kaum ein Tag vergeht, ohne dass EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen neue Zugeständnisse an die Landwirtschaft macht: Am vergangenen Mittwoch schlug sie Lockerungen bei der GAP vor, am Donnerstag versprach sie Bürokratieabbau.
Heute kam der nächste Vorstoß: In einer Rede vor dem Plenum des Europäischen Parlaments kündigte die CDU-Politikerin heute Morgen an, die Kommission werde ihren Vorschlag für eine Pestizidverordnung zurückziehen. Stattdessen soll ein neuer Entwurf erarbeitet werden, basierend auf mehr Dialog mit den Landwirten. Alle Einzelheiten dazu lesen Sie in unserer Analyse.
Knapp zwei Jahre nach der Präsentation ihres Vorschlags für eine Verordnung zur nachhaltigen Nutzung von Pflanzenschutzmitteln (SUR) zieht die EU-Kommission das Projekt zurück. Das kündigte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Dienstagmorgen vor dem Europäischen Parlament an. “Der Vorschlag hat polarisiert”, räumte die CDU-Politikerin ein. Das Parlament hatte bereits im November gegen die SUR gestimmt, auch im Rat “werden keine Fortschritte mehr erzielt”, so von der Leyen. Die belgische Ratspräsidentschaft hatte zuletzt jedoch – wenigstens offiziell – weiter an dem Thema gearbeitet und erfuhr dem Vernehmen nach vom Rückzug der Kommission selbst erst kurz vor der Ankündigung am Dienstagmorgen.
Das Ziel, “die Risiken der Verwendung chemischer Pflanzenschutzmittel zu verringern”, bleibe aber trotz allem bestehen, so von der Leyen. Die Kommission “könnte” zu einem späteren Zeitpunkt einen neuen, “weitaus ausgereifteren Vorschlag” vorlegen. Das heißt: Ein neuer Vorschlag wäre das Projekt der nächsten Kommission, möglicherweise wieder unter Führung von der Leyens, die allerdings noch nicht offiziell ihre Kandidatur verkündet hat. Der Vorschlag käme damit auch nach Abschluss des Strategiedialogs Landwirtschaft, den von der Leyen im Januar eröffnet hatte und der bis zum Sommer Empfehlungen vorlegen soll. Und einen “intensiveren Dialog” brauche es als Grundlage für einen neuen Vorschlag, ließ von der Leyen wissen.
Von der Leyens Rückzieher wirkt in diesem Kontext wie ein Schuldeingeständnis. Als “handwerklich schlecht” war der ursprüngliche Vorschlag immer wieder kritisiert worden, nicht nur vonseiten der Landwirtschaft und von der Leyens eigener Parteifamilie EVP, sondern auch vom grünen Bundesagrarminister Cem Özdemir. Punkte wie ein Totalverbot von Pestiziden in sensiblen Gebieten stießen fast einhellig auf Kritik, sogar die grüne Berichterstatterin des Parlaments, Sarah Wiener strich dieses aus ihrem Berichtsentwurf, der ansonsten deutlich ambitionierter war als der Kommissionsvorschlag. Viele Mitgliedstaaten und Verbände fühlten sich vor den Kopf gestoßen, entsprechend wenig guten Willen gab es im Laufe der Verhandlungen.
Die Absage an die SUR ist das jüngste einer Reihe von Zugeständnissen im Zuge der aktuellen Bauernproteste in vielen europäischen Ländern und zuletzt auch in Brüssel. In der vergangenen Woche hatte die Kommission bereits Lockerungen bei der GAP vorgeschlagen, zudem hatte von der Leyen einen Vorschlag zum Bürokratieabbau in der Landwirtschaft noch vor Ende des Monats versprochen. Druck auf Brüssel, zusätzliche Zugeständnisse zu machen, kommt vor allem aus Paris. Dort hat Premier Gabriel Attal Ende vergangener Woche angekündigt, dass auch der französische Plan zur Pestizidreduktion vorerst verschoben und noch einmal überarbeitet wird.
Der Rückzieher in Sachen SUR ist zwar ein deutliches Signal an die protestierenden Landwirte, dürfte in der Praxis aber wenig ändern. Denn mit der Ablehnung durch das Parlament, das gleichzeitig gegen die weitere Arbeit an dem Dossier stimmte, war das Vorhaben ohnehin in eine Sackgasse geraten und wäre, wenigstens in dieser Legislatur, wohl nicht mehr verabschiedet worden.
