Table.Briefing: Berlin

Das Briefing für die Hauptstadt

Das Briefing für die Hauptstadt

Liebe Leserin, lieber Leser,

zum Ende eines politisch turbulenten und unruhigen Jahres hat uns bei Table.Briefings eine Politikerin besucht, die sich selbst nie aus der Ruhe bringen ließ. Auch deshalb haben wir uns bei Table.Briefings auf das Gespräch mit Bundeskanzlerin a. D. Angela Merkel sehr gefreut.  

Bei aller inhaltlichen Kritik, die wir Journalisten an innenpolitischen Versäumnissen oder außenpolitischen (erst im Nachhinein sichtbaren) Fehlentscheidungen haben und hatten, zeigt sich gerade jetzt, wie wohltuend für unser Land diese Politikerin war, die stets die Sache und nicht sich selbst in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellte. Deutschland ging es im Großen und Ganzen gut in den 5860 Tagen von Merkels Amtszeit.  

Im Podcast-Gespräch haben wir mit der ehemaligen Regierungschefin über politische Führung und Kompromisse gesprochen, über die Asyl- und Migrationspolitik, aber auch über Männer-Egos in Regierungszentralen und die vermeintlich letzten Geheimnisse ihrer Amtszeit   

Ich hoffe, das Gespräch bringt auch Ihnen neue Erkenntnisse.  

Wir wünschen Ihnen besinnliche Weihnachten und einen guten Start ins neue Jahr.  

Ihr Michael Bröcker 


Talk of the Town

Angela Merkel im Podcast-Studio von Table.Briefings

Angela Merkel zu Koalitionen: Je mehr Optionen, desto besser

Von Michael Bröcker und Helene Bubrowski 

Die ehemalige Bundeskanzlerin hat den politischen Kompromiss in einer Demokratie gelobt und vor einer weiteren Polarisierung des Landes gewarnt. “Gutes Regieren erfordert Geduld, immer wieder auch zu versuchen, die Motive des Gegenübers zu verstehen”, sagte Angela Merkel im Podcast-Gespräch. Trotz des Wunsches in der Bevölkerung nach klaren Entscheidungen und mehr Führung müsse der Kompromiss als Wesensmerkmal der Demokratie immer wieder verteidigt werden. “Es braucht Kompromisse. Und ich habe immer gesagt, ein Kompromiss ist dann akzeptabel oder gut, wenn die Vorteile die Nachteile überwiegen. Aber das kann 51 zu 49 sein.”  

Sie frage sich schon: “Warum polarisieren sich bestimmte Dinge so? Warum ist auch die Diskussionskultur nicht besser geworden, sondern warum flüchtet sich jeder eigentlich in eine Gruppe, wo seine Meinung oder ihre Meinung gleich mal anerkannt wird?” Damit hätten auch die sozialen Medien zu tun, bei denen jeder für jede zugespitzte Position Zustimmung finden könne. “Daumen hoch oder Daumen runter. Dazwischen gibt es nicht viel.” 

Angela Merkel, Helene Bubrowski, China.Table-Redakteurin Julia Fiedler, Michael Bröcker und Beate Baumann

Deutlicher als bisher äußerte sich Merkel zu einem möglichen Bundeskanzler Friedrich Merz. “Ich wünsche Friedrich Merz allen Erfolg. Er hat lange auf dieses Ziel, Kanzlerkandidat zu werden, hingearbeitet. Und ich wünsche ihm, dass er auch die Kraft hat, einen guten Wahlkampf durchzustehen.” Merz habe die notwendigen Eigenschaften, um Bundeskanzler sein zu können. “Man muss politische Überzeugungen haben. Die müssen auch dem entsprechen, was die Bevölkerung gerne hat, was sie erwartet von der Politik. Und da werden derzeit wirtschaftliche Fragen im Vordergrund stehen.”

Merkel betonte, dass ihre Unterstützung ehrlich sei: “Ich würde ihm nicht Erfolg wünschen, wenn ich nicht davon überzeugt wäre, dass er das Zeug dazu hat.” Das Verhältnis zwischen Merkel und Merz war über viele Jahre unterkühlt. Merkel hatte ihm nach der Niederlage der Union bei der Bundestagswahl 2002 den Fraktionsvorsitz abgeluchst, 2009 verließ Merz den Bundestag und die Politik.

Dass die CSU derzeit ein Bündnis mit den Grünen ausschließen will, sieht Merkel skeptisch. “Je mehr Optionen ich habe in der Frage der Regierungsbildung, umso mehr kann ich auch von meiner eigenen Programmatik durchsetzen”, sagte Merkel. Demokratische Parteien sollten grundsätzlich gesprächs- und koalitionsfähig sein. “Das vergrößert die Möglichkeiten, seine eigenen Positionen durchzusetzen.” 

Das Team von Table.Briefings empfing die Altkanzlerin in der Berliner Redaktion

In der Migrationspolitik äußerte sich Merkel ablehnend zu den von ihrer Partei geplanten Zurückweisungen von Asylbewerbern an den Grenzen. “Ich finde sie falsch. Ich glaube auch, die rechtliche Grundlage ist nicht da. Den Schritt, diesen Vorrang des Europarechts infrage zu stellen, den sollte man nicht gehen.” Das Asylrecht dürfe ebenfalls nicht infrage gestellt werden, sagte Merkel. “Mit diesen Menschen müssen wir so umgehen, wie wir es mit allen Menschen tun. Sie müssen ein Anrecht auf ein faires Verfahren haben, aber sie haben kein Anrecht auf Bleiben in unserem Land.” Das gemeinsame europäische Asylsystem sei der richtige Weg.  

Der Schlüssel zur Bekämpfung der Migrationskrise sei auf Dauer “nur Partnerschaften mit den Herkunftsländern”. Als Fehler bezeichnete Merkel die Unterfinanzierung der UN-Flüchtlingsorganisationen in ihrer Amtszeit.   

Merkel äußerte sich auch zu dem Ampel-Bruch und dem Dauerstreit zwischen den drei Protagonisten Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner. Auf die Frage, ob in dieser Koalition die männlichen Egos mitursächlich für die Probleme gewesen sein, sagte sie: “Vielleicht ist manchmal das Gefühl, sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen, bei Frauen etwas vorherrschender.”

Das Gespräch hören Sie Heiligabend ab 6 Uhr hier.  


News

Neujahrsempfang der NRW-CDU: Mit Merkel, aber ohne Merz? Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel wird entgegen mancher Erwartung doch ihre Partei im Wahlkampf unterstützen. Sie wird als Gastrednerin beim Neujahrsempfang der NRW-CDU am 18. Januar in Düsseldorf auftreten, NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst hatte sie eingeladen. Die beiden pflegen ein gutes Verhältnis, Wüst hatte ihr kurz vor Ende ihrer Amtszeit den Staatspreis des Landes für ihre besonderen Verdienste verliehen. Ob auch CDU-Chef Friedrich Merz, Spitzenkandidat der NRW-CDU für den Bundestag, dabei sein wird, ist noch offen. Merz hat zeitgleich rund 17 konservative Staats- und Regierungschefs nach Berlin eingeladen. Michael Bröcker 


Das war’s für heute. Good night and good luck!

Heute haben Michael Bröcker, Helene Bubrowski und Maximilian Stascheit mitgewirkt.

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  • Angela Merkel im Podcast-Studio von Table.Briefings von Marco Urban
  • von Marco Urban
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