das EU-Agrarbudget beträgt für den Zeitraum von 2021 bis 2027 rund 379 Milliarden Euro. Davon fließen etwa 77 Prozent in die erste Säule und werden weitgehend als Flächenprämien ausgezahlt. Ein EU-Beitritt der Ukraine würde dieses Zwei-Säulen-System aufgrund der schieren Größe landwirtschaftlicher Fläche ins Wanken bringen.
Nicht nur wegen der geplanten EU-Erweiterung steht das System unter Druck. “Europa erwärmt sich doppelt so schnell wie der globale Durchschnitt”, sagte die nun wiedergewählte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kürzlich in ihrer Rede im Europäischen Parlament. Hitzewellen und Dürren bekommt die Landwirtschaft jetzt schon zu spüren.
Von der Leyen wird in den kommenden Jahren für die Verhandlungen über die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik und des Mehrjährigen Finanzrahmens verantwortlich sein, die ab kommendem Jahr anlaufen dürften. Politische Mehrheiten für einen Systemwechsel zu finden, wird eine schwierige Aufgabe für die EVP-Politikerin, auch angesichts des Zuwachses der Rechtsaußenparteien im Europäischen Parlament.
Welche Argumente beharrende Kräfte für ein höheres EU-Agrarbudget auf den Tisch legen werden, ist absehbar. Mehr Geld sei nötig, um die Ernährung und ein gerechtes Einkommen für Landwirte zu sichern, argumentiert beispielsweise der EU-Agrarausschuss in einer vorläufigen Stellungnahme zum diesjährigen EU-Agrarhaushalt. Um nach den diesjährigen Protesten die Landwirte EU-weit zufriedenzustellen, brauche es zusätzliche Ressourcen.
Über die Zukunft der EU-Milliarden für die Landwirtschaft haben wir mit Peter Feindt gesprochen. Er leitet das Fachgebiet für Agrar- und Ernährungspolitik an der Humboldt-Universität zu Berlin und berät seit 20 Jahren die Bundesregierung.
Wir wünschen Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre und ein schönes Wochenende!
Herr Feindt, in welche Richtung sollte die EU jetzt unbedingt die Gemeinsame Agrarpolitik verhandeln?
Ausgehend von einem EU-Beitritt der Ukraine 2035 wäre es sinnvoll, die Flächenprämie, die rund 70 Prozent der EU-Agrarförderung ausmacht, zu senken. Mit dem Beitritt vergrößert sich die landwirtschaftliche Fläche der EU um mehr als 20 Prozent. Finanzielle Mittel müssten folglich in erheblichem Umfang aus den bisherigen EU-Mitgliedstaaten in die Ukraine fließen. Und das, obwohl der dortige Landwirtschaftssektor in höchstem Maße wettbewerbsfähig und kaum auf staatliche Unterstützung angewiesen ist.
Was würde das für die Jahre 2028 bis 2034 Jahre bedeuten?
In diesem Zeitraum müsste die EU eine Übergangsphase für die Flächenprämien einläuten, während derer diese sukzessive abgebaut würden.
Erfahrungsgemäß führen die Debatten zwischen progressiven und beharrenden Kräften zu überschaubaren Fortschritten. Ist das realistisch?
Das steht und fällt natürlich mit politischen Mehrheiten. Dass es möglich ist, zeigt aber die Wiederwahl Ursula von der Leyens durch eine relativ komfortable Mehrheit im Europäischen Parlament. Zur EU-Agrarpolitik kündigte die EU-Kommissionspräsidentin zuvor in ihrer Rede vor dem Parlament zwei konkrete Maßnahmen an: Unterstützung für die Anpassung der Landwirtschaft an den Klimawandel und ein Programm zum Schutz der Ressource Wasser. Sie hat es geschafft, eine Brücke zu bauen, die ihr die eine oder andere Stimme von Grünen und Sozialdemokraten gesichert haben wird. Es zeigt: Wir können mit diesen Themen breite politische Koalitionen schmieden.
Welche Konsequenzen hätte es denn für die nachfolgenden Generationen in der Landwirtschaft, wenn die EU die Transformation nicht vorantreibt?
Im Mittelmeerraum in Spanien, im Süden Italiens und in weiten Teilen Griechenlands ist die Produktionskapazität durch Hitzewellen und zu wenig verfügbares Wasser stark bedroht. In der Schwarzmeerregion betrifft es Bulgarien und Rumänien. Dort gibt es ziemlich viele kleine Produzenten, die viel Unterstützung brauchen, auch im Wissenstransfer.
Es ist sicherlich sinnvoller, wenn man Förderprogramme zielgerichtet ausrichtet, anstatt bloße Flächenprämien zu zahlen. Rhetorisch hat Frau von der Leyen hier den richtigen Marker gesetzt.
Weil sie in ihrer Rede von einem “zielgerichteten” EU-Agrarbudget gesprochen hat?
Ja. Die Anpassung an den Klimawandel, der Schutz von Ressourcen, die Minderung von Treibhausgasemissionen des Sektors, die Verbesserung des Tierwohls oder Investitionen in strukturpolitische Maßnahmen, all das wird teuer. Dafür brauchen wir die GAP-Gelder. Ich sehe angesichts der anderen Anforderungen an die öffentlichen Haushalte derzeit nicht, dass in Zukunft mehr Geld für die EU-Agrarpolitik bereitsteht.
Von der Leyen muss es also gelingen, die bisherigen flächenbezogenen Direktzahlungen umzuleiten in Klimaanpassung und Gewässerschutz, oder auch andere gesellschaftliche Anforderungen.
Alle Beteiligten müssen sich also darauf einstellen, dass es für die Transformation kein zusätzliches Geld gibt?
Das zeigt die Diskussion um die Transformation seit einigen Jahren. An diesem Punkt angelangt, ist die entscheidende Frage: Welche Berechtigung hat eine Förderung, die letztlich oft gar nicht den landwirtschaftlichen Betrieben zugutekommt, sondern an Flächenbesitzer oder den vor- und nachgelagerten Bereich weitergereicht wird?
Hinzukommt, viele Flächenbesitzer leben gar nicht mehr im ländlichen Raum. Die Zahlungen fließen also auch nicht unbedingt dorthin. Damit entfällt auch die bisherige Begründung für diese Zahlungen als ein Ausgleich zwischen Stadt und Land.
Welche Rolle wird Deutschland bei den Verhandlungen im EU-Agrarrat einnehmen?
