Table.Briefing: Agrifood

Stichwahl in Argentinien + Agrarpolitischer Bericht + EU-Trilog einigt sich auf NRL

Liebe Leserin, lieber Leser,

am Sonntag wählen die Argentinier einen neuen Präsidenten. Regierungskandidat Sergio Massa und der libertäre Populist Javier Milei repräsentieren zwei unterschiedliche wirtschaftspolitische Konzepte. Allerdings haben beide Kandidaten ihre Wirtschaftspläne nur grob skizziert und fast keine konkreten Maßnahmen genannt. Klar ist aber, dass der eine für Kontinuität steht, der andere für Wandel.

Die Agrarindustrie erhofft sich eine Neuausrichtung in der Agrarpolitik. Der Landwirtschaftssektor hat enorme Produktionskapazitäten. Agrarexporte im Wert von bis zu 100.000 Millionen US-Dollar seien in den kommenden zehn Jahren möglich, rechnen argentinische Wirtschaftsvertreter vor. Dies entspricht einer Verdoppelung der in 2022 exportierten Agrarprodukte, schreibt unser argentinischer Autor Carlos Boyadjian in seiner Analyse.

Ihre
Henrike Schirmacher
Bild von Henrike  Schirmacher

Analyse

Argentinien: Javier Milei hat Agrarindustrie hinter sich

Seit zwei Monaten durchläuft Argentinien einen schwierigen Wahlprozess. Dieser endet am 19. November mit einer Stichwahl zur Ernennung des Präsidenten, welcher das Land bis Dezember 2027 regieren wird. Regierungskandidat Sergio Massa von der linken Unión por la Patria (Union für das Vaterland) und der libertäre Populist Javier Milei repräsentieren zwei unterschiedliche wirtschaftspolitische Konzepte.

Sergio Massa, Wirtschaftsminister seit August 2022, steht für eine aktive Rolle des Staates in der Wirtschaft, die Beibehaltung von Regulierungen und Quoten, sowie der Förderung des Exports. Er kündigt an, dass er das hohe Haushaltsdefizit von fast drei Prozent des BIP verringern wird, sagt jedoch nicht, wie die Inflation gesenkt werden soll. Diese stieg während seiner Amtszeit jährlich von 60 Prozent auf 150 Prozent.

Milei will Märkte liberalisieren

Javier Milei wirbt damit, die extrem hohe Inflation eindämmen zu wollen. Dafür will er die Landeswährung des Peso abschaffen und durch den US-Dollar ersetzen. Er schlägt eine auf zwei Jahre befristete Schließung der Zentralbank vor, um den Staatsbankrott zu verhindern. Außerdem will er öffentliche Ausgaben drastisch reduzieren, etwa in den Bereichen öffentliche Arbeit, staatliche Beschäftigung und Sozialprogramme.

Die zweitgrößte Volkswirtschaft Südamerikas steckt in einer tiefen Wirtschaftskrise: Die Inflationsrate liegt bei 138 Prozent, an die 40 Prozent der Menschen in dem einst reichen Land leben unter der Armutsgrenze. Argentinien leidet unter einem aufgeblähten Staatsapparat, geringer Produktivität der Industrie und einer großen Schattenwirtschaft, die dem Staat viele Steuereinnahmen entzieht. Die Landeswährung Peso verliert gegenüber dem US-Dollar immer weiter an Wert, der Schuldenberg wächst ständig.

Neuausrichtung der Agrarpolitik gefordert

Milei, der Märkte durch Freihandelsabkommen öffnen und Exporte fördern will, hat die Agrarindustrie hinter sich. Diese fordert eine geringere Steuerlast, sinkende Ausfuhrzölle, das Ende von Quoten und Exportbeschränkungen sowie einen einzigen Wechselkurs für Exporte und den Kauf von Rohstoffen.

Aktuell variieren die Ausfuhrzölle je nach Erzeugnis. Auf Sojabohnen und Derivate (Öl, Mehl) werden 33 Prozent erhoben, auf Weizen und Mais zwölf Prozent, auf Fleisch und Milchprodukte 9 Prozent, auf Sonnenblumen 7 Prozent und auf Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeugteile 4,5 Prozent.

“Ich glaube nicht, dass einer der beiden Kandidaten Fortschritte bei der Abschaffung der Exportzölle machen wird”, sagt Marisa Bircher, ehemalige Außenhandelsministerin der Nation und Leiterin von BiGlobal Consulting, die Unternehmen bei der Internationalisierung ihrer Geschäfte berät. Übrige Industriesektoren lehnen Mileis Vorschlag zur Marktliberalisierung ohnehin ab, weil sie externen Wettbewerb fürchten.

“Alles, was kommt, ist sehr ungewiss”, sagte Marcelo Elizondo, Generaldirektor der Internationalen Handelskammer für Lateinamerika und Experte für internationale Geschäfte. In den letzten zwanzig Jahren habe Argentinien global an Bedeutung verloren. Die Dollarisierung hält Elizondo aktuell “nicht für durchführbar”. Grundsätzlich würde es Argentiniens Exporte wettbewerbsfähiger und die Importe teurer machen, analysiert er.

Agrarexporte im Wert von bis zu 100.000 Millionen US-Dollar möglich

Sowohl Massa als auch Milei hätten “eine positive Einstellung zu Mercosur”, sagt Bircher, die bei den Verhandlungen mit der Europäischen Union im Jahr 2019 in Brüssel dabei war. Bircher betont, dass einige Produktionszweige noch deutlich mehr Exportkapazitäten hätten. Das umfasse Rindfleisch, Frischobst, den Fischereisektor, Öle, Zitrusfrüchte und ätherische Öle. Bislang gingen beispielsweise elf Prozent der Rindfleischexporte nach Deutschland. Damit ist Deutschland der erste Importeur in der EU.

In diesem Zusammenhang gibt der argentinische Rat für Agrarindustrie (CAA), der sich aus mehr als 50 Wirtschaftskammern des Sektors zusammensetzt, in seinem Strategieplan 2023 bis 2033 an, dass in den nächsten zehn Jahren Agrarexporte im Wert von bis zu 100.000 Millionen US-Dollar möglich sind. Dies entspricht einer Verdoppelung der 2022 exportierten Agrarprodukte im Wert von 57.000 Millionen US-Dollar.

“Mit Sergio Massa sind keine großen Veränderungen in der Agrarpolitik zu erwarten”, sagt Eugenio Irazuegui, Agrarmarktanalyst bei der Getreideagentur Zeni. Dessen Politik sei in den letzten Jahren von der Konfrontation zwischen der Regierung und den Erzeugerverbänden geprägt gewesen. Die Regierung betrachte diese nur als Steuerzahler, kritisiert der Agrarmarktanalyst. Javier Milei habe zwar eine Senkung der Exportzölle versprochen. Es bestehe jedoch “ein gewisses Misstrauen“, dass er dies umsetzen könne, wenn er Präsident werde, so Irazuegui weiter. Von Carlos Boyadjian

  • Agrarpolitik
  • Nachhaltige Ernährungssysteme

Trilog-Einigung zur Renaturierung stößt auf geteilte Meinungen

Nach neunstündigen Verhandlungen haben sich die Verhandlungsführer am Donnerstagabend auf ein Gesetz zur Wiederherstellung der Natur (Nature Restoration Law) geeinigt. Der Text weicht stark von dem Vorschlag ab, den die Kommission im Juni 2022 vorgelegt hatte. Sowohl die Grünen als auch die EVP konnten dabei Erfolge verbuchen.

Wie erwartet waren die Verhandlungen um Artikel 9 (Landwirtschaftliche Ökosysteme) besonders schwierig. Insbesondere Absatz 4, der sich auf Torfmoore bezieht, hatte im Vorfeld für Kontroversen gesorgt. Das Parlament hatte diesen Artikel auf Druck der EVP komplett gelöscht. Im Kompromiss sind die Zielvorgaben für die Wiederherstellung entwässerter Torfgebiete nun wieder enthalten. Das war ein besonderes Anliegen der Grünen.

“Moore als natürliche Verbündete gegen die Klimakrise sollen wieder vernässt und geschützt werden”, sagte Schattenberichterstatterin Jutta Paulus (Grüne). Trotz Ausnahmen beim Verschlechterungsverbot oder der Verwendung einzelner Indikatoren bleiben die übergeordneten Ziele und alle als schützenswert festgelegten Ökosysteme Teil des neuen Gesetzes, ließ sie wissen.

EVP stellt Ernährungssicherheit in den Vordergrund

Dafür sieht der Text die Einführung einer sogenannten Notbremse vor. Sie ermöglicht es, die Bestimmungen für landwirtschaftliche Ökosysteme unter außergewöhnlichen Umständen vorübergehend auszusetzen. Dies war ein Hauptanliegen der EVP, um die Ernährungssicherheit zu gewährleisten. “Entscheidend ist, dass die Wiederherstellung der Natur und die Verwirklichung unserer Klimaziele Hand in Hand mit Land- und Forstwirtschaft gehen. Nur dann können wir die Ernährungssicherheit Europas sichern”, sagte Christine Schneider (CDU), Verhandlungsführerin der EVP-Fraktion.

