aus Brüssel kommen in dieser Woche erfreuliche Nachrichten für den Agrarsektor. Landwirte, die beispielsweise durch Humusaufbau der Atmosphäre CO₂ entziehen, sollen künftig besser Geld damit verdienen können. Mein Kollege Lukas Scheid hat das Ergebnis der Trilogverhandlungen zu CO₂-Entnahmen analysiert.
Außerdem kommt Bewegung in die Pläne der EU-Kommission, Bürokratie im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik abzubauen. Meine Kollegin Julia Dahm stellt die Ideen der Brüsseler Behörde, die erst am Donnerstag öffentlich werden sollen, vor. Eigene Forderungen hat der Agrarausschuss des Europaparlaments, wie mein Kollege Markus Grabitz berichtet. Table.Media liegt ein Brief vor, den der Chef des Ausschusses, Norbert Lins (CDU), diesbezüglich an EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski geschrieben hat.
In Berlin steht die Agrarpolitik derweil ebenso wenig still. Heute treffen sich Vertreter der Ampelfraktionen mit der Zukunftskommission Landwirtschaft. Eine Rücknahme der Kürzungen von Agrardieselsubventionen ist allerdings weiterhin nicht in Sicht. Daran wird wohl auch die Blockade des Wachstumschancengesetzes im Bundesrat, über das der Vermittlungsausschuss heute diskutiert, kaum etwas ändern.
Als Reaktion auf die europaweiten Bauernproteste hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen versprochen, noch in diesem Monat kurzfristige Maßnahmen zu präsentieren, um den Verwaltungsaufwand für Landwirte im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik zu mindern. Wie das gelingen soll, erläuterte ein Vertreter der EU-Kommission zu Wochenbeginn während eines Treffens mit den EU-Mitgliedstaaten. Am Donnerstag will die Kommission ihre Vorschläge offiziell vorstellen.
Folgende Punkte schweben der Brüsseler Behörde nach Recherchen von Table.Media vor:
Zusätzlich will die EU-Kommission Vorgaben zum Erhalt von Dauergrünland lockern. Das betrifft GLÖZ 1. GLÖZ steht für Standards für den guten und ökologischen Zustand von Flächen. Seit 2023 gelten neun GLÖZ. Bislang gilt: Im Vergleich zu 2018 darf die für Dauergrünland genutzte Fläche nicht mehr als um fünf Prozent sinken. Im Fall von “außergewöhnlichen Strukturänderungen” in der Landwirtschaft will die Brüsseler Behörde erlauben, von dieser Vorgabe abzuweichen. Beispielsweise, wenn Grünland nicht mehr gewinnbringend genutzt werden kann, weil zuvor die Anzahl der Nutztiere reduziert wurde und der Futtermittelbedarf entsprechend gesunken ist.
Mehr Spielraum sollen die EU-Länder auch bekommen, wenn sich die landesweite Ackerfläche “rasch” vergrößert hat, und nur dadurch der Anteil des Dauergrünlands gesunken ist. In diesem Fall “könnte es unverhältnismäßig sein”, auf der Einhaltung des Prozentwerts zu bestehen, schreibt die Kommission. Eine Ausnahme von der Regel hatte die Kommission bereits für GLÖZ 8 umgesetzt.
Für den Bürokratieabbau sind aus Sicht der Kommission vor allem die Mitgliedstaaten im Rahmen der Umsetzung ihrer nationalen Strategiepläne verantwortlich. Die Brüsseler Behörde will deshalb eng mit der belgischen EU-Ratspräsidentschaft zusammenarbeiten.
Eine andere Forderung, die aus den Bauernprotesten nach Brüssel getragen wurde, schiebt die Kommission dagegen auf die lange Bank: die Stärkung der Position von Landwirten in der Wertschöpfungskette. Zwar wolle die Kommission das angehen, allerdings eher “langfristig”, berichten gut informierte Kreise. Zuletzt hatten der französische Präsident Emmanuel Macron und der spanische Agrarminister Luis Planas gefordert, die EU-Richtlinie gegen unfaire Handelspraktiken zu verschärfen.
