Ökolandbau und Grüne Gentechnik, für die Bioszene ist das nicht vereinbar. Die konservative Europaabgeordnete und zuständige Berichterstatterin für das EU-Gentechnikrecht, Jessica Polfjärd, will das ändern. Polfjärd schlägt vor, den Ökolandbau für bestimmte Arten von Gentechnik, konkret NGT-1, zu öffnen. In der Bioszene in Deutschland stößt das auf heftigen Widerstand. Rückenwind für eine Vereinbarkeit von NGT-1-Pflanzen mit dem Ökolandbau bekommt Polfjärd von DFG und Leopoldina.
Kontrovers wird bekanntlich auch die Anwendung von Pestiziden bzw. Pflanzenschutzmitteln auf Ackerflächen diskutiert. Zuletzt angekurbelt durch einen Foodwatch-Bericht zu Pestizidrückständen in Getreide. Geschäftsführer Chris Methmann reagiert exklusiv im Agrifood.Table auf Vorwürfe, die Foodwatch-Studie zum Pestizideinsatz im Getreideanbau sei unsachlich.
Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) haben anlässlich der bevorstehenden Beratungen zum EU-weiten Umgang mit Pflanzen, die mittels neuer genomischer Verfahren gezüchtet wurden, eine Ad-hoc-Stellungnahme veröffentlicht. Diese bekräftigt die Unterstützung für den von der Europäischen Kommission am 5.Juli 2023 vorgeschlagenen Verordnungsentwurf.
Die Stellungnahme von DFG und Leopoldina behandelt die drei Themenbereiche, in denen die politische Debatte am meisten Informationsbedarf seitens der Wissenschaft hat:
Der Verordnungsentwurf der EU-Kommission sieht vor, Pflanzen, die mittels neuer genomischer Techniken des Typ 1 (NGT-1) gezüchtet wurden, mit konventionell gezüchteten Pflanzen gleichzustellen und sie somit vom Gentechnikrecht auszunehmen. Diese Gleichstellung basiert auf der Einschätzung, dass NGT-1-Pflanzen vergleichbare genetische Veränderungen (Mutationen) aufweisen wie konventionell gezüchtete Sorten und ein niedriges Risikoprofil haben. Kritiker befürchten jedoch, dass das Vorsorgeprinzip nicht ausreichend berücksichtigt wird und sehen potenzielle wirtschaftliche Nachteile für Pflanzenzüchter sowie Auswirkungen auf die ökologische Landwirtschaft.
Die Stellungnahme hebt hervor, dass laut Europäischem Gerichtshof und Europäischer Kommission das Vorsorgeprinzip nur bei wissenschaftlich begründetem Besorgnisanlass angewendet werden kann. Im Fall von NGT-1-Pflanzen und -Produkten fehle dieser Besorgnisanlass, da bisher veröffentlichte Studien keinerlei Hinweise auf ein höheres Risiko für Umwelt und Mensch gäben. Zudem wird darauf hingewiesen, dass das europäische Gentechnikrecht und das Recht des geistigen Eigentums (Patent- und Sortenschutzrecht) nicht unmittelbar verknüpft sind. Der Patentschutz für NGT-veränderte Pflanzen schließe Sortenzüchtungen nicht aus, erfordere jedoch eine Lizenz des Patentinhabers. Dies kann mögliche wirtschaftliche Konsequenzen für Züchterbetriebe nach sich ziehen und könnte für innovative Sortenzüchtungen aufgrund der Mehrkosten hinderlich sein.
Der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter (BDP) hält eine Anpassung des Patentrechts für den Züchtungsfortschritt für unabdingbar und fordert eine schnelle, rechtsverbindliche Lösung für die Patentregelungen, damit Patente den Zugang zu neuen Technologien nicht behindern.
Laut DFG und Leopoldina wäre die Zulassung von genomisch veränderten Pflanzen vereinbar mit Prinzipien der ökologischen Landwirtschaft, da durch die NGT-1-Pflanzen weitestgehend auf chemischen Pflanzenschutz verzichtet werden könne. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass der aktuelle Entwurf der Kommission die Kennzeichnung als “Öko-” oder “Bio-” für Produkte, die absichtlich NGT-1-Pflanzen verwenden, nicht gestattet.
