es geht zügig voran beim Entscheidungsprozess über den Aufschub der EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR). Am Mittwoch stimmten die EU-Botschafter der Mitgliedstaaten für den Vorschlag der Kommission, die Regeln erst Ende 2025 anzuwenden.
Nun ist das Europäische Parlament am Zug. Ein Antrag auf Nutzung des “Dringlichkeitsverfahrens” ist kommende Woche zu erwarten. Mitte November könnte das Parlament dann grünes Licht sowohl für dieses verkürzte Verfahren als auch für den Vorschlag selbst geben.
Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre und ein erholsames Wochenende!
Ein Zusammenschluss aus mehreren Organisationen wirbt für strengere Mehrwegregeln in der Gastronomie. Seitdem die Mehrwegangebotspflicht gelte, habe sich der Anteil an Mehrwegverpackungen kaum erhöht. Gleichzeitig sei aber die Gesamtmenge an Verpackungsabfällen im Außer-Haus-Bereich gestiegen. Die sogenannte Umsetzungsallianz aus ProjectTogether, WWF Deutschland und Mehrwegverband Deutschland empfiehlt deshalb in einem Policy-Paper, das Table.Briefings exklusiv vorliegt, folgende Maßnahmen:
Um ökologische Ziele der Kreislaufwirtschaft zu erreichen, müsse der Markanteil von Mehrwegverpackungen auf mindestens 40 Prozent steigen, heißt es in einer Studie der Ellen MacArthur Foundation. Doch der Mehrweganteil im Außer-Haus-Verkauf lag 2023 laut einer Untersuchung im Auftrag des WWF bei unter zwei Prozent. “Wichtig ist deshalb, dass sich die Nachfrage nach Mehrweg erhöht”, sagt Vanessa Esslinger, Co-Autorin des Papers vom ProjectTogether. Aus ihrer Sicht gelinge das nur durch nachgeschärfte Regulierung und Finanzierungsmechanismen, die Mehrwegkreisläufe fördern.
Zu den Empfehlungen der Umsetzungsallianz für eine Verpackungsnovelle gehört etwa:
Eine Ausweitung der Angebotspflicht über Kunststoffverpackungen hinaus und ein Verbot für Einwegverpackungen beim Verzehr vor Ort hatte das Bundesumweltministerium (BMUV) schon 2023 in einem Eckpunktepapier für eine Reform des Verpackungsgesetzes angedacht. Sie ist bisher aber aufgrund von unterschiedlichen Positionen innerhalb der Ampel-Koalition nicht zustande gekommen.
Zu den Gründen für den “Misserfolg der Mehrwegangebotspflicht” gehört laut des Policy-Papers der Umsetzungsallianz auch, dass Verbraucher Mehrwegverpackungen kaum aktiv nachfragten. Zudem haderten viele Gastronomie-Betriebe mit einer Umstellung, weil dies als zu aufwendig und zeitintensiv wahrgenommen würde. Die Umsetzungsallianz hat daher 2023 ein Pilotprojekt mit mehreren System-Gastronomen durchgeführt – darunter Burger King, Haferkater und Ikea.
In diesem Projekt haben die Betriebe verschiedene Anreize für Verhaltensänderungen (Nudges) ausprobiert. Einer davon: Mehrwegverpackungen als Standard anbieten. Bei Ikea habe dies in einzelnen Geschäften zeitweise zu Mehrwegquoten von 80 statt fünf Prozent geführt. In einigen Geschäften sei die Quote nach anfänglicher Steigerung mit der Zeit aber wieder stark gesunken, heißt es im Ergebnisbericht. Insgesamt sei die Mehrwegquote in acht Monaten von zwölf auf 36 Prozent gestiegen.
“Wir haben gelernt, dass sich schon mit kleinen Impulsen die Nachfrage erhöhen lässt”, sagt Esslinger von ProjectTogether. Je mutiger das Management agiere, desto größer sei der Effekt auf die Mehrwegquote. Bei Mehrweg ginge es vor allem darum, neue Routinen zu schaffen – auch bei den Mitarbeitenden. “Eine Herausforderung in der Gastronomie ist aber natürlich die hohe Personalfluktuation”, ergänzt sie.
Auch deshalb fordert Recup, Anbieter eines Mehrwegsystems, “dass Unternehmen verstärkt auf Schulungen für ihre Mitarbeiter setzen müssen, um das Bewusstsein für Mehrweg zu stärken”. Aus Kundensicht könnten finanzielle Anreize die Bereitschaft erhöhen. Für den größten Hebel hält das Unternehmen jedoch “die konsequente Abschaffung von Einwegalternativen“. Bis es möglicherweise dazu kommt, wünscht sich Recup eine konsequentere Kontrolle der geltenden Mehrwegangebotspflicht und eine ambitionierte Umsetzung der EU-Verpackungsverordnung.
Ein kostenloses und gesundes Mittagessen an Schulen und Kitas ist die oberste Forderung des Bürgerrats Ernährung. Bisher ging jedoch selbst das losbasierte Gremium davon aus, dass das Ziel nur von den Bundesländern politisch umgesetzt werden könnte: Diese sind zuständig für die Bildungspolitik. Auch wenn verschiedene Bundesernährungsminister in der Vergangenheit immer wieder eine bessere Qualität in der Schulverpflegung einforderten, verwiesen sie stets auf die Gesetzgebungskompetenz der Länder.
Ein noch unveröffentlichtes Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages rückt diese Diskussion nun in ein neues Licht. Demnach wäre der Bund wohl durchaus befugt, ein kostenloses Schulessen deutschlandweit per Gesetz einzuführen. Zuvor hatten die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages in einem vorausgegangenen Gutachten bereits nahegelegt, dass sich der Bund an einer Finanzierung kostenloser Schulessen beteiligen könnte.
In der neuen Ausarbeitung, die Table.Media exklusiv vorliegt, verweisen die Parlamentswissenschaftler auf die Bundesinitiative zum Kita-Ausbau, die das Bundesverfassungsgericht nicht der Bildungspolitik, sondern der “öffentlichen Fürsorge” zugeordnet habe – für die der Bund die Gesetzgebungskompetenz hat. “Wenn das Bundesverfassungsgericht beim Kindergartenwesen allgemein den Schwerpunkt im Bereich der öffentlichen Fürsorge sieht, dürfte eine Regelung zur Versorgung von Kindern mit Lebensmitteln als Förderung des körperlichen Wohlergehens erst recht darunterfallen“, heißt es in dem Gutachten. Schließlich würden in der Kindheit und Jugend wichtige Ernährungsmuster erlernt, die ein Leben lang prägend seien. Nötig sei zusätzlich aber der Nachweis, dass eine Regelung auf Bundesebene “erforderlich” ist, weil gleichwertige Lebensverhältnisse im Bundesgebiet in Bezug auf wichtige Ziele – wie das Verhindern von Mangelernährung und Übergewicht oder das Absenken der finanziellen Belastung von Familien – nur so zu erreichen wären.
