Table.Briefing: Agrifood

Table.Special: Özdemir erhält zahlreiche Vorschläge zur Entbürokratisierung

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Industrieemissions-Richtlinie hat die letzte Hürde genommen. Trotz des anhaltenden Dissenses bei der Tierhaltung hat das EU-Parlament am Dienstag mit knapper Mehrheit für die EU-Richtlinie gestimmt. Mehr Schweine- und Hühnerhalter als bisher müssen künftig Regeln gegen Luft-, Wasser- und Bodenverschmutzung erfüllen.

Etwas weniger dramatisch lief die Abstimmung zur Green-Claims-Richtlinie ab. Das Parlament nahm seine Verhandlungsposition dazu an, nun sind die Mitgliedstaaten am Zug.

Heute Abend wird es in Straßburg noch einmal spannend. Dann steht die Abstimmung über den zollfreien Handel mit der Ukraine an. Der zuständige Handelsausschuss will, dass der Kommissionsvorschlag ohne Änderungen angenommen wird. Ob das Plenum das mitträgt, ist möglich, aber nicht sicher. Widerstand kommt vor allem von Abgeordneten aus den Nachbarländern der Ukraine.

Sowohl im politischen Berlin als auch in Brüssel steht die Entbürokratisierung in der Landwirtschaft weit oben auf der Agenda. Wie weit der Prozess fortgeschritten ist, lesen Sie im Briefing.

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Julia Dahm
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News

Länder machen 200 Vorschläge zum Bürokratieabbau

Am Freitag findet die Agrarministerkonferenz in Erfurt statt. Dort soll sich Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir zur Entbürokratisierung in der Landwirtschaft positionieren oder zumindest einen Zeitplan für die Umsetzung von Maßnahmen vorstellen. Rund 200 Vorschläge haben die Bundesländer auf Özdemirs Wunsch im Vorfeld eingereicht. In den nächsten Monaten sollen Rechtsvorschriften gemeinsam von Bund und Ländern novelliert werden, erwarten die Agrarministerien der Bundesländer.

Einige ihrer Vorschläge decken sich mit Empfehlungen des Agrarausschusses des Bundesrates. Dieser hatte kürzlich vorgeschlagen, beispielsweise Vorgaben bei der Düngung zu lockern:

  • Abschaffung der Stoffstrombilanzverordnung. Diese Verordnung ist mit erheblichem bürokratischen Mehraufwand für die landwirtschaftlichen Betriebe verbunden, ohne dass ein zusätzlicher Erkenntnisgewinn oder eine relevante Steuerungswirkung erkennbar wäre.
  • Vereinheitlichung der Abstandsregelungen zu Gewässern bei Ausbringung von Dünger und Pflanzenschutzmitteln im Fach- und Förderrecht. Bisher gibt es über 150 verschiedene Fallmöglichkeiten von einzuhaltenden Gewässerrandstreifen.
  • Verlängerung der Fristen zur Aufzeichnung von Düngemaßnahmen.
  • Reduzierung und Vereinheitlichung der Sperrfristen und -zeiten im Rahmen der Feldbewirtschaftung.

Weitere Vorschläge zur Entbürokratisierung, die der Agrarausschuss des Bundesrats mitträgt, umfassen die Tierhaltung, Brachen und Dauergrünland:

  • Vereinfachung der Tierkennzeichnung: Zur Förderfähigkeit von Tieren sollte es genügen, wenn lediglich eine Ohrmarke bei der Kontrolle vorzufinden ist, statt zwei.
  • Vereinheitlichung der Alters- und Größenklassen/-kategorien und der Meldetermine in der Schweinehaltung.
  • Vereinheitlichung der einschlägigen Zweckbindungsfristen für investive Maßnahmen auf fünf Jahre (bisher bis zu zwölf Jahre, nach EU-Recht nur fünf Jahre).
  • Vereinheitlichung der Vorgaben für die Mindesttätigkeit bei allen Brachflächen auf einen zweijährigen Turnus.
  • Streichung des Umwandlungsverbots von schützenswertem Dauergrünland zu Ackerland als Fördervoraussetzung in der Ökoregelung 4 der Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUKM).

