in der Ampel gibt es wieder einmal Zoff. Die Gespräche über das versprochene Agrarpaket zur Entlastung der Landwirte stocken. Streit gibt es laut gut informierten Kreisen ums GAP-Budget: Die Grünen wollen die Ökoregelungen aufstocken – allerdings auf Kosten der Direktzahlungen, was die FDP nicht mitträgt. Auch die vom BMEL angestrebte Vertragspflicht für den Milchmarkt (Paragraf 148 GMO) stößt den Liberalen sauer auf. Sie möchten zur Entlastung lieber auf die Gewinnglättung setzen. Recht weit fortgeschritten, wenn auch noch nicht abgeschlossen, scheinen dagegen die Gespräche zur Reform des AgrarOLkG, die auch Teil des Pakets sein soll.
Der Zeitplan fürs Agrarpaket bleibt damit weiter unsicher. Die Fraktionen hoffen auf eine Einigung diese Woche, die jedoch keineswegs garantiert ist. Die Zeit drängt: nicht nur wegen des politischen Drucks, die Versprechen an die Landwirte einzulösen, sondern auch, weil Änderungen des deutschen GAP-Strategieplans rechtzeitig nach Brüssel gemeldet werden müssen.
Auch beim Kinder-Lebensmittel-Werbegesetz geht es nicht voran, wie meine Kollegin Merle Heusmann berichtet. Passend zum Deutschen Ernährungstag in dieser Woche analysiert außerdem Martin Rücker, wie die Ernährungsstrategie nach und nach verwässert wurde. Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.
Die Ernährungsstrategie der Bundesregierung fasst 90 geplante und bereits laufende Maßnahmen zusammen. Wäre es nach Bundesernährungsminister Cem Özdemir (Grüne) gegangen, hätten es deutlich mehr sein dürfen. Auf Druck anderer Ministerien musste sich der Grüne von etlichen Zielen und Gesetzesvorhaben verabschieden, um die Strategie durchs Kabinett zu bekommen. Das belegen E-Mails und interne Unterlagen aus dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL).
Nach einem Informationsfreiheitsantrag liegen Table.Media alle schriftlichen Dokumente zum Abstimmungsprozess innerhalb der Bundesregierung vor, von Vorabstimmungen im Juni 2023 bis zum Kabinettsbeschluss im Januar 2024. Die 273 Dateien – insgesamt mehr als 5.800 Seiten – zeigen, wie Özdemirs Strategie zunehmend verkümmerte.
Ein gemeinsames Erarbeiten der Strategie durch die Ministerien gab es ausweislich der Dokumente nicht. Nur vereinzelt schlugen andere Ministerien konkrete Maßnahmen vor. Das BMEL entwarf den Text – und kämpfte darum, Ideen durchzubekommen. Oft weitgehend erfolglos, wie beim Thema Ernährungsarmut. Die wollte das BMEL mit weitreichenden Maßnahmen (höheres Bürgergeld, Obst- und Gemüsegutscheine für Einkommensschwache) bekämpfen – doch das Bundessozialministerium von Hubertus Heil (SPD) lehnte ab.
Auch das Gesundheitsressort (BMG) von Karl Lauterbach (SPD) ging bei vielen Vorschlägen nicht mit. So wollte das BMEL in Krankenhäusern die Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) verpflichtend einführen, regte dazu eine Novelle des Krankenhausentgeltgesetzes an. Zudem sollten sich “Ernährungsteams in allen Kliniken” um die Patienten kümmern und die “Ernährungsbildung von medizinischem Personal” verbessert werden, um Mangelernährung und Übergewicht stärker vorbeugen zu können. Doch fast mantraartig winkte das BMG unter Verweis auf das “Prinzip der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen” ab. Daran ließ es auch die BMEL-Idee verpflichtender Screenings auf Mangelernährung in Kliniken und Pflegeheimen scheitern. Zwar ist in einer Kapitelüberschrift der beschlossenen Ernährungsstrategie kurioserweise weiterhin von einem “verpflichtenden Screening” in Kliniken die Rede – doch der folgende Absatz enthält keinerlei Maßnahme mehr, die eine solche Pflicht real werden ließe.
Zu den erwartet schwierigen Diskussionen kam es mit FDP-geführten Ministerien. Beim Bundesbildungsministerium (BMBF) standen sie von Beginn an unter einem schlechten Stern: Als das BMEL den anderen Ressorts am 10. November 2023 seinen Strategieentwurf zur Kommentierung übersandte, vergaß ihn das FDP-geführte Ressort im Verteiler. Ein “Büroversehen”, das erst auffiel, als Anfang Dezember die Rückmeldefrist bereits abgelaufen war. Der verschärfte Zeitdruck erschwerte die Abstimmung zusätzlich. Özdemirs Ziel, die Ernährungsbildung stärker in den Lehrplänen von Schulen zu verankern, schwächte das BMBF unter Verweis auf die Länder-Kompetenzen ab. Als das BMEL dennoch auf eine stärkere Rolle drängte, sich als “ständiger Gast” in der Kultusministerkonferenz ins Gespräch brachte, fiel die Rückmeldung aus dem BMBF brüsk aus: “Keinesfalls”, hieß es in einem Kommentar. Das BMEL verzichtete.
Den größten Widerstand leistete das Verkehrsministerium (BMDV) von Volker Wissing. “Der Entwurf ist für uns leider nicht zustimmungsfähig”, mailten seine Fachleute am 1. Dezember 2023 an das BMEL. 63 Textseiten umfasste dessen Entwurf, auf 26 davon änderten sie Formulierungen, kommentierten, strichen ganze Absätze. Dabei betraf nur ein Punkt den Verkehrssektor direkt: Der Vorschlag, zur Bewegungsförderung ein kostenloses Leihfahrrad in das 49-Euro-Ticket zu integrieren – er schaffte es nicht in die finale Strategie. Die Finanzierung sei “nicht vorstellbar”, kommentierte das BMDV.
Fortan vertrat das Wissing-Ressort offenbar die geballte Kritik der FDP und agierte wie ein Ersatz-Ernährungsministerium. Es stieg tief in Details ein, diskutierte selbst die Frage, welche Nüsse sich wohl in ausreichender Menge regional anbauen ließen. Am Ende setzte das BMDV von allen Ministerien die meisten Änderungen durch:
In zahlreichen E-Mails und Abteilungsleiterrunden im November und Dezember 2023 rangen die Ministerien um Kompromisse. 20 Konfliktpunkte – 16 davon mit dem BMDV – ließen sich erst am 19. Dezember 2023 in einer Staatssekretärsrunde klären. Darin blockierte Özdemirs Staatssekretärin Silvia Bender die Erwähnung neuer Züchtungsmethoden als Mittel gegen den Züchtungsrückschritt bei Leguminosen, den das BMDV zuvor als “harten Punkt” bezeichnet hatte – als Kompromiss wird der Züchtungsrückstand gar nicht mehr erwähnt.
An anderen Stellen setzte sich das BMDV weitgehend durch: Die Strategie stellt Ernährung als “Ausdruck […] unserer Entscheidungen” und “Gewohnheiten” dar, während der BMEL-Entwurf noch betont hatte, dass Essen “nur zu einem kleinen Teil das Ergebnis einer bewusst getroffenen Entscheidung” sei. Vor allem verzichtete Bender auf die Prüfung “regulatorischer Maßnahmen” zur Durchsetzung der DGE-Standards in Kita- und Schulkantinen.
Die Kabinettsfassung lag längst vor, als das BMDV am 8. Januar 2024 – neun Tage vor dem Beschluss der Strategie – noch einmal letzte Änderungen verlangte. So verschwand auch ein Einschub des Bundesfamilienministeriums (BMFSFJ) der grünen Ministerin Lisa Paus aus dem Papier, der die Bedeutung des Klimaschutzes für die Gesundheit junger Generationen betont hatte. Das BMFSFJ stimmte dem zu, wohl um die Verabschiedung nicht noch zu gefährden.
Paus’ Beamte hatten bei der Ressortabstimmung ohnehin keinen Hehl aus ihrer Enttäuschung gemacht. So bemängelten sie, dass das Ziel verpflichtender DGE-Standards in Schulen und Kitas nicht mit Maßnahmen unterlegt war: “Es bleibt unklar, wie die Verbindlichkeit geschaffen werden soll.” Insgesamt bleibe der Entwurf “an den meisten Stellen […] leider sehr vage” und enthalte “wenig konkrete Maßnahmen”, schrieb das Grundsatzreferat von Paus am 20. November 2023 an Özdemirs Stab: “Ob und inwieweit diese Strategie einen tatsächlichen Impact haben wird, bleibt somit abzuwarten.” Dabei war zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal klar, was noch alles gestrichen werden sollte.
Nur wenige Tage nach der Ankündigung der EU-Zusatzzölle auf chinesische E-Fahrzeuge holt die Volksrepublik erwartungsgemäß zum Gegenschlag aus: China hat eine Anti-Dumping-Untersuchung gegen europäisches Schweinefleisch und dessen Nebenprodukte eingeleitet. Die Untersuchung laufe seit Montag (17. Juni), teilte das chinesische Handelsministerium am Montag mit.
Die Untersuchung soll:
Bei den untersuchten Produkten handelt es sich
Ausgelöst wurde die Untersuchung dem Handelsministerium zufolge durch eine Beschwerde des chinesischen Staatsunternehmens China Animal Husbandry Association (CAHIC) vom 6. Juni. Vergangene Woche hatte das Ministerium erneut heimische Industrien aufgefordert, wenn nötig Untersuchungen zu Importen zu verlangen, um “ihre eigenen legitimen Rechte und Interessen zu schützen”.
So möchte Peking den Anschein vermeiden, die Untersuchungen seien politisch motiviert – denn genau das wirft China der EU-Kommission vor, die die Anti-Subventions-Untersuchung zu den E-Fahrzeugen ohne Initiative aus der Wirtschaft eingeleitet hatte.
CAHIC ist der Tierzuchtzweig der China National Agricultural Development Group Corporation. Der Agrarkonzern untersteht allerdings direkt der Kommission zur Überwachung und Verwaltung staatlicher Vermögenswerte des Staatsrats (State-owned Assets Supervision and Administration Commission of the State Council, SASAC).
Die EU reagierte am Montag gelassen. Ein Sprecher der Europäischen Kommission sagte, in Brüssel sei man nicht besorgt wegen der Eröffnung der Untersuchung. Die EU werde angemessen eingreifen, um sicherzustellen, dass die Untersuchung allen relevanten Regeln der Welthandelsorganisation entspreche.
Aus den betroffenen Mitgliedstaaten waren allerdings besorgte Töne zu vernehmen: Spanien forderte Verhandlungen, um Zölle auf seine Schweinefleischexporte nach China zu vermeiden. Der spanische Landwirtschaftsminister Luis Planas sagte, er hoffe, dass es “Raum für eine Verständigung” gebe. Wirtschaftsminister Carlos Cuerpo erklärte, Spanien und die EU arbeiteten daran, ein Gleichgewicht zu finden, um einen Handelskrieg zu vermeiden und gleichzeitig seine Produkte vor unfairen Handelspraktiken zu schützen. “Wir arbeiten bereits über die Europäische Union daran, Lösungen zu finden, die einen Weg nach vorne bieten, ohne dem Sektor zu schaden”, sagte Cuerpo in Santander.
Nach China exportierte Schweinefleischprodukte, darunter Mägen, Därme, Schnauzen und Ohren, werden in Europa kaum konsumiert, in China sind sie jedoch sehr beliebt. Spanien hat im vergangenen Jahr laut des Branchenverbands Interporc rund 560.000 Tonnen Schweinefleischprodukte im Wert von 1,2 Milliarden Euro nach China verkauft. Mit rund 21 Prozent Anteil an den Gesamtimporten ist Spanien Chinas führender Lieferant von Schweinefleischprodukten, vor den USA (rund 16 Prozent), Brasilien (rund 16 Prozent), den Niederlanden (neun Prozent), Kanada (neun Prozent) und Dänemark (rund neun Prozent).
