Analyse
EUDR: Wie sich die EVP in eine Sackgasse manövrierte
Die EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) soll ein Jahr später als geplant angewandt, dabei aber nicht noch inhaltlich geändert werden. Darauf haben sich die Verhandler von EU-Parlament und Rat am Dienstagabend geeinigt. Berichterstatterin Christine Schneider (EVP) gab klein bei: Ihre Änderungsanträge haben es nicht in den finalen Text geschafft. Das Trilogergebnis bestätigt damit letztlich unverändert den Vorschlag der Kommission. Aushandeln konnte Schneider nur eine politische Erklärung der Kommission ohne gesetzlich bindende Wirkung.
Die Kommission verspricht darin, bei der Umsetzung des bestehenden Gesetzes Berichtspflichten möglichst schlank auszugestalten und die Bürokratielast zu mindern. Sie “verpflichtet sich nachdrücklich”, die Einstufung von Erzeugerländern in Risikokategorien sowie das IT-System zur Umsetzung spätestens sechs Monate vor Anwendung der Regeln verfügbar zu machen. Schneider hatte zuvor gefordert, dies bindend im Gesetz festzuschreiben. Bei der ohnehin angesetzten Überprüfung der Verordnung 2028 will die Kommission Maßnahmen für Produkte aus Ländern mit gutem Waldschutz prüfen. Schneider hatte dagegen gefordert, im Gesetz eine neue Kategorie für Erzeugerländer “ohne Entwaldungsrisiko” zu schaffen, die von vielen Regeln ausgenommen wäre.
Christdemokraten sahen EUDR als Testfall
Nachdem über eine Verschiebung der EUDR sowohl im Parlament als auch im Rat weitgehender Konsens geherrscht hatte, hatte die EVP versucht, das Gesetz im weiteren Verfahren auch inhaltlich zu ändern. Motivation dafür waren Beschwerden, gerade auch von Waldbesitzern und Agrarproduzenten aus Mitteleuropa, die über eine massive Zunahme von Dokumentationspflichten klagten.
In der EVP galt die EUDR als Testfall für gewünschte Änderungen an politisch schwerwiegenderen EU-Gesetzen, wie etwa der CO₂-Flottengesetzgebung. Es sollte geprüft werden, inwieweit Mehrheiten in Parlament und Rat zugunsten der EVP-Positionen geschaffen werden können.
Kopfschütteln bei Kommission und Rat
Im Parlament gelang mithilfe der Rechtsaußen-Fraktionen, eine knappe Mehrheit zu erreichen. Doch in den Verhandlungen mit dem Rat musste Schneider eine inhaltliche Forderung nach der anderen wieder abräumen und steht nun mit weitgehend leeren Händen da. Vor allem gegen die Idee einer neuen Null-Risiko-Kategorie hatten fast alle Mitgliedstaaten große Vorbehalte. Sie befürchteten Schlupflöcher und Verstöße gegen WTO-Regeln.
Auch in der Kommission hatte das Vorgehen der Christdemokraten Kopfschütteln ausgelöst. Die EVP sei fälschlicherweise davon ausgegangen, dass ihre Änderungswünsche im Rat unterstützt würden, heißt es dort. Als die Reaktion negativ ausfiel, seien führende EVP-Vertreter in hektische Aktivität verfallen.
Industrievertreter warnten EVP
Selbst in der Industrie kam das Manöver der EVP teils nicht gut an. Viele Verbände und Unternehmen sehen das Vorhaben zwar wegen des hohen Umsetzungsaufwandes kritisch. Sie warnten die Christdemokraten aber dennoch vor späten inhaltlichen Änderungen an dem schon beschlossenen Gesetz: Das könne nur nach hinten losgehen, wenn dadurch der sehr knappe Zeitplan für die Verschiebung in Gefahr gerate, sagte ein Industrievertreter.
Auch innerhalb der EVP war man sich zunächst uneins, ob man überhaupt Änderungsanträge über die Verschiebung hinaus einreichen wolle. Mehrere EVP-Abgeordnete hatten anfangs gegenüber Table.Briefings erklärt, nur die Verschiebung zu befürworten, da inhaltliche Änderungen zu Trilog-Verhandlungen führen und die Gefahr bestehe, dass diese nicht rechtzeitig abgeschlossen würden. Bei der Abstimmung im Parlament sprachen sich diese Abgeordneten dann aber doch für die inhaltlichen Änderungsanträge aus.
EVP will künftig taktischer vorgehen
Nach den Rückschlägen im Trilog wird in der EVP als einziger Erfolg gewertet, dass man nun etwa im Bundestagswahlkampf den Ampel-Parteien vorwerfen könne, im Rat nichts gegen zusätzliche Bürokratie unternommen zu haben. Aus der Fraktion heißt es, als Konsequenz müsse man bei künftigen gewünschten Gesetzesänderungen taktischer vorgehen.
