heute stimmt der Umweltausschuss des Europaparlaments (ENVI) über die nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (Sustainable Use Regulation) ab. Im Vorfeld kündigt die EVP an, nur unter bestimmten Voraussetzungen zustimmen zu wollen. Ihre Zustimmung zur geplanten Verordnung der EU-Kommission knüpfen die Konservativen an Lockerungen:
Eine knappe Mehrheit wäre allerdings auch ohne die EVP möglich. Vorausgesetzt, die Liberalen stimmen mehrheitlich für den Kompromiss, auf den sich Berichterstatterin Sarah Wiener (Grüne) vergangene Woche mit Vertretern von Linken, Liberalen und Sozialdemokraten geeinigt hat. In einigen Punkten ist dieser strenger, als der Vorschlag der EU-Kommission. Beispielsweise sieht der Kompromiss vor, “gefährliche” Pestizide bis 2030 um 65 Prozent zu reduzieren. Der Kommissionsvorschlag sieht lediglich eine Halbierung bis 2030 vor. Dennoch sind die Grünen optimistisch gestimmt: Der Liberale Jan Huitema aus den Niederlanden steht wohl hinter dem Kompromiss.
Als neuesten Schachzug bringt die FDP ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages ins Spiel, das verfassungsrechtliche Bedenken formuliert. “Der Wissenschaftliche Dienst bestätigt, was die FDP seit Monaten vorträgt. Es liegen keinerlei wissenschaftliche Erkenntnisse vor, die einen direkten Zusammenhang zwischen Werbeverboten und dem Übergewicht von Kindern belegen”, sagt der agrarpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Gero Hocker, der das Gutachten in Auftrag gegeben hat.
Das von FDP-Mann Marco Buschmann geführte Bundesjustizministerium, das grundsätzlich im Rahmen regierungsinterner Abstimmungen von Gesetzentwürfen eine Einschätzung abgibt, wollte zu den verfassungsrechtlichen Bedenken des Wissenschaftlichen Dienstes zwar keine Stellung nehmen. Nach den letzten Entwicklungen ist es aber schwer vorstellbar, dass ausgerechnet das BMJ das Kinder-Lebensmittel-Werbegesetz anstandslos passieren lässt.
Nach einem vermeintlichen Querschuss von SPD-Parteichef Lars Klingbeil im September waren zudem Zweifel aufgekommen, ob die SPD den Entwurf von Bundesernährungsminister Cem Özdemir unterstützt. Özdemir habe Klingbeil darauf angesprochen, heißt es dazu aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL). Dieser habe ihm versichert, dass er falsch interpretiert worden sei. Der Minister gehe daher weiter davon aus, dass die SPD hinter seinem Gesetzentwurf steht. Die Pressestelle des SPD-Parteivorstandes wollte dies allerdings weder bestätigen noch dementieren.
Auf den parlamentarischen Prozess ausweichend, kommentiert die SPD-Agrarpolitikerin Peggy Schierenbeck (MdB): “Das BMEL hat mit dem Entwurf folgerichtig den Koalitionsvertrag umgesetzt. Das findet unsere große Unterstützung. Die Details schauen wir uns als SPD-Fraktion an, wenn eine Einigung in der Bundesregierung gefunden worden ist.”
Erst im Juni war Özdemir den Kritikern des Gesetzentwurfs mit einer abgeschwächten Version entgegengekommen. Ursprünglich hatte er Fernsehwerbung von Lebensmitteln mit zu hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt von 6.00 bis 23.00 Uhr verbieten wollen. Nun sollen diese Verbote wochentags nur noch von 17.00 bis 22.00 Uhr und samstags zusätzlich von 8.00 bis 11.00 Uhr gelten. Nur am Sonntag soll es bei einem umfassenden Verbot von 8.00 bis 22.00 Uhr bleiben. “Wir konzentrieren uns bei den Sendezeiten nun auf die Kinder-Primetime – also auf die Zeitfenster, in denen besonders viele Kinder zuschauen”, erläuterte der Minister in einem Interview.
Im Hinblick auf Plakatwerbung hat Özdemir seinen Gesetzentwurf ebenfalls abgeschwächt. Die geplante “Bannmeile” im Umkreis von 100 Metern von Kitas, Schulen, Spielplätzen und Freizeiteinrichtungen ist nur noch für Kitas und Schulen vorgesehen.
Auch im überarbeiteten Gesetzentwurf bleibt es jedoch an dem vor allem von der Lebensmittel- und der Werbeindustrie kritisierten Umstand, dass sich das Verbot im Fernsehen “pauschal” auf Werbespots erstreckt, die sich “nach ihrem zeitlichen, inhaltlichen oder räumlichen Kontext an Kinder richtet.” Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Fernsehsendungen, in deren Umfeld die Werbung erscheint, explizit Kindersendungen sind.
Das heißt konkret: Von Özdemirs Verbot würden beispielsweise auch Werbespots im Umfeld von Casting-Shows oder Fußballübertragungen erfasst, die sich nicht direkt an Kinder richten, die aber auch von ihnen geschaut werden, kritisiert der Zentralverband der Deutschen Werbewirtschaft (ZAW) in einer Analyse.
Auch würde das Verbot demnach generell für Werbespots gelten, die sich primär an Erwachsene wenden, wenn die beworbenen Lebensmittel zu viel Zucker, Fett oder Salz enthalten. Also: Nicht nur Werbespots für Gummibärchen, sondern auch für Goudakäse wären in den von Özdemir geplanten Tageszeiten verboten. Der ZAW schlussfolgert daher: “Die jetzt vorgenommenen Anpassungen bei der vorgesehenen Sendezeitbeschränkung ändern nichts daran, dass weiterhin offensichtlich Erwachsene in der Primetime die Zielgruppe des Werbeverbotes sein soll.”
Der FDP geht Özdemirs Entgegenkommen nicht weit genug. Hocker kritisiert, die Regelungen seien zu allgemein. “Wir sind nicht gegen Beschränkungen der Fernsehwerbung für ungesunde Lebensmittel. Aber Beschränkungen sollten nur dann gelten, wenn sich die Werbung zielgerichtet an Kinder richtet.” Er fordert daher, dass Özdemir die zeitlichen Vorgaben bei der Fernsehwerbung ganz fallen lässt. Auch auf die WHO-Grenzwerte soll der Minister nach Ansicht Hockers ganz verzichten.
Grundsätzliches Ziel des geplanten Gesetzes ist es, die seit Jahren wachsende Anzahl von übergewichtigen Kindern durch die Einschränkung von Werbung für ungesunde Lebensmittel einzudämmen. Für die Entscheidung darüber, ob ein beworbenes Lebensmittel gesundheitsschädlich ist, zieht das geplante Gesetz Grenzwerte für den Zucker-, Fett- und Salzgehalt heran, die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert wurden.
Das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes (WD) fällt aus zwei verfassungsrechtlichen Gründen kritisch aus. So sieht der WD die gesetzgeberische Zuständigkeit für das Thema “Werbung für Lebensmittel” eher bei den Bundesländern. Würde das Thema unter das Lebensmittelrecht fallen, dann wäre der Bund zuständig. Aber: “Die besseren Argumente sprechen für die Annahme, dass die Regelungen des KLWG im Schwerpunkt medienregulierender und nicht lebensmittelregulierender Art sind.” Und damit wären die Bundesländer zuständig.
Darüber hinaus stellt der WD fest, dass es Özdemirs Werbeverbot an der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung fehlt: “Für den Nachweis der Geeignetheit der Werbeverbote zum Gesundheitsschutz bzw. der Verhinderung von Übergewicht bei Kindern fehlen bislang, soweit ersichtlich, einschlägige wissenschaftliche Erkenntnisse.” Dies müsste jedoch gegeben sein, weil der Gesetzentwurf in Grundrechte eingreift. Für die Lebensmittelhersteller stellt der WD einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit und die Meinungsfreiheit fest, die Verbraucher seien in ihrer Informationsfreiheit und die Mediendienstleister in der Presse- und Rundfunkfreiheit sowie der Berufsausübungsfreiheit betroffen.