Landwirte bezeichnen ihren wöchentlichen Aufwand als “zu hoch”

Etwas mehr als 80 der insgesamt 200 Vorschläge kamen aus den unionsregierten Bundesländern, davon knapp 30 aus Bayern, teilt das bayerische Landwirtschaftsministerium Table.Briefings mit. Wie sehr die Landwirte die ausufernde Bürokratie drückt, zeigt auch eine Online-Umfrage des bayerischen Landwirtschaftsministeriums im Zeitraum von Dezember bis März. Die Umfrage endete vor einer Woche mit einem Rücklauf von 20.000 Antworten. 63,3 Prozent der Landwirte bezeichneten ihren wöchentlichen Aufwand in einer ersten Blitzauswertung als “zu hoch” oder “eher zu hoch”. Die Umfrage soll von Experten noch detailliert ausgewertet werden. Im Sommer sollen Verbände an der Diskussion beteiligt werden.

Die Bundesregierung bekräftigt in einer aktuellen Antwort auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, noch vor der parlamentarischen Sommerpause Maßnahmen vorstellen zu wollen. mo

  • Agrarpolitik
  • Bürokratie
  • Cem Özdemir
  • GAP
Translation missing.

Welche GAP-Änderungen die EU-Kommission plant

Die Europäische Kommission will ihre Pläne zur Entlastung der Bauern bis Freitag konkretisieren. Inhaltlich sollen die Vorschläge, wie Table.Briefings aus gut informierten Kreisen erfuhr, folgendes umfassen:

  • Gesetzesvorschläge für Änderungen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP)
  • ein unverbindliches Papier zur Stärkung der Marktmacht der Erzeuger

Die Gesetzesvorschläge sollen über temporäre Ausnahmeregelungen hinausgehen. Geplant sei, den Rechtsakt zu ändern, der der GAP bis 2027 zugrunde liegt. Damit würden die Überlegungen von Kommission und Mitgliedstaaten festgezurrt.

GAP-Änderungen noch vor Europawahl möglich

Obwohl kaum noch Zeit bleibt, schließt die Kommission nicht aus, dass die Gesetzesänderungen noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden könnten. Überhaupt möglich wäre das aber nur, wenn die Vorschläge nicht zu lang oder komplex ausfallen und Rat und Parlament sie umgehend und ohne Änderungen annehmen.

Man verfolge bei der Ausarbeitung der Entwürfe einen “zielgerichteten Ansatz”, der es erlaube, “rasch zu handeln”, heißt es aus Kommissionskreisen. Noch keinen Zeitplan gibt es für die Stärkung der Marktmacht von Erzeugern. Eine Umfrage zur EU-Richtlinie gegen unlautere Handelspraktiken läuft noch bis April.

Lockerungen bei GLÖZ geplant

Bei der GAP sind Lockerungen mehrerer GLÖZ-Standards in Arbeit. Dazu zählen GLÖZ 6 zur Bodenbedeckung und GLÖZ 7 zur Fruchtfolge. Die Lockerungen sollen bis zum Ende der Förderperiode gelten. Mitgliedstaaten könnten Betrieben erlauben, GLÖZ-7-Anforderungen statt durch Fruchtwechsel durch Nutzpflanzenvielfalt zu erfüllen. Auch bei der Pflichtbrache (GLÖZ 8) sollen Ausnahmen bis 2027 gelten.

Für kleine Höfe soll es Entlastungen geben: Betriebe unter zehn Hektar könnten von den Konditionalitätsregeln ausgenommen werden. Außerdem sollen Mitgliedstaaten ihre GAP-Strategiepläne häufiger ändern können als bisher. Trotz der Abstriche bei Umweltregeln soll die GAP nicht hinter das Ambitionsniveau der letzten Förderperiode zurückfallen. jd

  • Bauernproteste
  • Gemeinsame Agrarpolitik

Agrifood.Table Redaktion

AGRIFOOD.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    die Industrieemissions-Richtlinie hat die letzte Hürde genommen. Trotz des anhaltenden Dissenses bei der Tierhaltung hat das EU-Parlament am Dienstag mit knapper Mehrheit für die EU-Richtlinie gestimmt. Mehr Schweine- und Hühnerhalter als bisher müssen künftig Regeln gegen Luft-, Wasser- und Bodenverschmutzung erfüllen.

