nach der Kritik von Finanzminister und Parteichef Christian Lindner im Podcast Table.Today hat auch das Präsidium der FDP beschlossen, die EU-Lieferkettenrichtlinie nicht zu unterstützen. Der aktuelle Entwurf der EU schaffe “unverhältnismäßige Hürden und Rechtsunsicherheit”, heißt es in dem Beschlusspapier, das Table.Media vorliegt. Außerdem zeigten die Pläne, wie wenig EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf die Pläne der Wirtschaft eingehe. Die EU-Pläne drohten, das eigentliche Ziel zu konterkarieren. “Wenn sich Unternehmen aus Sorge vor Strafzahlungen aus den Ländern zurückziehen, die von den Investitionen aus Deutschland am meisten profitieren würden, ist niemandem geholfen”, heißt es in dem Papier. Zudem zwinge die geopolitische Lage zu einer Diversifikation der Lieferketten, um Resilienz und Stärke der europäischen Wirtschaft sicherzustellen.
Die Blockade der FDP könnte zu einem neuen Konflikt in der Ampel-Koalition führen. SPD und Grüne unterstützen das Vorhaben bislang. Sollte sich daran nichts ändern, müsste Deutschland sich im Europäischen Rat enthalten, wenn das in den Verhandlungen erzielte Ergebnis mit dem Europaparlament abgestimmt wird. Der Termin dafür steht noch nicht fest, die EU-Botschafter dürften sich aber nicht vor Februar damit befassen, heißt es in Brüssel. Viele Mitgliedstaaten haben das Anliegen der Richtlinie ausdrücklich befürwortet. Bei einem ersten Meinungsaustausch vor Weihnachten bewerteten die Experten der meisten Regierungen das Trilog-Ergebnis grundsätzlich positiv, auch wenn viele Details noch offen sind. Mehr dazu lesen Sie in einer Analyse meiner Kollegen Caspar Dohmen und Leonie Düngefeld.
Herr Özdemir, in dieser Woche lädt Ihr Ministerium internationale Agrarpolitiker und Agrarpolitikerinnen zum Global Forum for Food and Agriculture (GFFA) nach Berlin ein. Auch die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) wird mit von der Partie sein. Im Rahmen der UN-Klimakonferenz in Dubai mahnte die FAO, dass in den letzten drei Jahrzehnten 3,8 Billionen US-Dollar an Ernte- und Viehverlusten durch Katastrophen wie Überschwemmungen und Dürren entstanden seien. Wie groß ist das Bewusstsein, dass der Klimawandel große Auswirkungen auf den Anbau von Lebensmitteln hat und Dürren und andere Faktoren zunehmend Ernährungsunsicherheit bringen?
Aktuell leidet jeder zehnte Mensch auf der Welt Hunger – das ist eine erschreckende Zahl. Die Weltgemeinschaft hat in der Agenda 2030 das Versprechen abgegeben, den globalen Hunger zu beenden. Das müssen wir einlösen. Die Klimakrise ist die größte Bedrohung für die Landwirtschaft, in Deutschland und weltweit. Hier gibt es kein Erkenntnisproblem. In Gesprächen mit meinen Amtskolleginnen und -kollegen aus dem globalen Süden merke ich: Die Luft brennt – und zwar leider nicht nur im übertragenen Sinne. Mancherorts verdorrt das Getreide am Halm.
Sehen Sie dafür ausreichend Unterstützung bei Ihren Kolleginnen und Kollegen?
Wenn wir noch in zehn, 20 und 50 Jahren gute Ernten einfahren wollen, müssen wir unsere Agrar- und Ernährungssysteme klimafest machen, mit praxistauglichen Lösungen für Bäuerinnen und Bauern. Wir Landwirtschaftsministerinnen und -minister treffen uns in Berlin in dem Bewusstsein, dass wir den Kampf gegen den Hunger und die Klimakrise nur gemeinsam bewältigen. In Zeiten, in denen sich Konflikte verschärfen und unsere Welt in Lager zu zerbrechen droht, bauen wir mit der Agrarpolitik Brücken. Hier in Berlin versammeln sich Mitstreiter, keine Gegner.
Der Landwirtschafts- und Ernährungssektor ist aber nicht nur betroffen vom Klimawandel, sondern er verursacht auch Treibhausgasemissionen. Ernährungssysteme tragen zu einem Drittel der globalen Treibhausgasemissionen bei. Rund zwei Drittel dieser Emissionen stammen aus der Herstellung tierischer Produkte. Einer der wichtigsten Aspekte sind dabei Landnutzungsänderungen und Abholzungen. Lateinamerikanische Länder wie beispielsweise Argentinien haben im Zuge des Regierungswechsels angekündigt, künftig mehr Rindfleisch exportieren zu wollen. Wie schätzen Sie die internationale Bereitschaft von Regierungen und Agrarpolitikern ein, den effektiven Hebel für den Klimaschutz zu nutzen und sowohl die Tierhaltung zu reduzieren als auch eine pflanzenbasierte Ernährung zu fördern?
Wie wir uns ernähren, wirkt sich auf die Umwelt und das Klima aus – da gibt es kein Vertun. Und was wir hier bei uns auf den Tellern haben wollen, kann auch Einfluss auf die Lebenschancen ganz woanders haben. Weltweit benutzen wir viel Fläche für die Haltung oder Ernährung von Tieren. Wo früher wertvoller Regenwald stand, wird jetzt Soja angebaut oder stehen Rinder – in den letzten 20 Jahren hat sich die weltweite Produktion von Fleisch um rund die Hälfte erhöht. Für Umwelt und Klima weltweit ist das nicht gesund. Man darf aber auch nicht vergessen: Sehr viele Menschen auf der Welt haben nicht täglich Fleisch auf dem Teller. Mit dem Finger auf die Weltgemeinschaft zu zeigen, steht uns in der westlichen Welt nicht gut zu Gesicht. Ich arbeite mit der Ernährungsstrategie der Bundesregierung daran, dass es bei uns leichter ist, sich gesund und nachhaltig zu ernähren – dazu gehört auch eine stärker pflanzenbetonte Ernährung. Ich will, dass die Menschen bei uns eine echte Wahl haben – entscheiden muss sich dann jeder selbst.
Bisher spielt Ernährungsumstellung als Treiber des Klimawandels bei politischen Maßnahmen aber eine untergeordnete Rolle: Während mehr als 100 Länder Landwirtschaft in ihre Nationally Determined Contributions (NDCs) aufgenommen haben, findet sich nur in fünf NDCs Konsum als Thema. Diese fünf Länder sind Entwicklungsländer mit relativ geringen Treibhausgasemissionen aus der Ernährung. Das ist bislang nicht sehr vielversprechend mit Blick auf eine Transformation der internationalen Ernährungsindustrie. In welchem Zeithorizont wäre eine Einigung auf so etwas wie eine internationale Ernährungsstrategie aus Ihrer Sicht vorstellbar?
Wenn wir weltweit Lebensmittelverschwendung und -abfälle um die Hälfte reduzieren, können alle Menschen auf der Welt mehr als satt werden. Das hat die FAO ausgerechnet. Auf der Weltklimakonferenz in Dubai haben Deutschland und 158 weitere Staaten in der Emirates Declaration festgehalten, dass neben der Landwirtschaft auch die Ernährungssysteme in der Klimakrise eine Schlüsselrolle spielen. Wir sollten dieses Momentum nutzen, um die nationalen Klimabeiträge unter dem Pariser Klimaabkommen weiterzuentwickeln. Dafür brauchen wir den internationalen Ideenaustausch.
Das heißt?
In vielen Ländern Asiens und Afrikas fallen mehr als 90 Prozent aller Lebensmittelabfälle während der Produktion, nach der Ernte und beim Handel an. Jede Tonne Weizen, die produziert ist und dann nicht verloren geht, sichert Ernährung. Beim GFFA wollen wir daher auch ein Bekenntnis dazu, die globale Lebensmittelverschwendung bis 2030 zu halbieren. Dazu braucht es Wissenstransfer und Investitionen in Lagermöglichkeiten und Verarbeitungskapazitäten. Das schaffen wir nur gemeinsam. Wir haben ein Interesse daran, die Ernährungssicherung vor Ort zu stärken. Hilfe zur Selbsthilfe – übersetzt heißt das etwa: Getreidesilos bauen, statt Getreidesäcke liefern.
Durch den Krieg in der Ukraine hat das Thema Ernährungsunsicherheit in internationalen Diskussionen an Gewicht gewonnen – und steht nun für viele Staaten auf der Prioritätenliste, weit vor der Umstellung von Ernährungssystemen. Werden hier die richtigen Prioritäten gesetzt?
Hunger führt zu Konflikten und Flucht. Klimaschutz, Ernährungssicherung und Frieden – das ist ein untrennbarer Dreiklang. Putins brutales Kriegstreiben in der Ukraine, der Kornkammer Europas, war ein Schockmoment für die globale Ernährungssicherung. Das Welternährungsprogramm bezog vor dem Krieg die Hälfte seines Getreides aus der Ukraine. Das ist vom einen auf den anderen Tag weggebrochen. Durch eine enorme internationale Kraftanstrengung sind die ukrainischen Getreideexporte heute wieder auf gutem Niveau. Deutschland hat sich hier stark engagiert und konnte wichtige Beiträge leisten. Wir haben etwa konkret bei Lagermöglichkeiten und nötigen Exportkontrollen unterstützt. Aber die Unsicherheit bleibt und schwebt wie ein Damoklesschwert über denjenigen, die auf ukrainischen Weizen angewiesen sind. Das betrifft die Menschen in den Ländern des globalen Südens, wo die Klimakrise schon mit geballter Kraft zuschlägt.
Wie meinen Sie das?
Wir müssen langfristig weg von Abhängigkeiten, hin zu mehr Ernährungssouveränität. Dafür brauchen die Länder des Globalen Südens aber Partner, um ihre Landwirtschaft nachhaltig und klimaangepasst weiterzuentwickeln. Wir haben mit der Afrikanischen Union eine Zukunftspartnerschaft gestartet. Wir wollen enger zusammenzuarbeiten, um die Ernährungssysteme in Afrika widerstandsfähiger zu machen. Da geht es um nachhaltige Produktionssteigerung, weniger Nachernteverluste, standortangepasstes Saatgut und die Unabhängigkeit von globalen Unternehmen sowie um die Ausbildung von Frauen und Jugendlichen. China engagiert sich ebenfalls stark auf dem Kontinent, investiert in Infrastruktur – aber nicht unbedingt zum Vorteil der Bevölkerung vor Ort. Da werden auch neue Abhängigkeiten geschaffen. Wir setzen dagegen auf echte Partnerschaften und Wissenstransfer.
Ganz konkret: Mit welchem Verhandlungsergebnis im abschließenden Kommuniqué der internationalen AMK werden Sie selbst als Grünen-Politiker zufrieden sein?
Wir haben im Vorfeld der Konferenz ein ambitioniertes Verhandlungspapier verschickt. Ich möchte, dass das Kommuniqué für alle zu einem “call for action”, also einem Aufruf zum Handeln wird. Das heißt mehr Klimaschutz und Klimaanpassung in der Landwirtschaft, Entwaldungsstopp, Erhalt der Biodiversität, sorgsamerer und effizienterer Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Dünger. Dabei nehmen wir vor allem die indigene Bevölkerung und die Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in den Blick. Die kleinbäuerliche Landwirtschaft ernährt die Hälfte der Welt – dieses Potenzial müssen wir erhalten und stärker nutzen. Nachhaltigkeit braucht außerdem funktionierende Strukturen. Das heißt, gutes Regierungshandeln genauso wie die Rolle von Frauen in der Landwirtschaft zu stärken.
Da schreiben Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen einiges ins Aufgabenheft.
Zur Wahrheit gehört natürlich, dass nicht allein die Landwirtschaftsministerinnen und -minister entscheiden. Es braucht breite politische und gesellschaftliche Allianzen. Unser Kommuniqué wird daher auch ein Appell an die eigenen Regierungen sein, gemeinsam zu handeln, um das Recht auf Nahrung für alle dauerhaft zu erreichen.
“Eine Prägung der bundesweiten Proteste der Landwirte durch rechtsextremistische und staatsdelegitimierende Akteure ist trotz entsprechender Aufrufe bisher nicht zu beobachten”, sagt ein BMI-Sprecher zu Table.Media. “Immer wieder wird jedoch die Absicht und der Versuch deutlich, die Proteste zu instrumentalisieren, um politische Zustimmung zu erzielen oder die eigenen Positionen in die Gesellschaft zu tragen.” Als Beispiel: Eine Demonstration der rechtsextremen Partei “Freie Sachsen” am Montag vor einer Woche in Dresden wurde im Fahrwasser der Protestwoche des Deutschen Bauernverbands geplant, zählte mehrere tausend Menschen und richtete sich gegen die Politik der Ampel-Regierung.