Die Position der Bundesregierung wird sehr stark davon abhängen, welche Koalition wir nach der nächsten Wahl haben. Momentan pocht die Union darauf, nichts verändern und das derzeitige europäische Agrarfördersystem allenfalls vorsichtig weiterentwickeln zu wollen.
Einen eigenen Ansatz hat auch die aktuelle Bundesregierung kaum entwickelt. Das hat man auch an der Positionierung gegenüber den Bauernprotesten gemerkt. Vorrangig drehte sich die Diskussion um die Einkommenssituation von Landwirtinnen und Landwirten, um Bürokratie und darum, dass man die Krisen nicht gegeneinander ausspielen soll.
Maßnahmen, wie etwa die neuen Öko-Regelungen, die jetzt eingeführt worden sind, verändern das System nur marginal.
Daraus folgt?
Im Best-Case-Szenario wird es eine Weiterentwicklung im Zwei-Säulen-System geben, die dann hoffentlich stärker auf die neuen Herausforderungen, beispielsweise den Moorschutz, zielt.
Zwar werden die Direktzahlungen mit einer Einkommensstützung für Landwirtinnen und Landwirte begründet. Aber ursprünglich diente deren Einführung im Rahmen der MacSharry-Reform 1992 dazu, einem Verfall der Bodenpreise entgegenzuwirken. Damals wurden die Garantiepreise für Getreide und Rindfleisch um 33 Prozent abgesenkt. Als Ausgleich erhielten Landwirte Direktzahlungen, andernfalls wäre in gleichem Umfang der Wert landwirtschaftlicher Flächen gesunken. Das hätte die Kreditwürdigkeit der Landwirtschaft verschlechtert.
Deshalb ist es jetzt auch so schwierig, diese Direktzahlungen wieder abzuschaffen. Denn deren Effekt auf die Bodenmärkte beeinflusst die Finanzmärkte.
Gibt es einen Ausweg?
Man muss mutig sein. Es führt kein Weg daran vorbei, die Direktzahlungen auslaufen zu lassen. Wichtig ist dabei, deutlich zu machen, dass die staatliche Unterstützung für den Agrarsektor nicht sinkt. Um sicherzustellen, dass das Geld in die Landwirtschaft fließt, müssen die staatlichen Förderprogramme an Sachverhalte oder Tätigkeiten geknüpft sein, die tatsächlich auf den landwirtschaftlichen Betrieben stattfinden.
Ein Blick nach Deutschland: Welche Möglichkeiten haben Bund und Länder, um das naturschutzfachliche Potenzial noch vor der Reform, zu entwickeln?
Deutschland kann eine ganze Menge machen. Beispielsweise gibt es eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die prüft, ob das niederländische Modell der kooperativen Umweltmaßnahmen auch hier angewendet werden könnte. Bei den Öko-Regelungen würde das bedeuten, dass landwirtschaftliche Betriebe staatliche Zuwendung mittels eines Punktesystems erhalten. Das wäre ein sehr flexibles System für die Landwirtschaft. Die Bundesregierung muss erörtern, ob sie das ab 2028 in den Blick nehmen könnte.
Ist diese Umstellung in der Verwaltung realistisch?
Bislang erhielt ich die Rückmeldung, dass es für diesen Systemwechsel in den Bundesländern keine Kapazitäten gebe. Sicherlich braucht es Zeit. In den Niederlanden ist die Umstellung 2014 mit zehn Jahren Vorlauf vorbereitet worden.
Kulturell würde es auch etwas ändern für die Landwirtschaft, weil die Arbeit im kollektiven Verbund enge Absprachen mit Naturschutzverbänden und Landwirtschaftsorganisationen voraussetzt. Nicht jeder Betrieb in Deutschland ist dazu bereit.
Sie sind selbst kürzlich im politischen Brüssel unterwegs gewesen. Welche Eindrücke haben Sie kurz nach den Europawahlen mitgenommen?
Der Anteil der Abgeordneten im Europäischen Parlament, die dem rechtspopulistischen bis rechtsextremistischen Spektrum zuzuordnen sind, liegt inzwischen bei gut 20 Prozent. Die Fraktion der “Europäischen Konservativen und Reformer” (EKR/ECR) und die “Patrioten für Europa” (PfE) sind jeweils stärker als die Fraktion der Liberalen.
Es wird wichtig sein, zu beobachten, auf welche politischen Themen sie sich jetzt fokussieren, welche Koalitionen sie schmieden können und ob sie untereinander konkurrieren.
Interessant ist, dass die EKR unter Führung der italienischen Fratelli d’Italia von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni der Europäischen Volkspartei Avancen macht. Im Gegensatz zu den Rechtsaußenparteien der PfE um Viktor Orbán und ESN, zu der die AfD gehört, positioniert sich die EKR deutlich gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Mit Blick auf die EU-Agrarpolitik ist zu beobachten, dass sich die Rechtsaußenparteien euroskeptisch bis EU-feindlich positionieren. Trotzdem scheinen sie das Thema für sich zu entdecken.
Inwiefern?
Weil hier viel Geld verteilt wird, was dem eigenen Land Wohltaten bringt. In Ungarn gibt es eine starke Interessengruppe für ein Weiter-so bei der Gemeinsamen Agrarpolitik, obwohl sich Ministerpräsident Viktor Orbán sehr euroskeptisch positioniert.
Von den oligopolistischen Agrarstrukturen in Ungarn profitiert auch der Dunstkreis um den Ministerpräsidenten. Ähnliches passiert in Italien. Die Fratelli d’Italia will keine Stimmen im ländlichen Raum verlieren.
Meloni sagt, sie wolle die EU von innen verändern …
Für die Agrarpolitik bedeutet das, sich stark gegen umwelt- und klimapolitische Schwerpunkte in der Gemeinsamen Agrarpolitik zu wehren. Die Verankerung von Umwelt- und Klimaschutz in nationalen GAP-Strategieplänen fallen in rechts regierten EU-Mitgliedstaaten entsprechend schwach aus und fokussieren auf dem Prinzip der reinen Geldverteilung. Die EU-Kommission hat das bemängelt.
Aber die Brüsseler Behörde geht nicht dagegen vor?
Der Trend der vergangenen Jahre zeigt eher, dass den EU-Mitgliedstaaten zunehmend mehr Flexibilität eingeräumt wird. Andernfalls ist es schwierig, eine qualifizierte Mehrheit für eine Reform der GAP zustande zu bringen. Das liegt aber nicht nur an rechts regierten Ländern. Viele Mitgliedstaaten wollen sich ihre Spielräume bewahren.