Auch um das Nichtverschlechterungsgebot (Artikel 4 und 5) wurde intensiv gerungen. Zwar sollen renaturierte Flächen in einem guten ökologischen Zustand bleiben, dennoch erlaubt der Text den Mitgliedstaaten Flexibilität und eine Reihe von Ausnahmen. Der Geltungsbereich der Wiederherstellung wurde nicht ausschließlich auf Natura-2000-Gebiete beschränkt, was der initialen Position der Kommission entspricht. Aber hier wurden ebenfalls Flexibilisierungen hinzugefügt, die schließlich die Gesamtfläche, die wiederhergestellt werden muss, verringern können.

Reaktionen von Landwirtschaftslobby und Umweltverbänden konträr

Scharfe Kritik an der Trilog-Einigung übt die deutsche Landwirtschaftslobby. “Dies ist ein Rückschritt für die Kooperation zwischen Landwirtschaft und Naturschutz”, bemängelte Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbands (DBV). Trotz wichtiger Veränderungen im Detail bleibe der Grundansatz des Gesetzes eher rückwärtsgewandt und ordnungspolitisch, mit weitreichenden Vorgaben und pauschalen Zielen für die Mitgliedsstaaten, meint Rukwied weiter. Max von Elverfeldt, Vorsitzender der Familienbetriebe Land und Forst, sprach mit Blick auf den Kompromiss von einer “verpassten Chance, die Landnutzer kooperativ in den Naturschutz einzubinden”.

Ganz anders fielen die Reaktionen aus, die die deutschen Umweltverbände kurz nach der Entscheidung verlautbaren ließen. Florian Schöne, Geschäftsführer des Umweltdachverbands Deutscher Naturschutzring (DNR), bezeichnete die Verständigung auf ein Gesetz, das alle Ökosysteme in- und außerhalb von Schutzgebieten beinhaltet, als ein “enorm wichtiges Signal”. Gleichzeitig hält er das Verhandlungsergebnis insgesamt für ein “Gesetz mit angezogener Handbremse”. Zu viele Abschwächungen würden Zweifel aufkommen lassen, dass es in der Fläche Wirkung zeigen werde, so Schöne weiter. Raphael Weyland, EU-Experte des Naturschutzbundes Deutschland (NABU), begrüßte, dass der ausgehandelte Text Vorgaben für Agrarökosysteme enthalte, bezweifelt aber, dass allein damit eine Trendumkehr in Agrarökosystemen erreicht werden könne.

Renaturierungsgesetz ist zentraler Bestandteil des Green Deal

Das Renaturierungsgesetz soll als zentraler Teil des Green New Deal dafür sorgen, degradierte Ökosysteme wieder in einen guten Zustand zu versetzen. Ziel des Gesetzgebungsvorschlags der Europäischen Kommission war es, die Mitgliedsstaaten zu verpflichten, Maßnahmen zu ergreifen, wie etwa Städte zu begrünen, trockengelegte Moore wieder zu vernässen, Meeresökosysteme instand zu setzen oder Flüsse und Wälder naturnaher zu gestalten. Auch Äcker und Weiden sollen insekten- und vogelfreundlicher gestaltet und der Rückgang an Bestäubern aufgehalten werden.

Dieser Gesetzesvorschlag muss auch in einem internationalen Kontext gesehen werden. Er soll zum einen die EU in die Lage versetzen, ihre internationale Verpflichtung aus dem Biodiversitätsabkommen von Kunming-Montreal zu erfüllen, mindestens 30 Prozent der degradierten Ökosysteme wiederherzustellen. Und tatsächlich sieht die Einigung vor, dass die Mitgliedsländer bis 2030 mindestens 30 Prozent der unter das neue Gesetz fallenden Arten von Lebensräumen in einen guten Zustand versetzen müssen. Der Anteil soll bis 2040 auf 60 Prozent und bis 2050 auf 90 Prozent ansteigen.

Einigung kann noch scheitern

Zum anderen soll er dazu beitragen, dass die EU ihre Klimaziele erreichen kann: Laut Weltklimarat IPCC müssen nämlich zwischen 30 und 50 Prozent der kohlenstoffreichen Ökosysteme wie zum Beispiel Moore und Wälder renaturiert werden, um die Erderwärmung auf unter zwei Grad Celsius zu begrenzen. Außerdem ist die CO₂-Speicherung durch gesunde Ökosysteme fest im EU-Klimaziel für 2030 einberechnet, wodurch zehn Prozent der notwendigen Emissionsminderungen erreicht werden sollen.

Die Einigung im Trilog steht zwar, könnte aber trotzdem noch scheitern. Denn sowohl das Parlament als auch der Rat müssen anschließend noch über das Verhandlungsergebnis abstimmen, bevor die Verordnung in Kraft treten kann. Vor dem Sommer haben die beiden Gremien den Verordnungsentwurf nur mit knapper Mehrheit angenommen.

  • Biodiversität
  • EU-Renaturierungsgesetz
  • IPCC
  • Nature Restoration Law
  • Renaturierung
  • Trilog

News

Agrarpolitischer Bericht: Großer Strukturwandel in der Landwirtschaft

Die Landwirtschaft stand in den letzten Jahren erheblich unter Druck, heißt es im Agrarpolitischen Bericht, den Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) am vergangenen Mittwoch im Kabinett vorgelegt hat. Zwischen 2010 und 2020 haben rund 36.100 landwirtschaftliche Betriebe aufgegeben, das entspricht etwa zehn Betrieben pro Tag. Die Zahl der Schweine haltenden Betriebe hat sich in diesem Zeitraum von knapp 60.000 auf 32.000 fast halbiert.

Der Bericht wird dem Bundestag alle vier Jahre vorgelegt und liefert Daten und Fakten über die Lage der Landwirtschaft und der ländlichen Räume in Deutschland. Zudem präsentiert er die agrarpolitischen Vorhaben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL).

Özdemir fordert mehr Wertschätzung für die Landwirtschaft

Die Landwirtschaft ist systemrelevant“, betonte Özdemir. In Deutschland sind laut dem Bericht rund eine Million Menschen in landwirtschaftlichen Betrieben beschäftigt und erzeugen Waren im Wert von 50 Milliarden Euro im Jahr. Zusammen mit den vor- und nachgelagerten Bereichen liegt die Bruttowertschöpfung der Landwirtschaft bei knapp 218 Milliarden Euro – das entspricht rund sieben Prozent der Wertschöpfung aller Wirtschaftsbereiche.

Der Bericht macht große Einkommensschwankungen in den Haupterwerbsbetrieben in den letzten Jahren deutlich. Allerdings war das Wirtschaftsjahr 2021/2022 mit einem durchschnittlichen Einkommen von rund 46.100 Euro deutlich besser als das Vorjahr, trotz erhöhtem Mehraufwand für Futtermittel, Düngemittel und sonstigen Materialien. Dies entspricht einer Steigerung von 35 Prozent im Vergleich zum Wirtschaftsjahr 2020/2021.

“Unser Bericht legt offen, dass die Politik des ‘Wachse oder Weiche’ einen starken Strukturwandel befeuert hat”, sagte Özdemir. Die Landwirtinnen und Landwirte seien zwar zu Veränderungen bereit, bräuchten allerdings Planungssicherheit. Hier will das BMEL unterstützen und Schützen und Nutzen in Einklang bringen. “Die Gewinne von heute dürfen nicht auf Kosten unserer Zukunft gehen”, so Özdemir.

30-Prozent-Bio und besserer Tierschutz

Özdemir bekräftigte das Ziel, den Anteil der Bio-Landwirtschaft bis 2030 auf 30 Prozent der Agrarfläche zu erhöhen. Damit wolle er die Weichen für eine “widerstandsfähige und zugleich produktive Landwirtschaft” setzen, die gleichzeitig Artenvielfalt und fruchtbare Böden schützt. Damit soll auch die Abhängigkeit vieler Betriebe von teuren und energieintensiven Produktionsmitteln verringert werden. Bis Ende 2022 stieg der Anteil der ökologisch bewirtschafteten Flächen laut dem Bericht auf rund elf Prozent. Knapp 37.000 Betriebe wirtschaften ökologisch – das entspricht etwa jedem siebten Hof.

Auch das Verbraucherverhalten habe sich verändert, heißt es in dem Bericht. So ist der Pro-Kopf-Verbrauch von Schweinefleisch zwischen 1990 und 2022 von knapp 55 auf 40 Kilogramm gesunken. Umfragen hätten zudem ergeben, dass immer mehr Menschen etwas über die Herkunft und Haltungsbedingungen der Tiere erfahren wollen. Mit dem Gesetz zur verpflichtenden Tierhaltungskennzeichnung, das im August für die Schweinemast in Kraft getreten ist, will Özdemir Verbrauchern die bewusste Kaufentscheidung erleichtern.

