in unserer Serie zu den EU-Wahlen fokussieren wir heute auf eine geplante EU-weite Lebensmittel-Etikettierung. Um Verbrauchern eine einheitliche Kennzeichnung zu bieten, wollte die Europäische Kommission in der zu Ende gehenden Legislaturperiode neue EU-Regeln vorschlagen. Wie wahrscheinlich es ist, dieses Vorhaben nach den EU-Wahlen zu realisieren, weiß Brüsseler Korrespondentin Julia Dahm.
Spannend ist auch unser heutiger Blick in die Agrarmärkte. Die Wahrscheinlichkeit, dass Landwirte in der EU wegen Getreideexporten aus der Ukraine künftig auf den Straßen protestieren werden, sinkt. Nach der Ernte 2024 wird sich die Lage aus verschiedenen Gründen entspannen, schreibt Marktanalyst Steffen Bach.
Im politischen Berlin hat Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir zu Wochenbeginn die neue Waldzustandserhebung 2023 vorgestellt. Das Ergebnis ist ernüchternd: Nur jeder fünfte Baum ist gesund. Warum der Klimawandel schuld an dieser Situation ist, lesen Sie in unserer News. Außerdem hat der Bundestagsausschuss für Landwirtschaft und Ernährung den Vorschlag des Bürgerrates Ernährung für kostenlose Mittagessen an Schulen am Montag mit Sachverständigen diskutiert. Diese sprachen sich zwar mehrheitlich dafür aus, problematisierten aber unter anderem die Finanzierung, berichtet Merle Heusmann.
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Sollte Olivenöl als gesund oder ungesund gelten? Es sind solche Fragen, an denen sich die europäische Debatte um den Nutri-Score entzündet. Sieben EU-Länder, darunter Deutschland, nutzen ihn bereits als freiwillige Nährwertkennzeichnung. Portugal will bald folgen. Um Verbrauchern eine einheitliche Kennzeichnung zu bieten, wollte die Europäische Kommission eigentlich in der nun zu Ende gehenden Legislaturperiode neue EU-Regeln zur Lebensmittel-Etikettierung vorschlagen.
Der in Frankreich entwickelte Nutri-Score galt als heißester Kandidat dafür, EU-weit eingeführt zu werden, freiwillig oder verpflichtend. Dass der Vorschlag nie das Licht der Welt erblickte, dürfte am passionierten Widerstand einiger vor allem mediterraner und östlicher Mitgliedstaaten liegen. Das Thema sei “sehr komplex“, die Arbeit noch nicht abgeschlossen, sagte eine Kommissionsvertreterin kürzlich bei einer Veranstaltung in Brüssel. Fragen nach der Zukunft des Vorschlags wich sie beharrlich aus.
Lautester Gegner ist Italien: Das Land fürchtet Nachteile, weil wichtige italienische Produkte, wie Olivenöl oder Käse, beim Nutri-Score tendenziell schlecht abschneiden. Auf der nach Ampelfarben kodierten Skala schneiden Lebensmittel innerhalb einer Kategorie schlechter ab, je mehr gesättigte Fettsäuren, Zucker, Salz und Kalorien sie enthalten.
Die Kritik aus Rom: Der Nutri-Score beziehe nicht ein, wie viel von einem Produkt üblicherweise verzehrt werde. Ungünstig zum Beispiel für Olivenöl, das fettreich ist, aber meist in recht kleinen Mengen konsumiert wird. Auch Verarbeitungsgrad und Zusatzstoffe blieben außen vor.
Für die rechte Regierung unter Giorgia Meloni hat der Schutz von als traditionell “italienisch” geltenden Lebensmitteln hohe Priorität. Zuletzt kündigte Agrarminister Francesco Lollobrigida von Melonis post-faschistischer Partei “Brüder Italiens” sogar an, die Verfassung ändern zu wollen, um einen Passus hinzuzufügen zum “Schutz der Ernährungssouveränität und von Produkten, die Symbole der nationalen Identität sind”.
Meloni hat gute Karten, die europäische Debatte zum Nutri-Score weiter auszubremsen. Denn sie kann in Brüssel Einfluss geltend machen: Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zählt für ihre Wiederwahl auf die Unterstützung der italienischen Regierungschefin. Deren Partei könnte laut Umfragen auch im EU-Parlament ihre Sitze mehr als verdoppeln. Eine Zusammenarbeit mit Melonis EU-Parteifamilie EKR schloss von der Leyen zuletzt explizit nicht aus.
Neben den klaren Kritikern des Nutri-Scores sind auch die nordischen Länder skeptisch: Sie stellen sich nicht grundsätzlich gegen ihn, haben aber bereits eigene Label eingeführt. Die funktionieren teils ähnlich wie der Nutri-Score, sind aber schon etabliert und bei den Verbrauchern bekannt. Das Interesse, nun umzustellen, ist begrenzt. Da helfen auch die Bemühungen der aktuellen belgischen Ratspräsidentschaft wenig, das Thema noch einmal auf die Agenda zu bringen, indem sie vor Kurzem ein wissenschaftliches Symposium dazu organisierte.
Selbst Verbraucherschützer, die für den Nutri-Score werben, zeigen wenig Hoffnung auf eine baldige EU-weite Regelung. Die Fronten schienen “verhärtet”, räumt die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) ein. Man hoffe erst einmal darauf, dass sich, wie zuletzt Portugal, immer mehr Länder selbst für den Nutri-Score entscheiden, sagt auch Camille Perrin vom Europäischen Verbraucherverband (BEUC).
Für Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne), ebenfalls Verfechter des Nutri-Scores, ist das Ausbleiben des Kommissionsvorschlags noch aus einem anderen Grund ärgerlich: Er hatte sich davon auch eine EU-weite Herkunftskennzeichnung für tierische Produkte erhofft. Eine Forderung hiesiger Tierhalter, um Nachteile auszugleichen, die ihnen aus ihrer Sicht auf dem EU-Markt durch höhere Tierschutzstandards in Deutschland entstehen.
Özdemir wollte eine europäische Regelung erreichen, weil der rechtliche Spielraum national begrenzt ist. Auch Österreich und Frankreich standen hinter den Bemühungen. Durch das Ausbleiben des gesamten Kommissionsvorschlags zur Etikettierung kam das Thema aber gar nicht erst auf den Tisch. Auch zu einer Reform des Mindesthaltbarkeitsdatums, die Özdemir im Sinne der Reduzierung von Lebensmittelabfällen befürwortet, kam es nicht.
Im vergangenen Sommer gab der Bundeslandwirtschaftsminister schließlich klein bei und ging die Herkunftskennzeichnung auf nationaler Ebene an. Solche “Alleingänge” seien aus Sicht der Lebensmittelwirtschaft der falsche Weg. Dies untergrabe den freien Warenverkehr in der EU und sei im Falle der Herkunftskennzeichnung sogar EU-rechtswidrig, sagt Peter Loosen, Leiter des Brüsseler Büros beim Lebensmittelverband, zu Table.Briefings. Einheitliche europäische Lösungen seien “grundsätzlich immer zu bevorzugen.”
Loosen plädiert dafür, aus dem Scheitern in dieser Legislaturperiode Lehren zu ziehen, um doch noch einheitliche Vorgaben zu erreichen. Gleichzeitig müsse aber hinterfragt werden, ob “immer noch mehr Pflichtkennzeichnungen” angesichts Kosten und Aufwand für Unternehmen Sinn ergäben. Verbraucherschützerin Perrin argumentiert: Die flächendeckende Einführung des Nutri-Scores nutze nicht nur Verbrauchern, sondern auch Unternehmen. Denn ein Flickenteppich aus unterschiedlichen Vorgaben erhöhe die Kosten. Auch der vzbv fordert: Das Thema “darf nicht weiter auf die lange Bank geschoben werden.”
Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine waren die ukrainischen Getreideexporte in die Europäische Union in die Höhe geschnellt. Weil der Export über die Tiefwasserhäfen in der Region Odessa zeitweise gar nicht und später nur eingeschränkt möglich war, wurden zunehmende Mengen per Lkw und Eisenbahn über Polen, Rumänien, Ungarn und die Slowakei exportiert. Im Wirtschaftsjahr 2022/23 stiegen die Getreideexporte der Ukraine in die EU vor allem wegen der Ausfuhren auf dem Landweg gegenüber dem Vorjahr um 253 Prozent auf 22 Millionen Tonnen an. In den ersten Monaten des laufenden Wirtschaftsjahres (Juli 2023 bis Februar 2024) waren es bereits 13 Millionen, sodass bis zum Ende der Saison eine Menge von knapp 20 Millionen erreicht werden könnte. Auch das wäre mehr als der bisherige Rekord aus dem Jahr 2018/19 von 15,6 Millionen Tonnen. Während die Ukraine beim Mais traditionell ein wichtiger Lieferant für die EU ist, bewegten sich die Weizenimporte vor dem Krieg auf einem niedrigen Niveau (siehe Tabelle).
