eines der Versprechen, das die Ampelkoalition noch nicht eingelöst hat, ist eine “Tiergesundheitsstrategie”. Analog dazu soll laut Koalitionsvertrag eine Datenbank eingerichtet werden, die Veterinärämtern einen Überblick über die Gesundheit von Nutztieren gibt. Weil all das auf sich warten lässt, bekommt Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir Post von Tier- und Verbraucherschützern. Den Inhalt des offenen Briefes lesen Sie vorab bei uns und darüber hinaus, wie Branchenkenner den Nutzen einer zentralen Datenbank für ein Tiergesundheitsmonitoring bewerten.
Passend dazu stellen wir Ihnen die Bundestierschutzbeauftragte Ariane Kari im Portrait vor. Ihr Amt soll im Rahmen der Novelle des Tierschutzgesetzes gesetzlich verankert werden. Bislang war das nur im Koalitionsvertrag vereinbart. Unter der kommenden Regierung könnte es entsprechend wieder eine Bundesbeauftragte oder einen Bundesbeauftragten für den Tierschutz geben, wie meine Kollegin Amélie Günther schreibt.
Wenn ein Agrarprodukt in die EU importiert wird, ist genau festgelegt, welche Mengen von Pflanzenschutzmitteln nachweisbar sein dürfen. Für etwa 1.100 Pestizide gibt es laut Europäischer Kommission Höchstwerte. In der Vergangenheit ging es dabei ausschließlich darum, Gesundheitsrisiken vorzubeugen. Neuerdings bezieht die Brüsseler Behörde aber auch Umweltrisiken mit ein.
Besonders streng agierte die EU-Kommission bei mehreren Neonicotinoiden, einer Gruppe von Insektenschutzmitteln, die als schädlich für Bestäuber gelten und in der EU inzwischen nicht mehr angewandt werden dürfen. Im vergangenen Jahr entschied die Kommission, auch bei Importen keine Rückstände der Neonicotinoide Thiamethoxan und Clothianidin zuzulassen. Dabei verwies sie ausdrücklich auf deren schädliche Wirkung auf die Artenvielfalt.
Im Rahmen der Farm-to-Fork-Strategie hatte sich die Kommission vorgenommen, auch Umweltkriterien bei der Festlegung erlaubter Rückstände auf Importprodukten einzubeziehen. Genau das sehen aber Handelsverbände kritisch. In einem kürzlich veröffentlichten Positionspapier warnen die europäischen Handelsverbände COCERAL, Unistock Europe und EUROMALT davor, internationale Partner zu verprellen.
Denn im Gegensatz zu möglichen gesundheitlichen Risiken durch den Verzehr von Importware werde die Artenvielfalt nur im Herkunftsland geschädigt, argumentieren die Handelsvertreter. Einschränkungen seien deshalb handelspolitisch schwieriger zu rechtfertigen. Das könne “leicht zu Spannungen im Dialog mit Drittländern führen”, schreiben die Verbände.
Dass die EU sich in die Produktionsmethoden andernorts einmischt, rechtfertigt die Kommission damit, dass die Biodiversität ein globales Gut und insofern auch Europa von deren Schädigung betroffen sei. Die Verbände warnen aber, dass der Rechtsrahmen angepasst werden müsse, um für den Handel Klarheit zu schaffen.
Denn die entsprechende Verordnung von 2005 stamme noch aus der Zeit, bevor Umweltschutz stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt sei. Seither habe Brüssel es versäumt, rechtlich klare Kriterien zu schaffen, gleichzeitig aber politische Erwartungen geschürt. Die Verbände rufen dazu auf, über multilaterale Foren wie die Welthandelsorganisation (WTO) international abgestimmte Umweltstandards zu entwickeln.
Alle geltenden Vorschriften zum Thema seien vom EU-Parlament und den Mitgliedstaaten verabschiedet worden, “um den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt zu gewährleisten”, schreibt eine Sprecherin der Kommission auf Anfrage zur Kritik der Verbände. Auch Jutta Paulus, Grünen-Europaabgeordnete und Mitglied im Umweltausschuss, sieht die EU im Recht, solange sie auf Importe nur solche Regeln anwende, die auch im Inland gelten. “Was in der EU nicht verwendet werden darf, sollte auch bei Importen nicht erlaubt sein”, sagt sie Table.Media.
Nicht nur in Sachen Pestizidrückstände pochen Landwirte in Deutschland und Europa darauf, die vergleichsweise strengen Nachhaltigkeitsstandards, die sie einhalten müssen, auch auf Importware anzuwenden. Die Sorge über vermeintliche Wettbewerbsnachteile sind ein Thema der Bauernproteste in vielen EU-Ländern. Doch rechtlich ist es für Brüssel nahezu unmöglich, Drittländern – unabhängig von Vereinbarungen in Freihandelsabkommen – Vorgaben zu machen. Der Drahtseilakt zwischen dem internationalen Handel und dem Schutz der heimischen Erzeugung dürfte in der nächsten EU-Legislaturperiode eine zentrale Herausforderung bleiben.
Frau Stiem-Bhatia, warum sind gesunde Böden so wichtig fürs Klima?
Sie sind noch vor den Wäldern die größten CO₂-Speicher und wichtige Wasserspeicher. Das ist für die Klimaanpassung sehr wichtig. Denn die meisten Ackerflächen – in Deutschland und weltweit – werden nicht künstlich bewässert. Sie müssen also mit den natürlichen Niederschlägen auskommen. Ein gesunder Boden hilft Pflanzen, Dürreperioden zu überstehen, nimmt Wasser auf und stärkt so den Hochwasserschutz.
Zum Klimaschutz: Wie viel CO₂ ist in unseren Böden gespeichert?
Berechnungen aus dem Jahr 2017 kommen zu dem Schluss, dass insgesamt 680 Milliarden Tonnen CO₂ in den Böden und 560 Milliarden Tonnen in den Wäldern weltweit gespeichert sind. Modellrechnungen gehen davon aus, dass die Böden weltweit jährlich zwei bis fünf Milliarden weitere Tonnen CO₂ speichern können. Zum Vergleich: Weltweit betragen die CO₂-Emissionen derzeit etwa 57 Milliarden Tonnen.
Wie verlässlich sind solche Zahlen?
Böden sind ein sehr volatiler CO₂-Speicher, das muss man zugestehen. Sobald sich die Bewirtschaftungsmethoden ändern, aber auch durch Waldbrände oder Dürren, kann der Kohlenstoff sehr schnell wieder aus der Erde entweichen.
Und wie ist die Situation im Moment? Wird mehr CO₂ aus den Böden freigesetzt oder mehr gespeichert?
Es gibt keine Messungen, die ausreichend exakt und umfassend wären, um das weltweit zu bilanzieren. Ob ein Boden CO₂ freisetzt oder speichert, hängt von sehr vielen Faktoren ab. Nehmen Sie zum Beispiel die Moore in Deutschland: Sie sind zu einem sehr großen Teil entwässert und geben deshalb CO₂ ab. Aber wenn man Moore wiedervernässt, werden sie wieder zur CO₂-Senke.
Gesunde Böden tragen zum Hochwasserschutz bei. Hat das in der Überschwemmungskatastrophe dieses Winters geholfen?
Das war regional sehr unterschiedlich. Wir haben in Deutschland sehr viele natürliche Überflutungsflächen bebaut und versiegelt. Versiegelte Böden können praktisch kein Wasser aufnehmen. Trotzdem werden in Deutschland nach wie vor jeden Tag 55 Hektar Boden für Siedlungen und Verkehr umgewidmet. Wir sind weit vom Ziel der Regierung entfernt, das auf 30 Hektar bis 2030 und bis 2050 auf Netto-Null zu reduzieren. Diese Bodenpolitik ist ein Problem. Außerdem degradiert unsere intensive Landwirtschaft, die schwere Maschinen, übermäßig Mineraldünger und Pestizide nutzt, die Böden. Das verringert die Aufnahmefähigkeit für Wasser und behindert den wichtigen Humus-Aufbau.
Wie könnte die Politik eine Landwirtschaft honorieren, die den Humus im Boden erhält?
Die EU-Zahlungen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) müssten stärker an die Schonung des Bodens oder den Humus-Gehalt gekoppelt werden. Generell müsste der Ökolandbau finanziell viel stärker unterstützt werden, damit es sich für die Bauern und Bäuerinnen lohnt, umzusteigen und in den Bodenschutz zu investieren. Letztlich erbringen sie dadurch ja auch eine Leistung für die ganze Gesellschaft.
Es gibt handelbare Zertifikate, die den Aufbau von Humus im Boden honorieren, ähnlich wie beim Emissionshandel. Was halten Sie davon?