Allerdings schränkt der WD sein Urteil in diesem Punkt wieder ein: Das Einschätzungsvorrecht habe der Gesetzgeber. Da bestehende Regularien und Maßnahmen bisher nicht genügten, um das Ziel der Verhinderung von Übergewicht bei Kindern zu erreichen, “sodass auch die Erforderlichkeit des Werbeverbotes angenommen werden kann.”
Gero Hocker erwartet jetzt, dass Landwirtschaftsminister Özdemir einen weiteren Gesetzentwurf in Abstimmung mit der FDP erarbeitet. Man könnte mit dem Gesetz schon viel weiter sein, wenn der Minister von Anfang an so vorgegangen wäre. “Von dem ersten Gesetzentwurf haben wir erst aus den Medien erfahren”, kritisiert er.
Derzeit sieht es jedenfalls so aus, als habe das Kinder-Lebensmittel-Werbegesetz noch einen langen Weg vor sich. Jürgen Clemens, Kai Moll
Industriell betriebene Landwirtschaft verursacht immense ökologische Schäden. Das bestreiten selbst Befürworter nicht. Sie gehen aber davon aus, dass die wachsende Weltbevölkerung nur mit einer – reformierten – industriellen Landwirtschaft ernährt werden kann. Dem widersprachen schon 2008 mehr als 400 Wissenschaftler im Weltagrarbericht und propagierten eine ökologische Landwirtschaft. Dieses Konzept ist wichtig für die Vereinten Nationen, die im Rahmen der Dekade zur Wiederstellung von Ökosystemen die Zerstörung und Verschlechterung von Milliarden Hektar an Ökosystemen stoppen und umkehren will. Einer der Partnerbetriebe ist die Fattoria La Vialla.
Der Betrieb praktiziert mit der biologisch-dynamischen eine Form der regenerativen Landwirtschaft. Er zeigt, dass dies großflächig möglich ist: Seit mehr als 40 Jahren bewirtschaftet die Familie Lo Franco mehr als 2.000 Hektar Land und Wald. In dem Projekt der UN sieht sie eine große Chance. “Vor allem hoffen wir, dass dadurch mehr Bewusstsein, mehr Sichtbarkeit für eine regenerative, klimapolitische Landwirtschaft entsteht – die andere inspiriert, zu handeln”, sagt Antonio Lo Franco, der mit seinen beiden Brüdern den Betrieb führt. Denn die biologisch-dynamische Landwirtschaft könne nicht nur die Weltbevölkerung ernähren, sondern auch einen Mehrwert für das Gemeinwohl schaffen.
Die fast 200 Menschen, die in dem Betrieb Landwirtschaft betreiben und Nahrungsmittel herstellen, arbeiten nicht gegen, sondern mit der Natur. Wichtige Arbeitsfelder sind:
Mit ihrer Art der Landwirtschaft beteiligen sie sich an der Lösung zweier zentraler Probleme der Menschheit: Der Zerstörung von Böden sowie der Verursachung von CO₂-Emissionen.
In einer Handvoll Ackerboden leben mehr Kleinstorganismen als Menschen auf dem Planeten. Sie bilden einen wichtigen Teil des Humus, also jener dünnen Schicht, auf dem unsere Nahrung wächst. Eigentlich müsste die Menschheit sorgsam mit den Böden umgehen. Denn nur ein Drittel der Fläche ist für die Landwirtschaft überhaupt geeignet und davon wiederum nur ein Drittel für eine intensive Landwirtschaft. Aber vielerorts zerstört die Landwirtschaft Böden und damit die Lebensgrundlage der Menschen. Wind und Wasser tragen jedes Jahr mehr als 24 Milliarden Tonnen der Erdkrume fort.
Weltweit sind schon 20 bis 25 Prozent der Böden erodiert, was enorme Kosten verursacht, weltweit 10 bis 17 Prozent der Weltwirtschaftsleistung. “Das können wir ändern”, sagt Hans Rudolf Herren, Co-Herausgeber des Weltagrarberichts. Denn die Natur habe selbst effektive Maßnahmen, die man wirken lassen solle. Und die Landwirte hätten über die Jahrtausende ein Wissen entwickelt, wie die Bodenfruchtbarkeit erhalten werden kann.
Alceo Orsini, Chefagronom bei der Fattoria La Vialla, hat früher in einer konventionellen Hühnerfarm gearbeitet, mit hunderttausenden Federviechern in Legebatterien. “Gab es ein Problem, studierte ich die Kataloge der Chemiekonzerne.” Vor mehr als 20 Jahren wechselte er die Seite und dachte um: Früher war Natur für ihn “ein notwendiges Übel, heute ist sie ein Ermöglicher und Partner“. Sie finde auch selbst wieder zum Gleichgewicht. Bei falschem Mehltau hätte er früher zum Spritzmittel gegriffen, heute lasse er die Natur wirken.
“Wenn man den Boden pflügt, ist er nackt”, sagt er: Und diese Nacktheit versetze den Boden praktisch in eine “Schockstarre”. Er und sein Team greifen so wenig wie möglich in die Natur ein, bei den Oliven praktisch gar nicht. “Eigentlich bringen wir nur Kompost auf, der Grundgedanke ist einfach, den ganzen Hain fruchtbar zu halten. Also bearbeiten wir nicht jeden einzelnen Baum, sondern das ganze Ökosystem“, sagt er beim Gang über das Gelände. Im Weinberg arbeiten die Bauern zusätzlich mit Gründüngung. “Was wir praktisch aus dem Olivenhain und dem Weinberg an organischer Substanz holen, kompensieren wir mit dem, was wir dem Boden zurückgeben”, sagt er.
Den Effekt ließen sie von einem Labor bestimmen – sie gaben im Abstand von fünf Jahren Bodenproben aus sieben ihrer Weinberge ab. Demnach stieg der Anteil des Humus im Boden, von 2015 bis 2020 je nach Weinberg um elf bis 46 Prozent. “Das ist eine sehr hohe Zahl”, sagt der Agrarwissenschaftler Axel Don vom staatlichen Thünen-Institut in Braunschweig. Denn der Aufbau von Humus vollziehe sich nur sehr langsam. Bei einer guten Herangehensweise sei gewöhnlich ein Aufbau von einem halben Prozent jährlich möglich, also 10 Prozent in 20 Jahren. Man könne auch mehr erreichen, wenn man Humus oder Stallmist aufbringe, aber das sei nur eine Verschiebung der organischen Substanz.
Die Landwirtschaft ist einer der Hauptverursacher von Treibhausgas-Emissionen, neben den Branchen Energieerzeugung, Industrie und Verkehr. La Vialla misst seinen CO₂-Fußabdruck seit dem Jahr 2008. 2021 hat der Betrieb nach eigenen Angaben durch seine Art der Landwirtschaft und Umweltprojekte rund 7.000 Tonnen mehr CO₂ gebunden als emittiert. Für den Zeitraum von 2014 bis 2021 belaufe sich dieser Wert auf fast 37.000 Tonnen CO₂.
Der Betrieb mit Vorbildcharakter engagiert sich lokal und international. So half die Familienstiftung 122 Kleinbetrieben in Italien bei der Umstellung auf Methoden der biologisch-dynamischen Landwirtschaft, verarbeitet teilweise auch deren Ernte. Aber zu den praktischen und theoretischen Schulungen kommen auch Bauern und Bäuerinnen aus der Ferne. Zudem unterstützt die Stiftung Projekte, wie das von Slow Food International vorangetriebene Anlegen von kommunalen Gemüsegartenprojekten in einigen afrikanischen Ländern wie Togo, Burkina Faso oder Nigeria.
Der Betrieb setzt auch Technologie ein, wo es ihm sinnvoll erscheint. So hätten sie mit Partnern eine Maschine entwickelt, die es erlaube, jedes einzelne Blatt eines Rebstocks mit Kupfer zu besprühen. Gleichzeitig sauge die Maschine alles auf, was nicht auf das Blatt gelangt.
