Table.Briefing: Agrifood

Stillstand beim Düngegesetz + Green Claims kommt Carbon Farming in die Quere

Liebe Leserin, lieber Leser,

am Donnerstagvormittag trifft sich Bundeskanzler Olaf Scholz mit der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) zu einem anderthalbstündigen Gespräch. Scholz wolle sich mit deren Mitgliedern über mögliche Maßnahmen austauschen, die Landwirte und Landwirtinnen entlasten können, teilt das Bundeskanzleramt im Vorfeld mit. Ob dieser Ansatz Früchte trägt, ist zu bezweifeln. Neben dem Agrarsektor umfasst die ZKL Vertreter der Ernährungsindustrie, des Lebensmitteleinzelhandels, von Verbraucherverbänden sowie Tier-, Umweltschützer und Wissenschaftler. Entsprechend schwer fällt es dem Gremium, sich auf eine einheitliche Linie zu einigen.

Zwar verneint kein ZKL-Mitglied, dass der Agrarsektor von überflüssiger Bürokratie befreit und wirtschaftlich gestärkt werden soll, von Konsens aber ist die ZKL aktuell weit entfernt. Das etwa 30-köpfige Gremium hat rund ein Jahr lang gebraucht, um sich 2021 auf einen Abschlussbericht für eine Transformation hin zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft zu einigen. Im gestrigen Vorbereitungsgespräch der ZKL für das bevorstehende Kanzlertreffen sind alte Wunden aufgebrochen. Dass die beiden ZKL-Mitglieder, Nabu-Präsident Jörg-Andreas Krüger und der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt, in der Debatte um Entlastungen für die Landwirtschaft eine andere Position vertreten als zum Beispiel der Deutsche Bauernverband, ist offensichtlich. In den vergangenen Wochen hat dies beispielsweise die Diskussion um ein Aussetzen von GLÖZ 8 mehr als deutlich gemacht.

Hinzukommt: Auch die Politik tut sich schwer, die Handlungsempfehlungen der ZKL von 2021 umzusetzen. Eine grobe Richtung für die Entlastungen der Landwirtschaft liegt zwar mit der Protokollerklärung zum 2. Haushaltsfinanzierungsgesetz 2024 vor, aber der Teufel steckt wie immer im Detail.

Wir wünschen Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre!

Ihre
Henrike Schirmacher
Bild von Henrike  Schirmacher

Analyse

Stillstand beim Düngegesetz: FDP mauert, SPD sieht dringende Notwendigkeit für Umsetzung

Seit der Expertenanhörung im Landwirtschaftsausschuss des Bundestags im vergangenen November ist es ruhig geworden um die Novelle des Düngegesetzes. Eigentlich hätten die Anpassungen, mit denen die Bundesregierung EU-Recht umsetzen, die Stoffstrombilanzverordnung optimieren und eine Verordnung zum Wirkungsmonitoring der Düngeverordnung einführen will, längst in zweiter und dritter Lesung im Plenum beraten werden sollen. Auf der Tagesordnung stehen die Gesetzesänderungen dort aber seit Wochen nicht.

Ein Grund für die Verzögerung, wie so häufig: Differenzen innerhalb der Ampel. Seit rund einem halben Jahr liegt die Novelle des Düngegesetzes im Bundestag, wo die Regierungsfraktionen darüber beraten – bislang ohne Ergebnis. Die Gespräche laufen schleppend, heißt es aus den Fraktionen. Doch die Zeit rennt. Schließlich hat sich die Bundesregierung verpflichtet, mit dem geplanten Düngegesetz die Anforderungen der EU-Kommission zur Beilegung des Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland wegen der lange nicht eingehaltenen EU-Nitratrichtlinie umzusetzen.

Dass es trotz dieses Zeitdrucks so schwierig ist, innerhalb der Ampel auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen, dürfte auch daran liegen, dass sich das politische Klima geändert hat, seit die Koalition die Novelle des Düngegesetzes im August 2023 einbrachte. In Zeiten von Bauernprotesten, angekündigten Entlastungen für die Landwirte und Bürokratieabbau erscheinen die Verschärfung der Stoffstrombilanz und die Einführung eines Monitorings einigen Teilen der Ampel als der falsche Weg.

FDP will ohne Anpassungen nicht zustimmen

“Nach den Bauernprotesten und den Zusagen der Koalitionspartner, für Entlastungen zu sorgen, wäre es ein fatales Signal, als erste Maßnahme eine weitere Belastung einzuführen“, mahnt etwa der agrarpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Gero Hocker. Ihm zufolge drohten durch das Gesetz “mehr Datenerfassungen, mehr Bürokratie und damit im Ergebnis ein politisch herbeigeführter geringerer Stundenlohn”. Ohne entsprechende Anpassungen, so Hocker, könne die FDP nicht zustimmen.

Dabei lässt sich Hocker auch von möglichen Reaktionen aus Brüssel nicht unter Druck setzen. “Bei entsprechenden Nachweisen, dass Vorgaben auch auf anderem Wege erfüllbar sind, wäre auch die Kommission gesprächsbereit“, so der FDP-Abgeordnete. Im Vordergrund stehe für ihn vielmehr, dass Beschlüsse eine verlässliche Perspektive für Landwirte geben, sich zukünftig von Einschränkungen zu befreien, wenn sie alle Auflagen eingehalten haben.

SPD-Berichterstatterin sieht Zeitdruck bei Monitoring-Verordnung

Diejenigen entlasten, die sich an geltende Regeln halten, will auch die SPD-Fraktion. Laut deren Berichterstatterin für das Düngegesetz, Sylvia Lehmann, soll insbesondere die Stoffstrombilanz dabei helfen. Um die Verursachergerechtigkeit zu gewährleisten sei eine einzelbetriebliche Betrachtung erforderlich, die nur über die Stoffstrombilanz realisierbar sei, hält Lehmann fest. “Diese ermöglicht es, Betriebe von Auflagen zu befreien, die eine positive Stoffstrombilanz aufweisen und somit weniger Nährstoffe in den Boden einbringen.”

Auflagen und bürokratische Anforderungen für Landwirte zu reduzieren, hält aber auch Lehmann für notwendig. Die Vorschläge des aktuell stattfindenden Agrardialogs dazu müssten in den Diskussionen zum Düngegesetz mitberücksichtigt werden, sagt sie. Gerade bei der Monitoring-Verordnung, mit der die Nährstoffeinträge ins Grundwasser überwacht werden sollen, sieht Lehmann – anders als Hocker – sehr wohl Zeitdruck. “Die EU hat in dieser Frage einen sehr kritischen Blick auf Deutschland. Soll heißen: Wir brauchen das Düngegesetz mit Monitoring und Stoffstrombilanz so schnell wie möglich“, so die SPD-Politikerin.

DBV will Stoffstrombilanz streichen

Doch speziell gegen eine verschärfte Stoffstrombilanz macht unter anderem der Deutsche Bauernverband (DBV) seit Monaten Stimmung. In seinem Forderungspapier von Mitte März zu Bürokratieabbau und Entlastungen fordert der DBV erneut, die Stoffstrombilanz ganz zu streichen und “nachweislich gewässerschonend wirtschaftende Betriebe von den zusätzlichen strengen Auflagen der Düngeverordnung” auszunehmen.

Der Kieler Agrarwissenschaftler Friedhelm Taube, gefragter Gutachter auf dem Gebiet, hält das für den falschen Weg. “Wenn wir wirklich Bürokratie reduzieren wollen, müssen wir die Stoffstrombilanz durchsetzen“, sagt er. Jeder gute Betrieb jenseits der Landwirtschaft nennt so etwas nicht Bürokratie, sondern Controlling – zu wissen, was belege-basiert an Nährstoffen in den Betrieb hineingeht und was über die Produkte wieder exportiert wird. Die Buchhaltungsstellen haben diese Daten und müssten sie nur übermitteln. Die Düngeverordnung mit dem tatsächlichen hohen Bürokratieaufwand werde dann nicht mehr gebraucht. Mit einem guten Ordnungsrecht würden die Guten geschützt und die Schlechten gezwungen, sich anzupassen, ist Taube überzeugt.

Agrarwissenschaftler Taube spricht von Transparenzverweigerung  

Dass sich derzeit trotzdem viele Akteure gegen die Stoffstrombilanz stellten, liege laut Taube auch daran, dass sie Transparenz fürchten. “Mir sagen immer wieder Betriebsleiter, bei dem derzeitigen System gäbe es viele Manipulationsmöglichkeiten”, so Taube. Deshalb sei die Stoffstrombilanz gefürchtet, weil diese die tatsächlichen Nährstoffflüsse transparent macht.

Unter anderem werde die Phosphor-Regulation durch die Stoffstrombilanzverordnung wieder implementiert, merkt der Agrarwissenschaftler an. Phosphor sei in vielen Regionen Nordwestdeutschlands ein größeres Problem als Nitrat. Im Bereich Phosphor könnten die Landwirte derzeit in Sachen Überdüngung durch zu viel Gülleanfall nahezu machen, was sie wollen, so Taube. Sein Resümee: “Was die FDP im Bundestag macht, ist eine Verweigerung von Transparenz unter dem Deckmantel des Bürokratieabbaus.”

EU-Kommission beobachtet Situation

Die Gefahr einer erneuten Abmahnung Deutschlands durch die EU-Kommission sieht Taube durchaus gegeben, sollte die Ampel die Gesetzesanpassungen nicht bald final auf den Weg bringen. Zwar sei die Stoffstrombilanzverordnung nicht Teil der Einstellung des EU-Vertragsverletzungsverfahrens, aber: “Man sollte sich nicht darauf verlassen, dass ein Aussetzen funktioniert.” Die EU-Wasserrahmenrichtlinie müsse schließlich auch implementiert werden, gibt Taube zu bedenken.

Ein Sprecher der EU-Kommission lässt auf Anfrage von Table.Briefings wissen, dass die Kommission die Situation beobachte und sich im engen Kontakt mit den deutschen Behörden befinde. “Wir vertrauen darauf, dass die deutschen Behörden die notwendigen Maßnahmen im Einklang mit dem EU-Recht ergreifen werden”, so der Sprecher weiter.

Parlamentsvorbehalt umstritten

Solange die Ampel-Fraktionen sich nicht auf eine einheitliche Linie einigen können, rückt ein Inkrafttreten des neuen Düngegesetzes – ursprünglich vom BMEL für den Jahresbeginn angepeilt – immer weiter in die Ferne. Hinzu kommt: Für Gero Hocker ist ein Parlamentsvorbehalt bei zukünftigen Entscheidungen im Rahmen des Düngegesetzes bereits unumgänglich. Der aber sei, so gibt Sylvia Lehmann zu bedenken, nicht nur unüblich, sondern verlängere und erschwere die Diskussion zusätzlich.

  • Bauernproteste
  • Düngegesetz
  • EU-Nitratrichtlinie
  • Europäische Kommission
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Wirtschaftsprüfer sollen Reports abnehmen: Streit um CSRD-Prüfungen geht weiter

Wenn Joachim Bühler über die Umsetzung der EU-Richtlinie über Nachhaltigkeitsberichtspflichten in Deutschland spricht, ist er freundlich im Ton, spart aber nicht mit Kritik. “Die Politik bevorzugt eine einzelne Branche und baut Oligopolstrukturen auf, die zulasten der gesamten Wirtschaft gehen”, sagt er.