“Kein wirtschaftspolitischer Vorausblick”

Der agrarpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Albert Stegemann, kritisierte den Bericht als “einseitig und lückenhaft”. Innovationen, Investitionen und Zusagen, die heimische Agrarwirtschaft zu stärken, würden nur am Rande erwähnt. Stattdessen dominierten “ökologische Belange in allen Bereichen”.

Die Umweltschutzorganisation World Wide Fund for Nature (WWF) hingegen forderte in Reaktion auf den Agrarbericht eine “echte Reformpolitik“. “Ob bei der Anzahl der Betriebe, den Arbeitskräften, der Artenvielfalt oder der Tierhaltung – der Trend zeigt nach unten”, sagte der Koordinator für Agrarpolitik bei WWF Deutschland, Johann Rathke. Özdemir brauche “mehr Rückenwind” bei der Novellierung des Düngegesetzes, einer “zeitgemäßen Regelung für Pestizide” und der Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung. ag

  • Agrarpolitik
  • Schweinemast

Gentechnik: Kein Rückenwind für Polfjärd im ENVI

Der Vorschlag der konservativen Europaabgeordneten und zuständigen Berichterstatterin für das EU-Gentechnikrecht, Jessica Polfjärd, stößt im Umweltausschuss des Europaparlaments (ENVI) auf Widerstand bei Grünen und Linken. Polfjärd schlägt vor, den Ökolandbau für bestimmte Arten von Gentechnik, konkret NGT-1, zu öffnen und die Kennzeichnungspflicht von Saatgut der Kategorie NGT-1 zu streichen. Polfjärd argumentiert, dass eine Liberalisierung gleiche Wettbewerbsbedingungen schaffe und Biobauern weiterhin ermögliche, auf synthetische Pflanzenschutzmittel und mineralische Dünger zu verzichten. Eine Durchsetzung ihres Vorschlages dürfte aber kaum möglich sein. Neben Grünen und Linken äußerten auch die Sozialdemokraten Bedenken, auf eine Kennzeichnung zu verzichten.

Grundsätzlich sind Christdemokraten, Liberale und ein Teil der Sozialdemokraten den neuen Züchtungstechniken wie Crispr/Cas aber offen gegenüber eingestellt und befürworten den Entwurf der EU-Kommission in weiten Teilen. Anders als Grüne und Linke, die sich gänzlich gegen eine Liberalisierung des Gentechnikrechts aussprechen. Der Liberale Jan Huitema von Renew Europe fordert aber eine Anpassung des Patentrechts. kih

  • Agrarpolitik
  • Europäische Kommission

Greenwashing-Beschwerde gegen Coca-Cola und Co

BEUC, der EU-Dachverband von 45 Verbraucherschutzorganisationen, leitet heute eine Beschwerde gegen die Hersteller von Wasser in Plastikflaschen wegen des Vorwurfes des Greenwashings ein. Die Beschwerde richtet sich gegen Coca-Cola HBC, Danone und Nestlé Waters und weitere Unternehmen. BEUC und Verbraucherschutzorganisationen aus 13 Mitgliedstaaten werden ihre Beschwerde bei der Europäischen Kommission und dem Netz der Verbraucherschutzbehörden (CPC) einreichen und fordern diese auf, eine Untersuchung einzuleiten.

Die Verbraucherschützer werfen den Händlern irreführende Werbeaussagen zur Recyclingfähigkeit ihrer Produkte vor. BEUC und CO. stützen ihre Vorwürfe auf eine Analyse, wonach die Konzerne die EU-Vorschriften zu unlauteren Geschäftspraktiken nicht einhalten. Die Analyse stammt von Client Earth und ECOS – Environmental Coalition on Standards.

Kritik wird geübt an:    

  • der Aussage “100 Prozent recycelbar” 
  • der Aussage “100 Prozent recycelt”  
  • der Verwendung von grüner Symbolik

Justin Wilkes von ECOS fordert: “Die Politik muss Regeln für recycelte Inhalte aufstellen, die durch standardisierte, zuverlässige Methoden umgesetzt und kontrolliert werden.” Die Wildwestmethoden des Greenwashings müssten beendet werden.

Der europäische Durchschnittsverbraucher trinkt rund 118 Liter Wasser in Flaschen pro Jahr, und 97 Prozent dieses Wassers ist in Plastikbehältern verpackt. cst

  • EU
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  • Klima & Umwelt
  • Nestlé
  • Verpackungen

Mercosur: Streit um entwaldungsfreie Lieferketten

Brasilianische Beamte haben am Mittwoch erklärt, dass die Richtlinie zur Bekämpfung von Entwaldung die Verhandlungen über ein Handelsabkommen mit dem südamerikanischen Mercosur-Block erschweren. Die EU-Gesetzgeber hatten die Vorschriften im April verabschiedet. Diese verlangen von den Herstellern von Soja, Rindfleisch, Kaffee, Holz und anderen Waren den Nachweis erbringen müssen, dass ihre Lieferkette frei von Abholzung ist. Ansonsten dürfen diese Produkte nicht in die EU eingeführt werden.

Obwohl die EU-Importeure für die Einhaltung der neuen Vorschriften verantwortlich sind, sagte die brasilianische Außenhandelsministerin Tatiana Prazeres, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen für die Exporteure in Form von höheren Kosten und mehr Bürokratie bei den Handelsgesprächen nicht außer Acht gelassen werden dürfen. “Man kann nicht mit einer Hand anbieten, was man mit der anderen wegnimmt”, sagte die Außenhandelsministerin. Sie hofft, dass das Thema der Umsetzung der Richtlinie bei den Verhandlungen zum Mercosur-Freihandelsabkommen auf den Tisch kommt.

Ein europäischer Diplomat sagte der Nachrichtenagentur Reuters: “Wir versuchen, ihnen zu versichern, dass die Umsetzung einige ihrer Bedenken berücksichtigen wird.” Außenhandelsministerin Pazeres als auch der Wirtschafts- und Finanzminister des Außenministeriums, Mauricio Lyrio, erklärten, dass sie damit rechnen, dass am 7. Dezember das Zustandekommen des Mercosur-Abkommen verkündet werden könne. rtr

  • Agrarpolitik
  • Biodiversität
  • Klima & Umwelt
  • Lebensmittel

Reform des Bundeswaldgesetzes kommt in Gang

Die geplante Reform des fast 50 Jahre alten Bundeswaldgesetzes, die Wälder auch besser gegen zunehmenden Klimastress wappnen soll, kommt in Gang. Ein Gesetzentwurf dazu ist jetzt in der regierungsinternen Frühkoordinierung, wie ein Sprecher des Bundesagrarministeriums auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur bestätigte. Geschaffen werden solle damit “ein moderner Rahmen, der den Wald schützt, Verbesserungen für den Klimaschutz und die Biodiversität bringt und gleichzeitig den Waldbesitzenden eine klare wirtschaftliche Perspektive bietet”. SPD, Grüne und FDP haben eine Neufassung des Gesetzes im Koalitionsvertrag vereinbart.

Das bisherige Waldgesetz von 1975 stamme aus einer Zeit, in der es die heute zu erlebende Klimakrise noch nicht gegeben habe, sagte der Sprecher. Laut der jüngsten Waldzustandserhebung 2022 seien vier von fünf Bäumen krank, Dürre und Hitze stressten den Wald. “Für den Waldumbau brauchen wir den Schulterschluss aller, die Wälder besitzen.” Das Gesetz solle die Grundlage schaffen, dass Leistungen der Wälder auch finanziell unterstützt werden könnten. Das komme Waldbesitzern direkt zugute. Nähere Angaben machte der Sprecher mit Verweis auf die laufende regierungsinterne Abstimmung nicht.

“Mischwald statt Monokulturen”

Minister Cem Özdemir (Grüne) hatte deutlich gemacht, dass Handlungsbedarf bestehe. “Der Wald ist ein Patient, der unsere Hilfe braucht”, sagte er zur Vorlage der Waldzustandserhebung im Frühjahr. Ziel sei, dass Wälder künftig Trockenheit und höheren Temperaturen trotzen könnten. Das heiße: “Mischwald statt Monokulturen.” Zur Unterstützung eines solchen Umbaus stellt das Ministerium von 2022 bis 2026 insgesamt 900 Millionen Euro an Fördermitteln bereit.