Ulrik Bremholm, Vorsitzender des dänischen Branchenverbands Danske Slagterier forderte alle Parteien auf, die Auswirkungen auf Arbeitsplätze, Lebensmittelsicherheit und Produktion zu bedenken und mit China eine Verhandlungslösung zu finden. Die dänische Schweinefleischindustrie “wird von möglichen chinesischen Beschränkungen für europäisches Fleisch unglaublich hart getroffen“, sagte Bremholm der Nachrichtenagentur Reuters.
Die deutsche Schweinefleischindustrie unterliegt bereits seit 2020 einem Importverbot Chinas, nachdem in Deutschland die Schweinepest festgestellt worden war. Der größte Fleischverarbeiter in Deutschland, Tönnies, erwartet sinkende Schweinefleischpreise, wenn Exporteure wie Spanien neue Märkte für verlorene chinesische Verkäufe suchen sollten, was zu einem “schmerzhaften Einkommensverlust” auch in Deutschland führen würde. “Wenn EU-Exporteure, insbesondere Spanien, kein Schweinefleisch nach China verkaufen können, müssten einige Verkäufe innerhalb Europas getätigt werden, und es ist mit einem Abwärtsdruck auf die EU-Schweinefleischpreise zu rechnen”, sagte Tönnies-Sprecher Thomas Dosch Reuters.
Frankreich hatte zuletzt beim Besuch von Chinas Staatschef Xi Jinping einen neuen Schweinefleisch-Deal ausgehandelt. Es wird eine Steigerung der französischen Schweinefleischexporte um zehn Prozent erwartet. Profitieren von den Zusatzzöllen auf die europäischen Produkte könnte Südamerika, sollte China alternative Zulieferer außerhalb der EU suchen.
Die staatliche Zeitung “Global Times” hatte in Berichten bereits mehrere Insider und Experten ankündigen lassen, dass die europäische Agrar- und Luftfahrtindustrie im Fokus der chinesischen Untersuchungen stehen könnten. Neben der Fleischimporte könnten auch noch Milchprodukte ins Visier geraten, ebenso Fahrzeuge mit größeren Verbrennermotoren. China hatte bereits im Januar eine Anti-Dumping-Untersuchung bei Weinbrand eingeleitet. Diese galt als klares Signal an Frankreich, das sich auf EU-Ebene besonders für die Auto-Zölle starkgemacht hatte. Die Untersuchung läuft noch.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) reist Ende dieser Woche für einen mehrtägigen Besuch nach China. Beim Thema Handelsstreitigkeiten mit Peking verwies sein Ministerium auf die Zuständigkeit der EU-Kommission. Allerdings werde Habeck “natürlich (…) gar nicht umhinkommen, auch auf dieses Thema einzugehen”, sagte sein Sprecher. Die Bundesregierung hoffe darauf, dass beim Thema Auto-Zölle noch “Lösungen” gefunden werden können.
Eigentlich hätte das Kinder-Lebensmittel-Werbegesetz (KLWG) von Bundesernährungsminister Cem Özdemir noch vor der Sommerpause im Bundeskabinett beraten werden sollen. Nun ist es jedoch erneut von der Agenda gestrichen worden, die Beratungen des Gesetzes für den morgigen Mittwoch vorgesehen hatte. Es gebe noch keine Einigung, bestätigte ein Sprecher des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) auf Anfrage von Table.Briefings. Das Gesetz befinde sich weiterhin in der internen Ressortabstimmung.
Dass sich so wenig bewegt beim KLWG, liegt offenbar auch daran, dass nicht nur die Koalitionspartner, sondern auch die Länder Einwände gegen den Entwurf aus dem BMEL haben. Aus gut informierten Kreisen ist zu vernehmen, dass sich vor allem Rheinland-Pfalz querstellt. Vertreter aus dem Bundesland, das traditionell den Vorsitz der Rundfunkkommission der Länder innehat, hatten Özdemir schon in der Vergangenheit die Gesetzgebungskompetenz bei der Werbe- und Medienregulierung abgesprochen. Daran hat sich nichts geändert.
Auf Anfrage von Table.Briefings heißt es aus der Vertretung des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund: Der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) und der Medienstaatsvertrag (MStV) enthielten bereits mehrere Regelungen zur Begrenzung von Werbung zum Schutz von Kindern und Jugendlichen. Die Länder hätten diese Regelungen im Rahmen ihrer Zuständigkeit für Medienregulierung getroffen. “Mit den bekannt gewordenen Vorschriften des KLWG würde die Bundesregierung in diese Regelungskompetenz der Länder eingreifen“, kritisiert eine Sprecherin der Landesvertretung Rheinland-Pfalz beim Bund.
Heißt: Länder wie Rheinland-Pfalz fühlen sich vom BMEL-Entwurf noch immer übergangen. Es fehle die Initiative des Bundes, die Länder anzuhören, heißt es weiter aus der Landesvertretung Rheinland-Pfalz. Dabei gilt ein Scheitern des Gesetzes später im Gesetzgebungsprozess ohne die Zustimmung der Länder als wahrscheinlich. Schließlich muss auch der Bundesrat über das KLWG entscheiden. Spätestens dort hätten die Länder also die Möglichkeit, das Gesetz auszubremsen.
Gegenwind hatte Bundesernährungsminister Özdemir mit seinem Entwurf zuletzt auch von den eigenen Koalitionspartnern bekommen. Die FDP lehnte den letzten Referentenentwurf ab. Sie kritisierte, dass er ein pauschales TV-Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel zu den Hauptsendezeiten beinhalte und nicht den Abmachungen im Koalitionsvertrag entspreche. Ähnliche Kritik gab es auch aus der SPD-Bundestagsfraktion. Özdemirs Referentenentwurf sei “nicht brauchbar”, hatte es die für Ernährungspolitik zuständige SPD-Abgeordnete Rita Hagl-Kehl Anfang März zugespitzt. heu
Am Montag haben die Mitgliedsstaaten im EU-Umweltrat mit einer qualifizierten Mehrheit für das Renaturierungsgesetz gestimmt. Möglich gemacht hat dies ein Alleingang der österreichischen Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne), die trotz Protesten ihres Regierungspartners, der konservativen ÖVP, dem Gesetz zustimmte. Während in Österreich die Koalition bröckelt, ist nach zwei Jahren und 136 Änderungen im Gesetzestext der Weg frei, um bis 2030 mindestens 30 Prozent der Landflächen in der EU zu renaturieren.
Gewessler begründete ihre Haltung auch mit den Gefahren durch Hochwasser, die im Klimawandel zunehmen: “Wenn es regnet, versickert im Asphalt kein Wasser.” Als Reaktion auf ihren Alleingang reichte die ÖVP am Montag gegen Gewessler eine Strafanzeige wegen Amtsmissbrauchs ein. Auch eine Nichtigkeitsklage beim EuGH soll eingebracht werden. Dass das Vorgehen von Gewessler rechtswidrig sei, bescheinigt unter anderem ein Rechtsgutachten im Auftrag des ÖVP-geführten Landwirtschaftsministeriums. Auch der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts komme zu diesem Schluss, sagte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) in einer Pressekonferenz am Montagabend. Die Koalition wolle er aber fortsetzen, damit das Land “nicht im Chaos” versinke.
All das sei “juristisches Neuland”, sagte Walter Obwexer, Experte für Europäisches Verfassungsrecht an der Universität Innsbruck, zur Austria Presse Agentur (APA). Die Chancen stünden “nicht schlecht”, dass der Ratsbeschluss vom EuGH wegen Formmängel aufgehoben werde. Mit einer Entscheidung sei in rund eineinhalb Jahren zu rechnen. Obwexer geht aber davon aus, dass der Beschluss im Amtstext veröffentlicht werde und damit die Vorgaben – zumindest vorerst – in Kraft treten werden.
Verfassungsjurist Peter Bußjäger, ebenfalls von der Universität Innsbruck, sprach gegenüber der APA von einer komplexen rechtlichen Lage. Er hält weder die angedrohte Nichtigkeitsklage noch die Zustimmung von Gewessler für schlüssig. Gewessler stützt sich wiederum auf vier Rechtsgutachten und Gespräche mit mehreren Juristen, darunter mit Daniel Ennöckl von der BOKU Universität in Wien, der ihr Vorgehen rechtlich abgesichert sieht. Die Grünen sehen möglichen rechtlichen Schritten gelassen entgegen. Auch der EU-Ratsvorsitz sieht Gewesslers Ja als zulässig.
In einer ersten Reaktion sprach die Verhandlungsführerin der Grünen-Fraktion im Europaparlament, die deutsche Abgeordnete Jutta Paulus, von einem Erfolg im Kampf gegen das Artensterben und die Folgen der Klimakrise. Auch Umweltverbände wie Greenpeace und WWF begrüßten das Gesetz. Zuvor hatten sich bereits Tausende Wissenschaftler in einem Offenen Brief dafür ausgesprochen.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke sprach von einer “ausgewogene Balance aller Interessen”. Die Bundesregierung hatte sich im März nach Protesten der FDP auf eine Zustimmung geeinigt, aber auf eine Entlastung von Landwirten gedrängt. Gegenstimmen gab es von Finnland, Schweden, Italien, Ungarn, Polen und den Niederlanden. Auch die EVP, Teile der Rechten und der extremen Rechten sowie einige Bauernverbände kritisierten das Gesetz – teils aber mit fadenscheinigen Argumenten. Jan-Christoph Oetjen, agrarpolitischer Sprecher der FDP und Vizepräsident des EU-Parlaments, sprach von einem “Schritt rückwärts”. dpa/lb
Die EU-Umweltminister haben sich am Montag auf ihre gemeinsame Verhandlungsposition zum Bodenüberwachungsgesetz geeinigt und dabei den ursprünglichen Kommissionsvorschlag an mehreren Stellen abgeschwächt. Die Bundesregierung enthielt sich aufgrund von Bedenken, dass das Gesetz in der nun abgestimmten Version dem Ausbau der Erneuerbaren im Weg stehen und zu sehr in nationale Regeln zum Bergbau eingreifen könnte.
Änderungen sehen die Minister zum Beispiel bei folgenden Punkten vor:
Mit den Änderungen der Minister rückt der Text näher an die Position des EU-Bauernverbands Copa Cogeca. Dieser hatte den ursprünglichen Vorschlag zwar als “akzeptabel” bezeichnet, aber mehr Flexibilität bei den Kriterien zum gesunden Bodenzustand gefordert. Umweltschützer sehen die Ratsposition kritisch. Der ohnehin schon wenig ambitionierte Kommissionsvorschlag werde weiter verwässert, kritisiert Max Meister, Referent für Agrarpolitik beim Nabu.
Das Europäische Parlament hatte bereits im April seine Verhandlungsposition angenommen, in der es den Kommissionsvorschlag auf ähnliche Weise abschwächte, wie nun die Minister. Vieles deutet also darauf hin, dass sich Rat und Parlament auch in den folgenden Trilogverhandlungen untereinander auf eine solche abgeschwächte Version einigen. Laut ihrem vorläufigen Arbeitsplan setzt Ungarn die Trilogverhandlungen für seine EU-Ratspräsidentschaft für die zweite Hälfte des Jahres an. jd
Die EU-Mitgliedstaaten haben am Montag im Umweltrat ihr Verhandlungsmandat für die Überarbeitung der Abfallrahmenrichtlinie angenommen. Darin stimmen sie dem Gesetzentwurf der Kommission, den diese im Juli 2023 vorgestellt hatte, in weiten Teilen zu und nehmen kleinere Änderungen vor.
Die Ziele für die Reduzierung von Lebensmittelabfällen bis 2030 bestätigt der Rat: zehn Prozent in der Verarbeitung und Herstellung und 30 Prozent pro Kopf im Einzelhandel, in Restaurants, in der Gastronomie und in Haushalten. Das Parlament fordert hier jedoch eine Erhöhung auf 20 Prozent beziehungsweise 40 Prozent. Die Mitgliedstaaten wollen zudem die Möglichkeit aufnehmen, bis Ende 2027 Ziele für essbare Lebensmittel festzulegen.