Die Kommission macht damit aber den Weg frei für die Vorbereitung eines neuen Vorschlags. Bis dieser einmal erarbeitet und verhandelt ist, dürften allerdings mehrere Jahre vergehen. Und eine Garantie dafür, dass die nächste Kommission dieses heikle Thema noch einmal angeht, gibt es nicht.
Scharfe Kritik am Rückzug des Vorschlags kommt von den europäischen Grünen. Deren Co-Vorsitzender Philipp Lambert bezeichnete den Schritt in einer Pressekonferenz als “absurd” er gehe “auf Kosten des Green Deal“. Lob gibt es aus der EVP. Peter Liese (CDU), der umweltpolitische Sprecher der EVP, dankte von der Leyen ausdrücklich. Ein “klarer Schnitt” sei das “richtige Zeichen” für die Landwirtschaft. Auch der FDP-Europaabgeordnete und Parlamentsvize Jan-Christoph Oetjen begrüßte das Aus des Gesetzesvorhabens. Reduktionsziele müssten nun “gemeinsam mit der Landwirtschaft entwickelt werden”.
Nach Angaben von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) wird sich Deutschland in der Abstimmung um das EU-Lieferkettengesetz enthalten müssen. Die Bemühungen um eine Zustimmung seien endgültig gescheitert, da die FDP nicht bereit sei, den von ihm vorgeschlagenen Lösungsweg mitzugehen, sagte er am Dienstag. Bis zum heutigen Mittwoch wollte sich die Bundesregierung auf eine gemeinsame Position einigen, um am Freitag im Ausschuss der Ständigen Vertreter (AStV) des Rats abzustimmen.
“Dass sich Deutschland aufgrund einer ideologisch motivierten Blockade der FDP bei der anstehenden Abstimmung enthalten muss, enttäuscht mich sehr”, sagte Heil. “Eine EU-Lieferkettenrichtlinie stärkt die Menschenrechte in internationalen Handelsbeziehungen, wenn es etwa darum geht, Kinder- und Zwangsarbeit zu bekämpfen.”
Bundesfinanzminister Christian Lindner und Bundesjustizminister Marco Buschmann (beide FDP) hatten vergangene Woche erklärt, sie würden das EU-Lieferkettengesetz nicht mittragen. Heil hatte daraufhin noch einmal verstärkt für eine Zustimmung geworben und ein Maßnahmenpaket für die Entlastung von Unternehmen vorgelegt. Die FDP habe diesen Kompromiss jedoch definitiv abgelehnt.
Der Arbeitsminister warf dem Koalitionspartner vor, sich einem Bürokratieabbau versperrt zu haben. Die Enthaltung werde zudem bei EU-Partnern nicht gut ankommen. “Ich halte das für falsch, auch weil eine deutsche Enthaltung bei anderen Partnern in Europa auf Unverständnis treffen wird.”
Im Ergebnis der Abstimmung im Rat wird eine Enthaltung Deutschlands einem Nein gleichkommen. Damit steht das Vorhaben insgesamt auf der Kippe. Viele Mitgliedstaaten haben ihre Position zwar noch nicht endgültig festgelegt, mehrere hatten jedoch Bedenken geäußert. Ob die erforderliche qualifizierte Mehrheit für das Gesetz zustande kommt, ist deshalb fraglich.
Die FDP setzt mit ihrer Blockade die Forderung mehrerer deutscher Wirtschaftsverbände durch, die sich gegen die Lieferkettenrichtlinie gestellt hatten. Michelle Trimborn, Sprecherin der Initiative Lieferkettengesetz, bezeichnete die Position der Bundesregierung als “Armutszeugnis für die Demokratie und für den Menschenrechtsschutz“. Alle Beteiligten würden “durch dieses unsägliche Verhalten” verlieren: die Bundesregierung, die deutsche Wirtschaft und vor allem die Betroffenen in den Lieferketten weltweit.
Auch die Grundwertekommission der SPD hatte gestern ein Plädoyer für das Lieferkettengesetz veröffentlicht. “Es wäre (…) ein fatales Signal, wenn Deutschland nun erneut am Ende der Verhandlungen mit einem ,German Vote’ ausscherte”, heißt es darin. “Deutschland kann nicht von Ungarn und anderen EU-Mitgliedstaaten einfordern, sich an gefasste Beschlüsse und Kompromisse der EU-Gremien zu halten, und es selbst nicht zu tun.” leo/rtr
Am Mittwoch stimmt das Plenum des Europäischen Parlaments über seine Verhandlungsposition zur vorgeschlagenen Lockerung des EU-Gentechnikrechts ab. Die Europäische Kommission hat unter anderem vorgeschlagen, die Regelungen für Genom-editierte Pflanzen, die so auch auf herkömmliche Weise hätten entstehen können, deutlich zu lockern. Am selben Tag will auch die belgische EU-Ratspräsidentschaft das Thema noch einmal mit den Botschaftern der Mitgliedstaaten diskutieren, wie ein Sprecher bestätigte.