Peter Feindt ist Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin und leitet dort das Fachgebiet für Agrar- und Ernährungspolitik. Seit 20 Jahren berät er als Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat für Biodiversität und Genetische Ressourcen das Bundeslandwirtschaftsministerium, seit 2014 als Vorsitzender des Beirats.
Die Mehrzahl der Mitgliedstaaten im Rat sieht es kritisch, dass die ungarische EU-Ratspräsidentschaft die Gespräche zur Deregulierung neuer Gentechniken (NGT) in weiten Teilen neu aufrollen will. Das geht aus internen Dokumenten hervor, die Table.Briefings vorliegen. Demnach stellten sich bei einem kürzlichen Treffen auf Arbeitsebene 15 Länder gegen dieses Vorgehen, darunter Frankreich, Spanien, Italien und Tschechien. Sie finden: Aspekte, zu denen schon mehrheitsfähige Lösungen gefunden wurden, sollten nicht noch einmal neu diskutiert werden. Fortschritte würden sonst verschenkt. Ähnlich sieht es die Europäische Kommission. Sie fürchtet, durch Verzögerungen bei dem Dossier könnte die EU ins Hintertreffen geraten, während immer mehr Drittstaaten NGT zulassen.
Ungarn hält dagegen, dass die Gespräche im Rat in eine Sackgasse geraten seien. Nur noch die Patentierbarkeit gentechnisch veränderter Pflanzen als offene Frage zu diskutieren, wie es die Belgier zuletzt getan hatten, führe nicht weiter. Österreich, Bulgarien, Kroatien, Rumänien, die Slowakei und Slowenien teilen diese Sichtweise. An der Patentfrage, die weiter ungelöst bleibt, will Budapest erst einmal gar nicht weiterarbeiten. Die Ratsarbeitsgruppe zu genetischen Ressourcen, die derzeit die Gespräche führt, sei hierfür nicht das richtige Forum.
Die Zurückstellung der Patentfrage und die gespaltenen Mehrheitsverhältnisse im Rat deuten darauf hin, dass eine Einigung unter der ungarischen Ratspräsidentschaft unwahrscheinlich ist. Diese hatte sich das für ihre sechsmonatige Amtszeit auch nicht explizit vorgenommen. Derweil kann sich die Bundesregierung weiter kaum in die Gespräche einbringen, weil die Ampel zum Thema gespalten bleibt. jd
Anlässlich des Inkrafttretens der EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) am 25. Juli hat die EU-Kommission häufig gestellte Fragen (FAQ) veröffentlicht. Darin hat sie Fragen zu Anwendungsbereich, Inhalten und Auswirkungen der neuen Richtlinie beantwortet.
Die CSDDD verpflichtet große Unternehmen, negative Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt in den vor- und nachgelagerten Bereichen in ihrer Lieferkette zu ermitteln und zu beseitigen. Zudem müssen diese einen Übergangsplan verabschieden, der die Begrenzung auf 1,5 Grad Erderwärmung vorsieht.
Die wichtigsten Punkte aus den FAQ:
Die 27 EU-Mitgliedstaaten haben nun zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Die Bundesregierung will die CSDDD noch in dieser Legislaturperiode, also bis Herbst nächsten Jahres, in nationales Recht umsetzen. Um zu verhindern, dass deutsche Unternehmen gegenüber Unternehmen aus anderen EU-Ländern benachteiligt werden, will sie das bereits in Kraft getretene Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz (LkSG) deutlich abschwächen und zwei Drittel der bislang erfassten Unternehmen vorerst vom LkSG befreien. Allerdings könnte die Abschwächung womöglich gegen EU-Recht verstoßen. ag
Trotz der jüngsten inhaltlichen Einigung mit der Europäischen Kommission kann das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) noch nicht sagen, wann der Änderungsantrag für den deutschen GAP-Strategieplan in Brüssel eingereicht wird. Das teilt eine Sprecherin mit. Am Dienstag ließ das BMEL wissen, in Gesprächen mit der Kommission grünes Licht für die geplante Vereinfachung der Fruchtfolgeregelung (GLÖZ 7) bekommen zu haben. Die Einigung solle die Grundlage für den formalen Änderungsantrag bilden, hieß es.
Vergangene Woche hatte der Deutsche Bauernverband (DBV) kritisiert, dass der Antrag noch nicht nach Brüssel versendet wurde. Spätestens Anfang August, rechtzeitig zur Herbstaussaat, brauchten die Landwirte “verlässlich Klarheit”, forderte der Verband.
Die Einigung mit der EU-Kommission zu GLÖZ 7 basiert auf dem Kompromiss von Bund und Ländern hierzu, den die Agrarministerkonferenz (AMK) im Juni per Umlaufbeschluss verabschiedet hatte. Die Brüsseler Behörde hat aber laut BMEL darauf bestanden, die geplante Vereinfachung abzuschwächen, um EU-weit einheitliche Wettbewerbsbedingungen sicherzustellen.
Eigentlich hatte die AMK vorgesehen, dass künftig nur noch die Vorgabe gelten soll, auf jedem Ackerschlag mindestens einmal alle drei Jahre die Hauptkultur zu wechseln. Auf Drängen der Kommission soll es nun zusätzlich Pflicht bleiben, jährlich auf einem Drittel der Ackerfläche entweder die Hauptfrucht zu wechseln oder eine Winterzwischenfrucht anzubauen. Damit bleibt die neue Regelung etwas näher an der bestehenden als geplant.
Aus Sicht des Thünen-Wissenschaftlers Norbert Röder hätte aber auch die ursprünglich geplante Änderung ohnehin nur eine “leichte Vereinfachung” vor allem für kleine Betriebe gebracht. Der Schaden für die Umwelt hält sich aus Sicht des Experten in Grenzen, weil bereits die bestehende Regelung kaum Nutzen bringe. jd
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat zum zweiten Mal in diesem Monat einen strengen Schutz von Wölfen in der EU angemahnt. Im Rechtsstreit um ein spanisches Regionalgesetz urteilte das oberste EU-Gericht Anfang der Woche, dass der Wolf auch in einzelnen Regionen nicht als jagdbare Art gelten darf, solange nicht auf nationaler Ebene ein günstiger Erhaltungszustand sichergestellt ist.
