während in Berlin der Koalitionskrach zwischen den Ampelparteien mediale Wellen schlägt, übt sich Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir auf seiner mehrtägigen Reise nach Afrika in Selbstkritik. “Wir alle sollten uns fragen, ob wir da gerade einen guten Job machen. Ehrlicherweise nein, sonst wären die AfD und das BSW nicht so stark”, so der Minister am Montag in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba. Der fortwährende Streit trage erst recht nicht dazu bei, dass AfD und BSW schrumpften, so Özdemir weiter.
Fernab in Afrika spielt der offenbar brüchige Zusammenhalt der Ampelkoalitionäre aber nur am Rande eine Rolle. Grünen-Politiker Özdemir ist nach Äthiopien gereist, um diplomatische Beziehungen zur afrikanischen Union in Form eines agrarpolitischen Dialogs zu fördern. Seine Afrika-Reise war sogar früher geplant, aber die Bauernproteste vereitelten den Reiseplan des Ministers. “Deutschland zeichnet sich dadurch aus, dass es nicht über Afrika, sondern mit Afrika spricht. Darauf lege ich sehr viel Wert”, sagte Özdemir kurz vor Abflug in Berlin. Am Montag in Addis Abeba konnte er seinen Worten Taten folgen lassen. Mit Josefa Sacko, der Landwirtschaftskommissarin der afrikanischen Union, hat er bereits das nächste Treffen im Januar zur Grünen Woche vereinbart.
Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre!
Ein allzu heftiger Schlagabtausch blieb aus bei der Bestätigungsanhörung von Christophe Hansen im Europäischen Parlament. Mit breiter Mehrheit aus EVP, S&D, Grünen, Renew und EKR bestätigten die Koordinatoren der Fraktionen im zuständigen Agrarausschuss (AGRI) ihn laut gut informierten Kreisen als EU-Kommissar für Landwirtschaft und Ernährung.
Souverän hatte der Luxemburger zuvor die recht zahmen Fragen der Abgeordneten beantwortet. In seinem Element war der bisherige Handels- und Umweltpolitiker vor allem bei Fragen zum internationalen Handel. Aber auch bei reinen Agrarthemen wirkte er gut vorbereitet – auch, weil er sich eng an seine vorherigen schriftlichen Antworten und an Aussagen von Kommissionschefin Ursula von der Leyen hielt. Etwa die Zusage, kleine Betriebe künftig in der Gemeinsamen Agrarpolitik unterstützen zu wollen.
Deutlich wurde Hansen aber, als es um den künftigen EU-Haushalt ging. “Ich werde mich ganz stark einsetzen für einen spezifischen Agrarhaushalt“, versprach er. In kürzlich durchgesickerten Reformideen aus der EU-Kommission gab es Überlegungen, die GAP als eigenen Budgetposten aufzulösen und stattdessen über die nationalen Haushalte auszuzahlen. Kritik dazu kam unter anderem vom Deutschen Bauernverband (DBV). Viele Abgeordnete äußerten Sorgen über die Höhe des künftigen EU-Agrarbudgets.
Er werde für einen starken Agrarhaushalt kämpfen, versprach Hansen, entscheide das aber nun einmal nicht alleine: “Wenn wir das derzeitige Budget auf dem gleichen Niveau erhalten können, wäre ich schon froh.” Das Budget müsse flankiert werden durch andere Einnahmequellen für Landwirte: aus der Bioökonomie, durch Carbon Farming, besseren Zugang zu Krediten und bessere Erzeugerpreise. Zwei bereits im Frühjahr angekündigte Initiativen zur Stärkung von Genossenschaften und zur grenzübergreifenden Umsetzung der Richtlinie zu unlauteren Handelspraktiken (UTP) versprach er für die ersten Tage seiner Amtszeit.
Eine klare Absage erteilte Hansen substanziellen neuen EU-Initiativen im Ernährungsbereich – trotz der Tatsache, dass “Ernährung” nun im Titel des Agrarkommissars steht. Es sei “sehr schwierig, von oben herab vorzugeben, wer was essen soll”. Vieles sei in dem Bereich außerdem auf nationaler, regionaler, oder lokaler Ebene angesiedelt, nicht auf europäischer. Auch gegen eine Ausweitung des Emissionshandels (ETS) auf den Agrarsektor sprach sich Hansen aus.
Das sei “nicht der Weg nach vorn” – zu hoch sei der bürokratische Aufwand, zudem würden auf diese Weise die Verbraucherpreise steigen. Trotzdem bekannte sich Hansen zu den Zielen des Green Deal. Angesichts von Extremwetterereignissen wie zuletzt in der Region Valencia könne diese “niemand ernsthaft hinterfragen”.
Der ehemalige Handelspolitiker sprach sich für das Mercosur-Abkommen aus: Es sei im Interesse der europäischen Landwirtschaft, die stark von Exporten profitiere. Hansen räumte aber auch ein, dass Teile des Sektors, allen voran Fleischerzeuger, sich ungeschützt fühlen gegenüber der Konkurrenz aus Südamerika. Es müsse sichergestellt werden, dass die Importe aus diesen Ländern EU-Standards erfüllen. Auch darüber hinaus sieht Hansen Potenzial, im internationalen Handeln stärker auf sogenannte Spiegelklauseln zu setzen – also die Anwendung eigener Produktionsstandards auf Importe.
Die EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) sei ein gutes Beispiel dafür, wie das funktionieren könne – auch wenn er um die Kritik an dem Projekt wisse. Hansen hatte das Gesetz als Berichterstatter des Parlaments selbst mitverhandelt.
Nach den Anhörungen der einzelnen Kommissare, die noch bis zum 12. November laufen, muss das Parlament noch die gesamte neue Kommission absegnen. Das ist momentan für die Plenartagung vom 25. bis 28. November geplant.
Eine viel beachtete wissenschaftliche Analyse zur Einschätzung, wie viele Menschen in Afrika und in anderen Schwellenländern durch Pestizide erkranken oder sterben, ist am 9. Oktober zurückgezogen worden. Dennoch dient sie dem Bundestag als Grundlage für eine öffentliche Anhörung, die für den 13. November im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung angesetzt ist.
Am 7. Dezember 2020 hatten die Autoren Wolfgang Bödeker, Meriel Watts, Peter Clausing und Emily Marquez die Untersuchung The global distribution of acute unintentional pesticide poisoning: estimations based on a systematic review auf der Website der Wissenschaftspublikation BMC Public Health von Springer Nature publiziert. Das Journal unterliegt nach eigenen Angaben einer peer-review. Die Heinrich-Böll-Stiftung, die den Grünen nahesteht, hatte diese Studie aufgegriffen und in ihren Pestizidatlas 2022 aufgenommen.
Diese Studie zog breite Aufmerksamkeit in den Medien auf sich, wie einige Beispiele zeigen:
Auch der Bundestag befasste sich schon mit der Untersuchung:
In dieser Studie beziffern die vier Autoren, die der NGO Pestizid Aktionsnetzwerk (PAN) nahestehen, die Zahl der Menschen, die durch Pestizide erkranken, weltweit auf 385 Millionen jährlich. Kopf- und Gliederschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall seien typische Symptome. Diese Zahl war allein schon deshalb aufsehenerregend, weil die Website Our World in Data die Zahl der Landwirtschaftsbetriebe weltweit auf 570 Millionen schätzt.
Auf dem afrikanischen Kontinent erkranken dieser Studie zufolge jährlich 96,5 Millionen Menschen infolge des Einsatzes von Pestiziden. “Etwa 11.000 Menschen sterben unbeabsichtigt daran (an einer Pestizidvergiftung, Anm. d. Red.), Jahr um Jahr”, heißt es in der Untersuchung weiter.
Diese Zahl liegt weiter unter einer Schätzung, die bis dahin international aufgrund einer Studie des Arbeitsmediziners Jeyarajah Jeyaratnams zirkulierte. In dieser Studie war von jährlich rund 220.000 Toten aufgrund von unintentional acute pesticide poisoning (UAPP) die Rede. Allerdings hielt diese Zahl einer Überprüfung nicht stand. Die Angabe stammte aus einer Schätzung von 1985, die auf Zahlen aus Sri Lanka aus dem Jahr 1982 beruhte. Diese Datenerhebung wurde anschließend auf die Welt hochgerechnet. Außerdem wurden in dieser Studie 73 Prozent der Todesfälle auf Suizide zurückgeführt und 24,9 Prozent auf einen unsachgemäßen Einsatz der Pestizide.
Im Jahr 2017 übernahm die UNO zunächst die Zahl von 220.000 UAPP-Toten jährlich. Die NGO Foodwatch rückte im April 2020 allerdings von einer weiteren Verwendung dieser Zahl ab, weil sie sich nicht hinreichend belegen ließ.
Da es nun keinen Beleg für die Zahl der UAPP-Toten in Afrika und anderswo gab, richtete sich die Aufmerksamkeit stark auf die neue Studie von 2020. Allerdings veröffentlichte BMC Public Health im Oktober 2021 einen kritischen Kommentar von Pestizid-Herstellern zu dieser neuen Untersuchung. Die wichtigsten Kritikpunkte der Vertreter von Bayer und vom Branchenverband Croplife International lauteten:
Es folgte ein langes Hin und Her um die Frage, wie fundiert die Studie ist. Den Kritikpunkten aus der Industrie hat sich die Fachpublikation schließlich weitgehend angeschlossen. Am 9. Oktober dieses Jahres zog BMC Public Health die Studie mit der Begründung zurück, es gebe “Bedenken hinsichtlich der Verwendung der ,immerwährenden’ Häufigkeit von Pestizidvergiftungen zur Darstellung der jährlichen Häufigkeit in den Extrapolationen.” Daraufhin habe die Redaktion Expertengutachten eingeholt, die diese Bedenken bestätigt hätten. Die Annahme der jährlichen Belastung für Länder, für die der Zeitrahmen nicht angegeben wird, sei unzuverlässig. “Der Herausgeber hat daher kein Vertrauen mehr in die präsentierten Ergebnisse und Schlussfolgerungen”, heißt es weiter.
In einer Stellungnahme gegenüber Table.Briefings bestätigt Bödeker, dass die Studie gegen den Willen ihrer Autoren zurückgezogen worden ist.
In der Ankündigung für die Anhörung des Entwicklungsausschusses wird ungeachtet der Entscheidung von BMC Public Health auf die Untersuchung mit dem Verweis “Boedeker et al., 2020” verwiesen. Diese Textstelle ist sogar mit einem Link auf jene Landing Page verknüpft, auf der BMC Public Health die Zurücknahme der Studie mitteilt. Allerdings ist der Link weder farblich noch anderweitig im Text kenntlich gemacht.
“Es ist konsequent und wichtig für die Integrität des wissenschaftlichen Journals, dass die Studie zurückgezogen wurde“, sagt Martin May, Geschäftsführer des Industrieverbands Agrar (IVA), gegenüber Table.Briefings. “Bedauerlich ist nur, dass nicht auch diejenigen, die die Zahl seither übernommen haben, darunter viele Medien und staatliche Stellen, sich die Mühe machen, die falschen Angaben auch zu korrigieren.”