Nachdem beim Agrarrat im Dezember der Versuch gescheitert war, eine Einigung unter den 27 Agrarministern herbeizuführen, liefen die Gespräche zu dem Dossier zuletzt auf Arbeitsebene. Indem sie das Thema nun noch einmal eine Ebene höher auf die Tagesordnung der Botschafter setzt, will die Präsidentschaft dem Sprecher zufolge neuen politischen Input zu Punkten einholen, die sich bei den Gesprächen der Fachleute zuletzt schwierig gestalteten.
Dabei geht es vor allem um die Frage der Patentierbarkeit von gentechnisch veränderten Pflanzen und Saatgut. Dem Vernehmen nach ist das Patentthema unter anderem für Warschau ein Knackpunkt. Polen gilt als Land, das seine ablehnende Haltung ändern und doch noch für den Gentechnik-Vorschlag stimmen könnte. Für eine Ratsmehrheit würde das – ceteris paribus – ausreichen. Bisher hat sich die neue Regierung unter Donald Tusk zu dem Thema noch nicht öffentlich geäußert. Wie sich das Land verhält, dürfte auch davon abhängen, welche Zugeständnisse Warschau angeboten werden.
Dass es bei dem Treffen schon zu einer Gesamteinigung kommt, schloss der Sprecher der belgischen Präsidentschaft nicht aus, zwingendes Ziel der Sitzung sei dies aber nicht. Aufseiten des Parlaments dagegen wird erwartet, dass das Plenum dem Vorschlag zustimmt. Wahrscheinlich ist auch, dass das Plenum in Kernpunkten nah an der Version des Textes bleibt, die der Umweltausschuss im Januar verabschiedet hatte. jd
kaum ein Tag vergeht, ohne dass EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen neue Zugeständnisse an die Landwirtschaft macht: Am vergangenen Mittwoch schlug sie Lockerungen bei der GAP vor, am Donnerstag versprach sie Bürokratieabbau.
Heute kam der nächste Vorstoß: In einer Rede vor dem Plenum des Europäischen Parlaments kündigte die CDU-Politikerin heute Morgen an, die Kommission werde ihren Vorschlag für eine Pestizidverordnung zurückziehen. Stattdessen soll ein neuer Entwurf erarbeitet werden, basierend auf mehr Dialog mit den Landwirten. Alle Einzelheiten dazu lesen Sie in unserer Analyse.
Knapp zwei Jahre nach der Präsentation ihres Vorschlags für eine Verordnung zur nachhaltigen Nutzung von Pflanzenschutzmitteln (SUR) zieht die EU-Kommission das Projekt zurück. Das kündigte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Dienstagmorgen vor dem Europäischen Parlament an. “Der Vorschlag hat polarisiert”, räumte die CDU-Politikerin ein. Das Parlament hatte bereits im November gegen die SUR gestimmt, auch im Rat “werden keine Fortschritte mehr erzielt”, so von der Leyen. Die belgische Ratspräsidentschaft hatte zuletzt jedoch – wenigstens offiziell – weiter an dem Thema gearbeitet und erfuhr dem Vernehmen nach vom Rückzug der Kommission selbst erst kurz vor der Ankündigung am Dienstagmorgen.
Das Ziel, “die Risiken der Verwendung chemischer Pflanzenschutzmittel zu verringern”, bleibe aber trotz allem bestehen, so von der Leyen. Die Kommission “könnte” zu einem späteren Zeitpunkt einen neuen, “weitaus ausgereifteren Vorschlag” vorlegen. Das heißt: Ein neuer Vorschlag wäre das Projekt der nächsten Kommission, möglicherweise wieder unter Führung von der Leyens, die allerdings noch nicht offiziell ihre Kandidatur verkündet hat. Der Vorschlag käme damit auch nach Abschluss des Strategiedialogs Landwirtschaft, den von der Leyen im Januar eröffnet hatte und der bis zum Sommer Empfehlungen vorlegen soll. Und einen “intensiveren Dialog” brauche es als Grundlage für einen neuen Vorschlag, ließ von der Leyen wissen.