Kritik an der Stellungnahme äußert Tina Andres, Vorsitzende des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft. Sie betont, dass der Einsatz von Gentechnik im Widerspruch zu den Grundprinzipien der ökologischen Produktion stehe. Durch die Abschaffung der Risikoprüfung und Kennzeichnung von genomisch veränderten Pflanzen würde es unmöglich werden, diese von Produkten konventioneller Züchtung zu unterscheiden: “Während jedes Medikament oder jeder Kräuterextrakt, der Pflanzen schützen soll, vor einer EU-Zulassung richtigerweise auf Risiken geprüft werden muss, sollen gentechnisch veränderte Pflanzen völlig unkontrolliert in die Umwelt entlassen werden.”
Der Gesetzesentwurf zu genomischen Techniken in der Pflanzenzucht wird aktuell im Europaparlament beraten. Heute berät sich parallel der Bundesrat zum Thema. kih
Mittels Genom-Editierung können Hühner gegen das Vogelgrippevirus resistent werden. Das ist das Ergebnis einer britischen Studie, die vergangene Woche im Fachjournal “Nature Communications” erschienen ist. Für die Studie tauschten die Forschenden zwei Aminosäuren des Wirtproteins ANP32A aus, das für die Vermehrung des Vogelgrippevirus in Hühnern relevant ist. Im Ergebnis stellten die Wissenschaftler fest, dass sich neun von zehn genetisch veränderte Hühner bei geringer Viruslast nicht infizierten, die Resistenz bei steigender Viruslast allerdings abnahm. Eine vollständige Resistenz der Hühner könnte laut den Forschenden theoretisch zwar erreicht werden, wäre für ein Huhn jedoch vermutlich tödlich.
Bei der Arbeit der Gruppe um den Wissenschaftler Alewo Idoko-Akoh handelt es sich um eine sogenannte Proof-of-Concept-Studie, also eine reine Machbarkeitsstudie. Ob Genom-Editierung künftig breiter zum Einsatz kommen wird, wird derweil kontrovers diskutiert. Wie aus dem Leitfaden für die Umweltverträglichkeitsprüfung von gentechnisch veränderten Tieren der European Food Safety Authority (EFSA) hervorgeht, ist die Nutzung von Genom-Editierung mit diversen Risiken verbunden.
Laut Stephan Ludwig, Direktor am Institut für Molekulare Virologie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, zeige die Studie, “dass eine gut durchdachte Gene-Editing-Strategie geeignet sein kann, um eine robuste Resistenz gegen Infektion zu erreichen.” Gleichzeitig verdeutliche die Studie aber auch die “enorme Anpassungsfähigkeit der Viren”, durch die der Ansatz schnell unwirksam werden könne. Zudem würde man die Wildvögel, die für die Verbreitung des Virus hauptsächlich verantwortlich sind, mit dem Ansatz nicht erreichen, meint Ludwig.
“Dem EU-Recht nach sind Organismen, deren Genom mittels dem CRISPR/Cas-Verfahren verändert wurden, als gentechnisch veränderte Organismen zu betrachten”, gibt Timm Harder, Professor am Institut für Infektionsmedizin der Christian-Albrechts-Universität in Kiel, zu bedenken. Die Haltung solcher Hühner wäre nach aktuellem Recht nur in einer gentechnischen Anlage möglich. Harder weiter: “Ohne entsprechende rechtliche Anpassungen wäre eine Massennutzung sicherlich nicht vorstellbar.” ag
Es ist ein bekanntes Muster: Sobald Nichtregierungsorganisationen wie Foodwatch den intensiven Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft kritisieren, bringt sich umgehend die Agrarindustrie um Bayer, Syngenta & Co. in Stellung. Doch statt zu den fatalen Folgen des Pestizideinsatzes für Umwelt und Artenvielfalt und der Mitverantwortung der Chemiekonzerne konstruktiv Stellung zu beziehen, säen die Unternehmen Zweifel an der Seriosität der NGOs. So auch unmittelbar nach der Veröffentlichung des Foodwatch-Reports zum Pestizideinsatz im Getreideanbau. “Panikmache”, “nicht vertrauenswürdig”, “unsachlich” – diese wenig überraschenden Vorwürfe kamen nicht nur von Martin Courbier, dem Geschäftsführer des Verbands “Der Agrarhandel” bei Table Media, sondern auch zum Beispiel bei Twitter von Vertretern der Agrarindustrie wie Bayer. Also von denen, die mit Ackergiften ihr Geld verdienen.