Diese Boden-Zertifikate werden nicht von Behörden ausgegeben, sondern von privaten Institutionen. So wie sie derzeit konzipiert sind, sind sie problematisch für die Bauern und Bäuerinnen, für den Klimaschutz, für die Menschenrechte. Sie sind oft so billig, dass sie für Bauern und Bäuerinnen keine nennenswerte Einkommensalternative und kaum ein Anreiz für eine bodenschonende Landwirtschaft sind.
Was sind aus Ihrer Sicht die Probleme für den Klimaschutz?
Ich sehe drei Schwierigkeiten: Zunächst kann der Handel mit billigen Zertifikaten leicht dazu führen, dass Unternehmen sich vom Klimaschutz freikaufen. Sie erwerben Zertifikate und gleichen ihren Treibhausgasausstoß dadurch rechnerisch aus, statt ihre Emissionen tatsächlich zu senken. Daneben stellt sich die Frage, wie lange der Humus – und mit ihm das CO₂ – im Boden bleibt. Sobald ein Hof von der nachhaltigen Bewirtschaftung zurückgeht auf Monokulturen oder einen hohen Pestizid-Einsatz, kann der Humus-Gehalt im Boden wieder sehr schnell sinken. Dann wird auch das im Boden gespeicherte CO₂ wieder freigesetzt. Und es gibt die Gefahr von “Leakage”: Ein Hof bewirtschaftet eine bestimmte Fläche nachhaltig und erhält dafür Zertifikate – aber womöglich setzt er auf dem Nachbarfeld im Gegenzug umso stärker auf intensive Landwirtschaft. Er bekäme Zertifikate, auch wenn in der Summe der Humus-Gehalt seiner Böden gleich bliebe.
Und welche Menschenrechtsprobleme sehen Sie?
Es gab Fälle im Globalen Süden, in denen Menschen von Land vertrieben wurden, das sie seit Generationen bewirtschaften, um dort einen Zertifikatehandel zu ermöglichen. Zudem können solche Zertifikate Genderungerechtigkeiten verstärken. Denn in vielen Ländern sind Landbesitzende vorrangig Männer, und so profitieren Frauen selten von etwaigen Kompensationszahlungen. Es ist wichtig, dass der Zertifikatehandel einen menschenrechtsbasierten Ansatz verfolgt.
Land ist knapp, und für den Klimaschutz werden künftig weite Flächen als Senken benötigt. Wie groß sind diese Flächen?
Fast alle nationalen Klimaschutzverpflichtungen innerhalb der UNFCCC beziehen Maßnahmen zum naturbasierten Klimaschutz mit ein, also zur CO₂-Speicherung in Böden und Wäldern. Zählt man sie alle zusammen, kommt man auf einen Flächenbedarf von 1,2 Milliarden Hektar. Das ist etwa die dreifache Fläche der EU. Um dem Netto-Null-Ziel näherzukommen, müsste man auf etwa 630 Millionen Hektar die Art der Landnutzung ändern, also zum Beispiel Ackerflächen aufforsten. Aber das ist kein leeres Land. Dort leben Menschen, und die Äcker sind ihre Lebensgrundlage.
Gibt es überhaupt genügend Fläche für die Anforderungen von Klimaschutz, Naturschutz und Ernährungssicherheit?
Die verschiedenen Anforderungen widersprechen sich ja nicht zwangsläufig. Eine bodenschonende Landwirtschaft beispielsweise speichert mehr CO₂ im Boden, stärkt die Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Klimawandel, kommt dem Naturschutz zugute, und kann Einkommen durch Diversifizierung von Anbaufrüchten steigern. Biodiversität, Klimaschutz und Ernährungssicherheit gehen also durchaus zusammen. Ob sie vereinbar sind, hängt letztlich sehr stark von der Art der Landwirtschaft ab, die man betreibt.
Wie realistisch ist es dann, die Böden in so großem Ausmaß als CO₂-Senke in die nationalen Klimaschutzziele mit einzuberechnen?
Die Böden mögen knapp sein. Aber wir brauchen sie für den Klimaschutz. Selbst, wenn es uns gelingt, so schnell wie möglich aus den fossilen Energien auszusteigen – um unsere Klimaziele einzuhalten, sind wir auf die Speicherung von CO₂ durch die Natur angewiesen. Gesündere Böden sichern langfristig landwirtschaftliche Erträge und ermöglichen auch noch eine bessere Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels. Es spricht also alles dafür, sie besser zu schützen.
Larissa Stiem-Bhatia leitet beim TMG Think Tank for Sustainability das Programm für naturbasierte Lösungen. Sie ist Autorin des jüngst erschienen, gemeinsam vom BUND, der Heinrich-Böll-Stiftung und TMG herausgegebenen Bodenatlas 2024.
Im aktuellen Entwurf für ein novelliertes Bundestierschutzgesetz fehle “eine klare gesetzliche Grundlage für eine tiergesundheitsbezogene Datenbank”, monieren Tier- und Verbraucherschützer in einem offenen Brief an den Minister, der Table.Media vorab vorliegt. “Krankheiten und Verletzungen von Nutztieren müssen auf jedem Hof erfasst werden. Betriebe mit guten Gesundheitsdaten müssen belohnt, solche, die schlecht abschneiden, entsprechend sanktioniert werden”, fordert Mitunterzeichner Foodwatch. Das Ampel-Bündnis hatte im Koalitionsvertrag vereinbart, sowohl eine “Tiergesundheitsstrategie” als auch eine “Datenbank” zu etablieren.
Aber: Dort, wo Schlachtkörper entsorgt werden, nämlich in der Tierkörper-Beseitigungsanlage, gebe es bislang gar kein Gesundheitsmonitoring, bemängelt Kai Braunmiller, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft Fleischhygiene, Tierschutz und Verbraucherschutz. Der Dienststellenleiter des Veterinäramts in Bayreuth hat den offenen Brief ebenfalls unterzeichnet. “Eine Videoüberwachung, um die Sterblichkeit in den einzelnen Betrieben zu analysieren, wäre hilfreich für die Beteiligten”, sagt er zu Table.Media.
Braunmiller schwebt eine Erweiterung der zentralen staatlichen Datenbank HI-Tier vor, in der abweichende Daten aus Schlachthöfen und Tierkörper-Beseitigungsanlagen bundesweit zusammenfließen und den zuständigen Veterinärämtern einen Überblick über die Tiergesundheit geben können. “Das würde den Tierschutz immens vorwärtsbringen”, meint der Veterinär. Denn: “Wir stellen bei der Schlachtdatenauswertung immer noch fest, dass rund drei Prozent der Tiere stärker leiden mussten, als der Durchschnitt der gehaltenen Tiere in Deutschland. Tote Tiere aus der Tierkörper-Beseitigungsanlage umfasst das aber noch gar nicht”, sagt Braunmiller.
Bedenken äußert Schweinemäster Peter Seeger aus Hessen: “Die Beurteilung von Schlachtkörpern durch Veterinäre fällt sehr unterschiedlich aus.” Entsprechend ließe sich weder die Beurteilung verschiedener Tierärzte innerhalb eines Unternehmens, noch die Auswertung verschiedener Schlachtfirmen untereinander, miteinander vergleichen. Zwar bestätigt Braunmiller diese Erkenntnis, hat aber zugleich eine Lösung parat: “Durch den Datenvergleich verschiedener Schlachtunternehmen und Schulungen der verantwortlichen Mitarbeiter konnten wir die Ergebnisse wesentlich verbessern.”
An dem Plan, eine Datenbank zur Tiergesundheit zu etablieren, hält das Bundeslandwirtschaftsministerium fest, bestätigt ein Sprecher. Es sei aber nicht vorgesehen, dies im Tierschutzgesetz festzuhalten. has
Die Europäische Kommission hat ihren Vorschlag für die Verlängerung des zollfreien Handels mit der Ukraine zu spät vorgelegt, kritisieren Abgeordneten des Ausschusses für internationalen Handel des EU-Parlaments (INTA). Die bestehenden Maßnahmen zur Handelsliberalisierung laufen Anfang Juni aus. Dass die Brüsseler Behörde ihren Vorschlag erst Ende Januar vorgelegt hat, sei “unverständlich“, sagte der Ausschussvorsitzende Bernd Lange (SPD) während einer Sitzung am Montagnachmittag. Parlament und Mitgliedstaaten müssen dem Vorschlag noch zustimmen.
Vor dem Ausschuss rief Léon Delvaux, stellvertretender Direktor in der Handelsabteilung der Kommission, dazu auf, dies rasch zu tun, um die lückenlose Verlängerung zu gewährleisten. Bereits bei seiner nächsten Sitzung am 7. März muss der Ausschuss über den Text abstimmen, um die Verabschiedung noch vor der EU-Wahl zu ermöglichen. Die Abgeordneten fühlen sich unter Druck gesetzt. “Sie haben diesen Vorschlag in allerletzter Minute vorgelegt und drohen uns jetzt mit dem Auslaufen der Handelsmaßnahmen”, beschuldigte Langes polnischer Parteikollege Manuel Belka die Kommission.