Die Linken-Abgeordnete Ina Latendorf, die das Gutachten in Auftrag gegeben hatte, fordert die Ampel-Koalition zum Handeln auf. “Das Verstecken hinter der Bildungshoheit der Länder muss endlich aufhören”, verlangt sie. “Ein kostenloses Schulessen ist bundesweit möglich, wenn man dieses als Teil der öffentlichen Fürsorge begreift. Und das ist es zweifelsfrei.” Zum Nachweis der Erforderlichkeit fordert Latendorf von der Regierung eine “Erhebung zur aktuellen Situation der Verpflegung in Schulen und Kitas”. Die bisher letzte deutschlandweite Studie zur Qualität der Schulverpflegung nämlich habe erhebliche Unterschiede zwischen den Ländern gezeigt – sie stammt jedoch aus dem Jahr 2014. mr
Beim EU-Agrarrat am Montag und Dienstag in Luxemburg steht neben Fischfangquoten eine Erklärung zur kommenden Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) im Mittelpunkt. Die Minister wollen sie einstimmig verabschieden, zu mehreren Punkten gibt es aber noch Differenzen. Besonders strittig sind laut Diplomatenkreisen die Passagen zum künftigen GAP-Budget.
Ein Entwurf, der Table.Briefings vorliegt, sieht ein Bekenntnis zur GAP als “separatem und unabhängigem” Posten im Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) der EU vor. Doch einige Länder sprechen sich offenbar dagegen aus, dass die Agrarminister den kommenden Haushaltsverhandlungen vorgreifen, weil für letztere die Staats- und Regierungschefs zuständig seien. Bei den MFR-Verhandlungen werden vor der eigentlichen GAP-Reform sowohl das EU-Agrarbudget als auch dessen Aufteilung unter den Mitgliedstaaten festgelegt.
Letztere ist ebenfalls ein Zankapfel. Denn neuere EU-Länder bekommen niedrigere Zahlungen, die sukzessive ans Niveau der anderen Mitgliedstaaten angepasst werden. Minister aus einigen östlichen EU-Ländern wollen in der Erklärung fordern, diesen Angleichungsprozess, bekannt als “externe Konvergenz”, zu beschleunigen. Amtskollegen aus Staaten, die schon jetzt vom vollen Satz profitieren, sind dagegen. Im Frühjahr hatte derselbe Streitpunkt verhindert, dass die Agrarminister eine Erklärung zur Entlastung der Landwirte einstimmig verabschieden konnten.
Daneben müssen die Minister bei ihrem Treffen noch klären, wie konkret sie sich zu Umweltinstrumenten in der GAP – wie den Ökoregelungen – äußern und welches Ambitionsniveau sie dabei setzen. Während manche Länder darauf pochen, Ziele wie Umweltschutz und Ökolandbau fest in der GAP zu verankern, wollen andere eher den “Ausgleich” zwischen ökonomischer und ökologischer Nachhaltigkeit hervorheben. jd
Zu der Idee, den EU-Emissionshandel (ETS) auf den Agrarsektor auszuweiten, zeigt sich die Generaldirektion für Klimapolitik (DG Clima) der Europäischen Kommission zurückhaltend. CO₂-Bepreisung sei “ein möglicher Ansatz”, um Emissionen des Sektors zu reduzieren, aber nicht der einzige, schreiben die Kommissionsbeamten in einem Briefing für den designierten Kommissar für den Clean Industrial Deal, Wopke Hoekstra. Auf 122 Seiten bereiten sie Hoekstra auf mögliche Fragen bei der Anhörung des EU-Parlaments vor.
Es gelte, die Lebensmittelindustrie stärker dabei in die Pflicht zu nehmen, die Landwirte beim Klimaschutz in ihrer Lieferkette zu unterstützen, heißt es weiter. Vermeiden müsse man, dass ein CO₂-Preis eine Intensivierung der Agrarproduktion mit negativen Auswirkungen auf andere Umweltziele befördere. Bisher hat die DG Clima Überlegungen zu einem möglichen CO₂-Preis für die Landwirtschaft innerhalb der Kommission durch verschiedene Vorabstudien vorangetrieben.
Die Beamten betonen, dem Agrarsektor könne eine “wachsende Rolle” beim Klimaschutz zukommen. Wenn die Emissionen anderer Sektoren, zum Beispiel Energie, künftig sinken, werde die Landwirtschaft zur größten Emissionsquelle. Ein konkretes Ziel für den Sektor wird nicht genannt, nur: Die EU-Politik müsse effektive Anreize setzen, für die Emissionsminderung und für die Bindung von CO₂ in Böden und Wäldern.
Voraussetzung dafür sei ein robuster und harmonisierter Bewertungsrahmen für die Nachhaltigkeit auf Betriebsebene, heißt es in dem Papier. Zu begrüßen sei, dass auch der Strategiedialog Landwirtschaft diesen Aspekt hervorhebe. jd/ber/luk
Mehrere EU-Länder haben vor möglichem Betrug bei Biodiesel-Einfuhren gewarnt. Beim Treffen der Energieminister am Dienstag wies Irland gemeinsam mit Deutschland, Belgien und den Niederlanden darauf hin, dass Biodiesel-Importe aus angeblichen Reststoffen der Palmölproduktion in den vergangenen Jahren drastisch angestiegen seien. Zu beobachten sei das, seit die EU Anreize für die Produktion von Biodiesel aus Rest- und Abfallstoffen gesetzt habe.
In Deutschland etwa habe sich der Einsatz von Biokraftstoffen aus leeren Palmfruchtbündeln oder Abwasser aus Palmölmühlen zwischen 2021 und 2022 fast verfünffacht, erklärte die stellvertretende Ständige Vertreterin bei der EU, Helen Winter. Der Anstieg erscheine “unverhältnismäßig groß im Vergleich zur geschätzten, weltweit verfügbaren Menge“, argumentierte der irische Umweltminister Eamon Ryan. Die Kommission müsse untersuchen, ob Betrug vorliege, und entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen – auch, um europäische Biodiesel-Hersteller vor unlauterer Konkurrenz zu schützen.