Entsprechend verstößt das fragliche Gesetz der autonomen Region Kastilien und León, das die Jagd auf den Wolf in bestimmten Gegenden erlaubt, aus Sicht der Richter gegen die Flora-Fauna-Habitatrichtlinie (FFH-Richtlinie), weil bei der Verabschiedung 2019 der Erhaltungszustand des Wolfs in Spanien ungünstig war. Geklagt hatte die Organisation ASCEL, die sich für den Schutz des Iberischen Wolfs einsetzt.
Bereits Mitte Juli hatte der Gerichtshof die Genehmigung zum Abschuss eines bestimmten Wolfs in Österreich als nicht gerechtfertigt eingestuft. Ausnahmen von den Schutzregeln aus wirtschaftlichen Gründen, um zum Beispiel ökonomische Schäden für Viehhalter abzuwenden, seien nur bei günstigem Erhaltungszustand möglich.
Die von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorangetriebenen Bemühungen, den Schutzstatus des Wolfs in der EU zu lockern, stecken derzeit im Umweltministerrat fest. Bisher zeichnet sich keine nötige Mehrheit für das Vorhaben ab, eine Entscheidung wird nicht vor Ende des Jahres erwartet. Während Bundesumweltministerin Steffi Lemke der Ansicht ist, der bestehende EU-Rechtsrahmen biete bereits genügend Flexibilität für einen guten Umgang mit Wolfspopulationen, hatte sich ihr Grünen-Parteikollege, Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, zuletzt offen für eine Lockerung gezeigt. jd
Franceinfo: Paris erwägt Krisenhilfen für Getreideerzeuger
Wegen schlechter Ernteprognosen zieht die französische Regierung Krisenhilfen für die Getreideerzeuger im Land in Betracht. Um zehn bis 20 Prozent könnte die Produktion wegen ungünstiger Wetterverhältnisse im Vergleich zum Vorjahr zurückgehen, erklärte Agrarminister Marc Fesneau bei einem Besuch in der Region Eure-et-Loir südwestlich von Paris. Bestätigt sich dies, sollen die Finanzhilfen fließen. Zur Höhe äußerte sich Fesneau, der nur noch geschäftsführend im Amt ist, nicht. Zum Artikel
Platow: BayWa soll BRB-Anteile versilbern
Die Unternehmensgruppe BayWa benötigt weiterhin 500 Millionen Euro, um eine Insolvenz abzuwenden. Ein Konsortium aus Banken hat Kredite in Höhe von zwei Milliarden Euro gewährt, doch die benötigten 500 Millionen Euro zur kurzfristigen Stabilisierung fehlen. Der größte Aktionär, die BRB Bayerische Raiffeisen Beteiligungs-AG, zögert jedoch mit weiterer Unterstützung. Um Geld zu beschaffen, nimmt die BayWa den Verkauf ihrer BRB-Anteile in den Blick, was etwa 100 Millionen Euro einbringen könnte. Zum Artikel
Lebensmittelzeitung: Umwelthilfe beklagt “Verpackungswahnsinn” im LEH
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisiert den Lebensmitteleinzelhandel für mangelnde Anstrengungen zur Abfallvermeidung und zur Förderung von Mehrwegverpackungen. In einer Stichprobe von 48 Filialen bei zwölf verschiedenen Händlern erhielten fast alle die schlechteste Bewertung, die “rote Karte”. Besonders schlecht schnitten Aldi Nord, Aldi Süd, Norma, Penny und Lidl ab. Hier lag der Anteil an verpacktem Obst und Gemüse zwischen 78 Prozent (Aldi Nord) und 65 Prozent (Lidl). Kaufland und Netto Marken-Discount wurden geringfügig besser bewertet. Die Vollsortimenter Edeka und Rewe liegen mit 53 beziehungsweise 48 Prozent im Mittelfeld. In den Biomärkten seien dagegen weniger als 20 Prozent der untersuchten Produkte verpackt gewesen. Die DUH fordert von der Politik verbindliche Vorgaben zur Abfallvermeidung und für Mehrwegverpackungen. Zum Artikel
SZ: “Die saufen alle nur noch Alkoholfreies”
Alkoholfreies Bier rangiert im Einzelhandel inzwischen auf Platz drei der beliebtesten Sorten, gleich nach Pils und Hellbier. Der Absatz hat sich binnen zehn Jahren verdoppelt. Zu diesem Ergebnis gelangt das Marktforschungsinstitut Nielsen. Wurden im Jahr 2013 noch knapp 267 Millionen Liter Alkoholfreies gebraut, sind es heute 556 Millionen Liter. Treiber der steigenden Beliebtheit von alkoholfreiem Bier sind demnach vor allem die Millennials und die Generation Z. Diese achteten vermehrt auf eine zuckerarme oder auch vegane Ernährung und griffen lieber gleich zu leichteren oder alkoholfreien Getränken. Der Trend habe aber inzwischen auch ältere Generationen erfasst. Passend dazu hat in München der erste alkoholfreie Biergarten eröffnet. Zum Artikel
Europe.Table: Österreich: Finanzminister Brunner als EU-Kommissar nominiert
Österreich will den amtierenden ÖVP-Finanzminister Magnus Brunner als Kommissar nach Brüssel schicken. Damit richtet sich das Land, das bisher auch als Anwärter auf den Posten des EU-Agrarkommissars galt, eher auf ein Portfolio im Themenfeld Wirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit aus. Allerdings haben hieran viele Länder Interesse angemeldet. Welcher Posten Brunner tatsächlich zugeteilt wird, ist weiter offen. Die Nominierung muss noch durch den Hauptausschuss des Nationalrats bestätigt werden, das gilt aber als Formsache. Zum Artikel
Climate.Table: SBTI: Deshalb sind Carbon Credits ein Risiko für die Transformation
CO₂-Kompensationen (Carbon Credits) für Unternehmen zuzulassen, ist aus Sicht der “Science Based Targets Intiative” (SBTI) ein Risiko für die grüne Transformation. In einem neuen Bericht kommt die SBTI – der de facto Standard für Klimaziele von Unternehmen – zu dem Schluss, dass “verschiedene Arten von Carbon Credits nicht ihre angestrebten Minderungsergebnisse liefern”. Sie plädiert dafür, Kompensationen nur in eng begrenzten Fällen zu nutzen. Zum Beispiel, wenn ein Nahrungsmittelhersteller zur CO₂-Reduzierung in der eigenen Wertschöpfungskette auf Agroforst umsteigt und Bäume auf Äckern pflanzt. Zum Artikel
das EU-Agrarbudget beträgt für den Zeitraum von 2021 bis 2027 rund 379 Milliarden Euro. Davon fließen etwa 77 Prozent in die erste Säule und werden weitgehend als Flächenprämien ausgezahlt. Ein EU-Beitritt der Ukraine würde dieses Zwei-Säulen-System aufgrund der schieren Größe landwirtschaftlicher Fläche ins Wanken bringen.