Die EU ist nach Russland der größte Weizenexporteur der Welt und deshalb nicht auf Importe angewiesen. Bei hohen Preisen auf dem EU-Markt war ukrainischer Weizen in den vergangenen Jahren insbesondere in Südeuropa dennoch wettbewerbsfähig und fand dort – wenn auch in einem überschaubaren Umfang – Abnehmer. Beim Mais gehört die EU dagegen zusammen mit China und Mexiko zu den größten Importeuren und die Ukraine ist traditionell der wichtigste Lieferant. Insgesamt hat die EU im laufenden Wirtschaftsjahr 12,8 Millionen Tonnen Mais importiert, von dem knapp zwei Drittel aus der Ukraine stammten.
Mit den seit dem Sommer 2024 fallenden Getreidepreisen wuchs unter den Landwirten in den Nachbarstaaten der Unmut über die Lieferungen aus der Ukraine. Wochenlang blockierten aufgebrachte polnische Landwirte Grenzübergänge zur Ukraine, um die Einfuhren zu verhindern. Die Europäische Union reagierte auf die Proteste und veranlasste Maßnahmen, um die Getreideflut einzudämmen.
Nun zeigt sich, dass ein Eingreifen der Politik nicht notwendig gewesen wäre. Denn in der ukrainischen Landwirtschaft hinterlassen die Folgen des Kriegs inzwischen unübersehbare Spuren. Teile des Landes stehen unter russischer Besatzung und in den Frontgebieten ist der Ackerbau zu gefährlich. Die Landwirte sind zudem mit kriegsbedingt steigenden Kosten und schrumpfenden Erlösen konfrontiert. Stark zugenommen haben vor allem die Logistikkosten, was zu sinkenden Erzeugerpreisen führte. Seit August 2023 wird Getreide zwar wieder über die Tiefwasserhäfen in der Region Odessa verschifft, hohe Versicherungsprämien für die Frachter erhöhen aber die Transportkosten, die auf die Erzeugerpreise abgewälzt werden. Die Produktion von Weizen und Mais war im vergangenen Jahr kaum kostendeckend.
Die ukrainischen Landwirte haben deshalb den Getreideanbau zur Ernte 2024 eingeschränkt und stattdessen Sojabohnen, Raps und Sonnenblumen gesät, die profitabler sind. Die Flächenverschiebungen spiegeln sich in den Ernteprognosen des ukrainischen Landwirtschaftsministeriums wider. So soll die Weizenproduktion 2024 gegenüber dem Vorjahr um 14,4 Prozent auf 19 Millionen Tonnen zurückgehen. Bei Mais wird mit einem Minus von 11,5 Prozent auf 27 Millionen Tonnen gerechnet. Die geringere Produktion schränkt das Exportpotenzial der Ukraine ein (siehe Tabelle). Dabei macht sich ein weiterer Effekt bemerkbar. Die Ukraine hatte im laufenden Wirtschaftsjahr ein letztes Mal von den Lagerbeständen aus der Rekordernte im Jahr 2021 mit 33 Millionen Tonnen Weizen und 42 Millionen Tonnen Mais profitiert. Diese Vorräte sind nun aufgebraucht und sorgen dafür, dass die Exporte deutlich stärker zurückgehen als die Produktion.
Für die Ackerbauern in der Europäischen Union hat sich der Ausblick auf das Wirtschaftsjahr 2024/25 nicht nur wegen des zu erwartenden Rückgangs der ukrainischen Getreidelieferungen aufgehellt. Der Weizenpreis hatte nach einer fast zweijährigen Talfahrt Mitte März seinen Tiefpunkt erreicht und ist seitdem wieder gestiegen. So legte der börsengehandelte Finanzkontrakt “September-Future”, der die neue Ernte repräsentiert, an der internationalen Börse Euronext von Mitte März bis zum 10. Mai um 27 Prozent auf rund 250 Euro/Tonne zu und folgte damit einem festeren Weltmarkt. Gründe für den Stimmungsumschwung sind ungünstige Witterungsbedingungen in wichtigen Anbaugebieten der EU, der USA und Russlands, die Ertragseinbußen befürchten lassen. Derzeit deutet einiges darauf hin, dass die Weizenpreise in den kommenden Monaten weiter anziehen und wieder das Niveau der Monate vor dem Beginn des Kriegs in der Ukraine erreichen, als Weizen an der Euronext zwischen 250 und Euro/Tonne gehandelt wurde.
In Russland haben sich die Aussichten für die Weizenernte 2024 verschlechtert. Das auf die Schwarzmeerregion spezialisierte Analyseunternehmen SovEcon kürzte seine Prognose für die russische Weizenernte in der vergangenen Woche um 3,4 Millionen auf 89,6 Millionen Tonnen. Das russische Beratungsunternehmen IKAR ist noch pessimistischer. Am Montag senkte es seine Prognose für die russische Weizenernte 2024 um 5 Millionen Tonnen auf 86 Millionen Tonnen. Das Vorjahresergebnis von 92,8 Millionen Tonnen würde damit klar verfehlt.
Auch die Exportmenge im Wirtschaftsjahr 2024/25 sinkt laut IKAR im Vergleich zu früheren Vorhersagen um 3,5 Millionen auf 74 Millionen Tonnen. Im laufenden Wirtschaftsjahr 2023/24 werden Weizenausfuhren von 53 Millionen Tonnen erwartet. Betreffen dürfte der Rückgang vor allem Ägypten, die Türkei, Bangladesch, den Iran, Pakistan, Algerien und die Länder der Eurasischen Wirtschaftsunion. Sie sind Hauptabnehmer von russischem Weizen.
Grund sind ungünstige Wetterverhältnisse: Von Februar bis April wurden in den wichtigsten Anbaugebieten im Zentrum des europäischen Teils, an der Wolga und nördlich des Kaukasus nur 40 bis 80 Prozent der üblichen Niederschlagsmengen gemessen. Besonders stark betroffen ist der südliche Teil des Landes zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer, der den trockensten April seit zehn Jahren erlebte, und in dem rund ein Drittel des russischen Weizens produziert wird.
Fast im gesamten europäischen Teil Russlands war der April zudem deutlich zu warm, wobei die Temperaturen um fünf Grad Celsius über dem Durchschnitt lagen. Dies führte zu einer schnellen Schneeschmelze, bei der das Wasser abfloss und Überschwemmungen auslöste, statt im Boden zu versickern.
Anfang Mai bereitete ein Kälteeinbruch zusätzliche Probleme. Befürchtet wird, dass Nachtfröste die Pflanzen schädigen könnten. Auch im Mai hat es in den am stärksten von Trockenheit betroffenen südrussischen Gebieten keine nennenswerten Niederschläge geben. Die Wettermodelle sagen im Süden erst für die zweite Maihälfte spürbarere Regenfälle voraus. Zu diesem Zeitpunkt dürften die Pflanzen aber nach Einschätzung von SovEcon bereits erheblich gelitten habe. sb
Neben Russland und der Ukraine ist Kasachstan der dritte große Weizenproduzent in den Steppenregionen um das Schwarze und Kaspische Meer. Das Land ist für Nachbarn im Süden und Osten ein wichtiger Weizenversorger, mit den wichtigsten Absatzmärkten in den ehemaligen mittelasiatischen Sowjetrepubliken und Afghanistan. In jüngster Zeit sind aber auch Ausfuhren nach China stark angestiegen.
2023 exportierte Kasachstan 426.000 Tonnen Weizen in die Volksrepublik, im Vorjahr nur 29.000 Tonnen. Für China ist der weltweit sechstgrößte Weizenexporteur ein interessanter Partner im Rahmen der Strategie, die Herkünfte seiner Agrarimporte zu diversifizieren. Kasachstan will sich außerdem zu einem logistischen Drehkreuz zwischen Russland, China und dem Iran entwickeln. Geplant ist der Ausbau der Bahnverbindungen, über die auch russisches Getreide im Transit auf die asiatischen Märkte gelangen soll.
Nach einer Rekordernte im Jahr 2022 mit 16,4 Millionen Tonnen war die Weizenproduktion im vergangenen Jahr nach einer zu trockenen Anbausaison auf 12,1 Millionen Tonnen zurückgegangen. In diesem Jahr rechnet das Büro des US-Agrarministeriums in der kasachischen Hauptstadt Astana mit einer Erholung auf 15,8 Millionen Tonnen, da die Böden nun deutlich besser mit Wasser versorgt seien. Der Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre würde damit um 20 Prozent übertroffen.