Schauen wir uns die Fakten aus dem Foodwatch-Report an: Jedes dritte Getreideprodukt in der EU ist mit Rückständen von Pestiziden belastet. Diese Zahl stammt aus der Datenbank der EU-Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA. Für alle nachvollziehbar veröffentlicht und per Download nachzulesen. Foodwatch hat dabei stets deutlich gemacht, dass nur bei wenigen der belasteten Proben die Höchstmengen überschritten werden. Wer jetzt jedoch – wie Bayer und Konsorten – beschwichtigt und die Kritik von Foodwatch als übertrieben abtut, verschweigt zwei entscheidende Aspekte:
Erstens werden bei der Festlegung der Grenzwerte die Wechselwirkung verschiedener Pestizide nicht berücksichtigt. Dieser “Cocktail-Effekt” ist seit Jahren Gegenstand von Debatten. Auch das Umweltbundesamt äußert im Zusammenhang mit dem Fund zahlreicher Pestizidrückstände im Urin von Kindern und Jugendlichen die Sorge, dass sich die Effekte von Stoffen mit ähnlichen Wirkmechanismen addieren können, “sodass in Summe eine kritische Belastung erreicht werden kann“.
Zweitens machen die Rückstandsdaten ein noch drängenderes Problem deutlich: Der Einsatz von Pestiziden im Getreideanbau ist allgegenwärtig und gefährdet die Artenvielfalt, das Grundwasser und die Bodenqualität. Nicht ohne Grund warnt die EU-Kommission, dass ohne die Reduktion des Pestizideinsatzes die Ernährungssicherheit bedroht sei.
Der Getreideanbau ist für rund die Hälfte aller Pestizidanwendungen in Europa verantwortlich. Gleichzeitig wäre es bei Getreide relativ schnell und einfach möglich, auf die Ackergifte zu verzichten. Das wäre ein Riesenschritt! Denn seit Jahren diskutiert die Politik über eine Pestizidreduktion – aber es passiert nichts. Vielmehr werden heute mehr Pestizide verspritzt als in den 1990er Jahren.
Statt über die Chancen einer pestizidfreien Landwirtschaft zu sprechen, betreibt die Industrie Panikmache und schürt Angst vor Lebensmittelknappheit. Wir erinnern uns: Bei der Diskussion um das Verbot von gefährlichen Neonicotinoiden warnte die Industrie vor Ertragsverlusten von bis zu 50 Prozent bei Mais. In den meisten EU-Ländern ist das nicht eingetreten. In Deutschland sind die Erträge laut Bundesamt für Statistik sogar gestiegen.
Ein pestizidfreier Getreideanbau wird von vielen Landwirten längst praktiziert, etwa durch Fruchtfolgen, den Anbau von Zwischenfrüchten und den Einsatz robuster Getreidesorten. Für Verbraucherinnen und Verbraucher wären pestizidfreies Brot und Co. – wenn überhaupt – nur wenige Cent teurer. Und Landwirtinnen und Landwirte müssen für einen pestizidfreien Anbau belohnt werden. In der Schweiz zum Beispiel fördert die Handelskette Migros in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Vereinigung für integrierte Produktion (IP Suisse). Landwirte werden für den zusätzlichen Arbeitsaufwand beim Jäten durch Prämien und Direktzahlungen entschädigt.
Die Supermärkte in Deutschland müssen nachziehen und ihre Marktmacht nutzen. Wenn Rewe, Aldi und Co. nur noch pestizidfreie Getreideprodukte in ihre Regale stellen, hätte das enorme Auswirkungen auf die Branche. Für Bayer, Syngenta und Co. würde ein riesiges Geschäftsfeld einbrechen. Für unsere Umwelt, die bedrohte Artenvielfalt, unsere Böden, unser Trinkwasser – sprich für unsere gesamte Lebensgrundlage – wäre es jedoch ein Segen!
Dr. Chris Methmann ist Geschäftsführer der Verbraucherorganisation Foodwatch, die sich aus Spenden finanziert. Der Verein kritisiert Praktiken der Lebensmittelwirtschaft, die er für verbraucherfeindlich hält.