Nicht nur wegen der geplanten EU-Erweiterung steht das System unter Druck. “Europa erwärmt sich doppelt so schnell wie der globale Durchschnitt”, sagte die nun wiedergewählte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kürzlich in ihrer Rede im Europäischen Parlament. Hitzewellen und Dürren bekommt die Landwirtschaft jetzt schon zu spüren.
Von der Leyen wird in den kommenden Jahren für die Verhandlungen über die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik und des Mehrjährigen Finanzrahmens verantwortlich sein, die ab kommendem Jahr anlaufen dürften. Politische Mehrheiten für einen Systemwechsel zu finden, wird eine schwierige Aufgabe für die EVP-Politikerin, auch angesichts des Zuwachses der Rechtsaußenparteien im Europäischen Parlament.
Welche Argumente beharrende Kräfte für ein höheres EU-Agrarbudget auf den Tisch legen werden, ist absehbar. Mehr Geld sei nötig, um die Ernährung und ein gerechtes Einkommen für Landwirte zu sichern, argumentiert beispielsweise der EU-Agrarausschuss in einer vorläufigen Stellungnahme zum diesjährigen EU-Agrarhaushalt. Um nach den diesjährigen Protesten die Landwirte EU-weit zufriedenzustellen, brauche es zusätzliche Ressourcen.
Über die Zukunft der EU-Milliarden für die Landwirtschaft haben wir mit Peter Feindt gesprochen. Er leitet das Fachgebiet für Agrar- und Ernährungspolitik an der Humboldt-Universität zu Berlin und berät seit 20 Jahren die Bundesregierung.
Wir wünschen Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre und ein schönes Wochenende!
Herr Feindt, in welche Richtung sollte die EU jetzt unbedingt die Gemeinsame Agrarpolitik verhandeln?
Ausgehend von einem EU-Beitritt der Ukraine 2035 wäre es sinnvoll, die Flächenprämie, die rund 70 Prozent der EU-Agrarförderung ausmacht, zu senken. Mit dem Beitritt vergrößert sich die landwirtschaftliche Fläche der EU um mehr als 20 Prozent. Finanzielle Mittel müssten folglich in erheblichem Umfang aus den bisherigen EU-Mitgliedstaaten in die Ukraine fließen. Und das, obwohl der dortige Landwirtschaftssektor in höchstem Maße wettbewerbsfähig und kaum auf staatliche Unterstützung angewiesen ist.
Was würde das für die Jahre 2028 bis 2034 Jahre bedeuten?
In diesem Zeitraum müsste die EU eine Übergangsphase für die Flächenprämien einläuten, während derer diese sukzessive abgebaut würden.
Erfahrungsgemäß führen die Debatten zwischen progressiven und beharrenden Kräften zu überschaubaren Fortschritten. Ist das realistisch?
Das steht und fällt natürlich mit politischen Mehrheiten. Dass es möglich ist, zeigt aber die Wiederwahl Ursula von der Leyens durch eine relativ komfortable Mehrheit im Europäischen Parlament. Zur EU-Agrarpolitik kündigte die EU-Kommissionspräsidentin zuvor in ihrer Rede vor dem Parlament zwei konkrete Maßnahmen an: Unterstützung für die Anpassung der Landwirtschaft an den Klimawandel und ein Programm zum Schutz der Ressource Wasser. Sie hat es geschafft, eine Brücke zu bauen, die ihr die eine oder andere Stimme von Grünen und Sozialdemokraten gesichert haben wird. Es zeigt: Wir können mit diesen Themen breite politische Koalitionen schmieden.
Welche Konsequenzen hätte es denn für die nachfolgenden Generationen in der Landwirtschaft, wenn die EU die Transformation nicht vorantreibt?
Im Mittelmeerraum in Spanien, im Süden Italiens und in weiten Teilen Griechenlands ist die Produktionskapazität durch Hitzewellen und zu wenig verfügbares Wasser stark bedroht. In der Schwarzmeerregion betrifft es Bulgarien und Rumänien. Dort gibt es ziemlich viele kleine Produzenten, die viel Unterstützung brauchen, auch im Wissenstransfer.
Es ist sicherlich sinnvoller, wenn man Förderprogramme zielgerichtet ausrichtet, anstatt bloße Flächenprämien zu zahlen. Rhetorisch hat Frau von der Leyen hier den richtigen Marker gesetzt.
Weil sie in ihrer Rede von einem “zielgerichteten” EU-Agrarbudget gesprochen hat?
Ja. Die Anpassung an den Klimawandel, der Schutz von Ressourcen, die Minderung von Treibhausgasemissionen des Sektors, die Verbesserung des Tierwohls oder Investitionen in strukturpolitische Maßnahmen, all das wird teuer. Dafür brauchen wir die GAP-Gelder. Ich sehe angesichts der anderen Anforderungen an die öffentlichen Haushalte derzeit nicht, dass in Zukunft mehr Geld für die EU-Agrarpolitik bereitsteht.
Von der Leyen muss es also gelingen, die bisherigen flächenbezogenen Direktzahlungen umzuleiten in Klimaanpassung und Gewässerschutz, oder auch andere gesellschaftliche Anforderungen.
Alle Beteiligten müssen sich also darauf einstellen, dass es für die Transformation kein zusätzliches Geld gibt?
Das zeigt die Diskussion um die Transformation seit einigen Jahren. An diesem Punkt angelangt, ist die entscheidende Frage: Welche Berechtigung hat eine Förderung, die letztlich oft gar nicht den landwirtschaftlichen Betrieben zugutekommt, sondern an Flächenbesitzer oder den vor- und nachgelagerten Bereich weitergereicht wird?
Hinzukommt, viele Flächenbesitzer leben gar nicht mehr im ländlichen Raum. Die Zahlungen fließen also auch nicht unbedingt dorthin. Damit entfällt auch die bisherige Begründung für diese Zahlungen als ein Ausgleich zwischen Stadt und Land.
Welche Rolle wird Deutschland bei den Verhandlungen im EU-Agrarrat einnehmen?