Dank der größeren Erntemenge könnten die Exporte um elf Prozent auf 11,1 Millionen Tonnen steigen. Für die Weizenversorgung in Mittelasien hat Kasachstan eine Schlüsselrolle. Wichtigste Kunden waren im Jahr 2023 Usbekistan (4,4 Millionen Tonnen), Afghanistan (2,1 Millionen), Tadschikistan (1,1 Millionen) und Turkmenistan (590.000 Tonnen). Auch Italien kaufte mit 450.000 Tonnen nennenswerte Mengen, bei denen es sich hauptsächlich um Hartweizen handelte, der für die Nudelherstellung benötigt wird. Deutschland bezog dagegen nur 225 Tonnen aus Kasachstan. sb
Ein kostenloses Mittagessen an Kindertagesstätten und Schulen halten die Sachverständigen, die der Bundestagsausschuss für Landwirtschaft und Ernährung am gestrigen Montag zum Fachgespräch eingeladen hatte, mehrheitlich für eine gute Idee. Denn: “Wir kümmern uns um die optimale Ernährung der Tiere, aber nicht unserer Kinder”, stellte Wilhelm Windisch von der Technischen Universität München in seinem Eingangsstatement fest. Argumente gegen den Vorschlag, den der Bürgerrat Ernährung im Januar auf Platz 1 von neun Empfehlungen gesetzt hatte, nannten die Experten aus Wissenschaft, Praxis und Lebensmittelwirtschaft aber dennoch.
Die positiven Effekte einer staatlichen Kostenübernahme des Mittagessens, die von den Sachverständigen immer wieder aufgegriffen wurden, fasste Berthold Koletzko von der Kinderklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München zusammen: “Ein gutes, attraktives und kostenfreies Schulessen bildet die große Chance, unabhängig vom sozialen und ökonomischen Hintergrund der Familien den Zugang zu ermöglichen, Gesundheit und Leistungsfähigkeit zu stärken und soziale Ungleichheit zu reduzieren.”
Dass die Kostenübernahme allein aber nicht ausreiche, um die Qualität der Verpflegung von Kindern und Jugendlichen zu verbessern, gab Stephanie Wunder vom Thinktank Agora Agrar zu bedenken. Auch Qualitätsstandard der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) müssten beachtet und Küchenmitarbeitende entsprechend geschult werden. Marc Elxnat vom Deutschen Städte- und Gemeindebund verwies auf die Problematik der Finanzierung. “Die Frage ist, ob es in Zeiten knapper Kassen sinnvoll ist, über Maßnahmen nachzudenken, die nicht sozialpolitisch gezielt Kindern aus Familien mit geringen Einkommen zugutekommen, sondern von der pauschal alle Kinder und Jugendlichen profitieren.”
Manon Struck-Pacyna vom Lebensmittelverband Deutschland nannte die Empfehlung des Bürgerrats Ernährung “realitätsfern”. Bislang sei von Seiten der Bundesländer keine Bereitschaft zu erkennen, den finanziellen Mehraufwand zu übernehmen. Ebenso fehle es an notwendigen Voraussetzungen und Prozessen in den betroffenen Einrichtungen, das heißt an Küchen, Fachpersonal, Räumlichkeiten, Qualitätsstandards für Catering-Unternehmen. Struck-Pacyna problematisierte außerdem mögliche Lebensmittelverschwendung. “Die Wertschätzung für das, was kostenlos ist, ist nach bisherigen Erfahrungen in der Praxis vergleichsweise gering.” Die Differenz von Bestellung und tatsächlich verzehrten Mittagessen könnten bei Kostenübernahme auseinandergehen, wenn die Länder nicht zusätzliche Maßnahmen zur Bedarfssteuerung ergreifen, so Struck-Pacyna. heu
Der Parlamentsberichterstatter für das europäische Emissionshandelssystem, Peter Liese (EVP), hält die Aufnahme des Agrarsektors in den europäischen Emissionshandel (ETS) noch nicht für zielführend. Man müsse den Nutzen der Landwirte und Waldbesitzer in den Fokus rücken, statt den Sektor zu problematisieren. “Es ist der einzige Sektor, der große Mengen an CO₂-Senken liefert”, sagt Liese auf Nachfrage von Table.Briefings. Es müsse erst eine Atmosphäre geschaffen werden, in der Landwirte willkommen sind. Daher sei es nicht der richtige Zeitpunkt, um über die Aufnahme des Sektors in den ETS zu sprechen.
Fakt ist allerdings, dass der Agrarsektor derzeit noch als Netto-Emittent in der EU gilt. Ökonomen und Umweltschutz-Organisationen fordern deshalb, dass auch die Landwirtschaft mit einem CO₂-Preis belegt wird, um die Branche zu mehr Emissionsreduktionen zu bewegen. Jedoch plädieren Experten – und auch Liese – dafür, die Vergütung von entnommenen CO₂-Mengen aus der Atmosphäre in den ETS zu integrieren, um Anreize für CO₂-Entnahmen zu vergrößern. So könnte die natürliche Senkleistung des Agrarsektors profitabel für Landwirte werden. Allerdings scheitert ein Agrar-ETS derzeit noch daran, dass es noch kein System gibt, das das entnommenes CO₂ im Agrar- und Landnutzungsbereich (LULUCF) vollständig erfasst. luk
Der Faire Handel hat einen Unterstützungsfonds mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) aufgelegt. Damit soll die Zusammenarbeit von Unternehmen, Produzenten und sonstigen Akteuren in fairen Lieferketten befördert werden, damit diese die unternehmerischen Sorgfaltspflichten für Menschenrechte und Umwelt umsetzen können. Projektpartner sind Fairtrade Deutschland, das Forum Fairer Handel und die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Bewerben können sich Unternehmen mit:
Sie erhalten die Hälfte ihrer Projektkosten als öffentlichen Zuschuss. Anträge müssen im Mai, Juni und September bis zur Monatsmitte abgegeben werden.
Die bisherigen Fördermöglichkeiten für KMU aus dem fairen Handel “haben nicht gepasst“, sagt Claudia Brück, Vorständin bei Fairtrade Deutschland gegenüber Table.Briefings. Ziel sei es, die Zugangsschwelle für interessierte Unternehmen abzusenken. Brück verweist auf positive Erfahrungen bei der Vergabe von öffentlichen Hilfen durch Fairtrade Deutschland während der Corona-Krise.
Das BMZ stellt insgesamt 1,9 Millionen Euro zur Verfügung. Davon fließt knapp die Hälfte in einen Fonds, der von Fairtrade Deutschland verwaltet wird. Die andere Hälfte steht für die Organisation selbst sowie für die Beratung innerhalb der ausländischen Produzentennetzwerke zur Verfügung.
Noch fallen die betreffenden KMU nicht unter das deutsche Lieferkettengesetz. Trotzdem müssen sie bereits oft gegenüber Abnehmern entsprechende Verpflichtungen übernehmen. Verlangt würden etwa Geodaten, erklärt Brück. Damit werde sichergestellt, dass Rohstoffe wie Kakao oder Kaffee gemäß der Richtlinie für entwaldungsfreie Lieferketten angebaut worden sind. Die entsprechenden Äcker dürfen nicht nach 2020 entwaldet worden sein.
Eine Klarstellung über Zertifizierungen zur Erfüllung von Lieferkettengesetzverpflichtungen erhofft sich der Faire Handel vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Wichtig sei zu wissen, in welchen Fällen eine Zertifizierung als Beleg dafür angesehen werde, dass Unternehmen die Vorgaben des Lieferkettengesetzes einhalten. Das BAFA hat eine entsprechende Handreichung angekündigt, die vermutlich Ende dieses Jahres erscheinen wird.
Den Geschäftsverlauf 2023 bewertet Fairtrade Deutschland in seinem am Dienstag erschienen Jahresbericht “verhalten positiv”.
Solche Absatzrückgänge erlebt der Faire Handel nicht das erste Mal. Bereits im ersten Corona-Jahr kauften die Konsumenten weniger faire Waren.
Inflationsbereinigt hätte der Faire Handel in Deutschland 2023 ein Plus von 1,3 Prozent erzielt. Optimistisch ist die Organisation für 2024, weil die Absätze in den letzten beiden Quartalen 2023 und dem ersten Quartal 2024 deutlich angestiegen sind. cd
Dem Wald in Deutschland geht es weiterhin schlecht. Bei den am weitesten verbreiteten Baumarten Fichte, Kiefer, Buche und Eiche ist gerade mal jeder fünfte Baum gesund. Das ist das Ergebnis der neuen Waldzustandserhebung 2023 vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Gründe dafür sind unter anderem die andauernde Trockenheit und hohe Temperaturen seit 2018. Der Zustand des Waldes hat sich seit dem Vorjahr weder groß verbessert noch verschlechtert. Insgesamt sind nur 20 Prozent der Waldfläche in Deutschland 2023 so gesund, dass sie keine Kronenverlichtung aufweisen, also keine sicht- und messbaren Nadel- oder Blattverlust der Baumkrone. Einzig bei der Kiefer gab es leichte Verbesserung beim Kronenzustand.