“Ökonomisch funktioniert diese Art des Wirtschaftens aber nur, weil wir den ganzen Kreislauf geschlossen haben”, sagt Orsini, “weil wir Obst, Gemüse, Getreide und Fleisch eben selbst weiterverarbeiten und direkt an die Endverbraucher verkaufen”. Denn für solchermaßen verarbeitete Produkte seien die Margen höher als für frische Sachen, wo der Markt “kaputt sei”. Der Betrieb profitiert allerdings auch von den Subventionen, die landwirtschaftliche Betriebe in der EU erhalten.
Das Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) will bei den nationalen Förderrahmenbedingungen der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union (GAP) weiter nachjustieren. Wie aus einem Diskussionspapier des Ministeriums hervorgeht, schlägt das BMEL vor, zwei neue Öko-Regelungen in den nationalen Strategieplan aufzunehmen und in dem Zusammenhang das Budget für die Öko-Regelungen in Deutschland ab dem Antragsjahr 2025 zu erhöhen.
Zusätzlich zu den sieben bestehenden Öko-Regelungen bringt das BMEL, das sich hierzu mit Verbänden und Einrichtungen wie dem Thünen-Institut abgestimmt hat, eine Öko-Regelung für grünlandbewirtschaftende Betriebe ins Spiel. Diese sieht die Förderung von Dauergrünlandflächen vor, die nicht häufiger als zweimal jährlich gemäht werden. Zugleich schlägt das BMEL eine Öko-Regelung für die emissionsarme Ausbringung von Wirtschaftsdünger durch Techniken wie die Schleppschuhtechnik und die Schlitztechnik vor.
Um diese neuen Regelungen zu finanzieren, wäre ab 2025 mehr Geld nötig. Denn: “Eine Finanzierung neuer Öko-Regelungen alleine durch die Nutzung und/oder Reduzierung von Finanzmitteln bei bestehenden Öko-Regelungen ist in dem erforderlichen Finanzmittelumfang nicht möglich”, heißt es in dem Papier aus dem BMEL. Das Ministerium erwägt deshalb, den Anteil der Öko-Regelungen am Budget der 1. Säule der GAP zu erhöhen. Statt der bisherigen 23 Prozent, sollen demnach bis zu 28 Prozent der Direktzahlungen für die Öko-Regelungen aufgewandt werden.
Diese Anhebung sei jedoch im Zusammenhang mit einer eventuellen Erhöhung der Mittelumschichtung in die zweite Säule zu sehen, führt das BMEL in dem Diskussionspapier aus. Gegenfinanziert werden soll die Budgetsteigerung für die Öko-Regelungen durch die Absenkung der Einkommensgrundstützung um 13 Euro pro Hektar im Antragsjahr 2025.
Joachim Ruckwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), kritisierte den Vorschlag der Budgeterhöhung für die Öko-Regelungen gegenüber AGRA-EUROPE. Diese führe zu einer Reduktion der Basisprämie und veranlasse immer mehr Landwirte dazu, aus der GAP auszusteigen, befürchtet er. Die beiden neuen Öko-Regelungen, die das BMEL vorschlägt, würden laut Ruckwied zwar in die richtige Richtung gehen, reichten jedoch nicht aus, so der DBV-Präsident.
Anders sieht dies der Naturschutzbund Deutschland (NABU). Dessen Referentin für Agrobiodiversität, Laura Henningson, hält eine neue Öko-Regelung für grünlandbewirtschaftende Betriebe für dringend notwendig, da Betriebe mit Weidehaltung ihr zufolge an den existierenden Öko-Regelungen nicht teilnehmen könnten. Die vom BMEL vorgeschlagene Maßnahme zur emissionsarmen Ausbringung von Wirtschaftsdünger durch bestimmte Technik hält Henningson hingegen für eine “reine Geldverteilungsregelung”. Diese sei ökologisch weniger sinnvoll, da vor allem Betriebe, die sich den Kauf neuerer Technik leisten können, davon profitieren, so die NABU-Referentin.
Hubert Heigl, Naturland-Präsident und Vorstand Landwirtschaft im Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), teilt diese Einschätzungen. In der Öko-Regelung zur emissionsarmen Ausbringung von Wirtschaftsdünger kann er “keine positive Umweltwirkung” erkennen. Heigl fordert deshalb: “Im Sinne der Umwelt muss das Geld besser eingesetzt werden.” Er schlägt aus diesem Grund eine Förderung besonders niedriger Stickstoff- und Phosphor-Salden vor, durch die deutlichere eine Wirkung für Klima und Biodiversität zu erreichen sei.
Das Diskussionspapier aus dem BMEL soll nun als Nächstes bei der Amtschefkonferenz Mitte Januar aufgegriffen werden, ehe die Agrarministerkonferenz und der Bundesrat etwaige Anpassungen der nationalen Umsetzung der GAP diskutieren. heu
Anlässlich der bevorstehenden Novellierung des Bundeswaldgesetzes (BWaldG) haben der World Wide Fund For Nature (WWF), der Naturschutzbund Deutschland (NABU), der Deutsche Naturschutzring (DNR) und die Deutsche Umwelthilfe (DUH) eine vollständige Überarbeitung des Gesetzes gefordert und einen Entwurf vorgelegt. Das aktuelle, aus dem Jahr 1975 stammende BWaldG, kenne weder Klimakrise noch Artensterben und schaffe nicht den notwendigen Rahmen, um Wälder gegen zunehmende Extremwetter und eine steigende Holznachfrage zu wappnen, heißt es in dem Gesetzentwurf der Verbände.
Im Zentrum des Entwurfs stehen “der Erhalt und die Stärkung des Ökosystems Wald” und der Schutz der Wälder vor den Klimafolgen. Insbesondere solle die Waldbewirtschaftung naturverträglicher und damit zukunftsfähig gestaltet werden, um die Selbstregulierungskräfte des Waldes zu stärken, erklärte NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger. Mit einem neuen und zeitgemäßen Bundeswaldgesetz seien enorme Chancen für Natur und Wirtschaft gleichermaßen verbunden, betonte Krüger.
Nun hat sich auch der Dachverband der deutschen Waldbesitzerverbände hierzu geäußert. Andreas Bitter, Präsident der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände, kritisiert den Waldgesetz-Entwurf scharf. Der Vorschlag missachte “die grundgesetzlich geschützte Eigentümerautonomie und Bewirtschaftungsfreiheit” und käme “einer de facto-Enteignung gleich”, meint Bitter. Zudem seien die formulierten Grundpflichten für Waldeigentümer “praxisfern” und würden der Anpassung der Wälder an den Klimawandel “in keiner Weiser gerecht” werden. “Wir sind allerdings zuversichtlich, dass das BMEL diese Vorschläge ebenfalls als schlichtweg ungeeignet bewerten wird”, so Bitter weiter.
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ist bereits mit der Novellierung des BWaldG befasst. Wie ein Sprecher auf Anfrage von Table.Media mitteilte, arbeite man derzeit mit Hochdruck an der BWaldG-Novelle. Im Herbst soll sie in die Ressortabstimmung und die Länder- und Verbändeanhörung gehen. “Leitmotiv ist dabei, den Wald und seine vielfältigen Ökosystemleistungen wegen ihrer Bedeutung insbesondere für das Klima, die Biodiversität und die Wertschöpfung zu erhalten”, so der Sprecher. Die Neufassung des BWaldG soll im Frühjahr 2024 ins Kabinett gebracht werden.
