Table.Briefing: Agrifood

Exklusiv: BMEL-Anwärter Günther Felßner im Interview + Wie Trump und Mercosur zusammenhängen

Liebe Leserin, lieber Leser,

Unüblich früh schickt die CSU einen Kandidaten für das Bundeslandwirtschaftsministerium ins Rennen. Die Personalie Günther Felßner ist wohlüberlegt innerhalb der Union gefällt worden. Ende des Sommers sei Ministerpräsident Markus Söder (CSU) mit dem Vorschlag auf ihn zugekommen, sagte Bauernpräsident Felßner im Interview. Schon während der Bauernproteste nutzte er seinen Draht zur Union. “Wir haben uns damals mit der Union auf folgendes verständigt: Agrardiesel in Deutschland darf nicht teurer sein als der europäische Durchschnittspreis”, so Felßner weiter. Die Ankündigung, dass er im Falle eines Wahlsieges der Union Bundeslandwirtschaftsminister werden solle, hält der Bauernpräsident für ein politisches Signal für Deutschland. “Das ist eine klare Kampfansage an die radikalen Ränder.”

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Henrike Schirmacher
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Analyse

Günther Felßner: “Meine Kandidatur ist eine Kampfansage an die radikalen Ränder”

Warum kam die Ankündigung, dass Sie auf der CSU-Liste kandidieren wollen und die Bekanntgabe von Ihnen als Anwärter auf das Bundeslandwirtschaftsministerium unüblich früh?

Günther Felßner: Offen zu kommunizieren, was man vorhat, dafür ist es aus meiner Sicht nie zu früh. Vor allem, weil ich ein Quereinsteiger bin. Ich hätte es nicht gut gefunden, erst nach der Wahl, nachdem die Koalition verhandelt ist, aufs Tableau zu treten. Ich halte es für wichtig und richtig, dem Wähler gegenüber vorab zu sagen, was Sache ist. Im CSU-Parteivorstand ist Markus Söders Idee, mich zu nominieren, einstimmig, geradezu enthusiastisch beschlossen worden.

Wann hat Ihnen Ministerpräsident Markus Söder den Vorschlag gemacht?

Das war irgendwann am Ende des Sommers. Er fragte mich, ob ich mir das vorstellen könne. Ich wollte mir das in Ruhe überlegen. Damals ging ich noch davon aus, dass die Bundestagswahl erst in einem Jahr stattfinden würde. Weil die Ampelkoalition jetzt früher geplatzt ist, habe ich mich schneller entschieden und das wurde auch kommuniziert, um Klarheit zu schaffen.

Stehen Friedrich Merz und die CDU hinter Ihnen?

Es gibt keinen schriftlichen Vertrag, keine Garantie, dass es so läuft. Das erwarte ich auch nicht. Aber ich habe mündliche Zusagen und ich weiß auch, dass Markus Söder das innerhalb der Union abgesprochen hat. Deswegen ist es nicht nur die Entscheidung oder die Idee eines Markus Söder. Ich möchte Bundeslandwirtschaftsminister werden, wenn der Wähler uns dafür den Auftrag gibt.

“Es ist ein Zeichen an diejenigen, die sich benachteiligt fühlen”

Warum ist die Wahl ausgerechnet auf Sie gefallen?

Ein entscheidender Grund ist eine völlig unübliche, aber eigentlich naheliegende Sache. Ich habe eine fachliche Ausbildung in der Landwirtschaft, einen landwirtschaftlichen Betrieb, und auch jahrelange politische Erfahrung durch meine Tätigkeit im Verband und in der Lokalpolitik.

Der zweite Grund ist: Ich war einer der führenden Köpfe der Bauerndemos in Deutschland, die wir vor zehn Monaten erlebt haben. Die sind hervorragend gelaufen, haben breite Teile der Bevölkerung hinter sich gebracht. Am Schluss waren zum Beispiel auch Handwerker, Spediteure und der ganze Mittelstand dabei. Auch für die sind wir auf die Straße gegangen und auch für die habe ich gesprochen. Deswegen ist mein Angebot auch ein Zeichen an diejenigen, die sich benachteiligt fühlen, die vielleicht resigniert haben gegenüber der etablierten Politik und glauben, sie müssten aus Protest radikale Parteien wählen.

Was für ein Zeichen?

Ihr müsst nicht irgendwelche Parteien der Ränder oder Radikale wählen, um gehört zu werden. Einer von euch, einer von denen, die demonstriert haben, kann Minister werden, wenn ihr eine Partei in der demokratischen Mitte wählt. Das ist eine klare Kampfansage an die radikalen Ränder.

Wer protestiert, wer auf Probleme hinweist und echte Alternativen aufzeigt, kann in der Mitte mitwirken. Und das ist ein cleveres Zeichen, glaube ich. Das geht weit über die Agrarpolitik hinaus. Und das ist auch einer der Hauptgründe, warum ich mich entschieden habe, meine Bereitschaft zu erklären.

Nicht in allen Bevölkerungsgruppen wird die Wahl eines Bauernfunktionärs positiv aufgenommen. Die Süddeutsche Zeitung kommentiert Ihre Personalie als Anbiederung Söders an die Bauernschaft. Als Bundesminister für Landwirtschaft und Ernährung säßen Sie ohnehin zwischen den Stühlen verschiedener Interessengruppen. Wie wollen Sie damit umgehen? 

Diese Reaktion war erwartbar. Ich halte es aber insgesamt für schädlich, wenn man so urteilt, ohne sich mit mir und meiner Agenda zu beschäftigen. Das ist leider auch Teil unseres deutschen Problems.

Warum halten Sie diese durchaus nachvollziehbare Kritik, Sie seien als Bauernfunktionär womöglich voreingenommen, für schädlich?

Ohne meine politischen Ziele zu kennen, werde ich in eine Schublade gesteckt. Das führt zur Verschärfung der Debatte. Diese von vornherein negative Haltung ist ein Problem in unserer Gesellschaft. Ich habe eine Vision, wie sich Landwirtschaft weiterentwickeln und wie auf den Höfen künftig Einkommen gesichert werden kann. Ich würde mir wünschen, dass wir wieder ein Stück weit mehr Mut für die Zukunft haben und auch die Medien sagen: “Hey, da ist einer, der hat was vor. Schauen wir doch erst mal, was der vorschlägt, bevor wir beurteilen, ob es gut oder schlecht ist.”

“Wir brauchen ein starkes Budget für die EU-Agrarpolitik”

Also, gut. Die Verhandlungen zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik beginnen 2025. Aus der EU-Kommission sind bereits inoffizielle Vorschläge durchgesickert. Mit welcher Position würden Sie Deutschland vertreten wollen?

Eine Renationalisierung verschiedener Politikbereiche, die wir bereits begonnen haben, gemeinschaftlich zu organisieren, halte ich nicht für richtig. Wir tun gut daran, ein starkes Budget für die EU-Agrarpolitik zu erhalten und das auch im Haushalt zu benennen.

Mit dem kursierenden Vorschlag würde aber die strikte Zuordnung von Geldern für die ländliche Entwicklung und die Agrarpolitik aufgelöst. Darin sehe ich den Versuch, andere Politikfelder zu begünstigen, um Geld, das aktuell in die Landwirtschaft fließt, künftig beispielsweise für eine europäische Verteidigungsstrategie auszugeben. Das ist meine Vermutung, deswegen lehne ich es von vornherein schon ab, diese Zuordnung aufzulösen.

Wir brauchen mindestens mehr Geld, aber nicht weniger, wenn die Aufgaben im Klima- und Umweltschutz, in der Ernährung und in der Energieerzeugung größer werden.

Mittel- bis längerfristig werden Vergünstigungen, egal ob Verzicht auf angemessenen Tier- oder Umweltschutz oder etwa die Agrardieselbeihilfe, in Pachtverträge eingepreist. Lässt sich der Geldfluss überhaupt noch als Strukturhilfe für den ländlichen Raum rechtfertigen?