Im Vergleich zu den anderen Hauptbaumarten geht es der Fichte am schlechtesten, sie weist die höchste Absterberate auf. Seit der ersten Erhebung 1984 steigt der sichtbare Blatt- beziehungsweise Nadelverlust aller Baumarten an. Im Jahr 2019 konnten die deutlichsten Veränderungen beobachtet werden. “Die Klimakrise hat unseren Wald fest im Griff, langandauernde Trockenheit und hohe Temperaturen der letzten Jahre haben bleibende Schäden hinterlassen”, sagt Cem Özdemir, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft. Der Wald entwickle sich zu einem Dauerpatienten. Das BMEL hat daher dieses Jahr 250 Millionen Euro für Waldförderung eingeplant, um den Wald gegen die Klimakrise zu schützen. seh
14.05.2024 – 18.30 – 22.00 Uhr / Berlin Mitte
Veranstaltung des Branchenverband Cannabiswirtschaft e.V. (BvCW) Parlamentarischer Abend der Cannabiswirtschaft
Das Inkrafttreten des Cannabisgesetzes und die damit verbundenen Verbesserungen insbesondere im Bereich Medizinalcannabis sind ein wichtiger Meilenstein für die deutsche Cannabiswirtschaft. Die Veranstaltung blickt unter anderem auf die nächsten erforderlichen Reformen in Richtung eines Industriehanfgesetzes (einschließlich Abschaffung der “Rauschklausel”) sowie auf die geplante “Säule 2” mit Modellprojekten zur regulierten Abgabe von Genusscannabis. INFO & ANMELDUNG
15.05.2024 – 18:00 – 19:30 Uhr / online
Web-Seminar des BZL Alles eine Frage der Technik: Welche digitalen Möglichkeiten gibt es für den Ackerbaubetrieb?
Aus der Praxis für die Praxis: Im Web-Seminar erläutern zwei Betriebe des Netzwerks Leitbetriebe Pflanzenbau, wie sie in den digitalen Ackerbau gestartet sind. Lars Meinecke und Stefan Vogelsang stellen u. a. vor, welche digitalen Verfahren sie auf ihren Betrieben einsetzen und welche Vor- und Nachteile sie mit sich bringen. INFO & ANMELDUNG
15.05.024 – 14.00 – 15.00 Uhr / online
digital talk NEWMEAT: AltProtein-Etikette: “Clean Label” – der neue heilige Gral
Content is King – das gilt auch bei Lebensmitteln. Immer mehr Unternehmen im Bereich alternativer Proteine fokussieren sich darauf, ihre Rezeptur entlang einer möglichst kurzen Liste an Zusatzstoffen aufzubauen. Seien Sie dabei, wenn wir in die Untiefen der Inhaltsstoffe der neuen Produkte einsteigen und erörtern, was Zusatzstoffe mit dem Verarbeitungsgrad zu tun haben, ob es eine neue Klassifizierung von Lebensmitteln braucht und welche Bedeutung die Entwicklung für den Trend Convenience mit sich bringt. INFO & ANMELDUNG
15.05. – 17.05.2024 / Berlin
Konferenz Green Tech Festival
Ein erweitertes Festivalkonzept empfängt Besucher aus der ganzen Welt, um die Herausforderungen und Chancen der MISSION TO NET ZERO zu diskutieren. Zusammen mit renommierten Rednern, Top-Ausstellern und einer hochkarätigen Preisverleihung schafft das Greentech Festival einen inspirierenden Raum für Menschen, Ideen, Innovationen, Unternehmen und Organisationen, die die Welt zum Besseren verändern. INFO
16.05.2024 – 19.00 – 20.30 Uhr / online
Experimentierfelder Talk Vier Beispiele für den digitalen Weinbau von morgen
Ein Abend, ein Thema, viele Gäste aus Praxis und Forschung, zwei ModeratorInnen – in den Experimentierfelder Talks 2024 kommen Forscher und Landwirte ins Gespräch, tauschen Zahlen, Meinungen und Argumente aus, beleuchten unterschiedliche Aspekte eines Themas aus verschiedenen Perspektiven. Das Thema diesmal: Vier Beispiele für den Weinanbau von Morgen. INFO & ANMELDUNG
17.05.2024 – 9.30 Uhr / Berlin
Plenarsitzung Bundesrat
TOP 11: Entschließung des Bundesrates “Praxisgerechte Umsetzung der EU-Entwaldungsverordnung und Vermeidung bürokratischer Lasten”
TOP 21: Dritte Verordnung zur Änderung der Obst-Gemüse Erzeugerorganisationendurchführungsverordnung INFO
23.05.2024 – 11.00 – 16:30 Uhr / Kulturforum “Historisches U”, An der Kürassierkaserne 9, 17309 Pasewalk
Fachkonferenz Forschung.Digital Ländliche Räume in Zeiten der Digitalisierung | #FFD24
Unter dem Titel “Ländliche Räume in Zeiten der Digitalisierung” analysierten elf Forschungsprojekte aktuelle wirtschaftliche, gesellschaftliche und räumliche Veränderungen in Zusammenhang mit der Digitalisierung in den ländlichen Regionen Deutschlands. Im Anschluss wurde eine fachliche Auswertung der Fördermaßnahme vorgenommen. Die Ergebnisse möchten wir mit Ihnen in einer Fachkonferenz diskutieren. Eröffnet wird die Veranstaltung von Claudia Müller, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft. INFO & ANMELDUNG
24.05. -25.05.2024 / Martin-Luther-Universität Halle Wittenberg
Jahrestagung der Jungen DLG 2024 Landwirtschaft 2040 – Herausforderungen und Chancen für eine nachhaltige Zukunft
Die Jahrestagung der Jungen DLG ist der zentrale Ort in Deutschland für Studierende, Berufseinsteiger und Young Professionals im Bereich Landwirtschaft und Agribusiness, um sich zu vernetzen, fortzubilden und miteinander Spaß zu haben. Dazu sind alle Interessierte (egal ob DLG-Mitglied, oder nicht) sehr herzlich eingeladen. INFO & ANMELDUNG
27.05.2024 / Brüssel
Tagung EU-Rat Rat für Landwirtschaft und Fischerei
Wichtigste Tagesordnungspunkte erscheinen eine Woche vor der Tagung. INFO
27.05. – 29.05.2024 / Rotterdam
ISF World Seed Congress 2024 Navigating into the next century Re
Forum for developing industry knowledge and networks, and negotiating trade agreements, bringing seed people together since 1924 when the first International Seed Congress was held in London. INFO & ANMELDUNG
The Economist: How Ukrainians are using the cover of war to escape taxes
Ukrainische Unternehmen, insbesondere in der Landwirtschaft, sollen unter dem Deckmantel des Kriegs Steuern hinterziehen. Taras Kachka, stellvertretender ukrainischer Landwirtschaftsminister, stellte fest, dass die Unruhen des Kriegs den ukrainischen Landwirten reichlich Gelegenheit geboten hätten, “die Steuern zu optimieren”. Dabei würden verschiedene Methoden genutzt, wie etwa Schwarzhandel, die Ausweisung angeblich verminter Felder und die Umgehung der Kapitalverkehrskontrollen. Nach dem Einmarsch Russlands wurden letztere verschärft, um zu verhindern, dass Geld aus dem Land fließt. In der Zwischenzeit lockerte die Regierung die Kapitalverkehrskontrollen wieder, um die Attraktivität des Parkens von Einkünften im Ausland zu begrenzen. Nach Schätzungen von Kachka flössen aktuell dennoch die Einnahmen für zwei von fünf Tonnen der Getreideernte nicht in die Staatskasse. Zum Artikel
Bloomberg: Cocoa-Free Chocolate Maker Gets $52 Million in VC Funding
Das kalifornischen Start-up Voyage Foods hat für seine kakaofreie Schokolade eine Finanzierung in Höhe von 52 Millionen US-Dollar erhalten. Das Unternehmen stellt kakaofreie Schokolade aus Pflanzenölen, Zucker, Traubenkernen und Sonnenblumenprotein her und wirbt damit, dass diese ökologisch nachhaltiger sei als echte Schokolade. Ein weiterer Vorteil des Produktes sei, sich unabhängig von der Marktvolatilität von Kakao machen zu können. Experten sehen aufgrund der steigenden Kakaopreise ein großes Potenzial für Kakaoersatzprodukte. Andere Start-ups wie Foreverland, WNWN Food Labs und Celleste Bio erforschen ebenfalls Ersatzprodukte für Schokolade. Zum Artikel
Euractiv: “Bin dankbar”: EU-Landwirtschaftskommissar lobt Bauernproteste
Im Interview betonte Janusz Wojciechowski, dass die Proteste der Landwirte einen positiven Anstoß für die Europäische Kommission gegeben hätten, ihren Ansatz in der Landwirtschaft zu ändern. Die Agrarpolitik solle sich an einer “4S”-Regel orientieren, die Sicherheit, Stabilität, Nachhaltigkeit (Sustainability) und Solidarität des Lebensmittelsektors umfasst. Umweltziele der GAP seien für die Landwirte nicht umsetzbar gewesen. “Wenn wir die Landwirtschaft grüner machen wollen, sollten wir den Landwirten helfen.” Der EU-Landwirtschaftskommissar fordert daher eine “50-prozentige Aufstockung des Haushalts und eine 500-prozentige Aufstockung der Krisenreserve”, welche jährlich 450 Millionen Euro betragen würde. Zum Interview
ESG.Table. Kreislaufwirtschaft: Die nächsten Schritte nach der Europawahl
Die EU-Kommission hat alle 35 Maßnahmen aus dem zweiten Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft von März 2020 auf den Weg gebracht. Gegen einzelne Vorhaben hatte es starken Widerstand gegeben, wie etwa bei der Verpackungsverordnung, welche deutlich abgeschwächt wurde. Nun hängt es von der Umsetzung der Maßnahmen ab, ob Zirkularität ein Geschäftsmodell von Unternehmen wird. Lineare Geschäftsmodelle sind lukrativer als zirkuläre, da sie Umweltschäden nicht im Preis abbilden. Die Kreislaufwirtschaft ist ein wichtiger Schritt, um den Green Deal zu verwirklichen. Dazu müsste die EU jedoch unabhängiger von Primärimporten aus dem Ausland werden. Aktuell werden ca. 85 Prozent der fossilen Energiematerialien (größtenteils Kunststoff) importiert. Mehr
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Wir wünschen Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre!
