mit der Umsetzung des Agrarorganisationen-und-Lieferketten-Gesetz (AgrarOLkG) verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, gerechte Beziehungen zwischen den Marktteilnehmenden entlang der Wertschöpfungskette Lebensmittel zu fördern. Lieferanten des Lebensmitteleinzelhandels sind durch das Gesetz gegen unfaire Handelspraktiken (AgrarOLkG) noch nicht ausreichend vor der Übermacht der Supermarktketten geschützt. Das zeigt der Evaluierungsbericht des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL).
Aktuell verhandelt der Bundestag deswegen einen Entschließungsantrag, um das Gesetz in einigen Punkten zu ändern. Die Fraktionen diskutieren intern beispielsweise über die Umsatzschwellen, die definieren, welche Unternehmen schützenswert im Sinne des Gesetzes sind. Zur Debatte steht, ob die befristete Ausnahmeregelung, Unternehmen bis zu einem Umsatz von 4 Mrd. Euro zu schützen, über 2025 hinaus fortgeführt wird. Umstritten ist darüber hinaus ein Verbot des Einkaufs unterhalb der Produktionskosten. Das BMEL hat Bedenken. Es zeige sich nämlich, dass ein solches Verbot mit erheblichen rechtlichen und praktischen Schwierigkeiten verbunden sei.
Reinhild Benning von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) will die Landwirtschaft mit solch einem Verbot stärken. In Spanien zum Beispiel, ist es bereits Pflicht, dass der Einkaufspreis die Produktionskosten deckt. Die DUH kritisiert die Regelungen des AgrarOLkG als “unverhältnismäßig supermarktfreundlich”. Bauernhöfe würden nicht ausreichend gestärkt, obwohl das der Anspruch des Gesetzes sei, stellt die DUH dazu fest.
Vermutlich läuft es aber eher darauf hinaus, dass die schwarze Liste im Gesetz gestärkt wird. Folglich würden künftig weitere, bislang gängige Handelspraktiken der Supermarktketten unter Strafe gestellt. Außerdem geht es in den internen Verhandlungen im Bundestag darum, Schlupflöcher im Gesetz zu schließen, die dem Lebensmitteleinzelhandel aktuell noch ermöglichen, Verbote zu umgehen. Auch die Einrichtung einer unabhängigen Ombudsstelle, bei der Betroffene sich über unfaire Praktiken beschweren können, ist Thema. Zwar ist diese bereits im Gesetz verankert, aber noch nicht in die Tat umgesetzt.
Gemeinsam mit BMEL-Staatssekretärin Silvia Bender, SPD-MdB Franziska Kersten, Reinhild Benning, Deutsche Umwelthilfe, und Elmar Hannen, Vorstand European Milkboard, diskutiere ich in einem digitalen Table.Talk am heutigen Freitagmittag im Zeitraum von 12 bis 13 Uhr (Anmeldung) über die Pläne des Gesetzgebers.
Landwirtschaftliche Betriebe, Erzeugergemeinschaften und andere kleine bis mittelgroße Unternehmen vor unfairen Handelspraktiken durch überlegene Marktpartner schützen: Das ist das Ziel der EU-Richtlinie gegen unlautere Handelspraktiken, kurz UTP-Richtlinie. Sie soll das Ungleichgewicht in der Wertschöpfungskette ausgleichen, in der kleinere Lieferanten vielfach der hochkonzentrierten und mächtigen Stufe des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) gegenüberstehen. Die deutsche Umsetzung des EU-Regelwerks, das Agrarorganisationen-und-Lieferketten-Gesetz (AgrarOLkG), ist im Juni 2021 in Kraft getreten.
Zwei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes sollte dessen Wirksamkeit überprüft werden. Hierzu stellte das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) kürzlich einen Evaluierungsbericht im Bundestag vor. Mitgewirkt an dem Papier haben die Bundesministerien für Wirtschaft und Klimaschutz sowie für Entwicklung und Zusammenarbeit. Außerdem wurden Erkenntnisse der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) als Durchsetzungsbehörde für das AgrarOLkG in den Bericht miteinbezogen. Für den Evaluierungsbericht wurden Lieferanten und Käufer in der Wertschöpfungskette Landwirtschaft und Ernährung befragt. Insgesamt beteiligten sich 379 Lieferanten und 83 Käufer an der Evaluierung.