EU-Energiekommissarin Kadri Simson dämpfte jedoch die Hoffnung auf Gegenmaßnahmen aus Brüssel. Der Handlungsspielraum der Kommission sei begrenzt, weil man in Ländern außerhalb der EU keine Vollzugsgewalt habe. Gleichzeitig habe man die Kontrollen bereits durch die Schaffung einer Unionsdatenbank für Biokraftstoffe (UDB) verbessert, die seit Anfang des Jahres aktiv sei. Simson kündigte an, die Einrichtung einer Arbeitsgruppe zum Thema vorzuschlagen.
Anders als die anderen an dem Vorstoß beteiligten Länder sprach sich Winter derweil auch dafür aus, Biokraftstoffe aus den betroffenen Palmölabfällen aus der Liste sogenannter “fortschrittlicher” Biokraftstoffe zu streichen. Für deren Nutzung setzt die Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU besondere Anreize, weil ihre Produktion nicht in Konkurrenz zur Erzeugung von Nahrungsmitteln steht.
Unter anderem gegen China gibt es bereits seit Längerem Betrugsvorwürfe. Europäische Hersteller werfen chinesischen Firmen vor, aus Palmöl gewonnenen Biodiesel aus anderen asiatischen Staaten umzuetikettieren und nach Europa weiterzuverkaufen. Seit Mitte August erhebt die EU-Kommission Strafzölle auf Biodiesel aus China, allerdings wegen Dumping-, nicht wegen Betrugsvorwürfen. Branchenvertreter fordern seither von der EU, auch den Betrugsvorwürfen stärker nachzugehen. jd
Ein Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofs kritisiert die unzureichende Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel in der EU. Zwar existiere ein solider Rahmen, und die EU stelle erhebliche finanzielle Mittel bereit, jedoch fehlten klare Berichterstattungsmechanismen und messbare Fortschrittsindikatoren. Besonders problematisch sei der geringe Bekanntheitsgrad der EU-Instrumente wie Climate-ADAPT auf lokaler Ebene, was die effektive Umsetzung erschwere, urteilen die Rechnungsprüfer.
Der Bericht kommt außerdem zu dem Schluss, dass viele der finanzierten Projekte eher kurzfristige Lösungen böten und nicht ausreichend auf langfristige Anpassungsstrategien ausgelegt seien. Das führe zu Fehlanpassungen, wie der Förderung von großflächiger Bewässerung in der Landwirtschaft, statt auf weniger wasserintensive Alternativen zu setzen. Auch die Nutzung naturbasierter Lösungen sei weniger verbreitet, als es angesichts der Herausforderungen des Klimawandels erforderlich wäre. Darüber hinaus wird kritisiert, dass in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nicht ausreichend zwischen Klimaschutz und Anpassungsmaßnahmen unterschieden werde.
Um den Klimawandel effizienter zu bekämpfen, empfiehlt der Rechnungshof der EU-Kommission, gemeinsame Indikatoren zur Messung des Fortschritts einzuführen, das Wissen über Anpassungsinstrumente zu verbessern und sicherzustellen, dass EU-finanzierte Projekte auf langfristige Klimaziele ausgerichtet sind.
Der am Dienstag veröffentlichte Climate Adaptation Finance Index 2024 von “Brot für die Welt” zeigt zudem gravierende Ungerechtigkeiten bei der Verteilung internationaler Anpassungsfinanzierung. 90 Prozent der untersuchten Länder erhalten demnach weniger Mittel, als sie angesichts ihrer Klimarisiken benötigen. Besonders betroffen seien arme und klimatisch stark gefährdete Regionen, während wohlhabendere Länder überproportional profitieren.
Obwohl Deutschland einer der größten Geldgeber ist, entspreche auch seine Mittelverteilung nicht den Klimarisiken. Die Autoren fordern eine gerechtere und risikoorientierte Verteilung, um den Globalen Süden besser zu unterstützen. luk
Politico: Finanzfonds zu EU-Mercosur-Abkommen. Die Europäische Kommission entwickelt einen neuen Finanzfonds, um Landwirte für mögliche negative Folgen des EU-Mercosur-Freihandelsabkommens zu entschädigen. Mit dem Fonds sollen Frankreich, Österreich und Irland zur Zustimmung zu dem Abkommen bewegt werden, die ihm bislang kritisch gegenüberstehen. (“EU plans cash help for farmers to overcome French resistance to Mercosur deal”)
Agrarheute: Düngemittel könnten teurer werden. Steigende Preise für Energie und Stickstoff sorgen im europäischen Ausland dafür, dass Düngemittel teurer werden. Bislang ist die Lage auf dem deutschen Markt stabil. Einer der Preistreiber ist der Krieg im Nahen Osten, der die Versorgung mit Gas gefährden könnte. (“Düngerpreise vor Preisexplosion? – Düngermarkt von Nahostkrise erschüttert”)
Politico: Landwirte wollen mitreden. Der europäische Landwirtschaftsverband Copa-Cogeca kritisiert, dass nur wenige Landwirte am Strategiedialog mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen beteiligt waren. Künftig sollten mindestens die Hälfte der Teilnehmenden des Dialogs Landwirte und Vertreter ihrer Interessensverbände sein. (“Farmers hate results of von der Leyen’s reform dialogue”)
Top Agrar: Geringere Vorsteuer für Landwirte. Die Bundesregierung plant, den Vorsteuersatz für Landwirte von derzeit neun Prozent schrittweise auf 7,8 Prozent zu senken. Auf die Bauern könnte so eine Mehrbelastung von bis zu 95 Millionen Euro im Jahr zukommen. (“Landwirte stehen vor Millionenverlusten”)
Süddeutsche: Rinder sterben an der Grenze. Weil in Deutschland die Tierseuche Blauzungenkrankheit grassiert, wurden zwei Lkw mit 69 trächtigen Färsen an der türkischen Grenze mehrere Wochen lang festgehalten. Am Ende verendeten die jungen Rinder alle. Bundesagrarminister Özdemir will das Thema Langstrecken-Tiertransporte beim nächsten Treffen mit seinen europäischen Amtskollegen wieder ansprechen.”Wir brauchen endlich eine wirksame, und das heißt: EU-weite, Lösung”, so der Grünen-Politiker. (“Verendet im Niemandsland”)
SWP: Schmalz verschwindet aus den Supermarktregalen. Produkte wie Kondensmilch, Schmalz und Rotkohl könnten bald zunehmend aus den Regalen des Handels verschwinden. Sie werden vor allem von der älteren Generation gekauft. Jüngere Konsumenten meiden sie. (“Welche Lebensmittel verschwinden dürften”)
Europe.Table: Budgetreform: S&D drängt vergeblich auf baldige Debatte
Die Sozialdemokraten im Europaparlament drängen auf eine baldige Diskussion mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen über die geleakten Ideen für einen Umbau des Mehrjährigen EU-Finanzrahmens (MFR). Christdemokraten und Liberale wollen das Thema dagegen erst später auf die Agenda setzen. Die SPD-Europaabgeordneten machen insbesondere gegen die angedachte Reform der Kohäsionspolitik mobil und wollen sich mit den Bundesländern verbünden. Aber auch die Vorsitzenden der CDU/CSU-Europaabgeordneten, Daniel Caspary und Angelika Niebler, warnten in einem Schreiben an von der Leyen vor einer “Beschneidung der Rechte des Parlaments”. Zum Artikel
Nach den Traktordemos in Deutschland und Europa im vergangenen Winter schien ein sachlicher, lösungsorientierter Dialog über die Zukunft der Landwirtschaft auf EU-Ebene kaum denkbar. Schon seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine hatte sich der Agrardiskurs wieder zunehmend polarisiert. Schnell stellte das Schlagwort der Ernährungssicherheit die Bewältigung der ökologischen Krisen in den Schatten. Mit den Agrardieselprotesten wurde die Wettbewerbsfähigkeit der Branche zum Leitmotiv, begleitet von Auflagen- und Bürokratieabbau sowie der Entkopplung der Agrarsubventionen von ökologischen Mindeststandards. Klima- und Naturschutz? Zweitrangig.