Es reiche eben nicht, nur als EVP und über das Europaparlament zu agieren. Es gelte vielmehr, frühzeitig Verbündete auf Ebene der Mitgliedstaaten zu finden. Man müsse vorab überlegen, welche Mitgliedstaaten die EVP etwa mit Deals bei anderen Gesetzgebungsvorhaben ins eigene Lager ziehen könne.
Grüne befürchten weitere “Angriffe” auf Umweltschutz
Genau das sieht man etwa bei den Grünen mit Sorge. Die Zusammenarbeit der EVP mit rechten Fraktionen im Parlament bei der EUDR sei “nur ein Vorgeschmack auf das, was zu erwarten ist”, sagt die Grünen-Europaabgeordnete Jutta Paulus voraus: “Umwelt- und Naturschutz werden in der neuen Wahlperiode gegen solche Angriffe verteidigt werden müssen.”
Rat und Parlament müssen die Trilogeinigung jeweils noch bestätigen. Die Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten und der Umweltausschuss im Parlament sollen noch am heutigen Mittwoch abstimmen. Die Plenarabstimmung im Parlament ist für die Sitzung vom 16. bis 19. Dezember geplant. Wann und in welcher Formation der Rat das Vorhaben final absegnet, ist noch offen. Der rechtzeitigen Verabschiedung vor dem bisher angesetzten Start der Regeln am 30. Dezember steht damit aber nichts mehr im Weg. Julia Dahm, Markus Grabitz, Till Hoppe, Lukas Knigge
- Anti-Entwaldung
- Berichtspflichten
- Entwaldung
- EUDR
- EVP
- Klima & Umwelt
- Umweltpolitik
- Wald
Translation missing.
News
Staaten senken Schutzstatus des Wolfs
Auf Antrag der EU hat der Europarat den Schutzstatus des Wolfs gesenkt. Bisher war der Beutegreifer durch die Berner Konvention zum Schutz wildlebender Tier- und Pflanzenarten “streng geschützt” (Anhang zwei), künftig ist er “geschützt” (Anhang drei). Der Europarat ist neben Menschenrechten auch für die Einhaltung der Berner Konvention zuständig.
Nach der Herabstufung kann nun die EU-Kommission einen Vorschlag zur Änderung der FFH-Richtlinie machen. Bislang war nur die Entnahme von auffällig gewordenen Wölfen möglich. Künftig soll der Wolf unter strengen Bedingungen gejagt werden können. mgr
- Artenschutz
- Europäische Kommission
- Europarat
- FFH-Richtlinie
- Menschenrechte
- Wolf
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Agrifood.Table Redaktion
Analyse
EUDR: Wie sich die EVP in eine Sackgasse manövrierte
Die EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) soll ein Jahr später als geplant angewandt, dabei aber nicht noch inhaltlich geändert werden. Darauf haben sich die Verhandler von EU-Parlament und Rat am Dienstagabend geeinigt. Berichterstatterin Christine Schneider (EVP) gab klein bei: Ihre Änderungsanträge haben es nicht in den finalen Text geschafft. Das Trilogergebnis bestätigt damit letztlich unverändert den Vorschlag der Kommission. Aushandeln konnte Schneider nur eine politische Erklärung der Kommission ohne gesetzlich bindende Wirkung.
Die Kommission verspricht darin, bei der Umsetzung des bestehenden Gesetzes Berichtspflichten möglichst schlank auszugestalten und die Bürokratielast zu mindern. Sie “verpflichtet sich nachdrücklich”, die Einstufung von Erzeugerländern in Risikokategorien sowie das IT-System zur Umsetzung spätestens sechs Monate vor Anwendung der Regeln verfügbar zu machen. Schneider hatte zuvor gefordert, dies bindend im Gesetz festzuschreiben. Bei der ohnehin angesetzten Überprüfung der Verordnung 2028 will die Kommission Maßnahmen für Produkte aus Ländern mit gutem Waldschutz prüfen. Schneider hatte dagegen gefordert, im Gesetz eine neue Kategorie für Erzeugerländer “ohne Entwaldungsrisiko” zu schaffen, die von vielen Regeln ausgenommen wäre.
Christdemokraten sahen EUDR als Testfall
Nachdem über eine Verschiebung der EUDR sowohl im Parlament als auch im Rat weitgehender Konsens geherrscht hatte, hatte die EVP versucht, das Gesetz im weiteren Verfahren auch inhaltlich zu ändern. Motivation dafür waren Beschwerden, gerade auch von Waldbesitzern und Agrarproduzenten aus Mitteleuropa, die über eine massive Zunahme von Dokumentationspflichten klagten.
In der EVP galt die EUDR als Testfall für gewünschte Änderungen an politisch schwerwiegenderen EU-Gesetzen, wie etwa der CO₂-Flottengesetzgebung. Es sollte geprüft werden, inwieweit Mehrheiten in Parlament und Rat zugunsten der EVP-Positionen geschaffen werden können.