Laut Waldzustandserhebung 2022 ist der Wald in Deutschland in keinem guten Zustand. Über alle Baumarten hinweg ist das Schadensniveau auf dem höchsten Stand seit Beginn der systematischen Erfassung in den 1980er Jahren. ch/ag
23.10.-24.10.2023, Luxemburg
Rat der EU: Landwirtschaft und Fischerei
Themen: Gedankenaustausch zur ICCAT-Jahrestagung, Gedankenaustausch zur Abfallrahmenrichtlinie (lebensmittelbezogene Aspekte), Gedankenaustausch zur Marktlage (insbesondere nach der Invasion in die Ukraine). Vorläufige Tagesordnung
24.10.2023 – 18:00-19:30 Uhr, Hannover/online
Podiumsdiskussion Internationaler Agrarhandel: Wie die EU auf Kosten anderer Länder grüner wird
Die Volkswagenstiftung (VWS) beschäftigt sich mit dem Missverhältnis aus der Verschärfung der Standards für in der EU hergestellte Agrarprodukte und der fehlenden Förderung von einer nachhaltigen Produktion in den Ländern, aus denen die EU importiert INFOS & ANMELDUNG
24.10.2023 – 18:30, Zoo Palast Berlin
Award Verleihung 10. Verleihung des Ceres Awards – Landwirt des Jahres 2023
Der CERES AWARD ist ein jährlich in Deutschland verliehener Premiumpreis, der sich sowohl als Sprachrohr in die landwirtschaftliche Branche als auch als Repräsentant nach außen versteht – seriös, modern, fachlich fundiert und gleichzeitig hoch emotional. Ausgelobt in 10 Kategorien, spiegelt der CERES AWARD die Vielfalt moderner Landwirtschaft wider. INFOS
25.10.2023 – 18.00 – 20.00 Uhr /online
Live Webinar KI in der Landwirtschaft: weg vom Hype – hin zum Nutzen
Künstliche Intelligenz (KI) nervt. Zuletzt steht der Begriff vor allem für einen Hype. top agrar will das ändern und schaut im digitalen Scheunengespräch auf den konkreten Nutzen, den KI für die landwirtschaftliche Praxis hat. Denn die Technologie hält für tierhaltende und ackerbauliche Betriebe relevante Lösungsansätze für den täglichen Einsatz bereit. INFOS & ANMELDUNG
23.10. – 27.10.2023, Rom / online
Plenarsitzung 51. Plenarsitzung des CFS (Ausschuss für Welternährungssicherheit)
Im CFS entwickeln Regierungsvertreter, Vertreter von internationalen Organisationen sowie Akteure aus VN Organisationen, Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Privatsektor und Stiftungen gemeinsam Strategien und freiwillige Richtlinien. Diese verfolgen das Ziel, weltweit Hunger zu bekämpfen und Ernährung zu sichern sowie das Menschenrecht auf Nahrung zu fördern. INFOS
09.11.2023 – 19.00- 21.00 Uhr / Landesvertretung des Saarlandes in Berlin
Diskussion Ertrag oder Artenvielfalt? So schaffen wir beides!
Die Landwirtschaft soll hohe Erträge ernten und gleichzeitig die Artenvielfalt fördern – das fordert die Gesellschaft. Doch wie geht das zusammen? Was erwarten Praktiker und Politiker voneinander? Wo fehlt es an Verständnis, wo an Fachtiefe? Und welche Lösungsansätze halten beiden Blickrichtungen stand? INFOS
11.11.2023, Hannover
Diskussionsforum Wirtschaftsforum der agrarzeitung
Bei dem Wirtschaftsforum der agrarzeitung trifft sich ein ausgewählter Kreis von Vertreterinnen und Vertretern von Landtechnik- und Handelsunternehmen der Agrarwirtschaft, führenden Herstellern von Betriebsmitteln, sowie innovativen Agrifood-Start-Ups zum jährlichen Austausch. INFOS
04.12.2023 – 10:00-14:00 Uhr, Berlin
BMEL Festveranstaltung zum Boden des Jahres 2024
Am 5. Dezember 2023 wird im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in Berlin der “Boden des Jahres 2024” gekürt. Die Festveranstaltung findet im Rahmen des Internationalen Weltbodentags statt, der die Bedeutung des Bodens und seine Schutzwürdigkeit besonders hervorheben soll. INFOS
Moore haben eine beruhigende Wirkung auf Franziska Tanneberger. Feldforschung, Treffen mit NGOs oder Anhörungen im Bundestag – der Arbeitsalltag der 45-Jährigen ist meistens hektisch. “Aber im nassen Moor sinke ich ein, ich gehe automatisch langsamer und genieße die Landschaft.”
Gemeinsam mit ihrer Kollegin Greta Gaudig leitet Tanneberger seit 2015 das Greifswald Moor Centrum. Ihre Schwerpunkte liegen in der Forschung zu Biodiversitäts- und Klimaschutz, beispielsweise zu den Treibhausgasemissionen aus Moorböden, sowie in Projekten zur praktischen Umsetzung von Landnutzungskonzepten. Tanneberger ist auf Niedermoore spezialisiert, während ihre Kollegin Gaudig Expertin für Hochmoore ist.
Nach ihrem Studium in Landschaftsökologie und Naturschutz an der Universität Greifswald forschte sie zunächst zu Mooren im osteuropäischen Ausland. Bis sie sich fragte, wie es um die Moore vor unserer Haustür steht.
In der EU machen Moore eine Fläche von rund 59 Millionen Hektar aus – und etwa die Hälfte davon gilt wegen Torfabbau und Entwässerung als geschädigt. In der Global Peatland Database sammelt das Greifswald Moor Centrum Daten über ihren weltweiten Zustand. “In Deutschland sind über 95 Prozent geschädigt. Die wichtigste Ursache ist nicht Torfabbau, sondern die Entwässerung für die Landwirtschaft”, erklärt Tanneberger.
In Deutschland stammen 7,5 Prozent der jährlichen Treibhausgasemissionen aus der Zersetzung von Moorböden. “Moore sind die große Klimabaustelle”, sagt Tanneberger. Viele der negativen Faktoren, wie die Freisetzung von CO₂, seien den Menschen in der Vergangenheit jedoch nicht bewusst gewesen, so Tanneberger: “Wir haben unsere Moore stark entwässert und verändert, um die Flächen besser bewirtschaften zu können. Mir ist aber wichtig, nicht mit dem Finger auf jemanden zu zeigen.”
Mit dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz, das im März 2023 vom Kabinett beschlossen wurde, werden bis 2026 4 Milliarden Euro für Ökosystemschutz bereitgestellt – auch für Moorwiedervernässungen. Das Greifswald Moor Centrum hat 2023 eine Studie zu den Hürden und Lösungen bei der Umsetzung von Moorschutz durchgeführt. Besonders wichtig: Strukturen vor Ort aufbauen, um Maßnahmen sinnvoller und schneller umzusetzen, erklärt Tanneberger.
“Ich fürchte auch, der Begriff Renaturierung schreckt viele Landwirtinnen und Landwirte ab und motiviert nicht zur Wiedervernässung“, sagt Tanneberger. Wesentlich für das Ökosystem Moor sei aber ein natürlich hoher Wasserstand.
Und das biete verschiedene Landnutzungsmöglichkeiten: Beispielsweise die Nutzung von Moorpflanzen wie Schilf und Rohrkolben als Bau- oder Verpackungsmaterialien, meint Tanneberger. Aktuell forscht sie dazu und unterstützt bei der Umsetzung: “Von Landwirtinnen und Landwirten zu lernen und mit ihnen zusammenzuarbeiten, treibt mich sehr an.”
Das Projekt ToMOORow liegt ihr besonders am Herzen: Hier arbeiten die Umweltstiftung Michael Otto, die Michael Succow Stiftung und das Greifswald Moor Centrum mit Wirtschaftsunternehmen zusammen. “Es geht darum, die Potenziale von Moorschutz für Wirtschaftsunternehmen zu aktivieren”, sagt Tanneberger. Sie hofft, dass so die wachsende Bereitschaft von Landwirtinnen und Landwirten zum Klimaschutz und das Interesse der Wirtschaft an klimapositiven Produkten zusammenfinden – und mehr Moore wieder vernässt werden.