Sollte Olivenöl als gesund oder ungesund gelten? Es sind solche Fragen, an denen sich die europäische Debatte um den Nutri-Score entzündet. Sieben EU-Länder, darunter Deutschland, nutzen ihn bereits als freiwillige Nährwertkennzeichnung. Portugal will bald folgen. Um Verbrauchern eine einheitliche Kennzeichnung zu bieten, wollte die Europäische Kommission eigentlich in der nun zu Ende gehenden Legislaturperiode neue EU-Regeln zur Lebensmittel-Etikettierung vorschlagen.
Der in Frankreich entwickelte Nutri-Score galt als heißester Kandidat dafür, EU-weit eingeführt zu werden, freiwillig oder verpflichtend. Dass der Vorschlag nie das Licht der Welt erblickte, dürfte am passionierten Widerstand einiger vor allem mediterraner und östlicher Mitgliedstaaten liegen. Das Thema sei “sehr komplex“, die Arbeit noch nicht abgeschlossen, sagte eine Kommissionsvertreterin kürzlich bei einer Veranstaltung in Brüssel. Fragen nach der Zukunft des Vorschlags wich sie beharrlich aus.
Lautester Gegner ist Italien: Das Land fürchtet Nachteile, weil wichtige italienische Produkte, wie Olivenöl oder Käse, beim Nutri-Score tendenziell schlecht abschneiden. Auf der nach Ampelfarben kodierten Skala schneiden Lebensmittel innerhalb einer Kategorie schlechter ab, je mehr gesättigte Fettsäuren, Zucker, Salz und Kalorien sie enthalten.
Die Kritik aus Rom: Der Nutri-Score beziehe nicht ein, wie viel von einem Produkt üblicherweise verzehrt werde. Ungünstig zum Beispiel für Olivenöl, das fettreich ist, aber meist in recht kleinen Mengen konsumiert wird. Auch Verarbeitungsgrad und Zusatzstoffe blieben außen vor.
Für die rechte Regierung unter Giorgia Meloni hat der Schutz von als traditionell “italienisch” geltenden Lebensmitteln hohe Priorität. Zuletzt kündigte Agrarminister Francesco Lollobrigida von Melonis post-faschistischer Partei “Brüder Italiens” sogar an, die Verfassung ändern zu wollen, um einen Passus hinzuzufügen zum “Schutz der Ernährungssouveränität und von Produkten, die Symbole der nationalen Identität sind”.
Meloni hat gute Karten, die europäische Debatte zum Nutri-Score weiter auszubremsen. Denn sie kann in Brüssel Einfluss geltend machen: Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zählt für ihre Wiederwahl auf die Unterstützung der italienischen Regierungschefin. Deren Partei könnte laut Umfragen auch im EU-Parlament ihre Sitze mehr als verdoppeln. Eine Zusammenarbeit mit Melonis EU-Parteifamilie EKR schloss von der Leyen zuletzt explizit nicht aus.
Neben den klaren Kritikern des Nutri-Scores sind auch die nordischen Länder skeptisch: Sie stellen sich nicht grundsätzlich gegen ihn, haben aber bereits eigene Label eingeführt. Die funktionieren teils ähnlich wie der Nutri-Score, sind aber schon etabliert und bei den Verbrauchern bekannt. Das Interesse, nun umzustellen, ist begrenzt. Da helfen auch die Bemühungen der aktuellen belgischen Ratspräsidentschaft wenig, das Thema noch einmal auf die Agenda zu bringen, indem sie vor Kurzem ein wissenschaftliches Symposium dazu organisierte.
Selbst Verbraucherschützer, die für den Nutri-Score werben, zeigen wenig Hoffnung auf eine baldige EU-weite Regelung. Die Fronten schienen “verhärtet”, räumt die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) ein. Man hoffe erst einmal darauf, dass sich, wie zuletzt Portugal, immer mehr Länder selbst für den Nutri-Score entscheiden, sagt auch Camille Perrin vom Europäischen Verbraucherverband (BEUC).
Für Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne), ebenfalls Verfechter des Nutri-Scores, ist das Ausbleiben des Kommissionsvorschlags noch aus einem anderen Grund ärgerlich: Er hatte sich davon auch eine EU-weite Herkunftskennzeichnung für tierische Produkte erhofft. Eine Forderung hiesiger Tierhalter, um Nachteile auszugleichen, die ihnen aus ihrer Sicht auf dem EU-Markt durch höhere Tierschutzstandards in Deutschland entstehen.
Özdemir wollte eine europäische Regelung erreichen, weil der rechtliche Spielraum national begrenzt ist. Auch Österreich und Frankreich standen hinter den Bemühungen. Durch das Ausbleiben des gesamten Kommissionsvorschlags zur Etikettierung kam das Thema aber gar nicht erst auf den Tisch. Auch zu einer Reform des Mindesthaltbarkeitsdatums, die Özdemir im Sinne der Reduzierung von Lebensmittelabfällen befürwortet, kam es nicht.
Im vergangenen Sommer gab der Bundeslandwirtschaftsminister schließlich klein bei und ging die Herkunftskennzeichnung auf nationaler Ebene an. Solche “Alleingänge” seien aus Sicht der Lebensmittelwirtschaft der falsche Weg. Dies untergrabe den freien Warenverkehr in der EU und sei im Falle der Herkunftskennzeichnung sogar EU-rechtswidrig, sagt Peter Loosen, Leiter des Brüsseler Büros beim Lebensmittelverband, zu Table.Briefings. Einheitliche europäische Lösungen seien “grundsätzlich immer zu bevorzugen.”
Loosen plädiert dafür, aus dem Scheitern in dieser Legislaturperiode Lehren zu ziehen, um doch noch einheitliche Vorgaben zu erreichen. Gleichzeitig müsse aber hinterfragt werden, ob “immer noch mehr Pflichtkennzeichnungen” angesichts Kosten und Aufwand für Unternehmen Sinn ergäben. Verbraucherschützerin Perrin argumentiert: Die flächendeckende Einführung des Nutri-Scores nutze nicht nur Verbrauchern, sondern auch Unternehmen. Denn ein Flickenteppich aus unterschiedlichen Vorgaben erhöhe die Kosten. Auch der vzbv fordert: Das Thema “darf nicht weiter auf die lange Bank geschoben werden.”
Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine waren die ukrainischen Getreideexporte in die Europäische Union in die Höhe geschnellt. Weil der Export über die Tiefwasserhäfen in der Region Odessa zeitweise gar nicht und später nur eingeschränkt möglich war, wurden zunehmende Mengen per Lkw und Eisenbahn über Polen, Rumänien, Ungarn und die Slowakei exportiert. Im Wirtschaftsjahr 2022/23 stiegen die Getreideexporte der Ukraine in die EU vor allem wegen der Ausfuhren auf dem Landweg gegenüber dem Vorjahr um 253 Prozent auf 22 Millionen Tonnen an. In den ersten Monaten des laufenden Wirtschaftsjahres (Juli 2023 bis Februar 2024) waren es bereits 13 Millionen, sodass bis zum Ende der Saison eine Menge von knapp 20 Millionen erreicht werden könnte. Auch das wäre mehr als der bisherige Rekord aus dem Jahr 2018/19 von 15,6 Millionen Tonnen. Während die Ukraine beim Mais traditionell ein wichtiger Lieferant für die EU ist, bewegten sich die Weizenimporte vor dem Krieg auf einem niedrigen Niveau (siehe Tabelle).
Die EU ist nach Russland der größte Weizenexporteur der Welt und deshalb nicht auf Importe angewiesen. Bei hohen Preisen auf dem EU-Markt war ukrainischer Weizen in den vergangenen Jahren insbesondere in Südeuropa dennoch wettbewerbsfähig und fand dort – wenn auch in einem überschaubaren Umfang – Abnehmer. Beim Mais gehört die EU dagegen zusammen mit China und Mexiko zu den größten Importeuren und die Ukraine ist traditionell der wichtigste Lieferant. Insgesamt hat die EU im laufenden Wirtschaftsjahr 12,8 Millionen Tonnen Mais importiert, von dem knapp zwei Drittel aus der Ukraine stammten.