Daraus abzuleiten, die Flächenprämie müsse gesenkt werden, ist ein Trugschluss. Stellen Sie sich vor, man wolle hohen Mieten entgegenwirken, indem man weniger Lohn zahlt. Fakt ist, das Einkommen muss in der Landwirtschaft über die Fläche erwirtschaftet werden. Es ist je nach Betriebsform und Größe ein Zusammenspiel aus dem Erlös der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und eben der Einkommensstützung, die systemrelevant ist. Das gilt in Bayern vor allem für die bäuerliche Landwirtschaft und unsere Kulturlandschaft, die wir pflegen und erhalten wollen.

“Ernährungssicherheit ist eine öffentliche Leistung”

Dennoch: Das Geld ist knapp. Das zeigt die Haushaltslage, alle müssen sparen. Sind die milliardenschweren Subventionen für die Landwirtschaft noch zeitgemäß?

Ja, das hängt mit der Definition von öffentlichen Leistungen zusammen. Für mich gehört neben der finanziellen Förderung von Maßnahmen für Umweltschutz, auch finanzielle Förderung für Ernährungssicherheit, die Erzeugung von regenerativen Energien und die stoffliche Nutzung biogener Rohstoffe dazu. Innerhalb dieser vier Säulen müssen wir die Landwirtschaft zukunftsfähig aufstellen. Landwirte sichern unsere Ernährung. Das ist aus meiner Sicht definitiv eine öffentliche Leistung, dafür muss das Geld weiterhin fließen.

Mehr Klimaschutz ließe sich auch über eine Ernährungswende hin zu mehr pflanzlichen Produkten gestalten. Im Rahmen der “Planetary Health Diet” empfiehlt die Wissenschaft, den Fleischkonsum zu senken. In welchen Bereichen würden Sie ernährungspolitisch lenken wollen?

Ich vertrete einen freiheitlichen Ansatz und würde niemandem vorschreiben wollen, was er zu tun oder zu lassen, geschweige denn zu essen oder nicht zu essen, hat. Menschen müssen in die Lage versetzt werden, sich gesund zu ernähren. Dafür setze ich auf Forschung und Entwicklung und vor allem auf Bildung und Aufklärung.

“An der Besteuerung von Lebensmitteln will ich nichts ändern”

In der Diskussion ist, die Mehrwertsteuer auf Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte zu streichen oder den ermäßigten Steuersatz auf tierische Produkte anzuheben. Würden Sie an der Besteuerung von Lebensmitteln etwas ändern wollen?

Nein, es ist nicht nötig, eine ausgewogene Ernährung über eine Senkung oder Erhöhung von Steuersätzen zu fördern. Fleisch und Milch sind genauso gute Produkte und gehören zu einer ausgewogenen Ernährung dazu, wie Obst und Gemüse. Ob ein Büromensch nun mehr Gemüse isst oder ein Extremsportler mehr Fleisch, um seinen Proteinbedarf zu decken, bei einer ausgewogenen Ernährung kommt es immer auf die individuellen physiologischen Bedürfnisse eines Menschen an.

Tiere zu halten, schadet im Übrigen nicht dem Klima. Ihre Emissionen sind Teil des in sich geschlossenen biogenen Kohlenstoffkreislaufs.

Biogenes Methan führt zur Erwärmung in der Atmosphäre. Deswegen forscht die Wissenschaft doch daran, den Methanausstoß von Wiederkäuern über die Fütterung zu reduzieren.

Die Klimawirkung von Methan ist unbestritten. Aber die Tiere und die Tierhaltung können da nur eingeschränkt etwas dafür. Bei der Umsetzung pflanzlicher Stoffe entsteht Methan, egal, ob ein tierischer Magen zwischengeschaltet ist oder nicht. Wo Dinge positiv beeinflusst oder Prozesse optimiert werden können, müssen wir das tun. Nur das Feindbild Rinderhaltung ist falsch. Durch eine standortangepasste Rinderhaltung gelangt erstmal kein zusätzlicher Kohlenstoff in die Atmosphäre. Pflanzen binden Kohlenstoffdioxid, es entsteht Futter, das die Rinder in Fette und Proteine umwandeln. Über den Verzehr und die Menschen beginnt der Kreislauf von Neuem. Kurz gesagt: Ein Rind kann kein einziges Kohlenstoffatom zusätzlich produzieren oder in die Atmosphäre emittieren. Im Gegenteil: die Kuh hilft Wiesen und den darin gebundenen Kohlenstoff zu erhalten und macht als Wiederkäuer aus Gras Lebensmittel für uns Menschen.

“Ich will über eine Steuerfreistellung von Biodiesel sprechen”

Mit Blick auf Ihr Vier-Säulen-Konzept. Wo gibt es Handlungsbedarf im Bereich regenerativer Energien?

Ich würde gerne über eine Steuerfreistellung biogener Kraftstoffe, sprich Biodiesel, als Ergänzung zur Agrardieselrückerstattung diskutieren. Diese Technik und der Kraftstoff sind verfügbar und praxistauglich, Höfe könnten wettbewerbsfähig ihren eigenen Kraftstoff erzeugen, es entstehen regionale Kreisläufe und heimisches Eiweißfutter für unsere Tiere. Und last but not least, durch diese Vergünstigung entsteht auch ein positiver Effekt für das Klima.

Wer führt Ihren Betrieb, wenn Sie Politik machen? 

Da wird sich nicht viel ändern. Ich bin schon jetzt sehr selten zu Hause. Das ist auch einer der Gründe, warum wir unseren Betrieb vor Kurzem von Milchvieh auf Mastrinderhaltung umgestellt haben. Ein Mitarbeiter unterstützt meine Frau bei der Bewirtschaftung des Betriebs. Für die Erledigung der Außenwirtschaft habe ich einen Berufskollegen gefunden, der diese Arbeiten übernimmt.

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Handelsminister suchen gemeinsame Position zu Trump

Bei ihrem Treffen wollten sich die Handelsminister auf ein gemeinsames Vorgehen gegenüber der Trump-Administration einschwören. Sie machten klar, dass die EU kein Interesse an einem Handelskonflikt mit den USA habe. Dennoch blieb die Diskussion vage. Wirklich konkret dürfte es erst mit dem Start der Trump-Administration werden. Dann könnte die Diskussion über die EU-Reaktion auf Trump auch die Debatte über neue Freihandelsverträge vorantreiben.

Diffuse Einigkeit unter den Mitgliedstaaten

Auch wenn die EU Einigkeit zelebrieren will: Die gestrigen Äußerungen der Handelsminister zeigten, dass diese Einigkeit sich noch nicht in konkret geplanten Maßnahmen widerspiegelt. Die Minister der baltischen Staaten und Polens betonten vor der Sitzung, dass man auf die USA zugehen müsse und ihnen ein Angebot machen soll, insbesondere auch in Bezug auf die China-Politik. Der litauische Vizeminister Simonas Šatūnas sprach sich etwa dafür aus, mehr LNG aus den USA einzukaufen.

Die französische Handelsministerin Sophie Primas setzte den Akzent mehr auf die Stärke, die die EU gegenüber den USA zeigen müsse. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sagte, dass niemand ein Interesse an einem Handelskonflikt mit den USA haben könne, “aber sich in den Staub zu werfen wäre eben auch falsch”.

Kommission soll Kontakte in die Trump-Administration aufbauen

Wie mehrere EU-Diplomaten bestätigten, wurde die Diskussion zwischen den Handelsministern auch hinter verschlossenen Türen nicht viel konkreter. Die Kommission solle auf die USA zugehen und eine Verhandlungslösung suchen, aber auch bereit sein, auf neue Zölle zu reagieren, so der Tenor. “Schlussendlich wird das aber ein Thema für die Staats- und Regierungschefs sein”, sagte ein EU-Diplomat Table.Briefings. Das Thema sei politisch zu heikel, als dass dies auf Ministerebene entscheidend vorangebracht werden könne.