“Ich warne davor, alle Bauern in einen Topf zu werfen, und vor allem, an den rechten Rand zu stellen”, sagt die habilitierte Historikerin Daniela Münkel. “Es gibt nicht den einen Bauern, den hat es schon vor hundert Jahren nicht gegeben”, so Münkel weiter. Sie war Mitglied in der Historikerkommission zur Aufarbeitung der Geschichte des Bundeslandwirtschaftsministeriums und hat zum Thema Landwirtschaft und Bauern im Nationalsozialismus, in der Bundesrepublik und der DDR publiziert. “Leider wird es medial teilweise sehr undifferenziert dargestellt, wie vielfältig die Wählerschaft in der Landwirtschaft ist.”
Trotzdem hielten Teilnehmende der Bauernproteste vereinzelt die – zwar nicht verbotene, aber dennoch umstrittene – schwarze Flagge der Landvolkbewegung hoch. “Manche der Bauern mögen die schwarze Flagge der Landvolkbewegung wahrscheinlich symbolisch, als Zeichen ihres Protests nutzen. Nach dem Motto: Wir sind hier und wehren uns”, ordnet Münkel ein. “Allerdings sollte man sich schon damit auseinandersetzen, welche Symbole man benutzt.” Die schwarze Flagge mit weißem Pflug und rotem Schwert stehe für den militanten Protest der schleswig-holsteinischen Landvolkbewegung in der Endphase der Weimarer Republik. Dieser zielte neben der Verbesserung der damals katastrophalen wirtschaftlichen Lage der Bauern in der Weltagrarkrise auch auf die Abschaffung der Republik als Staatsform ab. “Deshalb ist die schwarze Fahne als politisches Protestsymbol heute diskreditiert und inakzeptabel”, meint Münkel.
Wie in anderen gesellschaftlichen Gruppen gab es aber auch schon immer rechte Landwirte. “Bauern, vor allem in protestantischen Gebieten, sympathisierten früh mit der NSDAP, da diese ihnen eine Verbesserung ihrer ökonomischen Lage und gesellschaftlichen Stellung in Aussicht stellte”, sagt Münkel. Hinzu kamen ideologische Übereinstimmungen mit der “Blut-und-Boden-Ideologie”. Allerdings hätten die NSDAP wählenden Bauern allein selbstverständlich nicht gereicht, um die Nationalsozialisten an die Macht zu bringen. “Dazu war eine breite Unterstützung zahlreicher gesellschaftlichen Gruppen und der rechts-konservativen Eliten nötig.”
Um der AfD, von deren Landesverbänden mittlerweile drei (Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt) vom Verfassungsschutz als “gesichert rechtsextremistisch” eingestuft wurden, an die Macht zu verhelfen, reichen auch heutzutage nicht allein die Bauern. Das belegen die Zahlen der Forschungsgruppe Wahlen: Zu den Bundestagswahlen 2017 und 2021 wählten acht Prozent der Landwirte die AfD. Das liegt unter dem Gesamtschnitt; 2021 kam die Partei deutschlandweit auf gut zehn Prozent, davor auf zwölfeinhalb.
Die Bauernproteste beobachtet das BMI aber nicht nur mit Blick auf Rechtsextremisten, sondern auch mit Blick auf russische Propaganda. “Wie alle Demonstrationen in Deutschland, werden auch die Bauernproteste von russischen Politikern, Nachrichtenagenturen und Zeitungen aufgenommen und bewertet – in der Regel mit dem Verweis, dass die Proteste auf eine Regierungskrise hinweisen”, teilt eine BMI-Sprecherin mit. “Wir wissen, dass Russland seit Jahren Desinformation verbreitet, um die öffentliche Meinung in Deutschland zu beeinflussen, etwaige Konflikte in der Gesellschaft zu verschärfen und Misstrauen in staatliche Institutionen und Regierungshandeln zu schüren.” Die Behörden beobachteten diese Versuche Russlands, auf Politik und Gesellschaft in Deutschland gezielt Einfluss zu nehmen und sie zu manipulieren, “mit großer Aufmerksamkeit”.
Im politischen Berlin wird russische Propaganda mit Blick auf die Bauernproteste deshalb mit Sorge beobachtet. Ein hochrangiger Politiker sagte zu Table.Media, er fürchte sich zudem davor, dass als Folge das Verständnis für die Unterstützung der Ukraine in Deutschland schwinde. Dies ist auch mit Blick in die Zukunft aufmerksam zu beobachten: Zwischen der Ukraine und der EU laufen Beitrittsgespräche. Das dürfte Konsequenzen auf den EU-Agrarhaushalt haben und hat infolgedessen große ökonomische Bedeutung für die deutsche Landwirtschaft.
Die FDP lehnt den aktuellen Entwurf der EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) ab und positioniert sich damit gegen den Kompromiss von Rat und Europaparlament aus dem Dezember 2023. Damit distanzierte sich die Partei auch von der Linie, welche die Bundesregierung bislang auf europäischer Ebene verfolgt.
Das FDP-Präsidium nannte am Montag in seinem Beschluss neun Gründe für sein Votum, unter anderem:
Der Beschluss der FDP kommt zu einem späten Zeitpunkt. Denn am 14. Dezember hatten sich Kommission, Rat und Parlament im Trilog auf die Inhalte “der Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen mit Blick auf die Nachhaltigkeit” verständigt. Damit gilt eine Verabschiedung im Rat und Parlament gewöhnlich nur noch als Formsache.
Der Rat beschäftigt sich nach Informationen von Table.Media noch im Januar auf Arbeitsebene mit der Richtlinie, die EU-Botschafter werden sich jedoch nicht vor Februar damit befassen. Die Abstimmung im Parlament ist für April geplant. Dort wird mit den gleichen Mehrheiten wie bei der Abstimmung über die Parlamentsposition gerechnet, welche die FDP-Abgeordneten ebenfalls abgelehnt hatten.
Aktuell deutet wenig darauf hin, dass die FDP eine Verabschiedung des Sorgfaltspflichtengesetzes in Brüssel verhindern kann. Da SPD und Grüne das Vorhaben unterstützen, wird sich Deutschland voraussichtlich im Rat enthalten. Die FDP müsste also mindestens eine massive Kampagne starten, wie vor einem Jahr beim Thema E-Fuels, um die Richtlinie noch zu stoppen. Bislang hat sie keinen Anlauf dafür genommen.
Viele andere Mitgliedstaaten haben das Anliegen der Richtlinie ausdrücklich befürwortet. Bei einem ersten Meinungsaustausch vor Weihnachten bewerteten die Experten der meisten Regierungen das Trilog-Ergebnis grundsätzlich positiv, auch wenn viele Details noch offen sind.
Zuvor hatte sich nur die ehemalige polnische PiS-Regierung gegen das Vorhaben gestellt. Ein Ausscheren Frankreichs gilt als unwahrscheinlich, weil sich Frankreich in einem wichtigen Punkt durchgesetzt hat: dem vorläufigen Ausschluss von Finanzdienstleistern aus der Richtlinie. Als Verfechter der Regelung gelten Länder quer durch die EU wie Spanien, Belgien, die Niederlande oder Tschechien.
Der Beschluss der FDP überrascht, denn die Bundesregierung hat nicht zuletzt auf Bestreben der Freien Demokraten bereits einige Änderungen der Richtlinie in Brüssel erreicht, wie eine deutliche Abschwächung der klimapolitischen Vorstellungen des EU-Parlaments.
Zwar sollen Unternehmen künftig Klimapläne erarbeiten und umsetzen, die im Einklang mit dem Pariser Klimaziel stehen. Allerdings sollen Behörden künftig nur überprüfen, ob es diese Pläne gibt und sie theoretisch den inhaltlichen Ansprüchen genügen. Ungeprüft bleibt die praktische Umsetzung. Untätigkeit würde damit nicht bestraft.
Anders als die FDP hatten der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) im Sommer 2023 noch Sanktionen für Fälle befürwortet, in denen Unternehmen ihre Klimapläne nicht umsetzen.
Als Erfolg konnten die FDP und Gleichgesinnte für sich ebenfalls verbuchen, dass die Sorgfaltspflichten auf europäischer Ebene nicht die gesamte Wertschöpfungskette von Unternehmen erfassen, sondern nur die sogenannte “Aktivitätenkette”. Außen vor bleiben sollen der Verkauf und die Verwendung exportierter Produkte, also die nachgelagerte Wertschöpfungskette. Ob beispielsweise gesundheitsgefährdende Pestizide in Ländern des globalen Südens auf Feldern versprüht werden, liegt damit außerhalb der Verantwortung von europäischen Chemiekonzernen.
Zudem lehnt sich die vorgesehene konkrete Ausgestaltung der Haftungsregelung eng an das deutsche Zivilrecht an, ebenfalls ein Verhandlungserfolg für die FDP. Unter dem Strich habe die Einigung im Trilog in etwa den Positionen der Bundesregierung entsprochen, heißt es in Regierungskreisen.
Warum rückt die FDP dann trotzdem von der Einigung ab? Das dürfte maßgeblich am Druck einiger großer Wirtschaftsverbände liegen. Bereits kurz vor dem Trilog hatten sich Spitzenvertreter von BDI, BDA, der italienischen Confindustra und des Mouvement des Enterprises de France in einem Schreiben an Bundeskanzler Olaf Scholz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Italiens Ministerpräsident Giorgia Meloni gegen die Einigung ausgesprochen.
Andererseits haben sich eine Menge deutscher und europäischer Unternehmen für das deutsche Gesetz und die strengere EU-Variante ausgesprochen. Dazu zählen Ikea, Epson, Tchibo, Primark oder Vaude. Von 2000 vom Handelsblatt Research Institute im Auftrag von Creditreform befragten Unternehmen lehnten kürzlich nur sieben Prozent verbindliche Lieferkettenvorgaben für menschenrechtliche und Umweltstandards ab. Knapp 44 Prozent der Befragten achteten bereits heute auf Nachhaltigkeit in ihren Lieferketten, weitere 37 Prozent täten dies schon teilweise, nur elf Prozent täten gar nichts.
Eine Umfrage des Hamburger Instituts für Wirtschaftsethik zeigte vergangenen Sommer auch einen Widerspruch zwischen der entschiedenen Ablehnung von Vertretern großer Verbände der europäischen Lieferkettenrichtlinie und Unternehmen selbst. Ein Argument der Unternehmen: Sie seien aufgrund von Kundenanforderungen längst damit konfrontiert, ihren menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten nachkommen zu müssen.
Auf Unverständnis stößt der Beschluss der FDP bei der Initiative Lieferkettengesetz, die mehr als 120 Organisationen vertritt. “Beim EU-Lieferkettengesetz geht es nicht um lästige Bürokratie, sondern um grundlegende Menschenrechte und Umweltstandards“, hieß es am Montag. Mit ihrer Kehrtwende kurz vor der Ziellinie setze die FDP die Glaubwürdigkeit Deutschlands in der EU in Sachen Nachhaltigkeit aufs Spiel.
Bemerkenswert findet Armin Paasch von Misereor, dass die FDP nun eine fehlende Safe-Harbour-Lösung beklage, obwohl Justizminister Marco Buschmann sie “nie im Trilog gefordert” habe. Mit ihrer Blockadehaltung isoliere sich die FDP auch international, heißt es bei der Initiative Lieferkettengesetz. Denn die liberale Fraktion im EU-Parlament habe die Einigung auf einen Kompromiss zum EU-Lieferkettengesetz im Dezember als großen Erfolg gefeiert.
Die liberale Fraktion im EU-Parlament unterstütze weiterhin die Einigung über das Sorgfaltspflichtengesetz, sagte der Schattenberichterstatter von Renew, Adrián Vázquez Lazara. “Dies wurde in mehreren Fraktionssitzungen beschlossen, in denen das Thema intern erörtert wurde, und hat sich in der Plenarabstimmung über den Standpunkt des Parlaments am 1. Juni 2023 gezeigt”, erklärte er. Eine große Mehrheit der Renew-Fraktion habe den Text unterstützt. “Natürlich ist es bei dieser und jeder anderen Richtlinie oder Verordnung möglich, dass einige Parteien innerhalb der Fraktion legitimerweise beschließen, den Text abzulehnen”, fügte Vázquez Lazara hinzu. Mitarbeit: Till Hoppe
Die EU müsse die heimische Düngemittelindustrie stärken, um in dem Bereich unabhängiger von russischen Importen zu werden, forderte Holsether am Donnerstag vor Journalisten in Brüssel. “Es würde mich sehr besorgen, wenn wir bei Düngemitteln in die gleiche Situation hinein schlafwandeln wie in Sachen Energie”, betonte der Yara-CEO. Das norwegische Unternehmen zählt zu den größten Düngemittelproduzenten der EU. Holsether verwies darauf, dass Düngemittel-Importe aus Russland in die EU seit Beginn des Angriffskriegs auf die Ukraine im Februar 2022 nicht etwa gesunken, sondern angestiegen sind.
