wenn die Borchert-Kommission hinschmeißt, wirft das kein gutes Licht auf das von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir geführte Ressort. Am heutigen Dienstag werden die Mitglieder des Beratungsgremiums offenbar über eine Auflösung abstimmen, heißt es aus gut informierten Kreisen. Die Initiative dafür soll Gremienleiter Jochen Borchert ergriffen haben. Ob die Mehrheit der Mitglieder Borcherts Anliegen mitträgt, ist allerdings offen.
In einem noch nicht veröffentlichten, auf den heutigen Dienstag datierten Statement, das Table Media vorliegt, heißt es, dass die politischen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung der Empfehlungen des Kompetenznetzwerks weder in der vorherigen Legislaturperiode noch in den ersten zwei Jahren der laufenden Legislaturperiode geschaffen worden seien. Auch der Entwurf des Bundeshaushalts 2024 lasse den “notwendigen Durchbruch” nicht erkennen. Das Kompetenznetzwerk beende deshalb seine Arbeit.
Konkret fordert das Gremium im Statement zwei Dinge. Erstens, die Ausgestaltung der laufenden Tierwohlprämien im Rahmen langfristiger und rechtssicherer Verträge. Zweitens, eine “ausreichende” Finanzausstattung für die Umstellung einer jährlich steigenden substanziellen Anzahl ökologischer und konventioneller Betriebe.
Borchert hatte bereits vor einigen Wochen angekündigt, dass die von ihm geleitete Kommission ihre beratende Tätigkeit einstellen werde, sollte sich die Bundesregierung bei ihren Haushaltsberatungen auf keine ausreichende Finanzausstattung für den Umbau der Tierhaltung einigen können.
Professor Lademann, im Lebensmitteleinzelhandel teilen sich nur vier Player 85 Prozent aller Umsätze: Edeka, Aldi, Rewe und die Schwarz-Gruppe mit Lidl und Kaufland. Das jedenfalls zeigt eine Studie über Marktkonzentration, deren Co-Autor Sie sind. Bilden die vier ein Handelskartell?
Nicht ein Kartell, aber ein marktbeherrschendes Oligopol. Die vier müssen sich nicht abstimmen, sondern beobachten täglich gegenseitig ihre Preisbewegungen. Der einstige Marktführer Aldi hat beim Konzentrationsprozess Marktanteile verloren und liegt nur noch bei 12 Prozent. Edeka führt jetzt mit 25 Prozent. Edeka hat, genau wie die Schwarz-Gruppe und Rewe, durch Aufkäufe massiv zugelegt.
30 Prozent aller Preiserhöhungen bis 2021 waren laut Ihrer Studie allein auf die Marktkonzentration der 20 Jahre zuvor zurückzuführen. Müsste der Gesetzgeber eingreifen?
Das Kartellamt greift bei Fusionen im LEH durchaus ein. Es müsste freilich dafür sorgen, dass die Spitzengruppe keine Übernahmen mehr tätigen darf. Die Gesetze sind da: Dazu braucht es die klare Beweisführung, dass eine Marktbeherrschung vorliegt. Als marktbeherrschend gilt ein Oligopol, wenn die Top-Drei-Unternehmen einen Anteil von über 50 Prozent haben. Das ist seit zehn Jahren der Fall. Außerdem darf es weder innerhalb des Oligopols nennenswerten Wettbewerb geben noch außerhalb, mit dem sogenannten Restwettbewerb. Letzteres ist klar gegeben: Es gibt nur noch kleine, regionale Wettbewerber. Ein “wesentlicher Wettbewerb”, der die Großen zwingt, die Preise niedrig zu halten, findet durch sie nicht statt.
Und was ist mit dem Wettbewerb unter den Großen?
Der Binnenwettbewerb ist deutlich erlahmt. Denn die Verbraucher müssen immer weitere Strecken überwinden, um von einem Laden zum anderen zu wechseln. Auch auf der Ladenebene beobachten wir eine Konzentration: Läden scheiden aus, neue sind größer. Insgesamt werden es weniger und die Abstände zwischen ihnen wachsen. Durch die Größe brauchen die Leute für ihren Einkauf länger. Und diese Zeit ist eine Wechselbarriere.
Was folgt daraus?
Bisher war man davon ausgegangen, dass die großen vier zwar im Einkauf die Preise drücken können, aber gezwungen sind, Preissenkungen an den Verbraucher weiterzugeben. Die Zahlen in unserer Studie beweisen das Gegenteil: Mit jedem Konzentrationspunkt wurde das Preisniveau im Schnitt um ein halbes Prozent angehoben. Da der Käufer nicht mehr flexibel genug ist, um einfach wegzulaufen, kann die Ware verteuert abgesetzt werden. Die Inflation im Lebensmittelbereich beruht zu einem erheblichen Teil darauf. Da müssten beim Kartellamt eigentlich die Alarmsirenen schrillen.
Was könnte das Kartellamt machen?
Das Kartellrecht konsequent anwenden bei der Fusionskontrolle! Wir haben vorgeschlagen, dass Edeka, Rewe und die Schwarz-Gruppe keine weiteren Läden übernehmen dürfen, etwa im Zusammenhang mit der Zerschlagung von Real. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) könnte dahingehend novelliert werden, dass die nach dem Agrarorganisationen- und Lieferkettengesetz (Agrar OLkG) verbotenen Praktiken in Verbindung mit den Marktanteilen oberhalb der Vermutungsschwellen als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung bewertet werden. Dann könnte das Kartellamt direkt gegen die Spitzengruppe vorgehen.
Was für unlautere Praktiken sind das?
Es kommt immer noch zu unfreiwilligen Retouren auf Kosten des Lieferanten, auch von landwirtschaftlichen Produkten. Das verbietet zwar das Agrar OLkG, aber die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung erlaubt Ausnahmen. Bei Kommissionsgeschäften wie dem Pay-on-Scan-Modell bleibt der Lieferant Eigentümer der Ware, bis der Kunde gezahlt hat. Und das darf genutzt werden, obwohl damit das neue Verbot unterlaufen werden kann. Das Agrar OLkG greift teilweise zu kurz. Es könnte z.B. mittels einer Generalklausel alle Praktiken, die Risiken einseitig auf einen Vertragspartner abwälzen, untersagen. Und es sollte auch nicht Lieferanten ab einer Größe von 350 Millionen Euro Jahresumsatz ausnehmen.
Das heißt, dass auch große Lieferanten vom Handel getriezt werden können?
Nach unserer Untersuchung werden die großen Unternehmen sogar überproportional geschädigt – namentlich etwa Molkereien oder Fleischfabrikanten. Für sie ist es schwierig, sich beispielsweise gegen teils willkürliche und nur einseitig wirkende Vertragsstrafen zu wehren. Das drückt auf die Preise, die diese Lieferanten ihren Landwirten zahlen können.
Was beobachten Sie an unlauteren Praktiken?
Der Handel sagt etwa: Lieber Hersteller, du lieferst auf Anforderung und musst garantieren, dass du immer lieferfähig bist. Sonst zahlst du eine Konventionalstrafe. Die Lagerkosten trägt also schonmal der Hersteller. Wenn Aldi, Rewe oder Edeka plötzlich merken, die Sonne scheint, wir brauchen mehr Getränke, dann muss ein Getränkehersteller liefern. Er kann nicht sagen: Das ist jetzt zu kurzfristig, das schaffe ich nicht. Wenn es dagegen länger regnet, schickt der Handel die Ware wieder zurück. Dazu kommt oft die Verpflichtung, einen Spediteur nach der Wahl des Händlers zu nehmen. Wenn dieser Spediteur dann – ganz aus Versehen – die Ware zu spät liefert, zahlt der Hersteller eine Vertragsstrafe. Pro LKW beispielsweise 700 Euro.
Das klingt ja fürchterlich!
Oh, da gibt es noch ganz andere Sachen, bis hin zu Beschimpfungen unter der Gürtellinie. Das hat freilich System: Die Einkäufer werden dafür bezahlt, Hersteller unter Druck zu setzen, und leider nicht dafür, mit ihnen zu kooperieren. Häufig ist es so, dass sie eine Prämie dafür erhalten, dass der Preis gegenüber dem Vorjahr nicht steigt oder nur unterhalb der Inflationsrate. Alle Prämienanreize sind so gesetzt, dass in der Warengruppe des Einkäufers die Gesamtkosten niedrig bleiben. Das nennt man seitens des Handels “Sorge um die Wohlfahrt des Verbrauchers”. Da wird Wohlfahrt auf dem Rücken der Landwirtschaft und der Industrie ausgetragen.
In Ihrer Befragung sagen 85 Prozent der Hersteller, Sie verhandelten nicht auf Augenhöhe. Sie könnten selbst dann keine höheren Preise erreichen, wenn sie höhere Kosten haben. Wie können wir da je zu echter Qualität kommen, zu nachhaltiger Produktion, besserer Tierhaltung?
Faustregel ist: Schwankende Produktionskosten – Energiekosten, Futtermittelkosten – kann der Lieferant teilweise weitergeben. Fixkosten dagegen nicht. Wenn Aldi sagt, wir nehmen nur noch Fleisch ab Haltungsstufe 3, dann muss der Landwirt selbst sehen, wie er die Investition in größere Ställe stemmt. Das ist wirklich ein Problem: Die Politik will eine bessere Tierhaltung, aber der Landwirt kann die Kosten dafür nicht an den Verbraucher weitergeben.