Bisher scheint es tatsächlich so, als könnte der knappe Zeitplan dazu beitragen, dass der Vorschlag ohne größere Änderungen durchs Parlament geht. Die Berichterstatterin des Parlaments für das Dossier, die EVP-Abgeordnete Sandra Kalniete, schlug vor, den Kommissionstext einfach zu übernehmen, was im EU-Parlament selten vorkommt. “Wir können uns einfach keine Verzögerungen erlauben“, argumentierte sie. Schließlich seien die Maßnahmen zur Unterstützung der Ukraine essenziell. Inhaltlich ist der Vorschlag besonders wegen der ukrainischen Agrarimporte in die EU umstritten.
Die Kommission hatte vorgeschlagen, den zoll- und quotenfreien Handel mit der Ukraine um ein Jahr zu verlängern. Sie sieht aber Schutzmechanismen vor, um die negativen Folgen für heimische Erzeuger zu minimieren. Aus Sicht von Bauernvertretern geht das nicht weit genug. Werde der Vorschlag in seiner jetzigen Form angenommen, “wäre die wirtschaftliche Nachhaltigkeit der Sektoren Geflügel, Eier, Zucker, Getreide und Honig in der EU gefährdet”, warnten sechs europäische Landwirtschaftsverbände vergangene Woche in einem Statement. Widerstand kommt auch aus dem Agrarausschuss, der an dem Dossier allerdings nur beratend mitwirkt. jd
Deutschland wendet nur einen geringen Anteil der EU-Agrarförderung dafür auf, landwirtschaftliche Betriebe wettbewerbsfähig zu machen. Im europäischen Vergleich schneidet nur Irland noch schlechter ab. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie im Auftrag des Agrarausschusses im Europäischen Parlament. Demnach fließen in der Bundesrepublik acht Prozent des GAP-Budgets in die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, im EU-Durchschnitt sind es dagegen rund 20 Prozent. Länder wie Polen oder Italien nutzen ein Drittel der Gelder hierfür.
Maßgeblich für die große Bandbreite bei der Förderung ist die unterschiedlich starke Nutzung von Fördergeldern, die an die Produktionsmenge geknüpft sind. Im Gegensatz zu den Flächenprämien seien diese gekoppelten Zahlungen explizit dafür vorgesehen, die Wettbewerbsfähigkeit von Betrieben zu verbessern oder Defizite zu kompensieren, sagt Studienmitautor Arndt Münch vom Österreichischen Institut für Raumplanung.
Bis zu 15 Prozent der Direktzahlungen können Mitgliedstaaten als gekoppelte Zahlungen an wirtschaftlich, gesellschaftlich oder ökologisch besonders wichtige Sektoren vergeben. Deutschland vergibt aber nur zwei Prozent als gekoppelte Prämien für Mutterschafe, Ziegen und Mutterkühe.
Dass Deutschland dies kaum nutze, habe aber gute Gründe, sagt Agrarökonom Sebastian Lakner von der Universität Rostock. Andernfalls würden nicht wettbewerbsfähige Betriebe künstlich auf dem Markt gehalten. Der Wissenschaftler empfiehlt, den Prozentsatz für gekoppelte Zahlungen EU-weit zu senken. Aktuell führe die unterschiedliche Umsetzung in den Mitgliedstaaten zu Wettbewerbsverzerrungen auf dem Binnenmarkt.
Zielgerichteter wirke die finanzielle Unterstützung im Rahmen der zweiten Säule, meint Studienautor Münch. Die zweite Säule der GAP umfasst Förderprogramme für nachhaltige und umweltschonende Bewirtschaftung und ländliche Entwicklung. Zu den Maßnahmen für mehr Wettbewerbsfähigkeit gehören hier beispielsweise die Förderung von Investitionen, Wissenstransfer und Kooperationen, aber auch Starthilfen für Jungbauern oder Quereinsteiger.
Auch bei der Investitionsförderung fällt Deutschland hinter viele Länder zurück und steht an fünftletzter Stelle. Das Finanzvolumen für die Förderung von Investitionen entspricht rund drei Prozent des GAP-Budgets. Im EU-Durchschnitt sind es rund vier Prozent, einzelne Länder wie Polen oder Ungarn geben mehr als zehn Prozent aus.
Die Studienautoren empfehlen: Für die Zukunft müsse die EU auf ein Konzept der “nachhaltigen Wettbewerbsfähigkeit” hinarbeiten. Ein Weg könne sein, Gemeinwohlleistungen wie Umweltschutz finanziell besser zu entlohnen. jd
Die Frage der globalen Ernährungssicherheit und das Thema Entwicklungszusammenarbeit kamen bei der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) am Wochenende kaum zur Sprache. Die norwegische Entwicklungshilfeministerin Anne Beathe Tvinvereim sieht das kritisch.
Direkt vom Gipfel der Afrikanischen Union (AU) in Adis Adeba reiste sie am Wochenende in die bayerische Landeshauptstadt – und war erstaunt darüber, wie die Diskussionen der Vertreter westlicher Industriemächte denen in vielen afrikanischen Staaten hinterherhinkten. “Ernährungssicherheit ist für uns eine Frage nationaler Sicherheit”, habe ihr ein Landwirtschaftsminister in Äthiopien gesagt, das sei für sie ein Augenöffner gewesen.
Doch Tvinnereim sieht auch Fortschritte. Noch vor einem Jahr habe etwa Ernährungssicherheit auf der MSC weitaus weniger Aufmerksamkeit erlangt als auf der Jubiläumskonferenz. So schafften es am ersten Tag die Panels “Ernährungsintelligenz: Lebensmittelunsicherheit als Vorhersageindikator” und “High von ihrem eigenen Angebot: Großmächtewettbewerb und Lieferkettenabhängigkeiten” ins Hauptprogramm.
Die Staaten des globalen Südens einzubeziehen und über das transatlantische Verhältnis hinauszuschauen, das noch die letzten Jahrzehnte in München geprägt hat, sei den Veranstaltern gelungen, sagen Vertreter von Weltbank und Welternährungsprogramm, mit denen Table.Media auf der Konferenz sprach. Mads Christensen, Generalsekretär von Greenpeace sieht es kritischer: “Es wird viel über klassische Themen geredet, und wenig über Ernährungs- und andere Formen menschlicher Sicherheit. Dabei müsste inzwischen doch allen klar sein, dass der Klimawandel eine Sicherheitsfrage ist.” mrb
Um den Wandel der globalen Agrar- und Ernährungssysteme besser zu verstehen und wissenschaftlich fundierte Informationen für die daraus resultierenden gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen aufzubereiten, hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) ein neues, 18-köpfiges Gremium eingerichtet: die Ständige Senatskommission Transformation von Agrar- und Ernährungssystemen. Den Vorsitz übernimmt die Agrarbiologin Doris Vetterlein vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Halle (Saale).
Es gehe um eine wissenschaftsbasierte und fachübergreifende Beratung, sagt Vetterlein. Der Schwerpunkt liege auf kontrovers diskutierten Themen, sich neu entwickelnden Fragestellungen oder auch auf der Bewertung des Potenzials und Risikos technischer Innovationen. Die Kommission werde künftig Positionspapiere erarbeiten und die DFG bei einschlägigen Diskussionen und Anhörungen vertreten.
“Die bisher national eingerichteten Gremien und Institutionen decken überwiegend nur einen bestimmten Teilbereich der Landwirtschaft ab und sind zudem häufig weisungsgebunden”, sagt DFG-Präsidentin Katja Becker. Diese Lücke wolle man schließen. Die Kommission solle “auf rein grundlagenwissenschaftlichen Erkenntnissen basierend agieren und die Agrar- und Ernährungssysteme in ihrer Gesamtheit berücksichtigen”.
Drei Themenschwerpunkte hat sich die Senatskommission zunächst gesetzt: Wege zur Ernährungssicherung im Rahmen der planetaren Grenzen, Wege zur Diversifizierung im Anbau von Kulturpflanzen sowie Wege zur gesellschaftlichen Transformation der Produktion und des Konsums von Fleisch und tierischen Produkten. Die konstituierende Sitzung der Senatskommission findet Ende April statt.