Richtig konkret wird die Diskussion wohl erst, wenn Trump im Amt ist und er die ersten Entscheidungen fällt. Bis dahin sei es jetzt an der Kommission, die Mitglieder der künftigen Trump-Administration kennenzulernen und eine gute Gesprächsbasis herzustellen, so ein EU-Diplomat. Es zweifelt aber kaum jemand daran, dass Trump sehr schnell nach seiner Amtsübernahme Zollmaßnahmen ergreifen wird.

Italien als Zünglein an der Mercosur-Waage

Schwierig gestaltet sich auch die Diskussion über das Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten. Noch haben sich nicht alle Mitgliedstaaten positioniert. Aber in Diplomatenkreisen geht man davon aus, dass ein Abschluss des Abkommens rein rechnerisch möglich wäre. Frankreich hat es bisher nicht geschafft, eine Sperrminorität gegen das Abkommen zu organisieren.

Italien dürfte dabei das Zünglein an der Waage spielen. Der italienische Agrarminister Francesco Lollobrigida hatte sich Anfang der Woche gegen das Mercosur-Abkommen in seiner aktuellen Version ausgesprochen. Außenminister Antonio Tajani relativierte diese Aussage jedoch. Italien sei grundsätzlich für das Abkommen, aber es gebe noch “offene Punkte”, die adressiert werden müssten.

Aufgrund der hochpolitischen Natur des Mercosur-Abkommens wird die Entscheidung im Rat wohl ebenfalls von den Staats- und Regierungschefs gefällt werden. Einige EU-Diplomaten äußerten die Hoffnung, dass die Trump-Zölle der EU helfen werden, umstrittene Freihandelsverträge wie jenen mit Mercosur endlich über die Ziellinie zu bringen. Vielleicht brauche es die wirtschaftliche Notlage eines Handelskonflikts, um genug politischen Druck für das Mercosur-Abkommen zu generieren.

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News

Personalie Felßner: Welche Probleme Politikwissenschaftler sehen

Den möglichen Wechsel des bayrischen Bauernpräsidenten Günther Felßner (CSU) vom Bauernverband ins Amt des Bundeslandwirtschaftsministers nach der Bundestagswahl sehen Politikwissenschaftler kritisch. Rechtlich sei dagegen zwar nichts einzuwenden, erklärt Maximilian Schiffers von der Universität Duisburg-Essen. Denn nur für Wechsel in die andere Richtung – also von Ministern oder Staatssekretären in die Wirtschaft – gebe es Vorschriften zu Karenzzeiten. Doch im Hinblick auf das Funktionieren der Demokratie sehe die Forschung in solchen Fällen Risiken.

“Es besteht die Gefahr, dass manche Verbände einen bevorzugten Zugang zur Politik haben – in diesem Fall der Bauernverband”, sagt Schiffers zu Table.Briefings. Ein Bauernpräsident habe lange Zeit klare und einseitige Interessen vertreten, führt auch Wiebke Marie Junk von der Universität Kopenhagen an. “Er hat ein starkes Netzwerk in der Landwirtschaft und könnte möglicherweise als Minister dazu neigen, alte Kollegen vorziehen, wenn es darum geht, ihnen politischen Zugang zu Entscheidungen zu verschaffen.” Dem Argument, Felßner bringe durch seinen Werdegang Praxiswissen und Kontakte in der Branche mit, hält sie entgegen, ein Minister müsse verschiedenste Interessen berücksichtigen. Im Falle des Agrarministers etwa auch Umwelt- und Klimaanliegen.

“Söder will sich mit Nominierung gegen FW und AfD durchsetzen”

Aus Sicht beider Wissenschaftler ist der Fall vergleichbar mit der Kontroverse um Jennifer Morgan, die 2022 aus der Leitung von Greenpeace International als Staatssekretärin ins Auswärtige Amt wechselte. Morgan habe seitdem besonders darauf geachtet, zu NGOs kritische Distanz zu halten, um sich keine Vorwürfe einer unverhältnismäßigen Nähe einzuhandeln, so Schiffers. Solche Abwägungen seien letztlich aber vor allem Sache des persönlichen Gewissens. Denn Kontrollmaßnahmen wie Lobbyregister deckten nur offizielle Treffen mit Interessenvertretern ab, persönliche Kontakte “auf dem kleinen Dienstweg” dagegen nicht, erklärt er.

Dass Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) Felßner schon im Vorfeld der Wahl zum Anwärter auf das BMEL erklärt, deutet Schiffers als Versuch, sich durch die Nominierung eines Bauernvertreters bei ländlichen Wählern gegen Freie Wähler und AfD durchzusetzen. Gleichzeitig sende er damit das Signal, ein Gegenmodell zum derzeitigen grünen Bundesminister Cem Özdemir bieten zu wollen. Aus Sorge um den Wahlerfolg seiner Partei nehme der CSU-Politiker dafür in Kauf, in den Koalitionsverhandlungen weniger Spielraum zu haben: “In je mehr Fragen Söder sich vorab festlegt, desto weniger Verhandlungsmasse hat er.” jd

  • Günther Felßner

Keine Einigung zur EUDR: Wie es jetzt weitergeht

Im Streit darüber, ob die EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) nur verschoben oder auch inhaltlich geändert werden soll, haben EU-Parlament und Rat am Donnerstag keinen Kompromiss gefunden. Die nächste Verhandlungsrunde ist derzeit für den 3. Dezember 2024 geplant. Endet sie mit einer Einigung, könnte das Gesetz zum Aufschub noch knapp vor dem ursprünglich angesetzten Anwendungsstart am 30. Dezember verabschiedet werden. Gelingt das nicht, würden die neuen Regeln bereits dann greifen – das wollen weder Rat noch Parlament.

Gut informierten Kreisen zufolge hatten die Mitgliedstaaten und die EU-Kommission – die den Verhandlungen beisitzt, einer Einigung aber nicht zustimmen muss – darauf gedrängt, die reine Verschiebung um ein Jahr zu beschließen. Im Gegenzug boten sie dem Vernehmen nach politische Zusagen an, im Rahmen der Umsetzung sowie einer ohnehin geplanten, künftigen Überprüfung der Richtlinie die Forderungen des Parlaments in den Blick zu nehmen. Berichterstatterin Christine Schneider (EVP) reichte das offenbar nicht. Sie warf dem Rat vor, sich “völlig jeglichen inhaltlichen Verhandlungen” zu verweigern. Bis Anfang Dezember sei nun Zeit, “eine vernünftige Lösung zu finden”.

Große Mehrheit im Rat gegen Änderung

Dass der Rat sich darauf einlässt, die Änderungen des Parlaments in den Text aufzunehmen, scheint allerdings sehr unwahrscheinlich. Gegen dessen Forderung, eine zusätzliche Kategorie für Erzeugerländer “ohne Entwaldungsrisiko” mit deutlich gelockerten Anforderungen einzuführen, haben zahlreiche EU-Länder große Vorbehalte. Etwa, dass eine solche Regelung nicht WTO-konform wäre, Schlupflöcher entstünden, die die Wirksamkeit der Verordnung beeinträchtigen, oder die Zeit zu knapp sei, um die Neuerung rechtssicher vorzubereiten.

Fast einstimmig hatten sich die Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten am Mittwoch dafür ausgesprochen, es beim reinen Aufschub zu belassen. Im Parlament steht eine Mehrheit aus EVP, den rechten Parteien und manchen Liberalen hinter der geforderten Änderung, scharfe Kritik kommt dagegen von Sozialdemokraten und Grünen. jd

  • Anti-Entwaldung
  • Entwaldung
  • EUDR
  • Europäisches Parlament
  • Lieferketten
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Neue Kommission: Parlament nominiert alle 26 Kommissare

Die jeweils zuständigen Abgeordneten haben am Mittwochabend mit der nötigen Zweidrittelmehrheit nach längeren Verhandlungen den Gesundheits- und Tierwohlkommissar Olivér Várhelyi sowie die sechs Exekutiv-Vizepräsidenten der neuen EU-Kommission nominiert. Darunter auch den Italiener Raffaele Fitto von Giorgia Melonis Partei Brüder Italiens, der als Vizepräsident für Kohäsion auch die Arbeit von Agrarkommissar Christophe Hansen beaufsichtigen wird, sowie die Spanierin Teresa Ribera (S&D) als Vizepräsidentin für Wettbewerbsfähigkeit und grünen Wandel.