Die Position der Bundesregierung wird sehr stark davon abhängen, welche Koalition wir nach der nächsten Wahl haben. Momentan pocht die Union darauf, nichts verändern und das derzeitige europäische Agrarfördersystem allenfalls vorsichtig weiterentwickeln zu wollen.
Einen eigenen Ansatz hat auch die aktuelle Bundesregierung kaum entwickelt. Das hat man auch an der Positionierung gegenüber den Bauernprotesten gemerkt. Vorrangig drehte sich die Diskussion um die Einkommenssituation von Landwirtinnen und Landwirten, um Bürokratie und darum, dass man die Krisen nicht gegeneinander ausspielen soll.
Maßnahmen, wie etwa die neuen Öko-Regelungen, die jetzt eingeführt worden sind, verändern das System nur marginal.
Daraus folgt?
Im Best-Case-Szenario wird es eine Weiterentwicklung im Zwei-Säulen-System geben, die dann hoffentlich stärker auf die neuen Herausforderungen, beispielsweise den Moorschutz, zielt.
Zwar werden die Direktzahlungen mit einer Einkommensstützung für Landwirtinnen und Landwirte begründet. Aber ursprünglich diente deren Einführung im Rahmen der MacSharry-Reform 1992 dazu, einem Verfall der Bodenpreise entgegenzuwirken. Damals wurden die Garantiepreise für Getreide und Rindfleisch um 33 Prozent abgesenkt. Als Ausgleich erhielten Landwirte Direktzahlungen, andernfalls wäre in gleichem Umfang der Wert landwirtschaftlicher Flächen gesunken. Das hätte die Kreditwürdigkeit der Landwirtschaft verschlechtert.
Deshalb ist es jetzt auch so schwierig, diese Direktzahlungen wieder abzuschaffen. Denn deren Effekt auf die Bodenmärkte beeinflusst die Finanzmärkte.
Gibt es einen Ausweg?
Man muss mutig sein. Es führt kein Weg daran vorbei, die Direktzahlungen auslaufen zu lassen. Wichtig ist dabei, deutlich zu machen, dass die staatliche Unterstützung für den Agrarsektor nicht sinkt. Um sicherzustellen, dass das Geld in die Landwirtschaft fließt, müssen die staatlichen Förderprogramme an Sachverhalte oder Tätigkeiten geknüpft sein, die tatsächlich auf den landwirtschaftlichen Betrieben stattfinden.
Ein Blick nach Deutschland: Welche Möglichkeiten haben Bund und Länder, um das naturschutzfachliche Potenzial noch vor der Reform, zu entwickeln?
Deutschland kann eine ganze Menge machen. Beispielsweise gibt es eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die prüft, ob das niederländische Modell der kooperativen Umweltmaßnahmen auch hier angewendet werden könnte. Bei den Öko-Regelungen würde das bedeuten, dass landwirtschaftliche Betriebe staatliche Zuwendung mittels eines Punktesystems erhalten. Das wäre ein sehr flexibles System für die Landwirtschaft. Die Bundesregierung muss erörtern, ob sie das ab 2028 in den Blick nehmen könnte.
Ist diese Umstellung in der Verwaltung realistisch?
Bislang erhielt ich die Rückmeldung, dass es für diesen Systemwechsel in den Bundesländern keine Kapazitäten gebe. Sicherlich braucht es Zeit. In den Niederlanden ist die Umstellung 2014 mit zehn Jahren Vorlauf vorbereitet worden.
Kulturell würde es auch etwas ändern für die Landwirtschaft, weil die Arbeit im kollektiven Verbund enge Absprachen mit Naturschutzverbänden und Landwirtschaftsorganisationen voraussetzt. Nicht jeder Betrieb in Deutschland ist dazu bereit.
Sie sind selbst kürzlich im politischen Brüssel unterwegs gewesen. Welche Eindrücke haben Sie kurz nach den Europawahlen mitgenommen?
Der Anteil der Abgeordneten im Europäischen Parlament, die dem rechtspopulistischen bis rechtsextremistischen Spektrum zuzuordnen sind, liegt inzwischen bei gut 20 Prozent. Die Fraktion der “Europäischen Konservativen und Reformer” (EKR/ECR) und die “Patrioten für Europa” (PfE) sind jeweils stärker als die Fraktion der Liberalen.
Es wird wichtig sein, zu beobachten, auf welche politischen Themen sie sich jetzt fokussieren, welche Koalitionen sie schmieden können und ob sie untereinander konkurrieren.
Interessant ist, dass die EKR unter Führung der italienischen Fratelli d’Italia von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni der Europäischen Volkspartei Avancen macht. Im Gegensatz zu den Rechtsaußenparteien der PfE um Viktor Orbán und ESN, zu der die AfD gehört, positioniert sich die EKR deutlich gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Mit Blick auf die EU-Agrarpolitik ist zu beobachten, dass sich die Rechtsaußenparteien euroskeptisch bis EU-feindlich positionieren. Trotzdem scheinen sie das Thema für sich zu entdecken.
Inwiefern?
Weil hier viel Geld verteilt wird, was dem eigenen Land Wohltaten bringt. In Ungarn gibt es eine starke Interessengruppe für ein Weiter-so bei der Gemeinsamen Agrarpolitik, obwohl sich Ministerpräsident Viktor Orbán sehr euroskeptisch positioniert.
Von den oligopolistischen Agrarstrukturen in Ungarn profitiert auch der Dunstkreis um den Ministerpräsidenten. Ähnliches passiert in Italien. Die Fratelli d’Italia will keine Stimmen im ländlichen Raum verlieren.
Meloni sagt, sie wolle die EU von innen verändern …
Für die Agrarpolitik bedeutet das, sich stark gegen umwelt- und klimapolitische Schwerpunkte in der Gemeinsamen Agrarpolitik zu wehren. Die Verankerung von Umwelt- und Klimaschutz in nationalen GAP-Strategieplänen fallen in rechts regierten EU-Mitgliedstaaten entsprechend schwach aus und fokussieren auf dem Prinzip der reinen Geldverteilung. Die EU-Kommission hat das bemängelt.
Aber die Brüsseler Behörde geht nicht dagegen vor?
Der Trend der vergangenen Jahre zeigt eher, dass den EU-Mitgliedstaaten zunehmend mehr Flexibilität eingeräumt wird. Andernfalls ist es schwierig, eine qualifizierte Mehrheit für eine Reform der GAP zustande zu bringen. Das liegt aber nicht nur an rechts regierten Ländern. Viele Mitgliedstaaten wollen sich ihre Spielräume bewahren.
