Verlag


Das war’s für heute. Good night and good luck!

Heute haben Constanze Baumann, Okan Bellikli, Stefan Braun, Michael Bröcker, Till Hoppe, Molly Lukas, Daniel Schmidthäussler, Sven Siebert und Maximilian Stascheit mitgewirkt.

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