Kleinere Änderungen gab es noch im Portfolio Várhelyi: Er ist nicht mehr für sexuelle und reproduktive Gesundheit zuständig, die Zuständigkeiten für Tierwohl und Lebensmittelsicherheit behält er aber. Damit sind alle 26 Kommissare vom Parlament nominiert und die Anhörungen abgeschlossen. Am Mittwoch (27. November 2024) soll das Plenum in Straßburg über die gesamte neue Kommission abstimmen. Sie braucht dort die absolute Mehrheit der Stimmen.

Landwirtschaft als “strategischer Sektor”

Grundlage der Einigung zwischen Christdemokraten (EVP), Sozialdemokraten (S&D) und Liberalen (Renew) auf die Kommissare ist eine zwei Seiten lange Erklärung der Fraktionschefs. In dem Papier, das Table.Briefings vorliegt, bekräftigen die drei proeuropäischen Fraktionen, in der Wahlperiode zusammenzuarbeiten und Reformen in neun Politikfeldern voranzubringen. Die Erklärung ist recht allgemein gehalten und nicht mit einem Koalitionsvertrag etwa in Deutschland zu vergleichen. Zur Landwirtschaft heißt es lediglich, sie bleibe “ein strategischer Sektor für die EU”, den man weiter fördern und verteidigen werde.

Die nationalkonservative EKR und die Grünen sind nicht Teil der Vereinbarung. EVP-Fraktionschef Weber war dem Vernehmen nach nicht bereit, die Grünen in die Gespräche einzubinden. Darüber, ob eine Zusammenarbeit mit der EKR in der Parlamentsarbeit akzeptabel ist, sind sich EVP und S&D weiter nicht einig. Die EVP hatte zuletzt bei der EU-Anti-Entwaldungsverordnung (EUDR) Änderungsanträge mithilfe der rechten Fraktionen durchgesetzt. tho, mgr, jd

  • Anti-Entwaldung
  • Christophe Hansen
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  • Europäisches Parlament
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Presseschau

Tagesschau: DGE-Ernährungsbericht sieht Verbesserungsbedarf trotz gesünderer Ernährungsgewohnheiten. Der Fleischkonsum in Deutschland ist rückläufig, der Pro-Kopf-Verzehr von Gemüse steigt. Zu diesem Ergebnis kommt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) in ihrem 15. Ernährungsbericht. In dem am Mittwoch veröffentlichten Papier verzeichnen die Autoren zwar eine positive Entwicklung hin zu gesünderer Kost, sprechen aber auch von Verbesserungsbedarf. So liege der Verzehr von Gemüse weiterhin deutlich unter dem, was die DGE empfiehlt, der von Fleisch hingegen deutlich darüber. (“Deutsche essen gesünder und umweltbewusster”)

Guardian: Britische Bauern demonstrieren gegen Erbschaftssteuer. Mehr als 13.000 Landwirte haben in London gegen die von der britischen Labour-Regierung angekündigten Änderungen der Erbschaftsteuer für landwirtschaftliche Betriebe demonstriert. Die Steuer würde ihre Höfe ruinieren, warnten die protestierenden Landwirte. (“A way of life’: farmers in Westminster express fears for their futures”)

Reuters: Brasilien und China vertiefen Kooperation. US-Agrarexporteure mussten im vergangenen Jahr aufgrund von Handelskonflikten einen erheblichen Rückgang ihrer Geschäfte mit China hinnehmen. Nun bringt sich Brasilien in Stellung. Das südamerikanische Land ist dabei, seine Agrarhandelsbeziehungen mit China zu stärken, um von möglichen höheren Zöllen zwischen den USA und China nach der Regierungsübernahme durch Donald Trump zu profitieren. (“US agriculture in crosshairs as Brazil and China cozy up”)

Euractiv: EU plant Handelssanktionen gegen USA im Oliven-Streit. Die EU plant, Handelssanktionen gegen die USA zu verhängen. Hintergrund ist ein langjähriger Streit über US-Zölle auf spanische Oliven, die gegen internationale Handelsregeln verstoßen. Washington hatte 2018 Ausgleichs- und Antidumpingzölle auf spanische Oliven eingeführt und argumentiert, dass EU-Subventionen spanische Produzenten übermäßig begünstigten. (“EU plant Sanktionen gegen USA wegen Olivenzöllen”)

Euractiv: China-Reise gegen Cognaczölle. Frankreichs Premierminister Michel Barnier wird Anfang 2025 nach China reisen, um sich für die Aufhebung der Importzölle auf französische Spirituosen einzusetzen. Unter anderem Cognac und Armagnac unterliegen seit einem Monat chinesischen Antidumpingmaßnahmen und Zöllen, die als Reaktion auf die Entscheidung der Europäischen Kommission eingeführt wurden, Zölle auf chinesische Elektrofahrzeuge zu erheben. (“Frankreichs Premier reist nach China wegen Strafzöllen auf französischen Alkohol”)

Top Agrar: Ausbeutung auf niederländischen Höfen. In der niederländischen Agrarwirtschaft werden ausländische Zeitarbeiter nach wie vor teilweise gesetzeswidrig beschäftigt. Das ergab eine Untersuchung der niederländischen Arbeitsaufsichtsbehörde. Es gehe dabei um Unterbezahlung, fehlerhafte Zeiterfassung und unversicherte Arbeit. (“Niederländischer Agrarsektor beschäftigt illegale Arbeiter”)

Der Westallgäuer: Hochland trennt sich von langjährigem CEO. Nach fast zwölf Jahren gehen Peter Stahl, der bisherige Vorstandsvorsitzende von Hochland, und das Unternehmen getrennte Wege. Die Entscheidung beruhe auf “zuletzt unterschiedlichen Auffassungen im Führungsverständnis” teilte das Unternehmen mit und sei einvernehmlich getroffen worden. (“Hochland und sein langjähriger CEO gehen getrennte Wege”)

Lebensmittelzeitung: Krombacher kündigt größtes Investitionsvorhaben der Unternehmensgeschichte an. Die Krombacher Brauerei plant, in den nächsten sechs Jahren mehr als 100 Millionen Euro in die Modernisierung ihrer Abfüllanlagen zu investieren. Laut des Konzerns handele es sich um das größte Investitionsvorhaben der Unternehmensgeschichte. Die Arbeiten werden während des laufenden Betriebs durchgeführt. Das gesamte Projekt soll bis 2030 abgeschlossen sein. (“Krombacher modernisiert Abfüllung”)

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Mehr von Table.Media

Europe.Table: CSRD: Deutsche Umsetzung verzögert sich weiter

Bis spätestens kommende Woche muss die Bundesregierung gegenüber der EU-Kommission beantworten, warum es mit der deutschen Umsetzung der CSRD noch dauern wird. SPD und Grüne haben sich inzwischen auf Änderungen am CSRD-Entwurf geeinigt. Um die Änderungsvorschläge durch den Bundestag zu bringen, brauchen die beiden Parteien jedoch Unterstützung einer weiteren Fraktion. Eine schnelle Zustimmung der Union gilt als unwahrscheinlich. Der Vorschlag sei unnötig bürokratisch und zwinge der Wirtschaft eine “unverhältnismäßige Belastung” auf, heißt es von dort. Ob das Gesetz noch vor der Bundestagswahl verabschiedet werden kann, ist unklar. Die Umsetzungsfrist ist schon im Juli abgelaufen. Zur Analyse

Agrifood.Table Redaktion

AGRIFOOD.TABLE REDAKTION

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    Unüblich früh schickt die CSU einen Kandidaten für das Bundeslandwirtschaftsministerium ins Rennen. Die Personalie Günther Felßner ist wohlüberlegt innerhalb der Union gefällt worden. Ende des Sommers sei Ministerpräsident Markus Söder (CSU) mit dem Vorschlag auf ihn zugekommen, sagte Bauernpräsident Felßner im Interview. Schon während der Bauernproteste nutzte er seinen Draht zur Union. “Wir haben uns damals mit der Union auf folgendes verständigt: Agrardiesel in Deutschland darf nicht teurer sein als der europäische Durchschnittspreis”, so Felßner weiter. Die Ankündigung, dass er im Falle eines Wahlsieges der Union Bundeslandwirtschaftsminister werden solle, hält der Bauernpräsident für ein politisches Signal für Deutschland. “Das ist eine klare Kampfansage an die radikalen Ränder.”