Neben den 18 wissenschaftlichen Mitgliedern gehören der Kommission Gäste aus Bundesministerien und -ämtern sowie der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina an. Die erste Mandatsperiode der Kommission dauert sechs Jahre, ihre Mitglieder werden zunächst für drei Jahre berufen. Mit dem neuen Gremium hat die DFG nun sieben Ständige Senatskommissionen. abg
20.02.- 22.02.2024 / Augsburg
Fachmesse RegioAgrar Bayern 2024
Die Messe RegioAgrar Bayern in Augsburg ist eine Landwirtschaftsmesse und regionale Fachmesse für landwirtschaftliche Produktion, Handel und Management. INFO
21.02.2024 – 16.00 – 18.00 Uhr / Hotel Aquino, Hannoversche Straße 5b, 10115 Berlin-Mitte
Podiumsdiskussion Bodenforum 2024: Agrarstrukturgesetze – Jetzt oder nie!
mit Wolfram Günther, Sächsischer Landwirtschaftsminister (Bündnis 90/Die Grünen)
Susanna Karawanskij, Thüringer Landwirtschaftsministerin (Die Linke)
Prof. Dr. José Martínez, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Landwirtschaftsrecht, Universität Göttingen
Hans-Jürgen Thies (MdB), Bodenmarktpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag ANMELDUNG
26.02.2024 / Brüssel
Tagung Rat für Landwirtschaft und Fischerei der Europäischen Union
Schnelle und strukturelle Antworten auf die Krisensituation im Agrarsektor: Auf der Grundlage von Informationen der belgischen Ratspräsidentschaft und der Europäischen Kommission werden die Minister einen Meinungsaustausch darüber führen, wie rasche und strukturelle Antworten auf die derzeitige Krise des Agrarsektors gewährleistet werden können. INFO
27.02. – 28.02.2024 – 9.00 – 17.00 Uhr / Stuttgart
44. Jahrestagung der Gesellschaft für Informatik in der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft e.V. Biodiversität fördern durch digitale Landwirtschaft – Welchen Beitrag leisten KI und Co?
Die Tagung bietet ein jährliches Forum für aktuelle Themen aus den Forschungsbereichen der Agrar- und Lebensmittelinformatik, einen schnellen und kompetenten Überblick über neue Entwicklungen der Informatik im Kontext der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft und spannende Diskussionen zu den neuesten wissenschaftlichen Ergebnissen und Praxiserfahrungen. INFO
27.02. – 29.02.2024 / Bonn
28. Internationale Bioland-Geflügeltagung Wertschätzung wieder in Wertschöpfung verwandeln
Die Fachtagung bietet aktuelle Informationen aus der Wissenschaft und dem Marktgeschehen, drei spannende Exkursionen zu Praxisbetrieben und ist die Gelegenheit für Vernetzung und Austausch. INFO
28.02. – 01.03.2024 / Stuttgart
Messe New Food Festival
Unter dem Motto “Die Zukunft ist jetzt” bietet die fünfte internationale Konferenz und Messe mit Keynotes, Talkpanels, Pitches, Break out Sessions und Roundtables wieder ganz viel Inspiration, Networking, Fachwissen und Erfahrungsaustausch zu Startups und Innovationen aus dem Lebensmittel-, Agrar-, Gastronomie- und Handelsbereich entlang der gesamten Nahrungsmittelwertkette. INFO
05.03.- 08.03.2024 / Justus-Liebig-Universität Gießen
17. Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau Landwirtschaft und Ernährung – Transformation macht nur gemeinsam Sinn” INFO & PROGRAMM
Der Tierschutz lag Ariane Kari schon immer am Herzen. Besonders prägend war für die gebürtige Pforzheimerin eine Situation während ihres Veterinärstudiums, in der sich eine hochträchtige Kuh in einen Stacheldrahtzaun auf der Weide verwickelte und verstarb. Da die Kuh ein Kalb erwartete, hatte man sie nicht erlösen wollen, gleichzeitig aus Kostengründen nicht ordentlich mit Schmerzmitteln abgedeckt. An diese Kuh denke sie noch regelmäßig, sagt Kari.
Nach ihrem Studium arbeitet sie zunächst als Veterinärin und erwarb dann die Zusatzqualifikation Tierschutz. Zuletzt wurde sie stellvertretende Tierschutzbeauftragte in Baden-Württemberg. In ihrer neu geschaffenen Position berät sie die Regierung zu Fragestellungen und Gesetzesvorhaben im Tierschutzbereich und setzt sich für einen besseren Austausch zwischen Bund, Ländern und Verbänden ein.
Kari ist eine Frau vom Fach. Sie besetzt ein kleines Büro im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in Berlin-Mitte. In ihrer Geschäftsstelle sind vier Mitarbeiterinnen beschäftigt, darunter eine Juristin und eine tierärztliche Referentin.
“Ich betrachte Tiere als Mitgeschöpfe auf Augenhöhe”, sagt Kari. Seit das Staatsziel Tierschutz 2002 im Grundgesetz verankert wurde, sind die Rechte der Tiere grundsätzlich gleichwertig mit anderen Verfassungsgütern wie den Grundrechten zu behandeln, die allen Menschen in Deutschland zustehen. Doch seither sei noch zu wenig passiert, beklagt sie. Kari ist der Überzeugung, dass der Fleischkonsum reduziert werden muss, “nicht nur aus tierethischen Gründen, auch für den Umweltschutz.” Doch sie ist optimistisch: “Die Menschen essen bereits weniger Fleisch, das zeigen alle Statistiken. Die gesellschaftliche Veränderung ist also bereits in vollem Gang.”
Oftmals führe Unwissen dazu, dass sowohl Tierhalter als auch Verbraucher tierische Bedürfnisse nicht erkennen und den Eigenwert der Tiere nicht sehen. Mit Aufklärungsarbeit will sie beispielsweise über die sozialen Medien den Zusammenhang zwischen Milch trinken, Käse und Fleisch essen erklären: “Jede Milchkuh gebärt pro Jahr ein Kalb. Was passiert mit den männlichen Kälbern? Was passiert mit der Milchkuh am Ende ihrer Lebenszeit? Wenn man Milch konsumiert und Käse isst, kurbelt man indirekt die Fleischproduktion an.”
In ihrer Arbeit bringt sich Kari in laufenden Rechtssetzungsverfahren ein, wie der Erneuerung des Tierschutzgesetzes. Sie plädiert für mehr Platz und andere Bodenstrukturen für Nutztiere und will die Haltungsbedingungen so verbessern, dass keine Tieramputationen mehr notwendig sind. Laut dem jüngsten Entwurf sollen zwar gewisse Eingriffe, wie das Kürzen der Ringelschwänze von Ferkeln und der Schnäbel von Puten, weiterhin aus wirtschaftlichen Gründen erlaubt sein. Durchsetzen konnte Kari ihr Anliegen zum Teil dennoch: So sollen die Anbindehaltung und das Schwänzekürzen bei Lämmern und Kälbern künftig gänzlich verboten werden.
Auch die Einführung einer Tierwohlabgabe, wie sie vom BMEL vorgeschlagen wurde, wird Kari fachlich begleiten. Ihr ist es wichtig, dass dieses Geld auch an die Landwirte geht, die tatsächlich den Weg zu mehr Tierwohl gehen.
Das Amt der Tierschutzbeauftragten ist zwar formell am BMEL angegliedert, in ihrer Arbeit ist Kari allerdings an kein Ministerium gebunden und politisch neutral. Nach ihrer Ernennung gab es Kritik, ob dieses neue Amt überhaupt notwendig sei – im BMEL gibt es bereits Abteilungen, die für die Themen Tiergesundheit und Tierschutz zuständig sind. “Es gab diese unabhängige Stimme für die Tiere auf Bundesebene bislang nicht”, sagt Kari dazu. Wenn es nach ihr ginge, sollten auch andere Bundesländer und die Europäische Union eigene Tierschutzbeauftragte einführen.
Die gesellschaftliche Resonanz, auf die sie stößt, sei fast durchweg positiv. Täglich erreichen sie Anfragen von Bürgern, Tierschutz- und Tierhalterorganisationen, die sie um Auskunft bitten oder auf Missstände in der Nutz- und Heimtierhaltung aufmerksam machen. “Das zeigt mir, dass Tierschutz mitten in der Gesellschaft angekommen ist”, sagt Kari.
Mit der Erneuerung des Tierschutzgesetzes, die in dieser Legislaturperiode erfolgen soll, wird das Amt der Bundestierschutzbeauftragten gesetzlich verankert. Bislang war es nur im Koalitionsvertrag vereinbart. So könnte Kari – unter der Voraussetzung, dass sie auch unter einer neu gewählten Koalition als Tierschutzbeauftragte ernannt wird – auch nach der Bundestagswahl 2025 im Amt bleiben. Für die Zukunft wünscht sie sich, dass die Haltungsbedingungen – sowohl für Heim- als auch für Nutztiere – stets an die Bedürfnisse der Tiere angepasst werden, und nicht umgekehrt. Innerhalb der EU könnte Deutschland eine Vorbildfunktion einnehmen: “Wenn man in Deutschland die Tierschutzstandards erhöht, werden sich auch andere Länder ein Beispiel daran nehmen.” Amélie Günther
eines der Versprechen, das die Ampelkoalition noch nicht eingelöst hat, ist eine “Tiergesundheitsstrategie”. Analog dazu soll laut Koalitionsvertrag eine Datenbank eingerichtet werden, die Veterinärämtern einen Überblick über die Gesundheit von Nutztieren gibt. Weil all das auf sich warten lässt, bekommt Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir Post von Tier- und Verbraucherschützern. Den Inhalt des offenen Briefes lesen Sie vorab bei uns und darüber hinaus, wie Branchenkenner den Nutzen einer zentralen Datenbank für ein Tiergesundheitsmonitoring bewerten.