40 Prozent der Hersteller gaben in Ihrer Studie aber an, gar keine oder weit unterproportionale Preiserhöhungen durchsetzen zu können, nicht einmal für schwankende Kosten …
… und das bedeutet: Wenn der Handel so weitermacht mit dem Druck auf die Hersteller, wird auch die Industrie sich weiter konzentrieren. Denn wer einen Abnehmer verliert, verliert schonmal 20 Prozent seines Umsatzes. So einen Verlust kann ein mittelständischer Betrieb in der Regel nicht mehr ausgleichen – zumal er ja keinen anderen großen Abnehmer finden wird, wenn er bereits an drei oder vier der Großen liefert.
Dabei wissen wir, dass eine kleinteilige Landwirtschaft gut ist für die Biodiversität. Und dass Monokulturen weniger klimaresilient sind. Was müsste die Politik tun?
Die Politik ist darauf ausgerichtet, den Verbrauchern günstige Preise zu garantieren. Spielräume für Preissenkungen begrüßt sie mit Kusshand. Auch das Kartellamt greift nicht ein, solange die Preise schön niedrig bleiben. Man nimmt billigend in Kauf, dass die Lebensmittelindustrie drangsaliert wird, solange die Preise stabil sind. Die Erzeugerpreise sind aber einerseits nur deshalb niedrig, weil es Marktbeherrschung gibt. Und zugleich sind sie für den Verbraucher nicht ganz so niedrig, wie sie sein könnten, weil der Handel die Spielräume für Preiserhöhungen für sich nutzt.
Seit dem Überfall auf die Ukraine fallen die Preissteigerungen für Lebensmittel höher aus als die Inflation. Liegt das auch an der Marktmacht des Handels?
Dazu gibt es noch keine belastbaren statistischen Zahlen. Da die Ernährungsindustrie besonders auf Gas angewiesen ist, erklären sich höhere Preise auch damit. Hinzukommt, dass es für die Hersteller wichtig ist, nicht den Kostensteigerungen hinterherzulaufen, sondern vor die Welle zu kommen. Sie müssen ja in Vorleistung gehen, bis ihre Produkte verarbeitet und verkauft sind. Das heißt, sie versuchen Mehrkosten zu antizipieren. Das funktioniert in zwei Runden: Die Industrie erhöht die Preise. Der Handel muss diese teilweise schlucken, weil er sonst die Ware nicht kriegt. Anschließend, wenn die Preise beim Kunden nicht durchsetzbar sind und der die Produkte liegen lässt, geht der Handel zur Industrie und sagt: Ihr müsst euch jetzt stärker beteiligen, wir brauchen da einen Rabatt.
Seit 20 Jahren geben die Deutschen im Schnitt gerade einmal 15 Prozent ihres Einkommens für Nahrungsmittel, Getränke und Tabak aus. Auch 2022 war die Quote nicht höher. Gleichzeitig sorgt die Landwirtschaft für 90 Milliarden Euro an externen Umweltkosten, etwa durch CO2-Emissionen oder Wasserverschmutzung. Die sollen die Landwirte künftig vermeiden …
… mit dem gleichen Geld. Das wird nicht funktionieren, solange die Politik das Verteilungsproblem immer zugunsten des Verbrauchers ausgehen lässt. Das ist schon eine echte Herausforderung, weil natürlich das Eingreifen in die Preisbildung ein Eingriff in das Heiligtum des Wettbewerbs wäre. Aber die Preisbildung ist eben ein Stück weit aus dem Ruder gelaufen, und findet nur noch bei eingeschränktem Wettbewerb statt.
Bioland und Naturland haben jetzt vom Handel gefordert, durchschnittliche Produktionskosten als Orientierungspreise zu nehmen. Für einen Liter Biomilch haben sie 67 Cent errechnet.
Das klingt nach einer verbandspolitischen Äußerung, die kartellrechtlich in Verbindung mit dem neuen Paragraf 210a der Gemeinsamen Marktordnung gegebenenfalls erlaubt werden könnte – obwohl sie den Verbandsmitglieder signalisiert, 67 Cent zu verlangen. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass die Forderung Erfolg hat. Wegen der Marktmacht der Händler – und wegen der Verbraucher. Wenn Milchviehhalter zuvor Öko-Futtermittel aus der Ukraine zugekauft haben, und sie die jetzt anderswo teurer kaufen müssen, nimmt der Verbraucher die teure Bio-Milch womöglich nicht mehr ab.
Tatsächlich erwähnen die Verbände den neuen Paragrafen. Er erlaubt Ausnahmen vom Kartellrecht, wenn die Abnehmer mit den Erzeugern von freiwillig nachhaltig hergestellten Lebensmitteln langfristig kostendeckende Preise vereinbaren. Was halten Sie von diesem Weg?
Das wäre für die Landwirtschaft ein geeigneter Ansatz. Nur ist es mit der Einigkeit unter den Erzeugern schwierig: Die Produktionskosten zwischen den Betrieben unterscheiden sich erheblich. Derjenige, der günstig produziert, dürfte kein Interesse an höheren Preisen haben. Denn dadurch verliert er ja seinen Verkaufsvorteil.
Für die Akteure im Landwirtschafts- und Energiesektor war das, was das Bundeskabinett vergangene Woche als Solarpaket 1 verabschiedet hat, in vielen Bereichen eine Überraschung. Hatten sie sich darauf eingestellt, in dem Gesetzentwurf kaum bis keine Bestimmungen zum Thema Agri-PV zu finden, waren die Solaranlagen, mit denen Strom auf landwirtschaftlich genutzten Flächen generiert wird, darin plötzlich zu einem zentralen Thema geworden. “Ein weiterer Schwerpunkt des Pakets liegt darin, Flächen für Solarparks auf eine naturverträgliche und nachhaltige Art bereitzustellen und dabei mit Agri-PV landwirtschaftliche Flächen doppelt zu nutzen – für die Landwirtschaft und für die Stromerzeugung“, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) nach dem Kabinettsbeschluss.
Damit das gelingt, hat das beim Solarpaket 1 federführende Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) in engen Abstimmungen mit dem Bundesministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (BMUV) und dem Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung (BMEL) den Gesetzentwurf in den vergangenen Wochen um neue Bestimmungen für Agri-PV ergänzt. Diese sehen nicht nur einen deutlichen Anstieg der Höchstsätze für Strom aus diesen Anlagen vor, sondern auch Zuschüsse für Naturschutzmaßnahmen.
Sogenannte extensive Agri-PV-Anlagen, die auf bestimmten Flächen vertikal oder mit einer Höhe von mindestens 2,1 Metern aufgeständert sind, erhalten demnach einen Bonus von 0,3 Cent, wenn unter ihnen beispielsweise nachweislich keine Herbizide eingesetzt werden und sie Blühstreifen im Umfang von fünf Prozent der Gesamtfläche bereitstellen. Statt der bisherigen 8,57 Cent pro Kilowattstunde, sollen Betreiber von Solaranlagen, die neu auf landwirtschaftlich genutzten Flächen entstehen, im kommenden Jahr bis zu 9,5 Cent pro Kilowattstunde erhalten.
Für Experten wie die Rechtsanwältin Alexandra Thiel, die sich mit ihrer Kanzlei agrilex auf Agrar- und Wirtschaftsrecht mit besonderem Fokus auf Erneuerbare Energien spezialisiert hat, ist das deutlich mehr als erwartet. Sie liest die geplante Erhöhung als ein Signal der Bundesregierung, die Agri-PV massentauglich machen zu wollen. Schließlich waren es bislang unter anderem die hohen Preise für den benötigten Stahl, die Agri-PV-Anlagen weniger attraktiv erscheinen ließen. Doch auch mit neuen Höchstsätzen sei die Agri-PV in der Praxis noch weit von Massentauglichkeit entfernt, so Thiel weiter, die Landwirte und Unternehmen bei Fragen rund um Erneuerbare-Energien-Projekte berät. Das hat unterschiedliche Gründe, wie Thiel am Beispiel der extensiven Agri-PV erklärt. Obwohl wissenschaftlich nachgewiesen sei, welche Bauweisen und Bewirtschaftungsformen Biodiversität förderten, führe der Gesetzentwurf andere technische Anforderungen an, moniert Thiel. “Das kann diese Anlagenart unnötig verkomplizieren und unter Umständen die Massentauglichkeit verhindern, also auch den schnellen Ausbau der Erneuerbaren Energien in Kombination mit Landwirtschaft und Artenvielfalt”, fürchtet die Agrarrechtsexpertin.
Ein weiteres Problem, das der Gesetzentwurf aufwirft, ist das Verhältnis zwischen der Förderung extensiver Agri-PV durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und den Direktzahlungen, die Landwirte aus der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) erhalten. Im Zusammenhang mit der extensiven Agri-PV sieht der Gesetzentwurf Zuschüsse für Naturschutzmaßnahmen vor, die bereits über die GAP – etwa entlang der GLÖZ-Standards und freiwilligen Öko-Regelungen – gefördert werden. Um hier eine Doppelförderung zu vermeiden und für alle Akteure Klarheit zu schaffen, brauche es deshalb Anpassungen im Agrarrecht wie beispielsweise eine eigene Definition extensiver Agri-PV, sagt die Agrarrechtsexpertin Thiel. Hoffnung setzt sie in diesem Zusammenhang in die Verordnungsermächtigung, die der Gesetzentwurf zum Solarpaket 1 für die extensive Agri-PV vorsieht. “Diese muss genutzt werden, um die Verordnung zur Durchführung der GAP-Direktzahlungen so anzupassen, dass die Landwirtschaft ein Interesse hat, aufzuspringen. Nur dann wird diese Anlagenart eine realistische Chance haben, sich als Alternative zur Freiflächen-PV zu etablieren”, so Thiel.