“Es ist bedauerlich, dass eine umstrittene Studie so prominent in die Unterlagen eingeflossen ist, ohne den Rückzug der Studie zu erwähnen”, sagte Christoph Hoffmann (FDP), amtierender Vorsitzender des Entwicklungsausschusses, gegenüber Table.Briefings. “Das ist nicht der Qualitätsanspruch unseres Ausschusses.” Die umstrittenen Zahlen befanden sich bereits im ersten Entwurf, den die SPD vorgelegt hat. Eine Bitte um Stellungnahme von Table.Briefings an Sanae Abdi, Obfrau der SPD im Entwicklungsausschuss, blieb bis Montagabend unbeantwortet.
Auch inhaltlich stimmt Hoffmann mit der Studie, über die rechtlich noch gestritten werde, nicht überein. “Es wäre vermessen, wenn Deutschland oder Europa den armen Ländern sagen würde, dass man Pflanzenschutzmittel, die uns bei unserer Entwicklung und Nahrungsmittelversorgung geholfen haben, ihnen vorenthält.”
Auf seiner Reise nach Äthiopien unterstreicht Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne), die Afrikanische Union als Partner auf Augenhöhe zu betrachten. “Wir sind nicht hier, um Sie zu belehren. Wir sind hier, um Ihnen zuzuhören”, sagte der Minister am Montag in Addis Abeba zu Josefa Sacko, Landwirtschaftskommissarin der Afrikanischen Union (AU).
Zur Grünen Woche im Januar 2025 in Berlin will Özdemir deshalb gemeinsam mit Sacko ein BMEL-Konzept für die Zusammenarbeit mit afrikanischen Ländern und Regionen vorstellen. Mit dem Input von seiner mehrtägigen Afrika-Reise soll das vom BMEL bereits ausgearbeitete Konzept noch verfeinert werden. Dem Ressortchef ist es ein zentrales Anliegen, den Ländern Afrikas nichts überzustülpen.
Konsens gibt es zwischen Özdemir und Sacko mit Blick auf das Ziel, Ernährungssicherheit in den Ländern der AU zu schaffen. Für Sacko ist das wesentlich, um ländliche Räume strukturell zu entwickeln, eine Landflucht in große Städte oder sogar eine Abwanderung vom afrikanischen Kontinent zu verhindern.
Die Überzeugung, dies mit den Prinzipien der Agrarökologie zu erreichen, bei der Biodiversität und Klimaschutz in Agrarlandschaften einen hohen Stellenwert einnehmen, propagiert das BMEL. Wie groß die Schnittmenge mit der AU bezüglich dieser landwirtschaftlichen Praxis ist, ließ Sacko allerdings offen. Sacko unterstütze die Prinzipien der Agrarökologie zwar, weil sie “gut für die Umwelt” seien. Aber sie räumte ein: “Jedes Land in der afrikanischen Union muss selbst für sich entscheiden, welche Form der Landwirtschaft es wählt.” Übergeordnetes Ziel der AU sei es, Erträge zu steigern, und resiliente Systeme zu schaffen. Beim Transfer von Knowhow und Technik positioniert sich Deutschland als Partner der AU. has
Seit 2009 ist Maroš Šefčovič EU-Kommissar, nun hat der Slowake die Parlamentsabgeordneten der relevanten Parlamentsausschüsse im Hearing ein weiteres Mal von sich überzeugt. Der designierte Kommissar für Handel und wirtschaftliche Sicherheit sowie für interinstitutionelle Beziehungen und Transparenz war beim Handelsausschuss (INTA) und beim Ausschuss für konstitutionelle Fragen (AFCO) zu Besuch.
Šefčovič versprach, sich stark in die Verhandlungen zu den Handelsabkommen mit Mercosur und Mexiko einzubringen. Zudem wolle er schauen, wie man die Gespräche mit Australien wieder in Gang bringen könne. Gleichzeitig versprach er aber, die Interessen der Agrarindustrie in diesen Verhandlungen zu verteidigen. Er sprach sich für weniger umfassende Freihandelsabkommen aus. Die sogenannten “Clean Trade and Investment Partnerships” sollen gezielt gewisse Märkte öffnen und Versorgungssicherheit mit wichtigen Rohstoffen sicherstellen.
Abgeordnete von rechts und links übten Kritik an den Mercosur-Verhandlungen. So warf die linke Politikerin Manon Aubry dem designierten Kommissar vor, er werde der europäischen Landwirtschaft und dem Planeten schaden. Šefčovič beteuerte, dass er das Parlament rechtzeitig und umfassend informieren werde. “Ich werde mit einer Powerpoint-Präsentation und einem Rechner in den Ausschuss kommen und dann diskutieren wir über alle Fakten und Zahlen”, sagte er. Er wies aber darauf hin, dass importierte Landwirtschaftsgüter nur einen sehr kleinen Teil des EU-Markts ausmachten. jaa
Vertreter der Biogasbranche haben am gestrigen Montag in einem Fachgespräch der Grünen Bundestagsfraktion über die zukünftige Rolle der Bioenergie diskutiert. Sandra Rostek vom Bundesverband Erneuerbare Energie warnte vor der drohenden Stilllegung “tausender Biogasanlagen”, da das Ausschreibungsvolumen viel zu gering sei. “In der letzten Ausschreibung haben wieder 600 Anlagen keinen Zuschlag erhalten und müssen jetzt stillliegen. Dabei hat es sich zu 99 Prozent um Bestandsanlagen gehandelt”, ließ sie wissen.
Johannes Schwarz, Vorstandsmitglied der Speicherkraftwerksbetreibers SKVE, der 450 Biogasanlagen für den Strommarkt steuert, ergänzte: “Die Anlagen, die in die Ausschreibung gehen, stehen zudem in einem ruinösen Wettbewerb zueinander, weil sie sich gegenseitig unterbieten. Da sehe ich eine sehr große Gefahr, dass Unternehmen, die den Zuschlag bekommen haben, diesen nicht umsetzen können, weil die Wirtschaftlichkeit nicht gegeben ist.”
Einig waren sich alle Teilnehmer des Fachgesprächs in dem Punkt, dass die Zukunft von Biogas in der Rolle als dezentralem Backup für die fluktuierende Stromerzeugung aus Sonne und Wind besteht. Sandra Rostek führte dazu eine Strommarktstudie ihres Verbandes an, wonach allein durch die Umrüstung des heutigen Anlagenbestandes bis 2030 12 Gigawatt und langfristig 24 Gigawatt flexibler Strom bereitgestellt werden könnte. Dies würde auch den Bedarf an neuen fossilen Spitzenlastkraftwerken drastisch reduzieren, wie er gerade diskutiert werde.
“Biogaskraftwerke sind schon heute kostengünstiger, klimafreundlicher und erneuerbarer”, sagte Rostek. Um die Flexibilisierung der Anlagen anzureizen, forderte Rostek eine Erhöhung des Flexibilitätszuschlages. Wegen der in den letzten Jahren gestiegenen Zinsen und Inflationsraten sei die Höhe des Zuschlages veraltet.
Lisa Badum, Obfrau der Grünen im Ausschuss für Klimaschutz und Energie, sagte Unterstützung für die Bioenergie zu: “Wir werden keine Kahlschlaglösung befürworten, wie es einige unserer Wettbewerber tun.” Sie ergänzte, dass an dem von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck angekündigten Biomasse-Paket derzeit intensiv getüftelt werde. mo
Experten aus der Wissenschaft halten die Empfehlung des Bürgerrats “Ernährung im Wandel” für sinnvoll, ein staatliches, verpflichtendes Label für Lebensmittel einzuführen. Vertreter aus Gastronomie und Lebensmittelwirtschaft lehnen sie ab. Das zeigte sich beim öffentlichen Fachgespräch des Bundestagsausschusses für Ernährung und Landwirtschaft am gestrigen Montag. Der Bürgerrat hatte in seinem Gutachten Anfang des Jahres vorgeschlagen, ein neues staatliches, verpflichtendes Label für alle in Deutschland und in der EU verkauften Produkte einzuführen. “Man soll in drei Sekunden erkennen, ob das Lebensmittel unbedenklich ist”, heißt es. Das Label solle die Bereiche Klima, Tierwohl und Gesundheit einzeln berücksichtigen und wissenschaftlich fundiert sein.
Der Konsumentenforscher Carsten Leo Demming und die Nachhaltigkeitsexpertin Carolyn Hutter von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg sprachen sich im Fachgespräch explizit für ein solches Label aus. “So ein Label ist nicht nur gut für die Umwelt, sondern auch für die Wirtschaft“, betonte Hutter. Es animiere die Betriebe dazu, ihre Produkte nachhaltiger zu machen. Die Einführung sei eine Investition in die Zukunft. Laut Lena Hennes vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie entspricht das Label außerdem “ganz klar den Forderungen der Verbraucherinnen“.
Statt auf die Forderung des Bürgerrats einzugehen, nahm Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes, das Fachgespräch im Ernährungsausschuss zum Anlass, um sich gegen die Ausweitung der Tierhaltungskennzeichnung auf die Gastronomie auszusprechen. Dabei stellte sie die derzeitige bürokratische Belastung ihrer Branche heraus und forderte Freiwilligkeit statt Verpflichtung.
Ähnlich positionierte sich Manon Struck-Pacyna vom Lebensmittelverband Deutschland (LMVD). Sie verwies auf bereits bestehende gesetzliche Kennzeichen und stellte mit Blick auf die Forderung des Bürgerrats, drei “komplexe und sehr unterschiedliche Kriterien in ein Label zu integrieren”, eine “Überforderung von Verbraucherinnen und Verbrauchern” in Aussicht. Für eine differenziertere Betrachtung warb der Geschäftsführer des Bundesverbandes des Deutschen Lebensmittelhandels (BVLH), Christian Mieles. Zwar sei eine fokussierte Kennzeichnung im Sinne der Verbraucher grundsätzlich zu begrüßen. Jedoch erscheine es aus Handelssicht operativ nahezu unmöglich, Aspekte wie Klima, Tierwohl und Gesundheit in einer Kennzeichnung zusammenzuführen, so Mieles.
Was aus den Eingebungen der Experten im Fachgespräch nun folgt, ist unklar. Auf einen Beschlussantrag oder gar Gesetzentwurf konnte sich der Ausschuss bislang nicht verständigen. Die Teilnehmer des Bürgerrats werden deshalb unruhig. In einem Schreiben an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, unterzeichnet von zwei Dutzend Teilnehmern, heißt es: Natürlich habe niemand erwartet, dass alle Ratschläge unmittelbar umgesetzt würden. Aber: “Sollte keine der neun Empfehlungen aufgegriffen und realisiert werden, so würde dies das Vertrauen in das Instrument und allgemein die Demokratie beschädigen.” Bärbel Bas, die in dem Brief konkret zu einer Rückmeldung aufgefordert wird, wollte sich gegenüber Table.Briefings nicht äußern. heu
Die Europäische Kommission hat ein Anti-Dumpingverfahren wegen Einfuhren von Cholinchlorid aus China eingeleitet. Eine entsprechende Bekanntgabe veröffentlichte sie dazu am Donnerstag. Das Nahrungsergänzungsmittel wird industriell für Schweine- und Geflügelfutter genutzt, um das Wachstum der Tiere zu fördern.
