Liebe Leserin, lieber Leser,
der Kropf ist zurück: Weil Wissenschaftler vor den Folgen des Jodmangels warnen, startet das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft am heutigen Freitag eine Informationsoffensive. Mehr als ein Drittel der Bevölkerung sei “jodmangelgefährdet”, warnt das Ministerium. Die Krux dabei ist: Fleischer und Bäcker verwenden immer weniger Jodsalz in Verarbeitungsware. Bio-Läden verzichten meist komplett auf Jod als Zusatz, wie unser Autor Martin Rücker berichtet.
BMEL will Lebensmittelwirtschaft Jodsalz schmackhaft machen
“Wenn Salz, dann Jodsalz” – unter diesem Motto hat Bundesernährungsminister Cem Özdemir am heutigen Freitag eine “Informationsoffensive” gestartet. “Wer auf Dauer zu wenig Jod zu sich nimmt, kann schwerwiegende gesundheitliche Probleme riskieren”, warnte der Grünen-Politiker. Auf Anfrage bestätigte ein Ministeriumssprecher, dass das BMEL im laufenden Jahr 150.000 Euro ausgeben werde, um Verbraucher vor allem über die sozialen Medien für das Thema Jodmangel zu sensibilisieren. Zielgruppe der Kampagne sind aber auch Unternehmen. Und zwar direkt wie indirekt.
Mit Anzeigen wollen das Ministerium und sein Bundeszentrum für Ernährung dafür werben, dass Verbraucher auch “bei verarbeiteten Lebensmitteln zu solchen Produkten greifen, die mit jodiertem Salz hergestellt wurden”, so der Ministeriumssprecher. “Außerdem werden wir auf die Lebensmittelwirtschaft zugehen, um diese für den Einsatz von Jodsalz bei der Lebensmittelverarbeitung zu motivieren.” Während die Menschen im Supermarkt zu mehr als 70 Prozent zu Jodsalz greifen, lag der Marktanteil von jodiertem Speise- und Pökelsalz bei den Großgebinden in den vergangenen Jahren bei deutlich unter 40 Prozent.
Fleischer und Bäcker nutzen immer weniger Jodsalz
Neben der Gastronomie zielt das Ministerium mit seiner Kampagne auf Industrie und Handwerk. Eine 2018 veröffentlichte Studie der Justus-Liebig-Universität Gießen deute auf einen rückläufigen Einsatz von Jodsalz bei Fleischern und Bäckern hin, heißt es zur Erklärung. Bei industriell hergestellten Backwaren liege der Jodsalz-Anteil gerade einmal bei zehn, bei gesalzenen Milchprodukten nur bei zwei Prozent.
Das Problem: Daten des Robert Koch-Instituts zufolge nehmen rund 30 Prozent der Erwachsenen und 44 Prozent der Kinder und Jugendlichen weniger Jod zu sich als empfohlen, Tendenz rückläufig. Vor allem bei Schwangeren und Säuglingen gilt die Jod-Aufnahme als kritisch. Eine Unterversorgung kann zu einer vergrößerten Schilddrüse führen, bekannt auch als “Kropf”. Aus Sicht des Berufsverbands Deutscher Nuklearmediziner steht der Jodmangel in Verbindung mit der Häufigkeit von Schilddrüsenkrebs in Deutschland, vor allem bei jungen Frauen unter 40 stieg die Inzidenz zuletzt an.
Bio-Läden verzichten meist komplett auf Zusätze
Mit seiner Kampagne setzt das BMEL einen Kontrapunkt zu mancher Vermarktungsstrategie, die exotische Produkte wie das rosa schillernde “Himalaya-Salz” als vermeintlich gesündere Wahl erscheinen lässt, wofür es keine Evidenz gibt. Auch Meersalz steht in gutem Ruf, sein natürlicher Jodgehalt ist jedoch verschwindend gering. Wie sehr viele Kunden gerade von Bio-Läden und Reformhäusern Zusätze im Salz ablehnen, deutet die Website von Alnatura an: Dass die Bio-Kette auch jodiertes Salz verkauft, rechtfertigt sie dort eigens in einem längeren Text.
Das Ministerium gerät allerdings auch in einen Zielkonflikt mit sich selbst, genauer: mit seiner Strategie zur Reduktion des Zucker-, Fett- und eben Salzgehalts in Fertiggerichten. Bereits 2021 wies das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) darauf hin, dass “die wünschenswerte Reduktion des Salzverzehrs” im Erfolgsfalle “zu einer verringerten Jodzufuhr (…) führen” könne. Seit Jahren wird daher ebenfalls diskutiert, den gesetzlichen Höchstwerts für den Jodzusatz in Speisesalz zu erhöhen – jetzt setzt das BMEL erst einmal darauf, den Marktanteil von Jodsalz zu erhöhen.