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    Ihre
    Henrike Schirmacher
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    Günther Felßner: “Meine Kandidatur ist eine Kampfansage an die radikalen Ränder”

    Warum kam die Ankündigung, dass Sie auf der CSU-Liste kandidieren wollen und die Bekanntgabe von Ihnen als Anwärter auf das Bundeslandwirtschaftsministerium unüblich früh?

    Günther Felßner: Offen zu kommunizieren, was man vorhat, dafür ist es aus meiner Sicht nie zu früh. Vor allem, weil ich ein Quereinsteiger bin. Ich hätte es nicht gut gefunden, erst nach der Wahl, nachdem die Koalition verhandelt ist, aufs Tableau zu treten. Ich halte es für wichtig und richtig, dem Wähler gegenüber vorab zu sagen, was Sache ist. Im CSU-Parteivorstand ist Markus Söders Idee, mich zu nominieren, einstimmig, geradezu enthusiastisch beschlossen worden.

    Wann hat Ihnen Ministerpräsident Markus Söder den Vorschlag gemacht?

    Das war irgendwann am Ende des Sommers. Er fragte mich, ob ich mir das vorstellen könne. Ich wollte mir das in Ruhe überlegen. Damals ging ich noch davon aus, dass die Bundestagswahl erst in einem Jahr stattfinden würde. Weil die Ampelkoalition jetzt früher geplatzt ist, habe ich mich schneller entschieden und das wurde auch kommuniziert, um Klarheit zu schaffen.

    Stehen Friedrich Merz und die CDU hinter Ihnen?

    Es gibt keinen schriftlichen Vertrag, keine Garantie, dass es so läuft. Das erwarte ich auch nicht. Aber ich habe mündliche Zusagen und ich weiß auch, dass Markus Söder das innerhalb der Union abgesprochen hat. Deswegen ist es nicht nur die Entscheidung oder die Idee eines Markus Söder. Ich möchte Bundeslandwirtschaftsminister werden, wenn der Wähler uns dafür den Auftrag gibt.

    “Es ist ein Zeichen an diejenigen, die sich benachteiligt fühlen”

    Warum ist die Wahl ausgerechnet auf Sie gefallen?

    Ein entscheidender Grund ist eine völlig unübliche, aber eigentlich naheliegende Sache. Ich habe eine fachliche Ausbildung in der Landwirtschaft, einen landwirtschaftlichen Betrieb, und auch jahrelange politische Erfahrung durch meine Tätigkeit im Verband und in der Lokalpolitik.

    Der zweite Grund ist: Ich war einer der führenden Köpfe der Bauerndemos in Deutschland, die wir vor zehn Monaten erlebt haben. Die sind hervorragend gelaufen, haben breite Teile der Bevölkerung hinter sich gebracht. Am Schluss waren zum Beispiel auch Handwerker, Spediteure und der ganze Mittelstand dabei. Auch für die sind wir auf die Straße gegangen und auch für die habe ich gesprochen. Deswegen ist mein Angebot auch ein Zeichen an diejenigen, die sich benachteiligt fühlen, die vielleicht resigniert haben gegenüber der etablierten Politik und glauben, sie müssten aus Protest radikale Parteien wählen.

    Was für ein Zeichen?

    Ihr müsst nicht irgendwelche Parteien der Ränder oder Radikale wählen, um gehört zu werden. Einer von euch, einer von denen, die demonstriert haben, kann Minister werden, wenn ihr eine Partei in der demokratischen Mitte wählt. Das ist eine klare Kampfansage an die radikalen Ränder.

    Wer protestiert, wer auf Probleme hinweist und echte Alternativen aufzeigt, kann in der Mitte mitwirken. Und das ist ein cleveres Zeichen, glaube ich. Das geht weit über die Agrarpolitik hinaus. Und das ist auch einer der Hauptgründe, warum ich mich entschieden habe, meine Bereitschaft zu erklären.

    Nicht in allen Bevölkerungsgruppen wird die Wahl eines Bauernfunktionärs positiv aufgenommen. Die Süddeutsche Zeitung kommentiert Ihre Personalie als Anbiederung Söders an die Bauernschaft. Als Bundesminister für Landwirtschaft und Ernährung säßen Sie ohnehin zwischen den Stühlen verschiedener Interessengruppen. Wie wollen Sie damit umgehen? 

    Diese Reaktion war erwartbar. Ich halte es aber insgesamt für schädlich, wenn man so urteilt, ohne sich mit mir und meiner Agenda zu beschäftigen. Das ist leider auch Teil unseres deutschen Problems.

    Warum halten Sie diese durchaus nachvollziehbare Kritik, Sie seien als Bauernfunktionär womöglich voreingenommen, für schädlich?

    Ohne meine politischen Ziele zu kennen, werde ich in eine Schublade gesteckt. Das führt zur Verschärfung der Debatte. Diese von vornherein negative Haltung ist ein Problem in unserer Gesellschaft. Ich habe eine Vision, wie sich Landwirtschaft weiterentwickeln und wie auf den Höfen künftig Einkommen gesichert werden kann. Ich würde mir wünschen, dass wir wieder ein Stück weit mehr Mut für die Zukunft haben und auch die Medien sagen: “Hey, da ist einer, der hat was vor. Schauen wir doch erst mal, was der vorschlägt, bevor wir beurteilen, ob es gut oder schlecht ist.”

    “Wir brauchen ein starkes Budget für die EU-Agrarpolitik”

    Also, gut. Die Verhandlungen zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik beginnen 2025. Aus der EU-Kommission sind bereits inoffizielle Vorschläge durchgesickert. Mit welcher Position würden Sie Deutschland vertreten wollen?

    Eine Renationalisierung verschiedener Politikbereiche, die wir bereits begonnen haben, gemeinschaftlich zu organisieren, halte ich nicht für richtig. Wir tun gut daran, ein starkes Budget für die EU-Agrarpolitik zu erhalten und das auch im Haushalt zu benennen.

    Mit dem kursierenden Vorschlag würde aber die strikte Zuordnung von Geldern für die ländliche Entwicklung und die Agrarpolitik aufgelöst. Darin sehe ich den Versuch, andere Politikfelder zu begünstigen, um Geld, das aktuell in die Landwirtschaft fließt, künftig beispielsweise für eine europäische Verteidigungsstrategie auszugeben. Das ist meine Vermutung, deswegen lehne ich es von vornherein schon ab, diese Zuordnung aufzulösen.

    Wir brauchen mindestens mehr Geld, aber nicht weniger, wenn die Aufgaben im Klima- und Umweltschutz, in der Ernährung und in der Energieerzeugung größer werden.

    Mittel- bis längerfristig werden Vergünstigungen, egal ob Verzicht auf angemessenen Tier- oder Umweltschutz oder etwa die Agrardieselbeihilfe, in Pachtverträge eingepreist. Lässt sich der Geldfluss überhaupt noch als Strukturhilfe für den ländlichen Raum rechtfertigen?