Das italienische Unternehmen Balchem Italia Srl und Taminco BV aus Belgien hatten am 17. September in Brüssel einen entsprechenden Antrag gestellt. Den Antragstellern zufolge ist es aufgrund nennenswerter Verzerrungen nicht angemessen, die Inlandspreise und -kosten in der Volksrepublik China zu verwenden. Sie legten Beweise dafür vor, dass die Menge und die Preise der eingeführten Ware auf die Verkaufsmengen, die in Rechnung gestellten Preise und den Marktanteil des Wirtschaftszweigs der Union negativ ausgewirkt hätten. Das habe wiederum die finanzielle Lage des EU-Wirtschaftszweigs sehr nachteilig beeinflusst, was eine Einleitung des Anti-Dumpingverfahrens legitimiere, heißt es weiter.
Die EU und China befinden sich aktuell im Handelszwist. Anfang des Monats hatte die Volksrepublik China vorübergehende Anti-Dumpingmaßnahmen gegen Branntweineineinfuhren aus der EU verhängt, was als Reaktion auf die zuvor angekündigten EU-Ausgleichszölle auf in China hergestellte Elektrofahrzeuge verstanden wurde. mcl
5.11.2024 – 18.30 – 21.30 Uhr / Brüssel
EU-Parlament Bestätigungsanhörung Roswall
Bestätigungsanhörung für die designierte Umweltkommissarin Jessika Roswall. INFO
6.11.2024 – 11.00 Uhr / online
Report Agricultural Policy Monitoring and Evaluation 2024
This annual report monitors and evaluates agricultural policies in 54 countries, including the 38 OECD countries, the five non-OECD EU Member States, and 11 emerging economies. The report focuses on policies fostering sustainable productivity growth in agriculture. Governments are applying a large variety of approaches to improve productivity while preserving natural resources and reducing agricultural greenhouse gas emissions. INFO
12.11.2024 – 9:00 – 12.00 Uhr / Brüssel
EU-Parlament Bestätigungsanhörung Fitto
Bestätigungsanhörung für den Vizekommissionspräsidenten Raffaele Fitto. INFO
12.11.2024 – 18.30 – 21.30 Uhr / Brüssel
EU-Parlament Bestätigungsanhörung Ribera
Bestätigungsanhörung für die designierte Kommissarin für Wettbewerb und Energiewende Teresa Ribera. INFO
5.11. – 6.11.2024 / Vertretung des Landes Brandenburg beim Bund Berlin
Forum Strategisches Forum 2024: Forschung für Wertschöpfungsketten
Zentrale Leitfrage des Strategischen Forum 2024 ist, welchen Beitrag die Forschung zur Entwicklung von Wertschöpfungsketten leisten kann. Vertreter:innen aus Landwirtschaft, Handel, Forschung, Interessenvertretung und Politik diskutieren, was für ein gutes Zusammenspiel zwischen Forschung, Wirtschaft und Gesellschaft zur Entwicklung von Wertschöpfungsketten nötig ist. INFO
5.11. – 7.11.2024 / Tagesspiegel-Haus Berlin, online
Forum Future Sustainability Week 2024
Die Future Sustainability Week widmet sich in kuratierten Themenblöcken den großen Transformationsbereichen. Unsere Themen in diesem Jahr: Kreislaufwirtschaft, nachhaltiges Wachstum, Agrar & Ernährung, Bauen & Stadtentwicklung, Mobilität, Gesundheit und Klimaschutz & Demokratie. Dabei steht die Vernetzung von Branchen und Themen im Vordergrund. INFO & ANMELDUNG
7.11.2024 – 19:30 Uhr / Vertretung des Landes Baden-Württemberg, Tiergartenstraße 15, 10785 Berlin
Landwirtschaft im Dialog Alle reden übers Klima, aber alle anders
Die Bedeutung der Klimadebatte nimmt weiter zu, besonders auch im Bereich der Lebensmittel. Ein großer Hebel für den Lebensmitteleinzelhandel sind die Scope 3-Emissionen, also die THG-Emissionen, die bei Produktion und Verarbeitung der Nahrungsmittel entstehen. Viele Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette legen Programme auf, um ihre CO₂-Bilanz zu verbessern. Bisher sind die Programme sehr vielschichtig und nicht direkt vergleichbar. Die Folge: Landwirtinnen und Landwirte, also die Adressaten der Programme, aber auch die Verbraucher verlieren den Überblick. Darüber sprechen wir mit Praktikern, der Wissenschaft, mit Politikerinnen und Politikern sowie der Industrie. ANMELDUNG
18.11.2024 – 10:00 – 13:00 Uhr / online
Auftaktveranstaltung Europäischen Woche der Abfallvermeidung – EWAV “Bis zum letzten Krümel: Lebensmittel sorgsam verwenden”
Die virtuelle Auftaktveranstaltung zur diesjährigen Europäischen Woche der Abfallvermeidung wird von Frau Bundesministerin Lemke sowie Herrn Bundesminister Özdemir eröffnet und bietet zahlreiche aktuelle Vorträge und Impulse zum Thema Abfallvermeidung aus Wissenschaft und Wirtschaft. Der Fokus liegt dieses Jahr bei der Vermeidung von Lebensmittelabfällen und das Motto lautet “Bis zum letzten Krümel: Lebensmittel sorgsam verwenden”. INFO & ANMELDUNG
19.11.2024 / Halle Münsterland
Tagung LVM-Landwirtschaftstag 2024
“Lust auf Landwirtschaft – wie die Branche Betriebe nachhaltig stärkt und gleichzeitig das Klima schützt” lautet das Motto des LVM-Landwirtschaftstags, den die LVM Versicherung im November 2024 mit top agrar als Medienpartner veranstaltet. Zu den Referenten zählen erneut zahlreiche hochkarätige Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik – darunter der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Cem Özdemir. PROGRAMM
20.11. – 21.11.2024 / Osnabrück, Pottgraben 60, Alando Osnabrück
innovate!convention 2024 The Future of Agrifood
Die innovate!convention mit dem Schwerpunkt Farm & Food geht in die nächste Runde und verspricht an gleich zwei Tagen jede Menge aufregende Impulse und Innovationen.
Mit einem abwechslungsreichen Programm bestehend aus Exkursionen, Workshops, Paneltalks, Speaker-Sessions, Awardnight und zahlreichen Networking-Möglichkeiten bringen wir Praktiker:innen und Visionär:innen zusammen. Programm
20.11. – 21.11.2024 / Geno Hotel Karlsruhe
Tagung KALS 2024 – 9. Karlsruher Lebensmittelsymposium
Das Karlsruher Lebensmittelsymposium ist diejenige Veranstaltung für Lebensmittelsicherheit, die Wissenschaft und Praxis vereint. Sie erwarten praxisrelevante hochkarätige Vorträge, begleitende Ausstellung mit innovativen Lösungen, Netzwerken und Community, charmante Abendveranstaltung. Maximaler Input in zweitägiger, angenehmer Klausur für QMB, PL, CEO & Co INFO
21.11.2024 / Schwarzachtalhalle in Neunburg v. Wald
Bodentag 2024 Gesunder Boden – Basis für die Gesundheit von Luft, Wasser, Pflanzen, Tieren und Menschen
Die Interessengemeinschaft gesunder Boden e. V. veranstaltet dieses Jahr wieder ihren großen Bodentag. Er findet als Hybrid-Veranstaltung (Präsenz und Online) statt. Zahlreiche und kompetente Referenten vermitteln wertvolles Wissen rund um das diesjährige Thema “Lebendige Böden – Stabile Systeme im Klimawandel”. ANMELDUNG
27.11. – 28.11.2024 / Berlin
BMEL Internationale Schalenobst-Tagung
Die Tagung befasst sich mit den Kulturen Haselnuss, Walnuss, Mandeln, und Kastanien. Schalenobstexperten aus Deutschland, Mazedonien, Italien und Ungarn berichten über aktuelle Anbauentwicklungen. Im Mittelpunkt der Tagung stehen jedoch nicht nur Anbaufragen und deren Lösungen, sondern auch neue Entwicklungen und Ansätze bei der Bekämpfung von Problemschädlingen. INFO
27.11.2024 / München
6. Fachtagung Food Compliance 2024 Innovation, Regulierung & Konsequenzen für die Praxis
Die Fachtagung Food Compliance 2024 beleuchtet aus unterschiedlichen Perspektiven dieses Spannungsfeld zwischen Innovation und Regulierung. Ausgewiesene Praktiker skizzieren die gesetzlichen Herausforderungen, die Erwartungshaltung der Lebensmittelüberwachung sowie Handlungsoptionen im Rahmen der unternehmerischen Umsetzung. PROGRAMM
2.12.2024 – 19.00- 22.00 Uhr / Landesvertretung des Saarlandes in Berlin, online
Politik trifft Praxis Weniger Pflanzenschutz, gezielter eingesetzt: Wo sind die Grenzen? Und welche Alternativen gibt es?
Pflanzenschutzmittel haben ein schlechtes Image – und sie sind für die Landwirte unverzichtbar, schließlich sichern sie die Erzeugung qualitativ hochwertiger und sicherer Lebensmittel.