Der Rat spricht sich für einen flexibleren Umgang mit der Berechnung der Abfallmengen aus: Die Ziele werden im Vergleich zu der im Jahr 2020 erzeugten Menge berechnet, da in jenem Jahr zum ersten Mal nach einer harmonisierten Methode Daten über Lebensmittelabfälle erhoben wurden. Laut Ausrichtung des Rats sollen die Mitgliedstaaten jedoch auch die Jahre 2021, 2022 oder 2023 als Referenzjahre heranziehen können. Die Begründung: Aufgrund der COVID-19-Pandemie könnten die Daten für 2020 in einigen Fällen nicht repräsentativ sein. Außerdem sollen Schwankungen im Tourismus und im Produktionsniveau der Herstellung und Verarbeitung von Lebensmitteln berücksichtigt werden. Der Rat fordert die Kommission zudem auf, bis Ende 2027 die Ergebnisse einer Studie über Lebensmittelabfälle und -verluste in der Primärproduktion vorzulegen.
Die Umsetzungsfrist der Novelle in nationales Recht wollen die Mitgliedstaaten von 18 auf 24 Monate nach Inkrafttreten verlängern. Die Abfallrahmenrichtlinie gilt seit 2008 und legt den Umgang mit Abfällen in der EU fest, unter anderem anhand einer fünfstufigen Abfallhierarchie. In Deutschland wurde die Richtlinie 2012 durch das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) in nationales Recht umgesetzt. Mit der aktuellen Überarbeitung nimmt die Kommission die ressourcenintensiven Sektoren Lebensmittel und Textilien ins Visier.
Das EU-Parlament hatte sein Verhandlungsmandat bereits im März angenommen. Die Trilogverhandlungen zwischen Rat, Parlament und Kommission können somit nach der Sommerpause beginnen. leo
Der EU-Umweltrat hat seine allgemeine Ausrichtung zur Green-Claims-Richtlinie angenommen. Damit können die Verhandlungen mit dem EU-Parlament beginnen. Das Gesetz soll Greenwashing verhindern, indem Unternehmen bestimmte umweltbezogene Werbeaussagen ohne externe Überprüfung nicht mehr verwenden dürfen – darunter auch Aussagen wie “umweltfreundlich” oder “biologisch abbaubar”.
Dabei wollen die Umweltminister Kleinunternehmen und Landwirte besser bei der Umsetzung der neuen Regeln unterstützen. Das von der Kommission vorgeschlagene Grundprinzip der Ex-ante-Prüfung durch unabhängige Sachverständige behalten sie zwar bei, wollen aber ein vereinfachtes Verfahren einführen, um bestimmte Angaben davon auszunehmen. Kleinstunternehmen sollen zwar auch überprüft werden, aber acht Monate mehr Zeit erhalten. Zudem sieht der Text “zusätzliche Maßnahmen zur Minderung des Verwaltungsaufwands für Landwirte” vor. Das könne finanzielle Unterstützung und Schulungen beinhalten.
Der Umweltrat will Unternehmen zudem unter bestimmten Umständen weiterhin die Möglichkeit einräumen, CO₂-Kompensationen geltend zu machen. Unter anderem der EU-Bauernverband Copa Cogeca hatte das gefordert, um den Verkauf von Zertifikaten aus CO₂-Entnahmen in der Landwirtschaft weiterhin attraktiv zu halten. Die Ratseinigung begrüßte der Verband als Schritt in die richtige Richtung.
Das Parlament hatte seinen Standpunkt bereits im März angenommen. Darin sieht es vor, CO₂-Kompensationen nur in Ausnahmefällen zu erlauben, nämlich wenn ein Unternehmen seine CO₂-Emissionen bereits so weit wie möglich reduziert hat. Damit wird dieses Thema ein Knackpunkt in den anstehenden Trilogverhandlungen werden. leo/jd
Am heutigen Dienstag will Ungarn seine Prioritäten öffentlich machen für die EU-Ratspräsidentschaft, die es am 1. Juli für den Rest des Jahres übernimmt. Aus Kreisen der ungarischen Vertretung in Brüssel ist vorab zu hören, dass Budapest die Zeit bis zum Amtsantritt des neuen Kommissionskollegiums gegen Ende des Jahres im Ministerrat für grundsätzlichere Überlegungen nutzen will. So auch darüber, wie die nächste Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) aussehen könnte. Man wolle der Kommission, von der für das kommende Jahr erste Vorschläge zur GAP erwartet werden, mit eigenen Ideen zuvorkommen.
Das bestätigt ein vorläufiges Dokument zur Planung der Ratspräsidentschaft, das die Kollegen von Contexte veröffentlicht haben. Daraus geht hervor, dass der Sonderausschuss Landwirtschaft (SAL) Schlussfolgerungen zur nächsten GAP-Förderperiode, die 2027 startet, verabschieden soll.
Nicht auf eine Einigung hinarbeiten will Ungarn demnach am Verordnungsvorschlag zu Tiertransporten, obwohl auf Arbeitsebene die Gespräche unter der jetzigen belgischen Präsidentschaft schon begonnen haben. Auch im Europäischen Parlament kam die Arbeit hierzu bisher kaum voran. Die Grünen werfen dem Berichterstatter für das Dossier, Daniel Buda (EVP), vor, den Prozess absichtlich zu verzögern. Ebenfalls nicht eingeplant ist die Reform des EU-Saatgutrechts. Eigentlich ist hier der Rat am Zug – das Parlament hat seine Position schon verabschiedet.
Zu folgenden Gesetzesvorschlägen strebt Ungarn dagegen Trilogverhandlungen zwischen Rat und Parlament an:
Eine Einigung innerhalb des Ministerrats strebt Ungarn zu Folgendem an:
Deutschland beteiligt sich nicht an einer EU-Initiative zum gemeinsamen Kauf von Impfstoff gegen das Vogelgrippe-Virus. 16 Länder der EU und des Europäischen Wirtschaftsraums hatten der Europäischen Kommission den Auftrag gegeben, in ihrem Namen gesammelt Impfdosen gegen Virustyp A/H5N1 zu beschaffen. Das Bundesgesundheitsministerium verweist auf Anfrage darauf, dass die Bundesregierung bei der Impfstoffbeschaffung nur in bestimmten Krisenfällen tätig werden könne, um der EU-Kommission einen entsprechenden Auftrag zu erteilen.
Möglich sei das nur, wenn die “notwendige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln ernstlich gefährdet wäre”, teilt ein Sprecher mit – ansonsten sei es Ländersache, Impfstoffvorräte anzulegen. Eine solche Gefahrenlage sieht das Ministerium nicht. Schließlich schätze das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) das Risiko für eine Übertragung auf den Menschen in Europa weiter als gering ein, für beruflich exponierte Gruppen mit engem Kontakt zu infiziertem Geflügel als moderat.
Die Europäische Kommission spricht bei der Initiative zur gemeinsamen Impfstoffbeschaffung entsprechend von einer Vorsichtsmaßnahme. Der Vertrag der EU-Länder mit dem britischen Unternehmen Seqirus UK Limited umfasst zunächst 665.000 Dosen. Bis zu 40 Millionen Dosen können bei Bedarf nachbestellt werden. Die Impfungen sollen nun zunächst Risikogruppen wie Tierhaltern und Tierärzten zur Verfügung stehen. Bereits während der Corona-Pandemie hatten sich EU-Länder bei der Beschaffung von Impfstoff zusammengetan, um ihre Verhandlungsposition gegenüber den Herstellern zu stärken.
In den letzten Monaten hatten in den USA mehrere Vogelgrippe-Fälle bei Menschen für Schlagzeilen gesorgt, meist bei Personen, die Kontakt zu infizierten Rinderherden hatten. Vor kurzem wurde zudem in Mexiko der weltweit erste Todesfall durch die Variante H5N2 gemeldet. jd
Chinas Wetterbehörde warnt vor einer extremen Dürre mit negativen Auswirkungen auf die Ernte in der Provinz Henan, Chinas wichtigster Weizenanbauprovinz, berichtet die South China Morning Post. 16 von 17 Städten der Provinz sind von einer Dürre betroffen. Diese hält bereits seit zehn Tagen an und wird sich in der kommenden Woche voraussichtlich noch verstärken, denn die Temperaturen bleiben hoch.
Etwa ein Drittel von Chinas Weizenproduktion kommt aus Henan. Die lokalen Regierungen der Provinz wurden aufgefordert, Notmaßnahmen zu ergreifen. Wasser für den Dienstleistungssektor soll begrenzt werden, um eine ausreichende Bewässerung der Landwirtschaft zu gewährleisten. Auch künstlicher Regen soll bei Bedarf zum Einsatz kommen. Verfügbare Wasserquellen sollen verteilt werden, wobei Wasser für Haushalte und Trinkwasser für die Viehzucht Vorrang haben.
Das Landwirtschaftsministerium hatte am Dienstag eine Warnung vor hohen Temperaturen und Dürre für Nord- und Zentralchina herausgegeben, darunter für die Provinzen Hebei, Shanxi, Shaanxi, Henan, Shandong und Anhui. In den letzten Monaten suchte Extremwetter China vor allem in Form von Überschwemmungen heim, unter anderem in Guangdong, Jiangxi und Guangxi.