Das AgrarOLkG legt zum einen harte Verbote für Zahlungsfristen fest. Für verderbliche Agrarerzeugnisse und Lebensmitteln gelten 30 Tage, für nicht-verderbliche Produkte 60 Tage. Zudem dürfen Käufer Waren nicht ohne Zahlung des Kaufpreises retournieren sowie Vertragsbedingungen einseitig ändern. Daneben gibt es Praktiken, die nur bei “klarer und eindeutiger” Vereinbarung zwischen beiden Parteien zulässig sind. Dazu zählen etwa Listungsgebühren bei Einführung neuer Produkte im LEH. Geschützt durch das AgrarOLkG sind Lieferanten bis zu einem Jahresumsatz von 350 Millionen Euro – wer mehr Umsatz macht, bleibt außen vor. Zwar legt das Regelwerk hierzulande die EU-Richtlinie strenger aus und schützt Verkäufer von Frischwaren wie Milch, Fleisch, Obst und Gemüse bis zu einem Jahresumsatz in Deutschland von 4 Milliarden Euro – doch diese Ausnahmeregelung ist bis Mai 2025 befristet.
Der jetzt vorgelegte Bericht dokumentiert zwar eine gewisse Wirksamkeit des Gesetzes. So geben 26 Prozent der Lieferanten sowie 44 Prozent der Käufer in der Befragung an, dass es in den Jahren 2021 und 2022 aufgrund des AgrarOLkG zu Vertragsanpassungen gekommen sei. Im Vergleich der drei Jahre vor Inkrafttreten des Gesetzes, also 2018 bis 2020, zu heute zeige sich entsprechend eine Abnahme der Anwendung von klar verbotenen Handelspraktiken, heißt es weiter in dem Papier. Vor allem bei verspäteten Kaufpreiszahlungen gäbe es nach Dafürhalten des BMEL Besserung für kleinere Betriebe: Während 50 Prozent der Lieferanten in den drei Jahren vor Inkrafttreten des Gesetzes durch verspätete Zahlungen belastet waren, seien es aktuell noch 31 Prozent. Allerdings, so lässt sich dem Evaluierungsbericht weiter entnehmen, seien 76 Prozent der befragten Lieferanten weiterhin verbotenen Handelspraktiken ausgesetzt – und die Verbesserungen durch das AgrarOLkG würden “teilweise gering” ausfallen.
In der Tat zeigt sich bei einigen der unfairen Handelspraktiken, denen das Regelwerk eigentlich einen Riegel vorschieben sollte, keine allzu deutliche Veränderung seit dessen Inkrafttreten: Waren in den drei Jahren vor Bestehen des AgrarOLkG 40 Prozent der befragten Lieferanten von einseitigen Änderungen der Vertragsbedingungen durch den Käufer betroffen, gilt dies heute weiterhin für 32 Prozent der Befragten. Auch geben 15 Prozent der Befragungsteilnehmer an, dass Käufer Bestellungen von verderblicher Ware weiterhin kurzfristig stornieren würden – gegenüber den drei Jahren vor Inkrafttreten des AgrarOLkG lediglich eine Besserung um vier Prozent.
Ganze 50 Prozent der befragten Lieferanten hält die Verbote im AgrarOLkG für unzureichend, während 48 Prozent der Käufer sie als zu weitgehend einschätzen. Unter Praktiken, die zwar von Lieferanten als unfair betrachtet werden, aber nicht durch das AgrarOLkG geregelt sind, fallen etwa Vertragsstrafen in Kombination mit schwer einzuhaltenden Vertragsverpflichtungen. Entsprechende Konstellationen berichteten Marktteilnehmer an die BLE, die für die Durchsetzung des Regelwerks zuständig ist.
Im Evaluierungsbericht ist in dem Zusammenhang der Fall eines Lieferanten dargestellt, der verderbliche verarbeitete Lebensmittel an einen Geschäftspartner verkauft. Dieser Händler wiederum vertreibt die Erzeugnisse unter seiner Eigenmarke. Der Käufer verpflichtet den Lieferanten zu mengenmäßig unbegrenzten Lieferungen auf Abruf, ohne seinerseits die Abnahme von Mindestmengen zuzusichern. Zudem soll der Verkäufer in einem sehr kurzen Zeitfenster von 48 Stunden die bestellte Ware liefern. Der Käufer drohte dem Lieferanten Vertragsstrafen an, sollte dieser den Bedingungen nicht nachkommen können.