Seit über 14 Jahren lebt Tanneberger mit ihrer Familie auf Rügen. Wenn sie nicht gerade im Moor unterwegs ist, geht sie in der Ostsee schwimmen. Im März hat sie außerdem ihr erstes Buch veröffentlicht. Leoni Bender
heute stimmt der Umweltausschuss des Europaparlaments (ENVI) über die nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (Sustainable Use Regulation) ab. Im Vorfeld kündigt die EVP an, nur unter bestimmten Voraussetzungen zustimmen zu wollen. Ihre Zustimmung zur geplanten Verordnung der EU-Kommission knüpfen die Konservativen an Lockerungen:
Eine knappe Mehrheit wäre allerdings auch ohne die EVP möglich. Vorausgesetzt, die Liberalen stimmen mehrheitlich für den Kompromiss, auf den sich Berichterstatterin Sarah Wiener (Grüne) vergangene Woche mit Vertretern von Linken, Liberalen und Sozialdemokraten geeinigt hat. In einigen Punkten ist dieser strenger, als der Vorschlag der EU-Kommission. Beispielsweise sieht der Kompromiss vor, “gefährliche” Pestizide bis 2030 um 65 Prozent zu reduzieren. Der Kommissionsvorschlag sieht lediglich eine Halbierung bis 2030 vor. Dennoch sind die Grünen optimistisch gestimmt: Der Liberale Jan Huitema aus den Niederlanden steht wohl hinter dem Kompromiss.
Als neuesten Schachzug bringt die FDP ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages ins Spiel, das verfassungsrechtliche Bedenken formuliert. “Der Wissenschaftliche Dienst bestätigt, was die FDP seit Monaten vorträgt. Es liegen keinerlei wissenschaftliche Erkenntnisse vor, die einen direkten Zusammenhang zwischen Werbeverboten und dem Übergewicht von Kindern belegen”, sagt der agrarpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Gero Hocker, der das Gutachten in Auftrag gegeben hat.
Das von FDP-Mann Marco Buschmann geführte Bundesjustizministerium, das grundsätzlich im Rahmen regierungsinterner Abstimmungen von Gesetzentwürfen eine Einschätzung abgibt, wollte zu den verfassungsrechtlichen Bedenken des Wissenschaftlichen Dienstes zwar keine Stellung nehmen. Nach den letzten Entwicklungen ist es aber schwer vorstellbar, dass ausgerechnet das BMJ das Kinder-Lebensmittel-Werbegesetz anstandslos passieren lässt.
Nach einem vermeintlichen Querschuss von SPD-Parteichef Lars Klingbeil im September waren zudem Zweifel aufgekommen, ob die SPD den Entwurf von Bundesernährungsminister Cem Özdemir unterstützt. Özdemir habe Klingbeil darauf angesprochen, heißt es dazu aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL). Dieser habe ihm versichert, dass er falsch interpretiert worden sei. Der Minister gehe daher weiter davon aus, dass die SPD hinter seinem Gesetzentwurf steht. Die Pressestelle des SPD-Parteivorstandes wollte dies allerdings weder bestätigen noch dementieren.
Auf den parlamentarischen Prozess ausweichend, kommentiert die SPD-Agrarpolitikerin Peggy Schierenbeck (MdB): “Das BMEL hat mit dem Entwurf folgerichtig den Koalitionsvertrag umgesetzt. Das findet unsere große Unterstützung. Die Details schauen wir uns als SPD-Fraktion an, wenn eine Einigung in der Bundesregierung gefunden worden ist.”
Erst im Juni war Özdemir den Kritikern des Gesetzentwurfs mit einer abgeschwächten Version entgegengekommen. Ursprünglich hatte er Fernsehwerbung von Lebensmitteln mit zu hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt von 6.00 bis 23.00 Uhr verbieten wollen. Nun sollen diese Verbote wochentags nur noch von 17.00 bis 22.00 Uhr und samstags zusätzlich von 8.00 bis 11.00 Uhr gelten. Nur am Sonntag soll es bei einem umfassenden Verbot von 8.00 bis 22.00 Uhr bleiben. “Wir konzentrieren uns bei den Sendezeiten nun auf die Kinder-Primetime – also auf die Zeitfenster, in denen besonders viele Kinder zuschauen”, erläuterte der Minister in einem Interview.
Im Hinblick auf Plakatwerbung hat Özdemir seinen Gesetzentwurf ebenfalls abgeschwächt. Die geplante “Bannmeile” im Umkreis von 100 Metern von Kitas, Schulen, Spielplätzen und Freizeiteinrichtungen ist nur noch für Kitas und Schulen vorgesehen.
Auch im überarbeiteten Gesetzentwurf bleibt es jedoch an dem vor allem von der Lebensmittel- und der Werbeindustrie kritisierten Umstand, dass sich das Verbot im Fernsehen “pauschal” auf Werbespots erstreckt, die sich “nach ihrem zeitlichen, inhaltlichen oder räumlichen Kontext an Kinder richtet.” Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Fernsehsendungen, in deren Umfeld die Werbung erscheint, explizit Kindersendungen sind.
Das heißt konkret: Von Özdemirs Verbot würden beispielsweise auch Werbespots im Umfeld von Casting-Shows oder Fußballübertragungen erfasst, die sich nicht direkt an Kinder richten, die aber auch von ihnen geschaut werden, kritisiert der Zentralverband der Deutschen Werbewirtschaft (ZAW) in einer Analyse.
Auch würde das Verbot demnach generell für Werbespots gelten, die sich primär an Erwachsene wenden, wenn die beworbenen Lebensmittel zu viel Zucker, Fett oder Salz enthalten. Also: Nicht nur Werbespots für Gummibärchen, sondern auch für Goudakäse wären in den von Özdemir geplanten Tageszeiten verboten. Der ZAW schlussfolgert daher: “Die jetzt vorgenommenen Anpassungen bei der vorgesehenen Sendezeitbeschränkung ändern nichts daran, dass weiterhin offensichtlich Erwachsene in der Primetime die Zielgruppe des Werbeverbotes sein soll.”
Der FDP geht Özdemirs Entgegenkommen nicht weit genug. Hocker kritisiert, die Regelungen seien zu allgemein. “Wir sind nicht gegen Beschränkungen der Fernsehwerbung für ungesunde Lebensmittel. Aber Beschränkungen sollten nur dann gelten, wenn sich die Werbung zielgerichtet an Kinder richtet.” Er fordert daher, dass Özdemir die zeitlichen Vorgaben bei der Fernsehwerbung ganz fallen lässt. Auch auf die WHO-Grenzwerte soll der Minister nach Ansicht Hockers ganz verzichten.
Grundsätzliches Ziel des geplanten Gesetzes ist es, die seit Jahren wachsende Anzahl von übergewichtigen Kindern durch die Einschränkung von Werbung für ungesunde Lebensmittel einzudämmen. Für die Entscheidung darüber, ob ein beworbenes Lebensmittel gesundheitsschädlich ist, zieht das geplante Gesetz Grenzwerte für den Zucker-, Fett- und Salzgehalt heran, die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert wurden.
Das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes (WD) fällt aus zwei verfassungsrechtlichen Gründen kritisch aus. So sieht der WD die gesetzgeberische Zuständigkeit für das Thema “Werbung für Lebensmittel” eher bei den Bundesländern. Würde das Thema unter das Lebensmittelrecht fallen, dann wäre der Bund zuständig. Aber: “Die besseren Argumente sprechen für die Annahme, dass die Regelungen des KLWG im Schwerpunkt medienregulierender und nicht lebensmittelregulierender Art sind.” Und damit wären die Bundesländer zuständig.
Darüber hinaus stellt der WD fest, dass es Özdemirs Werbeverbot an der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung fehlt: “Für den Nachweis der Geeignetheit der Werbeverbote zum Gesundheitsschutz bzw. der Verhinderung von Übergewicht bei Kindern fehlen bislang, soweit ersichtlich, einschlägige wissenschaftliche Erkenntnisse.” Dies müsste jedoch gegeben sein, weil der Gesetzentwurf in Grundrechte eingreift. Für die Lebensmittelhersteller stellt der WD einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit und die Meinungsfreiheit fest, die Verbraucher seien in ihrer Informationsfreiheit und die Mediendienstleister in der Presse- und Rundfunkfreiheit sowie der Berufsausübungsfreiheit betroffen.