Im März noch hatte das Wetteramt beste Aussichten für die Weizenernte prognostiziert. Daraufhin stornierte das Land Bestellungen von rund 500.000 Tonnen Weizen aus den USA. jul
19.06.2024 / Berlin, Konferenzzentrum Mauerstraße 27
Deutscher Ernährungstag des BMEL Gesund und nachhaltig – Essen außer Haus und in Gemeinschaft
Das BMEL begleitet die Umsetzung der Ernährungsstrategie mit einer neuen Veranstaltungsreihe – dem Deutschen Ernährungstag – und lädt Sie zur diesjährigen Auftaktveranstaltung mit dem Themenschwerpunkt Außer-Haus- und Gemeinschaftsverpflegung ein. Es erwarten Sie lebendige Diskussionsrunden, Erfolgsgeschichten, informelle, inspirierende Gespräche sowie ein abendliches Get-together im Zentrum Berlins. INFO & ANMELDUNG
19.06.2024 15:00 – 19:30 Uhr / Berlin
Forum Wiederherstellung der Natur
Das Forum möchte die Bedeutung der Wiederherstellung von Natur vor dem Hintergrund eingegangener internationaler Verpflichtungen verdeutlichen sowie konkrete Umsetzungsbeispiele in Deutschland hervorheben. Das Ziel ist es, die Reparatur der Natur als Chance zu begreifen, um eine langfristige Perspektive für gesunde Ökosysteme und eine nachhaltige Lebensgrundlage in Deutschland zu schaffen. INFO & ANMELDUNG
19.06.2024 09.00 – 17.00 Uhr / GDI Gottlieb Duttweiler Institute, Schweiz
Tagung 4th. International Food Innovation Conference
Auf der 4. International Food Innovation Conference diskutieren wir mit Vordenker*innen, Branchen- und Ernährungs-Expert*innen über die kulturellen Hürden, die Innovationen bei der Produktion, der Zubereitung und während des Konsums überwinden müssen. Und wir identifizieren kulturelle Chancen – wenn etwa etablierte Gewohnheiten und Rituale einen nachhaltigeren Genuss ermöglichen. INFO & ANMELDUNG
22.06.2024 09.00 – 15.00 Uhr / Radisson Blu Park Hotel & Conference Center, Dresden
Konferenz 1 Tag, 10 Start-ups, 200 Landwirt*innen: UnternehmerInnenForum “Startup meets Landwirtschaft”
Der Tag ist dem Thema Innovationen in der Landwirtschaft gewidmet. Insgesamt 10 landwirtschaftliche Startups werden ihre Ideen pitchen. Natürlich wird auch das Thema Unternehmertum im Mittelpunkt stehen, zudemwird Einblick in die Welt der künstlichen Intelligenz gegeben und deren Bedeutung für die Landwirtschaft thematisiert. ANMELDUNG
24.06.2024 / Brüssel
Europäischer Rat Landwirtschaft und Fischerei
Über die Zukunft der Landwirtschaft. Vorschläge für Verordnungen zu: Pflanzenvermehrungsmaterial, Forstvermehrungsmaterial, Forstüberwachungsrahmen, zum Schutz von Tieren während des Transports. INFO
10.07.2024 / Grub, Bayern
Seminar 1. Süddeutsches Agri-PV-Forum
Das 1. Süddeutsche Agri-PV-Forum 2024 findet als Kooperationsveranstaltung von LandSchafftEnergie+ am Technologie- und Förderzentrum und den Bayerischen Staatsgütern am Standort Grub statt. Informieren, vernetzen, besichtigen – bei der Veranstaltung in Grub werden aktuelle Entwicklungen, rechtliche Aspekte und Praxisbeispiele im Bereich Agri-Photovoltaik (Agri-PV) vorgestellt. Anmeldung bis 03.07.2024 INFO & ANMELDUNG
AGRA-Europe: Glyphosat: Auflagen werden nicht gelockert
Der Bundesrat hat der weiteren Zulassung von Glyphosat ohne Lockerung bestehender Auflagen zugestimmt. Die bislang geltende Befristung der Glyphosat-Zulassung wird aufgehoben. Anwendungsverbote in Wasser- und Naturschutzgebieten bleiben bestehen. Die FDP und der Industrieverband Agrar begrüßten den Schritt, er schaffe Rechtsklarheit und Planungssicherheit für die Landwirtschaft. Der Deutsche Bauernverband kritisierte die Entscheidung gegen eine Aufhebung des Glyphosat-Verbots in Wasserschutzgebieten. Vizepräsident Hennies sieht darin einen Wettbewerbsnachteil für deutsche Landwirte auf dem europäischen Markt. Die neue Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung tritt am 1. Juli 2024 in Kraft. Zum Artikel
Lebensmittelzeitung: Bundeskabinett billigt Ernährungsbericht
Die Bundesregierung hat den von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir vorgelegten Bericht “Gesunde, nachhaltige und sichere Ernährung – Bericht der Bundesregierung zur Ernährungspolitik, Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit” beschlossen. Der Bericht zieht eine Bilanz zur Ernährungspolitik der letzten vier Jahre und setzt Ziele, um das Ernährungsverhalten der Bevölkerung zu verbessern – etwa mittels einer verständlicheren Kennzeichnung von Lebensmitteln und der Erweiterung internationaler Lebensmittelstandards. Zudem wird die Bedeutung einer pflanzenbetonten Ernährung mit “nachhaltig und ökologisch erzeugten, saisonalen” Produkten in regionalen Kreisläufen hervorgehoben, ebenso wie die Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln. Zum Artikel
Euractiv: EU-Staaten befürworten Verbot von Bisphenol A in Lebensmittelverpackungen
Die EU-Mitgliedstaaten haben ein Verbot von Bisphenol A (BPA) in Lebensmittel- und Getränkeverpackungen gebilligt. Damit sollen die Verbrauchergesundheit geschützt und “höchste Lebensmittelsicherheitsstandards” gewährleistet werden. Die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA hatte BPA als potenziell schädlich für das Immunsystem eingestuft. Das BPA-Verbot umfasst Materialien, die mit Lebensmitteln in Kontakt kommen, etwa die Beschichtung von Metalldosen, oder Konsumgüter wie Küchenutensilien, Geschirr, Plastikgetränkeflaschen und Wasserspender. Das Verbot wird nach einer Prüfungsphase durch das Europäische Parlament und den Rat Ende 2024 in Kraft treten, mit einer Übergangsfrist von 18 bis 36 Monaten. Zum Artikel
topagrar: Verbände senden Beschwerdebrief wegen “Zukunftsprogramm” Pflanzenschutz
30 Verbände der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft fordern das BMEL auf, seinen Vorschlag für ein “Zukunftsprogramm” Pflanzenschutz zurückzuziehen, da dieser einseitig auf die Reduzierung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes fokussiert sei und wichtige Themen wie die Lebens- und Futtermittelversorgung vernachlässige. Die Verbände, darunter der DBV, kritisieren, dass der Vorschlag technologische Innovationen und Fortschritte ignoriere und dadurch Produktionsverlagerungen ins Ausland begünstige. Das BMEL weist die Kritik zurück und betont, Grundlage für das Programm seien wissenschaftliche Erkenntnisse, Erfahrung aus der landwirtschaftlichen Praxis und vor allem der Konsens der Zukunftskommission Landwirtschaft. Diese hatte empfohlen, die Auswirkungen von Pflanzenschutzmaßnahmen auf Umwelt, Artenvielfalt und die Gesundheit so gering wie möglich zu halten und stabile Agrarökosysteme im Sinne des integrierten Pflanzenschutzes zu schaffen. Zum Artikel
Wer die Arbeit der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch verfolgt, kommt in Deutschland an Chris Methmann nicht vorbei. Seit November 2021 ist der 43-Jährige hierzulande Geschäftsführer der Organisation, die sich mit Büros in vier weiteren Ländern als “enges europäisches Netzwerk” begreift. Gerade weil die Lebensmittelindustrie so europäisch sei, bestehe ein Großteil seiner Arbeit darin, mit den Kolleginnen gemeinsam Strategien zu entwickeln, um “Foodwatch schlagkräftig zu machen und die richtigen Themen anzupacken”, erläutert Methmann.
Doch die für Foodwatch wichtigen Themen anzupacken, ist oft kein einfaches Unterfangen. Bei Lebensmittelbetrug oder Lebensmittelkontrollen stehe Foodwatch häufig “allein auf weiter Flur”, lässt Methmann wissen und kritisiert, dass Foodwatch in Deutschland von politischer Seite nicht häufiger angehört wird. Den direkten Vergleich habe er mit Frankreich und den Niederlanden. “Die Kollegen dort stoßen auf offenere Ohren in den Ministerien.”
Die Herausforderungen politischer Arbeit in Deutschland kennt Methmann jedoch nicht erst seit seiner Foodwatch-Zeit. Bereits im Studium engagierte sich der gebürtige Flensburger politisch. Über persönliche Kontakte kam er zum globalisierungskritischen Netzwerk Attac. Nach seiner Promotion in internationaler Klimapolitik und einem weiteren Abstecher in die Wissenschaft trat er eine Stelle bei der progressiven Bürgerbewegung Campact an, wo er zu Klima- und Agrarpolitik arbeitete. Im Anschluss daran fand er den Weg zu Foodwatch.
“Das waren letztlich ähnliche Themen, weil Globalisierung häufig auch dazu beiträgt, dass Verantwortlichkeiten nicht so richtig klar sind“, stellt Methmann den roten Faden seiner politischen Arbeit heraus. Insbesondere Konzerne würden sich gerne hinter globalen Lieferketten verstecken. “Diese Tricks der Lebensmittelindustrie aufzudecken, ist klassische Foodwatch-Arbeit”, macht Methmann deutlich. Es gehe darum, die Verantwortlichen verantwortlich zu machen.
Verantwortlich gemacht hat Methmann mit seinem Team in den vergangenen 2,5 Jahren sodann auch immer wieder Akteure in allen Bereichen der Wertschöpfungskette – “von Lebensmittelkontrollen in Restaurants in Berlin, über Lebensmittelskandale, Betrug mit Lebensmitteln, gesunde Ernährungsumgebung”. Gereizt habe ihn das Themengebiet der Ernährung, weil es für alle Menschen relevant sei. “Dadurch ist es einfach, den Leuten zu erklären, warum sie das was angeht”, glaubt Methmann.
Dennoch beobachtet der Geschäftsführer Akzentverschiebungen im Themenfeld der Organisation. “Früher waren die Foodwatch-Themen ehrliches und gesundes Essen, jetzt ist das Thema zukunftsfähiges Essen dazugekommen“, erzählt er. Weil sich Krisen wie der Klimawandel so dramatisch zuspitzten, komme man daran nicht vorbei. Gleichzeitig seien beispielsweise Veganismus und Klimazertifizierung Trends, die auch die Lebensmittelindustrie aufgreife. “Da wird es dann auf einmal wieder klassische Foodwatch-Arbeit, die Tricks der Industrie aufzudecken“, so Methmann.
Stichwort Zertifizierung: Klagen, wie zuletzt gegen Edeka, erhebe Foodwatch, “weil wir sehen, dass behördenseitig bestimmte Irreführungstatbestände nicht verfolgt werden“, sagt Methmann. Die NGO verstehe es dennoch nicht als ihre Aufgabe, durch den gesamten Markt Rechtsdurchsetzung sicherzustellen. Vielmehr seien solche Klagen “ein Signal an den Markt”, macht Methmann deutlich. Im Fall der Edeka-Klage seien dem zwei Jahre Recherchearbeit vorausgegangen.
Wie lange bestimmte Themen die Arbeit von Foodwatch begleiten, zeigt Methmann auch mit Blick auf die Kinderlebensmittelwerbung. Foodwatch arbeite seit zehn Jahren hieran: “Wir haben das mit zu einem Thema gemacht.” Seit über einem Jahr hänge das Kinderlebensmittelwerbegesetz (KLWG) nun politisch in der Luft. “Wir legen mit immer neuen Aktionen nach, aber es bewegt sich einfach nichts“, moniert Methmann. Dabei könne – das belege auch die Forschung – Kindermarketing ein wichtiger Hebel sein, um in puncto gesundes Essen wirklich etwas zu verändern, ebenso wie eine Steuer auf Softdrinks.
“Die Limosteuer haben wir in Vorbereitung”, lässt Methmann wissen. In den letzten Koalitionsvertrag habe sie es fast geschafft. “Wir wollen nun erreichen, dass sie in den nächsten kommt.” Vorbild sei hier die britische Zuckersteuer. Die habe nicht dazu geführt, dass Limos teurer werden, sondern dass Hersteller einen Anreiz haben, den Zuckergehalt zu reduzieren, erläutert der Foodwatch-Geschäftsführer. In Großbritannien habe die Fanta heute aufgrund der Besteuerung halb so viel Zucker wie in Deutschland. Dass es in Deutschland keine vergleichbare Steuer gibt, führt Methmann auch zurück auf eine “andere politische Kultur und Lobby, die sagt, das ist Privatsache”.
Das wiederum wirke sich auf alle Bereiche aus, glaubt Methmann. Auch auf das vom Bürgerrat Ernährung geforderte Verkaufsverbot von Energy-Drinks an Minderjährige. “Dass die Ampel das umsetzt, halte ich für ausgeschlossen”, sagt Methmann. Er bedaure das, weil es eine einfache Maßnahme sei, die nichts koste, aber viel bringe. “Wir halten das für nicht hinnehmbar. Deshalb gehen wir auf die Supermarktketten wie Lidl zu und fordern sie auf, das zu regeln.” Eins steht für den Foodwatch-Geschäftsführer fest. “Es geht auf deutscher Ebene mehr, als gemacht wird.” Merle Heusmann
Reality-Shows hätten mit dem echten Leben nichts zu tun, heißt es oft. Doch in den Niederlanden hat nun ein solches Format handfeste politische Folgen: Das frisch nominierte neue Regierungskabinett sähe aller Wahrscheinlichkeit nach anders aus, gäbe es nicht die Sendung “Bauer sucht Frau“, besser gesagt “Boer zoekt Vrouw.”
Denn die designierte neue Agrarministerin, Femke Wiersma von der Bauernpartei BBB, hatte ursprünglich nichts mit Landwirtschaft am Hut – bis sie 2010 an dem TV-Format teilnahm, dort ihren Herzensbauern fand und schließlich heiratete. Die Liebe hat nicht gehalten – 2019 folgte die Scheidung -, die Verbindung zur Landwirtschaft dagegen schon.