Ökolandbau und Grüne Gentechnik, für die Bioszene ist das nicht vereinbar. Die konservative Europaabgeordnete und zuständige Berichterstatterin für das EU-Gentechnikrecht, Jessica Polfjärd, will das ändern. Polfjärd schlägt vor, den Ökolandbau für bestimmte Arten von Gentechnik, konkret NGT-1, zu öffnen. In der Bioszene in Deutschland stößt das auf heftigen Widerstand. Rückenwind für eine Vereinbarkeit von NGT-1-Pflanzen mit dem Ökolandbau bekommt Polfjärd von DFG und Leopoldina.
Kontrovers wird bekanntlich auch die Anwendung von Pestiziden bzw. Pflanzenschutzmitteln auf Ackerflächen diskutiert. Zuletzt angekurbelt durch einen Foodwatch-Bericht zu Pestizidrückständen in Getreide. Geschäftsführer Chris Methmann reagiert exklusiv im Agrifood.Table auf Vorwürfe, die Foodwatch-Studie zum Pestizideinsatz im Getreideanbau sei unsachlich.
Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) haben anlässlich der bevorstehenden Beratungen zum EU-weiten Umgang mit Pflanzen, die mittels neuer genomischer Verfahren gezüchtet wurden, eine Ad-hoc-Stellungnahme veröffentlicht. Diese bekräftigt die Unterstützung für den von der Europäischen Kommission am 5.Juli 2023 vorgeschlagenen Verordnungsentwurf.
Die Stellungnahme von DFG und Leopoldina behandelt die drei Themenbereiche, in denen die politische Debatte am meisten Informationsbedarf seitens der Wissenschaft hat:
Der Verordnungsentwurf der EU-Kommission sieht vor, Pflanzen, die mittels neuer genomischer Techniken des Typ 1 (NGT-1) gezüchtet wurden, mit konventionell gezüchteten Pflanzen gleichzustellen und sie somit vom Gentechnikrecht auszunehmen. Diese Gleichstellung basiert auf der Einschätzung, dass NGT-1-Pflanzen vergleichbare genetische Veränderungen (Mutationen) aufweisen wie konventionell gezüchtete Sorten und ein niedriges Risikoprofil haben. Kritiker befürchten jedoch, dass das Vorsorgeprinzip nicht ausreichend berücksichtigt wird und sehen potenzielle wirtschaftliche Nachteile für Pflanzenzüchter sowie Auswirkungen auf die ökologische Landwirtschaft.
Die Stellungnahme hebt hervor, dass laut Europäischem Gerichtshof und Europäischer Kommission das Vorsorgeprinzip nur bei wissenschaftlich begründetem Besorgnisanlass angewendet werden kann. Im Fall von NGT-1-Pflanzen und -Produkten fehle dieser Besorgnisanlass, da bisher veröffentlichte Studien keinerlei Hinweise auf ein höheres Risiko für Umwelt und Mensch gäben. Zudem wird darauf hingewiesen, dass das europäische Gentechnikrecht und das Recht des geistigen Eigentums (Patent- und Sortenschutzrecht) nicht unmittelbar verknüpft sind. Der Patentschutz für NGT-veränderte Pflanzen schließe Sortenzüchtungen nicht aus, erfordere jedoch eine Lizenz des Patentinhabers. Dies kann mögliche wirtschaftliche Konsequenzen für Züchterbetriebe nach sich ziehen und könnte für innovative Sortenzüchtungen aufgrund der Mehrkosten hinderlich sein.
Der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter (BDP) hält eine Anpassung des Patentrechts für den Züchtungsfortschritt für unabdingbar und fordert eine schnelle, rechtsverbindliche Lösung für die Patentregelungen, damit Patente den Zugang zu neuen Technologien nicht behindern.
Laut DFG und Leopoldina wäre die Zulassung von genomisch veränderten Pflanzen vereinbar mit Prinzipien der ökologischen Landwirtschaft, da durch die NGT-1-Pflanzen weitestgehend auf chemischen Pflanzenschutz verzichtet werden könne. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass der aktuelle Entwurf der Kommission die Kennzeichnung als “Öko-” oder “Bio-” für Produkte, die absichtlich NGT-1-Pflanzen verwenden, nicht gestattet.