    Daraus abzuleiten, die Flächenprämie müsse gesenkt werden, ist ein Trugschluss. Stellen Sie sich vor, man wolle hohen Mieten entgegenwirken, indem man weniger Lohn zahlt. Fakt ist, das Einkommen muss in der Landwirtschaft über die Fläche erwirtschaftet werden. Es ist je nach Betriebsform und Größe ein Zusammenspiel aus dem Erlös der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und eben der Einkommensstützung, die systemrelevant ist. Das gilt in Bayern vor allem für die bäuerliche Landwirtschaft und unsere Kulturlandschaft, die wir pflegen und erhalten wollen.

    “Ernährungssicherheit ist eine öffentliche Leistung”

    Dennoch: Das Geld ist knapp. Das zeigt die Haushaltslage, alle müssen sparen. Sind die milliardenschweren Subventionen für die Landwirtschaft noch zeitgemäß?

    Ja, das hängt mit der Definition von öffentlichen Leistungen zusammen. Für mich gehört neben der finanziellen Förderung von Maßnahmen für Umweltschutz, auch finanzielle Förderung für Ernährungssicherheit, die Erzeugung von regenerativen Energien und die stoffliche Nutzung biogener Rohstoffe dazu. Innerhalb dieser vier Säulen müssen wir die Landwirtschaft zukunftsfähig aufstellen. Landwirte sichern unsere Ernährung. Das ist aus meiner Sicht definitiv eine öffentliche Leistung, dafür muss das Geld weiterhin fließen.

    Mehr Klimaschutz ließe sich auch über eine Ernährungswende hin zu mehr pflanzlichen Produkten gestalten. Im Rahmen der “Planetary Health Diet” empfiehlt die Wissenschaft, den Fleischkonsum zu senken. In welchen Bereichen würden Sie ernährungspolitisch lenken wollen?

    Ich vertrete einen freiheitlichen Ansatz und würde niemandem vorschreiben wollen, was er zu tun oder zu lassen, geschweige denn zu essen oder nicht zu essen, hat. Menschen müssen in die Lage versetzt werden, sich gesund zu ernähren. Dafür setze ich auf Forschung und Entwicklung und vor allem auf Bildung und Aufklärung.

    “An der Besteuerung von Lebensmitteln will ich nichts ändern”

    In der Diskussion ist, die Mehrwertsteuer auf Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte zu streichen oder den ermäßigten Steuersatz auf tierische Produkte anzuheben. Würden Sie an der Besteuerung von Lebensmitteln etwas ändern wollen?

    Nein, es ist nicht nötig, eine ausgewogene Ernährung über eine Senkung oder Erhöhung von Steuersätzen zu fördern. Fleisch und Milch sind genauso gute Produkte und gehören zu einer ausgewogenen Ernährung dazu, wie Obst und Gemüse. Ob ein Büromensch nun mehr Gemüse isst oder ein Extremsportler mehr Fleisch, um seinen Proteinbedarf zu decken, bei einer ausgewogenen Ernährung kommt es immer auf die individuellen physiologischen Bedürfnisse eines Menschen an.

    Tiere zu halten, schadet im Übrigen nicht dem Klima. Ihre Emissionen sind Teil des in sich geschlossenen biogenen Kohlenstoffkreislaufs.

    Biogenes Methan führt zur Erwärmung in der Atmosphäre. Deswegen forscht die Wissenschaft doch daran, den Methanausstoß von Wiederkäuern über die Fütterung zu reduzieren.

    Die Klimawirkung von Methan ist unbestritten. Aber die Tiere und die Tierhaltung können da nur eingeschränkt etwas dafür. Bei der Umsetzung pflanzlicher Stoffe entsteht Methan, egal, ob ein tierischer Magen zwischengeschaltet ist oder nicht. Wo Dinge positiv beeinflusst oder Prozesse optimiert werden können, müssen wir das tun. Nur das Feindbild Rinderhaltung ist falsch. Durch eine standortangepasste Rinderhaltung gelangt erstmal kein zusätzlicher Kohlenstoff in die Atmosphäre. Pflanzen binden Kohlenstoffdioxid, es entsteht Futter, das die Rinder in Fette und Proteine umwandeln. Über den Verzehr und die Menschen beginnt der Kreislauf von Neuem. Kurz gesagt: Ein Rind kann kein einziges Kohlenstoffatom zusätzlich produzieren oder in die Atmosphäre emittieren. Im Gegenteil: die Kuh hilft Wiesen und den darin gebundenen Kohlenstoff zu erhalten und macht als Wiederkäuer aus Gras Lebensmittel für uns Menschen.

    “Ich will über eine Steuerfreistellung von Biodiesel sprechen”

    Mit Blick auf Ihr Vier-Säulen-Konzept. Wo gibt es Handlungsbedarf im Bereich regenerativer Energien?

    Ich würde gerne über eine Steuerfreistellung biogener Kraftstoffe, sprich Biodiesel, als Ergänzung zur Agrardieselrückerstattung diskutieren. Diese Technik und der Kraftstoff sind verfügbar und praxistauglich, Höfe könnten wettbewerbsfähig ihren eigenen Kraftstoff erzeugen, es entstehen regionale Kreisläufe und heimisches Eiweißfutter für unsere Tiere. Und last but not least, durch diese Vergünstigung entsteht auch ein positiver Effekt für das Klima.

    Wer führt Ihren Betrieb, wenn Sie Politik machen? 

    Da wird sich nicht viel ändern. Ich bin schon jetzt sehr selten zu Hause. Das ist auch einer der Gründe, warum wir unseren Betrieb vor Kurzem von Milchvieh auf Mastrinderhaltung umgestellt haben. Ein Mitarbeiter unterstützt meine Frau bei der Bewirtschaftung des Betriebs. Für die Erledigung der Außenwirtschaft habe ich einen Berufskollegen gefunden, der diese Arbeiten übernimmt.

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    Handelsminister suchen gemeinsame Position zu Trump

    Bei ihrem Treffen wollten sich die Handelsminister auf ein gemeinsames Vorgehen gegenüber der Trump-Administration einschwören. Sie machten klar, dass die EU kein Interesse an einem Handelskonflikt mit den USA habe. Dennoch blieb die Diskussion vage. Wirklich konkret dürfte es erst mit dem Start der Trump-Administration werden. Dann könnte die Diskussion über die EU-Reaktion auf Trump auch die Debatte über neue Freihandelsverträge vorantreiben.

    Diffuse Einigkeit unter den Mitgliedstaaten

    Auch wenn die EU Einigkeit zelebrieren will: Die gestrigen Äußerungen der Handelsminister zeigten, dass diese Einigkeit sich noch nicht in konkret geplanten Maßnahmen widerspiegelt. Die Minister der baltischen Staaten und Polens betonten vor der Sitzung, dass man auf die USA zugehen müsse und ihnen ein Angebot machen soll, insbesondere auch in Bezug auf die China-Politik. Der litauische Vizeminister Simonas Šatūnas sprach sich etwa dafür aus, mehr LNG aus den USA einzukaufen.

    Die französische Handelsministerin Sophie Primas setzte den Akzent mehr auf die Stärke, die die EU gegenüber den USA zeigen müsse. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sagte, dass niemand ein Interesse an einem Handelskonflikt mit den USA haben könne, “aber sich in den Staub zu werfen wäre eben auch falsch”.

    Kommission soll Kontakte in die Trump-Administration aufbauen

    Wie mehrere EU-Diplomaten bestätigten, wurde die Diskussion zwischen den Handelsministern auch hinter verschlossenen Türen nicht viel konkreter. Die Kommission solle auf die USA zugehen und eine Verhandlungslösung suchen, aber auch bereit sein, auf neue Zölle zu reagieren, so der Tenor. “Schlussendlich wird das aber ein Thema für die Staats- und Regierungschefs sein”, sagte ein EU-Diplomat Table.Briefings. Das Thema sei politisch zu heikel, als dass dies auf Ministerebene entscheidend vorangebracht werden könne.