Der Chef des Agrarausschusses im Europaparlament, Norbert Lins (CDU), schreibt im Namen des Ausschusses einen Brief an Agrarkommissar Janusz Wojciechowski mit seinen Forderungen. Der Brief liegt Table.Media vor. Wojciechowski will dem Vernehmen nach am kommenden Montag beim Agrarrat den Mitgliedstaaten seine Vorschläge vorlegen. Lins listet sechs Forderungen auf:
Im Trilog über die Zertifizierung von CO₂-Entnahmen kam es in der Nacht auf Dienstag zu einer politischen Einigung zwischen den Unterhändlern des Europaparlaments, der EU-Kommission und der belgischen EU-Ratspräsidentschaft. Das Rahmenwerk soll den Hochlauf technologischer und natürlicher Kohlenstoffbindung fördern, indem transparente und überprüfbare CO₂-Entnahme-Zertifikate auf freiwilligen Kohlenstoffmärkten angeboten und zu Geld gemacht werden können.
Als CO₂-Entnahme zählt laut dem Gesetz auch Carbon Farming – landwirtschaftliche Praktiken wie Humusaufbau also, die zur Bindung von CO₂ aus der Atmosphäre beitragen. Damit der Kohlenstoff als “entnommen” gilt, muss er für fünf Jahre gebunden werden, was Kritiker für deutlich zu kurz und daher für kaum klimawirksam halten. Dabei wird unterschieden zwischen CO₂-Reduktion im Boden, beispielsweise durch Düngemittelreduktion, und CO₂-Speicherung durch die Wiederherstellung von Wäldern und Böden sowie die Wiedervernässung von Mooren.
Die Aufnahme von Carbon-Farming-Aktivitäten in den Zertifizierungsrahmen ermöglicht Landwirten, durch die Umstellung auf eine klimafreundlichere Landwirtschaft in Zukunft auf freiwilligen Kohlenstoffmärkten Geld zu verdienen. Wann dies jedoch möglich sein wird, steht noch nicht fest. Die genauen Methoden zur Zertifizierung müssen nach Inkrafttreten des Gesetzes erst noch von der Kommission erarbeitetet werden. Das dauert mindestens zwei Jahre und bietet kaum Mitspracherecht für Parlament und Mitgliedstaaten.
Allerdings sieht der Kompromiss bereits einige Kriterien für die Zertifizierung vor. Unter anderem müssen Carbon-Farming-Aktivitäten immer auch einen positiven Beitrag zur Biodiversität leisten, indem zum Beispiel die Bodengesundheit gefördert und die Bodendegradation vermieden wird. Außerdem gelte das Additionalitätsprinzip, stellt Parlaments-Schattenberichterstatter Tiemo Wölken (SPD) klar. “Der Text enthält genug Garantien dafür, dass keine Aktivität zertifiziert wird, die auch ohne die Zertifizierung stattgefunden hätte.”
Als zu ungenau und zu kurzfristig bezeichnet Viviane Raddatz, Klimachefin beim WWF Deutschland, das Trilog-Ergebnis. Die Grenzen zwischen CO₂-Minderung und Entnahmen würden verschwimmen. Dies könne zu viel Greenwashing mit kleiner und kurzfristiger Klimawirkung führen. “Denn die CO₂-Speicherung in Produkten oder auch natürliche Senken etwa über Humusaufbau oder Aufforstung unterliegt großen Unsicherheiten”, so Raddatz. Sie befürchtet, dass zertifizierte und verkaufte CO₂-Entnahmen durch Dürren und Brände doch wieder als Emission enden.
Über die Aufnahme von vermiedenen Methanemissionen aus der Tierhaltung soll die Kommission bei einer Revision des Gesetzes 2026 entscheiden. Diese Verzögerung kritisiert der EU-Bauernverband Copa Cogeca. Dass die Viehzucht zunächst nicht einbezogen werde, bedeute einen “Rückschritt” für Betriebe, die sich bereits an Carbon-Farming-Programmen beteiligten, so der Verband.