Allerdings schränkt der WD sein Urteil in diesem Punkt wieder ein: Das Einschätzungsvorrecht habe der Gesetzgeber. Da bestehende Regularien und Maßnahmen bisher nicht genügten, um das Ziel der Verhinderung von Übergewicht bei Kindern zu erreichen, “sodass auch die Erforderlichkeit des Werbeverbotes angenommen werden kann.”
Gero Hocker erwartet jetzt, dass Landwirtschaftsminister Özdemir einen weiteren Gesetzentwurf in Abstimmung mit der FDP erarbeitet. Man könnte mit dem Gesetz schon viel weiter sein, wenn der Minister von Anfang an so vorgegangen wäre. “Von dem ersten Gesetzentwurf haben wir erst aus den Medien erfahren”, kritisiert er.
Derzeit sieht es jedenfalls so aus, als habe das Kinder-Lebensmittel-Werbegesetz noch einen langen Weg vor sich. Jürgen Clemens, Kai Moll
Industriell betriebene Landwirtschaft verursacht immense ökologische Schäden. Das bestreiten selbst Befürworter nicht. Sie gehen aber davon aus, dass die wachsende Weltbevölkerung nur mit einer – reformierten – industriellen Landwirtschaft ernährt werden kann. Dem widersprachen schon 2008 mehr als 400 Wissenschaftler im Weltagrarbericht und propagierten eine ökologische Landwirtschaft. Dieses Konzept ist wichtig für die Vereinten Nationen, die im Rahmen der Dekade zur Wiederstellung von Ökosystemen die Zerstörung und Verschlechterung von Milliarden Hektar an Ökosystemen stoppen und umkehren will. Einer der Partnerbetriebe ist die Fattoria La Vialla.
Der Betrieb praktiziert mit der biologisch-dynamischen eine Form der regenerativen Landwirtschaft. Er zeigt, dass dies großflächig möglich ist: Seit mehr als 40 Jahren bewirtschaftet die Familie Lo Franco mehr als 2.000 Hektar Land und Wald. In dem Projekt der UN sieht sie eine große Chance. “Vor allem hoffen wir, dass dadurch mehr Bewusstsein, mehr Sichtbarkeit für eine regenerative, klimapolitische Landwirtschaft entsteht – die andere inspiriert, zu handeln”, sagt Antonio Lo Franco, der mit seinen beiden Brüdern den Betrieb führt. Denn die biologisch-dynamische Landwirtschaft könne nicht nur die Weltbevölkerung ernähren, sondern auch einen Mehrwert für das Gemeinwohl schaffen.
Die fast 200 Menschen, die in dem Betrieb Landwirtschaft betreiben und Nahrungsmittel herstellen, arbeiten nicht gegen, sondern mit der Natur. Wichtige Arbeitsfelder sind:
Mit ihrer Art der Landwirtschaft beteiligen sie sich an der Lösung zweier zentraler Probleme der Menschheit: Der Zerstörung von Böden sowie der Verursachung von CO₂-Emissionen.
In einer Handvoll Ackerboden leben mehr Kleinstorganismen als Menschen auf dem Planeten. Sie bilden einen wichtigen Teil des Humus, also jener dünnen Schicht, auf dem unsere Nahrung wächst. Eigentlich müsste die Menschheit sorgsam mit den Böden umgehen. Denn nur ein Drittel der Fläche ist für die Landwirtschaft überhaupt geeignet und davon wiederum nur ein Drittel für eine intensive Landwirtschaft. Aber vielerorts zerstört die Landwirtschaft Böden und damit die Lebensgrundlage der Menschen. Wind und Wasser tragen jedes Jahr mehr als 24 Milliarden Tonnen der Erdkrume fort.
Weltweit sind schon 20 bis 25 Prozent der Böden erodiert, was enorme Kosten verursacht, weltweit 10 bis 17 Prozent der Weltwirtschaftsleistung. “Das können wir ändern”, sagt Hans Rudolf Herren, Co-Herausgeber des Weltagrarberichts. Denn die Natur habe selbst effektive Maßnahmen, die man wirken lassen solle. Und die Landwirte hätten über die Jahrtausende ein Wissen entwickelt, wie die Bodenfruchtbarkeit erhalten werden kann.
Alceo Orsini, Chefagronom bei der Fattoria La Vialla, hat früher in einer konventionellen Hühnerfarm gearbeitet, mit hunderttausenden Federviechern in Legebatterien. “Gab es ein Problem, studierte ich die Kataloge der Chemiekonzerne.” Vor mehr als 20 Jahren wechselte er die Seite und dachte um: Früher war Natur für ihn “ein notwendiges Übel, heute ist sie ein Ermöglicher und Partner“. Sie finde auch selbst wieder zum Gleichgewicht. Bei falschem Mehltau hätte er früher zum Spritzmittel gegriffen, heute lasse er die Natur wirken.
“Wenn man den Boden pflügt, ist er nackt”, sagt er: Und diese Nacktheit versetze den Boden praktisch in eine “Schockstarre”. Er und sein Team greifen so wenig wie möglich in die Natur ein, bei den Oliven praktisch gar nicht. “Eigentlich bringen wir nur Kompost auf, der Grundgedanke ist einfach, den ganzen Hain fruchtbar zu halten. Also bearbeiten wir nicht jeden einzelnen Baum, sondern das ganze Ökosystem“, sagt er beim Gang über das Gelände. Im Weinberg arbeiten die Bauern zusätzlich mit Gründüngung. “Was wir praktisch aus dem Olivenhain und dem Weinberg an organischer Substanz holen, kompensieren wir mit dem, was wir dem Boden zurückgeben”, sagt er.
Den Effekt ließen sie von einem Labor bestimmen – sie gaben im Abstand von fünf Jahren Bodenproben aus sieben ihrer Weinberge ab. Demnach stieg der Anteil des Humus im Boden, von 2015 bis 2020 je nach Weinberg um elf bis 46 Prozent. “Das ist eine sehr hohe Zahl”, sagt der Agrarwissenschaftler Axel Don vom staatlichen Thünen-Institut in Braunschweig. Denn der Aufbau von Humus vollziehe sich nur sehr langsam. Bei einer guten Herangehensweise sei gewöhnlich ein Aufbau von einem halben Prozent jährlich möglich, also 10 Prozent in 20 Jahren. Man könne auch mehr erreichen, wenn man Humus oder Stallmist aufbringe, aber das sei nur eine Verschiebung der organischen Substanz.
Die Landwirtschaft ist einer der Hauptverursacher von Treibhausgas-Emissionen, neben den Branchen Energieerzeugung, Industrie und Verkehr. La Vialla misst seinen CO₂-Fußabdruck seit dem Jahr 2008. 2021 hat der Betrieb nach eigenen Angaben durch seine Art der Landwirtschaft und Umweltprojekte rund 7.000 Tonnen mehr CO₂ gebunden als emittiert. Für den Zeitraum von 2014 bis 2021 belaufe sich dieser Wert auf fast 37.000 Tonnen CO₂.
Der Betrieb mit Vorbildcharakter engagiert sich lokal und international. So half die Familienstiftung 122 Kleinbetrieben in Italien bei der Umstellung auf Methoden der biologisch-dynamischen Landwirtschaft, verarbeitet teilweise auch deren Ernte. Aber zu den praktischen und theoretischen Schulungen kommen auch Bauern und Bäuerinnen aus der Ferne. Zudem unterstützt die Stiftung Projekte, wie das von Slow Food International vorangetriebene Anlegen von kommunalen Gemüsegartenprojekten in einigen afrikanischen Ländern wie Togo, Burkina Faso oder Nigeria.
Der Betrieb setzt auch Technologie ein, wo es ihm sinnvoll erscheint. So hätten sie mit Partnern eine Maschine entwickelt, die es erlaube, jedes einzelne Blatt eines Rebstocks mit Kupfer zu besprühen. Gleichzeitig sauge die Maschine alles auf, was nicht auf das Blatt gelangt.