Zwar sind die geschilderten Vertragsvorgaben für den Lieferanten in mehrfacher Hinsicht riskant. Im Beispielsfall kann der Käufer die Menge der benötigten Ware kurzfristig bekanntgeben. Der Verkäufer wiederum muss sehr schnell liefern, um einer Vertragsstrafe zu entgehen. Dadurch sieht sich der Lieferant gezwungen, in einem erheblich höheren Umfang als schließlich vom Käufer bestellt zu produzieren, heißt es dazu im Evaluierungsbericht. Doch solche Praktiken sind gegenwärtig nicht durch das AgrarOLkG geregelt. Während Lebensmittelproduzenten entsprechend schwierige Lieferbedingungen in Kombination mit Vertragsstrafen wiederholt kritisiert haben, haben sich Interessenvertreter des LEH stets darauf zurückgezogen, dass Vertragsstrafen ein probates Mittel für die Käufer seien, Vertragstreue durch die Geschäftspartner zu garantieren.
Neben solchen als unfair empfundenen Vertragsbedingungen kritisieren Beteiligte der Wertschöpfungskette die Umsatzschwellen im AgrarOLkG. Diese Grenzen, die definieren, welche Unternehmen schützenswert im Sinne des Gesetzes sind, bereiten den Marktteilnehmern in der Praxis Schwierigkeiten. So sei es für die Unternehmen teilweise schwer zu ermitteln, ob ein Lieferant mit seinem Jahresumsatz unter den Geltungsbereich des Gesetzes falle, geht aus dem Evaluierungsbericht hervor. Dies sei unter anderem der Tatsache geschuldet, dass der Geschäftspartner entsprechende Anfragen dazu nicht oder nicht ausreichend beantworte.
Einige Agrarwirtschaftsvereinigungen wie beispielsweise der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) in Berlin hatten sich bereits in der Vergangenheit wiederholt dafür ausgesprochen, die Umsatzschwellen im AgrarOLkG komplett zu streichen. Eine Forderung, die der Verband aus Anlass des Evaluierungsberichts wiederholt: Die Umsatzschwellen müssten “endlich gestrichen werden”, betont DRV-Geschäftsführerin Birgit Buth: “Fairness ist keine Frage des Umsatzes. Die Regelungen dürfen daher nicht an Umsatzgrenzen gekoppelt bleiben. Umsatzgrenzen führen zudem nur zu einem großen bürokratischen Aufwand.”
Das BMEL deutet in dieser Frage Offenheit an – zumindest teilweise: Die Ausnahmeregelung für Lieferanten von Frischwaren, die bis zu einem Jahresumsatz von 4 Milliarden Euro in Deutschland durch das AgrarOLkG geschützt sind, habe sich in der Praxis bewährt. Daher könne der Bundestag auf Grundlage des Evaluierungsberichts eine Verlängerung dieser Regelung über Mai 2025 hinaus beraten, teilt das Ministerium mit. Interessensvertretungen des LEH wie der Handelsverband Deutschland (HDE) dagegen hatten die Umsatzschwelle stets für gerechtfertigt gehalten und in dem Zusammenhang auf die Marktmacht global agierender Lebensmittelverarbeiter verwiesen.
DRV-Geschäftsführerin Buth sieht auch in weiteren Punkten Nachschärfungsbedarf. So zeige die Evaluierung zwar, dass sich die Zahlungsmoral der Käufer tendenziell verbessert habe und Zahlungsfristen häufiger als zuvor eingehalten würden: “Aber nach wie vor werden Zahlungsfristen trotzdem viel zu oft immer noch umgangen. Das Gesetz darf nicht durch kreatives Umgehen von Vorschriften verwässert werden”, unterstreicht Buth.
Kritik kommt auch aus der Reihe der NGOs: Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) etwa bewertet den Evaluierungsbericht zwar als “teils nützliche Analyse”, kritisiert die Regelungen aber als “unverhältnismäßig supermarktfreundlich”. Bauernhöfe würden durch das AgrarOLkG weiterhin nicht ausreichend gestärkt, obwohl das der Anspruch des Gesetzes sei, stellt die DUH dazu fest. Die Organisation fordert eine fünfjährige Testphase mit einem “gesetzlichen Gebot für kostendeckende Preise in der Lebensmittellieferkette, um den Kosten für steigende Nachhaltigkeitsanforderungen insbesondere auf den Bauernhöfen gerecht zu werden.” Um dieses Ziel zu erreichen, müssten Verträge verpflichtend Vereinbarungen zu Preis, Menge, Qualität, Laufzeit und ein Zahlungsziel enthalten.
