Interview
Erscheinungsdatum: 27. August 2026

Nutzung von Palantir ist „ein fatales Signal"

Dr. Hans-Joachim Popp, Präsidiumsmitglied des Bundesverbandes der IT-Anwender VOICE e.V., erklärt, wieso sich die deutschen Unternehmen vor der US-Software Palantir sorgen.

Wie viele Ihrer Mitglieder sprechen sich aktiv gegen die Nutzung von Palantir aus?

Wir haben keine offizielle Umfrage unter unseren Mitgliedern durchgeführt, aber die Grundhaltung ist eindeutig kritisch: Viele sehen den Einsatz von Palantir sehr skeptisch. Vor allem wegen fehlender Transparenz, der Nähe zu US-Geheimdiensten und der Risiken für unsere digitale Souveränität.

Was spricht speziell aus Unternehmenssicht/Sicht der IT-Anwender gegen den Einsatz von Palantir?

Aus Sicht der Unternehmen ist das größte Problem, dass Palantir nicht dem europäischen Recht unterliegt. Bei hochsensiblen Daten ist das schon für sich ein enormes Risiko. Verstärkt wird die Skepsis durch die enge Verankerung von Palantir im US-Geheimdienstbereich und die Haltung führender Köpfe, die liberale Demokratien infrage stellen. Das alles stärkt nicht gerade das Vertrauen in die Einhaltung von vertraglichen Zusagen.

Skeptisch macht beispielsweise der ständige Einsatz von Fachkräften vor Ort für den Betrieb der Software. Niemand hat dauerhaft Mitarbeiter von Oracle im Hause, um die Datenbank warten zu lassen. In den Anwendungsszenarien bei Palantir ist das aber so vorgesehen. Das schafft Abhängigkeiten und im schlimmsten Fall sogar Erpressungspotential, wenn etwa kritische staatliche Funktionen wie Polizei, Strafverfolgung oder der Zahlungsverkehr betroffen wären.

Technisch gesehen hat die Software keinerlei Alleinstellungsmerkmale. Viele Funktionen sind absoluter Standard und lassen sich auch mit europäischen Tools sehr gut abbilden.

Sehen Sie bei Ihren Mitgliedern auch Unternehmen, die Palantir befürworten oder konkrete Vorteile im Einsatz sehen?

Klar gibt es Unternehmen, die in bestimmten Punkten Effizienzgewinne sehen. Zum Beispiel bei der Analyse großer Datenmengen. Aber selbst dort wird genau hingeschaut, denn Betriebsgeheimnisse können leicht in falsche Hände geraten und geopolitische Abhängigkeiten sind für Unternehmen genauso wenig akzeptabel wie für Staaten. Die jüngsten weltpolitischen Entwicklungen haben viele unserer Mitglieder bei VOICE wachgerüttelt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass strategische Entscheidungen unter diesen Bedingungen neu bewertet werden.

Welche Alternativen zu Palantir halten Ihre Mitglieder für geeignet?

Ein unmittelbares Konkurrenzprodukt ist etwa Maltego aus München, aber es gibt auch noch andere Werkzeuge. Für IT-Anwenderunternehmen ist entscheidend, dass Lösungen aus dem eigenen Rechtsraum stammen, damit sie sich um Compliance und Datenschutz weniger Gedanken machen müssen. Lock-In-Effekte lassen sich zudem durch Open-Source-Ansätze stark reduzieren. VOICE setzt sich daher für den konsequenten Ausbau europäischer Lösungen in vertrauenssensiblen Anwendungsbereichen ein. Nur ein breites, starkes Angebot sichert langfristig unsere digitale Handlungsfreiheit.

Welche Erwartungen haben die Unternehmen an das BMI bzw. die Politik bei der Auswahl und Einführung solcher Systeme?

Unsere Mitglieder erwarten, dass die Politik die digitale Souveränität Europas schützt und nicht leichtfertig aufs Spiel setzt. Europäische Anbieter müssen endlich gestärkt werden, Entscheidungen transparent und nachvollziehbar sein. Kurzfristige Effizienz darf nicht über langfristige, strategische Interessen von Wirtschaft und Gesellschaft gestellt werden. 

Wenn Behörden bei besonders sensiblen Aufgaben auf politisch umstrittene, geheimdienstnahe US-Anbieter setzen, sendet das ein fatales Signal an europäische Anwenderunternehmen und untergräbt alle Bemühungen, europäische Anbieter zu stärken.

Die EU muss deutlich mehr Ressourcen investieren, um Standards zu setzen und den Markt unabhängiger von US-Dominanz zu gestalten. Alternative Angebote müssen dafür konsequent ausgebaut werden. Nur wenn wir in Europa selbst bauen, verstehen und beurteilen, was wir einsetzen, sichern wir unsere digitale Handlungsfreiheit langfristig.

Letzte Aktualisierung: 01. September 2025
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