Das Bundeswaldgesetz zielt laut Ministerium grundsätzlich darauf, die vielfältigen Funktionen und Leistungen des Waldes und eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung zu sichern. Dabei soll die Forstwirtschaft gefördert und zugleich ein Ausgleich zwischen den Interessen der Allgemeinheit und Belangen der Waldbesitzer geregelt werden. Mit Gesetzen der Länder schützt das Bundeswaldgesetz den Wald demnach etwa auch vor Rodung und nicht sachgerechter Behandlung. dpa

  • Klima & Umwelt
  • Umweltschutz
  • Waldstrategie

Presseschau

UN verhandelt über ein verbindliches Abkommen zum Plastikmüll Lebensmittelzeitung
Forschungsprojekt in Sachsen: Wie Klimawandel den Ackerbau verändern wird Zeit
Anhaltend hohe Zinsen sorgen für schlechtes Investitionsklima in der Landwirtschaft agrarheute
“Shrinkflation”: Verbraucherschützer fordern Kennzeichnung von versteckten Preiserhöhungen Lebensmittelzeitung
Edeka Südwest/Müller Gruppe kündigt Verträge mit Lieferanten, die höhere Tierwohlleistungen für Schweinefleisch honorieren AgE
Jörg-Andreas Krüger zum Präsidenten des Naturschutzbundes Deutschland wiedergewählt AgE
Tierhaltung und Nachhaltigkeit: eine Diskussion über Fleischkonsum FAZ
Sinkendes Grundwasser: Europa braucht ein neues Wassermanagement NZZ
Regenwaldrodung im Amazonas nimmt 2023 erstmals wieder ab agrarzeitung
Climate change, consumer choices and political pressures: how does the future look like for American farmers The Washington Post
Förderpreis der Agrarwirtschaft 2023 für Hendrik Wever agrarzeitung
Kampf gegen Plastikverschmutzung im Meer: Regierung will verlorene Fischernetze bergen SZ


Termine

12.11. – 18.11.2023 / Hannover
Messe Agritechnica
Bei der Agritechnica 2023 stellen führende Hersteller die Produktinnovationen und neuesten Technologien im Landwirtschaftssektor vor. Das Leitthema ist “Green Productivity”: Dabei geht es um die Frage, wie mit weniger Einsatz und geringerer Intensität von Betriebsmitteln die Produktivität gesteigert und gleichzeitig Natur und Umwelt geschützt werden können. INFOS UND ANMELDUNG

14.11.2023 / Französischer Dom, Berlin und online
Symposium Global Crop Diversity Summit
Bringing together key stakeholders from around the world, the Summit will provide a forum to engage on the crucial role seed banks play in securing a nutritious food future in the face of multiple crises. The meeting is being held under the patronage of the German Federal President Frank-Walter Steinmeier and is intended to promote cooperation between seed banks around the world. INFOS

16.11.-17.11.2023 / Berlin
Symposium Keime im Essen – lebensmittelbedingte Infektionen und wie sie sich verhindern lassen
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) lädt zum Symposium zum Thema Zoonosen und Lebensmittelsicherheit ein. Insbesondere soll das Vorkommen von Zoonoseerregern bei Tieren und ihre Übertragung entlang der Lebensmittelkette erörtert, sowie über weitere Aspekten der mikrobiologischen Lebensmittelsicherheit diskutiert werden. INFOS UND ANMELDUNG

17.11.2023, 16:00-19.30 / Paul-Löbe-Haus, Berlin
Konferenz Zukunft für unsere Wälder – erhalten was uns erhält
Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grüne lädt ein, über die Zukunft des Waldes zu sprechen. Konkret sollen bisherige Maßnahmen und klimaangepasste Lösungsansätze erörtert und diskutiert werden, um die grüne Waldpolitik voranzutreiben. INFOS UND ANMELDUNG

18.11.2023 / 10.45 – 12.00 Uhr
Symposium Kinderschutz in der Lebensmittelwerbung: Wird Deutschland vom Schlusslicht zum Vorreiter?
Bei dem von der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) organisierten Symposium wird über das Kinder-Lebensmittel-Werbegesetz diskutiert. Als Sondergäste sind Agrarminister Cem Özdemir und Emma Boyland, Professorin für Food Marketing und Kindergesundheit an der University of Liverpool geladen. INFOS

20.11.2023 – 21.11.2023 / Luxemburg
Rat der EU: Landwirtschaft und Fischerei
Die Ministerinnen und Minister des EU Rates “Landwirtschaft und Fischerei” treffen sich am 20. November in Brüssel. Auf der Tagesordnung stehen u.a. die Festlegung von Fangbeschränkungen und Quoten im Atlantik, in der Nordsee, im Mittelmeer und im Schwarzen Meer und die Verabschiedung der Schlussfolgerungen zu einer langfristigen Vision für die ländlichen Gebiete der EU (LTVRA). Außerdem diskutieren die Minister über den Stand des Vorschlags für eine neue EU-Gentechnikverordnung und der neuen EU-Waldstrategie für 2030.
Vorläufige Tagesordnung

04.12.2023 – 10:00-14:00 Uhr, Berlin
BMEL Festveranstaltung zum Boden des Jahres 2024
Am 5. Dezember 2023 wird im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in Berlin der “Boden des Jahres 2024” gekürt. Die Festveranstaltung findet im Rahmen des Internationalen Weltbodentags statt, der die Bedeutung des Bodens und seine Schutzwürdigkeit besonders hervorheben soll. INFOS

Heads

Yoselyn Malamud – Auf der Suche nach dem eigenen Gemüse  

Die Peruanerin Yoselyn Malamud steht seit einem Jahrzehnt an der Spitze des Obst- und Gemüseproduzenten Virú. Ihre Spargelkonserven und Artischocken findet sie auch in europäischen Regalen.

Die Früchte ihrer Arbeit landen bei Yoselyn Malamud direkt auf ihrem Teller. “Ich esse fast jeden Tag eine Avocado”, erzählt sie. Seit mehr als zehn Jahren leitet Malamud Perus größten Produzenten von Konserven- und Tiefkühlprodukten: Virú. Auf mehr als 13.000 Hektar baut das Unternehmen Spargel, Artischocken, Avocados und vieles mehr an. Ein Teil wird frisch verkauft, der Rest verarbeitet, verpackt und verschifft. “Das ist das Besondere bei uns, dass wir den kompletten Prozess vom Feld bis zum Kunden kontrollieren“, erklärt Malamud. Das sorge für Geschwindigkeit bei der Verarbeitung – und damit für Frische. 

Weltweite Exporte von Konserven- und Tiefkühlprodukten

Ein Großteil der Produktion landet in den USA und Europa. “Wir sind der größte Verkäufer verarbeiteter Artischocken weltweit“, sagt die 50-Jährige über ihren Bestseller – nicht ohne Stolz. Nach der Schule studierte Malamud Industrietechnik in Washington, D. C., und später Management an der Harvard Business School. Beides sei hilfreich gewesen, um die verschiedenen Geschäftsbereiche zu verstehen. Gerade besucht sie eine Virú-Fabrik in Spanien. Zu einem ihrer Lieblingsrituale sei sie dort allerdings noch nicht gekommen.  

“Überall, wo ich hinreise, gehe ich in einen Supermarkt und gucke, ob unsere Produkte verkauft werden.” Selbst in Island sei sie schon fündig geworden. Manche ihrer Produkte richteten sich allerdings eher an die Gastronomie, etwa tiefgefrorene Avocados oder Mangos. 17.000 Menschen arbeiten bei Virú. Die Firma sei stark gewachsen, seit sie dort angefangen habe. “Damals haben wir 33 Millionen US-Dollar im Jahr umgesetzt, dieses Jahr könnten es 600 Millionen werden.” Gibt es etwas, dass sie an ihrem Arbeitsalltag nervt? Malamud denkt lange nach. 

Sie will auf Nachhaltigkeit setzen

“Wir kämpfen dieses Jahr mit sehr komplizierten Wetterverhältnissen“, sagt sie dann. El Niño sei sehr heftig ausgefallen. “Wir hatten quasi keinen Winter.” Wobei sie dabei peruanische Maßstäbe anlegt, statt 13, 14 Grad sei es meistens fast 20 Grad warm gewesen. “Das hat vielen Pflanzen geschadet.” Umso wichtiger findet es Malamud, an der eigenen Nachhaltigkeit zu arbeiten. “Wir lassen 30 Prozent unserer Flächen unbepflanzt, um damit die Artenvielfalt zu schützen.” Bei der Stromversorgung für die Fabriken setze sie auf Solarenergie, bis 2040 will sie Virú klimaneutral machen. 