Ende Juni soll Wiersma vereidigt werden. Gut gebrauchen kann sie dann ihre Erfahrung darin, dafür zu sorgen, dass die Chemie stimmt. Das tut sie derzeit in vielen niederländischen Gewässern nämlich nicht: Der Stickstoffgehalt ist zu hoch, das Land muss die Nitrat-Emissionen aus der Tierhaltung deutlich senken, um nicht länger EU-Recht zu brechen. Die schlechte Nachricht: Die Pläne der BBB hierzu halten Experten für nicht zielführend. Da hilft auch keine TV-Romantik. Julia Dahm
in der Ampel gibt es wieder einmal Zoff. Die Gespräche über das versprochene Agrarpaket zur Entlastung der Landwirte stocken. Streit gibt es laut gut informierten Kreisen ums GAP-Budget: Die Grünen wollen die Ökoregelungen aufstocken – allerdings auf Kosten der Direktzahlungen, was die FDP nicht mitträgt. Auch die vom BMEL angestrebte Vertragspflicht für den Milchmarkt (Paragraf 148 GMO) stößt den Liberalen sauer auf. Sie möchten zur Entlastung lieber auf die Gewinnglättung setzen. Recht weit fortgeschritten, wenn auch noch nicht abgeschlossen, scheinen dagegen die Gespräche zur Reform des AgrarOLkG, die auch Teil des Pakets sein soll.
Der Zeitplan fürs Agrarpaket bleibt damit weiter unsicher. Die Fraktionen hoffen auf eine Einigung diese Woche, die jedoch keineswegs garantiert ist. Die Zeit drängt: nicht nur wegen des politischen Drucks, die Versprechen an die Landwirte einzulösen, sondern auch, weil Änderungen des deutschen GAP-Strategieplans rechtzeitig nach Brüssel gemeldet werden müssen.
Auch beim Kinder-Lebensmittel-Werbegesetz geht es nicht voran, wie meine Kollegin Merle Heusmann berichtet. Passend zum Deutschen Ernährungstag in dieser Woche analysiert außerdem Martin Rücker, wie die Ernährungsstrategie nach und nach verwässert wurde. Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.
Die Ernährungsstrategie der Bundesregierung fasst 90 geplante und bereits laufende Maßnahmen zusammen. Wäre es nach Bundesernährungsminister Cem Özdemir (Grüne) gegangen, hätten es deutlich mehr sein dürfen. Auf Druck anderer Ministerien musste sich der Grüne von etlichen Zielen und Gesetzesvorhaben verabschieden, um die Strategie durchs Kabinett zu bekommen. Das belegen E-Mails und interne Unterlagen aus dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL).
Nach einem Informationsfreiheitsantrag liegen Table.Media alle schriftlichen Dokumente zum Abstimmungsprozess innerhalb der Bundesregierung vor, von Vorabstimmungen im Juni 2023 bis zum Kabinettsbeschluss im Januar 2024. Die 273 Dateien – insgesamt mehr als 5.800 Seiten – zeigen, wie Özdemirs Strategie zunehmend verkümmerte.
Ein gemeinsames Erarbeiten der Strategie durch die Ministerien gab es ausweislich der Dokumente nicht. Nur vereinzelt schlugen andere Ministerien konkrete Maßnahmen vor. Das BMEL entwarf den Text – und kämpfte darum, Ideen durchzubekommen. Oft weitgehend erfolglos, wie beim Thema Ernährungsarmut. Die wollte das BMEL mit weitreichenden Maßnahmen (höheres Bürgergeld, Obst- und Gemüsegutscheine für Einkommensschwache) bekämpfen – doch das Bundessozialministerium von Hubertus Heil (SPD) lehnte ab.
Auch das Gesundheitsressort (BMG) von Karl Lauterbach (SPD) ging bei vielen Vorschlägen nicht mit. So wollte das BMEL in Krankenhäusern die Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) verpflichtend einführen, regte dazu eine Novelle des Krankenhausentgeltgesetzes an. Zudem sollten sich “Ernährungsteams in allen Kliniken” um die Patienten kümmern und die “Ernährungsbildung von medizinischem Personal” verbessert werden, um Mangelernährung und Übergewicht stärker vorbeugen zu können. Doch fast mantraartig winkte das BMG unter Verweis auf das “Prinzip der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen” ab. Daran ließ es auch die BMEL-Idee verpflichtender Screenings auf Mangelernährung in Kliniken und Pflegeheimen scheitern. Zwar ist in einer Kapitelüberschrift der beschlossenen Ernährungsstrategie kurioserweise weiterhin von einem “verpflichtenden Screening” in Kliniken die Rede – doch der folgende Absatz enthält keinerlei Maßnahme mehr, die eine solche Pflicht real werden ließe.
Zu den erwartet schwierigen Diskussionen kam es mit FDP-geführten Ministerien. Beim Bundesbildungsministerium (BMBF) standen sie von Beginn an unter einem schlechten Stern: Als das BMEL den anderen Ressorts am 10. November 2023 seinen Strategieentwurf zur Kommentierung übersandte, vergaß ihn das FDP-geführte Ressort im Verteiler. Ein “Büroversehen”, das erst auffiel, als Anfang Dezember die Rückmeldefrist bereits abgelaufen war. Der verschärfte Zeitdruck erschwerte die Abstimmung zusätzlich. Özdemirs Ziel, die Ernährungsbildung stärker in den Lehrplänen von Schulen zu verankern, schwächte das BMBF unter Verweis auf die Länder-Kompetenzen ab. Als das BMEL dennoch auf eine stärkere Rolle drängte, sich als “ständiger Gast” in der Kultusministerkonferenz ins Gespräch brachte, fiel die Rückmeldung aus dem BMBF brüsk aus: “Keinesfalls”, hieß es in einem Kommentar. Das BMEL verzichtete.
Den größten Widerstand leistete das Verkehrsministerium (BMDV) von Volker Wissing. “Der Entwurf ist für uns leider nicht zustimmungsfähig”, mailten seine Fachleute am 1. Dezember 2023 an das BMEL. 63 Textseiten umfasste dessen Entwurf, auf 26 davon änderten sie Formulierungen, kommentierten, strichen ganze Absätze. Dabei betraf nur ein Punkt den Verkehrssektor direkt: Der Vorschlag, zur Bewegungsförderung ein kostenloses Leihfahrrad in das 49-Euro-Ticket zu integrieren – er schaffte es nicht in die finale Strategie. Die Finanzierung sei “nicht vorstellbar”, kommentierte das BMDV.
Fortan vertrat das Wissing-Ressort offenbar die geballte Kritik der FDP und agierte wie ein Ersatz-Ernährungsministerium. Es stieg tief in Details ein, diskutierte selbst die Frage, welche Nüsse sich wohl in ausreichender Menge regional anbauen ließen. Am Ende setzte das BMDV von allen Ministerien die meisten Änderungen durch:
In zahlreichen E-Mails und Abteilungsleiterrunden im November und Dezember 2023 rangen die Ministerien um Kompromisse. 20 Konfliktpunkte – 16 davon mit dem BMDV – ließen sich erst am 19. Dezember 2023 in einer Staatssekretärsrunde klären. Darin blockierte Özdemirs Staatssekretärin Silvia Bender die Erwähnung neuer Züchtungsmethoden als Mittel gegen den Züchtungsrückschritt bei Leguminosen, den das BMDV zuvor als “harten Punkt” bezeichnet hatte – als Kompromiss wird der Züchtungsrückstand gar nicht mehr erwähnt.
An anderen Stellen setzte sich das BMDV weitgehend durch: Die Strategie stellt Ernährung als “Ausdruck […] unserer Entscheidungen” und “Gewohnheiten” dar, während der BMEL-Entwurf noch betont hatte, dass Essen “nur zu einem kleinen Teil das Ergebnis einer bewusst getroffenen Entscheidung” sei. Vor allem verzichtete Bender auf die Prüfung “regulatorischer Maßnahmen” zur Durchsetzung der DGE-Standards in Kita- und Schulkantinen.
Die Kabinettsfassung lag längst vor, als das BMDV am 8. Januar 2024 – neun Tage vor dem Beschluss der Strategie – noch einmal letzte Änderungen verlangte. So verschwand auch ein Einschub des Bundesfamilienministeriums (BMFSFJ) der grünen Ministerin Lisa Paus aus dem Papier, der die Bedeutung des Klimaschutzes für die Gesundheit junger Generationen betont hatte. Das BMFSFJ stimmte dem zu, wohl um die Verabschiedung nicht noch zu gefährden.
Paus’ Beamte hatten bei der Ressortabstimmung ohnehin keinen Hehl aus ihrer Enttäuschung gemacht. So bemängelten sie, dass das Ziel verpflichtender DGE-Standards in Schulen und Kitas nicht mit Maßnahmen unterlegt war: “Es bleibt unklar, wie die Verbindlichkeit geschaffen werden soll.” Insgesamt bleibe der Entwurf “an den meisten Stellen […] leider sehr vage” und enthalte “wenig konkrete Maßnahmen”, schrieb das Grundsatzreferat von Paus am 20. November 2023 an Özdemirs Stab: “Ob und inwieweit diese Strategie einen tatsächlichen Impact haben wird, bleibt somit abzuwarten.” Dabei war zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal klar, was noch alles gestrichen werden sollte.
Nur wenige Tage nach der Ankündigung der EU-Zusatzzölle auf chinesische E-Fahrzeuge holt die Volksrepublik erwartungsgemäß zum Gegenschlag aus: China hat eine Anti-Dumping-Untersuchung gegen europäisches Schweinefleisch und dessen Nebenprodukte eingeleitet. Die Untersuchung laufe seit Montag (17. Juni), teilte das chinesische Handelsministerium am Montag mit.
Die Untersuchung soll:
Bei den untersuchten Produkten handelt es sich
Ausgelöst wurde die Untersuchung dem Handelsministerium zufolge durch eine Beschwerde des chinesischen Staatsunternehmens China Animal Husbandry Association (CAHIC) vom 6. Juni. Vergangene Woche hatte das Ministerium erneut heimische Industrien aufgefordert, wenn nötig Untersuchungen zu Importen zu verlangen, um “ihre eigenen legitimen Rechte und Interessen zu schützen”.
So möchte Peking den Anschein vermeiden, die Untersuchungen seien politisch motiviert – denn genau das wirft China der EU-Kommission vor, die die Anti-Subventions-Untersuchung zu den E-Fahrzeugen ohne Initiative aus der Wirtschaft eingeleitet hatte.
CAHIC ist der Tierzuchtzweig der China National Agricultural Development Group Corporation. Der Agrarkonzern untersteht allerdings direkt der Kommission zur Überwachung und Verwaltung staatlicher Vermögenswerte des Staatsrats (State-owned Assets Supervision and Administration Commission of the State Council, SASAC).
Die EU reagierte am Montag gelassen. Ein Sprecher der Europäischen Kommission sagte, in Brüssel sei man nicht besorgt wegen der Eröffnung der Untersuchung. Die EU werde angemessen eingreifen, um sicherzustellen, dass die Untersuchung allen relevanten Regeln der Welthandelsorganisation entspreche.
Aus den betroffenen Mitgliedstaaten waren allerdings besorgte Töne zu vernehmen: Spanien forderte Verhandlungen, um Zölle auf seine Schweinefleischexporte nach China zu vermeiden. Der spanische Landwirtschaftsminister Luis Planas sagte, er hoffe, dass es “Raum für eine Verständigung” gebe. Wirtschaftsminister Carlos Cuerpo erklärte, Spanien und die EU arbeiteten daran, ein Gleichgewicht zu finden, um einen Handelskrieg zu vermeiden und gleichzeitig seine Produkte vor unfairen Handelspraktiken zu schützen. “Wir arbeiten bereits über die Europäische Union daran, Lösungen zu finden, die einen Weg nach vorne bieten, ohne dem Sektor zu schaden”, sagte Cuerpo in Santander.
Nach China exportierte Schweinefleischprodukte, darunter Mägen, Därme, Schnauzen und Ohren, werden in Europa kaum konsumiert, in China sind sie jedoch sehr beliebt. Spanien hat im vergangenen Jahr laut des Branchenverbands Interporc rund 560.000 Tonnen Schweinefleischprodukte im Wert von 1,2 Milliarden Euro nach China verkauft. Mit rund 21 Prozent Anteil an den Gesamtimporten ist Spanien Chinas führender Lieferant von Schweinefleischprodukten, vor den USA (rund 16 Prozent), Brasilien (rund 16 Prozent), den Niederlanden (neun Prozent), Kanada (neun Prozent) und Dänemark (rund neun Prozent).