“Ökonomisch funktioniert diese Art des Wirtschaftens aber nur, weil wir den ganzen Kreislauf geschlossen haben”, sagt Orsini, “weil wir Obst, Gemüse, Getreide und Fleisch eben selbst weiterverarbeiten und direkt an die Endverbraucher verkaufen”. Denn für solchermaßen verarbeitete Produkte seien die Margen höher als für frische Sachen, wo der Markt “kaputt sei”. Der Betrieb profitiert allerdings auch von den Subventionen, die landwirtschaftliche Betriebe in der EU erhalten.
Das Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) will bei den nationalen Förderrahmenbedingungen der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union (GAP) weiter nachjustieren. Wie aus einem Diskussionspapier des Ministeriums hervorgeht, schlägt das BMEL vor, zwei neue Öko-Regelungen in den nationalen Strategieplan aufzunehmen und in dem Zusammenhang das Budget für die Öko-Regelungen in Deutschland ab dem Antragsjahr 2025 zu erhöhen.
Zusätzlich zu den sieben bestehenden Öko-Regelungen bringt das BMEL, das sich hierzu mit Verbänden und Einrichtungen wie dem Thünen-Institut abgestimmt hat, eine Öko-Regelung für grünlandbewirtschaftende Betriebe ins Spiel. Diese sieht die Förderung von Dauergrünlandflächen vor, die nicht häufiger als zweimal jährlich gemäht werden. Zugleich schlägt das BMEL eine Öko-Regelung für die emissionsarme Ausbringung von Wirtschaftsdünger durch Techniken wie die Schleppschuhtechnik und die Schlitztechnik vor.
Um diese neuen Regelungen zu finanzieren, wäre ab 2025 mehr Geld nötig. Denn: “Eine Finanzierung neuer Öko-Regelungen alleine durch die Nutzung und/oder Reduzierung von Finanzmitteln bei bestehenden Öko-Regelungen ist in dem erforderlichen Finanzmittelumfang nicht möglich”, heißt es in dem Papier aus dem BMEL. Das Ministerium erwägt deshalb, den Anteil der Öko-Regelungen am Budget der 1. Säule der GAP zu erhöhen. Statt der bisherigen 23 Prozent, sollen demnach bis zu 28 Prozent der Direktzahlungen für die Öko-Regelungen aufgewandt werden.
Diese Anhebung sei jedoch im Zusammenhang mit einer eventuellen Erhöhung der Mittelumschichtung in die zweite Säule zu sehen, führt das BMEL in dem Diskussionspapier aus. Gegenfinanziert werden soll die Budgetsteigerung für die Öko-Regelungen durch die Absenkung der Einkommensgrundstützung um 13 Euro pro Hektar im Antragsjahr 2025.
Joachim Ruckwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), kritisierte den Vorschlag der Budgeterhöhung für die Öko-Regelungen gegenüber AGRA-EUROPE. Diese führe zu einer Reduktion der Basisprämie und veranlasse immer mehr Landwirte dazu, aus der GAP auszusteigen, befürchtet er. Die beiden neuen Öko-Regelungen, die das BMEL vorschlägt, würden laut Ruckwied zwar in die richtige Richtung gehen, reichten jedoch nicht aus, so der DBV-Präsident.
Anders sieht dies der Naturschutzbund Deutschland (NABU). Dessen Referentin für Agrobiodiversität, Laura Henningson, hält eine neue Öko-Regelung für grünlandbewirtschaftende Betriebe für dringend notwendig, da Betriebe mit Weidehaltung ihr zufolge an den existierenden Öko-Regelungen nicht teilnehmen könnten. Die vom BMEL vorgeschlagene Maßnahme zur emissionsarmen Ausbringung von Wirtschaftsdünger durch bestimmte Technik hält Henningson hingegen für eine “reine Geldverteilungsregelung”. Diese sei ökologisch weniger sinnvoll, da vor allem Betriebe, die sich den Kauf neuerer Technik leisten können, davon profitieren, so die NABU-Referentin.
Hubert Heigl, Naturland-Präsident und Vorstand Landwirtschaft im Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), teilt diese Einschätzungen. In der Öko-Regelung zur emissionsarmen Ausbringung von Wirtschaftsdünger kann er “keine positive Umweltwirkung” erkennen. Heigl fordert deshalb: “Im Sinne der Umwelt muss das Geld besser eingesetzt werden.” Er schlägt aus diesem Grund eine Förderung besonders niedriger Stickstoff- und Phosphor-Salden vor, durch die deutlichere eine Wirkung für Klima und Biodiversität zu erreichen sei.
Das Diskussionspapier aus dem BMEL soll nun als Nächstes bei der Amtschefkonferenz Mitte Januar aufgegriffen werden, ehe die Agrarministerkonferenz und der Bundesrat etwaige Anpassungen der nationalen Umsetzung der GAP diskutieren. heu
Anlässlich der bevorstehenden Novellierung des Bundeswaldgesetzes (BWaldG) haben der World Wide Fund For Nature (WWF), der Naturschutzbund Deutschland (NABU), der Deutsche Naturschutzring (DNR) und die Deutsche Umwelthilfe (DUH) eine vollständige Überarbeitung des Gesetzes gefordert und einen Entwurf vorgelegt. Das aktuelle, aus dem Jahr 1975 stammende BWaldG, kenne weder Klimakrise noch Artensterben und schaffe nicht den notwendigen Rahmen, um Wälder gegen zunehmende Extremwetter und eine steigende Holznachfrage zu wappnen, heißt es in dem Gesetzentwurf der Verbände.
Im Zentrum des Entwurfs stehen “der Erhalt und die Stärkung des Ökosystems Wald” und der Schutz der Wälder vor den Klimafolgen. Insbesondere solle die Waldbewirtschaftung naturverträglicher und damit zukunftsfähig gestaltet werden, um die Selbstregulierungskräfte des Waldes zu stärken, erklärte NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger. Mit einem neuen und zeitgemäßen Bundeswaldgesetz seien enorme Chancen für Natur und Wirtschaft gleichermaßen verbunden, betonte Krüger.
Nun hat sich auch der Dachverband der deutschen Waldbesitzerverbände hierzu geäußert. Andreas Bitter, Präsident der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände, kritisiert den Waldgesetz-Entwurf scharf. Der Vorschlag missachte “die grundgesetzlich geschützte Eigentümerautonomie und Bewirtschaftungsfreiheit” und käme “einer de facto-Enteignung gleich”, meint Bitter. Zudem seien die formulierten Grundpflichten für Waldeigentümer “praxisfern” und würden der Anpassung der Wälder an den Klimawandel “in keiner Weiser gerecht” werden. “Wir sind allerdings zuversichtlich, dass das BMEL diese Vorschläge ebenfalls als schlichtweg ungeeignet bewerten wird”, so Bitter weiter.
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ist bereits mit der Novellierung des BWaldG befasst. Wie ein Sprecher auf Anfrage von Table.Media mitteilte, arbeite man derzeit mit Hochdruck an der BWaldG-Novelle. Im Herbst soll sie in die Ressortabstimmung und die Länder- und Verbändeanhörung gehen. “Leitmotiv ist dabei, den Wald und seine vielfältigen Ökosystemleistungen wegen ihrer Bedeutung insbesondere für das Klima, die Biodiversität und die Wertschöpfung zu erhalten”, so der Sprecher. Die Neufassung des BWaldG soll im Frühjahr 2024 ins Kabinett gebracht werden.