Schließlich beträfen sie die Auswirkungen des Klimawandels selbst. Viele Felder von Virú liegen in Regionen mit geringen Niederschlägen. Moderne Tröpfchen-Bewässerungssysteme sollen trotzdem stabile Ernten ermöglichen. Teile der Finanzierung dafür stammen aus Deutschland, von der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft. Für Feinschmecker und Besucher in Peru hat sie noch einen besonderen Tipp, der nur indirekt mit ihrem Job zusammenhängt: “Vier der 50 besten Restaurants der Welt befinden sich in unserer Hauptstadt Lima.” Die zu testen, lohne sich. Paul Meerkamp 

Agrifood.Table Redaktion

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    am Sonntag wählen die Argentinier einen neuen Präsidenten. Regierungskandidat Sergio Massa und der libertäre Populist Javier Milei repräsentieren zwei unterschiedliche wirtschaftspolitische Konzepte. Allerdings haben beide Kandidaten ihre Wirtschaftspläne nur grob skizziert und fast keine konkreten Maßnahmen genannt. Klar ist aber, dass der eine für Kontinuität steht, der andere für Wandel.

    Die Agrarindustrie erhofft sich eine Neuausrichtung in der Agrarpolitik. Der Landwirtschaftssektor hat enorme Produktionskapazitäten. Agrarexporte im Wert von bis zu 100.000 Millionen US-Dollar seien in den kommenden zehn Jahren möglich, rechnen argentinische Wirtschaftsvertreter vor. Dies entspricht einer Verdoppelung der in 2022 exportierten Agrarprodukte, schreibt unser argentinischer Autor Carlos Boyadjian in seiner Analyse.

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    Henrike Schirmacher
    Bild von Henrike  Schirmacher

    Analyse

    Argentinien: Javier Milei hat Agrarindustrie hinter sich

    Seit zwei Monaten durchläuft Argentinien einen schwierigen Wahlprozess. Dieser endet am 19. November mit einer Stichwahl zur Ernennung des Präsidenten, welcher das Land bis Dezember 2027 regieren wird. Regierungskandidat Sergio Massa von der linken Unión por la Patria (Union für das Vaterland) und der libertäre Populist Javier Milei repräsentieren zwei unterschiedliche wirtschaftspolitische Konzepte.

    Sergio Massa, Wirtschaftsminister seit August 2022, steht für eine aktive Rolle des Staates in der Wirtschaft, die Beibehaltung von Regulierungen und Quoten, sowie der Förderung des Exports. Er kündigt an, dass er das hohe Haushaltsdefizit von fast drei Prozent des BIP verringern wird, sagt jedoch nicht, wie die Inflation gesenkt werden soll. Diese stieg während seiner Amtszeit jährlich von 60 Prozent auf 150 Prozent.

    Milei will Märkte liberalisieren

    Javier Milei wirbt damit, die extrem hohe Inflation eindämmen zu wollen. Dafür will er die Landeswährung des Peso abschaffen und durch den US-Dollar ersetzen. Er schlägt eine auf zwei Jahre befristete Schließung der Zentralbank vor, um den Staatsbankrott zu verhindern. Außerdem will er öffentliche Ausgaben drastisch reduzieren, etwa in den Bereichen öffentliche Arbeit, staatliche Beschäftigung und Sozialprogramme.

    Die zweitgrößte Volkswirtschaft Südamerikas steckt in einer tiefen Wirtschaftskrise: Die Inflationsrate liegt bei 138 Prozent, an die 40 Prozent der Menschen in dem einst reichen Land leben unter der Armutsgrenze. Argentinien leidet unter einem aufgeblähten Staatsapparat, geringer Produktivität der Industrie und einer großen Schattenwirtschaft, die dem Staat viele Steuereinnahmen entzieht. Die Landeswährung Peso verliert gegenüber dem US-Dollar immer weiter an Wert, der Schuldenberg wächst ständig.

    Neuausrichtung der Agrarpolitik gefordert

    Milei, der Märkte durch Freihandelsabkommen öffnen und Exporte fördern will, hat die Agrarindustrie hinter sich. Diese fordert eine geringere Steuerlast, sinkende Ausfuhrzölle, das Ende von Quoten und Exportbeschränkungen sowie einen einzigen Wechselkurs für Exporte und den Kauf von Rohstoffen.

    Aktuell variieren die Ausfuhrzölle je nach Erzeugnis. Auf Sojabohnen und Derivate (Öl, Mehl) werden 33 Prozent erhoben, auf Weizen und Mais zwölf Prozent, auf Fleisch und Milchprodukte 9 Prozent, auf Sonnenblumen 7 Prozent und auf Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeugteile 4,5 Prozent.

    “Ich glaube nicht, dass einer der beiden Kandidaten Fortschritte bei der Abschaffung der Exportzölle machen wird”, sagt Marisa Bircher, ehemalige Außenhandelsministerin der Nation und Leiterin von BiGlobal Consulting, die Unternehmen bei der Internationalisierung ihrer Geschäfte berät. Übrige Industriesektoren lehnen Mileis Vorschlag zur Marktliberalisierung ohnehin ab, weil sie externen Wettbewerb fürchten.

    “Alles, was kommt, ist sehr ungewiss”, sagte Marcelo Elizondo, Generaldirektor der Internationalen Handelskammer für Lateinamerika und Experte für internationale Geschäfte. In den letzten zwanzig Jahren habe Argentinien global an Bedeutung verloren. Die Dollarisierung hält Elizondo aktuell “nicht für durchführbar”. Grundsätzlich würde es Argentiniens Exporte wettbewerbsfähiger und die Importe teurer machen, analysiert er.

    Agrarexporte im Wert von bis zu 100.000 Millionen US-Dollar möglich

    Sowohl Massa als auch Milei hätten “eine positive Einstellung zu Mercosur”, sagt Bircher, die bei den Verhandlungen mit der Europäischen Union im Jahr 2019 in Brüssel dabei war. Bircher betont, dass einige Produktionszweige noch deutlich mehr Exportkapazitäten hätten. Das umfasse Rindfleisch, Frischobst, den Fischereisektor, Öle, Zitrusfrüchte und ätherische Öle. Bislang gingen beispielsweise elf Prozent der Rindfleischexporte nach Deutschland. Damit ist Deutschland der erste Importeur in der EU.

    In diesem Zusammenhang gibt der argentinische Rat für Agrarindustrie (CAA), der sich aus mehr als 50 Wirtschaftskammern des Sektors zusammensetzt, in seinem Strategieplan 2023 bis 2033 an, dass in den nächsten zehn Jahren Agrarexporte im Wert von bis zu 100.000 Millionen US-Dollar möglich sind. Dies entspricht einer Verdoppelung der 2022 exportierten Agrarprodukte im Wert von 57.000 Millionen US-Dollar.

    “Mit Sergio Massa sind keine großen Veränderungen in der Agrarpolitik zu erwarten”, sagt Eugenio Irazuegui, Agrarmarktanalyst bei der Getreideagentur Zeni. Dessen Politik sei in den letzten Jahren von der Konfrontation zwischen der Regierung und den Erzeugerverbänden geprägt gewesen. Die Regierung betrachte diese nur als Steuerzahler, kritisiert der Agrarmarktanalyst. Javier Milei habe zwar eine Senkung der Exportzölle versprochen. Es bestehe jedoch “ein gewisses Misstrauen“, dass er dies umsetzen könne, wenn er Präsident werde, so Irazuegui weiter. Von Carlos Boyadjian

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    • Nachhaltige Ernährungssysteme

    Trilog-Einigung zur Renaturierung stößt auf geteilte Meinungen

    Nach neunstündigen Verhandlungen haben sich die Verhandlungsführer am Donnerstagabend auf ein Gesetz zur Wiederherstellung der Natur (Nature Restoration Law) geeinigt. Der Text weicht stark von dem Vorschlag ab, den die Kommission im Juni 2022 vorgelegt hatte. Sowohl die Grünen als auch die EVP konnten dabei Erfolge verbuchen.

    Wie erwartet waren die Verhandlungen um Artikel 9 (Landwirtschaftliche Ökosysteme) besonders schwierig. Insbesondere Absatz 4, der sich auf Torfmoore bezieht, hatte im Vorfeld für Kontroversen gesorgt. Das Parlament hatte diesen Artikel auf Druck der EVP komplett gelöscht. Im Kompromiss sind die Zielvorgaben für die Wiederherstellung entwässerter Torfgebiete nun wieder enthalten. Das war ein besonderes Anliegen der Grünen.

    “Moore als natürliche Verbündete gegen die Klimakrise sollen wieder vernässt und geschützt werden”, sagte Schattenberichterstatterin Jutta Paulus (Grüne). Trotz Ausnahmen beim Verschlechterungsverbot oder der Verwendung einzelner Indikatoren bleiben die übergeordneten Ziele und alle als schützenswert festgelegten Ökosysteme Teil des neuen Gesetzes, ließ sie wissen.

    EVP stellt Ernährungssicherheit in den Vordergrund

    Dafür sieht der Text die Einführung einer sogenannten Notbremse vor. Sie ermöglicht es, die Bestimmungen für landwirtschaftliche Ökosysteme unter außergewöhnlichen Umständen vorübergehend auszusetzen. Dies war ein Hauptanliegen der EVP, um die Ernährungssicherheit zu gewährleisten. “Entscheidend ist, dass die Wiederherstellung der Natur und die Verwirklichung unserer Klimaziele Hand in Hand mit Land- und Forstwirtschaft gehen. Nur dann können wir die Ernährungssicherheit Europas sichern”, sagte Christine Schneider (CDU), Verhandlungsführerin der EVP-Fraktion.