Bühler ist, das muss man wissen, Geschäftsführer des TÜV-Verbands und greift hiermit in erster Linie das FDP-geführte Justizministerium an. Das ist nämlich gerade dabei festzulegen, welche Instanzen CSRD-Berichte künftig abnehmen dürfen. Und der TÜV und andere technische Sachverständige dürfen es, nach aktuellem Stand, nicht. Diese Aufgabe soll ausschließlich Wirtschaftsprüfern vorbehalten sein. So sieht es der kürzlich veröffentlichte Referentenentwurf des Gesetzes vor.

Etwa 15.000 Unternehmen werden in Deutschland unter die von der EU Ende 2022 beschlossene Berichtspflicht fallen, darunter auch zahlreiche Mittelständler; derzeit sind nur etwa 500 große Unternehmen betroffen. Sie müssen umfangreicher als je zuvor erklären, wie nachhaltig sie schon sind und was sie tun, um ihre öko-soziale Bilanz zu verbessern. Die Bundesregierung hat noch bis Anfang Juli Zeit, um die EU-Vorgabe in nationales Recht zu gießen. Aktuell läuft die Anhörung der Verbände. Bis zum 19. April haben sie und ihre Mitglieder die Möglichkeit, sich in den Prozess einzuschalten. Wie es aussieht, werden einige die Chance dazu nutzen.

“Kein Grund, den Markt der Prüfer künstlich zu verknappen”

Geht es um die geforderten Kompetenzen, sieht Joachim Bühler ohnehin keinen Nachteil bei sich. “Unsere weltweiten Testierungen und Berichte sind die Grundlage für Aktionärs- und Investitionsentscheidungen.” Für ihn gibt es keinen Grund, den Markt der Prüfer künstlich zu verknappen, wie er sagt. “Das führt ohne Not zu einer geringeren Auswahl von Prüfern und zu höheren Preisen.” Er verweist darauf, dass die Gesetzgeber in Brüssel diesen Wettbewerbsgedanken hochhalten wollten und in ihrer CSRD-Vorlage nicht nur Wirtschaftsprüfer, sondern auch sogenannte “Independent Assurance Service Provider” (IASP) wie etwa den TÜV vorgesehen haben. Diese Option ist in der deutschen Fassung nun weggefallen.

Christian Sailer, als Vorstand Audit bei KPMG in Deutschland verantwortlich für die Abschlussprüfungen, hält die technischen Zertifizierungen der Konkurrenten für weniger geeignet. Wirtschaftsprüfer hätten eine ganz andere Herangehensweise, sagt er, und diese sei jetzt gefragt, weil sie sich schon bei der Prüfung von Lageberichten und Jahresabschlüssen bewährt habe.

Tatsächlich sieht die CSRD eine Angleichung der Berichte vor. Bestand in der Vergangenheit noch ein Unterschied zwischen finanziellen und nicht-finanziellen Reports, soll dieser künftig behoben werden. Nachhaltigkeit mit ihren vielen Facetten soll so stark wie möglich objektiviert und vergleichbar gemacht werden. Wie bei herkömmlichen finanziellen Kennzahlen. “Die CSRD-Prüfung läuft konzeptionell nach der gleichen Methodik ab, es gibt sogar viele Überschneidungen”, sagt Sailer. In beiden Fällen gehe es darum, mit einer Risikoeinschätzung des jeweiligen Unternehmens zu beginnen. Danach folgt die Analyse der Systeme, die Aufnahme der Prozesse und die Dokumentation der Kontrollen – woraufhin man schließlich die Systeme, Prozesse und Kontrollen prüft.

Dass es dabei zu einer Verknappung der Anbieter kommt, glaubt er nicht. “Gerade Mittelständler werden nicht auf die großen, sondern auf kleinere Prüfungsgesellschaften zugreifen, nämlich genau die, die sie schon bei der Prüfung der finanziellen Informationen begleiten.” Die integrierte Berichterstattung, die ab sofort erforderlich ist, müsse auch eine integrierte Prüfung nach sich ziehen – und kleinere Wirtschaftsprüfer würden sich genauso fit machen für die neuen Bedingungen wie die bekannten Gesellschaften.

ESG-Fachleute sind knapp und begehrt

Allerdings gibt Sailer zu, dass selbst sein Unternehmen, das zu den größten der Branche zählt, mehr Know-how in den eigenen Reihen braucht. Zu Themen wie Biodiversität oder Wasser beispielsweise hätte er aktuell keine Experten. Das Problem: Auf dem Jobmarkt sind solche Fachleute knapp und gesucht – und das hat womöglich zwei Folgen: Zum einen könnten weniger finanzstarke Prüfungsgesellschaften beim Buhlen um die besten Talente nicht mithalten. Das Risiko für sie, neue Leute einzustellen, auszubilden und durch Aufträge auszulasten, ist hoch. Zum anderen wären kleine und mittelständische Firmen, die zur Testierung ihrer CSRD-Reports verpflichtet sind, letztlich doch auf die großen Player angewiesen.

Für die Dekra ist das ein entscheidender Punkt. “Wir wissen, wie kleine und mittelständische Unternehmen Umwelt- und Energiemanagementsystems leben und kennen die verschiedenen Industrien, weil wir bereits andere Prüfaufträge wahrnehmen”, sagt Senior Vice President Maik Beermann. Außerdem verspricht er: “Wir werden nicht der Preistreiber in diesem Bereich sein. Dieses könnte aber durch den aktuellen Gesetzentwurf passieren.”

Der ehemalige Bundestagsabgeordnete, der für die Außen- und Regierungsbeziehungen des Unternehmens zuständig ist, hat mit der Nähe zu den Mandanten bei der Bundesregierung schon im vergangenen Jahr für sich geworben. Vergeblich, offenbar. Und für ihn unverständlich. “Wenn jemand Tankstellen mit grünem Wasserstoff betreibt, wäre es gut, Prüfer zu haben, die wissen, was diese Technologie für die Nachhaltigkeit bedeutet und wie die Wirkung gemessen und nachgewiesen wird.” Deshalb hält er es für möglich, dass Wirtschaftsprüfer künftig auf die Dekra zukommen, weil sie eben dieses Know-how benötigen.

Grundsätzlich aber würde er ein anderes Verfahren bevorzugen, nämlich über eine Akkreditierungsnorm, die etwa die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS) festlegt und prüft. Jeder, der anschließend CSRD-Berichte abnehmen will, müsste die entsprechende Qualifizierung dort dann nachweisen. “Das wäre leicht und schlank und würde die gleichen Voraussetzungen für alle infrage kommenden Marktteilnehmer bedeuten”, so Beermann.

Verbände für “leichte und schlanke” Lösung

Argumente wie diese will er in den kommenden Wochen und Monaten nochmal über die Verbändeanhörung und Gespräche mit Parlamentariern einbringen – sie müssen im Bundestag letztlich über das Gesetz entscheiden. Bereits im vergangenen Jahr hatte sich für das Anliegen eine Allianz aus TÜV-Verband und den Verbänden der Chemischen Industrie (VCI), des Maschinen- und Anlagenbaus (VDMA), der Textilindustrie, der Stahl- und Metallverarbeitung (WSM) und der Wirtschaftsvereinigung Metalle zusammengefunden und einen Brief an Justizminister Marco Buschmann geschickt.

Ob es bei seiner geplanten Regelung bleibt oder nicht – Christian Sailer von KPMG sagt zu, seinen Mandanten mit Augenmaß begegnen zu wollen. “Die Komplexität der Richtlinie ist enorm. Sie trägt das Risiko in sich, Unternehmen zu überfordern”, sagt er. Das müsse man auch in der Prüfung der Berichte berücksichtigen. Klappt das nicht, wächst die Gefahr, dass das Vorhaben, die Wirtschaft nachhaltig umzubauen, scheitert.

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News

Green-Claims-Regeln könnten Carbon Farming schaden

Die Green-Claims-Richtlinie, über die EU-Parlament und Rat derzeit entscheiden, soll Greenwashing in der Werbung verhindern. Mit Klimaneutralität dürften Produkte demnach zum Beispiel nur noch dann werben, wenn das mit wissenschaftlich ermittelten Daten belegt werden kann. Dazu dürfen allerdings nach der Fassung, für die im Februar das EU-Parlament stimmte, im Regelfall keine CO₂-Kompensationen herangezogen werden.

Dadurch könnte die Richtlinie einem anderen Klimaschutzvorhaben der EU im Weg stehen: der Förderung von Carbon Farming. Denn dabei sollen Landwirte durch Humusaufbau auf ihren landwirtschaftlichen Nutzflächen “CO₂-Entnahmezertifikate” generieren und auf freiwilligen Kohlenstoffmärkten verkaufen können. Im Februar hatten sich Parlament und Rat im Trilog über das entsprechende “Carbon Removal Certification Framework (CFCR)geeinigt. Die finale Abstimmung im Parlament steht am Mittwoch an.

Thünen-Institut: Zahlungsbereitschaft für Klimaschutzprojekte könnte sinken

“Wir sind der Meinung, dass die starke Beschränkung des Einsatzes von CO₂-Gutschriften in der Produktwerbung Landwirte davon abhalten könnte, ins Carbon Farming einzusteigen, weil der Markt für ihre Gutschriften nicht rentabel sein wird”, warnt der EU-Bauerndachverband Copa-Cogeca im Gespräch mit Table.Briefings. Werde der Verkauf von CO₂-Gutschriften auf freiwilliger Basis durch strenge Beschränkungen faktisch verhindert, werde dem Markt ein wirksames Klimaschutzinstrument vorenthalten.

Auch beim Thünen-Institut rechnet man mit negativen Auswirkungen. “Wenn mit Klimaschutzprojekten im Bereich Carbon Farming nicht mehr so einfach geworben werden kann, wird auch die Zahlungsbereitschaft von Unternehmen zurückgehen, entsprechende Projekte zu finanzieren”, sagt Bernhard Osterburg, Leiter der Stabsstelle Klima, Boden, Biodiversität des Bundesforschungsinstituts, zu Table.Briefings. Die EU setze mit den Beschränkungen “ganz klar eine Bremse ein”.

Copa-Cogeca sieht Doppelbelastung

Copa-Cogeca kritisiert die Green-Claims-Richtlinie noch in einem weiteren Punkt: Landwirte, die bereits ein Prüfverfahren durchlaufen haben, um die freiwilligen Umweltpraktiken der GAP einzuhalten, müssten ein weiteres Verfahren für dieselben Sachverhalte absolvieren, um den Vorgaben der Green-Claims-Richtlinie zu genügen.