Passend dazu stellen wir Ihnen die Bundestierschutzbeauftragte Ariane Kari im Portrait vor. Ihr Amt soll im Rahmen der Novelle des Tierschutzgesetzes gesetzlich verankert werden. Bislang war das nur im Koalitionsvertrag vereinbart. Unter der kommenden Regierung könnte es entsprechend wieder eine Bundesbeauftragte oder einen Bundesbeauftragten für den Tierschutz geben, wie meine Kollegin Amélie Günther schreibt.
Wenn ein Agrarprodukt in die EU importiert wird, ist genau festgelegt, welche Mengen von Pflanzenschutzmitteln nachweisbar sein dürfen. Für etwa 1.100 Pestizide gibt es laut Europäischer Kommission Höchstwerte. In der Vergangenheit ging es dabei ausschließlich darum, Gesundheitsrisiken vorzubeugen. Neuerdings bezieht die Brüsseler Behörde aber auch Umweltrisiken mit ein.
Besonders streng agierte die EU-Kommission bei mehreren Neonicotinoiden, einer Gruppe von Insektenschutzmitteln, die als schädlich für Bestäuber gelten und in der EU inzwischen nicht mehr angewandt werden dürfen. Im vergangenen Jahr entschied die Kommission, auch bei Importen keine Rückstände der Neonicotinoide Thiamethoxan und Clothianidin zuzulassen. Dabei verwies sie ausdrücklich auf deren schädliche Wirkung auf die Artenvielfalt.
Im Rahmen der Farm-to-Fork-Strategie hatte sich die Kommission vorgenommen, auch Umweltkriterien bei der Festlegung erlaubter Rückstände auf Importprodukten einzubeziehen. Genau das sehen aber Handelsverbände kritisch. In einem kürzlich veröffentlichten Positionspapier warnen die europäischen Handelsverbände COCERAL, Unistock Europe und EUROMALT davor, internationale Partner zu verprellen.
Denn im Gegensatz zu möglichen gesundheitlichen Risiken durch den Verzehr von Importware werde die Artenvielfalt nur im Herkunftsland geschädigt, argumentieren die Handelsvertreter. Einschränkungen seien deshalb handelspolitisch schwieriger zu rechtfertigen. Das könne “leicht zu Spannungen im Dialog mit Drittländern führen”, schreiben die Verbände.
Dass die EU sich in die Produktionsmethoden andernorts einmischt, rechtfertigt die Kommission damit, dass die Biodiversität ein globales Gut und insofern auch Europa von deren Schädigung betroffen sei. Die Verbände warnen aber, dass der Rechtsrahmen angepasst werden müsse, um für den Handel Klarheit zu schaffen.
Denn die entsprechende Verordnung von 2005 stamme noch aus der Zeit, bevor Umweltschutz stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt sei. Seither habe Brüssel es versäumt, rechtlich klare Kriterien zu schaffen, gleichzeitig aber politische Erwartungen geschürt. Die Verbände rufen dazu auf, über multilaterale Foren wie die Welthandelsorganisation (WTO) international abgestimmte Umweltstandards zu entwickeln.
Alle geltenden Vorschriften zum Thema seien vom EU-Parlament und den Mitgliedstaaten verabschiedet worden, “um den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt zu gewährleisten”, schreibt eine Sprecherin der Kommission auf Anfrage zur Kritik der Verbände. Auch Jutta Paulus, Grünen-Europaabgeordnete und Mitglied im Umweltausschuss, sieht die EU im Recht, solange sie auf Importe nur solche Regeln anwende, die auch im Inland gelten. “Was in der EU nicht verwendet werden darf, sollte auch bei Importen nicht erlaubt sein”, sagt sie Table.Media.
Nicht nur in Sachen Pestizidrückstände pochen Landwirte in Deutschland und Europa darauf, die vergleichsweise strengen Nachhaltigkeitsstandards, die sie einhalten müssen, auch auf Importware anzuwenden. Die Sorge über vermeintliche Wettbewerbsnachteile sind ein Thema der Bauernproteste in vielen EU-Ländern. Doch rechtlich ist es für Brüssel nahezu unmöglich, Drittländern – unabhängig von Vereinbarungen in Freihandelsabkommen – Vorgaben zu machen. Der Drahtseilakt zwischen dem internationalen Handel und dem Schutz der heimischen Erzeugung dürfte in der nächsten EU-Legislaturperiode eine zentrale Herausforderung bleiben.
Frau Stiem-Bhatia, warum sind gesunde Böden so wichtig fürs Klima?
Sie sind noch vor den Wäldern die größten CO₂-Speicher und wichtige Wasserspeicher. Das ist für die Klimaanpassung sehr wichtig. Denn die meisten Ackerflächen – in Deutschland und weltweit – werden nicht künstlich bewässert. Sie müssen also mit den natürlichen Niederschlägen auskommen. Ein gesunder Boden hilft Pflanzen, Dürreperioden zu überstehen, nimmt Wasser auf und stärkt so den Hochwasserschutz.
Zum Klimaschutz: Wie viel CO₂ ist in unseren Böden gespeichert?
Berechnungen aus dem Jahr 2017 kommen zu dem Schluss, dass insgesamt 680 Milliarden Tonnen CO₂ in den Böden und 560 Milliarden Tonnen in den Wäldern weltweit gespeichert sind. Modellrechnungen gehen davon aus, dass die Böden weltweit jährlich zwei bis fünf Milliarden weitere Tonnen CO₂ speichern können. Zum Vergleich: Weltweit betragen die CO₂-Emissionen derzeit etwa 57 Milliarden Tonnen.
Wie verlässlich sind solche Zahlen?
Böden sind ein sehr volatiler CO₂-Speicher, das muss man zugestehen. Sobald sich die Bewirtschaftungsmethoden ändern, aber auch durch Waldbrände oder Dürren, kann der Kohlenstoff sehr schnell wieder aus der Erde entweichen.
Und wie ist die Situation im Moment? Wird mehr CO₂ aus den Böden freigesetzt oder mehr gespeichert?
Es gibt keine Messungen, die ausreichend exakt und umfassend wären, um das weltweit zu bilanzieren. Ob ein Boden CO₂ freisetzt oder speichert, hängt von sehr vielen Faktoren ab. Nehmen Sie zum Beispiel die Moore in Deutschland: Sie sind zu einem sehr großen Teil entwässert und geben deshalb CO₂ ab. Aber wenn man Moore wiedervernässt, werden sie wieder zur CO₂-Senke.
Gesunde Böden tragen zum Hochwasserschutz bei. Hat das in der Überschwemmungskatastrophe dieses Winters geholfen?
Das war regional sehr unterschiedlich. Wir haben in Deutschland sehr viele natürliche Überflutungsflächen bebaut und versiegelt. Versiegelte Böden können praktisch kein Wasser aufnehmen. Trotzdem werden in Deutschland nach wie vor jeden Tag 55 Hektar Boden für Siedlungen und Verkehr umgewidmet. Wir sind weit vom Ziel der Regierung entfernt, das auf 30 Hektar bis 2030 und bis 2050 auf Netto-Null zu reduzieren. Diese Bodenpolitik ist ein Problem. Außerdem degradiert unsere intensive Landwirtschaft, die schwere Maschinen, übermäßig Mineraldünger und Pestizide nutzt, die Böden. Das verringert die Aufnahmefähigkeit für Wasser und behindert den wichtigen Humus-Aufbau.
Wie könnte die Politik eine Landwirtschaft honorieren, die den Humus im Boden erhält?
Die EU-Zahlungen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) müssten stärker an die Schonung des Bodens oder den Humus-Gehalt gekoppelt werden. Generell müsste der Ökolandbau finanziell viel stärker unterstützt werden, damit es sich für die Bauern und Bäuerinnen lohnt, umzusteigen und in den Bodenschutz zu investieren. Letztlich erbringen sie dadurch ja auch eine Leistung für die ganze Gesellschaft.
Es gibt handelbare Zertifikate, die den Aufbau von Humus im Boden honorieren, ähnlich wie beim Emissionshandel. Was halten Sie davon?