Ähnlich sieht das auch Robert Busch, Geschäftsführer des Bundesverbands Neue Energiewirtschaft (bne). Während er die neuen Regelungen für extensive Agri-PV lobt, hält er diese allein für nicht ausreichend. “Jetzt muss auch das Agrarrecht so angepasst werden, dass Photovoltaik endgültig kein Fremdkörper mehr für die Landwirtschaft ist”, sagt Busch.
Die friedliche Koexistenz von Landwirtschaft und Photovoltaik sehen die Agrar- und Forstverbände in Deutschland derweil aus ganz anderen Gründen gefährdet. Ihnen ist die Duldungspflicht im Gesetzentwurf ein Dorn im Auge, der zufolge Grundbesitzer künftig Leitungen von Solaranlagen auf ihren Flächen akzeptieren müssen, dafür aber Entschädigungszahlungen erhalten. Trotzdem warnt der Deutsche Bauernverband (DBV) vor diesem Hintergrund vor einem Akzeptanzverlust im ländlichen Raum für die Photovoltaik. “Die geplante Duldungspflicht für Leitungen ist verfassungsrechtlich fragwürdig, kommt einer entschädigungslosen Enteignung gleich und missachtet die Rechte der Bewirtschafter und Grundstückseigentümer”, kritisiert DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken den Gesetzentwurf. Er spricht sich dafür aus, an privaten Verhandlungen zwischen Grundbesitzer und Anlagenbetreiber festzuhalten, die sich in der Vergangenheit bewährt hätten.
Eine ähnliche Kritik formuliert auch Leo von Stockhausen, Geschäftsführer der Familienbetriebe Land und Forst. Er fordert, die Belange der Betroffenen vor Ort stärker zu berücksichtigen. “Dazu gehört, dass Grundstücksnutzungen nicht durch gesetzliche Anordnung, sondern durch vertragliche Vereinbarungen geregelt werden, die angemessene Vergütungen vorsehen”, sagt von Stockhausen. Eine “angemessene finanzielle Kompensation” für Flächenbesitzer fordert auch der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Steffen Bilger. “Der Vorschlag der Bundesregierung wirft hier noch erhebliche Fragen auf”, merkt Bilger an.
Fragen, denen sich die Bundesregierung wohl auch im weiteren Gesetzgebungsprozess stellen muss. Nach dem Kabinettsbeschluss von vergangener Woche wird der Bundestag im Herbst über das Solarpaket 1 diskutieren. Dort will sich die Bundestagsabgeordnete und Agrarexpertin Monika Spallek (Grüne) dafür einsetzen, “dass Bäuerinnen und Bauern direkt von der Sonnenernte profitieren” und die extensive Agri-PV zum Standard wird. Spallek fordert außerdem einen Bonus für kleinere Agri-PV-Anlagen unter 2,5 Hektar, die räumlich-funktional mit einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb verbunden sind sowie eine bessere Förderung vertikal installierter bifazialer Solarmodule in Ost-West-Ausrichtung. Diese vertikalen Solarmodule böten Erosionsschutz, schonten das Landschaftsbild und könnten vor allem als Zäune mitgenutzt werden.
Doch bevor die neuen Bestimmungen zu Agri-PV im kommenden Jahr wirklich in Kraft treten können, gibt es noch eine weitere Hürde. Denn wichtige Teile des Kabinettsbeschlusses stehen unter Beihilfevorbehalt aus Brüssel. Die Vergütung für Agri-PV kann also erst dann wie vorgesehen erhöht werden, wenn die EU-Kommission dies genehmigt hat. Unter Vorbehalt steht auch der zusätzliche Bonus für die extensive Agri-PV. Angesichts der überschaubaren Änderungen könnte die Genehmigung allerdings recht schnell erteilt werden. Das deutlich umfangreichere EEG 2023 hat die Kommission Ende vergangenen Jahres bewilligt – knapp ein halbes Jahr nach dem Beschluss des Bundestages.
Welche Weichen sollte die europäische und deutsche Agrar- und Ernährungspolitik stellen?
Gerade bei der Ernährungssicherung müssen Deutschland und die EU ihre Souveränität stärken. Wir brauchen ein neues gesellschaftliches Bewusstsein für die Wertschöpfung, die unsere Land- und Ernährungswirtschaft tagtäglich erbringt. Diese Wertschätzung muss sich auch finanziell durch einen verlässlichen Umgang mit einem guten Auskommen niederschlagen, um eine nachhaltigere Form des Wirtschaftens zu fördern.
Was erwarten Sie von grüner Gentechnik?
Von den neuen Züchtungsmethoden erwarte ich mir einen wichtigen Beitrag zur Ernährungssicherung, zum Umgang mit dem Klimawandel und zur Reduktion von Pflanzenschutzmitteln. Ich rate jedem, diese Chancen nicht durch vorschnelle Ablehnungsreflexe zu vertun. Dabei denke ich vor allem an die Grünen: Wissenschaftlichkeit darf man nicht nur bei den Themen einfordern, die in die eigene Ideologie passen.”
Auf welche Regulierungen für den Agrifood-Sektor hätten Sie gerne verzichtet?
Noch besteht die Chance, dass es bei Lebensmitteln nicht zu den von Minister Özdemir geplanten weitgehenden Werbeverboten kommt. Özdemir zielt mitnichten nur auf Lebensmittel für Kinder, sondern will Ordnungsrecht schaffen, wo es fehl am Platz ist. Der mündige Verbraucher braucht keine Lebensmittel-Zensur!
Steffen Bilger ist seit 2009 direkt gewählter Abgeordneter für den Wahlkreis Ludwigsburg. Zwischen März 2018 und Dezember 2021 war er Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMDV). Seit Dezember 2021 ist er stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Lettland könnte im Herbst mit dem Export ukrainischen Getreides über seine Häfen beginnen. Das Volumen könnte bis zu einer Million Tonnen pro Jahr erreichen, sagte Rinalds Pļavnieks, der Vorstandsvorsitzende der lettischen Eisenbahnen kürzlich gegenüber dem lettischen Rundfunk. “Gerade jetzt bietet sich eine Gelegenheit für den Transport ukrainischen Getreides.”
Ganz einfach ist das Unterfangen nicht. Das Getreide müsse durch Polen transportiert werden, das eine andere Spurweite als Lettland und die Ukraine hat und dadurch zwei Umladevorgänge erfordert. Das wiederum schlägt sich in höheren Kosten nieder. Der CDU-Europaabgeordnete Norbert Lins hatte gegenüber Table.Media von der EU gefordert, einen Teil der Transportkosten für ukrainisches Getreide zu übernehmen.
“Wir gehen davon aus, dass etwa 500.000 bis eine Million Tonnen pro Jahr über diesen Transitkorridor transportiert werden könnten”, sagte Pļavnieks weiter. Hintergrund für die Anstrengungen ist der Rückzug Russlands aus dem Schwarzmeer-Abkommen. Das Abkommen hatte die Ausfuhr von Getreide aus der Ukraine über das Schwarze Meer ermöglicht. Die Ukraine ist einer der weltweit größten Exporteure von Getreide und auch wirtschaftlich stark darauf angewiesen. Im vergangenen Jahr kam die Ukraine auf knapp 60 Millionen Tonnen Getreideernte.
Letzten Monat hat Litauen die Europäische Kommission gebeten, eine Route für ukrainisches Getreide über fünf Häfen in den baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen zu entwickeln. Die fünf Häfen haben zusammen eine jährliche Getreideexportkapazität von 25 Millionen Tonnen, heißt es in einem Schreiben. rtr/lei
Das Interesse von Landwirten nach einer Beratung zu alternativen Betriebskonzepten hat nach Angaben der Landwirtschaftskammer in Niedersachsen deutlich zugenommen. “Viele Betriebe, die bisher zum Beispiel mit der Produktion von Milch oder mit der Schweinemast ihr Geld verdienen, sehen ja seit einiger Zeit, dass die Nachfrage nach den von ihnen gelieferten Produkten zurückgeht”, sagte ein Kammersprecher in Oldenburg. Die Landwirtinnen und Landwirte würden daher nach weiteren oder anderen Einkommensmöglichkeiten suchen. Dabei müssten sie in alle Richtungen denken. Auch die Politik unterstütze die Diversifizierung in der Landwirtschaft.
Dabei sei es für Betriebe mit kleiner Anbaufläche grundsätzlich schwierig, mit reinem Pflanzenbau wie Getreide oder Hülsenfrüchte dieselben Einkünfte zu erzielen wie mit der Fleisch- und der Milchproduktion, hieß es. “Es sollte auch nicht jeder zweite Betrieb ein Hofcafé oder einen Hofladen eröffnen, wenn die Standortbedingungen nicht möglichst perfekt passen”, erklärte der Kammersprecher. Direktvermarktung, Bauernhofgastronomie und Ferienwohnungen seien zwar lokal und regional erfolgreich, aber kein Allheilmittel.