Kopfschütteln bei Kommission und Rat
Im Parlament gelang mithilfe der Rechtsaußen-Fraktionen, eine knappe Mehrheit zu erreichen. Doch in den Verhandlungen mit dem Rat musste Schneider eine inhaltliche Forderung nach der anderen wieder abräumen und steht nun mit weitgehend leeren Händen da. Vor allem gegen die Idee einer neuen Null-Risiko-Kategorie hatten fast alle Mitgliedstaaten große Vorbehalte. Sie befürchteten Schlupflöcher und Verstöße gegen WTO-Regeln.
Auch in der Kommission hatte das Vorgehen der Christdemokraten Kopfschütteln ausgelöst. Die EVP sei fälschlicherweise davon ausgegangen, dass ihre Änderungswünsche im Rat unterstützt würden, heißt es dort. Als die Reaktion negativ ausfiel, seien führende EVP-Vertreter in hektische Aktivität verfallen.
Industrievertreter warnten EVP
Selbst in der Industrie kam das Manöver der EVP teils nicht gut an. Viele Verbände und Unternehmen sehen das Vorhaben zwar wegen des hohen Umsetzungsaufwandes kritisch. Sie warnten die Christdemokraten aber dennoch vor späten inhaltlichen Änderungen an dem schon beschlossenen Gesetz: Das könne nur nach hinten losgehen, wenn dadurch der sehr knappe Zeitplan für die Verschiebung in Gefahr gerate, sagte ein Industrievertreter.
Auch innerhalb der EVP war man sich zunächst uneins, ob man überhaupt Änderungsanträge über die Verschiebung hinaus einreichen wolle. Mehrere EVP-Abgeordnete hatten anfangs gegenüber Table.Briefings erklärt, nur die Verschiebung zu befürworten, da inhaltliche Änderungen zu Trilog-Verhandlungen führen und die Gefahr bestehe, dass diese nicht rechtzeitig abgeschlossen würden. Bei der Abstimmung im Parlament sprachen sich diese Abgeordneten dann aber doch für die inhaltlichen Änderungsanträge aus.
EVP will künftig taktischer vorgehen
Nach den Rückschlägen im Trilog wird in der EVP als einziger Erfolg gewertet, dass man nun etwa im Bundestagswahlkampf den Ampel-Parteien vorwerfen könne, im Rat nichts gegen zusätzliche Bürokratie unternommen zu haben. Aus der Fraktion heißt es, als Konsequenz müsse man bei künftigen gewünschten Gesetzesänderungen taktischer vorgehen.
Es reiche eben nicht, nur als EVP und über das Europaparlament zu agieren. Es gelte vielmehr, frühzeitig Verbündete auf Ebene der Mitgliedstaaten zu finden. Man müsse vorab überlegen, welche Mitgliedstaaten die EVP etwa mit Deals bei anderen Gesetzgebungsvorhaben ins eigene Lager ziehen könne.
Grüne befürchten weitere “Angriffe” auf Umweltschutz
Genau das sieht man etwa bei den Grünen mit Sorge. Die Zusammenarbeit der EVP mit rechten Fraktionen im Parlament bei der EUDR sei “nur ein Vorgeschmack auf das, was zu erwarten ist”, sagt die Grünen-Europaabgeordnete Jutta Paulus voraus: “Umwelt- und Naturschutz werden in der neuen Wahlperiode gegen solche Angriffe verteidigt werden müssen.”
Rat und Parlament müssen die Trilogeinigung jeweils noch bestätigen. Die Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten und der Umweltausschuss im Parlament sollen noch am heutigen Mittwoch abstimmen. Die Plenarabstimmung im Parlament ist für die Sitzung vom 16. bis 19. Dezember geplant. Wann und in welcher Formation der Rat das Vorhaben final absegnet, ist noch offen. Der rechtzeitigen Verabschiedung vor dem bisher angesetzten Start der Regeln am 30. Dezember steht damit aber nichts mehr im Weg. Julia Dahm, Markus Grabitz, Till Hoppe, Lukas Knigge
- Anti-Entwaldung
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- EUDR
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- Umweltpolitik
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News
Staaten senken Schutzstatus des Wolfs
Auf Antrag der EU hat der Europarat den Schutzstatus des Wolfs gesenkt. Bisher war der Beutegreifer durch die Berner Konvention zum Schutz wildlebender Tier- und Pflanzenarten “streng geschützt” (Anhang zwei), künftig ist er “geschützt” (Anhang drei). Der Europarat ist neben Menschenrechten auch für die Einhaltung der Berner Konvention zuständig.
Nach der Herabstufung kann nun die EU-Kommission einen Vorschlag zur Änderung der FFH-Richtlinie machen. Bislang war nur die Entnahme von auffällig gewordenen Wölfen möglich. Künftig soll der Wolf unter strengen Bedingungen gejagt werden können. mgr
- Artenschutz
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- Menschenrechte
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Agrifood.Table Redaktion