Mit den seit dem Sommer 2024 fallenden Getreidepreisen wuchs unter den Landwirten in den Nachbarstaaten der Unmut über die Lieferungen aus der Ukraine. Wochenlang blockierten aufgebrachte polnische Landwirte Grenzübergänge zur Ukraine, um die Einfuhren zu verhindern. Die Europäische Union reagierte auf die Proteste und veranlasste Maßnahmen, um die Getreideflut einzudämmen.
Nun zeigt sich, dass ein Eingreifen der Politik nicht notwendig gewesen wäre. Denn in der ukrainischen Landwirtschaft hinterlassen die Folgen des Kriegs inzwischen unübersehbare Spuren. Teile des Landes stehen unter russischer Besatzung und in den Frontgebieten ist der Ackerbau zu gefährlich. Die Landwirte sind zudem mit kriegsbedingt steigenden Kosten und schrumpfenden Erlösen konfrontiert. Stark zugenommen haben vor allem die Logistikkosten, was zu sinkenden Erzeugerpreisen führte. Seit August 2023 wird Getreide zwar wieder über die Tiefwasserhäfen in der Region Odessa verschifft, hohe Versicherungsprämien für die Frachter erhöhen aber die Transportkosten, die auf die Erzeugerpreise abgewälzt werden. Die Produktion von Weizen und Mais war im vergangenen Jahr kaum kostendeckend.
Die ukrainischen Landwirte haben deshalb den Getreideanbau zur Ernte 2024 eingeschränkt und stattdessen Sojabohnen, Raps und Sonnenblumen gesät, die profitabler sind. Die Flächenverschiebungen spiegeln sich in den Ernteprognosen des ukrainischen Landwirtschaftsministeriums wider. So soll die Weizenproduktion 2024 gegenüber dem Vorjahr um 14,4 Prozent auf 19 Millionen Tonnen zurückgehen. Bei Mais wird mit einem Minus von 11,5 Prozent auf 27 Millionen Tonnen gerechnet. Die geringere Produktion schränkt das Exportpotenzial der Ukraine ein (siehe Tabelle). Dabei macht sich ein weiterer Effekt bemerkbar. Die Ukraine hatte im laufenden Wirtschaftsjahr ein letztes Mal von den Lagerbeständen aus der Rekordernte im Jahr 2021 mit 33 Millionen Tonnen Weizen und 42 Millionen Tonnen Mais profitiert. Diese Vorräte sind nun aufgebraucht und sorgen dafür, dass die Exporte deutlich stärker zurückgehen als die Produktion.
Für die Ackerbauern in der Europäischen Union hat sich der Ausblick auf das Wirtschaftsjahr 2024/25 nicht nur wegen des zu erwartenden Rückgangs der ukrainischen Getreidelieferungen aufgehellt. Der Weizenpreis hatte nach einer fast zweijährigen Talfahrt Mitte März seinen Tiefpunkt erreicht und ist seitdem wieder gestiegen. So legte der börsengehandelte Finanzkontrakt “September-Future”, der die neue Ernte repräsentiert, an der internationalen Börse Euronext von Mitte März bis zum 10. Mai um 27 Prozent auf rund 250 Euro/Tonne zu und folgte damit einem festeren Weltmarkt. Gründe für den Stimmungsumschwung sind ungünstige Witterungsbedingungen in wichtigen Anbaugebieten der EU, der USA und Russlands, die Ertragseinbußen befürchten lassen. Derzeit deutet einiges darauf hin, dass die Weizenpreise in den kommenden Monaten weiter anziehen und wieder das Niveau der Monate vor dem Beginn des Kriegs in der Ukraine erreichen, als Weizen an der Euronext zwischen 250 und Euro/Tonne gehandelt wurde.
In Russland haben sich die Aussichten für die Weizenernte 2024 verschlechtert. Das auf die Schwarzmeerregion spezialisierte Analyseunternehmen SovEcon kürzte seine Prognose für die russische Weizenernte in der vergangenen Woche um 3,4 Millionen auf 89,6 Millionen Tonnen. Das russische Beratungsunternehmen IKAR ist noch pessimistischer. Am Montag senkte es seine Prognose für die russische Weizenernte 2024 um 5 Millionen Tonnen auf 86 Millionen Tonnen. Das Vorjahresergebnis von 92,8 Millionen Tonnen würde damit klar verfehlt.
Auch die Exportmenge im Wirtschaftsjahr 2024/25 sinkt laut IKAR im Vergleich zu früheren Vorhersagen um 3,5 Millionen auf 74 Millionen Tonnen. Im laufenden Wirtschaftsjahr 2023/24 werden Weizenausfuhren von 53 Millionen Tonnen erwartet. Betreffen dürfte der Rückgang vor allem Ägypten, die Türkei, Bangladesch, den Iran, Pakistan, Algerien und die Länder der Eurasischen Wirtschaftsunion. Sie sind Hauptabnehmer von russischem Weizen.
Grund sind ungünstige Wetterverhältnisse: Von Februar bis April wurden in den wichtigsten Anbaugebieten im Zentrum des europäischen Teils, an der Wolga und nördlich des Kaukasus nur 40 bis 80 Prozent der üblichen Niederschlagsmengen gemessen. Besonders stark betroffen ist der südliche Teil des Landes zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer, der den trockensten April seit zehn Jahren erlebte, und in dem rund ein Drittel des russischen Weizens produziert wird.
Fast im gesamten europäischen Teil Russlands war der April zudem deutlich zu warm, wobei die Temperaturen um fünf Grad Celsius über dem Durchschnitt lagen. Dies führte zu einer schnellen Schneeschmelze, bei der das Wasser abfloss und Überschwemmungen auslöste, statt im Boden zu versickern.
Anfang Mai bereitete ein Kälteeinbruch zusätzliche Probleme. Befürchtet wird, dass Nachtfröste die Pflanzen schädigen könnten. Auch im Mai hat es in den am stärksten von Trockenheit betroffenen südrussischen Gebieten keine nennenswerten Niederschläge geben. Die Wettermodelle sagen im Süden erst für die zweite Maihälfte spürbarere Regenfälle voraus. Zu diesem Zeitpunkt dürften die Pflanzen aber nach Einschätzung von SovEcon bereits erheblich gelitten habe. sb
Neben Russland und der Ukraine ist Kasachstan der dritte große Weizenproduzent in den Steppenregionen um das Schwarze und Kaspische Meer. Das Land ist für Nachbarn im Süden und Osten ein wichtiger Weizenversorger, mit den wichtigsten Absatzmärkten in den ehemaligen mittelasiatischen Sowjetrepubliken und Afghanistan. In jüngster Zeit sind aber auch Ausfuhren nach China stark angestiegen.
2023 exportierte Kasachstan 426.000 Tonnen Weizen in die Volksrepublik, im Vorjahr nur 29.000 Tonnen. Für China ist der weltweit sechstgrößte Weizenexporteur ein interessanter Partner im Rahmen der Strategie, die Herkünfte seiner Agrarimporte zu diversifizieren. Kasachstan will sich außerdem zu einem logistischen Drehkreuz zwischen Russland, China und dem Iran entwickeln. Geplant ist der Ausbau der Bahnverbindungen, über die auch russisches Getreide im Transit auf die asiatischen Märkte gelangen soll.
Nach einer Rekordernte im Jahr 2022 mit 16,4 Millionen Tonnen war die Weizenproduktion im vergangenen Jahr nach einer zu trockenen Anbausaison auf 12,1 Millionen Tonnen zurückgegangen. In diesem Jahr rechnet das Büro des US-Agrarministeriums in der kasachischen Hauptstadt Astana mit einer Erholung auf 15,8 Millionen Tonnen, da die Böden nun deutlich besser mit Wasser versorgt seien. Der Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre würde damit um 20 Prozent übertroffen.
Dank der größeren Erntemenge könnten die Exporte um elf Prozent auf 11,1 Millionen Tonnen steigen. Für die Weizenversorgung in Mittelasien hat Kasachstan eine Schlüsselrolle. Wichtigste Kunden waren im Jahr 2023 Usbekistan (4,4 Millionen Tonnen), Afghanistan (2,1 Millionen), Tadschikistan (1,1 Millionen) und Turkmenistan (590.000 Tonnen). Auch Italien kaufte mit 450.000 Tonnen nennenswerte Mengen, bei denen es sich hauptsächlich um Hartweizen handelte, der für die Nudelherstellung benötigt wird. Deutschland bezog dagegen nur 225 Tonnen aus Kasachstan. sb
Ein kostenloses Mittagessen an Kindertagesstätten und Schulen halten die Sachverständigen, die der Bundestagsausschuss für Landwirtschaft und Ernährung am gestrigen Montag zum Fachgespräch eingeladen hatte, mehrheitlich für eine gute Idee. Denn: “Wir kümmern uns um die optimale Ernährung der Tiere, aber nicht unserer Kinder”, stellte Wilhelm Windisch von der Technischen Universität München in seinem Eingangsstatement fest. Argumente gegen den Vorschlag, den der Bürgerrat Ernährung im Januar auf Platz 1 von neun Empfehlungen gesetzt hatte, nannten die Experten aus Wissenschaft, Praxis und Lebensmittelwirtschaft aber dennoch.