Und doch haben sich die knapp 30 Akteure von EU-Bauernverbänden, Industrie, Handel und Umweltschutz im sogenannten “Strategic Dialogue” auf eine gemeinsame Vision geeinigt. Der Abschlussbericht, den die Beteiligten an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen übergeben haben, ist durchaus zukunftsweisend. Er atmet einen anderen Geist als die europaweiten Bauernproteste des vergangenen Winters, die darauffolgenden Debatten und politischen Reaktionen, bei denen es vor allem um den Abbau von Umweltstandards ging. Als Blaupause des Brüsseler Dialogs diente die deutsche Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL), die ihre Ergebnisse bereits 2021 präsentiert hatte. Beide kommen nun zu vergleichbaren Schlüssen. Und doch schlägt Brüssel bei manchen Themen einen anderen Ton an als Berlin: etwas entschiedener, mutiger.
“The time for change is now.” Was sich anhört wie ein Wahlkampfslogan, ist ein zentraler Satz dieses Kompromisses. Je länger agrarpolitische Weichenstellungen in Richtung Natur- und Klimaschutz verzögert werden, desto teurer wird es für die Gesellschaft, übrigens auch für die Landwirtschaft, etwa in Bezug auf degradierte Böden oder den Bestäuberschwund. Das sollte spätestens seit dem Klima-Urteil des Bundesverfassungsgerichts klar sein. Doch der Agrarsektor fordert gerne eine Sonderrolle ein.
Bemerkenswert ist die Einigung auf eine Reform der hektarbasierten Direktzahlungen. Damit fallen die derzeitigen Profiteure des Systems aus der Förderung heraus – insbesondere die größeren Ackerbaubetriebe, die auch ohne Subventionen profitabel sind.
Folgerichtig erkennt der Strategiedialog an, dass die Konkurrenz um öffentliche Gelder zunimmt, die Agrarbudgets also zunehmend unter Druck geraten. Es sei daher umso wichtiger, dass diese nicht nur auf Einkommensstützung und Lebensmittelproduktion, sondern gleichermaßen auf die Umweltziele einzahlen, so der Bericht. Es ist ein Wink in Richtung des kommenden mehrjährigen EU-Finanzrahmens. Dieser ist bereits Gegenstand einer lebhaften Debatte, die auch am Selbstverständnis der Gemeinsamen Agrarpolitik rüttelt.
Deutlich wird der Brüsseler Text auch, was den ordnungsrechtlichen Rahmen für die Landwirtschaft betrifft. Was eigentlich eine selbstverständliche Grundlage für sämtliche Wirtschaftsbereiche ist, gilt für die Landwirtschaft offenbar nur eingeschränkt: Das deutsche Landwirtschaftsgesetz stammt von 1955. Damals waren Klima- und Artenkrise kein Thema. Und selbst wenn etwas eigentlich gesetzlich vorgeschrieben ist, wie der integrierte Pflanzenschutz, so heißt das noch lange nicht, dass es auch umgesetzt wird.
Auch EU-Gesetze wie die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie werden nur unzureichend umgesetzt. Hier spricht der Strategiedialog eine klare Sprache: Erst müsse das Ordnungsrecht effektiv greifen – das schließt die Ausgestaltung der Regeln auf nationaler Ebene und den Vollzug auf Betriebsebene ein. Dann sollten Landwirte eine anständige Honorierung für erbrachte gesellschaftliche Leistungen erhalten. Modelle wie die Gemeinwohlprämie gibt es schon längst.
Der entscheidende Knackpunkt bleibt jedoch die politische Umsetzung. Bereits 2021 hatte die deutsche ZKL ihre Empfehlungen an Bundeskanzlerin Angela Merkel übergeben. Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner rührte den Bericht am Ende ihrer Amtszeit nicht mehr an, ihr Nachfolger Cem Özdemir ließ ihn in der Schublade verschwinden. Entscheidend für den Erfolg der aktuellen Agrar-Empfehlungen ist also der politische Mut der neuen EU-Kommission. Nach der verpassten Umsetzung der ZKL-Empfehlungen ist es eine zweite Chance, die Landwirtschaft im Konsens aller Beteiligten ökologisch wie wirtschaftlich krisenfest zu machen. Ursula von der Leyen ist daher gut beraten, aus dem einstigen Zögern der deutschen Politik zu lernen und diese Chance zu nutzen.