Zwar betrifft die Richtlinie in den wenigsten Fällen Landwirte. Doch wenn etwa ein Händler mit einem Green Claim werben wolle, dann müsse die Behauptung auch auf Ebene des landwirtschaftlichen Betriebs überprüft werden. Der Verband hofft nun, dass seine Kritik in die anstehenden Trilog-Verhandlungen zur Green-Claims-Richtlinie aufgenommen wird. mo

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EU-Parlament könnte Position zu neuer Gentechnik vor Wahl festzurren

Mit einer erneuten Abstimmung könnte das EU-Parlament seine Position zum Vorschlag der EU-Kommission, neue Züchtungstechniken zu deregulieren, festzurren und damit verhindern, diese nach der Europawahl noch einmal bestätigen zu müssen. Am heutigen Dienstag wollen die Vertreter der Fraktionen im Umweltausschuss laut Parlamentsquellen darüber entscheiden, ob das Plenum bei seiner letzten Sitzung vor der Europawahl Ende des Monats noch einmal zum Thema abstimmt.

Das Parlament hatte bereits Anfang Februar über sein Verhandlungsmandat abgestimmt und sich mit Einschränkungen für den Kommissionsvorschlag ausgesprochen. Weil sich die Mitgliedstaaten nicht geeinigt haben, stockt aber das Gesetzgebungsverfahren. Durch das erneute Votum könnte das Plenum vor der Wahl seine Position in erster Lesung formell annehmen. Andernfalls müsste danach das neu gewählte Parlament entscheiden, ob es diese beibehält oder die Arbeit an dem Dossier neu startet.

EFSA-Bericht würde nicht abgewartet

Gentechnikgegner sehen in dem Schritt ein Manöver, die Debatte zum Thema abzuwürgen und zu verhindern, dass das Parlament nach der Wahl seine Meinung ändert. “Entscheidende Fragen” seien weiter “ungeklärt”, kritisiert beispielsweise der Kleinbauernverband Via Campesina in einem offenen Brief. Unter anderem eine neue Stellungnahme der EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zum Thema werde noch im Juli erwartet.

Mit der Stellungnahme will EFSA auf die Kritik der französischen Behörde ANSES am Kommissionsvorschlag reagieren. Der Belgische Hohe Gesundheitsrat hat sich allerdings zuletzt gegen die Kollegen aus Frankreich gestellt und spricht sich in einem kürzlich veröffentlichten Bericht für die von der Kommission vorgeschlagene Deregulierung bestimmter Züchtungstechniken aus.

Unter den Mitgliedstaaten zeichnet sich weiter keine Einigung ab. Laut Diplomatenkreisen strebt die belgische Ratspräsidentschaft aktuell eine Einigung bis zum Ende der Präsidentschaft Ende Juni an. Viel Hoffnung darauf gibt es dem Vernehmen nach allerdings nicht. Ernsthafte Gespräche dürfte es im Rat andernfalls erst wieder 2025 geben. Denn in der zweiten Jahreshälfte 2024 hat die gentechnikkritische ungarische Regierung die Präsidentschaft inne. jd

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  • EU-Gentechnikrecht
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Vogelgrippe beim Menschen: FLI sieht geringes Risiko, mahnt aber zur Vorsicht

Nachdem in den USA ein Fall von Vogelgrippe bei einem Menschen gemeldet wurde, sieht die Präsidentin des Friedrich-Loeffler-Instituts, Christa Kühn, keinen Grund zur Panik, mahnt aber zur Gewissenhaftigkeit bei Schutzmaßnahmen. In Deutschland und Europa gebe es bisher “keine Hinweise” auf solche Fälle, sagt sie Table.Briefings. Sowohl die EU-Behörde für Infektionskrankheiten (ECDC) als auch ihr US-amerikanisches Pendant, das Center for Disease Control and Prevention (CDC), stuften das Risiko menschlicher Infektionen weiter als gering ein.

Trotzdem seien Infektionen bei Menschen unter ähnlichen Umständen wie beim Fall in den USA nicht auszuschließen. Dort war ein Fall in Texas gemeldet worden, bei dem das Virus mutmaßlich nicht direkt durch Vögel, sondern durch infizierte Rinder auf den Menschen übertragen wurde. Fälle bei Rindern seien ungewöhnlich, aber nicht ausgeschlossen, so Kühn. Aufhorchen lasse die Anzahl betroffener Herden in verschiedenen US-Bundesstaaten.

Infektion direkt durch Geflügel “äußerst selten”

In Deutschland sind laut Kühn für den Fall von Infektionen bei Milchkühen bereits “strikte vorsorgliche Maßnahmen“, zum Beispiel Transportbeschränkungen, vorgesehen, um die Ausbreitung einzudämmen und eine Übertragung auf den Menschen zu verhindern.

In “äußerst seltenen Einzelfällen” könnten aber bei den in Europa besonders verbreiteten Virusstämmen auch Übertragungen direkt von Geflügel auf den Menschen vorkommen. Tierhalter ruft Kühn dazu auf, Biosicherheits-Maßnahmen gewissenhaft umzusetzen und bei unklaren, gehäuften Erkrankungsfällen im Tierbestand wachsam zu sein.

Anpassung des Virus an den Menschen verhindern

In einem vergangene Woche veröffentlichten Bericht über Risikofaktoren für eine Vogelgrippe-Pandemie rufen das ECDC und die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit, EFSA, zu einer besseren Zusammenarbeit von Behörden verschiedener Bereiche – wie Human- und Tiermedizin, aber auch Ökologie – auf. So soll verhindert werden, dass das Virus so mutiert, dass es sich effektiv unter Menschen ausbreiten kann. Geschehe dies erst einmal, sei wegen der fehlenden Immunabwehr gegen das Virus eine schnelle Ausbreitung wahrscheinlich.

Auch die beiden EU-Behörden rufen deshalb dazu auf, Bioschutz-Maßnahmen effektiv umzusetzen. Zudem müsse zur Vorbeugung die Impfung von Geflügel in Betracht gezogen werden. Der Bericht entstand vor Bekanntwerden des jüngsten Falls in den USA. Man nehme von dieser Entwicklung Notiz und beobachte die Situation genau, teilt eine EFSA-Sprecherin mit. Um Genaueres zu sagen, sei es aber noch zu früh. jd

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Trotz DBV-Kritik: EU-Bodengesetz dürfte nächste Hürde nehmen

Das EU-Parlament stimmt am Mittwoch über das vorgeschlagene Bodenüberwachungsgesetz ab. Während der Deutsche Bauernverband (DBV) neue Bürokratielasten fürchtet und sich gegen das Gesetz ausspricht, ist mit der Zustimmung der Abgeordneten zu rechnen. Der Richtlinie wird wenig politische Sprengkraft beigemessen, selbst der Agrarausschuss trägt sie mit.

Das dürfte daran liegen, dass die Brüsseler Behörde von Anfang an einen deutlich weniger ambitionierten Text vorlegte, als angedacht: Statt eines “Bodenschutzgesetzes” präsentierte sie ein “Bodenüberwachungsgesetz.”

DBV befürchtet “Doppelregelungen”

Statt die Mitgliedstaaten zur Verbesserung des Bodenzustands zu verpflichten, zielt der Text lediglich darauf ab, ein EU-weit einheitliches System für die Überwachung des Bodenzustands zu schaffen. “Es ist ein Gesetz des kleinsten gemeinsamen Nenners“, sagt Maximilian Meister, Referent für Agrarpolitik beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Trotzdem sei es gut, dass das Thema erstmals EU-rechtlich angegangen werde.

Der DBV befürchtet dagegen neue Einschränkungen für die Bewirtschaftung. In einem kürzlich veröffentlichten Forderungspapier zur Entlastung der Landwirtschaft fordert der Verband, auf das Gesetz zu “verzichten”, da es “umfangreiche bürokratische Vorgaben” enthalte. Zusätzlich kritisiert der Verband “Doppelregelungen“, weil sich die neue Richtlinie mit bestehendem nationalen und europäischen Fach- und Umweltrecht überschneide.

Keine verbindlichen Schritte gegen Bodenversiegelung

Meister geht dagegen davon aus, dass das Gesetz keinen Mehraufwand für Landwirte bringe. Direkt betroffen seien diese nach aktuellem Stand nur an zwei Stellen: durch die Festlegung von Schwellenwerten für Rückstände einiger besonders gefährlicher Pestizide im Boden, sowie dadurch, dass Beratungsangebote zu bodenschonenden Bewirtschaftungsformen geschaffen werden sollen.

Einig sind sich DBV und Nabu in einem Punkt: Zu wenig tue das Gesetz gegen die Versiegelung von Böden. “Nach wie vor werden in Deutschland rund 55 Hektar pro Tag für Siedlungen, Gewerbegebiete und Straßen in Anspruch genommen und gehen für die Natur und die Erzeugung von Nahrungsmitteln dauerhaft verloren”, betonte DBV-Präsident Joachim Rukwied vergangenes Jahr nach der Vorstellung des Vorschlags. Dass dieser kein verbindliches Instrument enthalte, um dem beizukommen, bedauert auch Meister.

Nimmt das Parlament seine Verhandlungsposition an, ist der Ministerrat am Zug: Die Mitgliedstaaten müssen sich untereinander einigen, danach Rat und Parlament noch miteinander verhandeln. Das Gesetzgebungsverfahren geht damit nach der EU-Wahl weiter. jd

  • Biodiversität
  • EU-Bodenüberwachungsgesetz
  • Europäisches Parlament
  • Landwirtschaft

Termine

10.04.2024 – 19.00 – 21.00 Uhr / Landesvertretung des Saarlandes in Berlin
Landwirtschaft im Dialog Diskussionsveranstaltung Milch trinken und das Klima schützen?
Gut ein Drittel der landwirtschaftlich genutzten Fläche Deutschlands ist Dauergrünland. Die Rinderhaltung ist der einzige Weg, diese Flächen für die menschliche Ernährung nutzbar zu machen. Die grasbasierte Milchproduktion gilt als nachhaltigste Variante. Ist Milch also besser als ihr Ruf? INFO & ANMELDUNG

10.4. – 11.4.2024 / Brüssel
Plenartagung Abstimmungen im Europäischen Parlament
7: Bodenüberwachung und -resilienz (Bodenüberwachungsrichtlinie)
79: Lebensmittel für die menschliche Ernährung: Änderung bestimmter “Frühstücksrichtlinien”
82: Erhaltungs-, Bewirtschaftungs- und Kontrollmaßnahmen für den Bereich des Übereinkommens über die künftige multilaterale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Fischerei im Nordostatlantik
Tagesordnung

12.04.2024 – 15:45 – 16:45 / online
DGAP Diskussionsveranstaltung der Serie “Strategic Industries” Ökonomie der Nachhaltigkeit: Transformative Ansätze für die Ernährungssicherheit
Im Panel diskutiert Cem Özdemir gemeinsam mit anderen Gästen, wie technologische und agrarökologische Innovationen die Landwirtschaft nachhaltig transformieren können, und welche lokalen sowie globalen Allianzen ausgebaut werden müssen, die Aktivitäten koordinieren und alle betroffenen Gruppen einbeziehen. ANMELDUNG