    Etwas weniger dramatisch lief die Abstimmung zur Green-Claims-Richtlinie ab. Das Parlament nahm seine Verhandlungsposition dazu an, nun sind die Mitgliedstaaten am Zug.

    Heute Abend wird es in Straßburg noch einmal spannend. Dann steht die Abstimmung über den zollfreien Handel mit der Ukraine an. Der zuständige Handelsausschuss will, dass der Kommissionsvorschlag ohne Änderungen angenommen wird. Ob das Plenum das mitträgt, ist möglich, aber nicht sicher. Widerstand kommt vor allem von Abgeordneten aus den Nachbarländern der Ukraine.

    Sowohl im politischen Berlin als auch in Brüssel steht die Entbürokratisierung in der Landwirtschaft weit oben auf der Agenda. Wie weit der Prozess fortgeschritten ist, lesen Sie im Briefing.

    Ihre
    Julia Dahm
    Bild von Julia  Dahm

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    Länder machen 200 Vorschläge zum Bürokratieabbau

    Am Freitag findet die Agrarministerkonferenz in Erfurt statt. Dort soll sich Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir zur Entbürokratisierung in der Landwirtschaft positionieren oder zumindest einen Zeitplan für die Umsetzung von Maßnahmen vorstellen. Rund 200 Vorschläge haben die Bundesländer auf Özdemirs Wunsch im Vorfeld eingereicht. In den nächsten Monaten sollen Rechtsvorschriften gemeinsam von Bund und Ländern novelliert werden, erwarten die Agrarministerien der Bundesländer.

    Einige ihrer Vorschläge decken sich mit Empfehlungen des Agrarausschusses des Bundesrates. Dieser hatte kürzlich vorgeschlagen, beispielsweise Vorgaben bei der Düngung zu lockern:

    • Abschaffung der Stoffstrombilanzverordnung. Diese Verordnung ist mit erheblichem bürokratischen Mehraufwand für die landwirtschaftlichen Betriebe verbunden, ohne dass ein zusätzlicher Erkenntnisgewinn oder eine relevante Steuerungswirkung erkennbar wäre.
    • Vereinheitlichung der Abstandsregelungen zu Gewässern bei Ausbringung von Dünger und Pflanzenschutzmitteln im Fach- und Förderrecht. Bisher gibt es über 150 verschiedene Fallmöglichkeiten von einzuhaltenden Gewässerrandstreifen.
    • Verlängerung der Fristen zur Aufzeichnung von Düngemaßnahmen.
    • Reduzierung und Vereinheitlichung der Sperrfristen und -zeiten im Rahmen der Feldbewirtschaftung.

    Weitere Vorschläge zur Entbürokratisierung, die der Agrarausschuss des Bundesrats mitträgt, umfassen die Tierhaltung, Brachen und Dauergrünland:

    • Vereinfachung der Tierkennzeichnung: Zur Förderfähigkeit von Tieren sollte es genügen, wenn lediglich eine Ohrmarke bei der Kontrolle vorzufinden ist, statt zwei.
    • Vereinheitlichung der Alters- und Größenklassen/-kategorien und der Meldetermine in der Schweinehaltung.
    • Vereinheitlichung der einschlägigen Zweckbindungsfristen für investive Maßnahmen auf fünf Jahre (bisher bis zu zwölf Jahre, nach EU-Recht nur fünf Jahre).
    • Vereinheitlichung der Vorgaben für die Mindesttätigkeit bei allen Brachflächen auf einen zweijährigen Turnus.
    • Streichung des Umwandlungsverbots von schützenswertem Dauergrünland zu Ackerland als Fördervoraussetzung in der Ökoregelung 4 der Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUKM).