Eine hohe Nachfrage verzeichne die Kammer bei Beratungsanfragen zur Energieerzeugung mit Biogas, Biomethan und Photovoltaik-Anlagen. Auf diesem Sektor ließen sich Einkommensverluste wahrscheinlich am ehesten kompensieren – vorausgesetzt, die politischen Rahmenbedingungen stimmen. Aber auch das sei keine Alternative für jeden Betrieb.
Anders sieht das Bild im Biobereich aus: Hier sei die Nachfrage nach Umstellungsberatung vor einem bis eineinhalb Jahren zurückgegangen, hieß es vom Kompetenzzentrum Ökolandbau Niedersachsen. Verarbeiter würden aber weiterhin Bio-Ware suchen.
Ein Grund für das schleppende Umstellungsinteresse seien die guten konventionellen Erzeugerpreise, die Bio-Preise seien nicht so stark gestiegen. Bio-Landwirtschaft bleibe aber dennoch interessant, weil Bio-Landwirte bis auf wenige Ausnahmen ein ebenso hohes oder höheres Einkommen erzielen als ihre konventionellen Kollegen, hieß es. dpa
Im konventionellen Lebensmitteleinzelhandel wie auch beim Discounter sind Bio-Lebensmittel fester Bestandteil des Sortiments – längst auch in höheren Qualitäten der Anbauverbände Bioland, Naturland und Demeter. Allerdings sei das Verständnis für Bio mitunter noch ausbaufähig, meint Andreas Swoboda, Geschäftsführer der Bio-Großbäckerei Bio Breadness aus dem hessischen Fulda.
Sein reiner Bio-Betrieb liefert Tiefkühl-Aufbackware hauptsächlich an den konventionellen Handel. Etwa 80 Prozent der Bio-Brote und -Brötchen werden in den Filialen frisch aufgebacken und anschließend lose verkauft, der Rest landet in heimischen Backöfen. Insgesamt sind rund 70 Prozent der Produkte Verbandsware.
“Mit einem engen Sortiment an Bio-Artikeln kann ich keine ökologische Landwirtschaft betreiben, weil die eine viel größere Vielfalt benötigt. Wenn beispielsweise Sonnenblumenkerne in bester Verbandsqualität bei einem Erzeuger ‘übrig’ sind, müssen Hersteller und Handel flexibel genug sein, dass ein entsprechender Sonderartikel produziert werden kann und den Weg in die Regale findet. Damit kann man sich sogar auf dem Markt noch profilieren”, erklärt Swoboda, der auch die Welt des Handels bestens kennt. Bevor er 2006 Geschäftsführer der Bio Breadness wurde, war er unter anderem 16 Jahre beim Lebensmittelhändler Tegut – zuletzt in der Geschäftsleitung – tätig. In den Regalen müsse auch für Bio-Produkte Platz sein, die nicht die absoluten Schnelldreher sind, aber Arten- und Sortenvielfalt auf den Höfen ermöglichen. Daher bleibe der Bio-Fachhandel ein wichtiger Partner, um dies zu ermöglichen. “Dafür hat er meist entsprechende Eckartikel gelistet. Für die Bio-Konsumenten wird er bedeutsam bleiben, weil sie dort auch weiterhin Spezialitäten finden werden, die nicht in andere Handelsstrukturen gelangen.”
Ein noch größeres Manko seien die mit einem Jahr zu kurzen Ausschreibungszeiträume des Handels. “Landwirtinnen und Landwirte planen ihre Fruchtfolgen viel weiter im Voraus. Sie benötigen Planbarkeit und verlässliche Einnahmen, von denen sie gut leben, ihren Betrieb weiterentwickeln und damit zukunftssicher machen können. Kurzfristige Sortimentsänderungen gefährden landwirtschaftliche Betriebe. Dieses tiefgreifende Bewusstsein für Bio muss sich bei den Herstellern und dem Handel noch festigen. Wenn das gelänge, wären wir einen Schritt weiter.”
Zudem sei es gefährlich, sobald Handelshäuser ihren harten Wettbewerb auf die Bio-Lebensmittelbranche übertragen. Erzeuger und Verarbeiter bräuchten breite Vertriebskanäle, denn sie seien mit ihrer ökologischen Wirtschaftsweise schon spezialisiert genug. Wettbewerb in Sachen Qualität begrüßt Swoboda allerdings ausdrücklich. “Aus meiner Sicht ist es die richtige Handelsstrategie, sich immer wieder besser zu positionieren. Beispielsweise könnte man bei regionaler Herkunft, Tierwohl und dergleichen nachschärfen. So entwickeln sich vorgelagerte Stufen qualitativ weiter. Ich freue mich über jeden Hersteller, der für die ökologische Landwirtschaft Nachfrage generiert.” Jens Brehl
Deutsche Fischer haben im vergangenen Jahr deutlich weniger Fisch an Land gebracht als im Vorjahr. Insgesamt kamen sie auf 150.249 Tonnen und damit 8 Prozent weniger als im Vorjahr, wie die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) am Montag in ihrer jährlichen Statistik über die deutsche Hochsee- und Küstenfischerei mitteilte. “Bei den Gründen für den Rückgang der Anlandemengen spielen gekürzte Fangquoten und Fangtage sowie jährliche Schwankungen durch Umwelteinflüsse eine maßgebliche Rolle”, berichtete die Behörde.
Trotz der sinkenden Fangzahlen gab es mehr Umsatz: Unter dem Strich bekam die deutsche Fischerei fast 190 Millionen Euro in die Kassen und damit knapp 16 Prozent mehr als im Jahr davor. Die Lust der Bundesbürger auf Fisch und Meeresfrüchte nimmt zurzeit angesichts der stark gestiegenen Preise deutlich ab, wie das Fisch-Informationszentrum in der vergangenen Woche berichtete.
Die geschrumpften Fangmengen machen sich auch in den deutschen Häfen bemerkbar – auch dies ist ein schon seit längerem anhaltender Trend. In den Fischereihäfen von Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Bremen kamen den Daten zufolge noch 21.487 Tonnen Fisch an. Das waren 40 Prozent weniger als im Vorjahr. Mit dem großen Rest von knapp 130.000 Tonnen steuerten deutsche Fischer ausländische Häfen an, meist in den Niederlanden (68 Prozent) und Dänemark (19 Prozent) sowie Marokko (7 Prozent). dpa
Eigentlich war das Leben von Martin Häusling vorgezeichnet: Als Hoferbe übernahm er den “Kellerwaldhof” seiner Eltern im hessischen Bad Zwesten, mit Schweinen, Kühen und einer Käserei. Den Betrieb stellte er auf biologischen Landwirtschaft um. “Ungewöhnlich war, dass ich später Berufspolitiker wurde”, sagt Häusling. Seit 2009 ist er Mitglied des Europäischen Parlaments, für die Grüne/EFA-Fraktion bisher agrarpolitischer Sprecher und damit einer der einflussreichsten Abgeordneten. Denn die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) macht mit 30 Prozent einen großen Teil des EU-Haushalts aus, jährlich 55,7 Milliarden Euro.
Bereits im Alter von 18 Jahren trat Häusling den Grünen bei, er ist Mitbegründer des hessischen Landesverbands. Damals engagierte er sich in der Anti-Atomkraft-Bewegung und demonstrierte gegen den Bau eines AKW in Borken – mit Erfolg, es wurde nicht gebaut. Seit 1981 war Häusling Lokalpolitiker, von 2003 bis 2009 war er Mitglied im Hessischen Landtag. Auf die Bundesebene habe es ihn nie gezogen. Für die Agrarpolitik spiele die Musik nun einmal in Brüssel.
Vielen Agrar-Lobbyisten ist Häusling ein Dorn im Auge. “Ich bin eine gute Zielscheibe, wenn man sich an den Grünen abarbeiten will“, sagt er. “Wenn man eine provokative Veranstaltung wünscht, lädt man den Häusling ein.” Häusling spielt gern mit, denn er weiß, wovon er redet.
Sein Wunsch ist nicht, dass alle wie er biologisch wirtschaften. Aber er setzt sich für eine massive Reduktion von Pestiziden ein. Allerdings gebe es massiven Widerstand von der anderen Seite. “70 Jahre konventionelle Landwirtschaft haben die Bauern in eine Abhängigkeit der Industrie gebracht”, sagt Häusling. “Manche Bauern glauben, sie können ohne Pestizide keine Landwirtschaft machen.”
Häusling bereitet sich bereits auf die kommenden GAP-Verhandlungen vor. Die aktuelle läuft zwar noch bis 2027, aber: “Nach der GAP ist vor der GAP.” Die Grünen wollen ihre Forderungen vor der Kommission parat haben. Insbesondere kritisiert Häusling die Direktzahlungen pro Hektar. Denn viele kleine Landwirte seien gar keine Landbesitzer mehr und würden benachteiligt.