    Richtig konkret wird die Diskussion wohl erst, wenn Trump im Amt ist und er die ersten Entscheidungen fällt. Bis dahin sei es jetzt an der Kommission, die Mitglieder der künftigen Trump-Administration kennenzulernen und eine gute Gesprächsbasis herzustellen, so ein EU-Diplomat. Es zweifelt aber kaum jemand daran, dass Trump sehr schnell nach seiner Amtsübernahme Zollmaßnahmen ergreifen wird.

    Italien als Zünglein an der Mercosur-Waage

    Schwierig gestaltet sich auch die Diskussion über das Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten. Noch haben sich nicht alle Mitgliedstaaten positioniert. Aber in Diplomatenkreisen geht man davon aus, dass ein Abschluss des Abkommens rein rechnerisch möglich wäre. Frankreich hat es bisher nicht geschafft, eine Sperrminorität gegen das Abkommen zu organisieren.

    Italien dürfte dabei das Zünglein an der Waage spielen. Der italienische Agrarminister Francesco Lollobrigida hatte sich Anfang der Woche gegen das Mercosur-Abkommen in seiner aktuellen Version ausgesprochen. Außenminister Antonio Tajani relativierte diese Aussage jedoch. Italien sei grundsätzlich für das Abkommen, aber es gebe noch “offene Punkte”, die adressiert werden müssten.

    Aufgrund der hochpolitischen Natur des Mercosur-Abkommens wird die Entscheidung im Rat wohl ebenfalls von den Staats- und Regierungschefs gefällt werden. Einige EU-Diplomaten äußerten die Hoffnung, dass die Trump-Zölle der EU helfen werden, umstrittene Freihandelsverträge wie jenen mit Mercosur endlich über die Ziellinie zu bringen. Vielleicht brauche es die wirtschaftliche Notlage eines Handelskonflikts, um genug politischen Druck für das Mercosur-Abkommen zu generieren.

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    News

    Personalie Felßner: Welche Probleme Politikwissenschaftler sehen

    Den möglichen Wechsel des bayrischen Bauernpräsidenten Günther Felßner (CSU) vom Bauernverband ins Amt des Bundeslandwirtschaftsministers nach der Bundestagswahl sehen Politikwissenschaftler kritisch. Rechtlich sei dagegen zwar nichts einzuwenden, erklärt Maximilian Schiffers von der Universität Duisburg-Essen. Denn nur für Wechsel in die andere Richtung – also von Ministern oder Staatssekretären in die Wirtschaft – gebe es Vorschriften zu Karenzzeiten. Doch im Hinblick auf das Funktionieren der Demokratie sehe die Forschung in solchen Fällen Risiken.

    “Es besteht die Gefahr, dass manche Verbände einen bevorzugten Zugang zur Politik haben – in diesem Fall der Bauernverband”, sagt Schiffers zu Table.Briefings. Ein Bauernpräsident habe lange Zeit klare und einseitige Interessen vertreten, führt auch Wiebke Marie Junk von der Universität Kopenhagen an. “Er hat ein starkes Netzwerk in der Landwirtschaft und könnte möglicherweise als Minister dazu neigen, alte Kollegen vorziehen, wenn es darum geht, ihnen politischen Zugang zu Entscheidungen zu verschaffen.” Dem Argument, Felßner bringe durch seinen Werdegang Praxiswissen und Kontakte in der Branche mit, hält sie entgegen, ein Minister müsse verschiedenste Interessen berücksichtigen. Im Falle des Agrarministers etwa auch Umwelt- und Klimaanliegen.

    “Söder will sich mit Nominierung gegen FW und AfD durchsetzen”

    Aus Sicht beider Wissenschaftler ist der Fall vergleichbar mit der Kontroverse um Jennifer Morgan, die 2022 aus der Leitung von Greenpeace International als Staatssekretärin ins Auswärtige Amt wechselte. Morgan habe seitdem besonders darauf geachtet, zu NGOs kritische Distanz zu halten, um sich keine Vorwürfe einer unverhältnismäßigen Nähe einzuhandeln, so Schiffers. Solche Abwägungen seien letztlich aber vor allem Sache des persönlichen Gewissens. Denn Kontrollmaßnahmen wie Lobbyregister deckten nur offizielle Treffen mit Interessenvertretern ab, persönliche Kontakte “auf dem kleinen Dienstweg” dagegen nicht, erklärt er.

    Dass Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) Felßner schon im Vorfeld der Wahl zum Anwärter auf das BMEL erklärt, deutet Schiffers als Versuch, sich durch die Nominierung eines Bauernvertreters bei ländlichen Wählern gegen Freie Wähler und AfD durchzusetzen. Gleichzeitig sende er damit das Signal, ein Gegenmodell zum derzeitigen grünen Bundesminister Cem Özdemir bieten zu wollen. Aus Sorge um den Wahlerfolg seiner Partei nehme der CSU-Politiker dafür in Kauf, in den Koalitionsverhandlungen weniger Spielraum zu haben: “In je mehr Fragen Söder sich vorab festlegt, desto weniger Verhandlungsmasse hat er.” jd

    • Günther Felßner

    Keine Einigung zur EUDR: Wie es jetzt weitergeht

    Im Streit darüber, ob die EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) nur verschoben oder auch inhaltlich geändert werden soll, haben EU-Parlament und Rat am Donnerstag keinen Kompromiss gefunden. Die nächste Verhandlungsrunde ist derzeit für den 3. Dezember 2024 geplant. Endet sie mit einer Einigung, könnte das Gesetz zum Aufschub noch knapp vor dem ursprünglich angesetzten Anwendungsstart am 30. Dezember verabschiedet werden. Gelingt das nicht, würden die neuen Regeln bereits dann greifen – das wollen weder Rat noch Parlament.

    Gut informierten Kreisen zufolge hatten die Mitgliedstaaten und die EU-Kommission – die den Verhandlungen beisitzt, einer Einigung aber nicht zustimmen muss – darauf gedrängt, die reine Verschiebung um ein Jahr zu beschließen. Im Gegenzug boten sie dem Vernehmen nach politische Zusagen an, im Rahmen der Umsetzung sowie einer ohnehin geplanten, künftigen Überprüfung der Richtlinie die Forderungen des Parlaments in den Blick zu nehmen. Berichterstatterin Christine Schneider (EVP) reichte das offenbar nicht. Sie warf dem Rat vor, sich “völlig jeglichen inhaltlichen Verhandlungen” zu verweigern. Bis Anfang Dezember sei nun Zeit, “eine vernünftige Lösung zu finden”.

    Große Mehrheit im Rat gegen Änderung

    Dass der Rat sich darauf einlässt, die Änderungen des Parlaments in den Text aufzunehmen, scheint allerdings sehr unwahrscheinlich. Gegen dessen Forderung, eine zusätzliche Kategorie für Erzeugerländer “ohne Entwaldungsrisiko” mit deutlich gelockerten Anforderungen einzuführen, haben zahlreiche EU-Länder große Vorbehalte. Etwa, dass eine solche Regelung nicht WTO-konform wäre, Schlupflöcher entstünden, die die Wirksamkeit der Verordnung beeinträchtigen, oder die Zeit zu knapp sei, um die Neuerung rechtssicher vorzubereiten.

    Fast einstimmig hatten sich die Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten am Mittwoch dafür ausgesprochen, es beim reinen Aufschub zu belassen. Im Parlament steht eine Mehrheit aus EVP, den rechten Parteien und manchen Liberalen hinter der geforderten Änderung, scharfe Kritik kommt dagegen von Sozialdemokraten und Grünen. jd

    • Anti-Entwaldung
    • Entwaldung
    • EUDR
    • Europäisches Parlament
    • Lieferketten
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    Neue Kommission: Parlament nominiert alle 26 Kommissare

    Die jeweils zuständigen Abgeordneten haben am Mittwochabend mit der nötigen Zweidrittelmehrheit nach längeren Verhandlungen den Gesundheits- und Tierwohlkommissar Olivér Várhelyi sowie die sechs Exekutiv-Vizepräsidenten der neuen EU-Kommission nominiert. Darunter auch den Italiener Raffaele Fitto von Giorgia Melonis Partei Brüder Italiens, der als Vizepräsident für Kohäsion auch die Arbeit von Agrarkommissar Christophe Hansen beaufsichtigen wird, sowie die Spanierin Teresa Ribera (S&D) als Vizepräsidentin für Wettbewerbsfähigkeit und grünen Wandel.