Das BMEL kündigte derweil anlässlich der Vorstellung des Evaluierungsberichts an, sich nicht “auf dem Erreichten ausruhen” zu wollen. Die Evaluierungsergebnisse machten deutlich, wo noch Handlungsbedarf bestehe: So müsste künftig einer Umgehung der verbotenen Handelspraktiken besser entgegengewirkt werden. Und auch unfaire Vereinbarungen zu Vertragsstrafen würden gegenwärtig durch das AgrarOLkG nicht ausreichend adressiert, räumt das Ministerium ein.
EU-Parlament, Rat und Kommission haben sich auf das EU-Sorgfaltspflichtengesetz (CSDDD) geeinigt. Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten und 150 Millionen Euro Jahresumsatz müssen künftig Umwelt- und Menschenrechtsstandards entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette einhalten – und darüber berichten. Auch bei bis zuletzt strittige Themen stehen jetzt die Kompromisse: Der Finanzsektor wird zunächst von den Sorgfaltspflichten ausgenommen, Unternehmen müssen für die Verursachung oder Mitwirkung an negativen Auswirkungen haften. Sie müssen zudem Klimapläne entwickeln und umsetzen, um ihre Geschäftsmodelle mit dem 1,5 Grad-Ziel in Einklang zu bringen.
Auch deutsche Vorschriften dürften schärfer werden. Die CSDDD ähnelt in seiner Struktur dem deutschen Lieferkettengesetz (LkSG), geht aber deutlich darüber hinaus: Während in Deutschland etwa 3.000 Unternehmen berichten müssen, werden es nach dem CSDDD um die 15.000 sein. Außerdem konzentriert es sich nicht nur auf die direkten Lieferanten wie das LkSG, sondern umfasst sowohl die vorgelagerte Wertschöpfungskette als auch den nachgelagerten Teil (Verwendung, Verwertung, Entsorgung). Die Bundesregierung hatte bereits angekündigt, gegebenenfalls Anpassungen am deutschen Gesetz vorzunehmen.
Die Bundesvereinigung der deutschen Ernährungsindustrie (BVE) kritisiert die EU-Novelle: “Die Einigung verfehle ihr Ziel, kritisiert Stefanie Sabet, BVE-Geschäftsführerin. “Die Politik sollte den Unternehmen nicht glauben machen, dass nur große Unternehmen von dem Gesetz betroffen sind – durch den Wertschöpfungskettenansatz wird es alle Unternehmen und Sektoren betreffen”, so Sabet weiter. Ob die notwendige EU-weite Harmonisierung oder ein risikobasierter Ansatz verankert werden konnten, sei derzeit noch unklar.
Die wichtigsten Ergebnisse der Verhandlungen zur EU-Novelle:
Über die Frage, wer an der geplanten Kürzung der Diesel-Beihilfen für die Landwirtschaft schuld ist, herrscht Streit. Nachdem Cem Özdemir sich am Donnerstag überrascht über die Entscheidung zeigte und vor den Folgen warnte, ließ die FDP-Agrarpolitikerin Carina Konrad sich von top agrar zitieren, Özdemir verschweige “interessanterweise”, dass der Vorschlag für diese Kürzung “ursprünglich aus seinem eigenen Ministerium” gekommen sei. “Die Verantwortung für die Gestaltung des Haushalts liegt bei Özdemir”, so die Vize-Fraktionsvorsitzende; Christian Lindner sei nur für die finanziellen Rahmenbedingungen zuständig. Auf Nachfrage schreibt ihr Büro, zu dem Vorgang liege seit Juni “ein Dokument in Regierungskreisen” vor. Und: Es sei “kein Geheimnis”, dass ein Großteil der grünen Bundestagsfraktion die Beihilfe als “sogenannte klimaschädliche Subvention” sehe.
Das grün geführte Ministerium dementiert die Darstellung der FDP. “Das BMEL hat zu keinem Zeitpunkt einen Vorschlag eingebracht zur Streichung”, so eine Sprecherin. Zutreffend sei: Im Rahmen der kabinettsinternen Haushaltsaufstellung Mitte des Jahres habe das Finanzministerium die Agrardiesel-Beihilfe zur Kompensation von Sparvorgaben für die Haushalte ab 2025 ins Spiel gebracht. Das BMEL habe daraufhin dem BMF am 26. Juni zugesagt, eine Überarbeitung der Beihilfen zu prüfen. Dieser Weg sei politisch nicht weiterverfolgt worden, weil “die Belastungen für die Landwirtschaft vom BMEL als zu hoch angesehen wurden und die Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich gefährdet hätten”. Özdemir habe bei den internen Haushaltsberatungen nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil “ausdrücklich” vor der Kürzung der Mittel gewarnt. Am Montag wollen Landwirte vor dem Brandenburger Tor protestieren. ab
mit der Umsetzung des Agrarorganisationen-und-Lieferketten-Gesetz (AgrarOLkG) verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, gerechte Beziehungen zwischen den Marktteilnehmenden entlang der Wertschöpfungskette Lebensmittel zu fördern. Lieferanten des Lebensmitteleinzelhandels sind durch das Gesetz gegen unfaire Handelspraktiken (AgrarOLkG) noch nicht ausreichend vor der Übermacht der Supermarktketten geschützt. Das zeigt der Evaluierungsbericht des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL).