Laut Daten der EU-Statistikbehörde Eurostat importierte die EU im September 2023 knapp 550.000 Tonnen Düngemittel und Stickstoffverbindungen, im Vergleich zu 410.000 Tonnen im September 2021 – ein Anstieg um rund ein Drittel. Gleichzeitig macht Russland laut Eurostat, wie vor Kriegsbeginn, weiterhin ein gutes Viertel der Düngemittelimporte in die EU aus. Düngemittel fallen, wie auch Agrarrohstoffe, nicht unter die Sanktionen der EU gegen Russland. Damit will die EU sicherstellen, dass die Sanktionen nicht die globale Lebensmittelversorgung beeinträchtigen.
Um die heimische Industrie zu unterstützen, schweben Holsether unter anderem Lockerungen beim europäischen CO2-Preis vor, die europäische Düngehersteller im internationalen Vergleich wettbewerbsfähiger machen sollen. Aktuell profitiert die Düngeindustrie in der EU bereits von Anti-Dumping-Zöllen auf die Einfuhr bestimmter Düngeprodukte aus Russland und weiteren großen Exportländern. Vielen Landwirten sind die Zölle dagegen ein Dorn im Auge, weil sie zu höheren Preisen für Düngemittel auf dem europäischen Markt führen. Im Herbst 2022 hatte der EU-Bauernverband COPA-COGECA deshalb angesichts der hohen Betriebsmittelpreise im Zuge des Ukrainekriegs ohne Erfolg eine Aussetzung der Zölle gefordert, um die Betriebe zu entlasten.
Auch Holsether räumte ein, dass ein stärkerer Schutz der heimischen Industrie und die Abnabelung von russischen Düngeimporten die Preise für Düngemittel und damit auch für Lebensmittel nach oben treiben könnten. Er argumentierte jedoch, dass die Nutzung heimisch produzierter Düngemittel auch dem Klimaschutz nutze, weil europäische Hersteller höhere Umwelt- und Klimastandards erfüllen müssten als beispielsweise russische. jd
Agrarimporte in die EU sollen nach Ansicht des Umweltausschusses im Europäischen Parlament künftig keine nachweisbaren Rückstände des Insektizids Thiacloprid enthalten dürfen. Für einen entsprechenden Beschluss stimmte der Ausschuss am vergangenen Donnerstag mit deutlicher Mehrheit. Innerhalb der EU ist die Nutzung des Insektizids, das vor allem bei Baumwolle, Kernobst, Gemüse und Kartoffeln eingesetzt wird, bereits seit 2020 wegen Risiken für die Umwelt und die menschliche Gesundheit nicht mehr zugelassen. So gab es unter anderem Bedenken, dass der Stoff ins Grundwasser gelangen und hierüber bei schwangeren Frauen Schäden am ungeborenen Kind verursachen könnte. Thiacloprid gehört zudem zu den Neonicotinoiden, eine Gruppe von Insektiziden, die als besonders schädlich für Bienen gilt und seit 2021 in ihrer Gesamtheit in der EU verboten ist.
Weil in Nicht-EU-Ländern aber weiterhin Thiacloprid eingesetzt wird, können Rückstände des Stoffs in importierten Agrarprodukten enthalten sein. Solche Rückstände in nachweisbarer Höhe wollen die Abgeordneten künftig für Einfuhren in die EU verboten sehen. Der am Donnerstag gefasste Beschluss geht auf eine Initiative des grünen und linken Lagers sowie der Liberalen zurück. Ist ein Wirkstoff in der EU verboten, sollte er auch in Importen nicht enthalten sein dürfen, so die Argumentation der Abgeordneten. Sie verweisen darauf, dass das auch bei anderen verbotenen Neonicotinoiden so gehandhabt werde.
Die EU-Kommission sieht in einem Verordnungsentwurf dagegen vor, lediglich für Pfirsiche und Paprika keine nachweisbaren Thiacloprid-Rückstände mehr zuzulassen. Mehr als 30 andere Erzeugnisse sollen weiterhin Rückstände des Pestizids enthalten dürfen, darunter mehrere Obst- und Gemüsesorten, Kartoffeln, Reis und Weizen. Die Kommission stützt sich auf eine Bewertung der EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), die bei den meisten untersuchten Erzeugnissen – mit Ausnahme von Pfirsichen und Paprika – kein Gesundheitsrisiko für Verbraucher durch Thiacloprid-Rückstände in Lebensmitteln feststellen konnte. Dass die EU-Kommission Thiacloprid im Import erlauben will, zur Nutzung in der EU aber verboten hat, ergibt sich also daraus, dass der Stoff laut EFSA ein Risiko für den Menschen ist, wenn er ins Grundwasser sickert, nicht aber als Rückstand in den meisten Lebensmitteln.
Das EU-Parlament muss dem Vorschlag nicht aktiv zustimmen, kann ihn aber de facto blockieren und die Kommission zur Vorlage einer neuen Version zwingen. Hierauf zielt die Entschließung des Umweltausschusses ab, über die nun allerdings noch das Plenum entscheiden muss. Ob sich dort die erforderliche absolute Mehrheit findet, ist jedoch nicht ausgemacht. Selbst aus dem Umfeld der zuständigen Parlamentarier ist Skepsis darüber zu vernehmen, ob sich unter den Liberalen sowie der Europäischen Volkspartei (EVP) auch außerhalb der oft progressiver eingestellten Abgeordneten im Umweltausschuss die nötige Unterstützung findet. jd
Die von der EU-Kommission vorgeschlagene Lockerung der Regeln für neue Gentechniken steht beim monatlichen Treffen der EU-Agrarminister am kommenden Montag nicht auf der Agenda. Nachdem die Minister das Thema bereits im Dezember diskutiert, aber keine Einigung gefunden hatten, gab die belgische Ratspräsidentschaft den Vorschlag vorerst zurück auf die Arbeitsebene, wie ein Sprecher bestätigte. Die Vorbereitungszeit sei zu knapp gewesen, um das Thema bereits in diesem Monat auf die Agenda der Minister zu setzen.
Neben der deutschen Bundesregierung hatte im Dezember unter anderem Polen gegen den Kompromissvorschlag gestimmt. Dort hat es in der Zwischenzeit einen Regierungswechsel gegeben. Das Land gilt deshalb als möglicher Kandidat, der sein Votum ändert. Die neue Regierung unter Donald Tusk hat sich zum Thema bisher jedoch bedeckt gehalten.
Auf der Seite des Europäischen Parlaments könnte es diese Woche jedoch Bewegung geben: Internen Quellen zufolge streben die zuständigen Berichterstatter der Fraktionen bei Gesprächen am heutigen Dienstag einen Kompromiss an. Sollte dies gelingen, könnte der Umweltausschuss bei seiner nächsten Sitzung am 24. Januar hierüber abstimmen, das Plenum dann im Februar.
Trotzdem wird das Zeitfenster für eine finale Einigung vor der Europawahl im Juni immer enger. Denn nachdem Mitgliedstaaten und Parlament jeweils ihre Position ausgehandelt haben, müssen sie im sogenannten Trilog noch untereinander eine Einigung finden. All das müsste vor der letzten Plenarsitzung der Legislaturperiode Ende April geschehen, damit die Einigung noch vom Parlament verabschiedet werden könnte.
Kritik am Vorschlag der EU-Kommission kam zuletzt von mehreren deutschen Unternehmen, darunter die Drogeriemarktkette dm, der Biokonzern Alnatura und das Tiefkühlunternehmen Frosta. In einem offenen Brief vom vergangenen Dienstag an den Fraktionsvorsitzenden der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber (CSU), äußern die Unternehmen “große Sorge” über den Gesetzentwurf. Dabei fordern die Unterzeichner insbesondere, es müsse der Lebensmittelbranche weiterhin möglich sein, garantiert gentechnikfreie Lebensmittel anzubieten. Hierzu müssten Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung aller gentechnisch bearbeiteten Produkte sichergestellt werden.
Der Vorschlag der EU-Kommission sieht eine Lockerung der Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Pflanzen vor, die in dieser Form auch durch konventionelle Züchtungsmethoden hätten entstehen können. jd
Zum Jahresbeginn hat Polen dem Verkauf aufputschender Energydrinks an Minderjährige ein Ende gesetzt. Die polnische Regierung folgt damit dem Beispiel von Ländern wie Großbritannien, Litauen oder Lettland, in denen bereits seit Jahren Altersbeschränkungen gelten. Ähnlich wie bei alkoholhaltigen Getränken gilt damit beim Kauf von Energydrinks an polnischen Supermarktkassen und Getränkeautomaten die Ausweispflicht. Verstöße gegen das Verkaufsverbot sollen mit hohen Geldstrafen geahndet werden.
Wenn es nach der Verbraucherorganisation Foodwatch geht, soll das, was seit Jahresbeginn in Polen gilt, auch in Deutschland politisch auf den Weg gebracht werden. Denn: Die koffein- und taurinhaltigen Getränke würden laut Foodwatch mit Herzrhythmusstörungen, Krampfanfällen und Angstzuständen in Verbindung gebracht. Polen habe die eindringlichen Warnungen der Wissenschaft ernst genommen und das einzig Richtige getan, sagt Luise Molling von Foodwatch.
Molling fordert nun Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir auf, den Verkaufsstopp der Getränke an Minderjährige in Deutschland umzusetzen. Die Verbraucherzentralen hatten dazu bereits 2022 aufgerufen und ein Verkaufsverbot an Minderjährige für alle Erfrischungsgetränke mit einem erhöhten Koffeingehalt gefordert. Politisch gefolgt ist daraus nichts. Kinder in Deutschland können Energydrinks noch immer uneingeschränkt im Supermarkt erwerben.
SPD-Gesundheitspolitiker hatten bereits 2018 ebenfalls ein Verbot gefordert. 2019 hatte sich die ernährungspolitische Sprecherin der Grünen, Renate Künast, auch dafür ausgesprochen. Die damalige Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) hatte die Forderungen nach einem Verbot damals jedoch abgelehnt und angekündigt, lieber auf Aufklärung setzen zu wollen. heu
Bauernproteste: Ampelfraktionen übernehmen Regie. Beim Treffen der Fraktionsspitzen der Ampel mit den Landwirtschaftsverbänden haben die Parlamentarier die Initiative übernommen und den Agrarvertretern Zugeständnisse in Aussicht gestellt. Ein Entschließungsantrag soll bis zur Bereinigungssitzung am Donnerstag erste Schritte festschreiben. Darin dürften Punkte wie die Tierwohlabgabe, die Entwicklung der Boden- und Pachtpreise, faire Erzeugerpreise, aber auch die Marktmacht der Handelsketten eine Rolle spielen.
Dem soll innerhalb weniger Wochen ein Fahrplan mit detaillierter ausgearbeiteten Reformschritten folgen. “Chancen sind liegen geblieben”, sagte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich und meinte damit die Zukunfts- und die Borchert-Kommission, die sich eingehend mit der Situation der Landwirtschaft beschäftigt und konkrete Vorschläge erarbeitet hatte. Weil die Regierung daran aber wenig Interesse hatte, hatte sich die Borchert-Kommission im vergangenen Sommer selbst aufgelöst. Die Demonstranten, die Finanzminister Christian Lindner bei seinem Auftritt am Brandenburger Tor hart auspfiffen, hinterließen offenbar auch bei den Liberalen Wirkung. FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte nach der Sitzung: “Es ist an uns, jetzt zu Entscheidungen zu kommen.”
Keine Zugeständnisse gibt es beim Abbau der Dieselsubvention. Die Gespräche hatten frostig begonnen, nachdem der Bauernverband gleich zu Beginn eine Rücknahme der Subventionsstreichung beim Agrardiesel gefordert hatte. Darauf wollten sich die Fraktionsvertreter nicht einlassen, signalisierten dann aber in vielen anderen Punkten Verständnis. Die schwierige Situation der Bauern sei bekannt, sagte Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann hinterher: “Wir haben kein Erkenntnis-, wir haben ein Handlungsdefizit.” Das Bekenntnis der Ampelvertreter zur eigenen Trägheit oder auch zur Unfähigkeit zum Kompromiss schuf dann offenbar doch eine halbwegs belastbare Gesprächsgrundlage.
Die Einigung, die Marktmacht der Handelsketten zu brechen, stand bereits. Zur Tierwohlabgabe hatten sich die zuständigen Fraktionsvizes vor Wochen schon auf einen Kompromiss geeinigt, der dann jedoch im Gestrüpp der Geschäfte und Gegengeschäfte auf Regierungsebene hängen blieb. Im Dezember hatten sich zudem die Berichterstatter der drei Fraktionen darauf verständigt, die Marktmacht der Lebensmitteldiscounter einzuschränken und dazu auch ein Papier erarbeitet. Im neuen Jahr rückte die FDP dann davon wieder ab. Der Vertreter des Bauernverbandes ließ nach dem Montagsgespräch im Reichstag allerdings auch wissen: “Wenn jetzt nichts passiert, stehen wir in einigen Wochen wieder hier.”