    Kleinere Änderungen gab es noch im Portfolio Várhelyi: Er ist nicht mehr für sexuelle und reproduktive Gesundheit zuständig, die Zuständigkeiten für Tierwohl und Lebensmittelsicherheit behält er aber. Damit sind alle 26 Kommissare vom Parlament nominiert und die Anhörungen abgeschlossen. Am Mittwoch (27. November 2024) soll das Plenum in Straßburg über die gesamte neue Kommission abstimmen. Sie braucht dort die absolute Mehrheit der Stimmen.

    Landwirtschaft als “strategischer Sektor”

    Grundlage der Einigung zwischen Christdemokraten (EVP), Sozialdemokraten (S&D) und Liberalen (Renew) auf die Kommissare ist eine zwei Seiten lange Erklärung der Fraktionschefs. In dem Papier, das Table.Briefings vorliegt, bekräftigen die drei proeuropäischen Fraktionen, in der Wahlperiode zusammenzuarbeiten und Reformen in neun Politikfeldern voranzubringen. Die Erklärung ist recht allgemein gehalten und nicht mit einem Koalitionsvertrag etwa in Deutschland zu vergleichen. Zur Landwirtschaft heißt es lediglich, sie bleibe “ein strategischer Sektor für die EU”, den man weiter fördern und verteidigen werde.

    Die nationalkonservative EKR und die Grünen sind nicht Teil der Vereinbarung. EVP-Fraktionschef Weber war dem Vernehmen nach nicht bereit, die Grünen in die Gespräche einzubinden. Darüber, ob eine Zusammenarbeit mit der EKR in der Parlamentsarbeit akzeptabel ist, sind sich EVP und S&D weiter nicht einig. Die EVP hatte zuletzt bei der EU-Anti-Entwaldungsverordnung (EUDR) Änderungsanträge mithilfe der rechten Fraktionen durchgesetzt. tho, mgr, jd

    • Anti-Entwaldung
    • Christophe Hansen
    • Europäische Kommission
    • Europäisches Parlament
    • EVP
    • Lebensmittel
    • Lebensmittelsicherheit
    • Tierschutz

    Presseschau

    Tagesschau: DGE-Ernährungsbericht sieht Verbesserungsbedarf trotz gesünderer Ernährungsgewohnheiten. Der Fleischkonsum in Deutschland ist rückläufig, der Pro-Kopf-Verzehr von Gemüse steigt. Zu diesem Ergebnis kommt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) in ihrem 15. Ernährungsbericht. In dem am Mittwoch veröffentlichten Papier verzeichnen die Autoren zwar eine positive Entwicklung hin zu gesünderer Kost, sprechen aber auch von Verbesserungsbedarf. So liege der Verzehr von Gemüse weiterhin deutlich unter dem, was die DGE empfiehlt, der von Fleisch hingegen deutlich darüber. (“Deutsche essen gesünder und umweltbewusster”)

    Guardian: Britische Bauern demonstrieren gegen Erbschaftssteuer. Mehr als 13.000 Landwirte haben in London gegen die von der britischen Labour-Regierung angekündigten Änderungen der Erbschaftsteuer für landwirtschaftliche Betriebe demonstriert. Die Steuer würde ihre Höfe ruinieren, warnten die protestierenden Landwirte. (“A way of life’: farmers in Westminster express fears for their futures”)

    Reuters: Brasilien und China vertiefen Kooperation. US-Agrarexporteure mussten im vergangenen Jahr aufgrund von Handelskonflikten einen erheblichen Rückgang ihrer Geschäfte mit China hinnehmen. Nun bringt sich Brasilien in Stellung. Das südamerikanische Land ist dabei, seine Agrarhandelsbeziehungen mit China zu stärken, um von möglichen höheren Zöllen zwischen den USA und China nach der Regierungsübernahme durch Donald Trump zu profitieren. (“US agriculture in crosshairs as Brazil and China cozy up”)

    Euractiv: EU plant Handelssanktionen gegen USA im Oliven-Streit. Die EU plant, Handelssanktionen gegen die USA zu verhängen. Hintergrund ist ein langjähriger Streit über US-Zölle auf spanische Oliven, die gegen internationale Handelsregeln verstoßen. Washington hatte 2018 Ausgleichs- und Antidumpingzölle auf spanische Oliven eingeführt und argumentiert, dass EU-Subventionen spanische Produzenten übermäßig begünstigten. (“EU plant Sanktionen gegen USA wegen Olivenzöllen”)

    Euractiv: China-Reise gegen Cognaczölle. Frankreichs Premierminister Michel Barnier wird Anfang 2025 nach China reisen, um sich für die Aufhebung der Importzölle auf französische Spirituosen einzusetzen. Unter anderem Cognac und Armagnac unterliegen seit einem Monat chinesischen Antidumpingmaßnahmen und Zöllen, die als Reaktion auf die Entscheidung der Europäischen Kommission eingeführt wurden, Zölle auf chinesische Elektrofahrzeuge zu erheben. (“Frankreichs Premier reist nach China wegen Strafzöllen auf französischen Alkohol”)

    Top Agrar: Ausbeutung auf niederländischen Höfen. In der niederländischen Agrarwirtschaft werden ausländische Zeitarbeiter nach wie vor teilweise gesetzeswidrig beschäftigt. Das ergab eine Untersuchung der niederländischen Arbeitsaufsichtsbehörde. Es gehe dabei um Unterbezahlung, fehlerhafte Zeiterfassung und unversicherte Arbeit. (“Niederländischer Agrarsektor beschäftigt illegale Arbeiter”)

    Der Westallgäuer: Hochland trennt sich von langjährigem CEO. Nach fast zwölf Jahren gehen Peter Stahl, der bisherige Vorstandsvorsitzende von Hochland, und das Unternehmen getrennte Wege. Die Entscheidung beruhe auf “zuletzt unterschiedlichen Auffassungen im Führungsverständnis” teilte das Unternehmen mit und sei einvernehmlich getroffen worden. (“Hochland und sein langjähriger CEO gehen getrennte Wege”)

    Lebensmittelzeitung: Krombacher kündigt größtes Investitionsvorhaben der Unternehmensgeschichte an. Die Krombacher Brauerei plant, in den nächsten sechs Jahren mehr als 100 Millionen Euro in die Modernisierung ihrer Abfüllanlagen zu investieren. Laut des Konzerns handele es sich um das größte Investitionsvorhaben der Unternehmensgeschichte. Die Arbeiten werden während des laufenden Betriebs durchgeführt. Das gesamte Projekt soll bis 2030 abgeschlossen sein. (“Krombacher modernisiert Abfüllung”)

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    Europe.Table: CSRD: Deutsche Umsetzung verzögert sich weiter

    Bis spätestens kommende Woche muss die Bundesregierung gegenüber der EU-Kommission beantworten, warum es mit der deutschen Umsetzung der CSRD noch dauern wird. SPD und Grüne haben sich inzwischen auf Änderungen am CSRD-Entwurf geeinigt. Um die Änderungsvorschläge durch den Bundestag zu bringen, brauchen die beiden Parteien jedoch Unterstützung einer weiteren Fraktion. Eine schnelle Zustimmung der Union gilt als unwahrscheinlich. Der Vorschlag sei unnötig bürokratisch und zwinge der Wirtschaft eine “unverhältnismäßige Belastung” auf, heißt es von dort. Ob das Gesetz noch vor der Bundestagswahl verabschiedet werden kann, ist unklar. Die Umsetzungsfrist ist schon im Juli abgelaufen. Zur Analyse

    Agrifood.Table Redaktion

    AGRIFOOD.TABLE REDAKTION

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