Kritik an der Stellungnahme äußert Tina Andres, Vorsitzende des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft. Sie betont, dass der Einsatz von Gentechnik im Widerspruch zu den Grundprinzipien der ökologischen Produktion stehe. Durch die Abschaffung der Risikoprüfung und Kennzeichnung von genomisch veränderten Pflanzen würde es unmöglich werden, diese von Produkten konventioneller Züchtung zu unterscheiden: “Während jedes Medikament oder jeder Kräuterextrakt, der Pflanzen schützen soll, vor einer EU-Zulassung richtigerweise auf Risiken geprüft werden muss, sollen gentechnisch veränderte Pflanzen völlig unkontrolliert in die Umwelt entlassen werden.”
Der Gesetzesentwurf zu genomischen Techniken in der Pflanzenzucht wird aktuell im Europaparlament beraten. Heute berät sich parallel der Bundesrat zum Thema. kih
Mittels Genom-Editierung können Hühner gegen das Vogelgrippevirus resistent werden. Das ist das Ergebnis einer britischen Studie, die vergangene Woche im Fachjournal “Nature Communications” erschienen ist. Für die Studie tauschten die Forschenden zwei Aminosäuren des Wirtproteins ANP32A aus, das für die Vermehrung des Vogelgrippevirus in Hühnern relevant ist. Im Ergebnis stellten die Wissenschaftler fest, dass sich neun von zehn genetisch veränderte Hühner bei geringer Viruslast nicht infizierten, die Resistenz bei steigender Viruslast allerdings abnahm. Eine vollständige Resistenz der Hühner könnte laut den Forschenden theoretisch zwar erreicht werden, wäre für ein Huhn jedoch vermutlich tödlich.
Bei der Arbeit der Gruppe um den Wissenschaftler Alewo Idoko-Akoh handelt es sich um eine sogenannte Proof-of-Concept-Studie, also eine reine Machbarkeitsstudie. Ob Genom-Editierung künftig breiter zum Einsatz kommen wird, wird derweil kontrovers diskutiert. Wie aus dem Leitfaden für die Umweltverträglichkeitsprüfung von gentechnisch veränderten Tieren der European Food Safety Authority (EFSA) hervorgeht, ist die Nutzung von Genom-Editierung mit diversen Risiken verbunden.
Laut Stephan Ludwig, Direktor am Institut für Molekulare Virologie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, zeige die Studie, “dass eine gut durchdachte Gene-Editing-Strategie geeignet sein kann, um eine robuste Resistenz gegen Infektion zu erreichen.” Gleichzeitig verdeutliche die Studie aber auch die “enorme Anpassungsfähigkeit der Viren”, durch die der Ansatz schnell unwirksam werden könne. Zudem würde man die Wildvögel, die für die Verbreitung des Virus hauptsächlich verantwortlich sind, mit dem Ansatz nicht erreichen, meint Ludwig.
“Dem EU-Recht nach sind Organismen, deren Genom mittels dem CRISPR/Cas-Verfahren verändert wurden, als gentechnisch veränderte Organismen zu betrachten”, gibt Timm Harder, Professor am Institut für Infektionsmedizin der Christian-Albrechts-Universität in Kiel, zu bedenken. Die Haltung solcher Hühner wäre nach aktuellem Recht nur in einer gentechnischen Anlage möglich. Harder weiter: “Ohne entsprechende rechtliche Anpassungen wäre eine Massennutzung sicherlich nicht vorstellbar.” ag
Es ist ein bekanntes Muster: Sobald Nichtregierungsorganisationen wie Foodwatch den intensiven Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft kritisieren, bringt sich umgehend die Agrarindustrie um Bayer, Syngenta & Co. in Stellung. Doch statt zu den fatalen Folgen des Pestizideinsatzes für Umwelt und Artenvielfalt und der Mitverantwortung der Chemiekonzerne konstruktiv Stellung zu beziehen, säen die Unternehmen Zweifel an der Seriosität der NGOs. So auch unmittelbar nach der Veröffentlichung des Foodwatch-Reports zum Pestizideinsatz im Getreideanbau. “Panikmache”, “nicht vertrauenswürdig”, “unsachlich” – diese wenig überraschenden Vorwürfe kamen nicht nur von Martin Courbier, dem Geschäftsführer des Verbands “Der Agrarhandel” bei Table Media, sondern auch zum Beispiel bei Twitter von Vertretern der Agrarindustrie wie Bayer. Also von denen, die mit Ackergiften ihr Geld verdienen.
