auf ein geteiltes Echo stößt der Vorschlag der EU-Kommission, die Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) um ein Jahr zu verschieben.
Umwelt- und Klimaschützer in Deutschland, darunter die Deutsche Umwelthilfe und der WWF Deutschland, kritisieren die Entscheidung als “katastrophalen Rückschritt für Wald- und Klimaschutz”. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen knicke vor “mächtigen Lobbygruppen” ein. Greenpeace erinnert an eine FAO-Publikation, der zufolge jedes Jahr eine Waldfläche von der Größe Portugals abgeholzt wird.
Die Agrarbranche hingegen reagiert erleichtert. Die “Notbremse” der EU-Kommission verhindere Lieferketten-Engpässe, sagt der Geschäftsführer des Deutschen Raiffeisenverbands, Philipp Spinne. Die Verordnung auch inhaltlich zu überarbeiten, fordert der Deutsche Bauernverband.
Doch gesetzt ist die Verschiebung der EUDR noch nicht. Dem Vorschlag der EU-Kommission müssen noch EU-Parlament und Ministerrat zustimmen. Wie wahrscheinlich das ist, und inwiefern auch inhaltliche Änderungen eine Option sind, lesen Sie in unserer heutigen Ausgabe.
Wir wünschen Ihnen ein erholsames Wochenende!
Die Botschaft in Richtung EU ist klar: Frankreichs neuer Regierungschef Michel Barnier will die französischen Landwirte “in Brüssel verteidigen”. Wie er in seiner Regierungserklärung diese Woche betonte, geht es dem ehemaligen EU-Kommissar dabei vor allem um drei Vorhaben: EU-Regulatorik, vor allem Umweltregeln, will er “vereinfacht” sehen. Bei Freihandelsabkommen wie Mercosur will Barnier auf “Gegenseitigkeit” pochen, also auf die Anwendung heimischer Standards für Importware. Und der künftige EU-Haushalt mit dem Budget für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) soll die Interessen französischer Landwirte widerspiegeln.
Was das für die kommende GAP heißt, konkretisierte Barnier nicht. Ähnlich unverbindlich blieb er auch an anderen Stellen. So griff er in seiner Rede die Forderung des größten französischen Bauernverbands FNSEA auf, die in der EU wegen ihrer Umweltrisiken verbotenen Neonicotinoide wieder im Pflanzenschutz zuzulassen. Er stellte sich aber nicht eindeutig dahinter.
Das Thema Pflanzenschutz kennt Barnier gut. Während seiner Zeit als Landwirtschaftsminister von 2007 bis 2009 entwarf er im Auftrag des damaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy einen Plan zur Pestizidreduktion, bekannt als Ecophyto-Plan. Mittlerweile liegt die vierte Version vor. An dem Thema wolle er auch in seiner neuen Rolle weiterarbeiten, kündigte er an, ohne weitere Details zu nennen.
Ebenfalls auf der agrarpolitischen Agenda für die neue Regierung: Die geplante Novelle von Egalim, dem französischen Pendant zum AgrarOLkG. Diese hatte sich durch die Neuwahlen verzögert. Anders als von den Landwirten erhofft, kommt sie deshalb nicht mehr rechtzeitig vor Abschluss der Preisverhandlungen für das kommende Jahr zwischen Erzeugern, Verarbeitern und LEH. Barnier betonte die Bedeutung von Egalim, ließ sich aber nicht in die Karten blicken, was den Inhalt der Novelle angeht. Etwa die Idee von Mindestpreisen, die Präsident Emmanuel Macron Anfang des Jahres ins Spiel gebracht hatte.
Auch ein anderes, durch die Wahl verzögertes Projekt will Barnier “unverzüglich” wieder aufnehmen: das sogenannte Orientierungsgesetz zur landwirtschaftlichen Souveränität und dem Generationswechsel in der Landwirtschaft (PLOA). Es soll die Ernährungssouveränität zum übergeordneten Ziel der französischen Politik erklären. Der Text war bereits Ende Mai in erster Lesung im Parlament angenommen, aber noch nicht final verabschiedet worden.