    Auch um das Nichtverschlechterungsgebot (Artikel 4 und 5) wurde intensiv gerungen. Zwar sollen renaturierte Flächen in einem guten ökologischen Zustand bleiben, dennoch erlaubt der Text den Mitgliedstaaten Flexibilität und eine Reihe von Ausnahmen. Der Geltungsbereich der Wiederherstellung wurde nicht ausschließlich auf Natura-2000-Gebiete beschränkt, was der initialen Position der Kommission entspricht. Aber hier wurden ebenfalls Flexibilisierungen hinzugefügt, die schließlich die Gesamtfläche, die wiederhergestellt werden muss, verringern können.

    Reaktionen von Landwirtschaftslobby und Umweltverbänden konträr

    Scharfe Kritik an der Trilog-Einigung übt die deutsche Landwirtschaftslobby. “Dies ist ein Rückschritt für die Kooperation zwischen Landwirtschaft und Naturschutz”, bemängelte Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbands (DBV). Trotz wichtiger Veränderungen im Detail bleibe der Grundansatz des Gesetzes eher rückwärtsgewandt und ordnungspolitisch, mit weitreichenden Vorgaben und pauschalen Zielen für die Mitgliedsstaaten, meint Rukwied weiter. Max von Elverfeldt, Vorsitzender der Familienbetriebe Land und Forst, sprach mit Blick auf den Kompromiss von einer “verpassten Chance, die Landnutzer kooperativ in den Naturschutz einzubinden”.

    Ganz anders fielen die Reaktionen aus, die die deutschen Umweltverbände kurz nach der Entscheidung verlautbaren ließen. Florian Schöne, Geschäftsführer des Umweltdachverbands Deutscher Naturschutzring (DNR), bezeichnete die Verständigung auf ein Gesetz, das alle Ökosysteme in- und außerhalb von Schutzgebieten beinhaltet, als ein “enorm wichtiges Signal”. Gleichzeitig hält er das Verhandlungsergebnis insgesamt für ein “Gesetz mit angezogener Handbremse”. Zu viele Abschwächungen würden Zweifel aufkommen lassen, dass es in der Fläche Wirkung zeigen werde, so Schöne weiter. Raphael Weyland, EU-Experte des Naturschutzbundes Deutschland (NABU), begrüßte, dass der ausgehandelte Text Vorgaben für Agrarökosysteme enthalte, bezweifelt aber, dass allein damit eine Trendumkehr in Agrarökosystemen erreicht werden könne.

    Renaturierungsgesetz ist zentraler Bestandteil des Green Deal

    Das Renaturierungsgesetz soll als zentraler Teil des Green New Deal dafür sorgen, degradierte Ökosysteme wieder in einen guten Zustand zu versetzen. Ziel des Gesetzgebungsvorschlags der Europäischen Kommission war es, die Mitgliedsstaaten zu verpflichten, Maßnahmen zu ergreifen, wie etwa Städte zu begrünen, trockengelegte Moore wieder zu vernässen, Meeresökosysteme instand zu setzen oder Flüsse und Wälder naturnaher zu gestalten. Auch Äcker und Weiden sollen insekten- und vogelfreundlicher gestaltet und der Rückgang an Bestäubern aufgehalten werden.

    Dieser Gesetzesvorschlag muss auch in einem internationalen Kontext gesehen werden. Er soll zum einen die EU in die Lage versetzen, ihre internationale Verpflichtung aus dem Biodiversitätsabkommen von Kunming-Montreal zu erfüllen, mindestens 30 Prozent der degradierten Ökosysteme wiederherzustellen. Und tatsächlich sieht die Einigung vor, dass die Mitgliedsländer bis 2030 mindestens 30 Prozent der unter das neue Gesetz fallenden Arten von Lebensräumen in einen guten Zustand versetzen müssen. Der Anteil soll bis 2040 auf 60 Prozent und bis 2050 auf 90 Prozent ansteigen.

    Einigung kann noch scheitern

    Zum anderen soll er dazu beitragen, dass die EU ihre Klimaziele erreichen kann: Laut Weltklimarat IPCC müssen nämlich zwischen 30 und 50 Prozent der kohlenstoffreichen Ökosysteme wie zum Beispiel Moore und Wälder renaturiert werden, um die Erderwärmung auf unter zwei Grad Celsius zu begrenzen. Außerdem ist die CO₂-Speicherung durch gesunde Ökosysteme fest im EU-Klimaziel für 2030 einberechnet, wodurch zehn Prozent der notwendigen Emissionsminderungen erreicht werden sollen.

    Die Einigung im Trilog steht zwar, könnte aber trotzdem noch scheitern. Denn sowohl das Parlament als auch der Rat müssen anschließend noch über das Verhandlungsergebnis abstimmen, bevor die Verordnung in Kraft treten kann. Vor dem Sommer haben die beiden Gremien den Verordnungsentwurf nur mit knapper Mehrheit angenommen.

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    Agrarpolitischer Bericht: Großer Strukturwandel in der Landwirtschaft

    Die Landwirtschaft stand in den letzten Jahren erheblich unter Druck, heißt es im Agrarpolitischen Bericht, den Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) am vergangenen Mittwoch im Kabinett vorgelegt hat. Zwischen 2010 und 2020 haben rund 36.100 landwirtschaftliche Betriebe aufgegeben, das entspricht etwa zehn Betrieben pro Tag. Die Zahl der Schweine haltenden Betriebe hat sich in diesem Zeitraum von knapp 60.000 auf 32.000 fast halbiert.

    Der Bericht wird dem Bundestag alle vier Jahre vorgelegt und liefert Daten und Fakten über die Lage der Landwirtschaft und der ländlichen Räume in Deutschland. Zudem präsentiert er die agrarpolitischen Vorhaben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL).

    Özdemir fordert mehr Wertschätzung für die Landwirtschaft

    Die Landwirtschaft ist systemrelevant“, betonte Özdemir. In Deutschland sind laut dem Bericht rund eine Million Menschen in landwirtschaftlichen Betrieben beschäftigt und erzeugen Waren im Wert von 50 Milliarden Euro im Jahr. Zusammen mit den vor- und nachgelagerten Bereichen liegt die Bruttowertschöpfung der Landwirtschaft bei knapp 218 Milliarden Euro – das entspricht rund sieben Prozent der Wertschöpfung aller Wirtschaftsbereiche.

    Der Bericht macht große Einkommensschwankungen in den Haupterwerbsbetrieben in den letzten Jahren deutlich. Allerdings war das Wirtschaftsjahr 2021/2022 mit einem durchschnittlichen Einkommen von rund 46.100 Euro deutlich besser als das Vorjahr, trotz erhöhtem Mehraufwand für Futtermittel, Düngemittel und sonstigen Materialien. Dies entspricht einer Steigerung von 35 Prozent im Vergleich zum Wirtschaftsjahr 2020/2021.

    “Unser Bericht legt offen, dass die Politik des ‘Wachse oder Weiche’ einen starken Strukturwandel befeuert hat”, sagte Özdemir. Die Landwirtinnen und Landwirte seien zwar zu Veränderungen bereit, bräuchten allerdings Planungssicherheit. Hier will das BMEL unterstützen und Schützen und Nutzen in Einklang bringen. “Die Gewinne von heute dürfen nicht auf Kosten unserer Zukunft gehen”, so Özdemir.

    30-Prozent-Bio und besserer Tierschutz

    Özdemir bekräftigte das Ziel, den Anteil der Bio-Landwirtschaft bis 2030 auf 30 Prozent der Agrarfläche zu erhöhen. Damit wolle er die Weichen für eine “widerstandsfähige und zugleich produktive Landwirtschaft” setzen, die gleichzeitig Artenvielfalt und fruchtbare Böden schützt. Damit soll auch die Abhängigkeit vieler Betriebe von teuren und energieintensiven Produktionsmitteln verringert werden. Bis Ende 2022 stieg der Anteil der ökologisch bewirtschafteten Flächen laut dem Bericht auf rund elf Prozent. Knapp 37.000 Betriebe wirtschaften ökologisch – das entspricht etwa jedem siebten Hof.

    Auch das Verbraucherverhalten habe sich verändert, heißt es in dem Bericht. So ist der Pro-Kopf-Verbrauch von Schweinefleisch zwischen 1990 und 2022 von knapp 55 auf 40 Kilogramm gesunken. Umfragen hätten zudem ergeben, dass immer mehr Menschen etwas über die Herkunft und Haltungsbedingungen der Tiere erfahren wollen. Mit dem Gesetz zur verpflichtenden Tierhaltungskennzeichnung, das im August für die Schweinemast in Kraft getreten ist, will Özdemir Verbrauchern die bewusste Kaufentscheidung erleichtern.