Aktuell verhandelt der Bundestag deswegen einen Entschließungsantrag, um das Gesetz in einigen Punkten zu ändern. Die Fraktionen diskutieren intern beispielsweise über die Umsatzschwellen, die definieren, welche Unternehmen schützenswert im Sinne des Gesetzes sind. Zur Debatte steht, ob die befristete Ausnahmeregelung, Unternehmen bis zu einem Umsatz von 4 Mrd. Euro zu schützen, über 2025 hinaus fortgeführt wird. Umstritten ist darüber hinaus ein Verbot des Einkaufs unterhalb der Produktionskosten. Das BMEL hat Bedenken. Es zeige sich nämlich, dass ein solches Verbot mit erheblichen rechtlichen und praktischen Schwierigkeiten verbunden sei.
Reinhild Benning von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) will die Landwirtschaft mit solch einem Verbot stärken. In Spanien zum Beispiel, ist es bereits Pflicht, dass der Einkaufspreis die Produktionskosten deckt. Die DUH kritisiert die Regelungen des AgrarOLkG als “unverhältnismäßig supermarktfreundlich”. Bauernhöfe würden nicht ausreichend gestärkt, obwohl das der Anspruch des Gesetzes sei, stellt die DUH dazu fest.
Vermutlich läuft es aber eher darauf hinaus, dass die schwarze Liste im Gesetz gestärkt wird. Folglich würden künftig weitere, bislang gängige Handelspraktiken der Supermarktketten unter Strafe gestellt. Außerdem geht es in den internen Verhandlungen im Bundestag darum, Schlupflöcher im Gesetz zu schließen, die dem Lebensmitteleinzelhandel aktuell noch ermöglichen, Verbote zu umgehen. Auch die Einrichtung einer unabhängigen Ombudsstelle, bei der Betroffene sich über unfaire Praktiken beschweren können, ist Thema. Zwar ist diese bereits im Gesetz verankert, aber noch nicht in die Tat umgesetzt.
Gemeinsam mit BMEL-Staatssekretärin Silvia Bender, SPD-MdB Franziska Kersten, Reinhild Benning, Deutsche Umwelthilfe, und Elmar Hannen, Vorstand European Milkboard, diskutiere ich in einem digitalen Table.Talk am heutigen Freitagmittag im Zeitraum von 12 bis 13 Uhr (Anmeldung) über die Pläne des Gesetzgebers.
Landwirtschaftliche Betriebe, Erzeugergemeinschaften und andere kleine bis mittelgroße Unternehmen vor unfairen Handelspraktiken durch überlegene Marktpartner schützen: Das ist das Ziel der EU-Richtlinie gegen unlautere Handelspraktiken, kurz UTP-Richtlinie. Sie soll das Ungleichgewicht in der Wertschöpfungskette ausgleichen, in der kleinere Lieferanten vielfach der hochkonzentrierten und mächtigen Stufe des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) gegenüberstehen. Die deutsche Umsetzung des EU-Regelwerks, das Agrarorganisationen-und-Lieferketten-Gesetz (AgrarOLkG), ist im Juni 2021 in Kraft getreten.
Zwei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes sollte dessen Wirksamkeit überprüft werden. Hierzu stellte das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) kürzlich einen Evaluierungsbericht im Bundestag vor. Mitgewirkt an dem Papier haben die Bundesministerien für Wirtschaft und Klimaschutz sowie für Entwicklung und Zusammenarbeit. Außerdem wurden Erkenntnisse der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) als Durchsetzungsbehörde für das AgrarOLkG in den Bericht miteinbezogen. Für den Evaluierungsbericht wurden Lieferanten und Käufer in der Wertschöpfungskette Landwirtschaft und Ernährung befragt. Insgesamt beteiligten sich 379 Lieferanten und 83 Käufer an der Evaluierung.