Von der Leyens Rückzieher wirkt in diesem Kontext wie ein Schuldeingeständnis. Als “handwerklich schlecht” war der ursprüngliche Vorschlag immer wieder kritisiert worden, nicht nur vonseiten der Landwirtschaft und von der Leyens eigener Parteifamilie EVP, sondern auch vom grünen Bundesagrarminister Cem Özdemir. Punkte wie ein Totalverbot von Pestiziden in sensiblen Gebieten stießen fast einhellig auf Kritik, sogar die grüne Berichterstatterin des Parlaments, Sarah Wiener strich dieses aus ihrem Berichtsentwurf, der ansonsten deutlich ambitionierter war als der Kommissionsvorschlag. Viele Mitgliedstaaten und Verbände fühlten sich vor den Kopf gestoßen, entsprechend wenig guten Willen gab es im Laufe der Verhandlungen.
Die Absage an die SUR ist das jüngste einer Reihe von Zugeständnissen im Zuge der aktuellen Bauernproteste in vielen europäischen Ländern und zuletzt auch in Brüssel. In der vergangenen Woche hatte die Kommission bereits Lockerungen bei der GAP vorgeschlagen, zudem hatte von der Leyen einen Vorschlag zum Bürokratieabbau in der Landwirtschaft noch vor Ende des Monats versprochen. Druck auf Brüssel, zusätzliche Zugeständnisse zu machen, kommt vor allem aus Paris. Dort hat Premier Gabriel Attal Ende vergangener Woche angekündigt, dass auch der französische Plan zur Pestizidreduktion vorerst verschoben und noch einmal überarbeitet wird.
Der Rückzieher in Sachen SUR ist zwar ein deutliches Signal an die protestierenden Landwirte, dürfte in der Praxis aber wenig ändern. Denn mit der Ablehnung durch das Parlament, das gleichzeitig gegen die weitere Arbeit an dem Dossier stimmte, war das Vorhaben ohnehin in eine Sackgasse geraten und wäre, wenigstens in dieser Legislatur, wohl nicht mehr verabschiedet worden.
Die Kommission macht damit aber den Weg frei für die Vorbereitung eines neuen Vorschlags. Bis dieser einmal erarbeitet und verhandelt ist, dürften allerdings mehrere Jahre vergehen. Und eine Garantie dafür, dass die nächste Kommission dieses heikle Thema noch einmal angeht, gibt es nicht.
Scharfe Kritik am Rückzug des Vorschlags kommt von den europäischen Grünen. Deren Co-Vorsitzender Philipp Lambert bezeichnete den Schritt in einer Pressekonferenz als “absurd” er gehe “auf Kosten des Green Deal“. Lob gibt es aus der EVP. Peter Liese (CDU), der umweltpolitische Sprecher der EVP, dankte von der Leyen ausdrücklich. Ein “klarer Schnitt” sei das “richtige Zeichen” für die Landwirtschaft. Auch der FDP-Europaabgeordnete und Parlamentsvize Jan-Christoph Oetjen begrüßte das Aus des Gesetzesvorhabens. Reduktionsziele müssten nun “gemeinsam mit der Landwirtschaft entwickelt werden”.
Nach Angaben von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) wird sich Deutschland in der Abstimmung um das EU-Lieferkettengesetz enthalten müssen. Die Bemühungen um eine Zustimmung seien endgültig gescheitert, da die FDP nicht bereit sei, den von ihm vorgeschlagenen Lösungsweg mitzugehen, sagte er am Dienstag. Bis zum heutigen Mittwoch wollte sich die Bundesregierung auf eine gemeinsame Position einigen, um am Freitag im Ausschuss der Ständigen Vertreter (AStV) des Rats abzustimmen.
“Dass sich Deutschland aufgrund einer ideologisch motivierten Blockade der FDP bei der anstehenden Abstimmung enthalten muss, enttäuscht mich sehr”, sagte Heil. “Eine EU-Lieferkettenrichtlinie stärkt die Menschenrechte in internationalen Handelsbeziehungen, wenn es etwa darum geht, Kinder- und Zwangsarbeit zu bekämpfen.”