Laut Waldzustandserhebung 2022 ist der Wald in Deutschland in keinem guten Zustand. Über alle Baumarten hinweg ist das Schadensniveau auf dem höchsten Stand seit Beginn der systematischen Erfassung in den 1980er Jahren. ch/ag
23.10.-24.10.2023, Luxemburg
Rat der EU: Landwirtschaft und Fischerei
Themen: Gedankenaustausch zur ICCAT-Jahrestagung, Gedankenaustausch zur Abfallrahmenrichtlinie (lebensmittelbezogene Aspekte), Gedankenaustausch zur Marktlage (insbesondere nach der Invasion in die Ukraine). Vorläufige Tagesordnung
24.10.2023 – 18:00-19:30 Uhr, Hannover/online
Podiumsdiskussion Internationaler Agrarhandel: Wie die EU auf Kosten anderer Länder grüner wird
Die Volkswagenstiftung (VWS) beschäftigt sich mit dem Missverhältnis aus der Verschärfung der Standards für in der EU hergestellte Agrarprodukte und der fehlenden Förderung von einer nachhaltigen Produktion in den Ländern, aus denen die EU importiert INFOS & ANMELDUNG
24.10.2023 – 18:30, Zoo Palast Berlin
Award Verleihung 10. Verleihung des Ceres Awards – Landwirt des Jahres 2023
Der CERES AWARD ist ein jährlich in Deutschland verliehener Premiumpreis, der sich sowohl als Sprachrohr in die landwirtschaftliche Branche als auch als Repräsentant nach außen versteht – seriös, modern, fachlich fundiert und gleichzeitig hoch emotional. Ausgelobt in 10 Kategorien, spiegelt der CERES AWARD die Vielfalt moderner Landwirtschaft wider. INFOS
25.10.2023 – 18.00 – 20.00 Uhr /online
Live Webinar KI in der Landwirtschaft: weg vom Hype – hin zum Nutzen
Künstliche Intelligenz (KI) nervt. Zuletzt steht der Begriff vor allem für einen Hype. top agrar will das ändern und schaut im digitalen Scheunengespräch auf den konkreten Nutzen, den KI für die landwirtschaftliche Praxis hat. Denn die Technologie hält für tierhaltende und ackerbauliche Betriebe relevante Lösungsansätze für den täglichen Einsatz bereit. INFOS & ANMELDUNG
23.10. – 27.10.2023, Rom / online
Plenarsitzung 51. Plenarsitzung des CFS (Ausschuss für Welternährungssicherheit)
Im CFS entwickeln Regierungsvertreter, Vertreter von internationalen Organisationen sowie Akteure aus VN Organisationen, Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Privatsektor und Stiftungen gemeinsam Strategien und freiwillige Richtlinien. Diese verfolgen das Ziel, weltweit Hunger zu bekämpfen und Ernährung zu sichern sowie das Menschenrecht auf Nahrung zu fördern. INFOS
09.11.2023 – 19.00- 21.00 Uhr / Landesvertretung des Saarlandes in Berlin
Diskussion Ertrag oder Artenvielfalt? So schaffen wir beides!
Die Landwirtschaft soll hohe Erträge ernten und gleichzeitig die Artenvielfalt fördern – das fordert die Gesellschaft. Doch wie geht das zusammen? Was erwarten Praktiker und Politiker voneinander? Wo fehlt es an Verständnis, wo an Fachtiefe? Und welche Lösungsansätze halten beiden Blickrichtungen stand? INFOS
11.11.2023, Hannover
Diskussionsforum Wirtschaftsforum der agrarzeitung
Bei dem Wirtschaftsforum der agrarzeitung trifft sich ein ausgewählter Kreis von Vertreterinnen und Vertretern von Landtechnik- und Handelsunternehmen der Agrarwirtschaft, führenden Herstellern von Betriebsmitteln, sowie innovativen Agrifood-Start-Ups zum jährlichen Austausch. INFOS
04.12.2023 – 10:00-14:00 Uhr, Berlin
BMEL Festveranstaltung zum Boden des Jahres 2024
Am 5. Dezember 2023 wird im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in Berlin der “Boden des Jahres 2024” gekürt. Die Festveranstaltung findet im Rahmen des Internationalen Weltbodentags statt, der die Bedeutung des Bodens und seine Schutzwürdigkeit besonders hervorheben soll. INFOS
Moore haben eine beruhigende Wirkung auf Franziska Tanneberger. Feldforschung, Treffen mit NGOs oder Anhörungen im Bundestag – der Arbeitsalltag der 45-Jährigen ist meistens hektisch. “Aber im nassen Moor sinke ich ein, ich gehe automatisch langsamer und genieße die Landschaft.”
Gemeinsam mit ihrer Kollegin Greta Gaudig leitet Tanneberger seit 2015 das Greifswald Moor Centrum. Ihre Schwerpunkte liegen in der Forschung zu Biodiversitäts- und Klimaschutz, beispielsweise zu den Treibhausgasemissionen aus Moorböden, sowie in Projekten zur praktischen Umsetzung von Landnutzungskonzepten. Tanneberger ist auf Niedermoore spezialisiert, während ihre Kollegin Gaudig Expertin für Hochmoore ist.
Nach ihrem Studium in Landschaftsökologie und Naturschutz an der Universität Greifswald forschte sie zunächst zu Mooren im osteuropäischen Ausland. Bis sie sich fragte, wie es um die Moore vor unserer Haustür steht.
In der EU machen Moore eine Fläche von rund 59 Millionen Hektar aus – und etwa die Hälfte davon gilt wegen Torfabbau und Entwässerung als geschädigt. In der Global Peatland Database sammelt das Greifswald Moor Centrum Daten über ihren weltweiten Zustand. “In Deutschland sind über 95 Prozent geschädigt. Die wichtigste Ursache ist nicht Torfabbau, sondern die Entwässerung für die Landwirtschaft”, erklärt Tanneberger.
In Deutschland stammen 7,5 Prozent der jährlichen Treibhausgasemissionen aus der Zersetzung von Moorböden. “Moore sind die große Klimabaustelle”, sagt Tanneberger. Viele der negativen Faktoren, wie die Freisetzung von CO₂, seien den Menschen in der Vergangenheit jedoch nicht bewusst gewesen, so Tanneberger: “Wir haben unsere Moore stark entwässert und verändert, um die Flächen besser bewirtschaften zu können. Mir ist aber wichtig, nicht mit dem Finger auf jemanden zu zeigen.”
Mit dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz, das im März 2023 vom Kabinett beschlossen wurde, werden bis 2026 4 Milliarden Euro für Ökosystemschutz bereitgestellt – auch für Moorwiedervernässungen. Das Greifswald Moor Centrum hat 2023 eine Studie zu den Hürden und Lösungen bei der Umsetzung von Moorschutz durchgeführt. Besonders wichtig: Strukturen vor Ort aufbauen, um Maßnahmen sinnvoller und schneller umzusetzen, erklärt Tanneberger.
“Ich fürchte auch, der Begriff Renaturierung schreckt viele Landwirtinnen und Landwirte ab und motiviert nicht zur Wiedervernässung“, sagt Tanneberger. Wesentlich für das Ökosystem Moor sei aber ein natürlich hoher Wasserstand.
Und das biete verschiedene Landnutzungsmöglichkeiten: Beispielsweise die Nutzung von Moorpflanzen wie Schilf und Rohrkolben als Bau- oder Verpackungsmaterialien, meint Tanneberger. Aktuell forscht sie dazu und unterstützt bei der Umsetzung: “Von Landwirtinnen und Landwirten zu lernen und mit ihnen zusammenzuarbeiten, treibt mich sehr an.”
Das Projekt ToMOORow liegt ihr besonders am Herzen: Hier arbeiten die Umweltstiftung Michael Otto, die Michael Succow Stiftung und das Greifswald Moor Centrum mit Wirtschaftsunternehmen zusammen. “Es geht darum, die Potenziale von Moorschutz für Wirtschaftsunternehmen zu aktivieren”, sagt Tanneberger. Sie hofft, dass so die wachsende Bereitschaft von Landwirtinnen und Landwirten zum Klimaschutz und das Interesse der Wirtschaft an klimapositiven Produkten zusammenfinden – und mehr Moore wieder vernässt werden.
Seit über 14 Jahren lebt Tanneberger mit ihrer Familie auf Rügen. Wenn sie nicht gerade im Moor unterwegs ist, geht sie in der Ostsee schwimmen. Im März hat sie außerdem ihr erstes Buch veröffentlicht. Leoni Bender