12.04. – 13.04.2024 / Stadthalle Bad Neustadt
Josef Göppel Symposium Landwirtschaft, Naturschutz und Kommunen – vom Spannungsfeld zur Lösungswelt
“Nur Mut” – das war sein Lebensmotto und ganz in diesem Sinne wird das Josef Göppel Symposium 2024 stehen. Zahlreiche Politikerinnen und Politiker, sowie Vertreter*innen von Verbänden werden am Symposium teilnehmen, und das Potenzial aus Transformationsprozess und gemeinsamen Handelns zu diskutieren. Mit dabei BN-Vorsitzender Richard Mergner, Präsident des BBV Günther Felßner, Vorsitzende des DVL  Maria Noichl (MdEP, SPD), Staatsminister für Umwelt und Verbraucherschutz Thorsten Glauber. INFO

22.04. – 23.04. / Neudietendorf Erfurt
Seminar Zweite BZL-Beratertagung: Betriebliche Möglichkeiten für Gewässerschutz und Wassermanagement
Welchen Beitrag hat die Landwirtschaft zum Gewässerschutz? Wie kann eine klimaschonende Landwirtschaft nachhaltig mit der Ressource Wasser umgehen? Auf der Tagung werden Ideen und Beispiele aus den Bereichen Tierproduktion und Pflanzenbau vorgestellt. PROGRAMM

23.04.2024 – 13.00 – 22.00 Uhr / Festsaal Kreuzberg Berlin
Diskussionsforum Zukunftsdialog Agrar und Ernährung 2024
Der Zukunftsdialog Agrar und Ernährung bringt vor dem Hintergrund dieser aktuellen Debatten bei Ernährung, Nachhaltigkeit, Erzeugung und Lebensmittelsicherheit die Agrarbranche mit ihren Kritikern auf Augenhöhe zusammen. Das Event bietet Raum für einen offenen, kritischen und lösungsorientierten Diskurs zwischen allen relevanten und wichtigen Stakeholdern. INFO & ANMELDUNG

23.04. – 24.04.2024 / Hilton Hotel Flughafen München
Kongress 16. Molkerei Kongress
Der Branchentreff der Lebensmittel Zeitung für Milchwirtschaft, milchverarbeitende Unternehmen und Handel. INFO

24.04. – 25.04.2024 / Eichhof in Bad Hersfeld
Tagung 3. BZL-Bildungsforum: “Neue Formate in der landwirtschaftlichen Berufsbildung”
Von Nachhaltigkeit im Unterricht über die Motivation der Schülerschaft bis hin zur Drohnentechnik im Pflanzenbau – um “Neue Formate in der landwirtschaftlichen Berufsbildung” geht es beim 3. Bildungsforum für die berufliche Bildung des Bundesinformationszentrums Landwirtschaft (BZL). INFO & ANMELDUNG

Presseschau

Lebensmittelzeitung: So sehen die Ernährungspläne der Parteien für Europa aus
Die Parteiprogramme für die Europawahl 2024 unterscheiden sich erheblich in ihrer Bewertung der Ernährungs- und Agrarwirtschaft. Die SPD setzt sich für die Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien ein und fordert dringende Reformen zur Anpassung an den Green Deal. Die Union beschränkt sich in einem einseitigen Papier darauf, einen “sofortigen Belastungsstopp für die Landwirtschaft” zu proklamieren. Im Programm der FDP wird eine marktwirtschaftliche Agrarpolitik mit weniger Bürokratie und Subventionen gefordert, während die Grünen sich für EU-weite Regelungen gegen Preisdumping einsetzen und für eine Stärkung der Position der Landwirte gegenüber dem Einzelhandel plädieren. Zum Artikel

The Guardian: EU pumps four times more money into farming animals than growing plants
80 Prozent der EU-Agrarsubventionen aus der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) fließen – direkt oder indirekt über Futtermittel – in tierische Produkte. Zu dem Ergebnis kommt eine Studie, die im Journal Nature Food erschienen ist. Damit subventioniere die EU eine klimaschädliche Ernährungsweise. Mehrere nicht beteiligte Wissenschaftler kritisieren jedoch die Studie: Sie basiere auf Daten von 2013, seither habe sich einiges geändert. Zudem reizten GAP-Direktzahlungen nicht direkt die Produktion bestimmter Lebensmittel an – diesen Zusammenhang herzustellen, sei verkürzt. Zum Artikel.

Der Spiegel: Britische Landwirte leiden unter Brexit – und verlangen Grundeinkommen
Der Brexit hat britische Landwirte stark getroffen. Diese sehen sich konfrontiert mit teuren Regelungen zum Klima- und Umweltschutz sowie einem Mangel an Arbeitskräften. Die Ersatzgelder für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU erreichen viele Landwirte nicht und Prognosen deuten darauf hin, dass sie die EU-Subventionen auch nicht ausgleichen werden. Als Reaktion darauf fordern Landwirte der Kampagne “BI4Farmers” nun ein universelles Grundeinkommen. Zum Artikel

Agra Europe: Ökolandbau: Özdemir setzt auf weitere Absatzmöglichkeiten
Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir hat die neuesten Zahlen des Statistischen Bundesamtes zum Ökolandbau positiv aufgenommen. “In den letzten Jahren haben immer mehr Höfe auf Ökolandbau umgestellt, und das erfolgreich für Mensch, Umwelt und Natur”, erklärte der Minister. Auf das Ziel von 30 Prozent Ökolandbau im Jahr 2030 ging Özdemir nicht ein. Es ist unwahrscheinlich, dass dieses noch erreicht wird. Zum Artikel

Lebensmittelzeitung: EU-Richtlinie – Neue Produkthaftung macht Rückrufe riskant
Die überarbeitete EU-Produkthaftungsrichtlinie, die voraussichtlich im Mai dieses Jahres in Kraft treten wird, sieht umfangreiche Offenlegungspflichten für Hersteller vor. Mit dieser Novelle müssen sich Unternehmen auf eine striktere Produkthaftung einstellen, da Korrekturmaßnahmen wie freiwillige Rückrufe oder Rücknahmen nun bei der Bewertung der Fehlerhaftigkeit eines Produkts berücksichtigt werden. Experten warnen, dass Unternehmen möglicherweise zögern könnten, freiwillige Rückrufe durchzuführen, da diese Maßnahme die Haftung verschärfen könnte. Zum Artikel

Euractiv: EU-Staaten verhärten Position gegen Renaturierungsgesetz
Die Ablehnung des umstrittenen Renaturierungsgesetzes durch Polen und Finnland erschwert die Suche nach einem Kompromiss für das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur. Nach dem Rückzug Ungarns im März steht das Schicksal des Gesetzes erneut auf der Kippe. Es ist nur noch die Zustimmung eines weiteren Landes erforderlich, um den Text in EU-Recht umzusetzen. Zum Artikel

Heads

Christoph Zimmer will Landwirtschaft ganzheitlich betrachten

Christoph Zimmer engagiert sich für eine nachhaltige und gentechnikfreie Landwirtschaft.

Mit 16 Jahren war sich Christoph Zimmer zweier Sachen sicher: Er will nicht länger zur Schule gehen und nicht in einem Büro arbeiten. Also beginnt er eine landwirtschaftliche Ausbildung in der Nähe seines Heimatortes Schwäbisch Hall. “Ich war von Anfang an begeistert, weil es eine sinnhafte Arbeit war und mich die Zusammenhänge in der Natur faszinierten.”

Heute, etwa 30 Jahre später, ist Zimmer Landesgeschäftsführer des ökologischen Anbauverbands Bioland in Baden-Württemberg. Neben der landwirtschaftlichen Ausbildung absolvierte er einen Master in International Business Management und war bis zu seinem Amtsantritt 2021 Geschäftsführer des Bio-Anbauverbands Ecoland.

Wenn Zimmer nicht gerade unterwegs ist für Tagungen, Mitgliederversammlungen oder politische Arbeit, arbeitet er an seinem Schreibtisch im schwäbischen Esslingen. Dort befindet sich eine von drei Bioland-Geschäftsstellen. Sein Hintergrund als Landwirt prägt den 47-Jährigen aber weiterhin: “Dass ich auch eine Mistgabel in der Hand hatte, hilft mir, mich in die landwirtschaftlichen Mitglieder hineinzuversetzen.”

“Wir sehen uns als übergreifende Wertegemeinschaft”

Bioland ist in neun Landesverbände unterteilt und mit über 8.700 landwirtschaftlichen Mitgliederbetrieben der größte ökologische Anbauverband Deutschlands. Hinzu kommen 1.500 Partner aus Herstellung und Handel, wie Bäckereien oder Molkereien. “Wir sehen uns bei Bioland nicht als Bauernverband, sondern als übergreifende Wertegemeinschaft, die gemeinsam Landwirtschaft, Verarbeitung und Handel voranbringt“, sagt Zimmer.

Besonders wichtig ist es ihm, die Herausforderungen in der Landwirtschaft ganzheitlich anzugehen: “Wie können wir eine gesunde, hochwertige Lebensmittelversorgung unserer Bevölkerung sicherstellen und gleichzeitig Klima, Biodiversität, Boden und Grundwasser schützen? Wir müssen diese Themen gemeinsam denken, denn wir können es uns nicht leisten, mit viel Geld später Schäden zu reparieren”, so Zimmer.

Neben verschiedenen Anbauprinzipien, um die Umwelt zu schützen, legte Bioland Ende letzten Jahres eine Klimastrategie vor. Deren Kern ist ein systematisches Monitoring, bei dem Klimakennzahlen und Klimabilanzen der Betriebe erfasst werden. Auch ein individuelles Beratungsangebot gehöre dazu, um die einzelne Klimaleistung zu verbessern, erklärt Zimmer. Seit 2021 ist außerdem eine Biodiversitätsrichtlinie in Kraft, in der Bioland-Betriebe Punkte in verschiedenen Kategorien sammeln müssen.

“Wer einen Schaden verursacht, soll ihn auch bezahlen”

Was klar gegen die Werte der Bioland-Gemeinschaft verstößt, ist der Einsatz von Gentechnik. Dieser wurde zuletzt stark diskutiert, nachdem das EU-Parlament im Februar für eine Regellockerung für neue Gentechnik gestimmt hatte. Während Befürworterinnen und Befürworter darauf hoffen, dass genetisch veränderte Pflanzen widerstandsfähiger – beispielsweise gegen Dürre oder Schädlinge – sind, sieht Zimmer vor allem Vorteile für Großkonzerne und die Gefahr einer Abhängigkeit durch Patentierungen.

“Uns werden viele Versprechungen gemacht, wie schon bei der ‘alten Gentechnik’ vor 30 Jahren. Was ist passiert? Konzerne verdienten enorme Summen, die positiven Versprechungen sind nicht eingetreten”, sagt Zimmer. Er ärgert sich besonders darüber, dass Bio-Betriebe, die frei von Gentechnik bleiben wollen, das Geld für Analysen zahlen müssen. “Es sollte das Verursacherprinzip gelten: Jemand, der einen Schaden, eine Veränderung verursacht, der soll die Kosten zahlen. Was wir wirklich brauchen, sind faire Preise für die Landwirtschaft, und da gehören auch solche Kosten mit rein”, ist Zimmer überzeugt. Leoni Bender

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Agrifood.Table Redaktion

AGRIFOOD.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    am Donnerstagvormittag trifft sich Bundeskanzler Olaf Scholz mit der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) zu einem anderthalbstündigen Gespräch. Scholz wolle sich mit deren Mitgliedern über mögliche Maßnahmen austauschen, die Landwirte und Landwirtinnen entlasten können, teilt das Bundeskanzleramt im Vorfeld mit. Ob dieser Ansatz Früchte trägt, ist zu bezweifeln. Neben dem Agrarsektor umfasst die ZKL Vertreter der Ernährungsindustrie, des Lebensmitteleinzelhandels, von Verbraucherverbänden sowie Tier-, Umweltschützer und Wissenschaftler. Entsprechend schwer fällt es dem Gremium, sich auf eine einheitliche Linie zu einigen.

