In Umfragen ist Marie-Agnes Strack-Zimmermann derzeit die beliebteste FDP-Politikerin. Und das, obwohl sie mit ihrem Amt als Verteidigungsausschuss-Vorsitzende eigentlich nur in der zweiten Reihe steht. Warum ist sie so populär?
Nach meiner Einschätzung deshalb, weil sie eine klare Sprache wählt. Das hat sie mit manch einem anderen Politiker im Land gemein, aber sie ist sich nicht so stark abwertend wie die richtigen Populisten. Und sie hat auch etwas Unterhaltsames an sich. Das ist in Zeiten gestelzter Politikerpodcasts und Ansprachen auch etwas Wichtiges, dass man unverfälscht und gleichzeitig unterhaltsam rüberkommt. Die Leute wollen bei allen ersten Themen auch mal etwas zu lachen haben. Frau Strack-Zimmermann vermittelt den Eindruck, dass sie ihren eigenen Spott auch mal gegen sich selbst richtet und sich nicht durchgehend für die allerbeste hält. Auch das kommt offenbar gut an.
War es für sie ein Vorteil, dass sie kein Ministeramt bekommen hat?
Ja, das kann man so sagen. Als Verteidigungsausschuss-Vorsitzende hat sie ein wichtiges Amt, aber eben keine Exekutivposition. Da kann man schon mal aus dem Rückraum einen Knaller von sich geben. Wenn man in die Kabinettsdisziplin eingebunden ist, geht das nicht. Daher hätte sich Frau Strack-Zimmermann als Ministerin anders verhalten müssen und sich vermutlich nicht wirklich wohlgefühlt. Sie ist jemand, die das Spiel mit der Öffentlichkeit, den Umgang mit den Medien gut beherrscht. Sie weiß, dass es gut ankommt, wenn jemand aus der Ampelfraktion heraus den Bundeskanzler kritisiert. Aber man muss ihr gleichzeitig zugutehalten, dass sie das mit Themen macht, die keine Gewinnerthemen sind. Sie muss also auch vieles hinnehmen an Hass und an Widerwärtigkeiten. Insofern macht sie das meines Erachtens auch nicht zur Selbstdarstellung.
Trotzdem bezeichnen Kritiker sie als Populistin.
Es ist immer uneindeutig, wenn wir von Populisten sprechen. Es gibt den wissenschaftlichen Sprachgebrauch, mit dem wir Menschen meinen, die anders gesonnene Menschen ausgrenzen. In dem Verständnis ist Frau Strack-Zimmermann keine Populistin. Aber im landläufigen Sinne meint das Wort jemanden, der die Öffentlichkeit mit steilen Thesen füttert. In diesem Sinne trifft es eher zu, erscheint mir aber deshalb nicht als etwas Verwerfliches, weil sie ihre Positionen sachlich begründet. Im Unterschied zu anderen Populisten, gerade aus Bayern, ist die Argumentation von Frau Strack-Zimmermann überwiegend faktenbasiert.
Wie schätzen Sie ihre Stellung innerhalb der FDP ein?
Sie ist eine ganz wichtige Persönlichkeit, die in der FDP herausragt: Sie ragt vom Geschlecht heraus, sie ragt von der Sichtbarkeit und der Bekanntheit heraus. In gewisser Weise ragt sie auch durchaus beim Alter heraus. Wir haben bei der FDP eher jüngere Menschen, vor allem Männer. Da ist es bemerkenswert, dass sie so große Aufmerksamkeit erhält. Insofern ist sie sowohl von den Themen, die sie besetzt, als auch von ihrer Persönlichkeit eine Bereicherung für ihre Partei. Und das Interessante ist, dass in das FDP – vielleicht auch aufgrund der desolaten Lage – niemand gegen sie arbeitet. Da wird nicht versucht, sie kleinzuhalten. Das ist in keiner Partei etwas Selbstverständliches.
Sie haben es gerade selbst angesprochen: Frau Strack-Zimmermann ist eine Frau in einer überwiegend männlichen Partei. Welchen Unterschied macht das?
Ich würde schon sagen, dass es ein Vorteil für sie ist. Das meine ich nicht negativ. „Role Model“ ist ein großes Wort, aber ich würde schon sagen, dass sie sowohl für jüngere als auch ältere Frauen ein Vorbild ist. Da ist eine, die sich nicht einschüchtern lässt, die offensichtlich auch Unbill erträgt, also Hassnachrichten und bösartige, frauenfeindliche, altersfeindliche Bemerkungen. Das kann ihr gerade bei dieser Europawahl helfen, dass man sagt: „Die Frau kenne ich, die finde ich mutig. Ich teile nicht alle ihrer Einschätzungen und auch nicht die ihrer Partei. Aber die anderen kenne ich gar nicht. Deshalb wähle ich mal FDP.“
Sie gehen also davon aus, dass der Personenfaktor Strack-Zimmermann für die FDP bei der Wahl viel ausmachen kann?
Ja, natürlich. Es war ein kluger Schachzug, sie zur Spitzenkandidatin zu machen. Die FDP hat jetzt den großen Vorteil, dass sie nicht so verkrampft in die Wahl geht. Es geht bei der Europawahl nicht um Sein oder Nichtsein, weil die Fünf-Prozent-Hürde im Jahr 2014 vom Bundesverfassungsgericht für diese politische Ebene gekippt worden ist. Des Weiteren sind Wahlen zum Europaparlament wie Kommunalwahlen Wahlen zweiter Ordnung, wie wir sie in der Politikwissenschaft nennen. Sprich: Da sind die Wählerinnen und Wähler, weil es eben nicht um die Bestellung einer nationalen Regierung geht, eher mal bereit, was Neues auszuprobieren, eine andere Partei zu wählen. Oder eine Partei zu wählen, weil man eine Person gut findet, in dem Fall die Spitzenkandidatin.
Derzeit ist Strack-Zimmermann in der Bevölkerung noch sehr bekannt und hat in ihrer Partei eine wichtige Stellung. Wie wird sich das nach der Europawahl, wenn sie dann in Brüssel ist, womöglich verändern?
Das ist schwierig zu sagen. Aber ich gehe schon davon aus, dass Frau Strack-Zimmermann sich zumindest bemühen wird, weiterhin sichtbar zu bleiben und Themen streitbar zu besetzen. Das Thema europäische Sicherheitspolitik, das sie besetzt und in dem sie viel Expertise hat, wird auch mit Blick auf die Wahl in den USA – egal, wie sie ausgeht – eine große Bedeutung haben. Insofern ist zu erwarten, dass sie sich auch innerhalb ihrer Partei weiterhin Gehör verschaffen wird, ohne jedoch noch weitere große Karriereschritte zu planen.