Die positiven Effekte einer staatlichen Kostenübernahme des Mittagessens, die von den Sachverständigen immer wieder aufgegriffen wurden, fasste Berthold Koletzko von der Kinderklinik der Ludwig-Maximilians-Universität München zusammen: “Ein gutes, attraktives und kostenfreies Schulessen bildet die große Chance, unabhängig vom sozialen und ökonomischen Hintergrund der Familien den Zugang zu ermöglichen, Gesundheit und Leistungsfähigkeit zu stärken und soziale Ungleichheit zu reduzieren.”
Dass die Kostenübernahme allein aber nicht ausreiche, um die Qualität der Verpflegung von Kindern und Jugendlichen zu verbessern, gab Stephanie Wunder vom Thinktank Agora Agrar zu bedenken. Auch Qualitätsstandard der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) müssten beachtet und Küchenmitarbeitende entsprechend geschult werden. Marc Elxnat vom Deutschen Städte- und Gemeindebund verwies auf die Problematik der Finanzierung. “Die Frage ist, ob es in Zeiten knapper Kassen sinnvoll ist, über Maßnahmen nachzudenken, die nicht sozialpolitisch gezielt Kindern aus Familien mit geringen Einkommen zugutekommen, sondern von der pauschal alle Kinder und Jugendlichen profitieren.”
Manon Struck-Pacyna vom Lebensmittelverband Deutschland nannte die Empfehlung des Bürgerrats Ernährung “realitätsfern”. Bislang sei von Seiten der Bundesländer keine Bereitschaft zu erkennen, den finanziellen Mehraufwand zu übernehmen. Ebenso fehle es an notwendigen Voraussetzungen und Prozessen in den betroffenen Einrichtungen, das heißt an Küchen, Fachpersonal, Räumlichkeiten, Qualitätsstandards für Catering-Unternehmen. Struck-Pacyna problematisierte außerdem mögliche Lebensmittelverschwendung. “Die Wertschätzung für das, was kostenlos ist, ist nach bisherigen Erfahrungen in der Praxis vergleichsweise gering.” Die Differenz von Bestellung und tatsächlich verzehrten Mittagessen könnten bei Kostenübernahme auseinandergehen, wenn die Länder nicht zusätzliche Maßnahmen zur Bedarfssteuerung ergreifen, so Struck-Pacyna. heu
Der Parlamentsberichterstatter für das europäische Emissionshandelssystem, Peter Liese (EVP), hält die Aufnahme des Agrarsektors in den europäischen Emissionshandel (ETS) noch nicht für zielführend. Man müsse den Nutzen der Landwirte und Waldbesitzer in den Fokus rücken, statt den Sektor zu problematisieren. “Es ist der einzige Sektor, der große Mengen an CO₂-Senken liefert”, sagt Liese auf Nachfrage von Table.Briefings. Es müsse erst eine Atmosphäre geschaffen werden, in der Landwirte willkommen sind. Daher sei es nicht der richtige Zeitpunkt, um über die Aufnahme des Sektors in den ETS zu sprechen.
Fakt ist allerdings, dass der Agrarsektor derzeit noch als Netto-Emittent in der EU gilt. Ökonomen und Umweltschutz-Organisationen fordern deshalb, dass auch die Landwirtschaft mit einem CO₂-Preis belegt wird, um die Branche zu mehr Emissionsreduktionen zu bewegen. Jedoch plädieren Experten – und auch Liese – dafür, die Vergütung von entnommenen CO₂-Mengen aus der Atmosphäre in den ETS zu integrieren, um Anreize für CO₂-Entnahmen zu vergrößern. So könnte die natürliche Senkleistung des Agrarsektors profitabel für Landwirte werden. Allerdings scheitert ein Agrar-ETS derzeit noch daran, dass es noch kein System gibt, das das entnommenes CO₂ im Agrar- und Landnutzungsbereich (LULUCF) vollständig erfasst. luk
Der Faire Handel hat einen Unterstützungsfonds mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) aufgelegt. Damit soll die Zusammenarbeit von Unternehmen, Produzenten und sonstigen Akteuren in fairen Lieferketten befördert werden, damit diese die unternehmerischen Sorgfaltspflichten für Menschenrechte und Umwelt umsetzen können. Projektpartner sind Fairtrade Deutschland, das Forum Fairer Handel und die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Bewerben können sich Unternehmen mit:
Sie erhalten die Hälfte ihrer Projektkosten als öffentlichen Zuschuss. Anträge müssen im Mai, Juni und September bis zur Monatsmitte abgegeben werden.
Die bisherigen Fördermöglichkeiten für KMU aus dem fairen Handel “haben nicht gepasst“, sagt Claudia Brück, Vorständin bei Fairtrade Deutschland gegenüber Table.Briefings. Ziel sei es, die Zugangsschwelle für interessierte Unternehmen abzusenken. Brück verweist auf positive Erfahrungen bei der Vergabe von öffentlichen Hilfen durch Fairtrade Deutschland während der Corona-Krise.
Das BMZ stellt insgesamt 1,9 Millionen Euro zur Verfügung. Davon fließt knapp die Hälfte in einen Fonds, der von Fairtrade Deutschland verwaltet wird. Die andere Hälfte steht für die Organisation selbst sowie für die Beratung innerhalb der ausländischen Produzentennetzwerke zur Verfügung.
Noch fallen die betreffenden KMU nicht unter das deutsche Lieferkettengesetz. Trotzdem müssen sie bereits oft gegenüber Abnehmern entsprechende Verpflichtungen übernehmen. Verlangt würden etwa Geodaten, erklärt Brück. Damit werde sichergestellt, dass Rohstoffe wie Kakao oder Kaffee gemäß der Richtlinie für entwaldungsfreie Lieferketten angebaut worden sind. Die entsprechenden Äcker dürfen nicht nach 2020 entwaldet worden sein.
Eine Klarstellung über Zertifizierungen zur Erfüllung von Lieferkettengesetzverpflichtungen erhofft sich der Faire Handel vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Wichtig sei zu wissen, in welchen Fällen eine Zertifizierung als Beleg dafür angesehen werde, dass Unternehmen die Vorgaben des Lieferkettengesetzes einhalten. Das BAFA hat eine entsprechende Handreichung angekündigt, die vermutlich Ende dieses Jahres erscheinen wird.
Den Geschäftsverlauf 2023 bewertet Fairtrade Deutschland in seinem am Dienstag erschienen Jahresbericht “verhalten positiv”.
Solche Absatzrückgänge erlebt der Faire Handel nicht das erste Mal. Bereits im ersten Corona-Jahr kauften die Konsumenten weniger faire Waren.
Inflationsbereinigt hätte der Faire Handel in Deutschland 2023 ein Plus von 1,3 Prozent erzielt. Optimistisch ist die Organisation für 2024, weil die Absätze in den letzten beiden Quartalen 2023 und dem ersten Quartal 2024 deutlich angestiegen sind. cd
Dem Wald in Deutschland geht es weiterhin schlecht. Bei den am weitesten verbreiteten Baumarten Fichte, Kiefer, Buche und Eiche ist gerade mal jeder fünfte Baum gesund. Das ist das Ergebnis der neuen Waldzustandserhebung 2023 vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Gründe dafür sind unter anderem die andauernde Trockenheit und hohe Temperaturen seit 2018. Der Zustand des Waldes hat sich seit dem Vorjahr weder groß verbessert noch verschlechtert. Insgesamt sind nur 20 Prozent der Waldfläche in Deutschland 2023 so gesund, dass sie keine Kronenverlichtung aufweisen, also keine sicht- und messbaren Nadel- oder Blattverlust der Baumkrone. Einzig bei der Kiefer gab es leichte Verbesserung beim Kronenzustand.
Im Vergleich zu den anderen Hauptbaumarten geht es der Fichte am schlechtesten, sie weist die höchste Absterberate auf. Seit der ersten Erhebung 1984 steigt der sichtbare Blatt- beziehungsweise Nadelverlust aller Baumarten an. Im Jahr 2019 konnten die deutlichsten Veränderungen beobachtet werden. “Die Klimakrise hat unseren Wald fest im Griff, langandauernde Trockenheit und hohe Temperaturen der letzten Jahre haben bleibende Schäden hinterlassen”, sagt Cem Özdemir, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft. Der Wald entwickle sich zu einem Dauerpatienten. Das BMEL hat daher dieses Jahr 250 Millionen Euro für Waldförderung eingeplant, um den Wald gegen die Klimakrise zu schützen. seh
14.05.2024 – 18.30 – 22.00 Uhr / Berlin Mitte
Veranstaltung des Branchenverband Cannabiswirtschaft e.V. (BvCW) Parlamentarischer Abend der Cannabiswirtschaft
Das Inkrafttreten des Cannabisgesetzes und die damit verbundenen Verbesserungen insbesondere im Bereich Medizinalcannabis sind ein wichtiger Meilenstein für die deutsche Cannabiswirtschaft. Die Veranstaltung blickt unter anderem auf die nächsten erforderlichen Reformen in Richtung eines Industriehanfgesetzes (einschließlich Abschaffung der “Rauschklausel”) sowie auf die geplante “Säule 2” mit Modellprojekten zur regulierten Abgabe von Genusscannabis. INFO & ANMELDUNG
15.05.2024 – 18:00 – 19:30 Uhr / online
Web-Seminar des BZL Alles eine Frage der Technik: Welche digitalen Möglichkeiten gibt es für den Ackerbaubetrieb?