    Zwar verneint kein ZKL-Mitglied, dass der Agrarsektor von überflüssiger Bürokratie befreit und wirtschaftlich gestärkt werden soll, von Konsens aber ist die ZKL aktuell weit entfernt. Das etwa 30-köpfige Gremium hat rund ein Jahr lang gebraucht, um sich 2021 auf einen Abschlussbericht für eine Transformation hin zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft zu einigen. Im gestrigen Vorbereitungsgespräch der ZKL für das bevorstehende Kanzlertreffen sind alte Wunden aufgebrochen. Dass die beiden ZKL-Mitglieder, Nabu-Präsident Jörg-Andreas Krüger und der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt, in der Debatte um Entlastungen für die Landwirtschaft eine andere Position vertreten als zum Beispiel der Deutsche Bauernverband, ist offensichtlich. In den vergangenen Wochen hat dies beispielsweise die Diskussion um ein Aussetzen von GLÖZ 8 mehr als deutlich gemacht.

    Hinzukommt: Auch die Politik tut sich schwer, die Handlungsempfehlungen der ZKL von 2021 umzusetzen. Eine grobe Richtung für die Entlastungen der Landwirtschaft liegt zwar mit der Protokollerklärung zum 2. Haushaltsfinanzierungsgesetz 2024 vor, aber der Teufel steckt wie immer im Detail.

    Wir wünschen Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre!

    Ihre
    Henrike Schirmacher
    Bild von Henrike  Schirmacher

    Analyse

    Stillstand beim Düngegesetz: FDP mauert, SPD sieht dringende Notwendigkeit für Umsetzung

    Seit der Expertenanhörung im Landwirtschaftsausschuss des Bundestags im vergangenen November ist es ruhig geworden um die Novelle des Düngegesetzes. Eigentlich hätten die Anpassungen, mit denen die Bundesregierung EU-Recht umsetzen, die Stoffstrombilanzverordnung optimieren und eine Verordnung zum Wirkungsmonitoring der Düngeverordnung einführen will, längst in zweiter und dritter Lesung im Plenum beraten werden sollen. Auf der Tagesordnung stehen die Gesetzesänderungen dort aber seit Wochen nicht.

    Ein Grund für die Verzögerung, wie so häufig: Differenzen innerhalb der Ampel. Seit rund einem halben Jahr liegt die Novelle des Düngegesetzes im Bundestag, wo die Regierungsfraktionen darüber beraten – bislang ohne Ergebnis. Die Gespräche laufen schleppend, heißt es aus den Fraktionen. Doch die Zeit rennt. Schließlich hat sich die Bundesregierung verpflichtet, mit dem geplanten Düngegesetz die Anforderungen der EU-Kommission zur Beilegung des Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland wegen der lange nicht eingehaltenen EU-Nitratrichtlinie umzusetzen.

    Dass es trotz dieses Zeitdrucks so schwierig ist, innerhalb der Ampel auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen, dürfte auch daran liegen, dass sich das politische Klima geändert hat, seit die Koalition die Novelle des Düngegesetzes im August 2023 einbrachte. In Zeiten von Bauernprotesten, angekündigten Entlastungen für die Landwirte und Bürokratieabbau erscheinen die Verschärfung der Stoffstrombilanz und die Einführung eines Monitorings einigen Teilen der Ampel als der falsche Weg.

    FDP will ohne Anpassungen nicht zustimmen

    “Nach den Bauernprotesten und den Zusagen der Koalitionspartner, für Entlastungen zu sorgen, wäre es ein fatales Signal, als erste Maßnahme eine weitere Belastung einzuführen“, mahnt etwa der agrarpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Gero Hocker. Ihm zufolge drohten durch das Gesetz “mehr Datenerfassungen, mehr Bürokratie und damit im Ergebnis ein politisch herbeigeführter geringerer Stundenlohn”. Ohne entsprechende Anpassungen, so Hocker, könne die FDP nicht zustimmen.

    Dabei lässt sich Hocker auch von möglichen Reaktionen aus Brüssel nicht unter Druck setzen. “Bei entsprechenden Nachweisen, dass Vorgaben auch auf anderem Wege erfüllbar sind, wäre auch die Kommission gesprächsbereit“, so der FDP-Abgeordnete. Im Vordergrund stehe für ihn vielmehr, dass Beschlüsse eine verlässliche Perspektive für Landwirte geben, sich zukünftig von Einschränkungen zu befreien, wenn sie alle Auflagen eingehalten haben.

    SPD-Berichterstatterin sieht Zeitdruck bei Monitoring-Verordnung

    Diejenigen entlasten, die sich an geltende Regeln halten, will auch die SPD-Fraktion. Laut deren Berichterstatterin für das Düngegesetz, Sylvia Lehmann, soll insbesondere die Stoffstrombilanz dabei helfen. Um die Verursachergerechtigkeit zu gewährleisten sei eine einzelbetriebliche Betrachtung erforderlich, die nur über die Stoffstrombilanz realisierbar sei, hält Lehmann fest. “Diese ermöglicht es, Betriebe von Auflagen zu befreien, die eine positive Stoffstrombilanz aufweisen und somit weniger Nährstoffe in den Boden einbringen.”

    Auflagen und bürokratische Anforderungen für Landwirte zu reduzieren, hält aber auch Lehmann für notwendig. Die Vorschläge des aktuell stattfindenden Agrardialogs dazu müssten in den Diskussionen zum Düngegesetz mitberücksichtigt werden, sagt sie. Gerade bei der Monitoring-Verordnung, mit der die Nährstoffeinträge ins Grundwasser überwacht werden sollen, sieht Lehmann – anders als Hocker – sehr wohl Zeitdruck. “Die EU hat in dieser Frage einen sehr kritischen Blick auf Deutschland. Soll heißen: Wir brauchen das Düngegesetz mit Monitoring und Stoffstrombilanz so schnell wie möglich“, so die SPD-Politikerin.

    DBV will Stoffstrombilanz streichen

    Doch speziell gegen eine verschärfte Stoffstrombilanz macht unter anderem der Deutsche Bauernverband (DBV) seit Monaten Stimmung. In seinem Forderungspapier von Mitte März zu Bürokratieabbau und Entlastungen fordert der DBV erneut, die Stoffstrombilanz ganz zu streichen und “nachweislich gewässerschonend wirtschaftende Betriebe von den zusätzlichen strengen Auflagen der Düngeverordnung” auszunehmen.

    Der Kieler Agrarwissenschaftler Friedhelm Taube, gefragter Gutachter auf dem Gebiet, hält das für den falschen Weg. “Wenn wir wirklich Bürokratie reduzieren wollen, müssen wir die Stoffstrombilanz durchsetzen“, sagt er. Jeder gute Betrieb jenseits der Landwirtschaft nennt so etwas nicht Bürokratie, sondern Controlling – zu wissen, was belege-basiert an Nährstoffen in den Betrieb hineingeht und was über die Produkte wieder exportiert wird. Die Buchhaltungsstellen haben diese Daten und müssten sie nur übermitteln. Die Düngeverordnung mit dem tatsächlichen hohen Bürokratieaufwand werde dann nicht mehr gebraucht. Mit einem guten Ordnungsrecht würden die Guten geschützt und die Schlechten gezwungen, sich anzupassen, ist Taube überzeugt.

    Agrarwissenschaftler Taube spricht von Transparenzverweigerung  

    Dass sich derzeit trotzdem viele Akteure gegen die Stoffstrombilanz stellten, liege laut Taube auch daran, dass sie Transparenz fürchten. “Mir sagen immer wieder Betriebsleiter, bei dem derzeitigen System gäbe es viele Manipulationsmöglichkeiten”, so Taube. Deshalb sei die Stoffstrombilanz gefürchtet, weil diese die tatsächlichen Nährstoffflüsse transparent macht.

    Unter anderem werde die Phosphor-Regulation durch die Stoffstrombilanzverordnung wieder implementiert, merkt der Agrarwissenschaftler an. Phosphor sei in vielen Regionen Nordwestdeutschlands ein größeres Problem als Nitrat. Im Bereich Phosphor könnten die Landwirte derzeit in Sachen Überdüngung durch zu viel Gülleanfall nahezu machen, was sie wollen, so Taube. Sein Resümee: “Was die FDP im Bundestag macht, ist eine Verweigerung von Transparenz unter dem Deckmantel des Bürokratieabbaus.”

    EU-Kommission beobachtet Situation

    Die Gefahr einer erneuten Abmahnung Deutschlands durch die EU-Kommission sieht Taube durchaus gegeben, sollte die Ampel die Gesetzesanpassungen nicht bald final auf den Weg bringen. Zwar sei die Stoffstrombilanzverordnung nicht Teil der Einstellung des EU-Vertragsverletzungsverfahrens, aber: “Man sollte sich nicht darauf verlassen, dass ein Aussetzen funktioniert.” Die EU-Wasserrahmenrichtlinie müsse schließlich auch implementiert werden, gibt Taube zu bedenken.

    Ein Sprecher der EU-Kommission lässt auf Anfrage von Table.Briefings wissen, dass die Kommission die Situation beobachte und sich im engen Kontakt mit den deutschen Behörden befinde. “Wir vertrauen darauf, dass die deutschen Behörden die notwendigen Maßnahmen im Einklang mit dem EU-Recht ergreifen werden”, so der Sprecher weiter.

    Parlamentsvorbehalt umstritten

    Solange die Ampel-Fraktionen sich nicht auf eine einheitliche Linie einigen können, rückt ein Inkrafttreten des neuen Düngegesetzes – ursprünglich vom BMEL für den Jahresbeginn angepeilt – immer weiter in die Ferne. Hinzu kommt: Für Gero Hocker ist ein Parlamentsvorbehalt bei zukünftigen Entscheidungen im Rahmen des Düngegesetzes bereits unumgänglich. Der aber sei, so gibt Sylvia Lehmann zu bedenken, nicht nur unüblich, sondern verlängere und erschwere die Diskussion zusätzlich.

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    Wirtschaftsprüfer sollen Reports abnehmen: Streit um CSRD-Prüfungen geht weiter

    Wenn Joachim Bühler über die Umsetzung der EU-Richtlinie über Nachhaltigkeitsberichtspflichten in Deutschland spricht, ist er freundlich im Ton, spart aber nicht mit Kritik. “Die Politik bevorzugt eine einzelne Branche und baut Oligopolstrukturen auf, die zulasten der gesamten Wirtschaft gehen”, sagt er.