Braucht es eine Mengenbegrenzung, um den Herausforderungen beim Arten- und Umweltschutz gerecht zu werden? Wie weit sollte die Politik einschränken? Sind biologische Pflanzenschutzmittel oder Pflanzenbiostimulanzien eine Lösung für das Dilemma? Am 2. Dezember 2024 wollen wir dieses Thema mit Ihnen, den Fachpolitikern der großen Parteien und Prof. Hensel vom Bundesinstitut für Risikobewertung diskutieren. ANMELDUNG
3.12.2024 – 16.30 – 18.30 Uhr / Umweltforum Berlin
Preisverleihung Bundeswettbewerb Landwirtschaftliches Bauen
Die Gewinner des 26. Bundeswettbewerbes “Landwirtschaftliches Bauen” stehen fest. Sie werden im Rahmen einer feierlichen Preisverleihung in Berlin ausgezeichnet. Schwerpunktthema des Wettbewerbs war “Dem Klimawandel begegnen – Ställe mit ganzheitlichem Energiekonzept”. INFO
05.12.2024 / weltweit
Aktionstag Weltbodentag
Der Weltbodentag wurde 2002 beim 17. Weltkongress der Internationalen Bodenkundlichen Union (IUSS) ins Leben gerufen. Zahlreiche Aktionen machen an diesem Datum auf die lebenswichtige Bedeutung der Böden aufmerksam. Der Weltbodentag soll das Bewusstsein für die Bedeutung der Erhaltung und Wiederherstellung gesunder Ökosysteme und des menschlichen Wohlbefindens schärfen. INFO
Lebensmittel Praxis: Durchbruch für den Milchmarker-Index. Die Supermarktkette Penny, der Lieferant “Die faire Milch” (DFM) und Milcherzeuger haben den ersten bundesweiten Drei-Parteien-Vertrag für den Lebensmittelhandel geschlossen. Der Vertrag erlaubt es Landwirten, gleichberechtigt mit Handel und Lieferant über Preise und Konditionen zu verhandeln. Grundlage für die Preisfindung ist der wissenschaftlich berechnete Milchmarker-Index (MMI), der Produktionskosten abbildet. Karin Jürgens vom Büro für Agrarsoziologie und Landwirtschaft sieht darin einen wichtigen Schritt: “Nach mehr als zehn Jahren Analyse freue ich mich, dass dieser Index nun Maßstab für die Preiskalkulation geworden ist.” (“Penny schließt Preisvertrag mit Milcherzeugern und Lieferanten”)
Washington Post: Große Not in 22 Hunger-Hotspots. Nach einem UN-Bericht sind Hunderttausende Menschen in Gebieten wie dem Sudan, Haiti, Mali und in Gaza von schweren Nahrungsmittelkrisen bedroht. Konflikte, wirtschaftliche Instabilität und Klimaveränderungen, zusammen mit einer reduzierten Finanzierung der Nahrungsmittelhilfe, führten in 22 “Hunger-Hotspots” zu einem alarmierenden Ausmaß an akuter Nahrungsmittelunsicherheit. (“UN report warns of famine, aggravated by conflicts and climate shocks”)
FAZ: Weltnaturkonferenz kommt nicht zum Abschluss. Die Präsidentin der COP16 musste die Weltnaturkonferenz beenden, ohne dass über eine Abschlusserklärung abgestimmt werden konnte, da nicht mehr genügend Regierungsvertreter für eine Verabschiedung vor Ort waren. Zwei zentrale Themen der COP16 konnten darum nicht mehr zu Ende verhandelt werden: Die Strategie zur Mobilisierung von Geld, das den Naturschutz künftig finanzieren soll, sowie der Überprüfungsmechanismus, der die Bemühungen der einzelnen Länder messbar machen soll. (“Weltnaturkonferenz in Kolumbien endet abrupt”)
New York Times: Sorge vor Robert F. Kennedy Jr. Die Ankündigung Donald Trumps, Robert F. Kennedy Jr. viel Macht im Gesundheits- und Agrarbereich zu geben, löst bei US-Wirtschaftsführern und Gesundheitsexperten Sorgen aus. Robert F. Kennedy Jr. gilt als Gegner moderner Agrarsysteme und war aufgrund einer Vielzahl fragwürdiger Behauptungen zu den Gefahren von Pestiziden, Lebensmittelzusatzstoffen und Impfstoffen in die Kritik geraten. (“Why Businesses Worry About R.F.K. Jr.”)
The Guardian: Kleinbauern in Not. Von steigenden Lebensmittelpreisen profitieren nach einer Analyse des Guardian vor allem die großen Landwirtschaftsbetriebe. Kleine Betriebe haben weiterhin mit einer geringen Marge zu kämpfen, was ein Grund dafür ist, dass ihre Zahl zurückgeht. (“Revealed: the growing income gap between Europe’s biggest and smallest farms”)
Handelsblatt: Discounter lohnen sich nicht mehr. Egal ob Discounter oder klassischer Supermarkt, die Preise sind gleich. Die vier großen Handelsgruppen Edeka, Schwarz, Rewe und Aldi machen mehr als 80 Prozent des Umsatzes. Diese Konzentration im Lebensmittelhandel befördere laut einem Wettbewerbsrechtler die stillschweigende Abstimmung der Preise. Die Monopolkommission bemängelt den fehlenden Wettbewerbsdruck, der den Supermärkten das Angleichen der Preise ermöglicht. Die Verbraucherzentralen fordern deshalb schon seit Längerem eine Preisbeobachtungsstelle im Lebensmittelhandel. (“Darum sind Discounter nicht mehr billiger als andere Märkte”)
Das Lieferkettengesetz ist erneut in aller Munde. Es gelte, das Bürokratiemonster zu erlegen, von Kettensägen und vom Wegmachen wird gesprochen. Die Bedenken sind teilweise berechtigt. Die Analyse ist aber verkürzt und es abzuschaffen, grundlegend falsch. Es braucht einen realistischen Blick auf Stärken, Schwächen und mögliche Verbesserungen. Politik und vor allem sozialdemokratische Politik sollte sich nicht darauf einlassen, Menschenrechte gegen wirtschaftlichen Erfolg auszuspielen.
Die globalisierte Wirtschaft bedingt Deutschlands Wohlstand. Aber ohne Regeln für den Wettbewerb setzt sich derjenige durch, der so billig wie möglich produziert – der für Investoren so biegsam wie möglich ist. Wer die geringsten Arbeitsstandards anbietet, wer die meisten Umweltzerstörungen erlaubt, wer das Kapital mit Steuerdumping anlockt. Diesen zerstörerischen Wettbewerb können soziale Demokratien nicht gewinnen. Sozialdemokraten glauben an eine Wirtschaftsordnung, die auf Respekt und Solidarität fußt. Respekt für die Leistungen anderer Menschen, die fair entlohnt werden müssen. Solidarität für die Menschen, die in Notsituationen im kapitalistischen Wettbewerb unter die Räder geraten. Um das auch in einer globalisierten Wirtschaft sicherzustellen, braucht es faire Regeln.
Das deutsche Lieferkettengesetz (LkSG) adressiert genau diese Missstände. Und erste Erfolge zeigen sich bereits. Gewerkschaftsvertreter aus Bangladesch etwa berichten, dass das Gesetz ihre Stimme stärkt und Käuferunternehmen sie jetzt deutlich ernster nehmen. Der Economist berichtete, das LkSG habe die Gewerkschaftsbildung in den südlichen US-Bundesstaaten unterstützt. Ausgebeutete Lkw-Fahrer in Deutschland konnten sich auf das LkSG berufen, um ihnen vorenthaltene Löhne zu bekommen. Die chinesische Arbeitsrechts-NGO China Labour Bulletin berichtet, dass das deutsche Gesetz ihnen bei der Bekämpfung von Ausbeutung hilft. Die Textil-NGO Inkota aus Indien beruft sich auf das Lieferkettengesetz, um die Rechte von Textilarbeiterinnen zu stärken. Die Behauptung, beim Lieferkettengesetz würde nur zusätzliche Bürokratie verursacht ohne tatsächlich positive Auswirkungen, lässt sich also nicht aufrechterhalten.
Gleichzeitig gibt es Ansatzpunkte, um das Lieferkettengesetz zu verbessern. Die Anwendungspraxis vieler Unternehmen verfolgt aktuell einen “One-size fits all”-Ansatz: Alle Unternehmen füllen die gleichen Standardfragebögen aus, egal ob es um T-Shirts, Bananen oder Maschinenbaukomponenten geht. Mit sogenannten “Supplier Code of Conducts” versuchen marktmächtige Unternehmen, alle Risiken und Verantwortung auf kleinere Zulieferer abzuwälzen. Diese Praxis beruht auf einer Fehlinterpretation des Gesetzestextes, wie das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) auch bereits klargestellt hat. Trotzdem wäre hier eine gesetzliche Klarstellung wünschenswert, um kleine und mittlere Unternehmen nicht übermäßig zu belasten.
Deutschland sollte das Lieferkettengesetz wohlüberlegt überarbeiten, sodass es dem eigentlichen Ziel, Menschenrechte wirksam zu schützen und internationale Standards zu setzen, wirksam dient, ohne aber überflüssigen bürokratischen Aufwand zu verursachen. Die Erfahrungen der vergangenen zwei Jahre können dafür eine gute Grundlage sein. Fragebögen müssen zielgenauer auf branchentypische Risikoszenarien eingehen. Das reduziert auch den Verwaltungsaufwand für die Unternehmen, denn solche Fragebögen können kürzer und gleichzeitig relevanter auf konkrete Risikosituationen und Gegenmaßnahmen eingehen. Für Branchen, die sich als besonders anfällig für Menschenrechtsverletzungen gezeigt haben, könnten das BAFA und die Ministerien spezifischere Standards vorgeben, inklusive Fragebögen und Empfehlungen für Maßnahmen zur Verbesserung der Lieferkette.
Zusätzliche Entlastungen für kleine und mittlere Unternehmen würden ebenfalls helfen. Dazu zählen etwa Standards für fairere Vertragsklauseln, die auf Kooperation und gemeinsame Verantwortung anstatt auf Abwälzung setzen. Klarere Vorgaben dazu, welche Rolle KMU-Zulieferer im Sorgfaltspflichtenprozess einnehmen, braucht es ebenfalls – etwa zum Zusammenwirken von Käufer und Zulieferer bei der Risikoanalyse, bei Maßnahmen zur Bewältigung von Verletzungen und beim Zugänglichmachen von Beschwerdemechanismen.
Zudem sollte berücksichtigt werden, wie das Lieferkettengesetz mit anderen Nachhaltigkeitsgesetzen zusammenwirkt. Hier gilt es, Doppelbelastungen durch Parallelstandards zu vermeiden und für einheitliche Prozesse und Synergien zu sorgen. Es braucht nicht eine Risikoanalyse nach dem LkSG und eine Wesentlichkeitsanalyse nach der CSRD, sondern gemeinsame Prozesse. In Polen wird zum Beispiel gefordert: CSRD und CSDDD sollen gemeinsam und aufeinander abgestimmt umgesetzt werden: nicht nur ein Bericht, sondern auch eine Risikoanalyse.
Lieferkettengesetze haben das Potenzial, weltweit Ausbeutung zu bekämpfen. Kluge Anpassungen können die bürokratische Belastung senken, ohne die Wirkung infrage zu stellen. Eine ersatzlose Streichung bis zu einer Umsetzung der Europäischen Lieferkettenrichtlinie wäre falsch. Deutschland hat einen First-Mover-Vorteil: Indem die Bundesregierung und die deutsche Wirtschaft und Zivilgesellschaft innovative Umsetzungslösungen entwickeln, können sie Umsetzungsstandards definieren, an denen sich ganz Europa orientiert. Gut umgesetzt, kann dies ein klarer Wettbewerbsvorteil auch für hiesige Unternehmen sein. Eine Aussetzung des Lieferkettengesetzes würde demgegenüber Unternehmen bestrafen, die jetzt bereits Strukturen zur Umsetzung geschaffen haben. Je frühzeitiger die Bundesregierung eine nationale Gesetzgebung zur Umsetzung der Europäischen Richtlinie schafft, desto besser für Unternehmen, die langfristige Planungssicherheit brauchen und für die effektive Durchsetzung von Menschenrechten entlang der gesamten Lieferkette.
Philipp Türmer ist Bundesvorsitzender der Jusos. Daniel Schönfelder arbeitet als Lead European Legal Advisor beim Responsible Contracting Project.
ESG: Treibhausgase: Wo die Emissionen 2023 in der EU gesunken sind
Laut einem Bericht der Europäischen Umweltagentur (EEA) gingen die Netto-Treibhausgasemissionen in der EU 2023 im Vergleich zum Vorjahr um acht Prozent zurück, was den größten jährlichen Rückgang seit Jahrzehnten darstellt. Die Reduzierung der Emissionen ist laut EEA zur Hälfte auf die Entwicklung des Energiesektors zurückführen. Im Landwirtschaftssektor habe sich hingegen kaum etwas getan. Dort liegt der Rückgang zwischen 2022 und 2023 bei nur zwei Prozent. Die Landwirtschaft habe seit 2005 kaum zur Emissionsreduktion beigetragen, da Effizienzgewinne durch höhere Produktionsmengen ausgeglichen worden seien. Zum Artikel
während in Berlin der Koalitionskrach zwischen den Ampelparteien mediale Wellen schlägt, übt sich Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir auf seiner mehrtägigen Reise nach Afrika in Selbstkritik. “Wir alle sollten uns fragen, ob wir da gerade einen guten Job machen. Ehrlicherweise nein, sonst wären die AfD und das BSW nicht so stark”, so der Minister am Montag in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba. Der fortwährende Streit trage erst recht nicht dazu bei, dass AfD und BSW schrumpften, so Özdemir weiter.