Umsetzen soll all das Annie Genevard. Die neue Landwirtschaftsministerin und konservative Parteikollegin von Barnier ist der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt, gilt aber als mächtige Figur im rechten Flügel ihrer Partei Les Républicains. Wie der Premierminister kommt sie aus der Alpenregion, in der die bekannte Käsesorte Comté hergestellt wird. Bereits in der Vergangenheit setzte sich die 68-Jährige immer wieder politisch für die Belange der Käsehersteller ein.
Davon abgesehen gilt die ehemalige Französischlehrerin bisher eher als Bildungsexpertin. Als Abgeordnete war sie Mitglied im Kultur- und Bildungsausschuss. Die frühere Lokalpolitikerin ist jedoch in ihrer Region und in ihrer Partei gut vernetzt. Dieses politische Kapital könnte ihr bei ihrer neuen Aufgabe zugutekommen, denn als Landwirtschaftsministerin steht sie von vielen Seiten unter Druck.
Die Agrarverbände in Frankreich gelten als mächtig und könnten Genevard mit ihren Forderungen vor sich hertreiben. Gleichzeitig dürfte ihr finanzieller Handlungsspielraum angesichts des hohen Haushaltsdefizits Frankreichs eng begrenzt sein – wie eng, wird der Haushaltsplan zeigen, den Barnier am kommenden Mittwoch in Paris vorstellen will. Als erste Feuerprobe könnte sich in diesem Zusammenhang die Frage von Entschädigungszahlungen für Viehzüchter erweisen, die mit Ausbrüchen der Blauzungenkrankheit konfrontiert sind. Darüber, wie viel Geld ihnen zuteilwird, muss Genevard zeitnah entscheiden.
Nach der Ankündigung der Europäischen Kommission, den Start der neuen EU-Regeln für entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) um ein Jahr verschieben zu wollen, richtet sich der Blick auf Parlament und Rat. Sie müssen der Änderung zustimmen – voraussichtlich im Schnellverfahren, denn bis Dezember, dem bislang geplanten Start für die Verordnung, bleibt wenig Zeit. Im Parlament könnte direkt das Plenum abstimmen, statt zuerst der zuständige Ausschuss. Und Rat und Parlament können die Trilogverhandlungen auslassen, wenn beide den Kommissionsvorschlag ohne Änderungen mittragen.
Während viele Mitgliedstaaten einen Aufschub gefordert hatten, kommt aus dem Parlament Kritik. Die Verschiebung sei ein Trauerspiel, kommentiert etwa Anna Cavazzini (Grüne), Vorsitzende des Binnenmarktausschusses. S&D-Schattenberichterstatterin Delara Burkhardt bemängelt, Ursula von der Leyen säge schon kurz nach Beginn ihrer zweiten Amtszeit am Green Deal. Die Kommissionspräsidentin hätte die Verzögerung verhindern können, ist sie überzeugt: “Sie hätte längst Umsetzungsleitlinien für betroffene Unternehmen, Behörden und Produzentenländer herausgeben können.” Dass von der Leyen die Leitlinien zurückhielt, habe für unnötige Verunsicherung bei allen Betroffenen gesorgt, sagt Burkhardt zu Table.Briefings.
Sollten im nun neu zu eröffnenden Gesetzgebungsverfahren neben der Änderung des Startdatums weitere Details des Gesetzes angefasst werden, kündigt Burkhardt Widerstand an. Eine reine Verschiebung wollen die Sozialdemokraten dagegen nicht blockieren. Wie die Grünen sich positionieren, ist noch unklar. Mit der Unterstützung der S&D dürfte es aber auch ohne die Grünen für eine Parlamentsmehrheit reichen.
Man werde alles dafür tun, dass die EVP das Gesetzgebungsverfahren nicht dafür ausnutzt, die Verordnung “zu einem zahnlosen Papiertiger zusammenschrumpfen zu lassen”, betont Burkhardt. Auch Cavazzini sieht insbesondere die EVP in der Pflicht: “Wir müssen jetzt sicherstellen, dass mit der Verschiebung nicht die Büchse der Pandora geöffnet und das Gesetz nicht abgeschwächt wird.”