Peter Feindt ist Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin und leitet dort das Fachgebiet für Agrar- und Ernährungspolitik. Seit 20 Jahren berät er als Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat für Biodiversität und Genetische Ressourcen das Bundeslandwirtschaftsministerium, seit 2014 als Vorsitzender des Beirats.
Die Mehrzahl der Mitgliedstaaten im Rat sieht es kritisch, dass die ungarische EU-Ratspräsidentschaft die Gespräche zur Deregulierung neuer Gentechniken (NGT) in weiten Teilen neu aufrollen will. Das geht aus internen Dokumenten hervor, die Table.Briefings vorliegen. Demnach stellten sich bei einem kürzlichen Treffen auf Arbeitsebene 15 Länder gegen dieses Vorgehen, darunter Frankreich, Spanien, Italien und Tschechien. Sie finden: Aspekte, zu denen schon mehrheitsfähige Lösungen gefunden wurden, sollten nicht noch einmal neu diskutiert werden. Fortschritte würden sonst verschenkt. Ähnlich sieht es die Europäische Kommission. Sie fürchtet, durch Verzögerungen bei dem Dossier könnte die EU ins Hintertreffen geraten, während immer mehr Drittstaaten NGT zulassen.
Ungarn hält dagegen, dass die Gespräche im Rat in eine Sackgasse geraten seien. Nur noch die Patentierbarkeit gentechnisch veränderter Pflanzen als offene Frage zu diskutieren, wie es die Belgier zuletzt getan hatten, führe nicht weiter. Österreich, Bulgarien, Kroatien, Rumänien, die Slowakei und Slowenien teilen diese Sichtweise. An der Patentfrage, die weiter ungelöst bleibt, will Budapest erst einmal gar nicht weiterarbeiten. Die Ratsarbeitsgruppe zu genetischen Ressourcen, die derzeit die Gespräche führt, sei hierfür nicht das richtige Forum.
Die Zurückstellung der Patentfrage und die gespaltenen Mehrheitsverhältnisse im Rat deuten darauf hin, dass eine Einigung unter der ungarischen Ratspräsidentschaft unwahrscheinlich ist. Diese hatte sich das für ihre sechsmonatige Amtszeit auch nicht explizit vorgenommen. Derweil kann sich die Bundesregierung weiter kaum in die Gespräche einbringen, weil die Ampel zum Thema gespalten bleibt. jd
Anlässlich des Inkrafttretens der EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) am 25. Juli hat die EU-Kommission häufig gestellte Fragen (FAQ) veröffentlicht. Darin hat sie Fragen zu Anwendungsbereich, Inhalten und Auswirkungen der neuen Richtlinie beantwortet.
Die CSDDD verpflichtet große Unternehmen, negative Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt in den vor- und nachgelagerten Bereichen in ihrer Lieferkette zu ermitteln und zu beseitigen. Zudem müssen diese einen Übergangsplan verabschieden, der die Begrenzung auf 1,5 Grad Erderwärmung vorsieht.
Die wichtigsten Punkte aus den FAQ:
Die 27 EU-Mitgliedstaaten haben nun zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Die Bundesregierung will die CSDDD noch in dieser Legislaturperiode, also bis Herbst nächsten Jahres, in nationales Recht umsetzen. Um zu verhindern, dass deutsche Unternehmen gegenüber Unternehmen aus anderen EU-Ländern benachteiligt werden, will sie das bereits in Kraft getretene Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz (LkSG) deutlich abschwächen und zwei Drittel der bislang erfassten Unternehmen vorerst vom LkSG befreien. Allerdings könnte die Abschwächung womöglich gegen EU-Recht verstoßen. ag
Trotz der jüngsten inhaltlichen Einigung mit der Europäischen Kommission kann das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) noch nicht sagen, wann der Änderungsantrag für den deutschen GAP-Strategieplan in Brüssel eingereicht wird. Das teilt eine Sprecherin mit. Am Dienstag ließ das BMEL wissen, in Gesprächen mit der Kommission grünes Licht für die geplante Vereinfachung der Fruchtfolgeregelung (GLÖZ 7) bekommen zu haben. Die Einigung solle die Grundlage für den formalen Änderungsantrag bilden, hieß es.
Vergangene Woche hatte der Deutsche Bauernverband (DBV) kritisiert, dass der Antrag noch nicht nach Brüssel versendet wurde. Spätestens Anfang August, rechtzeitig zur Herbstaussaat, brauchten die Landwirte “verlässlich Klarheit”, forderte der Verband.
Die Einigung mit der EU-Kommission zu GLÖZ 7 basiert auf dem Kompromiss von Bund und Ländern hierzu, den die Agrarministerkonferenz (AMK) im Juni per Umlaufbeschluss verabschiedet hatte. Die Brüsseler Behörde hat aber laut BMEL darauf bestanden, die geplante Vereinfachung abzuschwächen, um EU-weit einheitliche Wettbewerbsbedingungen sicherzustellen.
Eigentlich hatte die AMK vorgesehen, dass künftig nur noch die Vorgabe gelten soll, auf jedem Ackerschlag mindestens einmal alle drei Jahre die Hauptkultur zu wechseln. Auf Drängen der Kommission soll es nun zusätzlich Pflicht bleiben, jährlich auf einem Drittel der Ackerfläche entweder die Hauptfrucht zu wechseln oder eine Winterzwischenfrucht anzubauen. Damit bleibt die neue Regelung etwas näher an der bestehenden als geplant.
Aus Sicht des Thünen-Wissenschaftlers Norbert Röder hätte aber auch die ursprünglich geplante Änderung ohnehin nur eine “leichte Vereinfachung” vor allem für kleine Betriebe gebracht. Der Schaden für die Umwelt hält sich aus Sicht des Experten in Grenzen, weil bereits die bestehende Regelung kaum Nutzen bringe. jd
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat zum zweiten Mal in diesem Monat einen strengen Schutz von Wölfen in der EU angemahnt. Im Rechtsstreit um ein spanisches Regionalgesetz urteilte das oberste EU-Gericht Anfang der Woche, dass der Wolf auch in einzelnen Regionen nicht als jagdbare Art gelten darf, solange nicht auf nationaler Ebene ein günstiger Erhaltungszustand sichergestellt ist.