17.01.2024 – 9.30 – 9.50 Uhr / Grüne Woche Messegelände, Halle 3.2., Stand 223
Pressekonferenz zur Eröffnung der IGW Forum Moderne Landwirtschaft e.V.: ErlebnisBauernhof “Ernährung sichern. Natur schützen.”
Gesprächspartner:innen: Joachim Rukwied (Bauernpräsident) & Lea Fließ (Geschäftsführerin Forum Moderne Landwirtschaft) INFO
17.01.2024 – 10.00 – 18.00 Uhr / BMEL
Forum The International Young Farmers’ Forum at GFFA
The young farmers actively contribute to the GFFA by sharing the experiences gained on their own farms or from their work in national farming organizations. Their role is decisive in shaping the global food supply of the future. The YFF and the GFFA offer them the opportunity to be heard at international level. Two representatives of the group will present a statement on the GFFA topic commonly drafted by the group to the GFFA agriculture ministers’ conference on Saturday 20th January 2024. INFO & ANMELDUNG
17.01.2024 – 19.00 Uhr / Vertretung des Landes Hessen in Berlin
Podiumsdiskussion Klimabilanz im LEH: Jetzt kommt’s auf die Bauern an!
Welchen Einfluss hat die Wertschöpfungskette Lebensmittel auf die Klimaziele? Welche Strategien gibt es, um die Bilanz zu verbessern? Bietet das Thema Klima für Bauern neue Einkommenschancen? INFO & ANMELDUNG
17.01.2024 – 20.01.2024 / Berlin
Konferenz 16. Global Forum for Food and Agriculture – Ernährungssysteme der Zukunft: Gemeinsam für eine Welt ohne Hunger
Um die Ernährungssysteme für unsere Zukunft fit zu machen und die Agenda 2030 umzusetzen, sind enorme Anstrengungen erforderlich. Der internationalen Gemeinschaft – uns allen – bleiben nur noch sieben Jahre, um die Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 zu erreichen. Laut den jüngsten Zahlen hungert jedoch jeder zehnte Mensch auf dieser Erde. Mehr als zwei Milliarden Menschen können sich keine gesunde Ernährung leisten. ANMELDUNG
18.01.2024 – 9.00 Uhr / Berlin
147. Bundestagssitzung Beratung über den Agrarpolitischen Bericht der Bundesregierung 2023
Der Bericht informiert über die Lage der Landwirtschaft im Zeitraum 2019 bis 2022. INFO
18.01.2024 – 14:00 – 15:30 / GFFA
GFFA Opening Kick-off Event
The Kick-off Event marks the official start of the GFFA with an exchange between high-level experts of the global agri-food sector from politics, industry, science, and civil society under the guiding theme “Food Systems for Our Future: Joining Forces for a Zero Hunger World!”. INFO
18.01.2024 – 16.00 – 17.30 Uhr / GFFA
High Level Panel Ernährung, Klima und Sicherheit: Gemeinsam für eine sichere Zukunft
Das Bundeslandwirtschaftsministerium richtet erstmals mit der Münchner Sicherheitskonferenz eine gemeinsame “High Level Debate” zur Verbindung Klimakrise, Ernährungssicherheit sowie Kriege und Konflikte auf dem 16. Global Forum for Food and Agriculture aus. INFO
18.01.2024 – 20.00 Uhr / BMEL Halle 23a, City Cube Berlin
Empfang BMEL Empfang für ausländische Ehrengäste auf dem 16. Global Forum for Food and Agriculture PROGRAMM
19.01.2024 – 13:30 – 15:00 Uhr / GFFA
High Level Panel Realizing the Right to Adequate Food: Ending hunger and leaving no one behind
Discussion of the event: a) Interventions that bring the Right to Adequate Food more prominently into legal and policy frameworks, including national constitutions and framework laws;
b) Examples of the establishment of multistakeholder mechanisms, platforms and councils that are intended to ensure coordination and policy coherence across different sectors as a way to address the various dimensions of the right to food in an integrated manner;
c) Initiatives to monitor and assess progress and gaps in the implementation of the Voluntary Guidelines on the Right to Food and their impact at country level;
d) Main challenges and constraints faced at country level that impede the realization of the Right to Adequate food, including financial and capacity gaps, and how they are being addressed. INFO
19.01.2024 – 14:00 / Deutscher Bundestag, Marie-Elisabeth-Lüders-Haus (Anhörungssaal 3.101)
Hybrides Fachgespräch Ernährung sichern – agrarökologisch, pflanzenbasiert, regional
Wie sichern wir eine gesunde Ernährung in Deutschland in den kommenden 30 Jahren? Die Grünen laden anlässlich der Grünen Woche ein, mit Ihnen und mit Expert:innen über diese Fragen ins Gespräch zukommen. INFO
19.01.2024 – 15:30 – 17:00 Uhr / GFFA
High Level Panel Squaring the Circle: Towards Sustainable Agriculture and Food Supply Chains
Food security and environmental sustainability are two key policy objectives for the agricultural sector. This panel explores how agri-food trade can continue to ensure global food security and enhance its contribution to environmental sustainability. INFO
19.01.2024 – 28.01.2024 / Messe Berlin
Messe Internationale Grüne Woche
Die internationale Leitmesse für Ernährung, Landwirtschaft und Gartenbau. Aussteller aus aller Welt präsentieren an zehn Veranstaltungstagen ein umfangreiches Produktangebot. Zudem gibt die Grüne Woche aktuellen gesellschaftlichen Fragen wie Klimaschutz, Kreislaufwirtschaft, Ressourcenschonung und nachhaltige Landnutzung eine Bühne. INFO
20.01.2024 – 09:00 – 15:00 Uhr / Berlin
Konferenz Berliner Agrarministerkonferenz auf dem 16. Global Forum for Food and Agriculture
Themen: Nachhaltige Produktion und Ernährungssouveränität stärken; resiliente und nachhaltige Lieferketten fördern; Lebensmittelverluste und -verschwendung reduzieren; vulnerable Gruppen stärken. PROGRAMM
20.01.2024 – 12:00 Uhr / Willy- Brandt- Haus Berlin
Demo Wir haben es satt!
Wir setzen uns seit über einem Jahrzehnt friedlich und demokratisch für die sozial-gerechte Agrarwende ein: Als Bäuerinnen und Bauern, konventionell und bio, Imker*innen, Umwelt- und Tierschützer*innen und Verbraucher*innen demonstrieren wir am Samstag, den 20. Januar für eine bäuerliche, ökologischere und gentechnikfreie Landwirtschaft. INFO
22.01.2024 – 23.01.2024 / Brüssel
Tagung Rat für Landwirtschaft und Fischerei der Europäischen Union INFO
23.01.2024 – 14.30 – 16.30 Uhr / CityCube Berlin
Kongress “Kraftstoffe der Zukunft 2024” Erneuerbare Antriebsenergie für die Land – und Forstwirtschaft
Unter dem Motto: “Kraftstoffe der Zukunft 2024 – Navigator für nachhaltige Mobilität” wird der
21. Internationale Fachkongress für Erneuerbare Mobilität “Kraftstoffe der Zukunft”, vom
22. bis 23. Januar 2024 erneut im CityCube Berlin stattfinden. Am 23.01. wird in der Session 6D: über das Thema Biofuels in der Land- und Forstwirtschaft diskutiert. PROGRAMM
24.01. – 25.01.2024 / Berlin
Forum 17. Zukunftsforum Ländliche Entwicklung
Unter dem Motto “Land.schöpft.Wert. – Starke ländliche Regionen” wird sich das Zukunftsforum 2024 dem Thema Regionaler Wertschöpfung widmen. Bundesminister Cem Özdemir wird die Veranstaltung am 24. Januar 2024 auf dem Berliner Messegelände eröffnen. INFO
Wenn es um Prävention und Gesundheitsförderung geht, dann schließt Deutschland im internationalen Vergleich meist schlecht ab. Insbesondere für den Kinderschutz ist das ein großes politisches Versäumnis. Der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP hatte zuletzt Hoffnung gemacht, dass sich dies zumindest in der Regulierung von Lebensmittelwerbung endlich ändern könnte, verspricht er doch ein Verbot von an “Kinder gerichtete[r] Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- und Salzgehalt”.
Seit der Vorlage eines ambitionierten Gesetzentwurfes durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) im Februar 2023 tobt eine Debatte darüber, wie streng Werbeeinschränkungen sein sollten und ob diese der Lebensmittel- und Medienindustrie schaden könnten. Ein Blick auf die Erfahrungen Chiles, welches in der Ernährungspolitik als weltweites Vorreiterland und Reallabor gilt, erlaubt es, diese Debatte zu versachlichen.
In den 2010er-Jahren setzte die chilenische Regierung umfangreiche Maßnahmen zur Vermeidung ernährungsbedingter chronischer Krankheiten um. Neben verpflichtender Lebensmittelkennzeichnung und Verkaufseinschränkungen in Schulen wurden auch strenge Werbeeinschränkungen eingeführt. Zu diesen liegen mittlerweile belastbare Evaluierungsergebnisse vor. Sie sind für die aktuelle Debatte in Deutschland besonders relevant, weil sie Schlüsse darüber erlauben, welche Art von Werbeeinschränkungen besonders wirksam sind.
Chile hat die verschiedenen Regeln gestaffelt eingeführt: 2016 wurde in einer ersten Phase ein Zielgruppenverbot implementiert, durch das spezifisch an Kinder gerichtete Werbung verboten wurde. 2018 wurde in einer zweiten Phase ein zusätzliches zeitliches Verbot eingeführt, das jegliche Werbung für als ungesund definierte Lebensmittel zwischen 6 und 22 Uhr untersagte.
Eine Evaluierung dieser gestaffelten Einführung zeigt, dass ein Zielgruppenverbot durchaus wirksam, ein zusätzliches zeitliches Verbot aber nochmal deutlich wirksamer ist. Nach der Einführung des Zielgruppenverbots ist die tatsächlich gemessene Belastung von Kindern durch Fernsehwerbung für ungesunde Lebensmittel im Kinderprogramm um zwei Drittel und im Gesamtprogramm um die Hälfte zurückgegangen. Nach der Einführung des zusätzlichen zeitlichen Verbots ist diese Belastung dann noch einmal um ungefähr zwei Drittel im Kinderprogramm und um die Hälfte im Gesamtprogramm zurückgegangen. Kinder schauen in der Realität eben auch viele Sendungen jenseits des Kinderfernsehens.
Es besteht wissenschaftlich kaum ein Zweifel daran, dass Werbeeinschränkungen Kinder wirksam vor Werbung für ungesunde Lebensmittel schützen und damit zu einer gesünderen Ernährungsweise beitragen. Wieso wird das geplante Gesetz trotzdem so stark torpediert? Hauptursache hierfür scheinen privatwirtschaftliche Ängste zu sein: Die Lebensmittelindustrie fürchtet, dass sie weniger ungesunde Lebensmittel verkaufen wird, wenn sie diese nicht mehr wie gewohnt bewerben kann. Die Medienindustrie hat Angst, dass ihr dadurch Werbeerlöse wegbrechen.
Auch in Chile wurden verheerende wirtschaftliche Schäden prophezeit. Eine ökonomische Evaluation hat mittlerweile aber gezeigt, dass sich die Werbeeinschränkungen dort insgesamt nicht negativ auf die Beschäftigung oder die Löhne in der Lebensmittelindustrie ausgewirkt haben. Und das, obwohl die chilenischen Maßnahmen insgesamt viel umfangreicher sind als die in Deutschland derzeit diskutierten Werbeeinschränkungen. Eine weitere Studie deutet darauf hin, dass es auch keinen Rückgang im Gesamtwerbeaufkommen gab, sondern dass Werbung für ungesunde Lebensmittel mit solcher für gesündere Lebensmittel ersetzt wurde. Die Lebensmittelindustrie ist insgesamt also anpassungsfähig und wirtschaftliche Ängste scheinen unbegründet.
Dieser Blick auf die erwartbaren wirtschaftlichen Auswirkungen von Werbeeinschränkungen soll nicht implizieren, dass wirksamer Schutz von Kindergesundheit nicht auch wirtschaftliche Kosten rechtfertigen kann. Da es aber keine starke Evidenz gibt, dass Werbeeinschränkungen tatsächlich derartige Schäden für die Lebensmittel- und Medienindustrie bedeuten, wäre es besonders fahrlässig, das vom BMEL vorgelegte Gesetz zur strengeren Regulierung von Lebensmittelwerbung nicht umgehend zu verabschieden.