    Bühler ist, das muss man wissen, Geschäftsführer des TÜV-Verbands und greift hiermit in erster Linie das FDP-geführte Justizministerium an. Das ist nämlich gerade dabei festzulegen, welche Instanzen CSRD-Berichte künftig abnehmen dürfen. Und der TÜV und andere technische Sachverständige dürfen es, nach aktuellem Stand, nicht. Diese Aufgabe soll ausschließlich Wirtschaftsprüfern vorbehalten sein. So sieht es der kürzlich veröffentlichte Referentenentwurf des Gesetzes vor.

    Etwa 15.000 Unternehmen werden in Deutschland unter die von der EU Ende 2022 beschlossene Berichtspflicht fallen, darunter auch zahlreiche Mittelständler; derzeit sind nur etwa 500 große Unternehmen betroffen. Sie müssen umfangreicher als je zuvor erklären, wie nachhaltig sie schon sind und was sie tun, um ihre öko-soziale Bilanz zu verbessern. Die Bundesregierung hat noch bis Anfang Juli Zeit, um die EU-Vorgabe in nationales Recht zu gießen. Aktuell läuft die Anhörung der Verbände. Bis zum 19. April haben sie und ihre Mitglieder die Möglichkeit, sich in den Prozess einzuschalten. Wie es aussieht, werden einige die Chance dazu nutzen.

    “Kein Grund, den Markt der Prüfer künstlich zu verknappen”

    Geht es um die geforderten Kompetenzen, sieht Joachim Bühler ohnehin keinen Nachteil bei sich. “Unsere weltweiten Testierungen und Berichte sind die Grundlage für Aktionärs- und Investitionsentscheidungen.” Für ihn gibt es keinen Grund, den Markt der Prüfer künstlich zu verknappen, wie er sagt. “Das führt ohne Not zu einer geringeren Auswahl von Prüfern und zu höheren Preisen.” Er verweist darauf, dass die Gesetzgeber in Brüssel diesen Wettbewerbsgedanken hochhalten wollten und in ihrer CSRD-Vorlage nicht nur Wirtschaftsprüfer, sondern auch sogenannte “Independent Assurance Service Provider” (IASP) wie etwa den TÜV vorgesehen haben. Diese Option ist in der deutschen Fassung nun weggefallen.

    Christian Sailer, als Vorstand Audit bei KPMG in Deutschland verantwortlich für die Abschlussprüfungen, hält die technischen Zertifizierungen der Konkurrenten für weniger geeignet. Wirtschaftsprüfer hätten eine ganz andere Herangehensweise, sagt er, und diese sei jetzt gefragt, weil sie sich schon bei der Prüfung von Lageberichten und Jahresabschlüssen bewährt habe.

    Tatsächlich sieht die CSRD eine Angleichung der Berichte vor. Bestand in der Vergangenheit noch ein Unterschied zwischen finanziellen und nicht-finanziellen Reports, soll dieser künftig behoben werden. Nachhaltigkeit mit ihren vielen Facetten soll so stark wie möglich objektiviert und vergleichbar gemacht werden. Wie bei herkömmlichen finanziellen Kennzahlen. “Die CSRD-Prüfung läuft konzeptionell nach der gleichen Methodik ab, es gibt sogar viele Überschneidungen”, sagt Sailer. In beiden Fällen gehe es darum, mit einer Risikoeinschätzung des jeweiligen Unternehmens zu beginnen. Danach folgt die Analyse der Systeme, die Aufnahme der Prozesse und die Dokumentation der Kontrollen – woraufhin man schließlich die Systeme, Prozesse und Kontrollen prüft.

    Dass es dabei zu einer Verknappung der Anbieter kommt, glaubt er nicht. “Gerade Mittelständler werden nicht auf die großen, sondern auf kleinere Prüfungsgesellschaften zugreifen, nämlich genau die, die sie schon bei der Prüfung der finanziellen Informationen begleiten.” Die integrierte Berichterstattung, die ab sofort erforderlich ist, müsse auch eine integrierte Prüfung nach sich ziehen – und kleinere Wirtschaftsprüfer würden sich genauso fit machen für die neuen Bedingungen wie die bekannten Gesellschaften.

    ESG-Fachleute sind knapp und begehrt

    Allerdings gibt Sailer zu, dass selbst sein Unternehmen, das zu den größten der Branche zählt, mehr Know-how in den eigenen Reihen braucht. Zu Themen wie Biodiversität oder Wasser beispielsweise hätte er aktuell keine Experten. Das Problem: Auf dem Jobmarkt sind solche Fachleute knapp und gesucht – und das hat womöglich zwei Folgen: Zum einen könnten weniger finanzstarke Prüfungsgesellschaften beim Buhlen um die besten Talente nicht mithalten. Das Risiko für sie, neue Leute einzustellen, auszubilden und durch Aufträge auszulasten, ist hoch. Zum anderen wären kleine und mittelständische Firmen, die zur Testierung ihrer CSRD-Reports verpflichtet sind, letztlich doch auf die großen Player angewiesen.

    Für die Dekra ist das ein entscheidender Punkt. “Wir wissen, wie kleine und mittelständische Unternehmen Umwelt- und Energiemanagementsystems leben und kennen die verschiedenen Industrien, weil wir bereits andere Prüfaufträge wahrnehmen”, sagt Senior Vice President Maik Beermann. Außerdem verspricht er: “Wir werden nicht der Preistreiber in diesem Bereich sein. Dieses könnte aber durch den aktuellen Gesetzentwurf passieren.”

    Der ehemalige Bundestagsabgeordnete, der für die Außen- und Regierungsbeziehungen des Unternehmens zuständig ist, hat mit der Nähe zu den Mandanten bei der Bundesregierung schon im vergangenen Jahr für sich geworben. Vergeblich, offenbar. Und für ihn unverständlich. “Wenn jemand Tankstellen mit grünem Wasserstoff betreibt, wäre es gut, Prüfer zu haben, die wissen, was diese Technologie für die Nachhaltigkeit bedeutet und wie die Wirkung gemessen und nachgewiesen wird.” Deshalb hält er es für möglich, dass Wirtschaftsprüfer künftig auf die Dekra zukommen, weil sie eben dieses Know-how benötigen.

    Grundsätzlich aber würde er ein anderes Verfahren bevorzugen, nämlich über eine Akkreditierungsnorm, die etwa die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS) festlegt und prüft. Jeder, der anschließend CSRD-Berichte abnehmen will, müsste die entsprechende Qualifizierung dort dann nachweisen. “Das wäre leicht und schlank und würde die gleichen Voraussetzungen für alle infrage kommenden Marktteilnehmer bedeuten”, so Beermann.

    Verbände für “leichte und schlanke” Lösung

    Argumente wie diese will er in den kommenden Wochen und Monaten nochmal über die Verbändeanhörung und Gespräche mit Parlamentariern einbringen – sie müssen im Bundestag letztlich über das Gesetz entscheiden. Bereits im vergangenen Jahr hatte sich für das Anliegen eine Allianz aus TÜV-Verband und den Verbänden der Chemischen Industrie (VCI), des Maschinen- und Anlagenbaus (VDMA), der Textilindustrie, der Stahl- und Metallverarbeitung (WSM) und der Wirtschaftsvereinigung Metalle zusammengefunden und einen Brief an Justizminister Marco Buschmann geschickt.

    Ob es bei seiner geplanten Regelung bleibt oder nicht – Christian Sailer von KPMG sagt zu, seinen Mandanten mit Augenmaß begegnen zu wollen. “Die Komplexität der Richtlinie ist enorm. Sie trägt das Risiko in sich, Unternehmen zu überfordern”, sagt er. Das müsse man auch in der Prüfung der Berichte berücksichtigen. Klappt das nicht, wächst die Gefahr, dass das Vorhaben, die Wirtschaft nachhaltig umzubauen, scheitert.

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    Green-Claims-Regeln könnten Carbon Farming schaden

    Die Green-Claims-Richtlinie, über die EU-Parlament und Rat derzeit entscheiden, soll Greenwashing in der Werbung verhindern. Mit Klimaneutralität dürften Produkte demnach zum Beispiel nur noch dann werben, wenn das mit wissenschaftlich ermittelten Daten belegt werden kann. Dazu dürfen allerdings nach der Fassung, für die im Februar das EU-Parlament stimmte, im Regelfall keine CO₂-Kompensationen herangezogen werden.

    Dadurch könnte die Richtlinie einem anderen Klimaschutzvorhaben der EU im Weg stehen: der Förderung von Carbon Farming. Denn dabei sollen Landwirte durch Humusaufbau auf ihren landwirtschaftlichen Nutzflächen “CO₂-Entnahmezertifikate” generieren und auf freiwilligen Kohlenstoffmärkten verkaufen können. Im Februar hatten sich Parlament und Rat im Trilog über das entsprechende “Carbon Removal Certification Framework (CFCR)geeinigt. Die finale Abstimmung im Parlament steht am Mittwoch an.

    Thünen-Institut: Zahlungsbereitschaft für Klimaschutzprojekte könnte sinken

    “Wir sind der Meinung, dass die starke Beschränkung des Einsatzes von CO₂-Gutschriften in der Produktwerbung Landwirte davon abhalten könnte, ins Carbon Farming einzusteigen, weil der Markt für ihre Gutschriften nicht rentabel sein wird”, warnt der EU-Bauerndachverband Copa-Cogeca im Gespräch mit Table.Briefings. Werde der Verkauf von CO₂-Gutschriften auf freiwilliger Basis durch strenge Beschränkungen faktisch verhindert, werde dem Markt ein wirksames Klimaschutzinstrument vorenthalten.

    Auch beim Thünen-Institut rechnet man mit negativen Auswirkungen. “Wenn mit Klimaschutzprojekten im Bereich Carbon Farming nicht mehr so einfach geworben werden kann, wird auch die Zahlungsbereitschaft von Unternehmen zurückgehen, entsprechende Projekte zu finanzieren”, sagt Bernhard Osterburg, Leiter der Stabsstelle Klima, Boden, Biodiversität des Bundesforschungsinstituts, zu Table.Briefings. Die EU setze mit den Beschränkungen “ganz klar eine Bremse ein”.

    Copa-Cogeca sieht Doppelbelastung

    Copa-Cogeca kritisiert die Green-Claims-Richtlinie noch in einem weiteren Punkt: Landwirte, die bereits ein Prüfverfahren durchlaufen haben, um die freiwilligen Umweltpraktiken der GAP einzuhalten, müssten ein weiteres Verfahren für dieselben Sachverhalte absolvieren, um den Vorgaben der Green-Claims-Richtlinie zu genügen.