Der Trilog-Kompromiss muss noch von Parlament und Mitgliedstaaten formal bestätigt werden. Voraussichtlich stimmt das Plenum in seiner letzten Plenarsitzung im April ab, sodass das Gesetz noch vor der Europawahl im Juni verabschiedet werden kann.
aus Brüssel kommen in dieser Woche erfreuliche Nachrichten für den Agrarsektor. Landwirte, die beispielsweise durch Humusaufbau der Atmosphäre CO₂ entziehen, sollen künftig besser Geld damit verdienen können. Mein Kollege Lukas Scheid hat das Ergebnis der Trilogverhandlungen zu CO₂-Entnahmen analysiert.
Außerdem kommt Bewegung in die Pläne der EU-Kommission, Bürokratie im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik abzubauen. Meine Kollegin Julia Dahm stellt die Ideen der Brüsseler Behörde, die erst am Donnerstag öffentlich werden sollen, vor. Eigene Forderungen hat der Agrarausschuss des Europaparlaments, wie mein Kollege Markus Grabitz berichtet. Table.Media liegt ein Brief vor, den der Chef des Ausschusses, Norbert Lins (CDU), diesbezüglich an EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski geschrieben hat.
In Berlin steht die Agrarpolitik derweil ebenso wenig still. Heute treffen sich Vertreter der Ampelfraktionen mit der Zukunftskommission Landwirtschaft. Eine Rücknahme der Kürzungen von Agrardieselsubventionen ist allerdings weiterhin nicht in Sicht. Daran wird wohl auch die Blockade des Wachstumschancengesetzes im Bundesrat, über das der Vermittlungsausschuss heute diskutiert, kaum etwas ändern.
Als Reaktion auf die europaweiten Bauernproteste hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen versprochen, noch in diesem Monat kurzfristige Maßnahmen zu präsentieren, um den Verwaltungsaufwand für Landwirte im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik zu mindern. Wie das gelingen soll, erläuterte ein Vertreter der EU-Kommission zu Wochenbeginn während eines Treffens mit den EU-Mitgliedstaaten. Am Donnerstag will die Kommission ihre Vorschläge offiziell vorstellen.
Folgende Punkte schweben der Brüsseler Behörde nach Recherchen von Table.Media vor:
Zusätzlich will die EU-Kommission Vorgaben zum Erhalt von Dauergrünland lockern. Das betrifft GLÖZ 1. GLÖZ steht für Standards für den guten und ökologischen Zustand von Flächen. Seit 2023 gelten neun GLÖZ. Bislang gilt: Im Vergleich zu 2018 darf die für Dauergrünland genutzte Fläche nicht mehr als um fünf Prozent sinken. Im Fall von “außergewöhnlichen Strukturänderungen” in der Landwirtschaft will die Brüsseler Behörde erlauben, von dieser Vorgabe abzuweichen. Beispielsweise, wenn Grünland nicht mehr gewinnbringend genutzt werden kann, weil zuvor die Anzahl der Nutztiere reduziert wurde und der Futtermittelbedarf entsprechend gesunken ist.
Mehr Spielraum sollen die EU-Länder auch bekommen, wenn sich die landesweite Ackerfläche “rasch” vergrößert hat, und nur dadurch der Anteil des Dauergrünlands gesunken ist. In diesem Fall “könnte es unverhältnismäßig sein”, auf der Einhaltung des Prozentwerts zu bestehen, schreibt die Kommission. Eine Ausnahme von der Regel hatte die Kommission bereits für GLÖZ 8 umgesetzt.
Für den Bürokratieabbau sind aus Sicht der Kommission vor allem die Mitgliedstaaten im Rahmen der Umsetzung ihrer nationalen Strategiepläne verantwortlich. Die Brüsseler Behörde will deshalb eng mit der belgischen EU-Ratspräsidentschaft zusammenarbeiten.
Eine andere Forderung, die aus den Bauernprotesten nach Brüssel getragen wurde, schiebt die Kommission dagegen auf die lange Bank: die Stärkung der Position von Landwirten in der Wertschöpfungskette. Zwar wolle die Kommission das angehen, allerdings eher “langfristig”, berichten gut informierte Kreise. Zuletzt hatten der französische Präsident Emmanuel Macron und der spanische Agrarminister Luis Planas gefordert, die EU-Richtlinie gegen unfaire Handelspraktiken zu verschärfen.