Prof. Dr. Tim Dorlach ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Juniorprofessor an der Universität Bayreuth zu Fragen der globalen Ernährungs- und Gesundheitspolitik.
nach der Kritik von Finanzminister und Parteichef Christian Lindner im Podcast Table.Today hat auch das Präsidium der FDP beschlossen, die EU-Lieferkettenrichtlinie nicht zu unterstützen. Der aktuelle Entwurf der EU schaffe “unverhältnismäßige Hürden und Rechtsunsicherheit”, heißt es in dem Beschlusspapier, das Table.Media vorliegt. Außerdem zeigten die Pläne, wie wenig EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf die Pläne der Wirtschaft eingehe. Die EU-Pläne drohten, das eigentliche Ziel zu konterkarieren. “Wenn sich Unternehmen aus Sorge vor Strafzahlungen aus den Ländern zurückziehen, die von den Investitionen aus Deutschland am meisten profitieren würden, ist niemandem geholfen”, heißt es in dem Papier. Zudem zwinge die geopolitische Lage zu einer Diversifikation der Lieferketten, um Resilienz und Stärke der europäischen Wirtschaft sicherzustellen.
Die Blockade der FDP könnte zu einem neuen Konflikt in der Ampel-Koalition führen. SPD und Grüne unterstützen das Vorhaben bislang. Sollte sich daran nichts ändern, müsste Deutschland sich im Europäischen Rat enthalten, wenn das in den Verhandlungen erzielte Ergebnis mit dem Europaparlament abgestimmt wird. Der Termin dafür steht noch nicht fest, die EU-Botschafter dürften sich aber nicht vor Februar damit befassen, heißt es in Brüssel. Viele Mitgliedstaaten haben das Anliegen der Richtlinie ausdrücklich befürwortet. Bei einem ersten Meinungsaustausch vor Weihnachten bewerteten die Experten der meisten Regierungen das Trilog-Ergebnis grundsätzlich positiv, auch wenn viele Details noch offen sind. Mehr dazu lesen Sie in einer Analyse meiner Kollegen Caspar Dohmen und Leonie Düngefeld.
Herr Özdemir, in dieser Woche lädt Ihr Ministerium internationale Agrarpolitiker und Agrarpolitikerinnen zum Global Forum for Food and Agriculture (GFFA) nach Berlin ein. Auch die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) wird mit von der Partie sein. Im Rahmen der UN-Klimakonferenz in Dubai mahnte die FAO, dass in den letzten drei Jahrzehnten 3,8 Billionen US-Dollar an Ernte- und Viehverlusten durch Katastrophen wie Überschwemmungen und Dürren entstanden seien. Wie groß ist das Bewusstsein, dass der Klimawandel große Auswirkungen auf den Anbau von Lebensmitteln hat und Dürren und andere Faktoren zunehmend Ernährungsunsicherheit bringen?
Aktuell leidet jeder zehnte Mensch auf der Welt Hunger – das ist eine erschreckende Zahl. Die Weltgemeinschaft hat in der Agenda 2030 das Versprechen abgegeben, den globalen Hunger zu beenden. Das müssen wir einlösen. Die Klimakrise ist die größte Bedrohung für die Landwirtschaft, in Deutschland und weltweit. Hier gibt es kein Erkenntnisproblem. In Gesprächen mit meinen Amtskolleginnen und -kollegen aus dem globalen Süden merke ich: Die Luft brennt – und zwar leider nicht nur im übertragenen Sinne. Mancherorts verdorrt das Getreide am Halm.
Sehen Sie dafür ausreichend Unterstützung bei Ihren Kolleginnen und Kollegen?
Wenn wir noch in zehn, 20 und 50 Jahren gute Ernten einfahren wollen, müssen wir unsere Agrar- und Ernährungssysteme klimafest machen, mit praxistauglichen Lösungen für Bäuerinnen und Bauern. Wir Landwirtschaftsministerinnen und -minister treffen uns in Berlin in dem Bewusstsein, dass wir den Kampf gegen den Hunger und die Klimakrise nur gemeinsam bewältigen. In Zeiten, in denen sich Konflikte verschärfen und unsere Welt in Lager zu zerbrechen droht, bauen wir mit der Agrarpolitik Brücken. Hier in Berlin versammeln sich Mitstreiter, keine Gegner.
Der Landwirtschafts- und Ernährungssektor ist aber nicht nur betroffen vom Klimawandel, sondern er verursacht auch Treibhausgasemissionen. Ernährungssysteme tragen zu einem Drittel der globalen Treibhausgasemissionen bei. Rund zwei Drittel dieser Emissionen stammen aus der Herstellung tierischer Produkte. Einer der wichtigsten Aspekte sind dabei Landnutzungsänderungen und Abholzungen. Lateinamerikanische Länder wie beispielsweise Argentinien haben im Zuge des Regierungswechsels angekündigt, künftig mehr Rindfleisch exportieren zu wollen. Wie schätzen Sie die internationale Bereitschaft von Regierungen und Agrarpolitikern ein, den effektiven Hebel für den Klimaschutz zu nutzen und sowohl die Tierhaltung zu reduzieren als auch eine pflanzenbasierte Ernährung zu fördern?
Wie wir uns ernähren, wirkt sich auf die Umwelt und das Klima aus – da gibt es kein Vertun. Und was wir hier bei uns auf den Tellern haben wollen, kann auch Einfluss auf die Lebenschancen ganz woanders haben. Weltweit benutzen wir viel Fläche für die Haltung oder Ernährung von Tieren. Wo früher wertvoller Regenwald stand, wird jetzt Soja angebaut oder stehen Rinder – in den letzten 20 Jahren hat sich die weltweite Produktion von Fleisch um rund die Hälfte erhöht. Für Umwelt und Klima weltweit ist das nicht gesund. Man darf aber auch nicht vergessen: Sehr viele Menschen auf der Welt haben nicht täglich Fleisch auf dem Teller. Mit dem Finger auf die Weltgemeinschaft zu zeigen, steht uns in der westlichen Welt nicht gut zu Gesicht. Ich arbeite mit der Ernährungsstrategie der Bundesregierung daran, dass es bei uns leichter ist, sich gesund und nachhaltig zu ernähren – dazu gehört auch eine stärker pflanzenbetonte Ernährung. Ich will, dass die Menschen bei uns eine echte Wahl haben – entscheiden muss sich dann jeder selbst.
Bisher spielt Ernährungsumstellung als Treiber des Klimawandels bei politischen Maßnahmen aber eine untergeordnete Rolle: Während mehr als 100 Länder Landwirtschaft in ihre Nationally Determined Contributions (NDCs) aufgenommen haben, findet sich nur in fünf NDCs Konsum als Thema. Diese fünf Länder sind Entwicklungsländer mit relativ geringen Treibhausgasemissionen aus der Ernährung. Das ist bislang nicht sehr vielversprechend mit Blick auf eine Transformation der internationalen Ernährungsindustrie. In welchem Zeithorizont wäre eine Einigung auf so etwas wie eine internationale Ernährungsstrategie aus Ihrer Sicht vorstellbar?
Wenn wir weltweit Lebensmittelverschwendung und -abfälle um die Hälfte reduzieren, können alle Menschen auf der Welt mehr als satt werden. Das hat die FAO ausgerechnet. Auf der Weltklimakonferenz in Dubai haben Deutschland und 158 weitere Staaten in der Emirates Declaration festgehalten, dass neben der Landwirtschaft auch die Ernährungssysteme in der Klimakrise eine Schlüsselrolle spielen. Wir sollten dieses Momentum nutzen, um die nationalen Klimabeiträge unter dem Pariser Klimaabkommen weiterzuentwickeln. Dafür brauchen wir den internationalen Ideenaustausch.
Das heißt?
In vielen Ländern Asiens und Afrikas fallen mehr als 90 Prozent aller Lebensmittelabfälle während der Produktion, nach der Ernte und beim Handel an. Jede Tonne Weizen, die produziert ist und dann nicht verloren geht, sichert Ernährung. Beim GFFA wollen wir daher auch ein Bekenntnis dazu, die globale Lebensmittelverschwendung bis 2030 zu halbieren. Dazu braucht es Wissenstransfer und Investitionen in Lagermöglichkeiten und Verarbeitungskapazitäten. Das schaffen wir nur gemeinsam. Wir haben ein Interesse daran, die Ernährungssicherung vor Ort zu stärken. Hilfe zur Selbsthilfe – übersetzt heißt das etwa: Getreidesilos bauen, statt Getreidesäcke liefern.
Durch den Krieg in der Ukraine hat das Thema Ernährungsunsicherheit in internationalen Diskussionen an Gewicht gewonnen – und steht nun für viele Staaten auf der Prioritätenliste, weit vor der Umstellung von Ernährungssystemen. Werden hier die richtigen Prioritäten gesetzt?
Hunger führt zu Konflikten und Flucht. Klimaschutz, Ernährungssicherung und Frieden – das ist ein untrennbarer Dreiklang. Putins brutales Kriegstreiben in der Ukraine, der Kornkammer Europas, war ein Schockmoment für die globale Ernährungssicherung. Das Welternährungsprogramm bezog vor dem Krieg die Hälfte seines Getreides aus der Ukraine. Das ist vom einen auf den anderen Tag weggebrochen. Durch eine enorme internationale Kraftanstrengung sind die ukrainischen Getreideexporte heute wieder auf gutem Niveau. Deutschland hat sich hier stark engagiert und konnte wichtige Beiträge leisten. Wir haben etwa konkret bei Lagermöglichkeiten und nötigen Exportkontrollen unterstützt. Aber die Unsicherheit bleibt und schwebt wie ein Damoklesschwert über denjenigen, die auf ukrainischen Weizen angewiesen sind. Das betrifft die Menschen in den Ländern des globalen Südens, wo die Klimakrise schon mit geballter Kraft zuschlägt.
Wie meinen Sie das?
Wir müssen langfristig weg von Abhängigkeiten, hin zu mehr Ernährungssouveränität. Dafür brauchen die Länder des Globalen Südens aber Partner, um ihre Landwirtschaft nachhaltig und klimaangepasst weiterzuentwickeln. Wir haben mit der Afrikanischen Union eine Zukunftspartnerschaft gestartet. Wir wollen enger zusammenzuarbeiten, um die Ernährungssysteme in Afrika widerstandsfähiger zu machen. Da geht es um nachhaltige Produktionssteigerung, weniger Nachernteverluste, standortangepasstes Saatgut und die Unabhängigkeit von globalen Unternehmen sowie um die Ausbildung von Frauen und Jugendlichen. China engagiert sich ebenfalls stark auf dem Kontinent, investiert in Infrastruktur – aber nicht unbedingt zum Vorteil der Bevölkerung vor Ort. Da werden auch neue Abhängigkeiten geschaffen. Wir setzen dagegen auf echte Partnerschaften und Wissenstransfer.
Ganz konkret: Mit welchem Verhandlungsergebnis im abschließenden Kommuniqué der internationalen AMK werden Sie selbst als Grünen-Politiker zufrieden sein?
Wir haben im Vorfeld der Konferenz ein ambitioniertes Verhandlungspapier verschickt. Ich möchte, dass das Kommuniqué für alle zu einem “call for action”, also einem Aufruf zum Handeln wird. Das heißt mehr Klimaschutz und Klimaanpassung in der Landwirtschaft, Entwaldungsstopp, Erhalt der Biodiversität, sorgsamerer und effizienterer Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Dünger. Dabei nehmen wir vor allem die indigene Bevölkerung und die Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in den Blick. Die kleinbäuerliche Landwirtschaft ernährt die Hälfte der Welt – dieses Potenzial müssen wir erhalten und stärker nutzen. Nachhaltigkeit braucht außerdem funktionierende Strukturen. Das heißt, gutes Regierungshandeln genauso wie die Rolle von Frauen in der Landwirtschaft zu stärken.
Da schreiben Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen einiges ins Aufgabenheft.
Zur Wahrheit gehört natürlich, dass nicht allein die Landwirtschaftsministerinnen und -minister entscheiden. Es braucht breite politische und gesellschaftliche Allianzen. Unser Kommuniqué wird daher auch ein Appell an die eigenen Regierungen sein, gemeinsam zu handeln, um das Recht auf Nahrung für alle dauerhaft zu erreichen.
“Eine Prägung der bundesweiten Proteste der Landwirte durch rechtsextremistische und staatsdelegitimierende Akteure ist trotz entsprechender Aufrufe bisher nicht zu beobachten”, sagt ein BMI-Sprecher zu Table.Media. “Immer wieder wird jedoch die Absicht und der Versuch deutlich, die Proteste zu instrumentalisieren, um politische Zustimmung zu erzielen oder die eigenen Positionen in die Gesellschaft zu tragen.” Als Beispiel: Eine Demonstration der rechtsextremen Partei “Freie Sachsen” am Montag vor einer Woche in Dresden wurde im Fahrwasser der Protestwoche des Deutschen Bauernverbands geplant, zählte mehrere tausend Menschen und richtete sich gegen die Politik der Ampel-Regierung.