    Zwar betrifft die Richtlinie in den wenigsten Fällen Landwirte. Doch wenn etwa ein Händler mit einem Green Claim werben wolle, dann müsse die Behauptung auch auf Ebene des landwirtschaftlichen Betriebs überprüft werden. Der Verband hofft nun, dass seine Kritik in die anstehenden Trilog-Verhandlungen zur Green-Claims-Richtlinie aufgenommen wird. mo

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    EU-Parlament könnte Position zu neuer Gentechnik vor Wahl festzurren

    Mit einer erneuten Abstimmung könnte das EU-Parlament seine Position zum Vorschlag der EU-Kommission, neue Züchtungstechniken zu deregulieren, festzurren und damit verhindern, diese nach der Europawahl noch einmal bestätigen zu müssen. Am heutigen Dienstag wollen die Vertreter der Fraktionen im Umweltausschuss laut Parlamentsquellen darüber entscheiden, ob das Plenum bei seiner letzten Sitzung vor der Europawahl Ende des Monats noch einmal zum Thema abstimmt.

    Das Parlament hatte bereits Anfang Februar über sein Verhandlungsmandat abgestimmt und sich mit Einschränkungen für den Kommissionsvorschlag ausgesprochen. Weil sich die Mitgliedstaaten nicht geeinigt haben, stockt aber das Gesetzgebungsverfahren. Durch das erneute Votum könnte das Plenum vor der Wahl seine Position in erster Lesung formell annehmen. Andernfalls müsste danach das neu gewählte Parlament entscheiden, ob es diese beibehält oder die Arbeit an dem Dossier neu startet.

    EFSA-Bericht würde nicht abgewartet

    Gentechnikgegner sehen in dem Schritt ein Manöver, die Debatte zum Thema abzuwürgen und zu verhindern, dass das Parlament nach der Wahl seine Meinung ändert. “Entscheidende Fragen” seien weiter “ungeklärt”, kritisiert beispielsweise der Kleinbauernverband Via Campesina in einem offenen Brief. Unter anderem eine neue Stellungnahme der EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zum Thema werde noch im Juli erwartet.

    Mit der Stellungnahme will EFSA auf die Kritik der französischen Behörde ANSES am Kommissionsvorschlag reagieren. Der Belgische Hohe Gesundheitsrat hat sich allerdings zuletzt gegen die Kollegen aus Frankreich gestellt und spricht sich in einem kürzlich veröffentlichten Bericht für die von der Kommission vorgeschlagene Deregulierung bestimmter Züchtungstechniken aus.

    Unter den Mitgliedstaaten zeichnet sich weiter keine Einigung ab. Laut Diplomatenkreisen strebt die belgische Ratspräsidentschaft aktuell eine Einigung bis zum Ende der Präsidentschaft Ende Juni an. Viel Hoffnung darauf gibt es dem Vernehmen nach allerdings nicht. Ernsthafte Gespräche dürfte es im Rat andernfalls erst wieder 2025 geben. Denn in der zweiten Jahreshälfte 2024 hat die gentechnikkritische ungarische Regierung die Präsidentschaft inne. jd

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    Vogelgrippe beim Menschen: FLI sieht geringes Risiko, mahnt aber zur Vorsicht

    Nachdem in den USA ein Fall von Vogelgrippe bei einem Menschen gemeldet wurde, sieht die Präsidentin des Friedrich-Loeffler-Instituts, Christa Kühn, keinen Grund zur Panik, mahnt aber zur Gewissenhaftigkeit bei Schutzmaßnahmen. In Deutschland und Europa gebe es bisher “keine Hinweise” auf solche Fälle, sagt sie Table.Briefings. Sowohl die EU-Behörde für Infektionskrankheiten (ECDC) als auch ihr US-amerikanisches Pendant, das Center for Disease Control and Prevention (CDC), stuften das Risiko menschlicher Infektionen weiter als gering ein.

    Trotzdem seien Infektionen bei Menschen unter ähnlichen Umständen wie beim Fall in den USA nicht auszuschließen. Dort war ein Fall in Texas gemeldet worden, bei dem das Virus mutmaßlich nicht direkt durch Vögel, sondern durch infizierte Rinder auf den Menschen übertragen wurde. Fälle bei Rindern seien ungewöhnlich, aber nicht ausgeschlossen, so Kühn. Aufhorchen lasse die Anzahl betroffener Herden in verschiedenen US-Bundesstaaten.

    Infektion direkt durch Geflügel “äußerst selten”

    In Deutschland sind laut Kühn für den Fall von Infektionen bei Milchkühen bereits “strikte vorsorgliche Maßnahmen“, zum Beispiel Transportbeschränkungen, vorgesehen, um die Ausbreitung einzudämmen und eine Übertragung auf den Menschen zu verhindern.

    In “äußerst seltenen Einzelfällen” könnten aber bei den in Europa besonders verbreiteten Virusstämmen auch Übertragungen direkt von Geflügel auf den Menschen vorkommen. Tierhalter ruft Kühn dazu auf, Biosicherheits-Maßnahmen gewissenhaft umzusetzen und bei unklaren, gehäuften Erkrankungsfällen im Tierbestand wachsam zu sein.

    Anpassung des Virus an den Menschen verhindern

    In einem vergangene Woche veröffentlichten Bericht über Risikofaktoren für eine Vogelgrippe-Pandemie rufen das ECDC und die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit, EFSA, zu einer besseren Zusammenarbeit von Behörden verschiedener Bereiche – wie Human- und Tiermedizin, aber auch Ökologie – auf. So soll verhindert werden, dass das Virus so mutiert, dass es sich effektiv unter Menschen ausbreiten kann. Geschehe dies erst einmal, sei wegen der fehlenden Immunabwehr gegen das Virus eine schnelle Ausbreitung wahrscheinlich.

    Auch die beiden EU-Behörden rufen deshalb dazu auf, Bioschutz-Maßnahmen effektiv umzusetzen. Zudem müsse zur Vorbeugung die Impfung von Geflügel in Betracht gezogen werden. Der Bericht entstand vor Bekanntwerden des jüngsten Falls in den USA. Man nehme von dieser Entwicklung Notiz und beobachte die Situation genau, teilt eine EFSA-Sprecherin mit. Um Genaueres zu sagen, sei es aber noch zu früh. jd

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    Trotz DBV-Kritik: EU-Bodengesetz dürfte nächste Hürde nehmen

    Das EU-Parlament stimmt am Mittwoch über das vorgeschlagene Bodenüberwachungsgesetz ab. Während der Deutsche Bauernverband (DBV) neue Bürokratielasten fürchtet und sich gegen das Gesetz ausspricht, ist mit der Zustimmung der Abgeordneten zu rechnen. Der Richtlinie wird wenig politische Sprengkraft beigemessen, selbst der Agrarausschuss trägt sie mit.

    Das dürfte daran liegen, dass die Brüsseler Behörde von Anfang an einen deutlich weniger ambitionierten Text vorlegte, als angedacht: Statt eines “Bodenschutzgesetzes” präsentierte sie ein “Bodenüberwachungsgesetz.”

    DBV befürchtet “Doppelregelungen”

    Statt die Mitgliedstaaten zur Verbesserung des Bodenzustands zu verpflichten, zielt der Text lediglich darauf ab, ein EU-weit einheitliches System für die Überwachung des Bodenzustands zu schaffen. “Es ist ein Gesetz des kleinsten gemeinsamen Nenners“, sagt Maximilian Meister, Referent für Agrarpolitik beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Trotzdem sei es gut, dass das Thema erstmals EU-rechtlich angegangen werde.

    Der DBV befürchtet dagegen neue Einschränkungen für die Bewirtschaftung. In einem kürzlich veröffentlichten Forderungspapier zur Entlastung der Landwirtschaft fordert der Verband, auf das Gesetz zu “verzichten”, da es “umfangreiche bürokratische Vorgaben” enthalte. Zusätzlich kritisiert der Verband “Doppelregelungen“, weil sich die neue Richtlinie mit bestehendem nationalen und europäischen Fach- und Umweltrecht überschneide.

    Keine verbindlichen Schritte gegen Bodenversiegelung

    Meister geht dagegen davon aus, dass das Gesetz keinen Mehraufwand für Landwirte bringe. Direkt betroffen seien diese nach aktuellem Stand nur an zwei Stellen: durch die Festlegung von Schwellenwerten für Rückstände einiger besonders gefährlicher Pestizide im Boden, sowie dadurch, dass Beratungsangebote zu bodenschonenden Bewirtschaftungsformen geschaffen werden sollen.

    Einig sind sich DBV und Nabu in einem Punkt: Zu wenig tue das Gesetz gegen die Versiegelung von Böden. “Nach wie vor werden in Deutschland rund 55 Hektar pro Tag für Siedlungen, Gewerbegebiete und Straßen in Anspruch genommen und gehen für die Natur und die Erzeugung von Nahrungsmitteln dauerhaft verloren”, betonte DBV-Präsident Joachim Rukwied vergangenes Jahr nach der Vorstellung des Vorschlags. Dass dieser kein verbindliches Instrument enthalte, um dem beizukommen, bedauert auch Meister.

    Nimmt das Parlament seine Verhandlungsposition an, ist der Ministerrat am Zug: Die Mitgliedstaaten müssen sich untereinander einigen, danach Rat und Parlament noch miteinander verhandeln. Das Gesetzgebungsverfahren geht damit nach der EU-Wahl weiter. jd

    • Biodiversität
    • EU-Bodenüberwachungsgesetz
    • Europäisches Parlament
    • Landwirtschaft

    Termine

    10.04.2024 – 19.00 – 21.00 Uhr / Landesvertretung des Saarlandes in Berlin
    Landwirtschaft im Dialog Diskussionsveranstaltung Milch trinken und das Klima schützen?
    Gut ein Drittel der landwirtschaftlich genutzten Fläche Deutschlands ist Dauergrünland. Die Rinderhaltung ist der einzige Weg, diese Flächen für die menschliche Ernährung nutzbar zu machen. Die grasbasierte Milchproduktion gilt als nachhaltigste Variante. Ist Milch also besser als ihr Ruf? INFO & ANMELDUNG

    10.4. – 11.4.2024 / Brüssel
    Plenartagung Abstimmungen im Europäischen Parlament
    7: Bodenüberwachung und -resilienz (Bodenüberwachungsrichtlinie)
    79: Lebensmittel für die menschliche Ernährung: Änderung bestimmter “Frühstücksrichtlinien”
    82: Erhaltungs-, Bewirtschaftungs- und Kontrollmaßnahmen für den Bereich des Übereinkommens über die künftige multilaterale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Fischerei im Nordostatlantik
    Tagesordnung

    12.04.2024 – 15:45 – 16:45 / online
    DGAP Diskussionsveranstaltung der Serie “Strategic Industries” Ökonomie der Nachhaltigkeit: Transformative Ansätze für die Ernährungssicherheit
    Im Panel diskutiert Cem Özdemir gemeinsam mit anderen Gästen, wie technologische und agrarökologische Innovationen die Landwirtschaft nachhaltig transformieren können, und welche lokalen sowie globalen Allianzen ausgebaut werden müssen, die Aktivitäten koordinieren und alle betroffenen Gruppen einbeziehen. ANMELDUNG