Außerdem brauche es eine ökologische Transformation. “Wir sollten Landwirte für Leistungen bezahlen, die ihnen die Gesellschaft nicht mehr über den Preis von Nahrungsmitteln bezahlt.” Damit meint Häusling Öko-, Biodiversitäts-, und Klimamaßnahmen. Der EU-Abgeordnete ist sich sicher, dass es einer grundlegenden Reform bedarf. Tom Schmidtgen
wenn die Borchert-Kommission hinschmeißt, wirft das kein gutes Licht auf das von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir geführte Ressort. Am heutigen Dienstag werden die Mitglieder des Beratungsgremiums offenbar über eine Auflösung abstimmen, heißt es aus gut informierten Kreisen. Die Initiative dafür soll Gremienleiter Jochen Borchert ergriffen haben. Ob die Mehrheit der Mitglieder Borcherts Anliegen mitträgt, ist allerdings offen.
In einem noch nicht veröffentlichten, auf den heutigen Dienstag datierten Statement, das Table Media vorliegt, heißt es, dass die politischen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung der Empfehlungen des Kompetenznetzwerks weder in der vorherigen Legislaturperiode noch in den ersten zwei Jahren der laufenden Legislaturperiode geschaffen worden seien. Auch der Entwurf des Bundeshaushalts 2024 lasse den “notwendigen Durchbruch” nicht erkennen. Das Kompetenznetzwerk beende deshalb seine Arbeit.
Konkret fordert das Gremium im Statement zwei Dinge. Erstens, die Ausgestaltung der laufenden Tierwohlprämien im Rahmen langfristiger und rechtssicherer Verträge. Zweitens, eine “ausreichende” Finanzausstattung für die Umstellung einer jährlich steigenden substanziellen Anzahl ökologischer und konventioneller Betriebe.
Borchert hatte bereits vor einigen Wochen angekündigt, dass die von ihm geleitete Kommission ihre beratende Tätigkeit einstellen werde, sollte sich die Bundesregierung bei ihren Haushaltsberatungen auf keine ausreichende Finanzausstattung für den Umbau der Tierhaltung einigen können.
Professor Lademann, im Lebensmitteleinzelhandel teilen sich nur vier Player 85 Prozent aller Umsätze: Edeka, Aldi, Rewe und die Schwarz-Gruppe mit Lidl und Kaufland. Das jedenfalls zeigt eine Studie über Marktkonzentration, deren Co-Autor Sie sind. Bilden die vier ein Handelskartell?
Nicht ein Kartell, aber ein marktbeherrschendes Oligopol. Die vier müssen sich nicht abstimmen, sondern beobachten täglich gegenseitig ihre Preisbewegungen. Der einstige Marktführer Aldi hat beim Konzentrationsprozess Marktanteile verloren und liegt nur noch bei 12 Prozent. Edeka führt jetzt mit 25 Prozent. Edeka hat, genau wie die Schwarz-Gruppe und Rewe, durch Aufkäufe massiv zugelegt.
30 Prozent aller Preiserhöhungen bis 2021 waren laut Ihrer Studie allein auf die Marktkonzentration der 20 Jahre zuvor zurückzuführen. Müsste der Gesetzgeber eingreifen?
Das Kartellamt greift bei Fusionen im LEH durchaus ein. Es müsste freilich dafür sorgen, dass die Spitzengruppe keine Übernahmen mehr tätigen darf. Die Gesetze sind da: Dazu braucht es die klare Beweisführung, dass eine Marktbeherrschung vorliegt. Als marktbeherrschend gilt ein Oligopol, wenn die Top-Drei-Unternehmen einen Anteil von über 50 Prozent haben. Das ist seit zehn Jahren der Fall. Außerdem darf es weder innerhalb des Oligopols nennenswerten Wettbewerb geben noch außerhalb, mit dem sogenannten Restwettbewerb. Letzteres ist klar gegeben: Es gibt nur noch kleine, regionale Wettbewerber. Ein “wesentlicher Wettbewerb”, der die Großen zwingt, die Preise niedrig zu halten, findet durch sie nicht statt.
Und was ist mit dem Wettbewerb unter den Großen?
Der Binnenwettbewerb ist deutlich erlahmt. Denn die Verbraucher müssen immer weitere Strecken überwinden, um von einem Laden zum anderen zu wechseln. Auch auf der Ladenebene beobachten wir eine Konzentration: Läden scheiden aus, neue sind größer. Insgesamt werden es weniger und die Abstände zwischen ihnen wachsen. Durch die Größe brauchen die Leute für ihren Einkauf länger. Und diese Zeit ist eine Wechselbarriere.
Was folgt daraus?
Bisher war man davon ausgegangen, dass die großen vier zwar im Einkauf die Preise drücken können, aber gezwungen sind, Preissenkungen an den Verbraucher weiterzugeben. Die Zahlen in unserer Studie beweisen das Gegenteil: Mit jedem Konzentrationspunkt wurde das Preisniveau im Schnitt um ein halbes Prozent angehoben. Da der Käufer nicht mehr flexibel genug ist, um einfach wegzulaufen, kann die Ware verteuert abgesetzt werden. Die Inflation im Lebensmittelbereich beruht zu einem erheblichen Teil darauf. Da müssten beim Kartellamt eigentlich die Alarmsirenen schrillen.
Was könnte das Kartellamt machen?
Das Kartellrecht konsequent anwenden bei der Fusionskontrolle! Wir haben vorgeschlagen, dass Edeka, Rewe und die Schwarz-Gruppe keine weiteren Läden übernehmen dürfen, etwa im Zusammenhang mit der Zerschlagung von Real. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) könnte dahingehend novelliert werden, dass die nach dem Agrarorganisationen- und Lieferkettengesetz (Agrar OLkG) verbotenen Praktiken in Verbindung mit den Marktanteilen oberhalb der Vermutungsschwellen als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung bewertet werden. Dann könnte das Kartellamt direkt gegen die Spitzengruppe vorgehen.
Was für unlautere Praktiken sind das?
Es kommt immer noch zu unfreiwilligen Retouren auf Kosten des Lieferanten, auch von landwirtschaftlichen Produkten. Das verbietet zwar das Agrar OLkG, aber die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung erlaubt Ausnahmen. Bei Kommissionsgeschäften wie dem Pay-on-Scan-Modell bleibt der Lieferant Eigentümer der Ware, bis der Kunde gezahlt hat. Und das darf genutzt werden, obwohl damit das neue Verbot unterlaufen werden kann. Das Agrar OLkG greift teilweise zu kurz. Es könnte z.B. mittels einer Generalklausel alle Praktiken, die Risiken einseitig auf einen Vertragspartner abwälzen, untersagen. Und es sollte auch nicht Lieferanten ab einer Größe von 350 Millionen Euro Jahresumsatz ausnehmen.
Das heißt, dass auch große Lieferanten vom Handel getriezt werden können?
Nach unserer Untersuchung werden die großen Unternehmen sogar überproportional geschädigt – namentlich etwa Molkereien oder Fleischfabrikanten. Für sie ist es schwierig, sich beispielsweise gegen teils willkürliche und nur einseitig wirkende Vertragsstrafen zu wehren. Das drückt auf die Preise, die diese Lieferanten ihren Landwirten zahlen können.
Was beobachten Sie an unlauteren Praktiken?
Der Handel sagt etwa: Lieber Hersteller, du lieferst auf Anforderung und musst garantieren, dass du immer lieferfähig bist. Sonst zahlst du eine Konventionalstrafe. Die Lagerkosten trägt also schonmal der Hersteller. Wenn Aldi, Rewe oder Edeka plötzlich merken, die Sonne scheint, wir brauchen mehr Getränke, dann muss ein Getränkehersteller liefern. Er kann nicht sagen: Das ist jetzt zu kurzfristig, das schaffe ich nicht. Wenn es dagegen länger regnet, schickt der Handel die Ware wieder zurück. Dazu kommt oft die Verpflichtung, einen Spediteur nach der Wahl des Händlers zu nehmen. Wenn dieser Spediteur dann – ganz aus Versehen – die Ware zu spät liefert, zahlt der Hersteller eine Vertragsstrafe. Pro LKW beispielsweise 700 Euro.
Das klingt ja fürchterlich!
Oh, da gibt es noch ganz andere Sachen, bis hin zu Beschimpfungen unter der Gürtellinie. Das hat freilich System: Die Einkäufer werden dafür bezahlt, Hersteller unter Druck zu setzen, und leider nicht dafür, mit ihnen zu kooperieren. Häufig ist es so, dass sie eine Prämie dafür erhalten, dass der Preis gegenüber dem Vorjahr nicht steigt oder nur unterhalb der Inflationsrate. Alle Prämienanreize sind so gesetzt, dass in der Warengruppe des Einkäufers die Gesamtkosten niedrig bleiben. Das nennt man seitens des Handels “Sorge um die Wohlfahrt des Verbrauchers”. Da wird Wohlfahrt auf dem Rücken der Landwirtschaft und der Industrie ausgetragen.
In Ihrer Befragung sagen 85 Prozent der Hersteller, Sie verhandelten nicht auf Augenhöhe. Sie könnten selbst dann keine höheren Preise erreichen, wenn sie höhere Kosten haben. Wie können wir da je zu echter Qualität kommen, zu nachhaltiger Produktion, besserer Tierhaltung?
Faustregel ist: Schwankende Produktionskosten – Energiekosten, Futtermittelkosten – kann der Lieferant teilweise weitergeben. Fixkosten dagegen nicht. Wenn Aldi sagt, wir nehmen nur noch Fleisch ab Haltungsstufe 3, dann muss der Landwirt selbst sehen, wie er die Investition in größere Ställe stemmt. Das ist wirklich ein Problem: Die Politik will eine bessere Tierhaltung, aber der Landwirt kann die Kosten dafür nicht an den Verbraucher weitergeben.