Der Chef des Agrarausschusses im Europaparlament, Norbert Lins (CDU), schreibt im Namen des Ausschusses einen Brief an Agrarkommissar Janusz Wojciechowski mit seinen Forderungen. Der Brief liegt Table.Media vor. Wojciechowski will dem Vernehmen nach am kommenden Montag beim Agrarrat den Mitgliedstaaten seine Vorschläge vorlegen. Lins listet sechs Forderungen auf:
Im Trilog über die Zertifizierung von CO₂-Entnahmen kam es in der Nacht auf Dienstag zu einer politischen Einigung zwischen den Unterhändlern des Europaparlaments, der EU-Kommission und der belgischen EU-Ratspräsidentschaft. Das Rahmenwerk soll den Hochlauf technologischer und natürlicher Kohlenstoffbindung fördern, indem transparente und überprüfbare CO₂-Entnahme-Zertifikate auf freiwilligen Kohlenstoffmärkten angeboten und zu Geld gemacht werden können.
Als CO₂-Entnahme zählt laut dem Gesetz auch Carbon Farming – landwirtschaftliche Praktiken wie Humusaufbau also, die zur Bindung von CO₂ aus der Atmosphäre beitragen. Damit der Kohlenstoff als “entnommen” gilt, muss er für fünf Jahre gebunden werden, was Kritiker für deutlich zu kurz und daher für kaum klimawirksam halten. Dabei wird unterschieden zwischen CO₂-Reduktion im Boden, beispielsweise durch Düngemittelreduktion, und CO₂-Speicherung durch die Wiederherstellung von Wäldern und Böden sowie die Wiedervernässung von Mooren.
Die Aufnahme von Carbon-Farming-Aktivitäten in den Zertifizierungsrahmen ermöglicht Landwirten, durch die Umstellung auf eine klimafreundlichere Landwirtschaft in Zukunft auf freiwilligen Kohlenstoffmärkten Geld zu verdienen. Wann dies jedoch möglich sein wird, steht noch nicht fest. Die genauen Methoden zur Zertifizierung müssen nach Inkrafttreten des Gesetzes erst noch von der Kommission erarbeitetet werden. Das dauert mindestens zwei Jahre und bietet kaum Mitspracherecht für Parlament und Mitgliedstaaten.
Allerdings sieht der Kompromiss bereits einige Kriterien für die Zertifizierung vor. Unter anderem müssen Carbon-Farming-Aktivitäten immer auch einen positiven Beitrag zur Biodiversität leisten, indem zum Beispiel die Bodengesundheit gefördert und die Bodendegradation vermieden wird. Außerdem gelte das Additionalitätsprinzip, stellt Parlaments-Schattenberichterstatter Tiemo Wölken (SPD) klar. “Der Text enthält genug Garantien dafür, dass keine Aktivität zertifiziert wird, die auch ohne die Zertifizierung stattgefunden hätte.”
Als zu ungenau und zu kurzfristig bezeichnet Viviane Raddatz, Klimachefin beim WWF Deutschland, das Trilog-Ergebnis. Die Grenzen zwischen CO₂-Minderung und Entnahmen würden verschwimmen. Dies könne zu viel Greenwashing mit kleiner und kurzfristiger Klimawirkung führen. “Denn die CO₂-Speicherung in Produkten oder auch natürliche Senken etwa über Humusaufbau oder Aufforstung unterliegt großen Unsicherheiten”, so Raddatz. Sie befürchtet, dass zertifizierte und verkaufte CO₂-Entnahmen durch Dürren und Brände doch wieder als Emission enden.
Über die Aufnahme von vermiedenen Methanemissionen aus der Tierhaltung soll die Kommission bei einer Revision des Gesetzes 2026 entscheiden. Diese Verzögerung kritisiert der EU-Bauernverband Copa Cogeca. Dass die Viehzucht zunächst nicht einbezogen werde, bedeute einen “Rückschritt” für Betriebe, die sich bereits an Carbon-Farming-Programmen beteiligten, so der Verband.
Der Trilog-Kompromiss muss noch von Parlament und Mitgliedstaaten formal bestätigt werden. Voraussichtlich stimmt das Plenum in seiner letzten Plenarsitzung im April ab, sodass das Gesetz noch vor der Europawahl im Juni verabschiedet werden kann.