Aus der Praxis für die Praxis: Im Web-Seminar erläutern zwei Betriebe des Netzwerks Leitbetriebe Pflanzenbau, wie sie in den digitalen Ackerbau gestartet sind. Lars Meinecke und Stefan Vogelsang stellen u. a. vor, welche digitalen Verfahren sie auf ihren Betrieben einsetzen und welche Vor- und Nachteile sie mit sich bringen. INFO & ANMELDUNG
15.05.024 – 14.00 – 15.00 Uhr / online
digital talk NEWMEAT: AltProtein-Etikette: “Clean Label” – der neue heilige Gral
Content is King – das gilt auch bei Lebensmitteln. Immer mehr Unternehmen im Bereich alternativer Proteine fokussieren sich darauf, ihre Rezeptur entlang einer möglichst kurzen Liste an Zusatzstoffen aufzubauen. Seien Sie dabei, wenn wir in die Untiefen der Inhaltsstoffe der neuen Produkte einsteigen und erörtern, was Zusatzstoffe mit dem Verarbeitungsgrad zu tun haben, ob es eine neue Klassifizierung von Lebensmitteln braucht und welche Bedeutung die Entwicklung für den Trend Convenience mit sich bringt. INFO & ANMELDUNG
15.05. – 17.05.2024 / Berlin
Konferenz Green Tech Festival
Ein erweitertes Festivalkonzept empfängt Besucher aus der ganzen Welt, um die Herausforderungen und Chancen der MISSION TO NET ZERO zu diskutieren. Zusammen mit renommierten Rednern, Top-Ausstellern und einer hochkarätigen Preisverleihung schafft das Greentech Festival einen inspirierenden Raum für Menschen, Ideen, Innovationen, Unternehmen und Organisationen, die die Welt zum Besseren verändern. INFO
16.05.2024 – 19.00 – 20.30 Uhr / online
Experimentierfelder Talk Vier Beispiele für den digitalen Weinbau von morgen
Ein Abend, ein Thema, viele Gäste aus Praxis und Forschung, zwei ModeratorInnen – in den Experimentierfelder Talks 2024 kommen Forscher und Landwirte ins Gespräch, tauschen Zahlen, Meinungen und Argumente aus, beleuchten unterschiedliche Aspekte eines Themas aus verschiedenen Perspektiven. Das Thema diesmal: Vier Beispiele für den Weinanbau von Morgen. INFO & ANMELDUNG
17.05.2024 – 9.30 Uhr / Berlin
Plenarsitzung Bundesrat
TOP 11: Entschließung des Bundesrates “Praxisgerechte Umsetzung der EU-Entwaldungsverordnung und Vermeidung bürokratischer Lasten”
TOP 21: Dritte Verordnung zur Änderung der Obst-Gemüse Erzeugerorganisationendurchführungsverordnung INFO
23.05.2024 – 11.00 – 16:30 Uhr / Kulturforum “Historisches U”, An der Kürassierkaserne 9, 17309 Pasewalk
Fachkonferenz Forschung.Digital Ländliche Räume in Zeiten der Digitalisierung | #FFD24
Unter dem Titel “Ländliche Räume in Zeiten der Digitalisierung” analysierten elf Forschungsprojekte aktuelle wirtschaftliche, gesellschaftliche und räumliche Veränderungen in Zusammenhang mit der Digitalisierung in den ländlichen Regionen Deutschlands. Im Anschluss wurde eine fachliche Auswertung der Fördermaßnahme vorgenommen. Die Ergebnisse möchten wir mit Ihnen in einer Fachkonferenz diskutieren. Eröffnet wird die Veranstaltung von Claudia Müller, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft. INFO & ANMELDUNG
24.05. -25.05.2024 / Martin-Luther-Universität Halle Wittenberg
Jahrestagung der Jungen DLG 2024 Landwirtschaft 2040 – Herausforderungen und Chancen für eine nachhaltige Zukunft
Die Jahrestagung der Jungen DLG ist der zentrale Ort in Deutschland für Studierende, Berufseinsteiger und Young Professionals im Bereich Landwirtschaft und Agribusiness, um sich zu vernetzen, fortzubilden und miteinander Spaß zu haben. Dazu sind alle Interessierte (egal ob DLG-Mitglied, oder nicht) sehr herzlich eingeladen. INFO & ANMELDUNG
27.05.2024 / Brüssel
Tagung EU-Rat Rat für Landwirtschaft und Fischerei
Wichtigste Tagesordnungspunkte erscheinen eine Woche vor der Tagung. INFO
27.05. – 29.05.2024 / Rotterdam
ISF World Seed Congress 2024 Navigating into the next century Re
Forum for developing industry knowledge and networks, and negotiating trade agreements, bringing seed people together since 1924 when the first International Seed Congress was held in London. INFO & ANMELDUNG
The Economist: How Ukrainians are using the cover of war to escape taxes
Ukrainische Unternehmen, insbesondere in der Landwirtschaft, sollen unter dem Deckmantel des Kriegs Steuern hinterziehen. Taras Kachka, stellvertretender ukrainischer Landwirtschaftsminister, stellte fest, dass die Unruhen des Kriegs den ukrainischen Landwirten reichlich Gelegenheit geboten hätten, “die Steuern zu optimieren”. Dabei würden verschiedene Methoden genutzt, wie etwa Schwarzhandel, die Ausweisung angeblich verminter Felder und die Umgehung der Kapitalverkehrskontrollen. Nach dem Einmarsch Russlands wurden letztere verschärft, um zu verhindern, dass Geld aus dem Land fließt. In der Zwischenzeit lockerte die Regierung die Kapitalverkehrskontrollen wieder, um die Attraktivität des Parkens von Einkünften im Ausland zu begrenzen. Nach Schätzungen von Kachka flössen aktuell dennoch die Einnahmen für zwei von fünf Tonnen der Getreideernte nicht in die Staatskasse. Zum Artikel
Bloomberg: Cocoa-Free Chocolate Maker Gets $52 Million in VC Funding
Das kalifornischen Start-up Voyage Foods hat für seine kakaofreie Schokolade eine Finanzierung in Höhe von 52 Millionen US-Dollar erhalten. Das Unternehmen stellt kakaofreie Schokolade aus Pflanzenölen, Zucker, Traubenkernen und Sonnenblumenprotein her und wirbt damit, dass diese ökologisch nachhaltiger sei als echte Schokolade. Ein weiterer Vorteil des Produktes sei, sich unabhängig von der Marktvolatilität von Kakao machen zu können. Experten sehen aufgrund der steigenden Kakaopreise ein großes Potenzial für Kakaoersatzprodukte. Andere Start-ups wie Foreverland, WNWN Food Labs und Celleste Bio erforschen ebenfalls Ersatzprodukte für Schokolade. Zum Artikel
Euractiv: “Bin dankbar”: EU-Landwirtschaftskommissar lobt Bauernproteste
Im Interview betonte Janusz Wojciechowski, dass die Proteste der Landwirte einen positiven Anstoß für die Europäische Kommission gegeben hätten, ihren Ansatz in der Landwirtschaft zu ändern. Die Agrarpolitik solle sich an einer “4S”-Regel orientieren, die Sicherheit, Stabilität, Nachhaltigkeit (Sustainability) und Solidarität des Lebensmittelsektors umfasst. Umweltziele der GAP seien für die Landwirte nicht umsetzbar gewesen. “Wenn wir die Landwirtschaft grüner machen wollen, sollten wir den Landwirten helfen.” Der EU-Landwirtschaftskommissar fordert daher eine “50-prozentige Aufstockung des Haushalts und eine 500-prozentige Aufstockung der Krisenreserve”, welche jährlich 450 Millionen Euro betragen würde. Zum Interview
ESG.Table. Kreislaufwirtschaft: Die nächsten Schritte nach der Europawahl
Die EU-Kommission hat alle 35 Maßnahmen aus dem zweiten Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft von März 2020 auf den Weg gebracht. Gegen einzelne Vorhaben hatte es starken Widerstand gegeben, wie etwa bei der Verpackungsverordnung, welche deutlich abgeschwächt wurde. Nun hängt es von der Umsetzung der Maßnahmen ab, ob Zirkularität ein Geschäftsmodell von Unternehmen wird. Lineare Geschäftsmodelle sind lukrativer als zirkuläre, da sie Umweltschäden nicht im Preis abbilden. Die Kreislaufwirtschaft ist ein wichtiger Schritt, um den Green Deal zu verwirklichen. Dazu müsste die EU jedoch unabhängiger von Primärimporten aus dem Ausland werden. Aktuell werden ca. 85 Prozent der fossilen Energiematerialien (größtenteils Kunststoff) importiert. Mehr