“Ich warne davor, alle Bauern in einen Topf zu werfen, und vor allem, an den rechten Rand zu stellen”, sagt die habilitierte Historikerin Daniela Münkel. “Es gibt nicht den einen Bauern, den hat es schon vor hundert Jahren nicht gegeben”, so Münkel weiter. Sie war Mitglied in der Historikerkommission zur Aufarbeitung der Geschichte des Bundeslandwirtschaftsministeriums und hat zum Thema Landwirtschaft und Bauern im Nationalsozialismus, in der Bundesrepublik und der DDR publiziert. “Leider wird es medial teilweise sehr undifferenziert dargestellt, wie vielfältig die Wählerschaft in der Landwirtschaft ist.”
Trotzdem hielten Teilnehmende der Bauernproteste vereinzelt die – zwar nicht verbotene, aber dennoch umstrittene – schwarze Flagge der Landvolkbewegung hoch. “Manche der Bauern mögen die schwarze Flagge der Landvolkbewegung wahrscheinlich symbolisch, als Zeichen ihres Protests nutzen. Nach dem Motto: Wir sind hier und wehren uns”, ordnet Münkel ein. “Allerdings sollte man sich schon damit auseinandersetzen, welche Symbole man benutzt.” Die schwarze Flagge mit weißem Pflug und rotem Schwert stehe für den militanten Protest der schleswig-holsteinischen Landvolkbewegung in der Endphase der Weimarer Republik. Dieser zielte neben der Verbesserung der damals katastrophalen wirtschaftlichen Lage der Bauern in der Weltagrarkrise auch auf die Abschaffung der Republik als Staatsform ab. “Deshalb ist die schwarze Fahne als politisches Protestsymbol heute diskreditiert und inakzeptabel”, meint Münkel.
Wie in anderen gesellschaftlichen Gruppen gab es aber auch schon immer rechte Landwirte. “Bauern, vor allem in protestantischen Gebieten, sympathisierten früh mit der NSDAP, da diese ihnen eine Verbesserung ihrer ökonomischen Lage und gesellschaftlichen Stellung in Aussicht stellte”, sagt Münkel. Hinzu kamen ideologische Übereinstimmungen mit der “Blut-und-Boden-Ideologie”. Allerdings hätten die NSDAP wählenden Bauern allein selbstverständlich nicht gereicht, um die Nationalsozialisten an die Macht zu bringen. “Dazu war eine breite Unterstützung zahlreicher gesellschaftlichen Gruppen und der rechts-konservativen Eliten nötig.”
Um der AfD, von deren Landesverbänden mittlerweile drei (Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt) vom Verfassungsschutz als “gesichert rechtsextremistisch” eingestuft wurden, an die Macht zu verhelfen, reichen auch heutzutage nicht allein die Bauern. Das belegen die Zahlen der Forschungsgruppe Wahlen: Zu den Bundestagswahlen 2017 und 2021 wählten acht Prozent der Landwirte die AfD. Das liegt unter dem Gesamtschnitt; 2021 kam die Partei deutschlandweit auf gut zehn Prozent, davor auf zwölfeinhalb.
Die Bauernproteste beobachtet das BMI aber nicht nur mit Blick auf Rechtsextremisten, sondern auch mit Blick auf russische Propaganda. “Wie alle Demonstrationen in Deutschland, werden auch die Bauernproteste von russischen Politikern, Nachrichtenagenturen und Zeitungen aufgenommen und bewertet – in der Regel mit dem Verweis, dass die Proteste auf eine Regierungskrise hinweisen”, teilt eine BMI-Sprecherin mit. “Wir wissen, dass Russland seit Jahren Desinformation verbreitet, um die öffentliche Meinung in Deutschland zu beeinflussen, etwaige Konflikte in der Gesellschaft zu verschärfen und Misstrauen in staatliche Institutionen und Regierungshandeln zu schüren.” Die Behörden beobachteten diese Versuche Russlands, auf Politik und Gesellschaft in Deutschland gezielt Einfluss zu nehmen und sie zu manipulieren, “mit großer Aufmerksamkeit”.
Im politischen Berlin wird russische Propaganda mit Blick auf die Bauernproteste deshalb mit Sorge beobachtet. Ein hochrangiger Politiker sagte zu Table.Media, er fürchte sich zudem davor, dass als Folge das Verständnis für die Unterstützung der Ukraine in Deutschland schwinde. Dies ist auch mit Blick in die Zukunft aufmerksam zu beobachten: Zwischen der Ukraine und der EU laufen Beitrittsgespräche. Das dürfte Konsequenzen auf den EU-Agrarhaushalt haben und hat infolgedessen große ökonomische Bedeutung für die deutsche Landwirtschaft.
Die FDP lehnt den aktuellen Entwurf der EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) ab und positioniert sich damit gegen den Kompromiss von Rat und Europaparlament aus dem Dezember 2023. Damit distanzierte sich die Partei auch von der Linie, welche die Bundesregierung bislang auf europäischer Ebene verfolgt.
Das FDP-Präsidium nannte am Montag in seinem Beschluss neun Gründe für sein Votum, unter anderem:
Der Beschluss der FDP kommt zu einem späten Zeitpunkt. Denn am 14. Dezember hatten sich Kommission, Rat und Parlament im Trilog auf die Inhalte “der Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen mit Blick auf die Nachhaltigkeit” verständigt. Damit gilt eine Verabschiedung im Rat und Parlament gewöhnlich nur noch als Formsache.
Der Rat beschäftigt sich nach Informationen von Table.Media noch im Januar auf Arbeitsebene mit der Richtlinie, die EU-Botschafter werden sich jedoch nicht vor Februar damit befassen. Die Abstimmung im Parlament ist für April geplant. Dort wird mit den gleichen Mehrheiten wie bei der Abstimmung über die Parlamentsposition gerechnet, welche die FDP-Abgeordneten ebenfalls abgelehnt hatten.
Aktuell deutet wenig darauf hin, dass die FDP eine Verabschiedung des Sorgfaltspflichtengesetzes in Brüssel verhindern kann. Da SPD und Grüne das Vorhaben unterstützen, wird sich Deutschland voraussichtlich im Rat enthalten. Die FDP müsste also mindestens eine massive Kampagne starten, wie vor einem Jahr beim Thema E-Fuels, um die Richtlinie noch zu stoppen. Bislang hat sie keinen Anlauf dafür genommen.
Viele andere Mitgliedstaaten haben das Anliegen der Richtlinie ausdrücklich befürwortet. Bei einem ersten Meinungsaustausch vor Weihnachten bewerteten die Experten der meisten Regierungen das Trilog-Ergebnis grundsätzlich positiv, auch wenn viele Details noch offen sind.
Zuvor hatte sich nur die ehemalige polnische PiS-Regierung gegen das Vorhaben gestellt. Ein Ausscheren Frankreichs gilt als unwahrscheinlich, weil sich Frankreich in einem wichtigen Punkt durchgesetzt hat: dem vorläufigen Ausschluss von Finanzdienstleistern aus der Richtlinie. Als Verfechter der Regelung gelten Länder quer durch die EU wie Spanien, Belgien, die Niederlande oder Tschechien.
Der Beschluss der FDP überrascht, denn die Bundesregierung hat nicht zuletzt auf Bestreben der Freien Demokraten bereits einige Änderungen der Richtlinie in Brüssel erreicht, wie eine deutliche Abschwächung der klimapolitischen Vorstellungen des EU-Parlaments.
Zwar sollen Unternehmen künftig Klimapläne erarbeiten und umsetzen, die im Einklang mit dem Pariser Klimaziel stehen. Allerdings sollen Behörden künftig nur überprüfen, ob es diese Pläne gibt und sie theoretisch den inhaltlichen Ansprüchen genügen. Ungeprüft bleibt die praktische Umsetzung. Untätigkeit würde damit nicht bestraft.
Anders als die FDP hatten der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) im Sommer 2023 noch Sanktionen für Fälle befürwortet, in denen Unternehmen ihre Klimapläne nicht umsetzen.
Als Erfolg konnten die FDP und Gleichgesinnte für sich ebenfalls verbuchen, dass die Sorgfaltspflichten auf europäischer Ebene nicht die gesamte Wertschöpfungskette von Unternehmen erfassen, sondern nur die sogenannte “Aktivitätenkette”. Außen vor bleiben sollen der Verkauf und die Verwendung exportierter Produkte, also die nachgelagerte Wertschöpfungskette. Ob beispielsweise gesundheitsgefährdende Pestizide in Ländern des globalen Südens auf Feldern versprüht werden, liegt damit außerhalb der Verantwortung von europäischen Chemiekonzernen.
Zudem lehnt sich die vorgesehene konkrete Ausgestaltung der Haftungsregelung eng an das deutsche Zivilrecht an, ebenfalls ein Verhandlungserfolg für die FDP. Unter dem Strich habe die Einigung im Trilog in etwa den Positionen der Bundesregierung entsprochen, heißt es in Regierungskreisen.
Warum rückt die FDP dann trotzdem von der Einigung ab? Das dürfte maßgeblich am Druck einiger großer Wirtschaftsverbände liegen. Bereits kurz vor dem Trilog hatten sich Spitzenvertreter von BDI, BDA, der italienischen Confindustra und des Mouvement des Enterprises de France in einem Schreiben an Bundeskanzler Olaf Scholz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Italiens Ministerpräsident Giorgia Meloni gegen die Einigung ausgesprochen.
Andererseits haben sich eine Menge deutscher und europäischer Unternehmen für das deutsche Gesetz und die strengere EU-Variante ausgesprochen. Dazu zählen Ikea, Epson, Tchibo, Primark oder Vaude. Von 2000 vom Handelsblatt Research Institute im Auftrag von Creditreform befragten Unternehmen lehnten kürzlich nur sieben Prozent verbindliche Lieferkettenvorgaben für menschenrechtliche und Umweltstandards ab. Knapp 44 Prozent der Befragten achteten bereits heute auf Nachhaltigkeit in ihren Lieferketten, weitere 37 Prozent täten dies schon teilweise, nur elf Prozent täten gar nichts.
Eine Umfrage des Hamburger Instituts für Wirtschaftsethik zeigte vergangenen Sommer auch einen Widerspruch zwischen der entschiedenen Ablehnung von Vertretern großer Verbände der europäischen Lieferkettenrichtlinie und Unternehmen selbst. Ein Argument der Unternehmen: Sie seien aufgrund von Kundenanforderungen längst damit konfrontiert, ihren menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten nachkommen zu müssen.
Auf Unverständnis stößt der Beschluss der FDP bei der Initiative Lieferkettengesetz, die mehr als 120 Organisationen vertritt. “Beim EU-Lieferkettengesetz geht es nicht um lästige Bürokratie, sondern um grundlegende Menschenrechte und Umweltstandards“, hieß es am Montag. Mit ihrer Kehrtwende kurz vor der Ziellinie setze die FDP die Glaubwürdigkeit Deutschlands in der EU in Sachen Nachhaltigkeit aufs Spiel.
Bemerkenswert findet Armin Paasch von Misereor, dass die FDP nun eine fehlende Safe-Harbour-Lösung beklage, obwohl Justizminister Marco Buschmann sie “nie im Trilog gefordert” habe. Mit ihrer Blockadehaltung isoliere sich die FDP auch international, heißt es bei der Initiative Lieferkettengesetz. Denn die liberale Fraktion im EU-Parlament habe die Einigung auf einen Kompromiss zum EU-Lieferkettengesetz im Dezember als großen Erfolg gefeiert.
Die liberale Fraktion im EU-Parlament unterstütze weiterhin die Einigung über das Sorgfaltspflichtengesetz, sagte der Schattenberichterstatter von Renew, Adrián Vázquez Lazara. “Dies wurde in mehreren Fraktionssitzungen beschlossen, in denen das Thema intern erörtert wurde, und hat sich in der Plenarabstimmung über den Standpunkt des Parlaments am 1. Juni 2023 gezeigt”, erklärte er. Eine große Mehrheit der Renew-Fraktion habe den Text unterstützt. “Natürlich ist es bei dieser und jeder anderen Richtlinie oder Verordnung möglich, dass einige Parteien innerhalb der Fraktion legitimerweise beschließen, den Text abzulehnen”, fügte Vázquez Lazara hinzu. Mitarbeit: Till Hoppe
Die EU müsse die heimische Düngemittelindustrie stärken, um in dem Bereich unabhängiger von russischen Importen zu werden, forderte Holsether am Donnerstag vor Journalisten in Brüssel. “Es würde mich sehr besorgen, wenn wir bei Düngemitteln in die gleiche Situation hinein schlafwandeln wie in Sachen Energie”, betonte der Yara-CEO. Das norwegische Unternehmen zählt zu den größten Düngemittelproduzenten der EU. Holsether verwies darauf, dass Düngemittel-Importe aus Russland in die EU seit Beginn des Angriffskriegs auf die Ukraine im Februar 2022 nicht etwa gesunken, sondern angestiegen sind.