Jörg-Andreas Krüger ist Präsident des Naturschutzbunds Deutschland e.V. (NABU). Zuvor war Krüger sechs Jahre als Geschäftsführer “Ökologischer Fußabdruck” beim WWF tätig.
es geht zügig voran beim Entscheidungsprozess über den Aufschub der EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR). Am Mittwoch stimmten die EU-Botschafter der Mitgliedstaaten für den Vorschlag der Kommission, die Regeln erst Ende 2025 anzuwenden.
Nun ist das Europäische Parlament am Zug. Ein Antrag auf Nutzung des “Dringlichkeitsverfahrens” ist kommende Woche zu erwarten. Mitte November könnte das Parlament dann grünes Licht sowohl für dieses verkürzte Verfahren als auch für den Vorschlag selbst geben.
Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre und ein erholsames Wochenende!
Ein Zusammenschluss aus mehreren Organisationen wirbt für strengere Mehrwegregeln in der Gastronomie. Seitdem die Mehrwegangebotspflicht gelte, habe sich der Anteil an Mehrwegverpackungen kaum erhöht. Gleichzeitig sei aber die Gesamtmenge an Verpackungsabfällen im Außer-Haus-Bereich gestiegen. Die sogenannte Umsetzungsallianz aus ProjectTogether, WWF Deutschland und Mehrwegverband Deutschland empfiehlt deshalb in einem Policy-Paper, das Table.Briefings exklusiv vorliegt, folgende Maßnahmen:
Um ökologische Ziele der Kreislaufwirtschaft zu erreichen, müsse der Markanteil von Mehrwegverpackungen auf mindestens 40 Prozent steigen, heißt es in einer Studie der Ellen MacArthur Foundation. Doch der Mehrweganteil im Außer-Haus-Verkauf lag 2023 laut einer Untersuchung im Auftrag des WWF bei unter zwei Prozent. “Wichtig ist deshalb, dass sich die Nachfrage nach Mehrweg erhöht”, sagt Vanessa Esslinger, Co-Autorin des Papers vom ProjectTogether. Aus ihrer Sicht gelinge das nur durch nachgeschärfte Regulierung und Finanzierungsmechanismen, die Mehrwegkreisläufe fördern.
Zu den Empfehlungen der Umsetzungsallianz für eine Verpackungsnovelle gehört etwa:
Eine Ausweitung der Angebotspflicht über Kunststoffverpackungen hinaus und ein Verbot für Einwegverpackungen beim Verzehr vor Ort hatte das Bundesumweltministerium (BMUV) schon 2023 in einem Eckpunktepapier für eine Reform des Verpackungsgesetzes angedacht. Sie ist bisher aber aufgrund von unterschiedlichen Positionen innerhalb der Ampel-Koalition nicht zustande gekommen.
Zu den Gründen für den “Misserfolg der Mehrwegangebotspflicht” gehört laut des Policy-Papers der Umsetzungsallianz auch, dass Verbraucher Mehrwegverpackungen kaum aktiv nachfragten. Zudem haderten viele Gastronomie-Betriebe mit einer Umstellung, weil dies als zu aufwendig und zeitintensiv wahrgenommen würde. Die Umsetzungsallianz hat daher 2023 ein Pilotprojekt mit mehreren System-Gastronomen durchgeführt – darunter Burger King, Haferkater und Ikea.
In diesem Projekt haben die Betriebe verschiedene Anreize für Verhaltensänderungen (Nudges) ausprobiert. Einer davon: Mehrwegverpackungen als Standard anbieten. Bei Ikea habe dies in einzelnen Geschäften zeitweise zu Mehrwegquoten von 80 statt fünf Prozent geführt. In einigen Geschäften sei die Quote nach anfänglicher Steigerung mit der Zeit aber wieder stark gesunken, heißt es im Ergebnisbericht. Insgesamt sei die Mehrwegquote in acht Monaten von zwölf auf 36 Prozent gestiegen.
“Wir haben gelernt, dass sich schon mit kleinen Impulsen die Nachfrage erhöhen lässt”, sagt Esslinger von ProjectTogether. Je mutiger das Management agiere, desto größer sei der Effekt auf die Mehrwegquote. Bei Mehrweg ginge es vor allem darum, neue Routinen zu schaffen – auch bei den Mitarbeitenden. “Eine Herausforderung in der Gastronomie ist aber natürlich die hohe Personalfluktuation”, ergänzt sie.
Auch deshalb fordert Recup, Anbieter eines Mehrwegsystems, “dass Unternehmen verstärkt auf Schulungen für ihre Mitarbeiter setzen müssen, um das Bewusstsein für Mehrweg zu stärken”. Aus Kundensicht könnten finanzielle Anreize die Bereitschaft erhöhen. Für den größten Hebel hält das Unternehmen jedoch “die konsequente Abschaffung von Einwegalternativen“. Bis es möglicherweise dazu kommt, wünscht sich Recup eine konsequentere Kontrolle der geltenden Mehrwegangebotspflicht und eine ambitionierte Umsetzung der EU-Verpackungsverordnung.
Ein kostenloses und gesundes Mittagessen an Schulen und Kitas ist die oberste Forderung des Bürgerrats Ernährung. Bisher ging jedoch selbst das losbasierte Gremium davon aus, dass das Ziel nur von den Bundesländern politisch umgesetzt werden könnte: Diese sind zuständig für die Bildungspolitik. Auch wenn verschiedene Bundesernährungsminister in der Vergangenheit immer wieder eine bessere Qualität in der Schulverpflegung einforderten, verwiesen sie stets auf die Gesetzgebungskompetenz der Länder.
Ein noch unveröffentlichtes Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages rückt diese Diskussion nun in ein neues Licht. Demnach wäre der Bund wohl durchaus befugt, ein kostenloses Schulessen deutschlandweit per Gesetz einzuführen. Zuvor hatten die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages in einem vorausgegangenen Gutachten bereits nahegelegt, dass sich der Bund an einer Finanzierung kostenloser Schulessen beteiligen könnte.
In der neuen Ausarbeitung, die Table.Media exklusiv vorliegt, verweisen die Parlamentswissenschaftler auf die Bundesinitiative zum Kita-Ausbau, die das Bundesverfassungsgericht nicht der Bildungspolitik, sondern der “öffentlichen Fürsorge” zugeordnet habe – für die der Bund die Gesetzgebungskompetenz hat. “Wenn das Bundesverfassungsgericht beim Kindergartenwesen allgemein den Schwerpunkt im Bereich der öffentlichen Fürsorge sieht, dürfte eine Regelung zur Versorgung von Kindern mit Lebensmitteln als Förderung des körperlichen Wohlergehens erst recht darunterfallen“, heißt es in dem Gutachten. Schließlich würden in der Kindheit und Jugend wichtige Ernährungsmuster erlernt, die ein Leben lang prägend seien. Nötig sei zusätzlich aber der Nachweis, dass eine Regelung auf Bundesebene “erforderlich” ist, weil gleichwertige Lebensverhältnisse im Bundesgebiet in Bezug auf wichtige Ziele – wie das Verhindern von Mangelernährung und Übergewicht oder das Absenken der finanziellen Belastung von Familien – nur so zu erreichen wären.