Der EVP-Abgeordnete und Vorsitzende des Agrarausschusses, Herbert Dorfmann, sagte zu Table.Briefings, man wolle lediglich die Verschiebung im Schnellverfahren beschließen. Sonst bestehe die Gefahr, dass diese nicht rechtzeitig beschlossen würde. Er schließt jedoch nicht aus, in einem zweiten, späteren Gesetzgebungsverfahren auch inhaltliche Aspekte zu überarbeiten. Das komme darauf an, wie die Kommission die Umsetzungsrechtsakte ausgestaltet. “Bei einer vernünftigen Umsetzung müsste man nicht noch einmal ran“, so Dorfmann.
Während die EU-Kommission die lange erwarteten Leitlinien nun vorgelegt hat, stehen andere Elemente zur Umsetzung noch aus. Das Benchmarking, das jedem Land ein bestimmtes Entwaldungsrisiko zuweist, will sie bis zum 30. Juni 2025 vorlegen. Ab Dezember dieses Jahres soll das nötige IT-System in Betrieb sein.
Branchenverbände fordern weiterhin, den Inhalt der Verordnung zu ändern. So wollen der Deutsche Bauernverband (DBV) und die Familienbetriebe Land und Forst, dass Länder mit geringem Entwaldungsrisiko wie Deutschland von den Regeln ausgenommen werden. Die Ampel-Koalition ist dazu gespalten: Die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Carina Konrad sprach sich für eine “grundlegende Überarbeitung” aus, Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) dagegen. luk/jd
Die Idee von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Mindestpreise für landwirtschaftliche Erzeugnisse einzuführen, könnte tatsächlich zu höheren Einkommen für Landwirte führen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die in der Zeitschrift International Economics erschienen ist.
Unter bestimmten Bedingungen könnte eine entsprechende Novelle von Egalim, dem französischen Pendant zum AgrarOLkG, dem Geldbeutel der Landwirte zugutekommen. Die Preise für Lebensmittel in französischen Supermärkten müssten basierend auf den Produktionskosten für die jeweiligen Agrarrohstoffe ermittelt und ihre Weitergabe an die Landwirte vertraglich festgelegt werden. Für Importe kann Paris solche Vorgaben allerdings nicht machen.
Die Konsequenz: Verbraucher zahlen mehr für heimische Ware als für vergleichbare ausländische Produkte. Deshalb empfehlen die Wissenschaftler eine Herkunftskennzeichnung, die heimische Ware als solche ausweist. Besser noch: Eine Umsetzung auf EU-Ebene. Aber: Je stärker das Exportgeschäft eines Staates mit Lebensmitteln, desto geringer dürfte das Interesse an einer Verteuerung von Handelsware sein, mahnen die Studienautoren.
Bislang macht das Egalim-Gesetz Vorgaben zur Preis- und Vertragsgestaltung für Produkte wie Milch und Fleisch im Lebensmitteleinzelhandel. Getreide und die Gemeinschaftsverpflegung umfasst es hingegen nicht. Würden für die vom Gesetz abgedeckten Produkte Mindestpreise eingeführt, würden also vor allem tierische Produkte teurer. Das hätte den positiven Nebeneffekt, Anreize für eine stärker pflanzenbasierte Ernährung zu setzen, so die Autoren. jd
Die Anhörungen der Bewerber für die EU-Kommissarsposten will das EU-Parlament vom 4. bis 12. November abhalten. Das hat die Konferenz der Präsidenten, das politische Leitungsorgan des Parlaments, am Mittwoch final entschieden. Läuft alles nach Plan, kann das Europaparlament in der Sitzungswoche vom 25. November in Straßburg über die Zustimmung zur Von-der-Leyen-Kommission II abstimmen.
Ein Wackelkandidat ist der vorgeschlagene Gesundheits- und Tierwohlkommissar, der Ungar Olivér Várhelyi. Er gilt als Orbán-Vertrauter und als besonders unbeliebt beim Parlament. Trotzdem zögern viele Abgeordnete, ihn abzulehnen. Sie befürchten, Ungarns Regierungschef könnte die Nominierung eines neuen Kandidaten absichtlich hinauszögern. Und sie bezweifeln, dass Orbán dann jemanden schickt, der ihnen mehr zusagt. Dem Vernehmen nach gibt es auch die Überlegung, Várhelyi zwar zu bestätigen, aber darauf zu pochen, dass sein Zuständigkeitsbereich verkleinert wird.