Laut Daten der EU-Statistikbehörde Eurostat importierte die EU im September 2023 knapp 550.000 Tonnen Düngemittel und Stickstoffverbindungen, im Vergleich zu 410.000 Tonnen im September 2021 – ein Anstieg um rund ein Drittel. Gleichzeitig macht Russland laut Eurostat, wie vor Kriegsbeginn, weiterhin ein gutes Viertel der Düngemittelimporte in die EU aus. Düngemittel fallen, wie auch Agrarrohstoffe, nicht unter die Sanktionen der EU gegen Russland. Damit will die EU sicherstellen, dass die Sanktionen nicht die globale Lebensmittelversorgung beeinträchtigen.
Um die heimische Industrie zu unterstützen, schweben Holsether unter anderem Lockerungen beim europäischen CO2-Preis vor, die europäische Düngehersteller im internationalen Vergleich wettbewerbsfähiger machen sollen. Aktuell profitiert die Düngeindustrie in der EU bereits von Anti-Dumping-Zöllen auf die Einfuhr bestimmter Düngeprodukte aus Russland und weiteren großen Exportländern. Vielen Landwirten sind die Zölle dagegen ein Dorn im Auge, weil sie zu höheren Preisen für Düngemittel auf dem europäischen Markt führen. Im Herbst 2022 hatte der EU-Bauernverband COPA-COGECA deshalb angesichts der hohen Betriebsmittelpreise im Zuge des Ukrainekriegs ohne Erfolg eine Aussetzung der Zölle gefordert, um die Betriebe zu entlasten.
Auch Holsether räumte ein, dass ein stärkerer Schutz der heimischen Industrie und die Abnabelung von russischen Düngeimporten die Preise für Düngemittel und damit auch für Lebensmittel nach oben treiben könnten. Er argumentierte jedoch, dass die Nutzung heimisch produzierter Düngemittel auch dem Klimaschutz nutze, weil europäische Hersteller höhere Umwelt- und Klimastandards erfüllen müssten als beispielsweise russische. jd
Agrarimporte in die EU sollen nach Ansicht des Umweltausschusses im Europäischen Parlament künftig keine nachweisbaren Rückstände des Insektizids Thiacloprid enthalten dürfen. Für einen entsprechenden Beschluss stimmte der Ausschuss am vergangenen Donnerstag mit deutlicher Mehrheit. Innerhalb der EU ist die Nutzung des Insektizids, das vor allem bei Baumwolle, Kernobst, Gemüse und Kartoffeln eingesetzt wird, bereits seit 2020 wegen Risiken für die Umwelt und die menschliche Gesundheit nicht mehr zugelassen. So gab es unter anderem Bedenken, dass der Stoff ins Grundwasser gelangen und hierüber bei schwangeren Frauen Schäden am ungeborenen Kind verursachen könnte. Thiacloprid gehört zudem zu den Neonicotinoiden, eine Gruppe von Insektiziden, die als besonders schädlich für Bienen gilt und seit 2021 in ihrer Gesamtheit in der EU verboten ist.
Weil in Nicht-EU-Ländern aber weiterhin Thiacloprid eingesetzt wird, können Rückstände des Stoffs in importierten Agrarprodukten enthalten sein. Solche Rückstände in nachweisbarer Höhe wollen die Abgeordneten künftig für Einfuhren in die EU verboten sehen. Der am Donnerstag gefasste Beschluss geht auf eine Initiative des grünen und linken Lagers sowie der Liberalen zurück. Ist ein Wirkstoff in der EU verboten, sollte er auch in Importen nicht enthalten sein dürfen, so die Argumentation der Abgeordneten. Sie verweisen darauf, dass das auch bei anderen verbotenen Neonicotinoiden so gehandhabt werde.
Die EU-Kommission sieht in einem Verordnungsentwurf dagegen vor, lediglich für Pfirsiche und Paprika keine nachweisbaren Thiacloprid-Rückstände mehr zuzulassen. Mehr als 30 andere Erzeugnisse sollen weiterhin Rückstände des Pestizids enthalten dürfen, darunter mehrere Obst- und Gemüsesorten, Kartoffeln, Reis und Weizen. Die Kommission stützt sich auf eine Bewertung der EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), die bei den meisten untersuchten Erzeugnissen – mit Ausnahme von Pfirsichen und Paprika – kein Gesundheitsrisiko für Verbraucher durch Thiacloprid-Rückstände in Lebensmitteln feststellen konnte. Dass die EU-Kommission Thiacloprid im Import erlauben will, zur Nutzung in der EU aber verboten hat, ergibt sich also daraus, dass der Stoff laut EFSA ein Risiko für den Menschen ist, wenn er ins Grundwasser sickert, nicht aber als Rückstand in den meisten Lebensmitteln.
Das EU-Parlament muss dem Vorschlag nicht aktiv zustimmen, kann ihn aber de facto blockieren und die Kommission zur Vorlage einer neuen Version zwingen. Hierauf zielt die Entschließung des Umweltausschusses ab, über die nun allerdings noch das Plenum entscheiden muss. Ob sich dort die erforderliche absolute Mehrheit findet, ist jedoch nicht ausgemacht. Selbst aus dem Umfeld der zuständigen Parlamentarier ist Skepsis darüber zu vernehmen, ob sich unter den Liberalen sowie der Europäischen Volkspartei (EVP) auch außerhalb der oft progressiver eingestellten Abgeordneten im Umweltausschuss die nötige Unterstützung findet. jd
Die von der EU-Kommission vorgeschlagene Lockerung der Regeln für neue Gentechniken steht beim monatlichen Treffen der EU-Agrarminister am kommenden Montag nicht auf der Agenda. Nachdem die Minister das Thema bereits im Dezember diskutiert, aber keine Einigung gefunden hatten, gab die belgische Ratspräsidentschaft den Vorschlag vorerst zurück auf die Arbeitsebene, wie ein Sprecher bestätigte. Die Vorbereitungszeit sei zu knapp gewesen, um das Thema bereits in diesem Monat auf die Agenda der Minister zu setzen.
Neben der deutschen Bundesregierung hatte im Dezember unter anderem Polen gegen den Kompromissvorschlag gestimmt. Dort hat es in der Zwischenzeit einen Regierungswechsel gegeben. Das Land gilt deshalb als möglicher Kandidat, der sein Votum ändert. Die neue Regierung unter Donald Tusk hat sich zum Thema bisher jedoch bedeckt gehalten.
Auf der Seite des Europäischen Parlaments könnte es diese Woche jedoch Bewegung geben: Internen Quellen zufolge streben die zuständigen Berichterstatter der Fraktionen bei Gesprächen am heutigen Dienstag einen Kompromiss an. Sollte dies gelingen, könnte der Umweltausschuss bei seiner nächsten Sitzung am 24. Januar hierüber abstimmen, das Plenum dann im Februar.
Trotzdem wird das Zeitfenster für eine finale Einigung vor der Europawahl im Juni immer enger. Denn nachdem Mitgliedstaaten und Parlament jeweils ihre Position ausgehandelt haben, müssen sie im sogenannten Trilog noch untereinander eine Einigung finden. All das müsste vor der letzten Plenarsitzung der Legislaturperiode Ende April geschehen, damit die Einigung noch vom Parlament verabschiedet werden könnte.
Kritik am Vorschlag der EU-Kommission kam zuletzt von mehreren deutschen Unternehmen, darunter die Drogeriemarktkette dm, der Biokonzern Alnatura und das Tiefkühlunternehmen Frosta. In einem offenen Brief vom vergangenen Dienstag an den Fraktionsvorsitzenden der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber (CSU), äußern die Unternehmen “große Sorge” über den Gesetzentwurf. Dabei fordern die Unterzeichner insbesondere, es müsse der Lebensmittelbranche weiterhin möglich sein, garantiert gentechnikfreie Lebensmittel anzubieten. Hierzu müssten Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung aller gentechnisch bearbeiteten Produkte sichergestellt werden.
Der Vorschlag der EU-Kommission sieht eine Lockerung der Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Pflanzen vor, die in dieser Form auch durch konventionelle Züchtungsmethoden hätten entstehen können. jd
Zum Jahresbeginn hat Polen dem Verkauf aufputschender Energydrinks an Minderjährige ein Ende gesetzt. Die polnische Regierung folgt damit dem Beispiel von Ländern wie Großbritannien, Litauen oder Lettland, in denen bereits seit Jahren Altersbeschränkungen gelten. Ähnlich wie bei alkoholhaltigen Getränken gilt damit beim Kauf von Energydrinks an polnischen Supermarktkassen und Getränkeautomaten die Ausweispflicht. Verstöße gegen das Verkaufsverbot sollen mit hohen Geldstrafen geahndet werden.
Wenn es nach der Verbraucherorganisation Foodwatch geht, soll das, was seit Jahresbeginn in Polen gilt, auch in Deutschland politisch auf den Weg gebracht werden. Denn: Die koffein- und taurinhaltigen Getränke würden laut Foodwatch mit Herzrhythmusstörungen, Krampfanfällen und Angstzuständen in Verbindung gebracht. Polen habe die eindringlichen Warnungen der Wissenschaft ernst genommen und das einzig Richtige getan, sagt Luise Molling von Foodwatch.
Molling fordert nun Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir auf, den Verkaufsstopp der Getränke an Minderjährige in Deutschland umzusetzen. Die Verbraucherzentralen hatten dazu bereits 2022 aufgerufen und ein Verkaufsverbot an Minderjährige für alle Erfrischungsgetränke mit einem erhöhten Koffeingehalt gefordert. Politisch gefolgt ist daraus nichts. Kinder in Deutschland können Energydrinks noch immer uneingeschränkt im Supermarkt erwerben.
SPD-Gesundheitspolitiker hatten bereits 2018 ebenfalls ein Verbot gefordert. 2019 hatte sich die ernährungspolitische Sprecherin der Grünen, Renate Künast, auch dafür ausgesprochen. Die damalige Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) hatte die Forderungen nach einem Verbot damals jedoch abgelehnt und angekündigt, lieber auf Aufklärung setzen zu wollen. heu
Bauernproteste: Ampelfraktionen übernehmen Regie. Beim Treffen der Fraktionsspitzen der Ampel mit den Landwirtschaftsverbänden haben die Parlamentarier die Initiative übernommen und den Agrarvertretern Zugeständnisse in Aussicht gestellt. Ein Entschließungsantrag soll bis zur Bereinigungssitzung am Donnerstag erste Schritte festschreiben. Darin dürften Punkte wie die Tierwohlabgabe, die Entwicklung der Boden- und Pachtpreise, faire Erzeugerpreise, aber auch die Marktmacht der Handelsketten eine Rolle spielen.
Dem soll innerhalb weniger Wochen ein Fahrplan mit detaillierter ausgearbeiteten Reformschritten folgen. “Chancen sind liegen geblieben”, sagte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich und meinte damit die Zukunfts- und die Borchert-Kommission, die sich eingehend mit der Situation der Landwirtschaft beschäftigt und konkrete Vorschläge erarbeitet hatte. Weil die Regierung daran aber wenig Interesse hatte, hatte sich die Borchert-Kommission im vergangenen Sommer selbst aufgelöst. Die Demonstranten, die Finanzminister Christian Lindner bei seinem Auftritt am Brandenburger Tor hart auspfiffen, hinterließen offenbar auch bei den Liberalen Wirkung. FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte nach der Sitzung: “Es ist an uns, jetzt zu Entscheidungen zu kommen.”
Keine Zugeständnisse gibt es beim Abbau der Dieselsubvention. Die Gespräche hatten frostig begonnen, nachdem der Bauernverband gleich zu Beginn eine Rücknahme der Subventionsstreichung beim Agrardiesel gefordert hatte. Darauf wollten sich die Fraktionsvertreter nicht einlassen, signalisierten dann aber in vielen anderen Punkten Verständnis. Die schwierige Situation der Bauern sei bekannt, sagte Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann hinterher: “Wir haben kein Erkenntnis-, wir haben ein Handlungsdefizit.” Das Bekenntnis der Ampelvertreter zur eigenen Trägheit oder auch zur Unfähigkeit zum Kompromiss schuf dann offenbar doch eine halbwegs belastbare Gesprächsgrundlage.
Die Einigung, die Marktmacht der Handelsketten zu brechen, stand bereits. Zur Tierwohlabgabe hatten sich die zuständigen Fraktionsvizes vor Wochen schon auf einen Kompromiss geeinigt, der dann jedoch im Gestrüpp der Geschäfte und Gegengeschäfte auf Regierungsebene hängen blieb. Im Dezember hatten sich zudem die Berichterstatter der drei Fraktionen darauf verständigt, die Marktmacht der Lebensmitteldiscounter einzuschränken und dazu auch ein Papier erarbeitet. Im neuen Jahr rückte die FDP dann davon wieder ab. Der Vertreter des Bauernverbandes ließ nach dem Montagsgespräch im Reichstag allerdings auch wissen: “Wenn jetzt nichts passiert, stehen wir in einigen Wochen wieder hier.”