Bundesfinanzminister Christian Lindner und Bundesjustizminister Marco Buschmann (beide FDP) hatten vergangene Woche erklärt, sie würden das EU-Lieferkettengesetz nicht mittragen. Heil hatte daraufhin noch einmal verstärkt für eine Zustimmung geworben und ein Maßnahmenpaket für die Entlastung von Unternehmen vorgelegt. Die FDP habe diesen Kompromiss jedoch definitiv abgelehnt.
Der Arbeitsminister warf dem Koalitionspartner vor, sich einem Bürokratieabbau versperrt zu haben. Die Enthaltung werde zudem bei EU-Partnern nicht gut ankommen. “Ich halte das für falsch, auch weil eine deutsche Enthaltung bei anderen Partnern in Europa auf Unverständnis treffen wird.”
Im Ergebnis der Abstimmung im Rat wird eine Enthaltung Deutschlands einem Nein gleichkommen. Damit steht das Vorhaben insgesamt auf der Kippe. Viele Mitgliedstaaten haben ihre Position zwar noch nicht endgültig festgelegt, mehrere hatten jedoch Bedenken geäußert. Ob die erforderliche qualifizierte Mehrheit für das Gesetz zustande kommt, ist deshalb fraglich.
Die FDP setzt mit ihrer Blockade die Forderung mehrerer deutscher Wirtschaftsverbände durch, die sich gegen die Lieferkettenrichtlinie gestellt hatten. Michelle Trimborn, Sprecherin der Initiative Lieferkettengesetz, bezeichnete die Position der Bundesregierung als “Armutszeugnis für die Demokratie und für den Menschenrechtsschutz“. Alle Beteiligten würden “durch dieses unsägliche Verhalten” verlieren: die Bundesregierung, die deutsche Wirtschaft und vor allem die Betroffenen in den Lieferketten weltweit.
Auch die Grundwertekommission der SPD hatte gestern ein Plädoyer für das Lieferkettengesetz veröffentlicht. “Es wäre (…) ein fatales Signal, wenn Deutschland nun erneut am Ende der Verhandlungen mit einem ,German Vote’ ausscherte”, heißt es darin. “Deutschland kann nicht von Ungarn und anderen EU-Mitgliedstaaten einfordern, sich an gefasste Beschlüsse und Kompromisse der EU-Gremien zu halten, und es selbst nicht zu tun.” leo/rtr
Am Mittwoch stimmt das Plenum des Europäischen Parlaments über seine Verhandlungsposition zur vorgeschlagenen Lockerung des EU-Gentechnikrechts ab. Die Europäische Kommission hat unter anderem vorgeschlagen, die Regelungen für Genom-editierte Pflanzen, die so auch auf herkömmliche Weise hätten entstehen können, deutlich zu lockern. Am selben Tag will auch die belgische EU-Ratspräsidentschaft das Thema noch einmal mit den Botschaftern der Mitgliedstaaten diskutieren, wie ein Sprecher bestätigte.
Nachdem beim Agrarrat im Dezember der Versuch gescheitert war, eine Einigung unter den 27 Agrarministern herbeizuführen, liefen die Gespräche zu dem Dossier zuletzt auf Arbeitsebene. Indem sie das Thema nun noch einmal eine Ebene höher auf die Tagesordnung der Botschafter setzt, will die Präsidentschaft dem Sprecher zufolge neuen politischen Input zu Punkten einholen, die sich bei den Gesprächen der Fachleute zuletzt schwierig gestalteten.
Dabei geht es vor allem um die Frage der Patentierbarkeit von gentechnisch veränderten Pflanzen und Saatgut. Dem Vernehmen nach ist das Patentthema unter anderem für Warschau ein Knackpunkt. Polen gilt als Land, das seine ablehnende Haltung ändern und doch noch für den Gentechnik-Vorschlag stimmen könnte. Für eine Ratsmehrheit würde das – ceteris paribus – ausreichen. Bisher hat sich die neue Regierung unter Donald Tusk zu dem Thema noch nicht öffentlich geäußert. Wie sich das Land verhält, dürfte auch davon abhängen, welche Zugeständnisse Warschau angeboten werden.
Dass es bei dem Treffen schon zu einer Gesamteinigung kommt, schloss der Sprecher der belgischen Präsidentschaft nicht aus, zwingendes Ziel der Sitzung sei dies aber nicht. Aufseiten des Parlaments dagegen wird erwartet, dass das Plenum dem Vorschlag zustimmt. Wahrscheinlich ist auch, dass das Plenum in Kernpunkten nah an der Version des Textes bleibt, die der Umweltausschuss im Januar verabschiedet hatte. jd