Fernab in Afrika spielt der offenbar brüchige Zusammenhalt der Ampelkoalitionäre aber nur am Rande eine Rolle. Grünen-Politiker Özdemir ist nach Äthiopien gereist, um diplomatische Beziehungen zur afrikanischen Union in Form eines agrarpolitischen Dialogs zu fördern. Seine Afrika-Reise war sogar früher geplant, aber die Bauernproteste vereitelten den Reiseplan des Ministers. “Deutschland zeichnet sich dadurch aus, dass es nicht über Afrika, sondern mit Afrika spricht. Darauf lege ich sehr viel Wert”, sagte Özdemir kurz vor Abflug in Berlin. Am Montag in Addis Abeba konnte er seinen Worten Taten folgen lassen. Mit Josefa Sacko, der Landwirtschaftskommissarin der afrikanischen Union, hat er bereits das nächste Treffen im Januar zur Grünen Woche vereinbart.
Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre!
Ein allzu heftiger Schlagabtausch blieb aus bei der Bestätigungsanhörung von Christophe Hansen im Europäischen Parlament. Mit breiter Mehrheit aus EVP, S&D, Grünen, Renew und EKR bestätigten die Koordinatoren der Fraktionen im zuständigen Agrarausschuss (AGRI) ihn laut gut informierten Kreisen als EU-Kommissar für Landwirtschaft und Ernährung.
Souverän hatte der Luxemburger zuvor die recht zahmen Fragen der Abgeordneten beantwortet. In seinem Element war der bisherige Handels- und Umweltpolitiker vor allem bei Fragen zum internationalen Handel. Aber auch bei reinen Agrarthemen wirkte er gut vorbereitet – auch, weil er sich eng an seine vorherigen schriftlichen Antworten und an Aussagen von Kommissionschefin Ursula von der Leyen hielt. Etwa die Zusage, kleine Betriebe künftig in der Gemeinsamen Agrarpolitik unterstützen zu wollen.
Deutlich wurde Hansen aber, als es um den künftigen EU-Haushalt ging. “Ich werde mich ganz stark einsetzen für einen spezifischen Agrarhaushalt“, versprach er. In kürzlich durchgesickerten Reformideen aus der EU-Kommission gab es Überlegungen, die GAP als eigenen Budgetposten aufzulösen und stattdessen über die nationalen Haushalte auszuzahlen. Kritik dazu kam unter anderem vom Deutschen Bauernverband (DBV). Viele Abgeordnete äußerten Sorgen über die Höhe des künftigen EU-Agrarbudgets.
Er werde für einen starken Agrarhaushalt kämpfen, versprach Hansen, entscheide das aber nun einmal nicht alleine: “Wenn wir das derzeitige Budget auf dem gleichen Niveau erhalten können, wäre ich schon froh.” Das Budget müsse flankiert werden durch andere Einnahmequellen für Landwirte: aus der Bioökonomie, durch Carbon Farming, besseren Zugang zu Krediten und bessere Erzeugerpreise. Zwei bereits im Frühjahr angekündigte Initiativen zur Stärkung von Genossenschaften und zur grenzübergreifenden Umsetzung der Richtlinie zu unlauteren Handelspraktiken (UTP) versprach er für die ersten Tage seiner Amtszeit.
Eine klare Absage erteilte Hansen substanziellen neuen EU-Initiativen im Ernährungsbereich – trotz der Tatsache, dass “Ernährung” nun im Titel des Agrarkommissars steht. Es sei “sehr schwierig, von oben herab vorzugeben, wer was essen soll”. Vieles sei in dem Bereich außerdem auf nationaler, regionaler, oder lokaler Ebene angesiedelt, nicht auf europäischer. Auch gegen eine Ausweitung des Emissionshandels (ETS) auf den Agrarsektor sprach sich Hansen aus.
Das sei “nicht der Weg nach vorn” – zu hoch sei der bürokratische Aufwand, zudem würden auf diese Weise die Verbraucherpreise steigen. Trotzdem bekannte sich Hansen zu den Zielen des Green Deal. Angesichts von Extremwetterereignissen wie zuletzt in der Region Valencia könne diese “niemand ernsthaft hinterfragen”.
Der ehemalige Handelspolitiker sprach sich für das Mercosur-Abkommen aus: Es sei im Interesse der europäischen Landwirtschaft, die stark von Exporten profitiere. Hansen räumte aber auch ein, dass Teile des Sektors, allen voran Fleischerzeuger, sich ungeschützt fühlen gegenüber der Konkurrenz aus Südamerika. Es müsse sichergestellt werden, dass die Importe aus diesen Ländern EU-Standards erfüllen. Auch darüber hinaus sieht Hansen Potenzial, im internationalen Handeln stärker auf sogenannte Spiegelklauseln zu setzen – also die Anwendung eigener Produktionsstandards auf Importe.
Die EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) sei ein gutes Beispiel dafür, wie das funktionieren könne – auch wenn er um die Kritik an dem Projekt wisse. Hansen hatte das Gesetz als Berichterstatter des Parlaments selbst mitverhandelt.
Nach den Anhörungen der einzelnen Kommissare, die noch bis zum 12. November laufen, muss das Parlament noch die gesamte neue Kommission absegnen. Das ist momentan für die Plenartagung vom 25. bis 28. November geplant.
Eine viel beachtete wissenschaftliche Analyse zur Einschätzung, wie viele Menschen in Afrika und in anderen Schwellenländern durch Pestizide erkranken oder sterben, ist am 9. Oktober zurückgezogen worden. Dennoch dient sie dem Bundestag als Grundlage für eine öffentliche Anhörung, die für den 13. November im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung angesetzt ist.
Am 7. Dezember 2020 hatten die Autoren Wolfgang Bödeker, Meriel Watts, Peter Clausing und Emily Marquez die Untersuchung The global distribution of acute unintentional pesticide poisoning: estimations based on a systematic review auf der Website der Wissenschaftspublikation BMC Public Health von Springer Nature publiziert. Das Journal unterliegt nach eigenen Angaben einer peer-review. Die Heinrich-Böll-Stiftung, die den Grünen nahesteht, hatte diese Studie aufgegriffen und in ihren Pestizidatlas 2022 aufgenommen.
Diese Studie zog breite Aufmerksamkeit in den Medien auf sich, wie einige Beispiele zeigen:
Auch der Bundestag befasste sich schon mit der Untersuchung:
In dieser Studie beziffern die vier Autoren, die der NGO Pestizid Aktionsnetzwerk (PAN) nahestehen, die Zahl der Menschen, die durch Pestizide erkranken, weltweit auf 385 Millionen jährlich. Kopf- und Gliederschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall seien typische Symptome. Diese Zahl war allein schon deshalb aufsehenerregend, weil die Website Our World in Data die Zahl der Landwirtschaftsbetriebe weltweit auf 570 Millionen schätzt.
Auf dem afrikanischen Kontinent erkranken dieser Studie zufolge jährlich 96,5 Millionen Menschen infolge des Einsatzes von Pestiziden. “Etwa 11.000 Menschen sterben unbeabsichtigt daran (an einer Pestizidvergiftung, Anm. d. Red.), Jahr um Jahr”, heißt es in der Untersuchung weiter.
Diese Zahl liegt weiter unter einer Schätzung, die bis dahin international aufgrund einer Studie des Arbeitsmediziners Jeyarajah Jeyaratnams zirkulierte. In dieser Studie war von jährlich rund 220.000 Toten aufgrund von unintentional acute pesticide poisoning (UAPP) die Rede. Allerdings hielt diese Zahl einer Überprüfung nicht stand. Die Angabe stammte aus einer Schätzung von 1985, die auf Zahlen aus Sri Lanka aus dem Jahr 1982 beruhte. Diese Datenerhebung wurde anschließend auf die Welt hochgerechnet. Außerdem wurden in dieser Studie 73 Prozent der Todesfälle auf Suizide zurückgeführt und 24,9 Prozent auf einen unsachgemäßen Einsatz der Pestizide.
Im Jahr 2017 übernahm die UNO zunächst die Zahl von 220.000 UAPP-Toten jährlich. Die NGO Foodwatch rückte im April 2020 allerdings von einer weiteren Verwendung dieser Zahl ab, weil sie sich nicht hinreichend belegen ließ.
Da es nun keinen Beleg für die Zahl der UAPP-Toten in Afrika und anderswo gab, richtete sich die Aufmerksamkeit stark auf die neue Studie von 2020. Allerdings veröffentlichte BMC Public Health im Oktober 2021 einen kritischen Kommentar von Pestizid-Herstellern zu dieser neuen Untersuchung. Die wichtigsten Kritikpunkte der Vertreter von Bayer und vom Branchenverband Croplife International lauteten:
Es folgte ein langes Hin und Her um die Frage, wie fundiert die Studie ist. Den Kritikpunkten aus der Industrie hat sich die Fachpublikation schließlich weitgehend angeschlossen. Am 9. Oktober dieses Jahres zog BMC Public Health die Studie mit der Begründung zurück, es gebe “Bedenken hinsichtlich der Verwendung der ,immerwährenden’ Häufigkeit von Pestizidvergiftungen zur Darstellung der jährlichen Häufigkeit in den Extrapolationen.” Daraufhin habe die Redaktion Expertengutachten eingeholt, die diese Bedenken bestätigt hätten. Die Annahme der jährlichen Belastung für Länder, für die der Zeitrahmen nicht angegeben wird, sei unzuverlässig. “Der Herausgeber hat daher kein Vertrauen mehr in die präsentierten Ergebnisse und Schlussfolgerungen”, heißt es weiter.
In einer Stellungnahme gegenüber Table.Briefings bestätigt Bödeker, dass die Studie gegen den Willen ihrer Autoren zurückgezogen worden ist.
In der Ankündigung für die Anhörung des Entwicklungsausschusses wird ungeachtet der Entscheidung von BMC Public Health auf die Untersuchung mit dem Verweis “Boedeker et al., 2020” verwiesen. Diese Textstelle ist sogar mit einem Link auf jene Landing Page verknüpft, auf der BMC Public Health die Zurücknahme der Studie mitteilt. Allerdings ist der Link weder farblich noch anderweitig im Text kenntlich gemacht.
“Es ist konsequent und wichtig für die Integrität des wissenschaftlichen Journals, dass die Studie zurückgezogen wurde“, sagt Martin May, Geschäftsführer des Industrieverbands Agrar (IVA), gegenüber Table.Briefings. “Bedauerlich ist nur, dass nicht auch diejenigen, die die Zahl seither übernommen haben, darunter viele Medien und staatliche Stellen, sich die Mühe machen, die falschen Angaben auch zu korrigieren.”