Schauen wir uns die Fakten aus dem Foodwatch-Report an: Jedes dritte Getreideprodukt in der EU ist mit Rückständen von Pestiziden belastet. Diese Zahl stammt aus der Datenbank der EU-Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA. Für alle nachvollziehbar veröffentlicht und per Download nachzulesen. Foodwatch hat dabei stets deutlich gemacht, dass nur bei wenigen der belasteten Proben die Höchstmengen überschritten werden. Wer jetzt jedoch – wie Bayer und Konsorten – beschwichtigt und die Kritik von Foodwatch als übertrieben abtut, verschweigt zwei entscheidende Aspekte:
Erstens werden bei der Festlegung der Grenzwerte die Wechselwirkung verschiedener Pestizide nicht berücksichtigt. Dieser “Cocktail-Effekt” ist seit Jahren Gegenstand von Debatten. Auch das Umweltbundesamt äußert im Zusammenhang mit dem Fund zahlreicher Pestizidrückstände im Urin von Kindern und Jugendlichen die Sorge, dass sich die Effekte von Stoffen mit ähnlichen Wirkmechanismen addieren können, “sodass in Summe eine kritische Belastung erreicht werden kann“.
Zweitens machen die Rückstandsdaten ein noch drängenderes Problem deutlich: Der Einsatz von Pestiziden im Getreideanbau ist allgegenwärtig und gefährdet die Artenvielfalt, das Grundwasser und die Bodenqualität. Nicht ohne Grund warnt die EU-Kommission, dass ohne die Reduktion des Pestizideinsatzes die Ernährungssicherheit bedroht sei.
Der Getreideanbau ist für rund die Hälfte aller Pestizidanwendungen in Europa verantwortlich. Gleichzeitig wäre es bei Getreide relativ schnell und einfach möglich, auf die Ackergifte zu verzichten. Das wäre ein Riesenschritt! Denn seit Jahren diskutiert die Politik über eine Pestizidreduktion – aber es passiert nichts. Vielmehr werden heute mehr Pestizide verspritzt als in den 1990er Jahren.
Statt über die Chancen einer pestizidfreien Landwirtschaft zu sprechen, betreibt die Industrie Panikmache und schürt Angst vor Lebensmittelknappheit. Wir erinnern uns: Bei der Diskussion um das Verbot von gefährlichen Neonicotinoiden warnte die Industrie vor Ertragsverlusten von bis zu 50 Prozent bei Mais. In den meisten EU-Ländern ist das nicht eingetreten. In Deutschland sind die Erträge laut Bundesamt für Statistik sogar gestiegen.
Ein pestizidfreier Getreideanbau wird von vielen Landwirten längst praktiziert, etwa durch Fruchtfolgen, den Anbau von Zwischenfrüchten und den Einsatz robuster Getreidesorten. Für Verbraucherinnen und Verbraucher wären pestizidfreies Brot und Co. – wenn überhaupt – nur wenige Cent teurer. Und Landwirtinnen und Landwirte müssen für einen pestizidfreien Anbau belohnt werden. In der Schweiz zum Beispiel fördert die Handelskette Migros in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Vereinigung für integrierte Produktion (IP Suisse). Landwirte werden für den zusätzlichen Arbeitsaufwand beim Jäten durch Prämien und Direktzahlungen entschädigt.
Die Supermärkte in Deutschland müssen nachziehen und ihre Marktmacht nutzen. Wenn Rewe, Aldi und Co. nur noch pestizidfreie Getreideprodukte in ihre Regale stellen, hätte das enorme Auswirkungen auf die Branche. Für Bayer, Syngenta und Co. würde ein riesiges Geschäftsfeld einbrechen. Für unsere Umwelt, die bedrohte Artenvielfalt, unsere Böden, unser Trinkwasser – sprich für unsere gesamte Lebensgrundlage – wäre es jedoch ein Segen!
Dr. Chris Methmann ist Geschäftsführer der Verbraucherorganisation Foodwatch, die sich aus Spenden finanziert. Der Verein kritisiert Praktiken der Lebensmittelwirtschaft, die er für verbraucherfeindlich hält.