    “Kein wirtschaftspolitischer Vorausblick”

    Der agrarpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Albert Stegemann, kritisierte den Bericht als “einseitig und lückenhaft”. Innovationen, Investitionen und Zusagen, die heimische Agrarwirtschaft zu stärken, würden nur am Rande erwähnt. Stattdessen dominierten “ökologische Belange in allen Bereichen”.

    Die Umweltschutzorganisation World Wide Fund for Nature (WWF) hingegen forderte in Reaktion auf den Agrarbericht eine “echte Reformpolitik“. “Ob bei der Anzahl der Betriebe, den Arbeitskräften, der Artenvielfalt oder der Tierhaltung – der Trend zeigt nach unten”, sagte der Koordinator für Agrarpolitik bei WWF Deutschland, Johann Rathke. Özdemir brauche “mehr Rückenwind” bei der Novellierung des Düngegesetzes, einer “zeitgemäßen Regelung für Pestizide” und der Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung. ag

    • Agrarpolitik
    • Schweinemast

    Gentechnik: Kein Rückenwind für Polfjärd im ENVI

    Der Vorschlag der konservativen Europaabgeordneten und zuständigen Berichterstatterin für das EU-Gentechnikrecht, Jessica Polfjärd, stößt im Umweltausschuss des Europaparlaments (ENVI) auf Widerstand bei Grünen und Linken. Polfjärd schlägt vor, den Ökolandbau für bestimmte Arten von Gentechnik, konkret NGT-1, zu öffnen und die Kennzeichnungspflicht von Saatgut der Kategorie NGT-1 zu streichen. Polfjärd argumentiert, dass eine Liberalisierung gleiche Wettbewerbsbedingungen schaffe und Biobauern weiterhin ermögliche, auf synthetische Pflanzenschutzmittel und mineralische Dünger zu verzichten. Eine Durchsetzung ihres Vorschlages dürfte aber kaum möglich sein. Neben Grünen und Linken äußerten auch die Sozialdemokraten Bedenken, auf eine Kennzeichnung zu verzichten.

    Grundsätzlich sind Christdemokraten, Liberale und ein Teil der Sozialdemokraten den neuen Züchtungstechniken wie Crispr/Cas aber offen gegenüber eingestellt und befürworten den Entwurf der EU-Kommission in weiten Teilen. Anders als Grüne und Linke, die sich gänzlich gegen eine Liberalisierung des Gentechnikrechts aussprechen. Der Liberale Jan Huitema von Renew Europe fordert aber eine Anpassung des Patentrechts. kih

    • Agrarpolitik
    • Europäische Kommission

    Greenwashing-Beschwerde gegen Coca-Cola und Co

    BEUC, der EU-Dachverband von 45 Verbraucherschutzorganisationen, leitet heute eine Beschwerde gegen die Hersteller von Wasser in Plastikflaschen wegen des Vorwurfes des Greenwashings ein. Die Beschwerde richtet sich gegen Coca-Cola HBC, Danone und Nestlé Waters und weitere Unternehmen. BEUC und Verbraucherschutzorganisationen aus 13 Mitgliedstaaten werden ihre Beschwerde bei der Europäischen Kommission und dem Netz der Verbraucherschutzbehörden (CPC) einreichen und fordern diese auf, eine Untersuchung einzuleiten.

    Die Verbraucherschützer werfen den Händlern irreführende Werbeaussagen zur Recyclingfähigkeit ihrer Produkte vor. BEUC und CO. stützen ihre Vorwürfe auf eine Analyse, wonach die Konzerne die EU-Vorschriften zu unlauteren Geschäftspraktiken nicht einhalten. Die Analyse stammt von Client Earth und ECOS – Environmental Coalition on Standards.

    Kritik wird geübt an:    

    • der Aussage “100 Prozent recycelbar” 
    • der Aussage “100 Prozent recycelt”  
    • der Verwendung von grüner Symbolik

    Justin Wilkes von ECOS fordert: “Die Politik muss Regeln für recycelte Inhalte aufstellen, die durch standardisierte, zuverlässige Methoden umgesetzt und kontrolliert werden.” Die Wildwestmethoden des Greenwashings müssten beendet werden.

    Der europäische Durchschnittsverbraucher trinkt rund 118 Liter Wasser in Flaschen pro Jahr, und 97 Prozent dieses Wassers ist in Plastikbehältern verpackt. cst

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    Mercosur: Streit um entwaldungsfreie Lieferketten

    Brasilianische Beamte haben am Mittwoch erklärt, dass die Richtlinie zur Bekämpfung von Entwaldung die Verhandlungen über ein Handelsabkommen mit dem südamerikanischen Mercosur-Block erschweren. Die EU-Gesetzgeber hatten die Vorschriften im April verabschiedet. Diese verlangen von den Herstellern von Soja, Rindfleisch, Kaffee, Holz und anderen Waren den Nachweis erbringen müssen, dass ihre Lieferkette frei von Abholzung ist. Ansonsten dürfen diese Produkte nicht in die EU eingeführt werden.

    Obwohl die EU-Importeure für die Einhaltung der neuen Vorschriften verantwortlich sind, sagte die brasilianische Außenhandelsministerin Tatiana Prazeres, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen für die Exporteure in Form von höheren Kosten und mehr Bürokratie bei den Handelsgesprächen nicht außer Acht gelassen werden dürfen. “Man kann nicht mit einer Hand anbieten, was man mit der anderen wegnimmt”, sagte die Außenhandelsministerin. Sie hofft, dass das Thema der Umsetzung der Richtlinie bei den Verhandlungen zum Mercosur-Freihandelsabkommen auf den Tisch kommt.

    Ein europäischer Diplomat sagte der Nachrichtenagentur Reuters: “Wir versuchen, ihnen zu versichern, dass die Umsetzung einige ihrer Bedenken berücksichtigen wird.” Außenhandelsministerin Pazeres als auch der Wirtschafts- und Finanzminister des Außenministeriums, Mauricio Lyrio, erklärten, dass sie damit rechnen, dass am 7. Dezember das Zustandekommen des Mercosur-Abkommen verkündet werden könne. rtr

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    • Lebensmittel

    Reform des Bundeswaldgesetzes kommt in Gang

    Die geplante Reform des fast 50 Jahre alten Bundeswaldgesetzes, die Wälder auch besser gegen zunehmenden Klimastress wappnen soll, kommt in Gang. Ein Gesetzentwurf dazu ist jetzt in der regierungsinternen Frühkoordinierung, wie ein Sprecher des Bundesagrarministeriums auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur bestätigte. Geschaffen werden solle damit “ein moderner Rahmen, der den Wald schützt, Verbesserungen für den Klimaschutz und die Biodiversität bringt und gleichzeitig den Waldbesitzenden eine klare wirtschaftliche Perspektive bietet”. SPD, Grüne und FDP haben eine Neufassung des Gesetzes im Koalitionsvertrag vereinbart.

    Das bisherige Waldgesetz von 1975 stamme aus einer Zeit, in der es die heute zu erlebende Klimakrise noch nicht gegeben habe, sagte der Sprecher. Laut der jüngsten Waldzustandserhebung 2022 seien vier von fünf Bäumen krank, Dürre und Hitze stressten den Wald. “Für den Waldumbau brauchen wir den Schulterschluss aller, die Wälder besitzen.” Das Gesetz solle die Grundlage schaffen, dass Leistungen der Wälder auch finanziell unterstützt werden könnten. Das komme Waldbesitzern direkt zugute. Nähere Angaben machte der Sprecher mit Verweis auf die laufende regierungsinterne Abstimmung nicht.

    “Mischwald statt Monokulturen”

    Minister Cem Özdemir (Grüne) hatte deutlich gemacht, dass Handlungsbedarf bestehe. “Der Wald ist ein Patient, der unsere Hilfe braucht”, sagte er zur Vorlage der Waldzustandserhebung im Frühjahr. Ziel sei, dass Wälder künftig Trockenheit und höheren Temperaturen trotzen könnten. Das heiße: “Mischwald statt Monokulturen.” Zur Unterstützung eines solchen Umbaus stellt das Ministerium von 2022 bis 2026 insgesamt 900 Millionen Euro an Fördermitteln bereit.