Die Linken-Abgeordnete Ina Latendorf, die das Gutachten in Auftrag gegeben hatte, fordert die Ampel-Koalition zum Handeln auf. “Das Verstecken hinter der Bildungshoheit der Länder muss endlich aufhören”, verlangt sie. “Ein kostenloses Schulessen ist bundesweit möglich, wenn man dieses als Teil der öffentlichen Fürsorge begreift. Und das ist es zweifelsfrei.” Zum Nachweis der Erforderlichkeit fordert Latendorf von der Regierung eine “Erhebung zur aktuellen Situation der Verpflegung in Schulen und Kitas”. Die bisher letzte deutschlandweite Studie zur Qualität der Schulverpflegung nämlich habe erhebliche Unterschiede zwischen den Ländern gezeigt – sie stammt jedoch aus dem Jahr 2014. mr
Beim EU-Agrarrat am Montag und Dienstag in Luxemburg steht neben Fischfangquoten eine Erklärung zur kommenden Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) im Mittelpunkt. Die Minister wollen sie einstimmig verabschieden, zu mehreren Punkten gibt es aber noch Differenzen. Besonders strittig sind laut Diplomatenkreisen die Passagen zum künftigen GAP-Budget.
Ein Entwurf, der Table.Briefings vorliegt, sieht ein Bekenntnis zur GAP als “separatem und unabhängigem” Posten im Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) der EU vor. Doch einige Länder sprechen sich offenbar dagegen aus, dass die Agrarminister den kommenden Haushaltsverhandlungen vorgreifen, weil für letztere die Staats- und Regierungschefs zuständig seien. Bei den MFR-Verhandlungen werden vor der eigentlichen GAP-Reform sowohl das EU-Agrarbudget als auch dessen Aufteilung unter den Mitgliedstaaten festgelegt.
Letztere ist ebenfalls ein Zankapfel. Denn neuere EU-Länder bekommen niedrigere Zahlungen, die sukzessive ans Niveau der anderen Mitgliedstaaten angepasst werden. Minister aus einigen östlichen EU-Ländern wollen in der Erklärung fordern, diesen Angleichungsprozess, bekannt als “externe Konvergenz”, zu beschleunigen. Amtskollegen aus Staaten, die schon jetzt vom vollen Satz profitieren, sind dagegen. Im Frühjahr hatte derselbe Streitpunkt verhindert, dass die Agrarminister eine Erklärung zur Entlastung der Landwirte einstimmig verabschieden konnten.
Daneben müssen die Minister bei ihrem Treffen noch klären, wie konkret sie sich zu Umweltinstrumenten in der GAP – wie den Ökoregelungen – äußern und welches Ambitionsniveau sie dabei setzen. Während manche Länder darauf pochen, Ziele wie Umweltschutz und Ökolandbau fest in der GAP zu verankern, wollen andere eher den “Ausgleich” zwischen ökonomischer und ökologischer Nachhaltigkeit hervorheben. jd
Zu der Idee, den EU-Emissionshandel (ETS) auf den Agrarsektor auszuweiten, zeigt sich die Generaldirektion für Klimapolitik (DG Clima) der Europäischen Kommission zurückhaltend. CO₂-Bepreisung sei “ein möglicher Ansatz”, um Emissionen des Sektors zu reduzieren, aber nicht der einzige, schreiben die Kommissionsbeamten in einem Briefing für den designierten Kommissar für den Clean Industrial Deal, Wopke Hoekstra. Auf 122 Seiten bereiten sie Hoekstra auf mögliche Fragen bei der Anhörung des EU-Parlaments vor.
Es gelte, die Lebensmittelindustrie stärker dabei in die Pflicht zu nehmen, die Landwirte beim Klimaschutz in ihrer Lieferkette zu unterstützen, heißt es weiter. Vermeiden müsse man, dass ein CO₂-Preis eine Intensivierung der Agrarproduktion mit negativen Auswirkungen auf andere Umweltziele befördere. Bisher hat die DG Clima Überlegungen zu einem möglichen CO₂-Preis für die Landwirtschaft innerhalb der Kommission durch verschiedene Vorabstudien vorangetrieben.
Die Beamten betonen, dem Agrarsektor könne eine “wachsende Rolle” beim Klimaschutz zukommen. Wenn die Emissionen anderer Sektoren, zum Beispiel Energie, künftig sinken, werde die Landwirtschaft zur größten Emissionsquelle. Ein konkretes Ziel für den Sektor wird nicht genannt, nur: Die EU-Politik müsse effektive Anreize setzen, für die Emissionsminderung und für die Bindung von CO₂ in Böden und Wäldern.
Voraussetzung dafür sei ein robuster und harmonisierter Bewertungsrahmen für die Nachhaltigkeit auf Betriebsebene, heißt es in dem Papier. Zu begrüßen sei, dass auch der Strategiedialog Landwirtschaft diesen Aspekt hervorhebe. jd/ber/luk
Mehrere EU-Länder haben vor möglichem Betrug bei Biodiesel-Einfuhren gewarnt. Beim Treffen der Energieminister am Dienstag wies Irland gemeinsam mit Deutschland, Belgien und den Niederlanden darauf hin, dass Biodiesel-Importe aus angeblichen Reststoffen der Palmölproduktion in den vergangenen Jahren drastisch angestiegen seien. Zu beobachten sei das, seit die EU Anreize für die Produktion von Biodiesel aus Rest- und Abfallstoffen gesetzt habe.
In Deutschland etwa habe sich der Einsatz von Biokraftstoffen aus leeren Palmfruchtbündeln oder Abwasser aus Palmölmühlen zwischen 2021 und 2022 fast verfünffacht, erklärte die stellvertretende Ständige Vertreterin bei der EU, Helen Winter. Der Anstieg erscheine “unverhältnismäßig groß im Vergleich zur geschätzten, weltweit verfügbaren Menge“, argumentierte der irische Umweltminister Eamon Ryan. Die Kommission müsse untersuchen, ob Betrug vorliege, und entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen – auch, um europäische Biodiesel-Hersteller vor unlauterer Konkurrenz zu schützen.