17.01.2024 – 9.30 – 9.50 Uhr / Grüne Woche Messegelände, Halle 3.2., Stand 223
Pressekonferenz zur Eröffnung der IGW Forum Moderne Landwirtschaft e.V.: ErlebnisBauernhof “Ernährung sichern. Natur schützen.”
Gesprächspartner:innen: Joachim Rukwied (Bauernpräsident) & Lea Fließ (Geschäftsführerin Forum Moderne Landwirtschaft) INFO
17.01.2024 – 10.00 – 18.00 Uhr / BMEL
Forum The International Young Farmers’ Forum at GFFA
The young farmers actively contribute to the GFFA by sharing the experiences gained on their own farms or from their work in national farming organizations. Their role is decisive in shaping the global food supply of the future. The YFF and the GFFA offer them the opportunity to be heard at international level. Two representatives of the group will present a statement on the GFFA topic commonly drafted by the group to the GFFA agriculture ministers’ conference on Saturday 20th January 2024. INFO & ANMELDUNG
17.01.2024 – 19.00 Uhr / Vertretung des Landes Hessen in Berlin
Podiumsdiskussion Klimabilanz im LEH: Jetzt kommt’s auf die Bauern an!
Welchen Einfluss hat die Wertschöpfungskette Lebensmittel auf die Klimaziele? Welche Strategien gibt es, um die Bilanz zu verbessern? Bietet das Thema Klima für Bauern neue Einkommenschancen? INFO & ANMELDUNG
17.01.2024 – 20.01.2024 / Berlin
Konferenz 16. Global Forum for Food and Agriculture – Ernährungssysteme der Zukunft: Gemeinsam für eine Welt ohne Hunger
Um die Ernährungssysteme für unsere Zukunft fit zu machen und die Agenda 2030 umzusetzen, sind enorme Anstrengungen erforderlich. Der internationalen Gemeinschaft – uns allen – bleiben nur noch sieben Jahre, um die Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 zu erreichen. Laut den jüngsten Zahlen hungert jedoch jeder zehnte Mensch auf dieser Erde. Mehr als zwei Milliarden Menschen können sich keine gesunde Ernährung leisten. ANMELDUNG
18.01.2024 – 9.00 Uhr / Berlin
147. Bundestagssitzung Beratung über den Agrarpolitischen Bericht der Bundesregierung 2023
Der Bericht informiert über die Lage der Landwirtschaft im Zeitraum 2019 bis 2022. INFO
18.01.2024 – 14:00 – 15:30 / GFFA
GFFA Opening Kick-off Event
The Kick-off Event marks the official start of the GFFA with an exchange between high-level experts of the global agri-food sector from politics, industry, science, and civil society under the guiding theme “Food Systems for Our Future: Joining Forces for a Zero Hunger World!”. INFO
18.01.2024 – 16.00 – 17.30 Uhr / GFFA
High Level Panel Ernährung, Klima und Sicherheit: Gemeinsam für eine sichere Zukunft
Das Bundeslandwirtschaftsministerium richtet erstmals mit der Münchner Sicherheitskonferenz eine gemeinsame “High Level Debate” zur Verbindung Klimakrise, Ernährungssicherheit sowie Kriege und Konflikte auf dem 16. Global Forum for Food and Agriculture aus. INFO
18.01.2024 – 20.00 Uhr / BMEL Halle 23a, City Cube Berlin
Empfang BMEL Empfang für ausländische Ehrengäste auf dem 16. Global Forum for Food and Agriculture PROGRAMM
19.01.2024 – 13:30 – 15:00 Uhr / GFFA
High Level Panel Realizing the Right to Adequate Food: Ending hunger and leaving no one behind
Discussion of the event: a) Interventions that bring the Right to Adequate Food more prominently into legal and policy frameworks, including national constitutions and framework laws;
b) Examples of the establishment of multistakeholder mechanisms, platforms and councils that are intended to ensure coordination and policy coherence across different sectors as a way to address the various dimensions of the right to food in an integrated manner;
c) Initiatives to monitor and assess progress and gaps in the implementation of the Voluntary Guidelines on the Right to Food and their impact at country level;
d) Main challenges and constraints faced at country level that impede the realization of the Right to Adequate food, including financial and capacity gaps, and how they are being addressed. INFO
19.01.2024 – 14:00 / Deutscher Bundestag, Marie-Elisabeth-Lüders-Haus (Anhörungssaal 3.101)
Hybrides Fachgespräch Ernährung sichern – agrarökologisch, pflanzenbasiert, regional
Wie sichern wir eine gesunde Ernährung in Deutschland in den kommenden 30 Jahren? Die Grünen laden anlässlich der Grünen Woche ein, mit Ihnen und mit Expert:innen über diese Fragen ins Gespräch zukommen. INFO
19.01.2024 – 15:30 – 17:00 Uhr / GFFA
High Level Panel Squaring the Circle: Towards Sustainable Agriculture and Food Supply Chains
Food security and environmental sustainability are two key policy objectives for the agricultural sector. This panel explores how agri-food trade can continue to ensure global food security and enhance its contribution to environmental sustainability. INFO
19.01.2024 – 28.01.2024 / Messe Berlin
Messe Internationale Grüne Woche
Die internationale Leitmesse für Ernährung, Landwirtschaft und Gartenbau. Aussteller aus aller Welt präsentieren an zehn Veranstaltungstagen ein umfangreiches Produktangebot. Zudem gibt die Grüne Woche aktuellen gesellschaftlichen Fragen wie Klimaschutz, Kreislaufwirtschaft, Ressourcenschonung und nachhaltige Landnutzung eine Bühne. INFO
20.01.2024 – 09:00 – 15:00 Uhr / Berlin
Konferenz Berliner Agrarministerkonferenz auf dem 16. Global Forum for Food and Agriculture
Themen: Nachhaltige Produktion und Ernährungssouveränität stärken; resiliente und nachhaltige Lieferketten fördern; Lebensmittelverluste und -verschwendung reduzieren; vulnerable Gruppen stärken. PROGRAMM
20.01.2024 – 12:00 Uhr / Willy- Brandt- Haus Berlin
Demo Wir haben es satt!
Wir setzen uns seit über einem Jahrzehnt friedlich und demokratisch für die sozial-gerechte Agrarwende ein: Als Bäuerinnen und Bauern, konventionell und bio, Imker*innen, Umwelt- und Tierschützer*innen und Verbraucher*innen demonstrieren wir am Samstag, den 20. Januar für eine bäuerliche, ökologischere und gentechnikfreie Landwirtschaft. INFO
22.01.2024 – 23.01.2024 / Brüssel
Tagung Rat für Landwirtschaft und Fischerei der Europäischen Union INFO
23.01.2024 – 14.30 – 16.30 Uhr / CityCube Berlin
Kongress “Kraftstoffe der Zukunft 2024” Erneuerbare Antriebsenergie für die Land – und Forstwirtschaft
Unter dem Motto: “Kraftstoffe der Zukunft 2024 – Navigator für nachhaltige Mobilität” wird der
21. Internationale Fachkongress für Erneuerbare Mobilität “Kraftstoffe der Zukunft”, vom
22. bis 23. Januar 2024 erneut im CityCube Berlin stattfinden. Am 23.01. wird in der Session 6D: über das Thema Biofuels in der Land- und Forstwirtschaft diskutiert. PROGRAMM
24.01. – 25.01.2024 / Berlin
Forum 17. Zukunftsforum Ländliche Entwicklung
Unter dem Motto “Land.schöpft.Wert. – Starke ländliche Regionen” wird sich das Zukunftsforum 2024 dem Thema Regionaler Wertschöpfung widmen. Bundesminister Cem Özdemir wird die Veranstaltung am 24. Januar 2024 auf dem Berliner Messegelände eröffnen. INFO
Wenn es um Prävention und Gesundheitsförderung geht, dann schließt Deutschland im internationalen Vergleich meist schlecht ab. Insbesondere für den Kinderschutz ist das ein großes politisches Versäumnis. Der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP hatte zuletzt Hoffnung gemacht, dass sich dies zumindest in der Regulierung von Lebensmittelwerbung endlich ändern könnte, verspricht er doch ein Verbot von an “Kinder gerichtete[r] Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- und Salzgehalt”.
Seit der Vorlage eines ambitionierten Gesetzentwurfes durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) im Februar 2023 tobt eine Debatte darüber, wie streng Werbeeinschränkungen sein sollten und ob diese der Lebensmittel- und Medienindustrie schaden könnten. Ein Blick auf die Erfahrungen Chiles, welches in der Ernährungspolitik als weltweites Vorreiterland und Reallabor gilt, erlaubt es, diese Debatte zu versachlichen.
In den 2010er-Jahren setzte die chilenische Regierung umfangreiche Maßnahmen zur Vermeidung ernährungsbedingter chronischer Krankheiten um. Neben verpflichtender Lebensmittelkennzeichnung und Verkaufseinschränkungen in Schulen wurden auch strenge Werbeeinschränkungen eingeführt. Zu diesen liegen mittlerweile belastbare Evaluierungsergebnisse vor. Sie sind für die aktuelle Debatte in Deutschland besonders relevant, weil sie Schlüsse darüber erlauben, welche Art von Werbeeinschränkungen besonders wirksam sind.
Chile hat die verschiedenen Regeln gestaffelt eingeführt: 2016 wurde in einer ersten Phase ein Zielgruppenverbot implementiert, durch das spezifisch an Kinder gerichtete Werbung verboten wurde. 2018 wurde in einer zweiten Phase ein zusätzliches zeitliches Verbot eingeführt, das jegliche Werbung für als ungesund definierte Lebensmittel zwischen 6 und 22 Uhr untersagte.
Eine Evaluierung dieser gestaffelten Einführung zeigt, dass ein Zielgruppenverbot durchaus wirksam, ein zusätzliches zeitliches Verbot aber nochmal deutlich wirksamer ist. Nach der Einführung des Zielgruppenverbots ist die tatsächlich gemessene Belastung von Kindern durch Fernsehwerbung für ungesunde Lebensmittel im Kinderprogramm um zwei Drittel und im Gesamtprogramm um die Hälfte zurückgegangen. Nach der Einführung des zusätzlichen zeitlichen Verbots ist diese Belastung dann noch einmal um ungefähr zwei Drittel im Kinderprogramm und um die Hälfte im Gesamtprogramm zurückgegangen. Kinder schauen in der Realität eben auch viele Sendungen jenseits des Kinderfernsehens.
Es besteht wissenschaftlich kaum ein Zweifel daran, dass Werbeeinschränkungen Kinder wirksam vor Werbung für ungesunde Lebensmittel schützen und damit zu einer gesünderen Ernährungsweise beitragen. Wieso wird das geplante Gesetz trotzdem so stark torpediert? Hauptursache hierfür scheinen privatwirtschaftliche Ängste zu sein: Die Lebensmittelindustrie fürchtet, dass sie weniger ungesunde Lebensmittel verkaufen wird, wenn sie diese nicht mehr wie gewohnt bewerben kann. Die Medienindustrie hat Angst, dass ihr dadurch Werbeerlöse wegbrechen.
Auch in Chile wurden verheerende wirtschaftliche Schäden prophezeit. Eine ökonomische Evaluation hat mittlerweile aber gezeigt, dass sich die Werbeeinschränkungen dort insgesamt nicht negativ auf die Beschäftigung oder die Löhne in der Lebensmittelindustrie ausgewirkt haben. Und das, obwohl die chilenischen Maßnahmen insgesamt viel umfangreicher sind als die in Deutschland derzeit diskutierten Werbeeinschränkungen. Eine weitere Studie deutet darauf hin, dass es auch keinen Rückgang im Gesamtwerbeaufkommen gab, sondern dass Werbung für ungesunde Lebensmittel mit solcher für gesündere Lebensmittel ersetzt wurde. Die Lebensmittelindustrie ist insgesamt also anpassungsfähig und wirtschaftliche Ängste scheinen unbegründet.
Dieser Blick auf die erwartbaren wirtschaftlichen Auswirkungen von Werbeeinschränkungen soll nicht implizieren, dass wirksamer Schutz von Kindergesundheit nicht auch wirtschaftliche Kosten rechtfertigen kann. Da es aber keine starke Evidenz gibt, dass Werbeeinschränkungen tatsächlich derartige Schäden für die Lebensmittel- und Medienindustrie bedeuten, wäre es besonders fahrlässig, das vom BMEL vorgelegte Gesetz zur strengeren Regulierung von Lebensmittelwerbung nicht umgehend zu verabschieden.
Prof. Dr. Tim Dorlach ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Juniorprofessor an der Universität Bayreuth zu Fragen der globalen Ernährungs- und Gesundheitspolitik.