“Es ist bedauerlich, dass eine umstrittene Studie so prominent in die Unterlagen eingeflossen ist, ohne den Rückzug der Studie zu erwähnen”, sagte Christoph Hoffmann (FDP), amtierender Vorsitzender des Entwicklungsausschusses, gegenüber Table.Briefings. “Das ist nicht der Qualitätsanspruch unseres Ausschusses.” Die umstrittenen Zahlen befanden sich bereits im ersten Entwurf, den die SPD vorgelegt hat. Eine Bitte um Stellungnahme von Table.Briefings an Sanae Abdi, Obfrau der SPD im Entwicklungsausschuss, blieb bis Montagabend unbeantwortet.
Auch inhaltlich stimmt Hoffmann mit der Studie, über die rechtlich noch gestritten werde, nicht überein. “Es wäre vermessen, wenn Deutschland oder Europa den armen Ländern sagen würde, dass man Pflanzenschutzmittel, die uns bei unserer Entwicklung und Nahrungsmittelversorgung geholfen haben, ihnen vorenthält.”
Auf seiner Reise nach Äthiopien unterstreicht Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne), die Afrikanische Union als Partner auf Augenhöhe zu betrachten. “Wir sind nicht hier, um Sie zu belehren. Wir sind hier, um Ihnen zuzuhören”, sagte der Minister am Montag in Addis Abeba zu Josefa Sacko, Landwirtschaftskommissarin der Afrikanischen Union (AU).
Zur Grünen Woche im Januar 2025 in Berlin will Özdemir deshalb gemeinsam mit Sacko ein BMEL-Konzept für die Zusammenarbeit mit afrikanischen Ländern und Regionen vorstellen. Mit dem Input von seiner mehrtägigen Afrika-Reise soll das vom BMEL bereits ausgearbeitete Konzept noch verfeinert werden. Dem Ressortchef ist es ein zentrales Anliegen, den Ländern Afrikas nichts überzustülpen.
Konsens gibt es zwischen Özdemir und Sacko mit Blick auf das Ziel, Ernährungssicherheit in den Ländern der AU zu schaffen. Für Sacko ist das wesentlich, um ländliche Räume strukturell zu entwickeln, eine Landflucht in große Städte oder sogar eine Abwanderung vom afrikanischen Kontinent zu verhindern.
Die Überzeugung, dies mit den Prinzipien der Agrarökologie zu erreichen, bei der Biodiversität und Klimaschutz in Agrarlandschaften einen hohen Stellenwert einnehmen, propagiert das BMEL. Wie groß die Schnittmenge mit der AU bezüglich dieser landwirtschaftlichen Praxis ist, ließ Sacko allerdings offen. Sacko unterstütze die Prinzipien der Agrarökologie zwar, weil sie “gut für die Umwelt” seien. Aber sie räumte ein: “Jedes Land in der afrikanischen Union muss selbst für sich entscheiden, welche Form der Landwirtschaft es wählt.” Übergeordnetes Ziel der AU sei es, Erträge zu steigern, und resiliente Systeme zu schaffen. Beim Transfer von Knowhow und Technik positioniert sich Deutschland als Partner der AU. has
Seit 2009 ist Maroš Šefčovič EU-Kommissar, nun hat der Slowake die Parlamentsabgeordneten der relevanten Parlamentsausschüsse im Hearing ein weiteres Mal von sich überzeugt. Der designierte Kommissar für Handel und wirtschaftliche Sicherheit sowie für interinstitutionelle Beziehungen und Transparenz war beim Handelsausschuss (INTA) und beim Ausschuss für konstitutionelle Fragen (AFCO) zu Besuch.
Šefčovič versprach, sich stark in die Verhandlungen zu den Handelsabkommen mit Mercosur und Mexiko einzubringen. Zudem wolle er schauen, wie man die Gespräche mit Australien wieder in Gang bringen könne. Gleichzeitig versprach er aber, die Interessen der Agrarindustrie in diesen Verhandlungen zu verteidigen. Er sprach sich für weniger umfassende Freihandelsabkommen aus. Die sogenannten “Clean Trade and Investment Partnerships” sollen gezielt gewisse Märkte öffnen und Versorgungssicherheit mit wichtigen Rohstoffen sicherstellen.
Abgeordnete von rechts und links übten Kritik an den Mercosur-Verhandlungen. So warf die linke Politikerin Manon Aubry dem designierten Kommissar vor, er werde der europäischen Landwirtschaft und dem Planeten schaden. Šefčovič beteuerte, dass er das Parlament rechtzeitig und umfassend informieren werde. “Ich werde mit einer Powerpoint-Präsentation und einem Rechner in den Ausschuss kommen und dann diskutieren wir über alle Fakten und Zahlen”, sagte er. Er wies aber darauf hin, dass importierte Landwirtschaftsgüter nur einen sehr kleinen Teil des EU-Markts ausmachten. jaa
Vertreter der Biogasbranche haben am gestrigen Montag in einem Fachgespräch der Grünen Bundestagsfraktion über die zukünftige Rolle der Bioenergie diskutiert. Sandra Rostek vom Bundesverband Erneuerbare Energie warnte vor der drohenden Stilllegung “tausender Biogasanlagen”, da das Ausschreibungsvolumen viel zu gering sei. “In der letzten Ausschreibung haben wieder 600 Anlagen keinen Zuschlag erhalten und müssen jetzt stillliegen. Dabei hat es sich zu 99 Prozent um Bestandsanlagen gehandelt”, ließ sie wissen.
Johannes Schwarz, Vorstandsmitglied der Speicherkraftwerksbetreibers SKVE, der 450 Biogasanlagen für den Strommarkt steuert, ergänzte: “Die Anlagen, die in die Ausschreibung gehen, stehen zudem in einem ruinösen Wettbewerb zueinander, weil sie sich gegenseitig unterbieten. Da sehe ich eine sehr große Gefahr, dass Unternehmen, die den Zuschlag bekommen haben, diesen nicht umsetzen können, weil die Wirtschaftlichkeit nicht gegeben ist.”
Einig waren sich alle Teilnehmer des Fachgesprächs in dem Punkt, dass die Zukunft von Biogas in der Rolle als dezentralem Backup für die fluktuierende Stromerzeugung aus Sonne und Wind besteht. Sandra Rostek führte dazu eine Strommarktstudie ihres Verbandes an, wonach allein durch die Umrüstung des heutigen Anlagenbestandes bis 2030 12 Gigawatt und langfristig 24 Gigawatt flexibler Strom bereitgestellt werden könnte. Dies würde auch den Bedarf an neuen fossilen Spitzenlastkraftwerken drastisch reduzieren, wie er gerade diskutiert werde.
“Biogaskraftwerke sind schon heute kostengünstiger, klimafreundlicher und erneuerbarer”, sagte Rostek. Um die Flexibilisierung der Anlagen anzureizen, forderte Rostek eine Erhöhung des Flexibilitätszuschlages. Wegen der in den letzten Jahren gestiegenen Zinsen und Inflationsraten sei die Höhe des Zuschlages veraltet.
Lisa Badum, Obfrau der Grünen im Ausschuss für Klimaschutz und Energie, sagte Unterstützung für die Bioenergie zu: “Wir werden keine Kahlschlaglösung befürworten, wie es einige unserer Wettbewerber tun.” Sie ergänzte, dass an dem von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck angekündigten Biomasse-Paket derzeit intensiv getüftelt werde. mo
Experten aus der Wissenschaft halten die Empfehlung des Bürgerrats “Ernährung im Wandel” für sinnvoll, ein staatliches, verpflichtendes Label für Lebensmittel einzuführen. Vertreter aus Gastronomie und Lebensmittelwirtschaft lehnen sie ab. Das zeigte sich beim öffentlichen Fachgespräch des Bundestagsausschusses für Ernährung und Landwirtschaft am gestrigen Montag. Der Bürgerrat hatte in seinem Gutachten Anfang des Jahres vorgeschlagen, ein neues staatliches, verpflichtendes Label für alle in Deutschland und in der EU verkauften Produkte einzuführen. “Man soll in drei Sekunden erkennen, ob das Lebensmittel unbedenklich ist”, heißt es. Das Label solle die Bereiche Klima, Tierwohl und Gesundheit einzeln berücksichtigen und wissenschaftlich fundiert sein.
Der Konsumentenforscher Carsten Leo Demming und die Nachhaltigkeitsexpertin Carolyn Hutter von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg sprachen sich im Fachgespräch explizit für ein solches Label aus. “So ein Label ist nicht nur gut für die Umwelt, sondern auch für die Wirtschaft“, betonte Hutter. Es animiere die Betriebe dazu, ihre Produkte nachhaltiger zu machen. Die Einführung sei eine Investition in die Zukunft. Laut Lena Hennes vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie entspricht das Label außerdem “ganz klar den Forderungen der Verbraucherinnen“.
Statt auf die Forderung des Bürgerrats einzugehen, nahm Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes, das Fachgespräch im Ernährungsausschuss zum Anlass, um sich gegen die Ausweitung der Tierhaltungskennzeichnung auf die Gastronomie auszusprechen. Dabei stellte sie die derzeitige bürokratische Belastung ihrer Branche heraus und forderte Freiwilligkeit statt Verpflichtung.
Ähnlich positionierte sich Manon Struck-Pacyna vom Lebensmittelverband Deutschland (LMVD). Sie verwies auf bereits bestehende gesetzliche Kennzeichen und stellte mit Blick auf die Forderung des Bürgerrats, drei “komplexe und sehr unterschiedliche Kriterien in ein Label zu integrieren”, eine “Überforderung von Verbraucherinnen und Verbrauchern” in Aussicht. Für eine differenziertere Betrachtung warb der Geschäftsführer des Bundesverbandes des Deutschen Lebensmittelhandels (BVLH), Christian Mieles. Zwar sei eine fokussierte Kennzeichnung im Sinne der Verbraucher grundsätzlich zu begrüßen. Jedoch erscheine es aus Handelssicht operativ nahezu unmöglich, Aspekte wie Klima, Tierwohl und Gesundheit in einer Kennzeichnung zusammenzuführen, so Mieles.
Was aus den Eingebungen der Experten im Fachgespräch nun folgt, ist unklar. Auf einen Beschlussantrag oder gar Gesetzentwurf konnte sich der Ausschuss bislang nicht verständigen. Die Teilnehmer des Bürgerrats werden deshalb unruhig. In einem Schreiben an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, unterzeichnet von zwei Dutzend Teilnehmern, heißt es: Natürlich habe niemand erwartet, dass alle Ratschläge unmittelbar umgesetzt würden. Aber: “Sollte keine der neun Empfehlungen aufgegriffen und realisiert werden, so würde dies das Vertrauen in das Instrument und allgemein die Demokratie beschädigen.” Bärbel Bas, die in dem Brief konkret zu einer Rückmeldung aufgefordert wird, wollte sich gegenüber Table.Briefings nicht äußern. heu
Die Europäische Kommission hat ein Anti-Dumpingverfahren wegen Einfuhren von Cholinchlorid aus China eingeleitet. Eine entsprechende Bekanntgabe veröffentlichte sie dazu am Donnerstag. Das Nahrungsergänzungsmittel wird industriell für Schweine- und Geflügelfutter genutzt, um das Wachstum der Tiere zu fördern.