Ulrik Bremholm, Vorsitzender des dänischen Branchenverbands Danske Slagterier forderte alle Parteien auf, die Auswirkungen auf Arbeitsplätze, Lebensmittelsicherheit und Produktion zu bedenken und mit China eine Verhandlungslösung zu finden. Die dänische Schweinefleischindustrie “wird von möglichen chinesischen Beschränkungen für europäisches Fleisch unglaublich hart getroffen“, sagte Bremholm der Nachrichtenagentur Reuters.
Die deutsche Schweinefleischindustrie unterliegt bereits seit 2020 einem Importverbot Chinas, nachdem in Deutschland die Schweinepest festgestellt worden war. Der größte Fleischverarbeiter in Deutschland, Tönnies, erwartet sinkende Schweinefleischpreise, wenn Exporteure wie Spanien neue Märkte für verlorene chinesische Verkäufe suchen sollten, was zu einem “schmerzhaften Einkommensverlust” auch in Deutschland führen würde. “Wenn EU-Exporteure, insbesondere Spanien, kein Schweinefleisch nach China verkaufen können, müssten einige Verkäufe innerhalb Europas getätigt werden, und es ist mit einem Abwärtsdruck auf die EU-Schweinefleischpreise zu rechnen”, sagte Tönnies-Sprecher Thomas Dosch Reuters.
Frankreich hatte zuletzt beim Besuch von Chinas Staatschef Xi Jinping einen neuen Schweinefleisch-Deal ausgehandelt. Es wird eine Steigerung der französischen Schweinefleischexporte um zehn Prozent erwartet. Profitieren von den Zusatzzöllen auf die europäischen Produkte könnte Südamerika, sollte China alternative Zulieferer außerhalb der EU suchen.
Die staatliche Zeitung “Global Times” hatte in Berichten bereits mehrere Insider und Experten ankündigen lassen, dass die europäische Agrar- und Luftfahrtindustrie im Fokus der chinesischen Untersuchungen stehen könnten. Neben der Fleischimporte könnten auch noch Milchprodukte ins Visier geraten, ebenso Fahrzeuge mit größeren Verbrennermotoren. China hatte bereits im Januar eine Anti-Dumping-Untersuchung bei Weinbrand eingeleitet. Diese galt als klares Signal an Frankreich, das sich auf EU-Ebene besonders für die Auto-Zölle starkgemacht hatte. Die Untersuchung läuft noch.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) reist Ende dieser Woche für einen mehrtägigen Besuch nach China. Beim Thema Handelsstreitigkeiten mit Peking verwies sein Ministerium auf die Zuständigkeit der EU-Kommission. Allerdings werde Habeck “natürlich (…) gar nicht umhinkommen, auch auf dieses Thema einzugehen”, sagte sein Sprecher. Die Bundesregierung hoffe darauf, dass beim Thema Auto-Zölle noch “Lösungen” gefunden werden können.
Eigentlich hätte das Kinder-Lebensmittel-Werbegesetz (KLWG) von Bundesernährungsminister Cem Özdemir noch vor der Sommerpause im Bundeskabinett beraten werden sollen. Nun ist es jedoch erneut von der Agenda gestrichen worden, die Beratungen des Gesetzes für den morgigen Mittwoch vorgesehen hatte. Es gebe noch keine Einigung, bestätigte ein Sprecher des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) auf Anfrage von Table.Briefings. Das Gesetz befinde sich weiterhin in der internen Ressortabstimmung.
Dass sich so wenig bewegt beim KLWG, liegt offenbar auch daran, dass nicht nur die Koalitionspartner, sondern auch die Länder Einwände gegen den Entwurf aus dem BMEL haben. Aus gut informierten Kreisen ist zu vernehmen, dass sich vor allem Rheinland-Pfalz querstellt. Vertreter aus dem Bundesland, das traditionell den Vorsitz der Rundfunkkommission der Länder innehat, hatten Özdemir schon in der Vergangenheit die Gesetzgebungskompetenz bei der Werbe- und Medienregulierung abgesprochen. Daran hat sich nichts geändert.
Auf Anfrage von Table.Briefings heißt es aus der Vertretung des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund: Der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) und der Medienstaatsvertrag (MStV) enthielten bereits mehrere Regelungen zur Begrenzung von Werbung zum Schutz von Kindern und Jugendlichen. Die Länder hätten diese Regelungen im Rahmen ihrer Zuständigkeit für Medienregulierung getroffen. “Mit den bekannt gewordenen Vorschriften des KLWG würde die Bundesregierung in diese Regelungskompetenz der Länder eingreifen“, kritisiert eine Sprecherin der Landesvertretung Rheinland-Pfalz beim Bund.
Heißt: Länder wie Rheinland-Pfalz fühlen sich vom BMEL-Entwurf noch immer übergangen. Es fehle die Initiative des Bundes, die Länder anzuhören, heißt es weiter aus der Landesvertretung Rheinland-Pfalz. Dabei gilt ein Scheitern des Gesetzes später im Gesetzgebungsprozess ohne die Zustimmung der Länder als wahrscheinlich. Schließlich muss auch der Bundesrat über das KLWG entscheiden. Spätestens dort hätten die Länder also die Möglichkeit, das Gesetz auszubremsen.
Gegenwind hatte Bundesernährungsminister Özdemir mit seinem Entwurf zuletzt auch von den eigenen Koalitionspartnern bekommen. Die FDP lehnte den letzten Referentenentwurf ab. Sie kritisierte, dass er ein pauschales TV-Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel zu den Hauptsendezeiten beinhalte und nicht den Abmachungen im Koalitionsvertrag entspreche. Ähnliche Kritik gab es auch aus der SPD-Bundestagsfraktion. Özdemirs Referentenentwurf sei “nicht brauchbar”, hatte es die für Ernährungspolitik zuständige SPD-Abgeordnete Rita Hagl-Kehl Anfang März zugespitzt. heu
Am Montag haben die Mitgliedsstaaten im EU-Umweltrat mit einer qualifizierten Mehrheit für das Renaturierungsgesetz gestimmt. Möglich gemacht hat dies ein Alleingang der österreichischen Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne), die trotz Protesten ihres Regierungspartners, der konservativen ÖVP, dem Gesetz zustimmte. Während in Österreich die Koalition bröckelt, ist nach zwei Jahren und 136 Änderungen im Gesetzestext der Weg frei, um bis 2030 mindestens 30 Prozent der Landflächen in der EU zu renaturieren.
Gewessler begründete ihre Haltung auch mit den Gefahren durch Hochwasser, die im Klimawandel zunehmen: “Wenn es regnet, versickert im Asphalt kein Wasser.” Als Reaktion auf ihren Alleingang reichte die ÖVP am Montag gegen Gewessler eine Strafanzeige wegen Amtsmissbrauchs ein. Auch eine Nichtigkeitsklage beim EuGH soll eingebracht werden. Dass das Vorgehen von Gewessler rechtswidrig sei, bescheinigt unter anderem ein Rechtsgutachten im Auftrag des ÖVP-geführten Landwirtschaftsministeriums. Auch der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts komme zu diesem Schluss, sagte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) in einer Pressekonferenz am Montagabend. Die Koalition wolle er aber fortsetzen, damit das Land “nicht im Chaos” versinke.
All das sei “juristisches Neuland”, sagte Walter Obwexer, Experte für Europäisches Verfassungsrecht an der Universität Innsbruck, zur Austria Presse Agentur (APA). Die Chancen stünden “nicht schlecht”, dass der Ratsbeschluss vom EuGH wegen Formmängel aufgehoben werde. Mit einer Entscheidung sei in rund eineinhalb Jahren zu rechnen. Obwexer geht aber davon aus, dass der Beschluss im Amtstext veröffentlicht werde und damit die Vorgaben – zumindest vorerst – in Kraft treten werden.
Verfassungsjurist Peter Bußjäger, ebenfalls von der Universität Innsbruck, sprach gegenüber der APA von einer komplexen rechtlichen Lage. Er hält weder die angedrohte Nichtigkeitsklage noch die Zustimmung von Gewessler für schlüssig. Gewessler stützt sich wiederum auf vier Rechtsgutachten und Gespräche mit mehreren Juristen, darunter mit Daniel Ennöckl von der BOKU Universität in Wien, der ihr Vorgehen rechtlich abgesichert sieht. Die Grünen sehen möglichen rechtlichen Schritten gelassen entgegen. Auch der EU-Ratsvorsitz sieht Gewesslers Ja als zulässig.
In einer ersten Reaktion sprach die Verhandlungsführerin der Grünen-Fraktion im Europaparlament, die deutsche Abgeordnete Jutta Paulus, von einem Erfolg im Kampf gegen das Artensterben und die Folgen der Klimakrise. Auch Umweltverbände wie Greenpeace und WWF begrüßten das Gesetz. Zuvor hatten sich bereits Tausende Wissenschaftler in einem Offenen Brief dafür ausgesprochen.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke sprach von einer “ausgewogene Balance aller Interessen”. Die Bundesregierung hatte sich im März nach Protesten der FDP auf eine Zustimmung geeinigt, aber auf eine Entlastung von Landwirten gedrängt. Gegenstimmen gab es von Finnland, Schweden, Italien, Ungarn, Polen und den Niederlanden. Auch die EVP, Teile der Rechten und der extremen Rechten sowie einige Bauernverbände kritisierten das Gesetz – teils aber mit fadenscheinigen Argumenten. Jan-Christoph Oetjen, agrarpolitischer Sprecher der FDP und Vizepräsident des EU-Parlaments, sprach von einem “Schritt rückwärts”. dpa/lb
Die EU-Umweltminister haben sich am Montag auf ihre gemeinsame Verhandlungsposition zum Bodenüberwachungsgesetz geeinigt und dabei den ursprünglichen Kommissionsvorschlag an mehreren Stellen abgeschwächt. Die Bundesregierung enthielt sich aufgrund von Bedenken, dass das Gesetz in der nun abgestimmten Version dem Ausbau der Erneuerbaren im Weg stehen und zu sehr in nationale Regeln zum Bergbau eingreifen könnte.
Änderungen sehen die Minister zum Beispiel bei folgenden Punkten vor:
Mit den Änderungen der Minister rückt der Text näher an die Position des EU-Bauernverbands Copa Cogeca. Dieser hatte den ursprünglichen Vorschlag zwar als “akzeptabel” bezeichnet, aber mehr Flexibilität bei den Kriterien zum gesunden Bodenzustand gefordert. Umweltschützer sehen die Ratsposition kritisch. Der ohnehin schon wenig ambitionierte Kommissionsvorschlag werde weiter verwässert, kritisiert Max Meister, Referent für Agrarpolitik beim Nabu.
Das Europäische Parlament hatte bereits im April seine Verhandlungsposition angenommen, in der es den Kommissionsvorschlag auf ähnliche Weise abschwächte, wie nun die Minister. Vieles deutet also darauf hin, dass sich Rat und Parlament auch in den folgenden Trilogverhandlungen untereinander auf eine solche abgeschwächte Version einigen. Laut ihrem vorläufigen Arbeitsplan setzt Ungarn die Trilogverhandlungen für seine EU-Ratspräsidentschaft für die zweite Hälfte des Jahres an. jd
Die EU-Mitgliedstaaten haben am Montag im Umweltrat ihr Verhandlungsmandat für die Überarbeitung der Abfallrahmenrichtlinie angenommen. Darin stimmen sie dem Gesetzentwurf der Kommission, den diese im Juli 2023 vorgestellt hatte, in weiten Teilen zu und nehmen kleinere Änderungen vor.
Die Ziele für die Reduzierung von Lebensmittelabfällen bis 2030 bestätigt der Rat: zehn Prozent in der Verarbeitung und Herstellung und 30 Prozent pro Kopf im Einzelhandel, in Restaurants, in der Gastronomie und in Haushalten. Das Parlament fordert hier jedoch eine Erhöhung auf 20 Prozent beziehungsweise 40 Prozent. Die Mitgliedstaaten wollen zudem die Möglichkeit aufnehmen, bis Ende 2027 Ziele für essbare Lebensmittel festzulegen.