Das AgrarOLkG legt zum einen harte Verbote für Zahlungsfristen fest. Für verderbliche Agrarerzeugnisse und Lebensmitteln gelten 30 Tage, für nicht-verderbliche Produkte 60 Tage. Zudem dürfen Käufer Waren nicht ohne Zahlung des Kaufpreises retournieren sowie Vertragsbedingungen einseitig ändern. Daneben gibt es Praktiken, die nur bei “klarer und eindeutiger” Vereinbarung zwischen beiden Parteien zulässig sind. Dazu zählen etwa Listungsgebühren bei Einführung neuer Produkte im LEH. Geschützt durch das AgrarOLkG sind Lieferanten bis zu einem Jahresumsatz von 350 Millionen Euro – wer mehr Umsatz macht, bleibt außen vor. Zwar legt das Regelwerk hierzulande die EU-Richtlinie strenger aus und schützt Verkäufer von Frischwaren wie Milch, Fleisch, Obst und Gemüse bis zu einem Jahresumsatz in Deutschland von 4 Milliarden Euro – doch diese Ausnahmeregelung ist bis Mai 2025 befristet.
Der jetzt vorgelegte Bericht dokumentiert zwar eine gewisse Wirksamkeit des Gesetzes. So geben 26 Prozent der Lieferanten sowie 44 Prozent der Käufer in der Befragung an, dass es in den Jahren 2021 und 2022 aufgrund des AgrarOLkG zu Vertragsanpassungen gekommen sei. Im Vergleich der drei Jahre vor Inkrafttreten des Gesetzes, also 2018 bis 2020, zu heute zeige sich entsprechend eine Abnahme der Anwendung von klar verbotenen Handelspraktiken, heißt es weiter in dem Papier. Vor allem bei verspäteten Kaufpreiszahlungen gäbe es nach Dafürhalten des BMEL Besserung für kleinere Betriebe: Während 50 Prozent der Lieferanten in den drei Jahren vor Inkrafttreten des Gesetzes durch verspätete Zahlungen belastet waren, seien es aktuell noch 31 Prozent. Allerdings, so lässt sich dem Evaluierungsbericht weiter entnehmen, seien 76 Prozent der befragten Lieferanten weiterhin verbotenen Handelspraktiken ausgesetzt – und die Verbesserungen durch das AgrarOLkG würden “teilweise gering” ausfallen.
In der Tat zeigt sich bei einigen der unfairen Handelspraktiken, denen das Regelwerk eigentlich einen Riegel vorschieben sollte, keine allzu deutliche Veränderung seit dessen Inkrafttreten: Waren in den drei Jahren vor Bestehen des AgrarOLkG 40 Prozent der befragten Lieferanten von einseitigen Änderungen der Vertragsbedingungen durch den Käufer betroffen, gilt dies heute weiterhin für 32 Prozent der Befragten. Auch geben 15 Prozent der Befragungsteilnehmer an, dass Käufer Bestellungen von verderblicher Ware weiterhin kurzfristig stornieren würden – gegenüber den drei Jahren vor Inkrafttreten des AgrarOLkG lediglich eine Besserung um vier Prozent.
Ganze 50 Prozent der befragten Lieferanten hält die Verbote im AgrarOLkG für unzureichend, während 48 Prozent der Käufer sie als zu weitgehend einschätzen. Unter Praktiken, die zwar von Lieferanten als unfair betrachtet werden, aber nicht durch das AgrarOLkG geregelt sind, fallen etwa Vertragsstrafen in Kombination mit schwer einzuhaltenden Vertragsverpflichtungen. Entsprechende Konstellationen berichteten Marktteilnehmer an die BLE, die für die Durchsetzung des Regelwerks zuständig ist.
Im Evaluierungsbericht ist in dem Zusammenhang der Fall eines Lieferanten dargestellt, der verderbliche verarbeitete Lebensmittel an einen Geschäftspartner verkauft. Dieser Händler wiederum vertreibt die Erzeugnisse unter seiner Eigenmarke. Der Käufer verpflichtet den Lieferanten zu mengenmäßig unbegrenzten Lieferungen auf Abruf, ohne seinerseits die Abnahme von Mindestmengen zuzusichern. Zudem soll der Verkäufer in einem sehr kurzen Zeitfenster von 48 Stunden die bestellte Ware liefern. Der Käufer drohte dem Lieferanten Vertragsstrafen an, sollte dieser den Bedingungen nicht nachkommen können.