    12.04. – 13.04.2024 / Stadthalle Bad Neustadt
    Josef Göppel Symposium Landwirtschaft, Naturschutz und Kommunen – vom Spannungsfeld zur Lösungswelt
    “Nur Mut” – das war sein Lebensmotto und ganz in diesem Sinne wird das Josef Göppel Symposium 2024 stehen. Zahlreiche Politikerinnen und Politiker, sowie Vertreter*innen von Verbänden werden am Symposium teilnehmen, und das Potenzial aus Transformationsprozess und gemeinsamen Handelns zu diskutieren. Mit dabei BN-Vorsitzender Richard Mergner, Präsident des BBV Günther Felßner, Vorsitzende des DVL  Maria Noichl (MdEP, SPD), Staatsminister für Umwelt und Verbraucherschutz Thorsten Glauber. INFO

    22.04. – 23.04. / Neudietendorf Erfurt
    Seminar Zweite BZL-Beratertagung: Betriebliche Möglichkeiten für Gewässerschutz und Wassermanagement
    Welchen Beitrag hat die Landwirtschaft zum Gewässerschutz? Wie kann eine klimaschonende Landwirtschaft nachhaltig mit der Ressource Wasser umgehen? Auf der Tagung werden Ideen und Beispiele aus den Bereichen Tierproduktion und Pflanzenbau vorgestellt. PROGRAMM

    23.04.2024 – 13.00 – 22.00 Uhr / Festsaal Kreuzberg Berlin
    Diskussionsforum Zukunftsdialog Agrar und Ernährung 2024
    Der Zukunftsdialog Agrar und Ernährung bringt vor dem Hintergrund dieser aktuellen Debatten bei Ernährung, Nachhaltigkeit, Erzeugung und Lebensmittelsicherheit die Agrarbranche mit ihren Kritikern auf Augenhöhe zusammen. Das Event bietet Raum für einen offenen, kritischen und lösungsorientierten Diskurs zwischen allen relevanten und wichtigen Stakeholdern. INFO & ANMELDUNG

    23.04. – 24.04.2024 / Hilton Hotel Flughafen München
    Kongress 16. Molkerei Kongress
    Der Branchentreff der Lebensmittel Zeitung für Milchwirtschaft, milchverarbeitende Unternehmen und Handel. INFO

    24.04. – 25.04.2024 / Eichhof in Bad Hersfeld
    Tagung 3. BZL-Bildungsforum: “Neue Formate in der landwirtschaftlichen Berufsbildung”
    Von Nachhaltigkeit im Unterricht über die Motivation der Schülerschaft bis hin zur Drohnentechnik im Pflanzenbau – um “Neue Formate in der landwirtschaftlichen Berufsbildung” geht es beim 3. Bildungsforum für die berufliche Bildung des Bundesinformationszentrums Landwirtschaft (BZL). INFO & ANMELDUNG

    Presseschau

    Lebensmittelzeitung: So sehen die Ernährungspläne der Parteien für Europa aus
    Die Parteiprogramme für die Europawahl 2024 unterscheiden sich erheblich in ihrer Bewertung der Ernährungs- und Agrarwirtschaft. Die SPD setzt sich für die Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien ein und fordert dringende Reformen zur Anpassung an den Green Deal. Die Union beschränkt sich in einem einseitigen Papier darauf, einen “sofortigen Belastungsstopp für die Landwirtschaft” zu proklamieren. Im Programm der FDP wird eine marktwirtschaftliche Agrarpolitik mit weniger Bürokratie und Subventionen gefordert, während die Grünen sich für EU-weite Regelungen gegen Preisdumping einsetzen und für eine Stärkung der Position der Landwirte gegenüber dem Einzelhandel plädieren. Zum Artikel

    The Guardian: EU pumps four times more money into farming animals than growing plants
    80 Prozent der EU-Agrarsubventionen aus der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) fließen – direkt oder indirekt über Futtermittel – in tierische Produkte. Zu dem Ergebnis kommt eine Studie, die im Journal Nature Food erschienen ist. Damit subventioniere die EU eine klimaschädliche Ernährungsweise. Mehrere nicht beteiligte Wissenschaftler kritisieren jedoch die Studie: Sie basiere auf Daten von 2013, seither habe sich einiges geändert. Zudem reizten GAP-Direktzahlungen nicht direkt die Produktion bestimmter Lebensmittel an – diesen Zusammenhang herzustellen, sei verkürzt. Zum Artikel.

    Der Spiegel: Britische Landwirte leiden unter Brexit – und verlangen Grundeinkommen
    Der Brexit hat britische Landwirte stark getroffen. Diese sehen sich konfrontiert mit teuren Regelungen zum Klima- und Umweltschutz sowie einem Mangel an Arbeitskräften. Die Ersatzgelder für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU erreichen viele Landwirte nicht und Prognosen deuten darauf hin, dass sie die EU-Subventionen auch nicht ausgleichen werden. Als Reaktion darauf fordern Landwirte der Kampagne “BI4Farmers” nun ein universelles Grundeinkommen. Zum Artikel

    Agra Europe: Ökolandbau: Özdemir setzt auf weitere Absatzmöglichkeiten
    Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir hat die neuesten Zahlen des Statistischen Bundesamtes zum Ökolandbau positiv aufgenommen. “In den letzten Jahren haben immer mehr Höfe auf Ökolandbau umgestellt, und das erfolgreich für Mensch, Umwelt und Natur”, erklärte der Minister. Auf das Ziel von 30 Prozent Ökolandbau im Jahr 2030 ging Özdemir nicht ein. Es ist unwahrscheinlich, dass dieses noch erreicht wird. Zum Artikel

    Lebensmittelzeitung: EU-Richtlinie – Neue Produkthaftung macht Rückrufe riskant
    Die überarbeitete EU-Produkthaftungsrichtlinie, die voraussichtlich im Mai dieses Jahres in Kraft treten wird, sieht umfangreiche Offenlegungspflichten für Hersteller vor. Mit dieser Novelle müssen sich Unternehmen auf eine striktere Produkthaftung einstellen, da Korrekturmaßnahmen wie freiwillige Rückrufe oder Rücknahmen nun bei der Bewertung der Fehlerhaftigkeit eines Produkts berücksichtigt werden. Experten warnen, dass Unternehmen möglicherweise zögern könnten, freiwillige Rückrufe durchzuführen, da diese Maßnahme die Haftung verschärfen könnte. Zum Artikel

    Euractiv: EU-Staaten verhärten Position gegen Renaturierungsgesetz
    Die Ablehnung des umstrittenen Renaturierungsgesetzes durch Polen und Finnland erschwert die Suche nach einem Kompromiss für das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur. Nach dem Rückzug Ungarns im März steht das Schicksal des Gesetzes erneut auf der Kippe. Es ist nur noch die Zustimmung eines weiteren Landes erforderlich, um den Text in EU-Recht umzusetzen. Zum Artikel

    Heads

    Christoph Zimmer will Landwirtschaft ganzheitlich betrachten

    Christoph Zimmer engagiert sich für eine nachhaltige und gentechnikfreie Landwirtschaft.

    Mit 16 Jahren war sich Christoph Zimmer zweier Sachen sicher: Er will nicht länger zur Schule gehen und nicht in einem Büro arbeiten. Also beginnt er eine landwirtschaftliche Ausbildung in der Nähe seines Heimatortes Schwäbisch Hall. “Ich war von Anfang an begeistert, weil es eine sinnhafte Arbeit war und mich die Zusammenhänge in der Natur faszinierten.”

    Heute, etwa 30 Jahre später, ist Zimmer Landesgeschäftsführer des ökologischen Anbauverbands Bioland in Baden-Württemberg. Neben der landwirtschaftlichen Ausbildung absolvierte er einen Master in International Business Management und war bis zu seinem Amtsantritt 2021 Geschäftsführer des Bio-Anbauverbands Ecoland.

    Wenn Zimmer nicht gerade unterwegs ist für Tagungen, Mitgliederversammlungen oder politische Arbeit, arbeitet er an seinem Schreibtisch im schwäbischen Esslingen. Dort befindet sich eine von drei Bioland-Geschäftsstellen. Sein Hintergrund als Landwirt prägt den 47-Jährigen aber weiterhin: “Dass ich auch eine Mistgabel in der Hand hatte, hilft mir, mich in die landwirtschaftlichen Mitglieder hineinzuversetzen.”

    “Wir sehen uns als übergreifende Wertegemeinschaft”

    Bioland ist in neun Landesverbände unterteilt und mit über 8.700 landwirtschaftlichen Mitgliederbetrieben der größte ökologische Anbauverband Deutschlands. Hinzu kommen 1.500 Partner aus Herstellung und Handel, wie Bäckereien oder Molkereien. “Wir sehen uns bei Bioland nicht als Bauernverband, sondern als übergreifende Wertegemeinschaft, die gemeinsam Landwirtschaft, Verarbeitung und Handel voranbringt“, sagt Zimmer.

    Besonders wichtig ist es ihm, die Herausforderungen in der Landwirtschaft ganzheitlich anzugehen: “Wie können wir eine gesunde, hochwertige Lebensmittelversorgung unserer Bevölkerung sicherstellen und gleichzeitig Klima, Biodiversität, Boden und Grundwasser schützen? Wir müssen diese Themen gemeinsam denken, denn wir können es uns nicht leisten, mit viel Geld später Schäden zu reparieren”, so Zimmer.

    Neben verschiedenen Anbauprinzipien, um die Umwelt zu schützen, legte Bioland Ende letzten Jahres eine Klimastrategie vor. Deren Kern ist ein systematisches Monitoring, bei dem Klimakennzahlen und Klimabilanzen der Betriebe erfasst werden. Auch ein individuelles Beratungsangebot gehöre dazu, um die einzelne Klimaleistung zu verbessern, erklärt Zimmer. Seit 2021 ist außerdem eine Biodiversitätsrichtlinie in Kraft, in der Bioland-Betriebe Punkte in verschiedenen Kategorien sammeln müssen.

    “Wer einen Schaden verursacht, soll ihn auch bezahlen”

    Was klar gegen die Werte der Bioland-Gemeinschaft verstößt, ist der Einsatz von Gentechnik. Dieser wurde zuletzt stark diskutiert, nachdem das EU-Parlament im Februar für eine Regellockerung für neue Gentechnik gestimmt hatte. Während Befürworterinnen und Befürworter darauf hoffen, dass genetisch veränderte Pflanzen widerstandsfähiger – beispielsweise gegen Dürre oder Schädlinge – sind, sieht Zimmer vor allem Vorteile für Großkonzerne und die Gefahr einer Abhängigkeit durch Patentierungen.

    “Uns werden viele Versprechungen gemacht, wie schon bei der ‘alten Gentechnik’ vor 30 Jahren. Was ist passiert? Konzerne verdienten enorme Summen, die positiven Versprechungen sind nicht eingetreten”, sagt Zimmer. Er ärgert sich besonders darüber, dass Bio-Betriebe, die frei von Gentechnik bleiben wollen, das Geld für Analysen zahlen müssen. “Es sollte das Verursacherprinzip gelten: Jemand, der einen Schaden, eine Veränderung verursacht, der soll die Kosten zahlen. Was wir wirklich brauchen, sind faire Preise für die Landwirtschaft, und da gehören auch solche Kosten mit rein”, ist Zimmer überzeugt. Leoni Bender

    • Agrarpolitik
    • Biolebensmittel
    • Ökologische Landwirtschaft

    Agrifood.Table Redaktion

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