Dem vorgeschlagenen Agrar- und Ernährungskommissar Christophe Hansen werden dagegen sehr gute Chancen zugerechnet, vom Parlament bestätigt zu werden. jd
Weltweit können sich mehr als drei Milliarden Menschen keine ausreichend gesunde Ernährung leisten. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des katholischen Hilfswerks Misereor und der Georg-August-Universität Göttingen. Im Zeitraum 2017 bis 2022 betrug die Lücke für eine ausreichende Ernährung aller Menschen weltweit 2,59 Billionen US-Dollar, umgerechnet durchschnittlich 2,29 US-Dollar pro Tag.
Obwohl der globale Wohlstand wachse, sei die “Ernährungsarmut” hoch, analysieren die Studienautoren. Rund zwei von fünf Menschen treffe es weltweit. Besonders kritisch sei die Situation in Subsahara-Afrika. In Mosambik etwa sind 94 Prozent der Bevölkerung nicht in der Lage, sich ausreichend gesund zu ernähren. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Ländern wie beispielsweise Brasilien, Südafrika und Kenia könne sich aufgrund von sozialer Ungleichheit und hohen Kosten für Lebensmittel keine gesunde Ernährung leisten.
Die Studienautoren leiten daraus Empfehlungen an die Politik ab: Angesichts der weltweiten Ernährungsarmut seien die geplanten Kürzungen bei der Entwicklungszusammenarbeit im Bundeshaushalt nicht verantwortbar. Deutschland sei gefordert, sich international stärker zu engagieren. Bei den Vereinten Nationen solle sich die Bundesregierung für den Abschluss eines globalen Steuerabkommens und für ein geordnetes Entschuldungsverfahren für hoch verschuldete Länder einsetzen.
Das Hilfswerk fordert weiterhin Maßnahmen zur Umgestaltung der Ernährungssysteme durch eine stärkere Regulierung des internationalen Lebensmittelhandels und die Förderung einer klimaangepassten, lokalen Landwirtschaft. kih
FWI: Auch Labour-Regierung will neue Gentechniken vorantreiben. Die britische Labour-Regierung will die Deregulierung neuer Züchtungstechniken weiter vorantreiben. Landwirtschaftsminister Daniel Zeichner kündigte an, ein Gesetz der konservativen Vorgängerregierung hierzu mit Verordnungen flankieren zu wollen. Sie sollen den bisher komplexen Zulassungsprozess auch kleinen und mittleren Unternehmen zugänglich machen sowie Investitionen in dem Bereich ankurbeln. (“Government pledges to roll out gene-edited crops in England”)
Top Agrar: Weidetierhalter wollen nicht mit BMEL zusammenarbeiten. Obwohl die EU daran arbeitet, den Schutzstatus des Wolfs abzusenken, halten Weidetierhalter- und Bauernverbände ihre Kritik an der Bundespolitik aufrecht: Vom BMEL fehle ein klares Signal, Mittel zur Regulierung des Wolfsbestands zu erarbeiten. Die Verbände wollen deshalb weiterhin die Zusammenarbeit mit dem Ministerium über das Bundeszentrum Weidetiere und Wolf (BZWW) boykottieren. (“Tierhalter boykottieren weiter Zusammenarbeit mit BMEL”)
Lebensmittelzeitung: Netto Nord will wachsen. Der zur dänischen Salling-Gruppe gehörende Discounter Netto plant, seinen Umsatz bis 2028 um fast ein Drittel zu steigern, und erhöht dafür sein Investitionsbudget. Besonders in Polen will der Discounter stark expandieren und stellt ausdrücklich weitere Übernahmen in Aussicht. Bis 2028 plant Netto, dort rund 1.000 Märkte zu betreiben. In Deutschland werden zudem alle Filialen modernisiert. (“Netto Nord investiert und will zukaufen”)
Lebensmittelzeitung: Lidl unterstützt britische Eierproduzenten. Lidl hat angekündigt, innerhalb von fünf Jahren eine Milliarde Pfund zusätzlich in die britische Eierindustrie zu investieren. Mit der Förderung will der Discounter Engpässen vorbeugen und die Verfügbarkeit von Eiern aus Freilandhaltung erhöhen. (“Lidl unterstützt britische Eierindustrie”)
Beate Huber – Leiterin Departement für internationale Zusammenarbeit, Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL)
Als FiBL-Direktionsmitglied seit 2022 will die gelernte Agraringenieurin das Schweizer Forschungsinstitut stärker international verankern. Dabei hat sie auch zu dessen deutschem Zweig einen besonderen Bezug: Bis 2006 war sie dort Geschäftsführerin und ist weiterhin Mitglied des Vorstands. Thematisch setzt sich Huber mit Gesetzgebung zum Biolandbau auseinander und koordiniert Forschungsprojekte im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit.