Zwar sind die geschilderten Vertragsvorgaben für den Lieferanten in mehrfacher Hinsicht riskant. Im Beispielsfall kann der Käufer die Menge der benötigten Ware kurzfristig bekanntgeben. Der Verkäufer wiederum muss sehr schnell liefern, um einer Vertragsstrafe zu entgehen. Dadurch sieht sich der Lieferant gezwungen, in einem erheblich höheren Umfang als schließlich vom Käufer bestellt zu produzieren, heißt es dazu im Evaluierungsbericht. Doch solche Praktiken sind gegenwärtig nicht durch das AgrarOLkG geregelt. Während Lebensmittelproduzenten entsprechend schwierige Lieferbedingungen in Kombination mit Vertragsstrafen wiederholt kritisiert haben, haben sich Interessenvertreter des LEH stets darauf zurückgezogen, dass Vertragsstrafen ein probates Mittel für die Käufer seien, Vertragstreue durch die Geschäftspartner zu garantieren.
Neben solchen als unfair empfundenen Vertragsbedingungen kritisieren Beteiligte der Wertschöpfungskette die Umsatzschwellen im AgrarOLkG. Diese Grenzen, die definieren, welche Unternehmen schützenswert im Sinne des Gesetzes sind, bereiten den Marktteilnehmern in der Praxis Schwierigkeiten. So sei es für die Unternehmen teilweise schwer zu ermitteln, ob ein Lieferant mit seinem Jahresumsatz unter den Geltungsbereich des Gesetzes falle, geht aus dem Evaluierungsbericht hervor. Dies sei unter anderem der Tatsache geschuldet, dass der Geschäftspartner entsprechende Anfragen dazu nicht oder nicht ausreichend beantworte.
Einige Agrarwirtschaftsvereinigungen wie beispielsweise der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) in Berlin hatten sich bereits in der Vergangenheit wiederholt dafür ausgesprochen, die Umsatzschwellen im AgrarOLkG komplett zu streichen. Eine Forderung, die der Verband aus Anlass des Evaluierungsberichts wiederholt: Die Umsatzschwellen müssten “endlich gestrichen werden”, betont DRV-Geschäftsführerin Birgit Buth: “Fairness ist keine Frage des Umsatzes. Die Regelungen dürfen daher nicht an Umsatzgrenzen gekoppelt bleiben. Umsatzgrenzen führen zudem nur zu einem großen bürokratischen Aufwand.”
Das BMEL deutet in dieser Frage Offenheit an – zumindest teilweise: Die Ausnahmeregelung für Lieferanten von Frischwaren, die bis zu einem Jahresumsatz von 4 Milliarden Euro in Deutschland durch das AgrarOLkG geschützt sind, habe sich in der Praxis bewährt. Daher könne der Bundestag auf Grundlage des Evaluierungsberichts eine Verlängerung dieser Regelung über Mai 2025 hinaus beraten, teilt das Ministerium mit. Interessensvertretungen des LEH wie der Handelsverband Deutschland (HDE) dagegen hatten die Umsatzschwelle stets für gerechtfertigt gehalten und in dem Zusammenhang auf die Marktmacht global agierender Lebensmittelverarbeiter verwiesen.
DRV-Geschäftsführerin Buth sieht auch in weiteren Punkten Nachschärfungsbedarf. So zeige die Evaluierung zwar, dass sich die Zahlungsmoral der Käufer tendenziell verbessert habe und Zahlungsfristen häufiger als zuvor eingehalten würden: “Aber nach wie vor werden Zahlungsfristen trotzdem viel zu oft immer noch umgangen. Das Gesetz darf nicht durch kreatives Umgehen von Vorschriften verwässert werden”, unterstreicht Buth.
Kritik kommt auch aus der Reihe der NGOs: Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) etwa bewertet den Evaluierungsbericht zwar als “teils nützliche Analyse”, kritisiert die Regelungen aber als “unverhältnismäßig supermarktfreundlich”. Bauernhöfe würden durch das AgrarOLkG weiterhin nicht ausreichend gestärkt, obwohl das der Anspruch des Gesetzes sei, stellt die DUH dazu fest. Die Organisation fordert eine fünfjährige Testphase mit einem “gesetzlichen Gebot für kostendeckende Preise in der Lebensmittellieferkette, um den Kosten für steigende Nachhaltigkeitsanforderungen insbesondere auf den Bauernhöfen gerecht zu werden.” Um dieses Ziel zu erreichen, müssten Verträge verpflichtend Vereinbarungen zu Preis, Menge, Qualität, Laufzeit und ein Zahlungsziel enthalten.