40 Prozent der Hersteller gaben in Ihrer Studie aber an, gar keine oder weit unterproportionale Preiserhöhungen durchsetzen zu können, nicht einmal für schwankende Kosten …
… und das bedeutet: Wenn der Handel so weitermacht mit dem Druck auf die Hersteller, wird auch die Industrie sich weiter konzentrieren. Denn wer einen Abnehmer verliert, verliert schonmal 20 Prozent seines Umsatzes. So einen Verlust kann ein mittelständischer Betrieb in der Regel nicht mehr ausgleichen – zumal er ja keinen anderen großen Abnehmer finden wird, wenn er bereits an drei oder vier der Großen liefert.
Dabei wissen wir, dass eine kleinteilige Landwirtschaft gut ist für die Biodiversität. Und dass Monokulturen weniger klimaresilient sind. Was müsste die Politik tun?
Die Politik ist darauf ausgerichtet, den Verbrauchern günstige Preise zu garantieren. Spielräume für Preissenkungen begrüßt sie mit Kusshand. Auch das Kartellamt greift nicht ein, solange die Preise schön niedrig bleiben. Man nimmt billigend in Kauf, dass die Lebensmittelindustrie drangsaliert wird, solange die Preise stabil sind. Die Erzeugerpreise sind aber einerseits nur deshalb niedrig, weil es Marktbeherrschung gibt. Und zugleich sind sie für den Verbraucher nicht ganz so niedrig, wie sie sein könnten, weil der Handel die Spielräume für Preiserhöhungen für sich nutzt.
Seit dem Überfall auf die Ukraine fallen die Preissteigerungen für Lebensmittel höher aus als die Inflation. Liegt das auch an der Marktmacht des Handels?
Dazu gibt es noch keine belastbaren statistischen Zahlen. Da die Ernährungsindustrie besonders auf Gas angewiesen ist, erklären sich höhere Preise auch damit. Hinzukommt, dass es für die Hersteller wichtig ist, nicht den Kostensteigerungen hinterherzulaufen, sondern vor die Welle zu kommen. Sie müssen ja in Vorleistung gehen, bis ihre Produkte verarbeitet und verkauft sind. Das heißt, sie versuchen Mehrkosten zu antizipieren. Das funktioniert in zwei Runden: Die Industrie erhöht die Preise. Der Handel muss diese teilweise schlucken, weil er sonst die Ware nicht kriegt. Anschließend, wenn die Preise beim Kunden nicht durchsetzbar sind und der die Produkte liegen lässt, geht der Handel zur Industrie und sagt: Ihr müsst euch jetzt stärker beteiligen, wir brauchen da einen Rabatt.
Seit 20 Jahren geben die Deutschen im Schnitt gerade einmal 15 Prozent ihres Einkommens für Nahrungsmittel, Getränke und Tabak aus. Auch 2022 war die Quote nicht höher. Gleichzeitig sorgt die Landwirtschaft für 90 Milliarden Euro an externen Umweltkosten, etwa durch CO2-Emissionen oder Wasserverschmutzung. Die sollen die Landwirte künftig vermeiden …
… mit dem gleichen Geld. Das wird nicht funktionieren, solange die Politik das Verteilungsproblem immer zugunsten des Verbrauchers ausgehen lässt. Das ist schon eine echte Herausforderung, weil natürlich das Eingreifen in die Preisbildung ein Eingriff in das Heiligtum des Wettbewerbs wäre. Aber die Preisbildung ist eben ein Stück weit aus dem Ruder gelaufen, und findet nur noch bei eingeschränktem Wettbewerb statt.
Bioland und Naturland haben jetzt vom Handel gefordert, durchschnittliche Produktionskosten als Orientierungspreise zu nehmen. Für einen Liter Biomilch haben sie 67 Cent errechnet.
Das klingt nach einer verbandspolitischen Äußerung, die kartellrechtlich in Verbindung mit dem neuen Paragraf 210a der Gemeinsamen Marktordnung gegebenenfalls erlaubt werden könnte – obwohl sie den Verbandsmitglieder signalisiert, 67 Cent zu verlangen. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass die Forderung Erfolg hat. Wegen der Marktmacht der Händler – und wegen der Verbraucher. Wenn Milchviehhalter zuvor Öko-Futtermittel aus der Ukraine zugekauft haben, und sie die jetzt anderswo teurer kaufen müssen, nimmt der Verbraucher die teure Bio-Milch womöglich nicht mehr ab.
Tatsächlich erwähnen die Verbände den neuen Paragrafen. Er erlaubt Ausnahmen vom Kartellrecht, wenn die Abnehmer mit den Erzeugern von freiwillig nachhaltig hergestellten Lebensmitteln langfristig kostendeckende Preise vereinbaren. Was halten Sie von diesem Weg?
Das wäre für die Landwirtschaft ein geeigneter Ansatz. Nur ist es mit der Einigkeit unter den Erzeugern schwierig: Die Produktionskosten zwischen den Betrieben unterscheiden sich erheblich. Derjenige, der günstig produziert, dürfte kein Interesse an höheren Preisen haben. Denn dadurch verliert er ja seinen Verkaufsvorteil.
Für die Akteure im Landwirtschafts- und Energiesektor war das, was das Bundeskabinett vergangene Woche als Solarpaket 1 verabschiedet hat, in vielen Bereichen eine Überraschung. Hatten sie sich darauf eingestellt, in dem Gesetzentwurf kaum bis keine Bestimmungen zum Thema Agri-PV zu finden, waren die Solaranlagen, mit denen Strom auf landwirtschaftlich genutzten Flächen generiert wird, darin plötzlich zu einem zentralen Thema geworden. “Ein weiterer Schwerpunkt des Pakets liegt darin, Flächen für Solarparks auf eine naturverträgliche und nachhaltige Art bereitzustellen und dabei mit Agri-PV landwirtschaftliche Flächen doppelt zu nutzen – für die Landwirtschaft und für die Stromerzeugung“, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) nach dem Kabinettsbeschluss.
Damit das gelingt, hat das beim Solarpaket 1 federführende Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) in engen Abstimmungen mit dem Bundesministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (BMUV) und dem Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung (BMEL) den Gesetzentwurf in den vergangenen Wochen um neue Bestimmungen für Agri-PV ergänzt. Diese sehen nicht nur einen deutlichen Anstieg der Höchstsätze für Strom aus diesen Anlagen vor, sondern auch Zuschüsse für Naturschutzmaßnahmen.
Sogenannte extensive Agri-PV-Anlagen, die auf bestimmten Flächen vertikal oder mit einer Höhe von mindestens 2,1 Metern aufgeständert sind, erhalten demnach einen Bonus von 0,3 Cent, wenn unter ihnen beispielsweise nachweislich keine Herbizide eingesetzt werden und sie Blühstreifen im Umfang von fünf Prozent der Gesamtfläche bereitstellen. Statt der bisherigen 8,57 Cent pro Kilowattstunde, sollen Betreiber von Solaranlagen, die neu auf landwirtschaftlich genutzten Flächen entstehen, im kommenden Jahr bis zu 9,5 Cent pro Kilowattstunde erhalten.
Für Experten wie die Rechtsanwältin Alexandra Thiel, die sich mit ihrer Kanzlei agrilex auf Agrar- und Wirtschaftsrecht mit besonderem Fokus auf Erneuerbare Energien spezialisiert hat, ist das deutlich mehr als erwartet. Sie liest die geplante Erhöhung als ein Signal der Bundesregierung, die Agri-PV massentauglich machen zu wollen. Schließlich waren es bislang unter anderem die hohen Preise für den benötigten Stahl, die Agri-PV-Anlagen weniger attraktiv erscheinen ließen. Doch auch mit neuen Höchstsätzen sei die Agri-PV in der Praxis noch weit von Massentauglichkeit entfernt, so Thiel weiter, die Landwirte und Unternehmen bei Fragen rund um Erneuerbare-Energien-Projekte berät. Das hat unterschiedliche Gründe, wie Thiel am Beispiel der extensiven Agri-PV erklärt. Obwohl wissenschaftlich nachgewiesen sei, welche Bauweisen und Bewirtschaftungsformen Biodiversität förderten, führe der Gesetzentwurf andere technische Anforderungen an, moniert Thiel. “Das kann diese Anlagenart unnötig verkomplizieren und unter Umständen die Massentauglichkeit verhindern, also auch den schnellen Ausbau der Erneuerbaren Energien in Kombination mit Landwirtschaft und Artenvielfalt”, fürchtet die Agrarrechtsexpertin.
Ein weiteres Problem, das der Gesetzentwurf aufwirft, ist das Verhältnis zwischen der Förderung extensiver Agri-PV durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und den Direktzahlungen, die Landwirte aus der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) erhalten. Im Zusammenhang mit der extensiven Agri-PV sieht der Gesetzentwurf Zuschüsse für Naturschutzmaßnahmen vor, die bereits über die GAP – etwa entlang der GLÖZ-Standards und freiwilligen Öko-Regelungen – gefördert werden. Um hier eine Doppelförderung zu vermeiden und für alle Akteure Klarheit zu schaffen, brauche es deshalb Anpassungen im Agrarrecht wie beispielsweise eine eigene Definition extensiver Agri-PV, sagt die Agrarrechtsexpertin Thiel. Hoffnung setzt sie in diesem Zusammenhang in die Verordnungsermächtigung, die der Gesetzentwurf zum Solarpaket 1 für die extensive Agri-PV vorsieht. “Diese muss genutzt werden, um die Verordnung zur Durchführung der GAP-Direktzahlungen so anzupassen, dass die Landwirtschaft ein Interesse hat, aufzuspringen. Nur dann wird diese Anlagenart eine realistische Chance haben, sich als Alternative zur Freiflächen-PV zu etablieren”, so Thiel.