Entsprechend verstößt das fragliche Gesetz der autonomen Region Kastilien und León, das die Jagd auf den Wolf in bestimmten Gegenden erlaubt, aus Sicht der Richter gegen die Flora-Fauna-Habitatrichtlinie (FFH-Richtlinie), weil bei der Verabschiedung 2019 der Erhaltungszustand des Wolfs in Spanien ungünstig war. Geklagt hatte die Organisation ASCEL, die sich für den Schutz des Iberischen Wolfs einsetzt.
Bereits Mitte Juli hatte der Gerichtshof die Genehmigung zum Abschuss eines bestimmten Wolfs in Österreich als nicht gerechtfertigt eingestuft. Ausnahmen von den Schutzregeln aus wirtschaftlichen Gründen, um zum Beispiel ökonomische Schäden für Viehhalter abzuwenden, seien nur bei günstigem Erhaltungszustand möglich.
Die von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorangetriebenen Bemühungen, den Schutzstatus des Wolfs in der EU zu lockern, stecken derzeit im Umweltministerrat fest. Bisher zeichnet sich keine nötige Mehrheit für das Vorhaben ab, eine Entscheidung wird nicht vor Ende des Jahres erwartet. Während Bundesumweltministerin Steffi Lemke der Ansicht ist, der bestehende EU-Rechtsrahmen biete bereits genügend Flexibilität für einen guten Umgang mit Wolfspopulationen, hatte sich ihr Grünen-Parteikollege, Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, zuletzt offen für eine Lockerung gezeigt. jd
Franceinfo: Paris erwägt Krisenhilfen für Getreideerzeuger
Wegen schlechter Ernteprognosen zieht die französische Regierung Krisenhilfen für die Getreideerzeuger im Land in Betracht. Um zehn bis 20 Prozent könnte die Produktion wegen ungünstiger Wetterverhältnisse im Vergleich zum Vorjahr zurückgehen, erklärte Agrarminister Marc Fesneau bei einem Besuch in der Region Eure-et-Loir südwestlich von Paris. Bestätigt sich dies, sollen die Finanzhilfen fließen. Zur Höhe äußerte sich Fesneau, der nur noch geschäftsführend im Amt ist, nicht. Zum Artikel
Platow: BayWa soll BRB-Anteile versilbern
Die Unternehmensgruppe BayWa benötigt weiterhin 500 Millionen Euro, um eine Insolvenz abzuwenden. Ein Konsortium aus Banken hat Kredite in Höhe von zwei Milliarden Euro gewährt, doch die benötigten 500 Millionen Euro zur kurzfristigen Stabilisierung fehlen. Der größte Aktionär, die BRB Bayerische Raiffeisen Beteiligungs-AG, zögert jedoch mit weiterer Unterstützung. Um Geld zu beschaffen, nimmt die BayWa den Verkauf ihrer BRB-Anteile in den Blick, was etwa 100 Millionen Euro einbringen könnte. Zum Artikel
Lebensmittelzeitung: Umwelthilfe beklagt “Verpackungswahnsinn” im LEH
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisiert den Lebensmitteleinzelhandel für mangelnde Anstrengungen zur Abfallvermeidung und zur Förderung von Mehrwegverpackungen. In einer Stichprobe von 48 Filialen bei zwölf verschiedenen Händlern erhielten fast alle die schlechteste Bewertung, die “rote Karte”. Besonders schlecht schnitten Aldi Nord, Aldi Süd, Norma, Penny und Lidl ab. Hier lag der Anteil an verpacktem Obst und Gemüse zwischen 78 Prozent (Aldi Nord) und 65 Prozent (Lidl). Kaufland und Netto Marken-Discount wurden geringfügig besser bewertet. Die Vollsortimenter Edeka und Rewe liegen mit 53 beziehungsweise 48 Prozent im Mittelfeld. In den Biomärkten seien dagegen weniger als 20 Prozent der untersuchten Produkte verpackt gewesen. Die DUH fordert von der Politik verbindliche Vorgaben zur Abfallvermeidung und für Mehrwegverpackungen. Zum Artikel
SZ: “Die saufen alle nur noch Alkoholfreies”
Alkoholfreies Bier rangiert im Einzelhandel inzwischen auf Platz drei der beliebtesten Sorten, gleich nach Pils und Hellbier. Der Absatz hat sich binnen zehn Jahren verdoppelt. Zu diesem Ergebnis gelangt das Marktforschungsinstitut Nielsen. Wurden im Jahr 2013 noch knapp 267 Millionen Liter Alkoholfreies gebraut, sind es heute 556 Millionen Liter. Treiber der steigenden Beliebtheit von alkoholfreiem Bier sind demnach vor allem die Millennials und die Generation Z. Diese achteten vermehrt auf eine zuckerarme oder auch vegane Ernährung und griffen lieber gleich zu leichteren oder alkoholfreien Getränken. Der Trend habe aber inzwischen auch ältere Generationen erfasst. Passend dazu hat in München der erste alkoholfreie Biergarten eröffnet. Zum Artikel
Europe.Table: Österreich: Finanzminister Brunner als EU-Kommissar nominiert
Österreich will den amtierenden ÖVP-Finanzminister Magnus Brunner als Kommissar nach Brüssel schicken. Damit richtet sich das Land, das bisher auch als Anwärter auf den Posten des EU-Agrarkommissars galt, eher auf ein Portfolio im Themenfeld Wirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit aus. Allerdings haben hieran viele Länder Interesse angemeldet. Welcher Posten Brunner tatsächlich zugeteilt wird, ist weiter offen. Die Nominierung muss noch durch den Hauptausschuss des Nationalrats bestätigt werden, das gilt aber als Formsache. Zum Artikel
Climate.Table: SBTI: Deshalb sind Carbon Credits ein Risiko für die Transformation
CO₂-Kompensationen (Carbon Credits) für Unternehmen zuzulassen, ist aus Sicht der “Science Based Targets Intiative” (SBTI) ein Risiko für die grüne Transformation. In einem neuen Bericht kommt die SBTI – der de facto Standard für Klimaziele von Unternehmen – zu dem Schluss, dass “verschiedene Arten von Carbon Credits nicht ihre angestrebten Minderungsergebnisse liefern”. Sie plädiert dafür, Kompensationen nur in eng begrenzten Fällen zu nutzen. Zum Beispiel, wenn ein Nahrungsmittelhersteller zur CO₂-Reduzierung in der eigenen Wertschöpfungskette auf Agroforst umsteigt und Bäume auf Äckern pflanzt. Zum Artikel