Diese Boden-Zertifikate werden nicht von Behörden ausgegeben, sondern von privaten Institutionen. So wie sie derzeit konzipiert sind, sind sie problematisch für die Bauern und Bäuerinnen, für den Klimaschutz, für die Menschenrechte. Sie sind oft so billig, dass sie für Bauern und Bäuerinnen keine nennenswerte Einkommensalternative und kaum ein Anreiz für eine bodenschonende Landwirtschaft sind.
Was sind aus Ihrer Sicht die Probleme für den Klimaschutz?
Ich sehe drei Schwierigkeiten: Zunächst kann der Handel mit billigen Zertifikaten leicht dazu führen, dass Unternehmen sich vom Klimaschutz freikaufen. Sie erwerben Zertifikate und gleichen ihren Treibhausgasausstoß dadurch rechnerisch aus, statt ihre Emissionen tatsächlich zu senken. Daneben stellt sich die Frage, wie lange der Humus – und mit ihm das CO₂ – im Boden bleibt. Sobald ein Hof von der nachhaltigen Bewirtschaftung zurückgeht auf Monokulturen oder einen hohen Pestizid-Einsatz, kann der Humus-Gehalt im Boden wieder sehr schnell sinken. Dann wird auch das im Boden gespeicherte CO₂ wieder freigesetzt. Und es gibt die Gefahr von “Leakage”: Ein Hof bewirtschaftet eine bestimmte Fläche nachhaltig und erhält dafür Zertifikate – aber womöglich setzt er auf dem Nachbarfeld im Gegenzug umso stärker auf intensive Landwirtschaft. Er bekäme Zertifikate, auch wenn in der Summe der Humus-Gehalt seiner Böden gleich bliebe.
Und welche Menschenrechtsprobleme sehen Sie?
Es gab Fälle im Globalen Süden, in denen Menschen von Land vertrieben wurden, das sie seit Generationen bewirtschaften, um dort einen Zertifikatehandel zu ermöglichen. Zudem können solche Zertifikate Genderungerechtigkeiten verstärken. Denn in vielen Ländern sind Landbesitzende vorrangig Männer, und so profitieren Frauen selten von etwaigen Kompensationszahlungen. Es ist wichtig, dass der Zertifikatehandel einen menschenrechtsbasierten Ansatz verfolgt.
Land ist knapp, und für den Klimaschutz werden künftig weite Flächen als Senken benötigt. Wie groß sind diese Flächen?
Fast alle nationalen Klimaschutzverpflichtungen innerhalb der UNFCCC beziehen Maßnahmen zum naturbasierten Klimaschutz mit ein, also zur CO₂-Speicherung in Böden und Wäldern. Zählt man sie alle zusammen, kommt man auf einen Flächenbedarf von 1,2 Milliarden Hektar. Das ist etwa die dreifache Fläche der EU. Um dem Netto-Null-Ziel näherzukommen, müsste man auf etwa 630 Millionen Hektar die Art der Landnutzung ändern, also zum Beispiel Ackerflächen aufforsten. Aber das ist kein leeres Land. Dort leben Menschen, und die Äcker sind ihre Lebensgrundlage.
Gibt es überhaupt genügend Fläche für die Anforderungen von Klimaschutz, Naturschutz und Ernährungssicherheit?
Die verschiedenen Anforderungen widersprechen sich ja nicht zwangsläufig. Eine bodenschonende Landwirtschaft beispielsweise speichert mehr CO₂ im Boden, stärkt die Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Klimawandel, kommt dem Naturschutz zugute, und kann Einkommen durch Diversifizierung von Anbaufrüchten steigern. Biodiversität, Klimaschutz und Ernährungssicherheit gehen also durchaus zusammen. Ob sie vereinbar sind, hängt letztlich sehr stark von der Art der Landwirtschaft ab, die man betreibt.
Wie realistisch ist es dann, die Böden in so großem Ausmaß als CO₂-Senke in die nationalen Klimaschutzziele mit einzuberechnen?
Die Böden mögen knapp sein. Aber wir brauchen sie für den Klimaschutz. Selbst, wenn es uns gelingt, so schnell wie möglich aus den fossilen Energien auszusteigen – um unsere Klimaziele einzuhalten, sind wir auf die Speicherung von CO₂ durch die Natur angewiesen. Gesündere Böden sichern langfristig landwirtschaftliche Erträge und ermöglichen auch noch eine bessere Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels. Es spricht also alles dafür, sie besser zu schützen.
Larissa Stiem-Bhatia leitet beim TMG Think Tank for Sustainability das Programm für naturbasierte Lösungen. Sie ist Autorin des jüngst erschienen, gemeinsam vom BUND, der Heinrich-Böll-Stiftung und TMG herausgegebenen Bodenatlas 2024.
Im aktuellen Entwurf für ein novelliertes Bundestierschutzgesetz fehle “eine klare gesetzliche Grundlage für eine tiergesundheitsbezogene Datenbank”, monieren Tier- und Verbraucherschützer in einem offenen Brief an den Minister, der Table.Media vorab vorliegt. “Krankheiten und Verletzungen von Nutztieren müssen auf jedem Hof erfasst werden. Betriebe mit guten Gesundheitsdaten müssen belohnt, solche, die schlecht abschneiden, entsprechend sanktioniert werden”, fordert Mitunterzeichner Foodwatch. Das Ampel-Bündnis hatte im Koalitionsvertrag vereinbart, sowohl eine “Tiergesundheitsstrategie” als auch eine “Datenbank” zu etablieren.
Aber: Dort, wo Schlachtkörper entsorgt werden, nämlich in der Tierkörper-Beseitigungsanlage, gebe es bislang gar kein Gesundheitsmonitoring, bemängelt Kai Braunmiller, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft Fleischhygiene, Tierschutz und Verbraucherschutz. Der Dienststellenleiter des Veterinäramts in Bayreuth hat den offenen Brief ebenfalls unterzeichnet. “Eine Videoüberwachung, um die Sterblichkeit in den einzelnen Betrieben zu analysieren, wäre hilfreich für die Beteiligten”, sagt er zu Table.Media.
Braunmiller schwebt eine Erweiterung der zentralen staatlichen Datenbank HI-Tier vor, in der abweichende Daten aus Schlachthöfen und Tierkörper-Beseitigungsanlagen bundesweit zusammenfließen und den zuständigen Veterinärämtern einen Überblick über die Tiergesundheit geben können. “Das würde den Tierschutz immens vorwärtsbringen”, meint der Veterinär. Denn: “Wir stellen bei der Schlachtdatenauswertung immer noch fest, dass rund drei Prozent der Tiere stärker leiden mussten, als der Durchschnitt der gehaltenen Tiere in Deutschland. Tote Tiere aus der Tierkörper-Beseitigungsanlage umfasst das aber noch gar nicht”, sagt Braunmiller.
Bedenken äußert Schweinemäster Peter Seeger aus Hessen: “Die Beurteilung von Schlachtkörpern durch Veterinäre fällt sehr unterschiedlich aus.” Entsprechend ließe sich weder die Beurteilung verschiedener Tierärzte innerhalb eines Unternehmens, noch die Auswertung verschiedener Schlachtfirmen untereinander, miteinander vergleichen. Zwar bestätigt Braunmiller diese Erkenntnis, hat aber zugleich eine Lösung parat: “Durch den Datenvergleich verschiedener Schlachtunternehmen und Schulungen der verantwortlichen Mitarbeiter konnten wir die Ergebnisse wesentlich verbessern.”
An dem Plan, eine Datenbank zur Tiergesundheit zu etablieren, hält das Bundeslandwirtschaftsministerium fest, bestätigt ein Sprecher. Es sei aber nicht vorgesehen, dies im Tierschutzgesetz festzuhalten. has
Die Europäische Kommission hat ihren Vorschlag für die Verlängerung des zollfreien Handels mit der Ukraine zu spät vorgelegt, kritisieren Abgeordneten des Ausschusses für internationalen Handel des EU-Parlaments (INTA). Die bestehenden Maßnahmen zur Handelsliberalisierung laufen Anfang Juni aus. Dass die Brüsseler Behörde ihren Vorschlag erst Ende Januar vorgelegt hat, sei “unverständlich“, sagte der Ausschussvorsitzende Bernd Lange (SPD) während einer Sitzung am Montagnachmittag. Parlament und Mitgliedstaaten müssen dem Vorschlag noch zustimmen.
Vor dem Ausschuss rief Léon Delvaux, stellvertretender Direktor in der Handelsabteilung der Kommission, dazu auf, dies rasch zu tun, um die lückenlose Verlängerung zu gewährleisten. Bereits bei seiner nächsten Sitzung am 7. März muss der Ausschuss über den Text abstimmen, um die Verabschiedung noch vor der EU-Wahl zu ermöglichen. Die Abgeordneten fühlen sich unter Druck gesetzt. “Sie haben diesen Vorschlag in allerletzter Minute vorgelegt und drohen uns jetzt mit dem Auslaufen der Handelsmaßnahmen”, beschuldigte Langes polnischer Parteikollege Manuel Belka die Kommission.