Ähnlich sieht das auch Robert Busch, Geschäftsführer des Bundesverbands Neue Energiewirtschaft (bne). Während er die neuen Regelungen für extensive Agri-PV lobt, hält er diese allein für nicht ausreichend. “Jetzt muss auch das Agrarrecht so angepasst werden, dass Photovoltaik endgültig kein Fremdkörper mehr für die Landwirtschaft ist”, sagt Busch.
Die friedliche Koexistenz von Landwirtschaft und Photovoltaik sehen die Agrar- und Forstverbände in Deutschland derweil aus ganz anderen Gründen gefährdet. Ihnen ist die Duldungspflicht im Gesetzentwurf ein Dorn im Auge, der zufolge Grundbesitzer künftig Leitungen von Solaranlagen auf ihren Flächen akzeptieren müssen, dafür aber Entschädigungszahlungen erhalten. Trotzdem warnt der Deutsche Bauernverband (DBV) vor diesem Hintergrund vor einem Akzeptanzverlust im ländlichen Raum für die Photovoltaik. “Die geplante Duldungspflicht für Leitungen ist verfassungsrechtlich fragwürdig, kommt einer entschädigungslosen Enteignung gleich und missachtet die Rechte der Bewirtschafter und Grundstückseigentümer”, kritisiert DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken den Gesetzentwurf. Er spricht sich dafür aus, an privaten Verhandlungen zwischen Grundbesitzer und Anlagenbetreiber festzuhalten, die sich in der Vergangenheit bewährt hätten.
Eine ähnliche Kritik formuliert auch Leo von Stockhausen, Geschäftsführer der Familienbetriebe Land und Forst. Er fordert, die Belange der Betroffenen vor Ort stärker zu berücksichtigen. “Dazu gehört, dass Grundstücksnutzungen nicht durch gesetzliche Anordnung, sondern durch vertragliche Vereinbarungen geregelt werden, die angemessene Vergütungen vorsehen”, sagt von Stockhausen. Eine “angemessene finanzielle Kompensation” für Flächenbesitzer fordert auch der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Steffen Bilger. “Der Vorschlag der Bundesregierung wirft hier noch erhebliche Fragen auf”, merkt Bilger an.
Fragen, denen sich die Bundesregierung wohl auch im weiteren Gesetzgebungsprozess stellen muss. Nach dem Kabinettsbeschluss von vergangener Woche wird der Bundestag im Herbst über das Solarpaket 1 diskutieren. Dort will sich die Bundestagsabgeordnete und Agrarexpertin Monika Spallek (Grüne) dafür einsetzen, “dass Bäuerinnen und Bauern direkt von der Sonnenernte profitieren” und die extensive Agri-PV zum Standard wird. Spallek fordert außerdem einen Bonus für kleinere Agri-PV-Anlagen unter 2,5 Hektar, die räumlich-funktional mit einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb verbunden sind sowie eine bessere Förderung vertikal installierter bifazialer Solarmodule in Ost-West-Ausrichtung. Diese vertikalen Solarmodule böten Erosionsschutz, schonten das Landschaftsbild und könnten vor allem als Zäune mitgenutzt werden.
Doch bevor die neuen Bestimmungen zu Agri-PV im kommenden Jahr wirklich in Kraft treten können, gibt es noch eine weitere Hürde. Denn wichtige Teile des Kabinettsbeschlusses stehen unter Beihilfevorbehalt aus Brüssel. Die Vergütung für Agri-PV kann also erst dann wie vorgesehen erhöht werden, wenn die EU-Kommission dies genehmigt hat. Unter Vorbehalt steht auch der zusätzliche Bonus für die extensive Agri-PV. Angesichts der überschaubaren Änderungen könnte die Genehmigung allerdings recht schnell erteilt werden. Das deutlich umfangreichere EEG 2023 hat die Kommission Ende vergangenen Jahres bewilligt – knapp ein halbes Jahr nach dem Beschluss des Bundestages.
Welche Weichen sollte die europäische und deutsche Agrar- und Ernährungspolitik stellen?
Gerade bei der Ernährungssicherung müssen Deutschland und die EU ihre Souveränität stärken. Wir brauchen ein neues gesellschaftliches Bewusstsein für die Wertschöpfung, die unsere Land- und Ernährungswirtschaft tagtäglich erbringt. Diese Wertschätzung muss sich auch finanziell durch einen verlässlichen Umgang mit einem guten Auskommen niederschlagen, um eine nachhaltigere Form des Wirtschaftens zu fördern.
Was erwarten Sie von grüner Gentechnik?
Von den neuen Züchtungsmethoden erwarte ich mir einen wichtigen Beitrag zur Ernährungssicherung, zum Umgang mit dem Klimawandel und zur Reduktion von Pflanzenschutzmitteln. Ich rate jedem, diese Chancen nicht durch vorschnelle Ablehnungsreflexe zu vertun. Dabei denke ich vor allem an die Grünen: Wissenschaftlichkeit darf man nicht nur bei den Themen einfordern, die in die eigene Ideologie passen.”
Auf welche Regulierungen für den Agrifood-Sektor hätten Sie gerne verzichtet?
Noch besteht die Chance, dass es bei Lebensmitteln nicht zu den von Minister Özdemir geplanten weitgehenden Werbeverboten kommt. Özdemir zielt mitnichten nur auf Lebensmittel für Kinder, sondern will Ordnungsrecht schaffen, wo es fehl am Platz ist. Der mündige Verbraucher braucht keine Lebensmittel-Zensur!
Steffen Bilger ist seit 2009 direkt gewählter Abgeordneter für den Wahlkreis Ludwigsburg. Zwischen März 2018 und Dezember 2021 war er Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMDV). Seit Dezember 2021 ist er stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Lettland könnte im Herbst mit dem Export ukrainischen Getreides über seine Häfen beginnen. Das Volumen könnte bis zu einer Million Tonnen pro Jahr erreichen, sagte Rinalds Pļavnieks, der Vorstandsvorsitzende der lettischen Eisenbahnen kürzlich gegenüber dem lettischen Rundfunk. “Gerade jetzt bietet sich eine Gelegenheit für den Transport ukrainischen Getreides.”
Ganz einfach ist das Unterfangen nicht. Das Getreide müsse durch Polen transportiert werden, das eine andere Spurweite als Lettland und die Ukraine hat und dadurch zwei Umladevorgänge erfordert. Das wiederum schlägt sich in höheren Kosten nieder. Der CDU-Europaabgeordnete Norbert Lins hatte gegenüber Table.Media von der EU gefordert, einen Teil der Transportkosten für ukrainisches Getreide zu übernehmen.
“Wir gehen davon aus, dass etwa 500.000 bis eine Million Tonnen pro Jahr über diesen Transitkorridor transportiert werden könnten”, sagte Pļavnieks weiter. Hintergrund für die Anstrengungen ist der Rückzug Russlands aus dem Schwarzmeer-Abkommen. Das Abkommen hatte die Ausfuhr von Getreide aus der Ukraine über das Schwarze Meer ermöglicht. Die Ukraine ist einer der weltweit größten Exporteure von Getreide und auch wirtschaftlich stark darauf angewiesen. Im vergangenen Jahr kam die Ukraine auf knapp 60 Millionen Tonnen Getreideernte.
Letzten Monat hat Litauen die Europäische Kommission gebeten, eine Route für ukrainisches Getreide über fünf Häfen in den baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen zu entwickeln. Die fünf Häfen haben zusammen eine jährliche Getreideexportkapazität von 25 Millionen Tonnen, heißt es in einem Schreiben. rtr/lei
Das Interesse von Landwirten nach einer Beratung zu alternativen Betriebskonzepten hat nach Angaben der Landwirtschaftskammer in Niedersachsen deutlich zugenommen. “Viele Betriebe, die bisher zum Beispiel mit der Produktion von Milch oder mit der Schweinemast ihr Geld verdienen, sehen ja seit einiger Zeit, dass die Nachfrage nach den von ihnen gelieferten Produkten zurückgeht”, sagte ein Kammersprecher in Oldenburg. Die Landwirtinnen und Landwirte würden daher nach weiteren oder anderen Einkommensmöglichkeiten suchen. Dabei müssten sie in alle Richtungen denken. Auch die Politik unterstütze die Diversifizierung in der Landwirtschaft.
Dabei sei es für Betriebe mit kleiner Anbaufläche grundsätzlich schwierig, mit reinem Pflanzenbau wie Getreide oder Hülsenfrüchte dieselben Einkünfte zu erzielen wie mit der Fleisch- und der Milchproduktion, hieß es. “Es sollte auch nicht jeder zweite Betrieb ein Hofcafé oder einen Hofladen eröffnen, wenn die Standortbedingungen nicht möglichst perfekt passen”, erklärte der Kammersprecher. Direktvermarktung, Bauernhofgastronomie und Ferienwohnungen seien zwar lokal und regional erfolgreich, aber kein Allheilmittel.