    Landwirte bezeichnen ihren wöchentlichen Aufwand als “zu hoch”

    Etwas mehr als 80 der insgesamt 200 Vorschläge kamen aus den unionsregierten Bundesländern, davon knapp 30 aus Bayern, teilt das bayerische Landwirtschaftsministerium Table.Briefings mit. Wie sehr die Landwirte die ausufernde Bürokratie drückt, zeigt auch eine Online-Umfrage des bayerischen Landwirtschaftsministeriums im Zeitraum von Dezember bis März. Die Umfrage endete vor einer Woche mit einem Rücklauf von 20.000 Antworten. 63,3 Prozent der Landwirte bezeichneten ihren wöchentlichen Aufwand in einer ersten Blitzauswertung als “zu hoch” oder “eher zu hoch”. Die Umfrage soll von Experten noch detailliert ausgewertet werden. Im Sommer sollen Verbände an der Diskussion beteiligt werden.

    Die Bundesregierung bekräftigt in einer aktuellen Antwort auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, noch vor der parlamentarischen Sommerpause Maßnahmen vorstellen zu wollen. mo

    • Agrarpolitik
    • Bürokratie
    • Cem Özdemir
    • GAP
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    Welche GAP-Änderungen die EU-Kommission plant

    Die Europäische Kommission will ihre Pläne zur Entlastung der Bauern bis Freitag konkretisieren. Inhaltlich sollen die Vorschläge, wie Table.Briefings aus gut informierten Kreisen erfuhr, folgendes umfassen:

    • Gesetzesvorschläge für Änderungen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP)
    • ein unverbindliches Papier zur Stärkung der Marktmacht der Erzeuger

    Die Gesetzesvorschläge sollen über temporäre Ausnahmeregelungen hinausgehen. Geplant sei, den Rechtsakt zu ändern, der der GAP bis 2027 zugrunde liegt. Damit würden die Überlegungen von Kommission und Mitgliedstaaten festgezurrt.

    GAP-Änderungen noch vor Europawahl möglich

    Obwohl kaum noch Zeit bleibt, schließt die Kommission nicht aus, dass die Gesetzesänderungen noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden könnten. Überhaupt möglich wäre das aber nur, wenn die Vorschläge nicht zu lang oder komplex ausfallen und Rat und Parlament sie umgehend und ohne Änderungen annehmen.

    Man verfolge bei der Ausarbeitung der Entwürfe einen “zielgerichteten Ansatz”, der es erlaube, “rasch zu handeln”, heißt es aus Kommissionskreisen. Noch keinen Zeitplan gibt es für die Stärkung der Marktmacht von Erzeugern. Eine Umfrage zur EU-Richtlinie gegen unlautere Handelspraktiken läuft noch bis April.

    Lockerungen bei GLÖZ geplant

    Bei der GAP sind Lockerungen mehrerer GLÖZ-Standards in Arbeit. Dazu zählen GLÖZ 6 zur Bodenbedeckung und GLÖZ 7 zur Fruchtfolge. Die Lockerungen sollen bis zum Ende der Förderperiode gelten. Mitgliedstaaten könnten Betrieben erlauben, GLÖZ-7-Anforderungen statt durch Fruchtwechsel durch Nutzpflanzenvielfalt zu erfüllen. Auch bei der Pflichtbrache (GLÖZ 8) sollen Ausnahmen bis 2027 gelten.

    Für kleine Höfe soll es Entlastungen geben: Betriebe unter zehn Hektar könnten von den Konditionalitätsregeln ausgenommen werden. Außerdem sollen Mitgliedstaaten ihre GAP-Strategiepläne häufiger ändern können als bisher. Trotz der Abstriche bei Umweltregeln soll die GAP nicht hinter das Ambitionsniveau der letzten Förderperiode zurückfallen. jd

    • Bauernproteste
    • Gemeinsame Agrarpolitik

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