Bisher scheint es tatsächlich so, als könnte der knappe Zeitplan dazu beitragen, dass der Vorschlag ohne größere Änderungen durchs Parlament geht. Die Berichterstatterin des Parlaments für das Dossier, die EVP-Abgeordnete Sandra Kalniete, schlug vor, den Kommissionstext einfach zu übernehmen, was im EU-Parlament selten vorkommt. “Wir können uns einfach keine Verzögerungen erlauben“, argumentierte sie. Schließlich seien die Maßnahmen zur Unterstützung der Ukraine essenziell. Inhaltlich ist der Vorschlag besonders wegen der ukrainischen Agrarimporte in die EU umstritten.
Die Kommission hatte vorgeschlagen, den zoll- und quotenfreien Handel mit der Ukraine um ein Jahr zu verlängern. Sie sieht aber Schutzmechanismen vor, um die negativen Folgen für heimische Erzeuger zu minimieren. Aus Sicht von Bauernvertretern geht das nicht weit genug. Werde der Vorschlag in seiner jetzigen Form angenommen, “wäre die wirtschaftliche Nachhaltigkeit der Sektoren Geflügel, Eier, Zucker, Getreide und Honig in der EU gefährdet”, warnten sechs europäische Landwirtschaftsverbände vergangene Woche in einem Statement. Widerstand kommt auch aus dem Agrarausschuss, der an dem Dossier allerdings nur beratend mitwirkt. jd
Deutschland wendet nur einen geringen Anteil der EU-Agrarförderung dafür auf, landwirtschaftliche Betriebe wettbewerbsfähig zu machen. Im europäischen Vergleich schneidet nur Irland noch schlechter ab. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie im Auftrag des Agrarausschusses im Europäischen Parlament. Demnach fließen in der Bundesrepublik acht Prozent des GAP-Budgets in die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, im EU-Durchschnitt sind es dagegen rund 20 Prozent. Länder wie Polen oder Italien nutzen ein Drittel der Gelder hierfür.
Maßgeblich für die große Bandbreite bei der Förderung ist die unterschiedlich starke Nutzung von Fördergeldern, die an die Produktionsmenge geknüpft sind. Im Gegensatz zu den Flächenprämien seien diese gekoppelten Zahlungen explizit dafür vorgesehen, die Wettbewerbsfähigkeit von Betrieben zu verbessern oder Defizite zu kompensieren, sagt Studienmitautor Arndt Münch vom Österreichischen Institut für Raumplanung.
Bis zu 15 Prozent der Direktzahlungen können Mitgliedstaaten als gekoppelte Zahlungen an wirtschaftlich, gesellschaftlich oder ökologisch besonders wichtige Sektoren vergeben. Deutschland vergibt aber nur zwei Prozent als gekoppelte Prämien für Mutterschafe, Ziegen und Mutterkühe.
Dass Deutschland dies kaum nutze, habe aber gute Gründe, sagt Agrarökonom Sebastian Lakner von der Universität Rostock. Andernfalls würden nicht wettbewerbsfähige Betriebe künstlich auf dem Markt gehalten. Der Wissenschaftler empfiehlt, den Prozentsatz für gekoppelte Zahlungen EU-weit zu senken. Aktuell führe die unterschiedliche Umsetzung in den Mitgliedstaaten zu Wettbewerbsverzerrungen auf dem Binnenmarkt.
Zielgerichteter wirke die finanzielle Unterstützung im Rahmen der zweiten Säule, meint Studienautor Münch. Die zweite Säule der GAP umfasst Förderprogramme für nachhaltige und umweltschonende Bewirtschaftung und ländliche Entwicklung. Zu den Maßnahmen für mehr Wettbewerbsfähigkeit gehören hier beispielsweise die Förderung von Investitionen, Wissenstransfer und Kooperationen, aber auch Starthilfen für Jungbauern oder Quereinsteiger.
Auch bei der Investitionsförderung fällt Deutschland hinter viele Länder zurück und steht an fünftletzter Stelle. Das Finanzvolumen für die Förderung von Investitionen entspricht rund drei Prozent des GAP-Budgets. Im EU-Durchschnitt sind es rund vier Prozent, einzelne Länder wie Polen oder Ungarn geben mehr als zehn Prozent aus.
Die Studienautoren empfehlen: Für die Zukunft müsse die EU auf ein Konzept der “nachhaltigen Wettbewerbsfähigkeit” hinarbeiten. Ein Weg könne sein, Gemeinwohlleistungen wie Umweltschutz finanziell besser zu entlohnen. jd
Die Frage der globalen Ernährungssicherheit und das Thema Entwicklungszusammenarbeit kamen bei der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) am Wochenende kaum zur Sprache. Die norwegische Entwicklungshilfeministerin Anne Beathe Tvinvereim sieht das kritisch.
Direkt vom Gipfel der Afrikanischen Union (AU) in Adis Adeba reiste sie am Wochenende in die bayerische Landeshauptstadt – und war erstaunt darüber, wie die Diskussionen der Vertreter westlicher Industriemächte denen in vielen afrikanischen Staaten hinterherhinkten. “Ernährungssicherheit ist für uns eine Frage nationaler Sicherheit”, habe ihr ein Landwirtschaftsminister in Äthiopien gesagt, das sei für sie ein Augenöffner gewesen.
Doch Tvinnereim sieht auch Fortschritte. Noch vor einem Jahr habe etwa Ernährungssicherheit auf der MSC weitaus weniger Aufmerksamkeit erlangt als auf der Jubiläumskonferenz. So schafften es am ersten Tag die Panels “Ernährungsintelligenz: Lebensmittelunsicherheit als Vorhersageindikator” und “High von ihrem eigenen Angebot: Großmächtewettbewerb und Lieferkettenabhängigkeiten” ins Hauptprogramm.
Die Staaten des globalen Südens einzubeziehen und über das transatlantische Verhältnis hinauszuschauen, das noch die letzten Jahrzehnte in München geprägt hat, sei den Veranstaltern gelungen, sagen Vertreter von Weltbank und Welternährungsprogramm, mit denen Table.Media auf der Konferenz sprach. Mads Christensen, Generalsekretär von Greenpeace sieht es kritischer: “Es wird viel über klassische Themen geredet, und wenig über Ernährungs- und andere Formen menschlicher Sicherheit. Dabei müsste inzwischen doch allen klar sein, dass der Klimawandel eine Sicherheitsfrage ist.” mrb
Um den Wandel der globalen Agrar- und Ernährungssysteme besser zu verstehen und wissenschaftlich fundierte Informationen für die daraus resultierenden gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen aufzubereiten, hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) ein neues, 18-köpfiges Gremium eingerichtet: die Ständige Senatskommission Transformation von Agrar- und Ernährungssystemen. Den Vorsitz übernimmt die Agrarbiologin Doris Vetterlein vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Halle (Saale).
Es gehe um eine wissenschaftsbasierte und fachübergreifende Beratung, sagt Vetterlein. Der Schwerpunkt liege auf kontrovers diskutierten Themen, sich neu entwickelnden Fragestellungen oder auch auf der Bewertung des Potenzials und Risikos technischer Innovationen. Die Kommission werde künftig Positionspapiere erarbeiten und die DFG bei einschlägigen Diskussionen und Anhörungen vertreten.
“Die bisher national eingerichteten Gremien und Institutionen decken überwiegend nur einen bestimmten Teilbereich der Landwirtschaft ab und sind zudem häufig weisungsgebunden”, sagt DFG-Präsidentin Katja Becker. Diese Lücke wolle man schließen. Die Kommission solle “auf rein grundlagenwissenschaftlichen Erkenntnissen basierend agieren und die Agrar- und Ernährungssysteme in ihrer Gesamtheit berücksichtigen”.
Drei Themenschwerpunkte hat sich die Senatskommission zunächst gesetzt: Wege zur Ernährungssicherung im Rahmen der planetaren Grenzen, Wege zur Diversifizierung im Anbau von Kulturpflanzen sowie Wege zur gesellschaftlichen Transformation der Produktion und des Konsums von Fleisch und tierischen Produkten. Die konstituierende Sitzung der Senatskommission findet Ende April statt.