Eine hohe Nachfrage verzeichne die Kammer bei Beratungsanfragen zur Energieerzeugung mit Biogas, Biomethan und Photovoltaik-Anlagen. Auf diesem Sektor ließen sich Einkommensverluste wahrscheinlich am ehesten kompensieren – vorausgesetzt, die politischen Rahmenbedingungen stimmen. Aber auch das sei keine Alternative für jeden Betrieb.
Anders sieht das Bild im Biobereich aus: Hier sei die Nachfrage nach Umstellungsberatung vor einem bis eineinhalb Jahren zurückgegangen, hieß es vom Kompetenzzentrum Ökolandbau Niedersachsen. Verarbeiter würden aber weiterhin Bio-Ware suchen.
Ein Grund für das schleppende Umstellungsinteresse seien die guten konventionellen Erzeugerpreise, die Bio-Preise seien nicht so stark gestiegen. Bio-Landwirtschaft bleibe aber dennoch interessant, weil Bio-Landwirte bis auf wenige Ausnahmen ein ebenso hohes oder höheres Einkommen erzielen als ihre konventionellen Kollegen, hieß es. dpa
Im konventionellen Lebensmitteleinzelhandel wie auch beim Discounter sind Bio-Lebensmittel fester Bestandteil des Sortiments – längst auch in höheren Qualitäten der Anbauverbände Bioland, Naturland und Demeter. Allerdings sei das Verständnis für Bio mitunter noch ausbaufähig, meint Andreas Swoboda, Geschäftsführer der Bio-Großbäckerei Bio Breadness aus dem hessischen Fulda.
Sein reiner Bio-Betrieb liefert Tiefkühl-Aufbackware hauptsächlich an den konventionellen Handel. Etwa 80 Prozent der Bio-Brote und -Brötchen werden in den Filialen frisch aufgebacken und anschließend lose verkauft, der Rest landet in heimischen Backöfen. Insgesamt sind rund 70 Prozent der Produkte Verbandsware.
“Mit einem engen Sortiment an Bio-Artikeln kann ich keine ökologische Landwirtschaft betreiben, weil die eine viel größere Vielfalt benötigt. Wenn beispielsweise Sonnenblumenkerne in bester Verbandsqualität bei einem Erzeuger ‘übrig’ sind, müssen Hersteller und Handel flexibel genug sein, dass ein entsprechender Sonderartikel produziert werden kann und den Weg in die Regale findet. Damit kann man sich sogar auf dem Markt noch profilieren”, erklärt Swoboda, der auch die Welt des Handels bestens kennt. Bevor er 2006 Geschäftsführer der Bio Breadness wurde, war er unter anderem 16 Jahre beim Lebensmittelhändler Tegut – zuletzt in der Geschäftsleitung – tätig. In den Regalen müsse auch für Bio-Produkte Platz sein, die nicht die absoluten Schnelldreher sind, aber Arten- und Sortenvielfalt auf den Höfen ermöglichen. Daher bleibe der Bio-Fachhandel ein wichtiger Partner, um dies zu ermöglichen. “Dafür hat er meist entsprechende Eckartikel gelistet. Für die Bio-Konsumenten wird er bedeutsam bleiben, weil sie dort auch weiterhin Spezialitäten finden werden, die nicht in andere Handelsstrukturen gelangen.”
Ein noch größeres Manko seien die mit einem Jahr zu kurzen Ausschreibungszeiträume des Handels. “Landwirtinnen und Landwirte planen ihre Fruchtfolgen viel weiter im Voraus. Sie benötigen Planbarkeit und verlässliche Einnahmen, von denen sie gut leben, ihren Betrieb weiterentwickeln und damit zukunftssicher machen können. Kurzfristige Sortimentsänderungen gefährden landwirtschaftliche Betriebe. Dieses tiefgreifende Bewusstsein für Bio muss sich bei den Herstellern und dem Handel noch festigen. Wenn das gelänge, wären wir einen Schritt weiter.”
Zudem sei es gefährlich, sobald Handelshäuser ihren harten Wettbewerb auf die Bio-Lebensmittelbranche übertragen. Erzeuger und Verarbeiter bräuchten breite Vertriebskanäle, denn sie seien mit ihrer ökologischen Wirtschaftsweise schon spezialisiert genug. Wettbewerb in Sachen Qualität begrüßt Swoboda allerdings ausdrücklich. “Aus meiner Sicht ist es die richtige Handelsstrategie, sich immer wieder besser zu positionieren. Beispielsweise könnte man bei regionaler Herkunft, Tierwohl und dergleichen nachschärfen. So entwickeln sich vorgelagerte Stufen qualitativ weiter. Ich freue mich über jeden Hersteller, der für die ökologische Landwirtschaft Nachfrage generiert.” Jens Brehl
Deutsche Fischer haben im vergangenen Jahr deutlich weniger Fisch an Land gebracht als im Vorjahr. Insgesamt kamen sie auf 150.249 Tonnen und damit 8 Prozent weniger als im Vorjahr, wie die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) am Montag in ihrer jährlichen Statistik über die deutsche Hochsee- und Küstenfischerei mitteilte. “Bei den Gründen für den Rückgang der Anlandemengen spielen gekürzte Fangquoten und Fangtage sowie jährliche Schwankungen durch Umwelteinflüsse eine maßgebliche Rolle”, berichtete die Behörde.
Trotz der sinkenden Fangzahlen gab es mehr Umsatz: Unter dem Strich bekam die deutsche Fischerei fast 190 Millionen Euro in die Kassen und damit knapp 16 Prozent mehr als im Jahr davor. Die Lust der Bundesbürger auf Fisch und Meeresfrüchte nimmt zurzeit angesichts der stark gestiegenen Preise deutlich ab, wie das Fisch-Informationszentrum in der vergangenen Woche berichtete.
Die geschrumpften Fangmengen machen sich auch in den deutschen Häfen bemerkbar – auch dies ist ein schon seit längerem anhaltender Trend. In den Fischereihäfen von Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Bremen kamen den Daten zufolge noch 21.487 Tonnen Fisch an. Das waren 40 Prozent weniger als im Vorjahr. Mit dem großen Rest von knapp 130.000 Tonnen steuerten deutsche Fischer ausländische Häfen an, meist in den Niederlanden (68 Prozent) und Dänemark (19 Prozent) sowie Marokko (7 Prozent). dpa
Eigentlich war das Leben von Martin Häusling vorgezeichnet: Als Hoferbe übernahm er den “Kellerwaldhof” seiner Eltern im hessischen Bad Zwesten, mit Schweinen, Kühen und einer Käserei. Den Betrieb stellte er auf biologischen Landwirtschaft um. “Ungewöhnlich war, dass ich später Berufspolitiker wurde”, sagt Häusling. Seit 2009 ist er Mitglied des Europäischen Parlaments, für die Grüne/EFA-Fraktion bisher agrarpolitischer Sprecher und damit einer der einflussreichsten Abgeordneten. Denn die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) macht mit 30 Prozent einen großen Teil des EU-Haushalts aus, jährlich 55,7 Milliarden Euro.
Bereits im Alter von 18 Jahren trat Häusling den Grünen bei, er ist Mitbegründer des hessischen Landesverbands. Damals engagierte er sich in der Anti-Atomkraft-Bewegung und demonstrierte gegen den Bau eines AKW in Borken – mit Erfolg, es wurde nicht gebaut. Seit 1981 war Häusling Lokalpolitiker, von 2003 bis 2009 war er Mitglied im Hessischen Landtag. Auf die Bundesebene habe es ihn nie gezogen. Für die Agrarpolitik spiele die Musik nun einmal in Brüssel.
Vielen Agrar-Lobbyisten ist Häusling ein Dorn im Auge. “Ich bin eine gute Zielscheibe, wenn man sich an den Grünen abarbeiten will“, sagt er. “Wenn man eine provokative Veranstaltung wünscht, lädt man den Häusling ein.” Häusling spielt gern mit, denn er weiß, wovon er redet.
Sein Wunsch ist nicht, dass alle wie er biologisch wirtschaften. Aber er setzt sich für eine massive Reduktion von Pestiziden ein. Allerdings gebe es massiven Widerstand von der anderen Seite. “70 Jahre konventionelle Landwirtschaft haben die Bauern in eine Abhängigkeit der Industrie gebracht”, sagt Häusling. “Manche Bauern glauben, sie können ohne Pestizide keine Landwirtschaft machen.”
Häusling bereitet sich bereits auf die kommenden GAP-Verhandlungen vor. Die aktuelle läuft zwar noch bis 2027, aber: “Nach der GAP ist vor der GAP.” Die Grünen wollen ihre Forderungen vor der Kommission parat haben. Insbesondere kritisiert Häusling die Direktzahlungen pro Hektar. Denn viele kleine Landwirte seien gar keine Landbesitzer mehr und würden benachteiligt.
Außerdem brauche es eine ökologische Transformation. “Wir sollten Landwirte für Leistungen bezahlen, die ihnen die Gesellschaft nicht mehr über den Preis von Nahrungsmitteln bezahlt.” Damit meint Häusling Öko-, Biodiversitäts-, und Klimamaßnahmen. Der EU-Abgeordnete ist sich sicher, dass es einer grundlegenden Reform bedarf. Tom Schmidtgen