Der Rat spricht sich für einen flexibleren Umgang mit der Berechnung der Abfallmengen aus: Die Ziele werden im Vergleich zu der im Jahr 2020 erzeugten Menge berechnet, da in jenem Jahr zum ersten Mal nach einer harmonisierten Methode Daten über Lebensmittelabfälle erhoben wurden. Laut Ausrichtung des Rats sollen die Mitgliedstaaten jedoch auch die Jahre 2021, 2022 oder 2023 als Referenzjahre heranziehen können. Die Begründung: Aufgrund der COVID-19-Pandemie könnten die Daten für 2020 in einigen Fällen nicht repräsentativ sein. Außerdem sollen Schwankungen im Tourismus und im Produktionsniveau der Herstellung und Verarbeitung von Lebensmitteln berücksichtigt werden. Der Rat fordert die Kommission zudem auf, bis Ende 2027 die Ergebnisse einer Studie über Lebensmittelabfälle und -verluste in der Primärproduktion vorzulegen.
Die Umsetzungsfrist der Novelle in nationales Recht wollen die Mitgliedstaaten von 18 auf 24 Monate nach Inkrafttreten verlängern. Die Abfallrahmenrichtlinie gilt seit 2008 und legt den Umgang mit Abfällen in der EU fest, unter anderem anhand einer fünfstufigen Abfallhierarchie. In Deutschland wurde die Richtlinie 2012 durch das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) in nationales Recht umgesetzt. Mit der aktuellen Überarbeitung nimmt die Kommission die ressourcenintensiven Sektoren Lebensmittel und Textilien ins Visier.
Das EU-Parlament hatte sein Verhandlungsmandat bereits im März angenommen. Die Trilogverhandlungen zwischen Rat, Parlament und Kommission können somit nach der Sommerpause beginnen. leo
Der EU-Umweltrat hat seine allgemeine Ausrichtung zur Green-Claims-Richtlinie angenommen. Damit können die Verhandlungen mit dem EU-Parlament beginnen. Das Gesetz soll Greenwashing verhindern, indem Unternehmen bestimmte umweltbezogene Werbeaussagen ohne externe Überprüfung nicht mehr verwenden dürfen – darunter auch Aussagen wie “umweltfreundlich” oder “biologisch abbaubar”.
Dabei wollen die Umweltminister Kleinunternehmen und Landwirte besser bei der Umsetzung der neuen Regeln unterstützen. Das von der Kommission vorgeschlagene Grundprinzip der Ex-ante-Prüfung durch unabhängige Sachverständige behalten sie zwar bei, wollen aber ein vereinfachtes Verfahren einführen, um bestimmte Angaben davon auszunehmen. Kleinstunternehmen sollen zwar auch überprüft werden, aber acht Monate mehr Zeit erhalten. Zudem sieht der Text “zusätzliche Maßnahmen zur Minderung des Verwaltungsaufwands für Landwirte” vor. Das könne finanzielle Unterstützung und Schulungen beinhalten.
Der Umweltrat will Unternehmen zudem unter bestimmten Umständen weiterhin die Möglichkeit einräumen, CO₂-Kompensationen geltend zu machen. Unter anderem der EU-Bauernverband Copa Cogeca hatte das gefordert, um den Verkauf von Zertifikaten aus CO₂-Entnahmen in der Landwirtschaft weiterhin attraktiv zu halten. Die Ratseinigung begrüßte der Verband als Schritt in die richtige Richtung.
Das Parlament hatte seinen Standpunkt bereits im März angenommen. Darin sieht es vor, CO₂-Kompensationen nur in Ausnahmefällen zu erlauben, nämlich wenn ein Unternehmen seine CO₂-Emissionen bereits so weit wie möglich reduziert hat. Damit wird dieses Thema ein Knackpunkt in den anstehenden Trilogverhandlungen werden. leo/jd
Am heutigen Dienstag will Ungarn seine Prioritäten öffentlich machen für die EU-Ratspräsidentschaft, die es am 1. Juli für den Rest des Jahres übernimmt. Aus Kreisen der ungarischen Vertretung in Brüssel ist vorab zu hören, dass Budapest die Zeit bis zum Amtsantritt des neuen Kommissionskollegiums gegen Ende des Jahres im Ministerrat für grundsätzlichere Überlegungen nutzen will. So auch darüber, wie die nächste Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) aussehen könnte. Man wolle der Kommission, von der für das kommende Jahr erste Vorschläge zur GAP erwartet werden, mit eigenen Ideen zuvorkommen.
Das bestätigt ein vorläufiges Dokument zur Planung der Ratspräsidentschaft, das die Kollegen von Contexte veröffentlicht haben. Daraus geht hervor, dass der Sonderausschuss Landwirtschaft (SAL) Schlussfolgerungen zur nächsten GAP-Förderperiode, die 2027 startet, verabschieden soll.
Nicht auf eine Einigung hinarbeiten will Ungarn demnach am Verordnungsvorschlag zu Tiertransporten, obwohl auf Arbeitsebene die Gespräche unter der jetzigen belgischen Präsidentschaft schon begonnen haben. Auch im Europäischen Parlament kam die Arbeit hierzu bisher kaum voran. Die Grünen werfen dem Berichterstatter für das Dossier, Daniel Buda (EVP), vor, den Prozess absichtlich zu verzögern. Ebenfalls nicht eingeplant ist die Reform des EU-Saatgutrechts. Eigentlich ist hier der Rat am Zug – das Parlament hat seine Position schon verabschiedet.
Zu folgenden Gesetzesvorschlägen strebt Ungarn dagegen Trilogverhandlungen zwischen Rat und Parlament an:
Eine Einigung innerhalb des Ministerrats strebt Ungarn zu Folgendem an:
Deutschland beteiligt sich nicht an einer EU-Initiative zum gemeinsamen Kauf von Impfstoff gegen das Vogelgrippe-Virus. 16 Länder der EU und des Europäischen Wirtschaftsraums hatten der Europäischen Kommission den Auftrag gegeben, in ihrem Namen gesammelt Impfdosen gegen Virustyp A/H5N1 zu beschaffen. Das Bundesgesundheitsministerium verweist auf Anfrage darauf, dass die Bundesregierung bei der Impfstoffbeschaffung nur in bestimmten Krisenfällen tätig werden könne, um der EU-Kommission einen entsprechenden Auftrag zu erteilen.
Möglich sei das nur, wenn die “notwendige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln ernstlich gefährdet wäre”, teilt ein Sprecher mit – ansonsten sei es Ländersache, Impfstoffvorräte anzulegen. Eine solche Gefahrenlage sieht das Ministerium nicht. Schließlich schätze das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) das Risiko für eine Übertragung auf den Menschen in Europa weiter als gering ein, für beruflich exponierte Gruppen mit engem Kontakt zu infiziertem Geflügel als moderat.
Die Europäische Kommission spricht bei der Initiative zur gemeinsamen Impfstoffbeschaffung entsprechend von einer Vorsichtsmaßnahme. Der Vertrag der EU-Länder mit dem britischen Unternehmen Seqirus UK Limited umfasst zunächst 665.000 Dosen. Bis zu 40 Millionen Dosen können bei Bedarf nachbestellt werden. Die Impfungen sollen nun zunächst Risikogruppen wie Tierhaltern und Tierärzten zur Verfügung stehen. Bereits während der Corona-Pandemie hatten sich EU-Länder bei der Beschaffung von Impfstoff zusammengetan, um ihre Verhandlungsposition gegenüber den Herstellern zu stärken.
In den letzten Monaten hatten in den USA mehrere Vogelgrippe-Fälle bei Menschen für Schlagzeilen gesorgt, meist bei Personen, die Kontakt zu infizierten Rinderherden hatten. Vor kurzem wurde zudem in Mexiko der weltweit erste Todesfall durch die Variante H5N2 gemeldet. jd
Chinas Wetterbehörde warnt vor einer extremen Dürre mit negativen Auswirkungen auf die Ernte in der Provinz Henan, Chinas wichtigster Weizenanbauprovinz, berichtet die South China Morning Post. 16 von 17 Städten der Provinz sind von einer Dürre betroffen. Diese hält bereits seit zehn Tagen an und wird sich in der kommenden Woche voraussichtlich noch verstärken, denn die Temperaturen bleiben hoch.
Etwa ein Drittel von Chinas Weizenproduktion kommt aus Henan. Die lokalen Regierungen der Provinz wurden aufgefordert, Notmaßnahmen zu ergreifen. Wasser für den Dienstleistungssektor soll begrenzt werden, um eine ausreichende Bewässerung der Landwirtschaft zu gewährleisten. Auch künstlicher Regen soll bei Bedarf zum Einsatz kommen. Verfügbare Wasserquellen sollen verteilt werden, wobei Wasser für Haushalte und Trinkwasser für die Viehzucht Vorrang haben.
Das Landwirtschaftsministerium hatte am Dienstag eine Warnung vor hohen Temperaturen und Dürre für Nord- und Zentralchina herausgegeben, darunter für die Provinzen Hebei, Shanxi, Shaanxi, Henan, Shandong und Anhui. In den letzten Monaten suchte Extremwetter China vor allem in Form von Überschwemmungen heim, unter anderem in Guangdong, Jiangxi und Guangxi.