Das BMEL kündigte derweil anlässlich der Vorstellung des Evaluierungsberichts an, sich nicht “auf dem Erreichten ausruhen” zu wollen. Die Evaluierungsergebnisse machten deutlich, wo noch Handlungsbedarf bestehe: So müsste künftig einer Umgehung der verbotenen Handelspraktiken besser entgegengewirkt werden. Und auch unfaire Vereinbarungen zu Vertragsstrafen würden gegenwärtig durch das AgrarOLkG nicht ausreichend adressiert, räumt das Ministerium ein.
EU-Parlament, Rat und Kommission haben sich auf das EU-Sorgfaltspflichtengesetz (CSDDD) geeinigt. Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten und 150 Millionen Euro Jahresumsatz müssen künftig Umwelt- und Menschenrechtsstandards entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette einhalten – und darüber berichten. Auch bei bis zuletzt strittige Themen stehen jetzt die Kompromisse: Der Finanzsektor wird zunächst von den Sorgfaltspflichten ausgenommen, Unternehmen müssen für die Verursachung oder Mitwirkung an negativen Auswirkungen haften. Sie müssen zudem Klimapläne entwickeln und umsetzen, um ihre Geschäftsmodelle mit dem 1,5 Grad-Ziel in Einklang zu bringen.
Auch deutsche Vorschriften dürften schärfer werden. Die CSDDD ähnelt in seiner Struktur dem deutschen Lieferkettengesetz (LkSG), geht aber deutlich darüber hinaus: Während in Deutschland etwa 3.000 Unternehmen berichten müssen, werden es nach dem CSDDD um die 15.000 sein. Außerdem konzentriert es sich nicht nur auf die direkten Lieferanten wie das LkSG, sondern umfasst sowohl die vorgelagerte Wertschöpfungskette als auch den nachgelagerten Teil (Verwendung, Verwertung, Entsorgung). Die Bundesregierung hatte bereits angekündigt, gegebenenfalls Anpassungen am deutschen Gesetz vorzunehmen.
Die Bundesvereinigung der deutschen Ernährungsindustrie (BVE) kritisiert die EU-Novelle: “Die Einigung verfehle ihr Ziel, kritisiert Stefanie Sabet, BVE-Geschäftsführerin. “Die Politik sollte den Unternehmen nicht glauben machen, dass nur große Unternehmen von dem Gesetz betroffen sind – durch den Wertschöpfungskettenansatz wird es alle Unternehmen und Sektoren betreffen”, so Sabet weiter. Ob die notwendige EU-weite Harmonisierung oder ein risikobasierter Ansatz verankert werden konnten, sei derzeit noch unklar.
Die wichtigsten Ergebnisse der Verhandlungen zur EU-Novelle:
Über die Frage, wer an der geplanten Kürzung der Diesel-Beihilfen für die Landwirtschaft schuld ist, herrscht Streit. Nachdem Cem Özdemir sich am Donnerstag überrascht über die Entscheidung zeigte und vor den Folgen warnte, ließ die FDP-Agrarpolitikerin Carina Konrad sich von top agrar zitieren, Özdemir verschweige “interessanterweise”, dass der Vorschlag für diese Kürzung “ursprünglich aus seinem eigenen Ministerium” gekommen sei. “Die Verantwortung für die Gestaltung des Haushalts liegt bei Özdemir”, so die Vize-Fraktionsvorsitzende; Christian Lindner sei nur für die finanziellen Rahmenbedingungen zuständig. Auf Nachfrage schreibt ihr Büro, zu dem Vorgang liege seit Juni “ein Dokument in Regierungskreisen” vor. Und: Es sei “kein Geheimnis”, dass ein Großteil der grünen Bundestagsfraktion die Beihilfe als “sogenannte klimaschädliche Subvention” sehe.
Das grün geführte Ministerium dementiert die Darstellung der FDP. “Das BMEL hat zu keinem Zeitpunkt einen Vorschlag eingebracht zur Streichung”, so eine Sprecherin. Zutreffend sei: Im Rahmen der kabinettsinternen Haushaltsaufstellung Mitte des Jahres habe das Finanzministerium die Agrardiesel-Beihilfe zur Kompensation von Sparvorgaben für die Haushalte ab 2025 ins Spiel gebracht. Das BMEL habe daraufhin dem BMF am 26. Juni zugesagt, eine Überarbeitung der Beihilfen zu prüfen. Dieser Weg sei politisch nicht weiterverfolgt worden, weil “die Belastungen für die Landwirtschaft vom BMEL als zu hoch angesehen wurden und die Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich gefährdet hätten”. Özdemir habe bei den internen Haushaltsberatungen nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil “ausdrücklich” vor der Kürzung der Mittel gewarnt. Am Montag wollen Landwirte vor dem Brandenburger Tor protestieren. ab