Das italienische Unternehmen Balchem Italia Srl und Taminco BV aus Belgien hatten am 17. September in Brüssel einen entsprechenden Antrag gestellt. Den Antragstellern zufolge ist es aufgrund nennenswerter Verzerrungen nicht angemessen, die Inlandspreise und -kosten in der Volksrepublik China zu verwenden. Sie legten Beweise dafür vor, dass die Menge und die Preise der eingeführten Ware auf die Verkaufsmengen, die in Rechnung gestellten Preise und den Marktanteil des Wirtschaftszweigs der Union negativ ausgewirkt hätten. Das habe wiederum die finanzielle Lage des EU-Wirtschaftszweigs sehr nachteilig beeinflusst, was eine Einleitung des Anti-Dumpingverfahrens legitimiere, heißt es weiter.
Die EU und China befinden sich aktuell im Handelszwist. Anfang des Monats hatte die Volksrepublik China vorübergehende Anti-Dumpingmaßnahmen gegen Branntweineineinfuhren aus der EU verhängt, was als Reaktion auf die zuvor angekündigten EU-Ausgleichszölle auf in China hergestellte Elektrofahrzeuge verstanden wurde. mcl
5.11.2024 – 18.30 – 21.30 Uhr / Brüssel
EU-Parlament Bestätigungsanhörung Roswall
Bestätigungsanhörung für die designierte Umweltkommissarin Jessika Roswall. INFO
6.11.2024 – 11.00 Uhr / online
Report Agricultural Policy Monitoring and Evaluation 2024
This annual report monitors and evaluates agricultural policies in 54 countries, including the 38 OECD countries, the five non-OECD EU Member States, and 11 emerging economies. The report focuses on policies fostering sustainable productivity growth in agriculture. Governments are applying a large variety of approaches to improve productivity while preserving natural resources and reducing agricultural greenhouse gas emissions. INFO
12.11.2024 – 9:00 – 12.00 Uhr / Brüssel
EU-Parlament Bestätigungsanhörung Fitto
Bestätigungsanhörung für den Vizekommissionspräsidenten Raffaele Fitto. INFO
12.11.2024 – 18.30 – 21.30 Uhr / Brüssel
EU-Parlament Bestätigungsanhörung Ribera
Bestätigungsanhörung für die designierte Kommissarin für Wettbewerb und Energiewende Teresa Ribera. INFO
5.11. – 6.11.2024 / Vertretung des Landes Brandenburg beim Bund Berlin
Forum Strategisches Forum 2024: Forschung für Wertschöpfungsketten
Zentrale Leitfrage des Strategischen Forum 2024 ist, welchen Beitrag die Forschung zur Entwicklung von Wertschöpfungsketten leisten kann. Vertreter:innen aus Landwirtschaft, Handel, Forschung, Interessenvertretung und Politik diskutieren, was für ein gutes Zusammenspiel zwischen Forschung, Wirtschaft und Gesellschaft zur Entwicklung von Wertschöpfungsketten nötig ist. INFO
5.11. – 7.11.2024 / Tagesspiegel-Haus Berlin, online
Forum Future Sustainability Week 2024
Die Future Sustainability Week widmet sich in kuratierten Themenblöcken den großen Transformationsbereichen. Unsere Themen in diesem Jahr: Kreislaufwirtschaft, nachhaltiges Wachstum, Agrar & Ernährung, Bauen & Stadtentwicklung, Mobilität, Gesundheit und Klimaschutz & Demokratie. Dabei steht die Vernetzung von Branchen und Themen im Vordergrund. INFO & ANMELDUNG
7.11.2024 – 19:30 Uhr / Vertretung des Landes Baden-Württemberg, Tiergartenstraße 15, 10785 Berlin
Landwirtschaft im Dialog Alle reden übers Klima, aber alle anders
Die Bedeutung der Klimadebatte nimmt weiter zu, besonders auch im Bereich der Lebensmittel. Ein großer Hebel für den Lebensmitteleinzelhandel sind die Scope 3-Emissionen, also die THG-Emissionen, die bei Produktion und Verarbeitung der Nahrungsmittel entstehen. Viele Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette legen Programme auf, um ihre CO₂-Bilanz zu verbessern. Bisher sind die Programme sehr vielschichtig und nicht direkt vergleichbar. Die Folge: Landwirtinnen und Landwirte, also die Adressaten der Programme, aber auch die Verbraucher verlieren den Überblick. Darüber sprechen wir mit Praktikern, der Wissenschaft, mit Politikerinnen und Politikern sowie der Industrie. ANMELDUNG
18.11.2024 – 10:00 – 13:00 Uhr / online
Auftaktveranstaltung Europäischen Woche der Abfallvermeidung – EWAV “Bis zum letzten Krümel: Lebensmittel sorgsam verwenden”
Die virtuelle Auftaktveranstaltung zur diesjährigen Europäischen Woche der Abfallvermeidung wird von Frau Bundesministerin Lemke sowie Herrn Bundesminister Özdemir eröffnet und bietet zahlreiche aktuelle Vorträge und Impulse zum Thema Abfallvermeidung aus Wissenschaft und Wirtschaft. Der Fokus liegt dieses Jahr bei der Vermeidung von Lebensmittelabfällen und das Motto lautet “Bis zum letzten Krümel: Lebensmittel sorgsam verwenden”. INFO & ANMELDUNG
19.11.2024 / Halle Münsterland
Tagung LVM-Landwirtschaftstag 2024
“Lust auf Landwirtschaft – wie die Branche Betriebe nachhaltig stärkt und gleichzeitig das Klima schützt” lautet das Motto des LVM-Landwirtschaftstags, den die LVM Versicherung im November 2024 mit top agrar als Medienpartner veranstaltet. Zu den Referenten zählen erneut zahlreiche hochkarätige Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik – darunter der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Cem Özdemir. PROGRAMM
20.11. – 21.11.2024 / Osnabrück, Pottgraben 60, Alando Osnabrück
innovate!convention 2024 The Future of Agrifood
Die innovate!convention mit dem Schwerpunkt Farm & Food geht in die nächste Runde und verspricht an gleich zwei Tagen jede Menge aufregende Impulse und Innovationen.
Mit einem abwechslungsreichen Programm bestehend aus Exkursionen, Workshops, Paneltalks, Speaker-Sessions, Awardnight und zahlreichen Networking-Möglichkeiten bringen wir Praktiker:innen und Visionär:innen zusammen. Programm
20.11. – 21.11.2024 / Geno Hotel Karlsruhe
Tagung KALS 2024 – 9. Karlsruher Lebensmittelsymposium
Das Karlsruher Lebensmittelsymposium ist diejenige Veranstaltung für Lebensmittelsicherheit, die Wissenschaft und Praxis vereint. Sie erwarten praxisrelevante hochkarätige Vorträge, begleitende Ausstellung mit innovativen Lösungen, Netzwerken und Community, charmante Abendveranstaltung. Maximaler Input in zweitägiger, angenehmer Klausur für QMB, PL, CEO & Co INFO
21.11.2024 / Schwarzachtalhalle in Neunburg v. Wald
Bodentag 2024 Gesunder Boden – Basis für die Gesundheit von Luft, Wasser, Pflanzen, Tieren und Menschen
Die Interessengemeinschaft gesunder Boden e. V. veranstaltet dieses Jahr wieder ihren großen Bodentag. Er findet als Hybrid-Veranstaltung (Präsenz und Online) statt. Zahlreiche und kompetente Referenten vermitteln wertvolles Wissen rund um das diesjährige Thema “Lebendige Böden – Stabile Systeme im Klimawandel”. ANMELDUNG
27.11. – 28.11.2024 / Berlin
BMEL Internationale Schalenobst-Tagung
Die Tagung befasst sich mit den Kulturen Haselnuss, Walnuss, Mandeln, und Kastanien. Schalenobstexperten aus Deutschland, Mazedonien, Italien und Ungarn berichten über aktuelle Anbauentwicklungen. Im Mittelpunkt der Tagung stehen jedoch nicht nur Anbaufragen und deren Lösungen, sondern auch neue Entwicklungen und Ansätze bei der Bekämpfung von Problemschädlingen. INFO
27.11.2024 / München
6. Fachtagung Food Compliance 2024 Innovation, Regulierung & Konsequenzen für die Praxis
Die Fachtagung Food Compliance 2024 beleuchtet aus unterschiedlichen Perspektiven dieses Spannungsfeld zwischen Innovation und Regulierung. Ausgewiesene Praktiker skizzieren die gesetzlichen Herausforderungen, die Erwartungshaltung der Lebensmittelüberwachung sowie Handlungsoptionen im Rahmen der unternehmerischen Umsetzung. PROGRAMM
2.12.2024 – 19.00- 22.00 Uhr / Landesvertretung des Saarlandes in Berlin, online
Politik trifft Praxis Weniger Pflanzenschutz, gezielter eingesetzt: Wo sind die Grenzen? Und welche Alternativen gibt es?
Pflanzenschutzmittel haben ein schlechtes Image – und sie sind für die Landwirte unverzichtbar, schließlich sichern sie die Erzeugung qualitativ hochwertiger und sicherer Lebensmittel.