    Das Bundeswaldgesetz zielt laut Ministerium grundsätzlich darauf, die vielfältigen Funktionen und Leistungen des Waldes und eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung zu sichern. Dabei soll die Forstwirtschaft gefördert und zugleich ein Ausgleich zwischen den Interessen der Allgemeinheit und Belangen der Waldbesitzer geregelt werden. Mit Gesetzen der Länder schützt das Bundeswaldgesetz den Wald demnach etwa auch vor Rodung und nicht sachgerechter Behandlung. dpa

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    • Umweltschutz
    • Waldstrategie

    Presseschau

    UN verhandelt über ein verbindliches Abkommen zum Plastikmüll Lebensmittelzeitung
    Forschungsprojekt in Sachsen: Wie Klimawandel den Ackerbau verändern wird Zeit
    Anhaltend hohe Zinsen sorgen für schlechtes Investitionsklima in der Landwirtschaft agrarheute
    “Shrinkflation”: Verbraucherschützer fordern Kennzeichnung von versteckten Preiserhöhungen Lebensmittelzeitung
    Edeka Südwest/Müller Gruppe kündigt Verträge mit Lieferanten, die höhere Tierwohlleistungen für Schweinefleisch honorieren AgE
    Jörg-Andreas Krüger zum Präsidenten des Naturschutzbundes Deutschland wiedergewählt AgE
    Tierhaltung und Nachhaltigkeit: eine Diskussion über Fleischkonsum FAZ
    Sinkendes Grundwasser: Europa braucht ein neues Wassermanagement NZZ
    Regenwaldrodung im Amazonas nimmt 2023 erstmals wieder ab agrarzeitung
    Climate change, consumer choices and political pressures: how does the future look like for American farmers The Washington Post
    Förderpreis der Agrarwirtschaft 2023 für Hendrik Wever agrarzeitung
    Kampf gegen Plastikverschmutzung im Meer: Regierung will verlorene Fischernetze bergen SZ


    Termine

    12.11. – 18.11.2023 / Hannover
    Messe Agritechnica
    Bei der Agritechnica 2023 stellen führende Hersteller die Produktinnovationen und neuesten Technologien im Landwirtschaftssektor vor. Das Leitthema ist “Green Productivity”: Dabei geht es um die Frage, wie mit weniger Einsatz und geringerer Intensität von Betriebsmitteln die Produktivität gesteigert und gleichzeitig Natur und Umwelt geschützt werden können. INFOS UND ANMELDUNG

    14.11.2023 / Französischer Dom, Berlin und online
    Symposium Global Crop Diversity Summit
    Bringing together key stakeholders from around the world, the Summit will provide a forum to engage on the crucial role seed banks play in securing a nutritious food future in the face of multiple crises. The meeting is being held under the patronage of the German Federal President Frank-Walter Steinmeier and is intended to promote cooperation between seed banks around the world. INFOS

    16.11.-17.11.2023 / Berlin
    Symposium Keime im Essen – lebensmittelbedingte Infektionen und wie sie sich verhindern lassen
    Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) lädt zum Symposium zum Thema Zoonosen und Lebensmittelsicherheit ein. Insbesondere soll das Vorkommen von Zoonoseerregern bei Tieren und ihre Übertragung entlang der Lebensmittelkette erörtert, sowie über weitere Aspekten der mikrobiologischen Lebensmittelsicherheit diskutiert werden. INFOS UND ANMELDUNG

    17.11.2023, 16:00-19.30 / Paul-Löbe-Haus, Berlin
    Konferenz Zukunft für unsere Wälder – erhalten was uns erhält
    Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grüne lädt ein, über die Zukunft des Waldes zu sprechen. Konkret sollen bisherige Maßnahmen und klimaangepasste Lösungsansätze erörtert und diskutiert werden, um die grüne Waldpolitik voranzutreiben. INFOS UND ANMELDUNG

    18.11.2023 / 10.45 – 12.00 Uhr
    Symposium Kinderschutz in der Lebensmittelwerbung: Wird Deutschland vom Schlusslicht zum Vorreiter?
    Bei dem von der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) organisierten Symposium wird über das Kinder-Lebensmittel-Werbegesetz diskutiert. Als Sondergäste sind Agrarminister Cem Özdemir und Emma Boyland, Professorin für Food Marketing und Kindergesundheit an der University of Liverpool geladen. INFOS

    20.11.2023 – 21.11.2023 / Luxemburg
    Rat der EU: Landwirtschaft und Fischerei
    Die Ministerinnen und Minister des EU Rates “Landwirtschaft und Fischerei” treffen sich am 20. November in Brüssel. Auf der Tagesordnung stehen u.a. die Festlegung von Fangbeschränkungen und Quoten im Atlantik, in der Nordsee, im Mittelmeer und im Schwarzen Meer und die Verabschiedung der Schlussfolgerungen zu einer langfristigen Vision für die ländlichen Gebiete der EU (LTVRA). Außerdem diskutieren die Minister über den Stand des Vorschlags für eine neue EU-Gentechnikverordnung und der neuen EU-Waldstrategie für 2030.
    Vorläufige Tagesordnung

    04.12.2023 – 10:00-14:00 Uhr, Berlin
    BMEL Festveranstaltung zum Boden des Jahres 2024
    Am 5. Dezember 2023 wird im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in Berlin der “Boden des Jahres 2024” gekürt. Die Festveranstaltung findet im Rahmen des Internationalen Weltbodentags statt, der die Bedeutung des Bodens und seine Schutzwürdigkeit besonders hervorheben soll. INFOS

    Heads

    Yoselyn Malamud – Auf der Suche nach dem eigenen Gemüse  

    Die Peruanerin Yoselyn Malamud steht seit einem Jahrzehnt an der Spitze des Obst- und Gemüseproduzenten Virú. Ihre Spargelkonserven und Artischocken findet sie auch in europäischen Regalen.

    Die Früchte ihrer Arbeit landen bei Yoselyn Malamud direkt auf ihrem Teller. “Ich esse fast jeden Tag eine Avocado”, erzählt sie. Seit mehr als zehn Jahren leitet Malamud Perus größten Produzenten von Konserven- und Tiefkühlprodukten: Virú. Auf mehr als 13.000 Hektar baut das Unternehmen Spargel, Artischocken, Avocados und vieles mehr an. Ein Teil wird frisch verkauft, der Rest verarbeitet, verpackt und verschifft. “Das ist das Besondere bei uns, dass wir den kompletten Prozess vom Feld bis zum Kunden kontrollieren“, erklärt Malamud. Das sorge für Geschwindigkeit bei der Verarbeitung – und damit für Frische. 

    Weltweite Exporte von Konserven- und Tiefkühlprodukten

    Ein Großteil der Produktion landet in den USA und Europa. “Wir sind der größte Verkäufer verarbeiteter Artischocken weltweit“, sagt die 50-Jährige über ihren Bestseller – nicht ohne Stolz. Nach der Schule studierte Malamud Industrietechnik in Washington, D. C., und später Management an der Harvard Business School. Beides sei hilfreich gewesen, um die verschiedenen Geschäftsbereiche zu verstehen. Gerade besucht sie eine Virú-Fabrik in Spanien. Zu einem ihrer Lieblingsrituale sei sie dort allerdings noch nicht gekommen.  

    “Überall, wo ich hinreise, gehe ich in einen Supermarkt und gucke, ob unsere Produkte verkauft werden.” Selbst in Island sei sie schon fündig geworden. Manche ihrer Produkte richteten sich allerdings eher an die Gastronomie, etwa tiefgefrorene Avocados oder Mangos. 17.000 Menschen arbeiten bei Virú. Die Firma sei stark gewachsen, seit sie dort angefangen habe. “Damals haben wir 33 Millionen US-Dollar im Jahr umgesetzt, dieses Jahr könnten es 600 Millionen werden.” Gibt es etwas, dass sie an ihrem Arbeitsalltag nervt? Malamud denkt lange nach. 

    Sie will auf Nachhaltigkeit setzen

    “Wir kämpfen dieses Jahr mit sehr komplizierten Wetterverhältnissen“, sagt sie dann. El Niño sei sehr heftig ausgefallen. “Wir hatten quasi keinen Winter.” Wobei sie dabei peruanische Maßstäbe anlegt, statt 13, 14 Grad sei es meistens fast 20 Grad warm gewesen. “Das hat vielen Pflanzen geschadet.” Umso wichtiger findet es Malamud, an der eigenen Nachhaltigkeit zu arbeiten. “Wir lassen 30 Prozent unserer Flächen unbepflanzt, um damit die Artenvielfalt zu schützen.” Bei der Stromversorgung für die Fabriken setze sie auf Solarenergie, bis 2040 will sie Virú klimaneutral machen. 

    Schließlich beträfen sie die Auswirkungen des Klimawandels selbst. Viele Felder von Virú liegen in Regionen mit geringen Niederschlägen. Moderne Tröpfchen-Bewässerungssysteme sollen trotzdem stabile Ernten ermöglichen. Teile der Finanzierung dafür stammen aus Deutschland, von der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft. Für Feinschmecker und Besucher in Peru hat sie noch einen besonderen Tipp, der nur indirekt mit ihrem Job zusammenhängt: “Vier der 50 besten Restaurants der Welt befinden sich in unserer Hauptstadt Lima.” Die zu testen, lohne sich. Paul Meerkamp 

    Agrifood.Table Redaktion

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