EU-Energiekommissarin Kadri Simson dämpfte jedoch die Hoffnung auf Gegenmaßnahmen aus Brüssel. Der Handlungsspielraum der Kommission sei begrenzt, weil man in Ländern außerhalb der EU keine Vollzugsgewalt habe. Gleichzeitig habe man die Kontrollen bereits durch die Schaffung einer Unionsdatenbank für Biokraftstoffe (UDB) verbessert, die seit Anfang des Jahres aktiv sei. Simson kündigte an, die Einrichtung einer Arbeitsgruppe zum Thema vorzuschlagen.
Anders als die anderen an dem Vorstoß beteiligten Länder sprach sich Winter derweil auch dafür aus, Biokraftstoffe aus den betroffenen Palmölabfällen aus der Liste sogenannter “fortschrittlicher” Biokraftstoffe zu streichen. Für deren Nutzung setzt die Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU besondere Anreize, weil ihre Produktion nicht in Konkurrenz zur Erzeugung von Nahrungsmitteln steht.
Unter anderem gegen China gibt es bereits seit Längerem Betrugsvorwürfe. Europäische Hersteller werfen chinesischen Firmen vor, aus Palmöl gewonnenen Biodiesel aus anderen asiatischen Staaten umzuetikettieren und nach Europa weiterzuverkaufen. Seit Mitte August erhebt die EU-Kommission Strafzölle auf Biodiesel aus China, allerdings wegen Dumping-, nicht wegen Betrugsvorwürfen. Branchenvertreter fordern seither von der EU, auch den Betrugsvorwürfen stärker nachzugehen. jd
Ein Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofs kritisiert die unzureichende Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel in der EU. Zwar existiere ein solider Rahmen, und die EU stelle erhebliche finanzielle Mittel bereit, jedoch fehlten klare Berichterstattungsmechanismen und messbare Fortschrittsindikatoren. Besonders problematisch sei der geringe Bekanntheitsgrad der EU-Instrumente wie Climate-ADAPT auf lokaler Ebene, was die effektive Umsetzung erschwere, urteilen die Rechnungsprüfer.
Der Bericht kommt außerdem zu dem Schluss, dass viele der finanzierten Projekte eher kurzfristige Lösungen böten und nicht ausreichend auf langfristige Anpassungsstrategien ausgelegt seien. Das führe zu Fehlanpassungen, wie der Förderung von großflächiger Bewässerung in der Landwirtschaft, statt auf weniger wasserintensive Alternativen zu setzen. Auch die Nutzung naturbasierter Lösungen sei weniger verbreitet, als es angesichts der Herausforderungen des Klimawandels erforderlich wäre. Darüber hinaus wird kritisiert, dass in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nicht ausreichend zwischen Klimaschutz und Anpassungsmaßnahmen unterschieden werde.
Um den Klimawandel effizienter zu bekämpfen, empfiehlt der Rechnungshof der EU-Kommission, gemeinsame Indikatoren zur Messung des Fortschritts einzuführen, das Wissen über Anpassungsinstrumente zu verbessern und sicherzustellen, dass EU-finanzierte Projekte auf langfristige Klimaziele ausgerichtet sind.
Der am Dienstag veröffentlichte Climate Adaptation Finance Index 2024 von “Brot für die Welt” zeigt zudem gravierende Ungerechtigkeiten bei der Verteilung internationaler Anpassungsfinanzierung. 90 Prozent der untersuchten Länder erhalten demnach weniger Mittel, als sie angesichts ihrer Klimarisiken benötigen. Besonders betroffen seien arme und klimatisch stark gefährdete Regionen, während wohlhabendere Länder überproportional profitieren.
Obwohl Deutschland einer der größten Geldgeber ist, entspreche auch seine Mittelverteilung nicht den Klimarisiken. Die Autoren fordern eine gerechtere und risikoorientierte Verteilung, um den Globalen Süden besser zu unterstützen. luk
Politico: Finanzfonds zu EU-Mercosur-Abkommen. Die Europäische Kommission entwickelt einen neuen Finanzfonds, um Landwirte für mögliche negative Folgen des EU-Mercosur-Freihandelsabkommens zu entschädigen. Mit dem Fonds sollen Frankreich, Österreich und Irland zur Zustimmung zu dem Abkommen bewegt werden, die ihm bislang kritisch gegenüberstehen. (“EU plans cash help for farmers to overcome French resistance to Mercosur deal”)
Agrarheute: Düngemittel könnten teurer werden. Steigende Preise für Energie und Stickstoff sorgen im europäischen Ausland dafür, dass Düngemittel teurer werden. Bislang ist die Lage auf dem deutschen Markt stabil. Einer der Preistreiber ist der Krieg im Nahen Osten, der die Versorgung mit Gas gefährden könnte. (“Düngerpreise vor Preisexplosion? – Düngermarkt von Nahostkrise erschüttert”)
Politico: Landwirte wollen mitreden. Der europäische Landwirtschaftsverband Copa-Cogeca kritisiert, dass nur wenige Landwirte am Strategiedialog mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen beteiligt waren. Künftig sollten mindestens die Hälfte der Teilnehmenden des Dialogs Landwirte und Vertreter ihrer Interessensverbände sein. (“Farmers hate results of von der Leyen’s reform dialogue”)
Top Agrar: Geringere Vorsteuer für Landwirte. Die Bundesregierung plant, den Vorsteuersatz für Landwirte von derzeit neun Prozent schrittweise auf 7,8 Prozent zu senken. Auf die Bauern könnte so eine Mehrbelastung von bis zu 95 Millionen Euro im Jahr zukommen. (“Landwirte stehen vor Millionenverlusten”)
Süddeutsche: Rinder sterben an der Grenze. Weil in Deutschland die Tierseuche Blauzungenkrankheit grassiert, wurden zwei Lkw mit 69 trächtigen Färsen an der türkischen Grenze mehrere Wochen lang festgehalten. Am Ende verendeten die jungen Rinder alle. Bundesagrarminister Özdemir will das Thema Langstrecken-Tiertransporte beim nächsten Treffen mit seinen europäischen Amtskollegen wieder ansprechen.”Wir brauchen endlich eine wirksame, und das heißt: EU-weite, Lösung”, so der Grünen-Politiker. (“Verendet im Niemandsland”)
SWP: Schmalz verschwindet aus den Supermarktregalen. Produkte wie Kondensmilch, Schmalz und Rotkohl könnten bald zunehmend aus den Regalen des Handels verschwinden. Sie werden vor allem von der älteren Generation gekauft. Jüngere Konsumenten meiden sie. (“Welche Lebensmittel verschwinden dürften”)
Europe.Table: Budgetreform: S&D drängt vergeblich auf baldige Debatte
Die Sozialdemokraten im Europaparlament drängen auf eine baldige Diskussion mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen über die geleakten Ideen für einen Umbau des Mehrjährigen EU-Finanzrahmens (MFR). Christdemokraten und Liberale wollen das Thema dagegen erst später auf die Agenda setzen. Die SPD-Europaabgeordneten machen insbesondere gegen die angedachte Reform der Kohäsionspolitik mobil und wollen sich mit den Bundesländern verbünden. Aber auch die Vorsitzenden der CDU/CSU-Europaabgeordneten, Daniel Caspary und Angelika Niebler, warnten in einem Schreiben an von der Leyen vor einer “Beschneidung der Rechte des Parlaments”. Zum Artikel
Nach den Traktordemos in Deutschland und Europa im vergangenen Winter schien ein sachlicher, lösungsorientierter Dialog über die Zukunft der Landwirtschaft auf EU-Ebene kaum denkbar. Schon seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine hatte sich der Agrardiskurs wieder zunehmend polarisiert. Schnell stellte das Schlagwort der Ernährungssicherheit die Bewältigung der ökologischen Krisen in den Schatten. Mit den Agrardieselprotesten wurde die Wettbewerbsfähigkeit der Branche zum Leitmotiv, begleitet von Auflagen- und Bürokratieabbau sowie der Entkopplung der Agrarsubventionen von ökologischen Mindeststandards. Klima- und Naturschutz? Zweitrangig.