Braucht es eine Mengenbegrenzung, um den Herausforderungen beim Arten- und Umweltschutz gerecht zu werden? Wie weit sollte die Politik einschränken? Sind biologische Pflanzenschutzmittel oder Pflanzenbiostimulanzien eine Lösung für das Dilemma? Am 2. Dezember 2024 wollen wir dieses Thema mit Ihnen, den Fachpolitikern der großen Parteien und Prof. Hensel vom Bundesinstitut für Risikobewertung diskutieren. ANMELDUNG
3.12.2024 – 16.30 – 18.30 Uhr / Umweltforum Berlin
Preisverleihung Bundeswettbewerb Landwirtschaftliches Bauen
Die Gewinner des 26. Bundeswettbewerbes “Landwirtschaftliches Bauen” stehen fest. Sie werden im Rahmen einer feierlichen Preisverleihung in Berlin ausgezeichnet. Schwerpunktthema des Wettbewerbs war “Dem Klimawandel begegnen – Ställe mit ganzheitlichem Energiekonzept”. INFO
05.12.2024 / weltweit
Aktionstag Weltbodentag
Der Weltbodentag wurde 2002 beim 17. Weltkongress der Internationalen Bodenkundlichen Union (IUSS) ins Leben gerufen. Zahlreiche Aktionen machen an diesem Datum auf die lebenswichtige Bedeutung der Böden aufmerksam. Der Weltbodentag soll das Bewusstsein für die Bedeutung der Erhaltung und Wiederherstellung gesunder Ökosysteme und des menschlichen Wohlbefindens schärfen. INFO
Lebensmittel Praxis: Durchbruch für den Milchmarker-Index. Die Supermarktkette Penny, der Lieferant “Die faire Milch” (DFM) und Milcherzeuger haben den ersten bundesweiten Drei-Parteien-Vertrag für den Lebensmittelhandel geschlossen. Der Vertrag erlaubt es Landwirten, gleichberechtigt mit Handel und Lieferant über Preise und Konditionen zu verhandeln. Grundlage für die Preisfindung ist der wissenschaftlich berechnete Milchmarker-Index (MMI), der Produktionskosten abbildet. Karin Jürgens vom Büro für Agrarsoziologie und Landwirtschaft sieht darin einen wichtigen Schritt: “Nach mehr als zehn Jahren Analyse freue ich mich, dass dieser Index nun Maßstab für die Preiskalkulation geworden ist.” (“Penny schließt Preisvertrag mit Milcherzeugern und Lieferanten”)
Washington Post: Große Not in 22 Hunger-Hotspots. Nach einem UN-Bericht sind Hunderttausende Menschen in Gebieten wie dem Sudan, Haiti, Mali und in Gaza von schweren Nahrungsmittelkrisen bedroht. Konflikte, wirtschaftliche Instabilität und Klimaveränderungen, zusammen mit einer reduzierten Finanzierung der Nahrungsmittelhilfe, führten in 22 “Hunger-Hotspots” zu einem alarmierenden Ausmaß an akuter Nahrungsmittelunsicherheit. (“UN report warns of famine, aggravated by conflicts and climate shocks”)
FAZ: Weltnaturkonferenz kommt nicht zum Abschluss. Die Präsidentin der COP16 musste die Weltnaturkonferenz beenden, ohne dass über eine Abschlusserklärung abgestimmt werden konnte, da nicht mehr genügend Regierungsvertreter für eine Verabschiedung vor Ort waren. Zwei zentrale Themen der COP16 konnten darum nicht mehr zu Ende verhandelt werden: Die Strategie zur Mobilisierung von Geld, das den Naturschutz künftig finanzieren soll, sowie der Überprüfungsmechanismus, der die Bemühungen der einzelnen Länder messbar machen soll. (“Weltnaturkonferenz in Kolumbien endet abrupt”)
New York Times: Sorge vor Robert F. Kennedy Jr. Die Ankündigung Donald Trumps, Robert F. Kennedy Jr. viel Macht im Gesundheits- und Agrarbereich zu geben, löst bei US-Wirtschaftsführern und Gesundheitsexperten Sorgen aus. Robert F. Kennedy Jr. gilt als Gegner moderner Agrarsysteme und war aufgrund einer Vielzahl fragwürdiger Behauptungen zu den Gefahren von Pestiziden, Lebensmittelzusatzstoffen und Impfstoffen in die Kritik geraten. (“Why Businesses Worry About R.F.K. Jr.”)
The Guardian: Kleinbauern in Not. Von steigenden Lebensmittelpreisen profitieren nach einer Analyse des Guardian vor allem die großen Landwirtschaftsbetriebe. Kleine Betriebe haben weiterhin mit einer geringen Marge zu kämpfen, was ein Grund dafür ist, dass ihre Zahl zurückgeht. (“Revealed: the growing income gap between Europe’s biggest and smallest farms”)
Handelsblatt: Discounter lohnen sich nicht mehr. Egal ob Discounter oder klassischer Supermarkt, die Preise sind gleich. Die vier großen Handelsgruppen Edeka, Schwarz, Rewe und Aldi machen mehr als 80 Prozent des Umsatzes. Diese Konzentration im Lebensmittelhandel befördere laut einem Wettbewerbsrechtler die stillschweigende Abstimmung der Preise. Die Monopolkommission bemängelt den fehlenden Wettbewerbsdruck, der den Supermärkten das Angleichen der Preise ermöglicht. Die Verbraucherzentralen fordern deshalb schon seit Längerem eine Preisbeobachtungsstelle im Lebensmittelhandel. (“Darum sind Discounter nicht mehr billiger als andere Märkte”)
Das Lieferkettengesetz ist erneut in aller Munde. Es gelte, das Bürokratiemonster zu erlegen, von Kettensägen und vom Wegmachen wird gesprochen. Die Bedenken sind teilweise berechtigt. Die Analyse ist aber verkürzt und es abzuschaffen, grundlegend falsch. Es braucht einen realistischen Blick auf Stärken, Schwächen und mögliche Verbesserungen. Politik und vor allem sozialdemokratische Politik sollte sich nicht darauf einlassen, Menschenrechte gegen wirtschaftlichen Erfolg auszuspielen.
Die globalisierte Wirtschaft bedingt Deutschlands Wohlstand. Aber ohne Regeln für den Wettbewerb setzt sich derjenige durch, der so billig wie möglich produziert – der für Investoren so biegsam wie möglich ist. Wer die geringsten Arbeitsstandards anbietet, wer die meisten Umweltzerstörungen erlaubt, wer das Kapital mit Steuerdumping anlockt. Diesen zerstörerischen Wettbewerb können soziale Demokratien nicht gewinnen. Sozialdemokraten glauben an eine Wirtschaftsordnung, die auf Respekt und Solidarität fußt. Respekt für die Leistungen anderer Menschen, die fair entlohnt werden müssen. Solidarität für die Menschen, die in Notsituationen im kapitalistischen Wettbewerb unter die Räder geraten. Um das auch in einer globalisierten Wirtschaft sicherzustellen, braucht es faire Regeln.
Das deutsche Lieferkettengesetz (LkSG) adressiert genau diese Missstände. Und erste Erfolge zeigen sich bereits. Gewerkschaftsvertreter aus Bangladesch etwa berichten, dass das Gesetz ihre Stimme stärkt und Käuferunternehmen sie jetzt deutlich ernster nehmen. Der Economist berichtete, das LkSG habe die Gewerkschaftsbildung in den südlichen US-Bundesstaaten unterstützt. Ausgebeutete Lkw-Fahrer in Deutschland konnten sich auf das LkSG berufen, um ihnen vorenthaltene Löhne zu bekommen. Die chinesische Arbeitsrechts-NGO China Labour Bulletin berichtet, dass das deutsche Gesetz ihnen bei der Bekämpfung von Ausbeutung hilft. Die Textil-NGO Inkota aus Indien beruft sich auf das Lieferkettengesetz, um die Rechte von Textilarbeiterinnen zu stärken. Die Behauptung, beim Lieferkettengesetz würde nur zusätzliche Bürokratie verursacht ohne tatsächlich positive Auswirkungen, lässt sich also nicht aufrechterhalten.
Gleichzeitig gibt es Ansatzpunkte, um das Lieferkettengesetz zu verbessern. Die Anwendungspraxis vieler Unternehmen verfolgt aktuell einen “One-size fits all”-Ansatz: Alle Unternehmen füllen die gleichen Standardfragebögen aus, egal ob es um T-Shirts, Bananen oder Maschinenbaukomponenten geht. Mit sogenannten “Supplier Code of Conducts” versuchen marktmächtige Unternehmen, alle Risiken und Verantwortung auf kleinere Zulieferer abzuwälzen. Diese Praxis beruht auf einer Fehlinterpretation des Gesetzestextes, wie das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) auch bereits klargestellt hat. Trotzdem wäre hier eine gesetzliche Klarstellung wünschenswert, um kleine und mittlere Unternehmen nicht übermäßig zu belasten.
Deutschland sollte das Lieferkettengesetz wohlüberlegt überarbeiten, sodass es dem eigentlichen Ziel, Menschenrechte wirksam zu schützen und internationale Standards zu setzen, wirksam dient, ohne aber überflüssigen bürokratischen Aufwand zu verursachen. Die Erfahrungen der vergangenen zwei Jahre können dafür eine gute Grundlage sein. Fragebögen müssen zielgenauer auf branchentypische Risikoszenarien eingehen. Das reduziert auch den Verwaltungsaufwand für die Unternehmen, denn solche Fragebögen können kürzer und gleichzeitig relevanter auf konkrete Risikosituationen und Gegenmaßnahmen eingehen. Für Branchen, die sich als besonders anfällig für Menschenrechtsverletzungen gezeigt haben, könnten das BAFA und die Ministerien spezifischere Standards vorgeben, inklusive Fragebögen und Empfehlungen für Maßnahmen zur Verbesserung der Lieferkette.
Zusätzliche Entlastungen für kleine und mittlere Unternehmen würden ebenfalls helfen. Dazu zählen etwa Standards für fairere Vertragsklauseln, die auf Kooperation und gemeinsame Verantwortung anstatt auf Abwälzung setzen. Klarere Vorgaben dazu, welche Rolle KMU-Zulieferer im Sorgfaltspflichtenprozess einnehmen, braucht es ebenfalls – etwa zum Zusammenwirken von Käufer und Zulieferer bei der Risikoanalyse, bei Maßnahmen zur Bewältigung von Verletzungen und beim Zugänglichmachen von Beschwerdemechanismen.
Zudem sollte berücksichtigt werden, wie das Lieferkettengesetz mit anderen Nachhaltigkeitsgesetzen zusammenwirkt. Hier gilt es, Doppelbelastungen durch Parallelstandards zu vermeiden und für einheitliche Prozesse und Synergien zu sorgen. Es braucht nicht eine Risikoanalyse nach dem LkSG und eine Wesentlichkeitsanalyse nach der CSRD, sondern gemeinsame Prozesse. In Polen wird zum Beispiel gefordert: CSRD und CSDDD sollen gemeinsam und aufeinander abgestimmt umgesetzt werden: nicht nur ein Bericht, sondern auch eine Risikoanalyse.
Lieferkettengesetze haben das Potenzial, weltweit Ausbeutung zu bekämpfen. Kluge Anpassungen können die bürokratische Belastung senken, ohne die Wirkung infrage zu stellen. Eine ersatzlose Streichung bis zu einer Umsetzung der Europäischen Lieferkettenrichtlinie wäre falsch. Deutschland hat einen First-Mover-Vorteil: Indem die Bundesregierung und die deutsche Wirtschaft und Zivilgesellschaft innovative Umsetzungslösungen entwickeln, können sie Umsetzungsstandards definieren, an denen sich ganz Europa orientiert. Gut umgesetzt, kann dies ein klarer Wettbewerbsvorteil auch für hiesige Unternehmen sein. Eine Aussetzung des Lieferkettengesetzes würde demgegenüber Unternehmen bestrafen, die jetzt bereits Strukturen zur Umsetzung geschaffen haben. Je frühzeitiger die Bundesregierung eine nationale Gesetzgebung zur Umsetzung der Europäischen Richtlinie schafft, desto besser für Unternehmen, die langfristige Planungssicherheit brauchen und für die effektive Durchsetzung von Menschenrechten entlang der gesamten Lieferkette.
Philipp Türmer ist Bundesvorsitzender der Jusos. Daniel Schönfelder arbeitet als Lead European Legal Advisor beim Responsible Contracting Project.
ESG: Treibhausgase: Wo die Emissionen 2023 in der EU gesunken sind
Laut einem Bericht der Europäischen Umweltagentur (EEA) gingen die Netto-Treibhausgasemissionen in der EU 2023 im Vergleich zum Vorjahr um acht Prozent zurück, was den größten jährlichen Rückgang seit Jahrzehnten darstellt. Die Reduzierung der Emissionen ist laut EEA zur Hälfte auf die Entwicklung des Energiesektors zurückführen. Im Landwirtschaftssektor habe sich hingegen kaum etwas getan. Dort liegt der Rückgang zwischen 2022 und 2023 bei nur zwei Prozent. Die Landwirtschaft habe seit 2005 kaum zur Emissionsreduktion beigetragen, da Effizienzgewinne durch höhere Produktionsmengen ausgeglichen worden seien. Zum Artikel