Neben den 18 wissenschaftlichen Mitgliedern gehören der Kommission Gäste aus Bundesministerien und -ämtern sowie der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina an. Die erste Mandatsperiode der Kommission dauert sechs Jahre, ihre Mitglieder werden zunächst für drei Jahre berufen. Mit dem neuen Gremium hat die DFG nun sieben Ständige Senatskommissionen. abg
20.02.- 22.02.2024 / Augsburg
Fachmesse RegioAgrar Bayern 2024
Die Messe RegioAgrar Bayern in Augsburg ist eine Landwirtschaftsmesse und regionale Fachmesse für landwirtschaftliche Produktion, Handel und Management. INFO
21.02.2024 – 16.00 – 18.00 Uhr / Hotel Aquino, Hannoversche Straße 5b, 10115 Berlin-Mitte
Podiumsdiskussion Bodenforum 2024: Agrarstrukturgesetze – Jetzt oder nie!
mit Wolfram Günther, Sächsischer Landwirtschaftsminister (Bündnis 90/Die Grünen)
Susanna Karawanskij, Thüringer Landwirtschaftsministerin (Die Linke)
Prof. Dr. José Martínez, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Landwirtschaftsrecht, Universität Göttingen
Hans-Jürgen Thies (MdB), Bodenmarktpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag ANMELDUNG
26.02.2024 / Brüssel
Tagung Rat für Landwirtschaft und Fischerei der Europäischen Union
Schnelle und strukturelle Antworten auf die Krisensituation im Agrarsektor: Auf der Grundlage von Informationen der belgischen Ratspräsidentschaft und der Europäischen Kommission werden die Minister einen Meinungsaustausch darüber führen, wie rasche und strukturelle Antworten auf die derzeitige Krise des Agrarsektors gewährleistet werden können. INFO
27.02. – 28.02.2024 – 9.00 – 17.00 Uhr / Stuttgart
44. Jahrestagung der Gesellschaft für Informatik in der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft e.V. Biodiversität fördern durch digitale Landwirtschaft – Welchen Beitrag leisten KI und Co?
Die Tagung bietet ein jährliches Forum für aktuelle Themen aus den Forschungsbereichen der Agrar- und Lebensmittelinformatik, einen schnellen und kompetenten Überblick über neue Entwicklungen der Informatik im Kontext der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft und spannende Diskussionen zu den neuesten wissenschaftlichen Ergebnissen und Praxiserfahrungen. INFO
27.02. – 29.02.2024 / Bonn
28. Internationale Bioland-Geflügeltagung Wertschätzung wieder in Wertschöpfung verwandeln
Die Fachtagung bietet aktuelle Informationen aus der Wissenschaft und dem Marktgeschehen, drei spannende Exkursionen zu Praxisbetrieben und ist die Gelegenheit für Vernetzung und Austausch. INFO
28.02. – 01.03.2024 / Stuttgart
Messe New Food Festival
Unter dem Motto “Die Zukunft ist jetzt” bietet die fünfte internationale Konferenz und Messe mit Keynotes, Talkpanels, Pitches, Break out Sessions und Roundtables wieder ganz viel Inspiration, Networking, Fachwissen und Erfahrungsaustausch zu Startups und Innovationen aus dem Lebensmittel-, Agrar-, Gastronomie- und Handelsbereich entlang der gesamten Nahrungsmittelwertkette. INFO
05.03.- 08.03.2024 / Justus-Liebig-Universität Gießen
17. Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau Landwirtschaft und Ernährung – Transformation macht nur gemeinsam Sinn” INFO & PROGRAMM
Der Tierschutz lag Ariane Kari schon immer am Herzen. Besonders prägend war für die gebürtige Pforzheimerin eine Situation während ihres Veterinärstudiums, in der sich eine hochträchtige Kuh in einen Stacheldrahtzaun auf der Weide verwickelte und verstarb. Da die Kuh ein Kalb erwartete, hatte man sie nicht erlösen wollen, gleichzeitig aus Kostengründen nicht ordentlich mit Schmerzmitteln abgedeckt. An diese Kuh denke sie noch regelmäßig, sagt Kari.
Nach ihrem Studium arbeitet sie zunächst als Veterinärin und erwarb dann die Zusatzqualifikation Tierschutz. Zuletzt wurde sie stellvertretende Tierschutzbeauftragte in Baden-Württemberg. In ihrer neu geschaffenen Position berät sie die Regierung zu Fragestellungen und Gesetzesvorhaben im Tierschutzbereich und setzt sich für einen besseren Austausch zwischen Bund, Ländern und Verbänden ein.
Kari ist eine Frau vom Fach. Sie besetzt ein kleines Büro im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in Berlin-Mitte. In ihrer Geschäftsstelle sind vier Mitarbeiterinnen beschäftigt, darunter eine Juristin und eine tierärztliche Referentin.
“Ich betrachte Tiere als Mitgeschöpfe auf Augenhöhe”, sagt Kari. Seit das Staatsziel Tierschutz 2002 im Grundgesetz verankert wurde, sind die Rechte der Tiere grundsätzlich gleichwertig mit anderen Verfassungsgütern wie den Grundrechten zu behandeln, die allen Menschen in Deutschland zustehen. Doch seither sei noch zu wenig passiert, beklagt sie. Kari ist der Überzeugung, dass der Fleischkonsum reduziert werden muss, “nicht nur aus tierethischen Gründen, auch für den Umweltschutz.” Doch sie ist optimistisch: “Die Menschen essen bereits weniger Fleisch, das zeigen alle Statistiken. Die gesellschaftliche Veränderung ist also bereits in vollem Gang.”
Oftmals führe Unwissen dazu, dass sowohl Tierhalter als auch Verbraucher tierische Bedürfnisse nicht erkennen und den Eigenwert der Tiere nicht sehen. Mit Aufklärungsarbeit will sie beispielsweise über die sozialen Medien den Zusammenhang zwischen Milch trinken, Käse und Fleisch essen erklären: “Jede Milchkuh gebärt pro Jahr ein Kalb. Was passiert mit den männlichen Kälbern? Was passiert mit der Milchkuh am Ende ihrer Lebenszeit? Wenn man Milch konsumiert und Käse isst, kurbelt man indirekt die Fleischproduktion an.”
In ihrer Arbeit bringt sich Kari in laufenden Rechtssetzungsverfahren ein, wie der Erneuerung des Tierschutzgesetzes. Sie plädiert für mehr Platz und andere Bodenstrukturen für Nutztiere und will die Haltungsbedingungen so verbessern, dass keine Tieramputationen mehr notwendig sind. Laut dem jüngsten Entwurf sollen zwar gewisse Eingriffe, wie das Kürzen der Ringelschwänze von Ferkeln und der Schnäbel von Puten, weiterhin aus wirtschaftlichen Gründen erlaubt sein. Durchsetzen konnte Kari ihr Anliegen zum Teil dennoch: So sollen die Anbindehaltung und das Schwänzekürzen bei Lämmern und Kälbern künftig gänzlich verboten werden.
Auch die Einführung einer Tierwohlabgabe, wie sie vom BMEL vorgeschlagen wurde, wird Kari fachlich begleiten. Ihr ist es wichtig, dass dieses Geld auch an die Landwirte geht, die tatsächlich den Weg zu mehr Tierwohl gehen.
Das Amt der Tierschutzbeauftragten ist zwar formell am BMEL angegliedert, in ihrer Arbeit ist Kari allerdings an kein Ministerium gebunden und politisch neutral. Nach ihrer Ernennung gab es Kritik, ob dieses neue Amt überhaupt notwendig sei – im BMEL gibt es bereits Abteilungen, die für die Themen Tiergesundheit und Tierschutz zuständig sind. “Es gab diese unabhängige Stimme für die Tiere auf Bundesebene bislang nicht”, sagt Kari dazu. Wenn es nach ihr ginge, sollten auch andere Bundesländer und die Europäische Union eigene Tierschutzbeauftragte einführen.
Die gesellschaftliche Resonanz, auf die sie stößt, sei fast durchweg positiv. Täglich erreichen sie Anfragen von Bürgern, Tierschutz- und Tierhalterorganisationen, die sie um Auskunft bitten oder auf Missstände in der Nutz- und Heimtierhaltung aufmerksam machen. “Das zeigt mir, dass Tierschutz mitten in der Gesellschaft angekommen ist”, sagt Kari.
Mit der Erneuerung des Tierschutzgesetzes, die in dieser Legislaturperiode erfolgen soll, wird das Amt der Bundestierschutzbeauftragten gesetzlich verankert. Bislang war es nur im Koalitionsvertrag vereinbart. So könnte Kari – unter der Voraussetzung, dass sie auch unter einer neu gewählten Koalition als Tierschutzbeauftragte ernannt wird – auch nach der Bundestagswahl 2025 im Amt bleiben. Für die Zukunft wünscht sie sich, dass die Haltungsbedingungen – sowohl für Heim- als auch für Nutztiere – stets an die Bedürfnisse der Tiere angepasst werden, und nicht umgekehrt. Innerhalb der EU könnte Deutschland eine Vorbildfunktion einnehmen: “Wenn man in Deutschland die Tierschutzstandards erhöht, werden sich auch andere Länder ein Beispiel daran nehmen.” Amélie Günther