Eine entsprechende Initiative hatte das BMEL schon 2020 unter CDU-Ministerin Julia Klöckner angekündigt. Nachfolger Özdemir greift dies nun auf. Die Kampagne will er in den folgenden Jahren fortsetzen. mr
Agrifood.Table Redaktion
Liebe Leserin, lieber Leser,
der Kropf ist zurück: Weil Wissenschaftler vor den Folgen des Jodmangels warnen, startet das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft am heutigen Freitag eine Informationsoffensive. Mehr als ein Drittel der Bevölkerung sei “jodmangelgefährdet”, warnt das Ministerium. Die Krux dabei ist: Fleischer und Bäcker verwenden immer weniger Jodsalz in Verarbeitungsware. Bio-Läden verzichten meist komplett auf Jod als Zusatz, wie unser Autor Martin Rücker berichtet.
BMEL will Lebensmittelwirtschaft Jodsalz schmackhaft machen
“Wenn Salz, dann Jodsalz” – unter diesem Motto hat Bundesernährungsminister Cem Özdemir am heutigen Freitag eine “Informationsoffensive” gestartet. “Wer auf Dauer zu wenig Jod zu sich nimmt, kann schwerwiegende gesundheitliche Probleme riskieren”, warnte der Grünen-Politiker. Auf Anfrage bestätigte ein Ministeriumssprecher, dass das BMEL im laufenden Jahr 150.000 Euro ausgeben werde, um Verbraucher vor allem über die sozialen Medien für das Thema Jodmangel zu sensibilisieren. Zielgruppe der Kampagne sind aber auch Unternehmen. Und zwar direkt wie indirekt.
Mit Anzeigen wollen das Ministerium und sein Bundeszentrum für Ernährung dafür werben, dass Verbraucher auch “bei verarbeiteten Lebensmitteln zu solchen Produkten greifen, die mit jodiertem Salz hergestellt wurden”, so der Ministeriumssprecher. “Außerdem werden wir auf die Lebensmittelwirtschaft zugehen, um diese für den Einsatz von Jodsalz bei der Lebensmittelverarbeitung zu motivieren.” Während die Menschen im Supermarkt zu mehr als 70 Prozent zu Jodsalz greifen, lag der Marktanteil von jodiertem Speise- und Pökelsalz bei den Großgebinden in den vergangenen Jahren bei deutlich unter 40 Prozent.
Fleischer und Bäcker nutzen immer weniger Jodsalz
Neben der Gastronomie zielt das Ministerium mit seiner Kampagne auf Industrie und Handwerk. Eine 2018 veröffentlichte Studie der Justus-Liebig-Universität Gießen deute auf einen rückläufigen Einsatz von Jodsalz bei Fleischern und Bäckern hin, heißt es zur Erklärung. Bei industriell hergestellten Backwaren liege der Jodsalz-Anteil gerade einmal bei zehn, bei gesalzenen Milchprodukten nur bei zwei Prozent.
Das Problem: Daten des Robert Koch-Instituts zufolge nehmen rund 30 Prozent der Erwachsenen und 44 Prozent der Kinder und Jugendlichen weniger Jod zu sich als empfohlen, Tendenz rückläufig. Vor allem bei Schwangeren und Säuglingen gilt die Jod-Aufnahme als kritisch. Eine Unterversorgung kann zu einer vergrößerten Schilddrüse führen, bekannt auch als “Kropf”. Aus Sicht des Berufsverbands Deutscher Nuklearmediziner steht der Jodmangel in Verbindung mit der Häufigkeit von Schilddrüsenkrebs in Deutschland, vor allem bei jungen Frauen unter 40 stieg die Inzidenz zuletzt an.
Bio-Läden verzichten meist komplett auf Zusätze
Mit seiner Kampagne setzt das BMEL einen Kontrapunkt zu mancher Vermarktungsstrategie, die exotische Produkte wie das rosa schillernde “Himalaya-Salz” als vermeintlich gesündere Wahl erscheinen lässt, wofür es keine Evidenz gibt. Auch Meersalz steht in gutem Ruf, sein natürlicher Jodgehalt ist jedoch verschwindend gering. Wie sehr viele Kunden gerade von Bio-Läden und Reformhäusern Zusätze im Salz ablehnen, deutet die Website von Alnatura an: Dass die Bio-Kette auch jodiertes Salz verkauft, rechtfertigt sie dort eigens in einem längeren Text.
Das Ministerium gerät allerdings auch in einen Zielkonflikt mit sich selbst, genauer: mit seiner Strategie zur Reduktion des Zucker-, Fett- und eben Salzgehalts in Fertiggerichten. Bereits 2021 wies das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) darauf hin, dass “die wünschenswerte Reduktion des Salzverzehrs” im Erfolgsfalle “zu einer verringerten Jodzufuhr (…) führen” könne. Seit Jahren wird daher ebenfalls diskutiert, den gesetzlichen Höchstwerts für den Jodzusatz in Speisesalz zu erhöhen – jetzt setzt das BMEL erst einmal darauf, den Marktanteil von Jodsalz zu erhöhen.
Eine entsprechende Initiative hatte das BMEL schon 2020 unter CDU-Ministerin Julia Klöckner angekündigt. Nachfolger Özdemir greift dies nun auf. Die Kampagne will er in den folgenden Jahren fortsetzen. mr
Agrifood.Table Redaktion