Im März noch hatte das Wetteramt beste Aussichten für die Weizenernte prognostiziert. Daraufhin stornierte das Land Bestellungen von rund 500.000 Tonnen Weizen aus den USA. jul
19.06.2024 / Berlin, Konferenzzentrum Mauerstraße 27
Deutscher Ernährungstag des BMEL Gesund und nachhaltig – Essen außer Haus und in Gemeinschaft
Das BMEL begleitet die Umsetzung der Ernährungsstrategie mit einer neuen Veranstaltungsreihe – dem Deutschen Ernährungstag – und lädt Sie zur diesjährigen Auftaktveranstaltung mit dem Themenschwerpunkt Außer-Haus- und Gemeinschaftsverpflegung ein. Es erwarten Sie lebendige Diskussionsrunden, Erfolgsgeschichten, informelle, inspirierende Gespräche sowie ein abendliches Get-together im Zentrum Berlins. INFO & ANMELDUNG
19.06.2024 15:00 – 19:30 Uhr / Berlin
Forum Wiederherstellung der Natur
Das Forum möchte die Bedeutung der Wiederherstellung von Natur vor dem Hintergrund eingegangener internationaler Verpflichtungen verdeutlichen sowie konkrete Umsetzungsbeispiele in Deutschland hervorheben. Das Ziel ist es, die Reparatur der Natur als Chance zu begreifen, um eine langfristige Perspektive für gesunde Ökosysteme und eine nachhaltige Lebensgrundlage in Deutschland zu schaffen. INFO & ANMELDUNG
19.06.2024 09.00 – 17.00 Uhr / GDI Gottlieb Duttweiler Institute, Schweiz
Tagung 4th. International Food Innovation Conference
Auf der 4. International Food Innovation Conference diskutieren wir mit Vordenker*innen, Branchen- und Ernährungs-Expert*innen über die kulturellen Hürden, die Innovationen bei der Produktion, der Zubereitung und während des Konsums überwinden müssen. Und wir identifizieren kulturelle Chancen – wenn etwa etablierte Gewohnheiten und Rituale einen nachhaltigeren Genuss ermöglichen. INFO & ANMELDUNG
22.06.2024 09.00 – 15.00 Uhr / Radisson Blu Park Hotel & Conference Center, Dresden
Konferenz 1 Tag, 10 Start-ups, 200 Landwirt*innen: UnternehmerInnenForum “Startup meets Landwirtschaft”
Der Tag ist dem Thema Innovationen in der Landwirtschaft gewidmet. Insgesamt 10 landwirtschaftliche Startups werden ihre Ideen pitchen. Natürlich wird auch das Thema Unternehmertum im Mittelpunkt stehen, zudemwird Einblick in die Welt der künstlichen Intelligenz gegeben und deren Bedeutung für die Landwirtschaft thematisiert. ANMELDUNG
24.06.2024 / Brüssel
Europäischer Rat Landwirtschaft und Fischerei
Über die Zukunft der Landwirtschaft. Vorschläge für Verordnungen zu: Pflanzenvermehrungsmaterial, Forstvermehrungsmaterial, Forstüberwachungsrahmen, zum Schutz von Tieren während des Transports. INFO
10.07.2024 / Grub, Bayern
Seminar 1. Süddeutsches Agri-PV-Forum
Das 1. Süddeutsche Agri-PV-Forum 2024 findet als Kooperationsveranstaltung von LandSchafftEnergie+ am Technologie- und Förderzentrum und den Bayerischen Staatsgütern am Standort Grub statt. Informieren, vernetzen, besichtigen – bei der Veranstaltung in Grub werden aktuelle Entwicklungen, rechtliche Aspekte und Praxisbeispiele im Bereich Agri-Photovoltaik (Agri-PV) vorgestellt. Anmeldung bis 03.07.2024 INFO & ANMELDUNG
AGRA-Europe: Glyphosat: Auflagen werden nicht gelockert
Der Bundesrat hat der weiteren Zulassung von Glyphosat ohne Lockerung bestehender Auflagen zugestimmt. Die bislang geltende Befristung der Glyphosat-Zulassung wird aufgehoben. Anwendungsverbote in Wasser- und Naturschutzgebieten bleiben bestehen. Die FDP und der Industrieverband Agrar begrüßten den Schritt, er schaffe Rechtsklarheit und Planungssicherheit für die Landwirtschaft. Der Deutsche Bauernverband kritisierte die Entscheidung gegen eine Aufhebung des Glyphosat-Verbots in Wasserschutzgebieten. Vizepräsident Hennies sieht darin einen Wettbewerbsnachteil für deutsche Landwirte auf dem europäischen Markt. Die neue Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung tritt am 1. Juli 2024 in Kraft. Zum Artikel
Lebensmittelzeitung: Bundeskabinett billigt Ernährungsbericht
Die Bundesregierung hat den von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir vorgelegten Bericht “Gesunde, nachhaltige und sichere Ernährung – Bericht der Bundesregierung zur Ernährungspolitik, Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit” beschlossen. Der Bericht zieht eine Bilanz zur Ernährungspolitik der letzten vier Jahre und setzt Ziele, um das Ernährungsverhalten der Bevölkerung zu verbessern – etwa mittels einer verständlicheren Kennzeichnung von Lebensmitteln und der Erweiterung internationaler Lebensmittelstandards. Zudem wird die Bedeutung einer pflanzenbetonten Ernährung mit “nachhaltig und ökologisch erzeugten, saisonalen” Produkten in regionalen Kreisläufen hervorgehoben, ebenso wie die Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln. Zum Artikel
Euractiv: EU-Staaten befürworten Verbot von Bisphenol A in Lebensmittelverpackungen
Die EU-Mitgliedstaaten haben ein Verbot von Bisphenol A (BPA) in Lebensmittel- und Getränkeverpackungen gebilligt. Damit sollen die Verbrauchergesundheit geschützt und “höchste Lebensmittelsicherheitsstandards” gewährleistet werden. Die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA hatte BPA als potenziell schädlich für das Immunsystem eingestuft. Das BPA-Verbot umfasst Materialien, die mit Lebensmitteln in Kontakt kommen, etwa die Beschichtung von Metalldosen, oder Konsumgüter wie Küchenutensilien, Geschirr, Plastikgetränkeflaschen und Wasserspender. Das Verbot wird nach einer Prüfungsphase durch das Europäische Parlament und den Rat Ende 2024 in Kraft treten, mit einer Übergangsfrist von 18 bis 36 Monaten. Zum Artikel
topagrar: Verbände senden Beschwerdebrief wegen “Zukunftsprogramm” Pflanzenschutz
30 Verbände der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft fordern das BMEL auf, seinen Vorschlag für ein “Zukunftsprogramm” Pflanzenschutz zurückzuziehen, da dieser einseitig auf die Reduzierung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes fokussiert sei und wichtige Themen wie die Lebens- und Futtermittelversorgung vernachlässige. Die Verbände, darunter der DBV, kritisieren, dass der Vorschlag technologische Innovationen und Fortschritte ignoriere und dadurch Produktionsverlagerungen ins Ausland begünstige. Das BMEL weist die Kritik zurück und betont, Grundlage für das Programm seien wissenschaftliche Erkenntnisse, Erfahrung aus der landwirtschaftlichen Praxis und vor allem der Konsens der Zukunftskommission Landwirtschaft. Diese hatte empfohlen, die Auswirkungen von Pflanzenschutzmaßnahmen auf Umwelt, Artenvielfalt und die Gesundheit so gering wie möglich zu halten und stabile Agrarökosysteme im Sinne des integrierten Pflanzenschutzes zu schaffen. Zum Artikel
Wer die Arbeit der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch verfolgt, kommt in Deutschland an Chris Methmann nicht vorbei. Seit November 2021 ist der 43-Jährige hierzulande Geschäftsführer der Organisation, die sich mit Büros in vier weiteren Ländern als “enges europäisches Netzwerk” begreift. Gerade weil die Lebensmittelindustrie so europäisch sei, bestehe ein Großteil seiner Arbeit darin, mit den Kolleginnen gemeinsam Strategien zu entwickeln, um “Foodwatch schlagkräftig zu machen und die richtigen Themen anzupacken”, erläutert Methmann.
Doch die für Foodwatch wichtigen Themen anzupacken, ist oft kein einfaches Unterfangen. Bei Lebensmittelbetrug oder Lebensmittelkontrollen stehe Foodwatch häufig “allein auf weiter Flur”, lässt Methmann wissen und kritisiert, dass Foodwatch in Deutschland von politischer Seite nicht häufiger angehört wird. Den direkten Vergleich habe er mit Frankreich und den Niederlanden. “Die Kollegen dort stoßen auf offenere Ohren in den Ministerien.”
Die Herausforderungen politischer Arbeit in Deutschland kennt Methmann jedoch nicht erst seit seiner Foodwatch-Zeit. Bereits im Studium engagierte sich der gebürtige Flensburger politisch. Über persönliche Kontakte kam er zum globalisierungskritischen Netzwerk Attac. Nach seiner Promotion in internationaler Klimapolitik und einem weiteren Abstecher in die Wissenschaft trat er eine Stelle bei der progressiven Bürgerbewegung Campact an, wo er zu Klima- und Agrarpolitik arbeitete. Im Anschluss daran fand er den Weg zu Foodwatch.
“Das waren letztlich ähnliche Themen, weil Globalisierung häufig auch dazu beiträgt, dass Verantwortlichkeiten nicht so richtig klar sind“, stellt Methmann den roten Faden seiner politischen Arbeit heraus. Insbesondere Konzerne würden sich gerne hinter globalen Lieferketten verstecken. “Diese Tricks der Lebensmittelindustrie aufzudecken, ist klassische Foodwatch-Arbeit”, macht Methmann deutlich. Es gehe darum, die Verantwortlichen verantwortlich zu machen.
Verantwortlich gemacht hat Methmann mit seinem Team in den vergangenen 2,5 Jahren sodann auch immer wieder Akteure in allen Bereichen der Wertschöpfungskette – “von Lebensmittelkontrollen in Restaurants in Berlin, über Lebensmittelskandale, Betrug mit Lebensmitteln, gesunde Ernährungsumgebung”. Gereizt habe ihn das Themengebiet der Ernährung, weil es für alle Menschen relevant sei. “Dadurch ist es einfach, den Leuten zu erklären, warum sie das was angeht”, glaubt Methmann.
Dennoch beobachtet der Geschäftsführer Akzentverschiebungen im Themenfeld der Organisation. “Früher waren die Foodwatch-Themen ehrliches und gesundes Essen, jetzt ist das Thema zukunftsfähiges Essen dazugekommen“, erzählt er. Weil sich Krisen wie der Klimawandel so dramatisch zuspitzten, komme man daran nicht vorbei. Gleichzeitig seien beispielsweise Veganismus und Klimazertifizierung Trends, die auch die Lebensmittelindustrie aufgreife. “Da wird es dann auf einmal wieder klassische Foodwatch-Arbeit, die Tricks der Industrie aufzudecken“, so Methmann.
Stichwort Zertifizierung: Klagen, wie zuletzt gegen Edeka, erhebe Foodwatch, “weil wir sehen, dass behördenseitig bestimmte Irreführungstatbestände nicht verfolgt werden“, sagt Methmann. Die NGO verstehe es dennoch nicht als ihre Aufgabe, durch den gesamten Markt Rechtsdurchsetzung sicherzustellen. Vielmehr seien solche Klagen “ein Signal an den Markt”, macht Methmann deutlich. Im Fall der Edeka-Klage seien dem zwei Jahre Recherchearbeit vorausgegangen.
Wie lange bestimmte Themen die Arbeit von Foodwatch begleiten, zeigt Methmann auch mit Blick auf die Kinderlebensmittelwerbung. Foodwatch arbeite seit zehn Jahren hieran: “Wir haben das mit zu einem Thema gemacht.” Seit über einem Jahr hänge das Kinderlebensmittelwerbegesetz (KLWG) nun politisch in der Luft. “Wir legen mit immer neuen Aktionen nach, aber es bewegt sich einfach nichts“, moniert Methmann. Dabei könne – das belege auch die Forschung – Kindermarketing ein wichtiger Hebel sein, um in puncto gesundes Essen wirklich etwas zu verändern, ebenso wie eine Steuer auf Softdrinks.
“Die Limosteuer haben wir in Vorbereitung”, lässt Methmann wissen. In den letzten Koalitionsvertrag habe sie es fast geschafft. “Wir wollen nun erreichen, dass sie in den nächsten kommt.” Vorbild sei hier die britische Zuckersteuer. Die habe nicht dazu geführt, dass Limos teurer werden, sondern dass Hersteller einen Anreiz haben, den Zuckergehalt zu reduzieren, erläutert der Foodwatch-Geschäftsführer. In Großbritannien habe die Fanta heute aufgrund der Besteuerung halb so viel Zucker wie in Deutschland. Dass es in Deutschland keine vergleichbare Steuer gibt, führt Methmann auch zurück auf eine “andere politische Kultur und Lobby, die sagt, das ist Privatsache”.
Das wiederum wirke sich auf alle Bereiche aus, glaubt Methmann. Auch auf das vom Bürgerrat Ernährung geforderte Verkaufsverbot von Energy-Drinks an Minderjährige. “Dass die Ampel das umsetzt, halte ich für ausgeschlossen”, sagt Methmann. Er bedaure das, weil es eine einfache Maßnahme sei, die nichts koste, aber viel bringe. “Wir halten das für nicht hinnehmbar. Deshalb gehen wir auf die Supermarktketten wie Lidl zu und fordern sie auf, das zu regeln.” Eins steht für den Foodwatch-Geschäftsführer fest. “Es geht auf deutscher Ebene mehr, als gemacht wird.” Merle Heusmann
Reality-Shows hätten mit dem echten Leben nichts zu tun, heißt es oft. Doch in den Niederlanden hat nun ein solches Format handfeste politische Folgen: Das frisch nominierte neue Regierungskabinett sähe aller Wahrscheinlichkeit nach anders aus, gäbe es nicht die Sendung “Bauer sucht Frau“, besser gesagt “Boer zoekt Vrouw.”
Denn die designierte neue Agrarministerin, Femke Wiersma von der Bauernpartei BBB, hatte ursprünglich nichts mit Landwirtschaft am Hut – bis sie 2010 an dem TV-Format teilnahm, dort ihren Herzensbauern fand und schließlich heiratete. Die Liebe hat nicht gehalten – 2019 folgte die Scheidung -, die Verbindung zur Landwirtschaft dagegen schon.
Ende Juni soll Wiersma vereidigt werden. Gut gebrauchen kann sie dann ihre Erfahrung darin, dafür zu sorgen, dass die Chemie stimmt. Das tut sie derzeit in vielen niederländischen Gewässern nämlich nicht: Der Stickstoffgehalt ist zu hoch, das Land muss die Nitrat-Emissionen aus der Tierhaltung deutlich senken, um nicht länger EU-Recht zu brechen. Die schlechte Nachricht: Die Pläne der BBB hierzu halten Experten für nicht zielführend. Da hilft auch keine TV-Romantik. Julia Dahm