Und doch haben sich die knapp 30 Akteure von EU-Bauernverbänden, Industrie, Handel und Umweltschutz im sogenannten “Strategic Dialogue” auf eine gemeinsame Vision geeinigt. Der Abschlussbericht, den die Beteiligten an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen übergeben haben, ist durchaus zukunftsweisend. Er atmet einen anderen Geist als die europaweiten Bauernproteste des vergangenen Winters, die darauffolgenden Debatten und politischen Reaktionen, bei denen es vor allem um den Abbau von Umweltstandards ging. Als Blaupause des Brüsseler Dialogs diente die deutsche Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL), die ihre Ergebnisse bereits 2021 präsentiert hatte. Beide kommen nun zu vergleichbaren Schlüssen. Und doch schlägt Brüssel bei manchen Themen einen anderen Ton an als Berlin: etwas entschiedener, mutiger.
“The time for change is now.” Was sich anhört wie ein Wahlkampfslogan, ist ein zentraler Satz dieses Kompromisses. Je länger agrarpolitische Weichenstellungen in Richtung Natur- und Klimaschutz verzögert werden, desto teurer wird es für die Gesellschaft, übrigens auch für die Landwirtschaft, etwa in Bezug auf degradierte Böden oder den Bestäuberschwund. Das sollte spätestens seit dem Klima-Urteil des Bundesverfassungsgerichts klar sein. Doch der Agrarsektor fordert gerne eine Sonderrolle ein.
Bemerkenswert ist die Einigung auf eine Reform der hektarbasierten Direktzahlungen. Damit fallen die derzeitigen Profiteure des Systems aus der Förderung heraus – insbesondere die größeren Ackerbaubetriebe, die auch ohne Subventionen profitabel sind.
Folgerichtig erkennt der Strategiedialog an, dass die Konkurrenz um öffentliche Gelder zunimmt, die Agrarbudgets also zunehmend unter Druck geraten. Es sei daher umso wichtiger, dass diese nicht nur auf Einkommensstützung und Lebensmittelproduktion, sondern gleichermaßen auf die Umweltziele einzahlen, so der Bericht. Es ist ein Wink in Richtung des kommenden mehrjährigen EU-Finanzrahmens. Dieser ist bereits Gegenstand einer lebhaften Debatte, die auch am Selbstverständnis der Gemeinsamen Agrarpolitik rüttelt.
Deutlich wird der Brüsseler Text auch, was den ordnungsrechtlichen Rahmen für die Landwirtschaft betrifft. Was eigentlich eine selbstverständliche Grundlage für sämtliche Wirtschaftsbereiche ist, gilt für die Landwirtschaft offenbar nur eingeschränkt: Das deutsche Landwirtschaftsgesetz stammt von 1955. Damals waren Klima- und Artenkrise kein Thema. Und selbst wenn etwas eigentlich gesetzlich vorgeschrieben ist, wie der integrierte Pflanzenschutz, so heißt das noch lange nicht, dass es auch umgesetzt wird.
Auch EU-Gesetze wie die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie werden nur unzureichend umgesetzt. Hier spricht der Strategiedialog eine klare Sprache: Erst müsse das Ordnungsrecht effektiv greifen – das schließt die Ausgestaltung der Regeln auf nationaler Ebene und den Vollzug auf Betriebsebene ein. Dann sollten Landwirte eine anständige Honorierung für erbrachte gesellschaftliche Leistungen erhalten. Modelle wie die Gemeinwohlprämie gibt es schon längst.
Der entscheidende Knackpunkt bleibt jedoch die politische Umsetzung. Bereits 2021 hatte die deutsche ZKL ihre Empfehlungen an Bundeskanzlerin Angela Merkel übergeben. Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner rührte den Bericht am Ende ihrer Amtszeit nicht mehr an, ihr Nachfolger Cem Özdemir ließ ihn in der Schublade verschwinden. Entscheidend für den Erfolg der aktuellen Agrar-Empfehlungen ist also der politische Mut der neuen EU-Kommission. Nach der verpassten Umsetzung der ZKL-Empfehlungen ist es eine zweite Chance, die Landwirtschaft im Konsens aller Beteiligten ökologisch wie wirtschaftlich krisenfest zu machen. Ursula von der Leyen ist daher gut beraten, aus dem einstigen Zögern der deutschen Politik zu lernen und diese Chance zu nutzen.
Jörg-Andreas Krüger ist Präsident des Naturschutzbunds Deutschland e.V. (NABU). Zuvor war Krüger sechs Jahre als Geschäftsführer “Ökologischer Fußabdruck” beim WWF tätig.