Matin Qaim – Direktor, Zentrum für Entwicklungsforschung, Universität Bonn
Der Professor für Agrarökonomie ist ein gefragter Experte. 2021 wurde er zum Direktor des Zentrums für Entwicklungsforschung an der Universität Bonn ernannt. Seine Forschung konzentriert sich unter anderem auf den Kleinbauernsektor von Entwicklungsländern, wo er Wechselwirkungen zwischen Landwirtschaft, Ernährung und Armut untersucht. Qaim ist Präsident der International Association of Agricultural Economists (IAAE), sowie Mitglied in der Sektion Agrar- und Ernährungswissenschaften der Leopoldina.
Gudrun Keding – Professorin für internationale Ernährungssicherung, Justus-Liebig-Universität Gießen
Als Professorin für internationale Ernährungssicherung an der Justus-Liebig-Universität Gießen hat sie das Fachgebiet dieses Jahr wieder neu aufgebaut. Zuvor war sie im Department für Nutzpflanzenwissenschaften der Universität Göttingen tätig. Ihr Forschungsinteresse gilt dem sonst eher weniger beachteten Gemüse und Obst und dessen Beitrag zur menschlichen Ernährung und zu einer nachhaltigen Landwirtschaft – insbesondere in Subsahara-Afrika.
Kai Purnhagen – Direktor, Forschungsstelle für deutsches und europäisches Lebensmittelrecht, Universität Bayreuth
Der Professor für Lebensmittelrecht leitet als einer von zwei Direktoren die Forschungsstelle für deutsches und europäisches Lebensmittelrecht an der Universität Bayreuth. Als ausgewiesener Experte im Europarecht, internationalen Handelsrecht und Privatrecht berät er Institutionen wie das Europäische Parlament. Der Rechtswissenschaftler setzt sich in Forschungsprojekten unter anderem damit auseinander, wie verhaltensgesteuerte Regulierungen, die auf Nachhaltigkeit und Gemeinwohl abzielen, rechtlich ausgestaltet sein müssen.
Bärbel Gerowitt – Professorin für Phytomedizin, Universität Rostock
Die Professorin für Phytomedizin am Institut für Landnutzung der Universität Rostock befasst sich mit der Gesundheit von Nutzpflanzen und erforscht Maßnahmen, die den Einsatz von Pestiziden minimieren und die Biodiversität in landwirtschaftlichen Systemen fördern können. Schwerpunktmäßig beschäftigt sich Gerowitt mit Agrobiodiversität und integriertem Pflanzenschutz, sowie Pflanzenschutz im ökologischen Landbau.
Achim Spiller – Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz, BMEL
Der Professor für “Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte” am Department für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung der Georg-August-Universität Göttingen forscht zu Konsumentenverhalten, Nachhaltigkeitsmanagement, Animal Welfare und Supply Chain Management im Agribusiness. Seit Dezember 2020 ist er Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft für “Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbrauchschutz” und Mitglied der Zukunftskommission Landwirtschaft.
Peter Feindt – Professor für Agrar- und Ernährungspolitik, Humboldt-Universität zu Berlin
Der promovierte Politikwissenschaftler ist eine gewichtige Stimme in der öffentlichen Debatte um die deutsche und europäische Landwirtschaftspolitik. Besonders aktiv bringt sich der Berliner Professor beim Thema Gemeinsame Agrarpolitik ein. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf der Beziehung zwischen Umwelt- und Landwirtschaftspolitik. Als Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats für Biodiversität und genetische Ressourcen sowie als Mitglied des Beirats für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz berät er das BMEL.
Cornelia Weltzien – Abteilungsleiterin Technik im Pflanzenbau, Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie und Leiterin des Gebiets Agromechatronik, Technische Universität Berlin
Die promovierte Landmaschinentechnikerin ist eine national und international anerkannte Spitzenforscherin im Bereich digitale Landwirtschaft. Seit 2015 leitet sie am Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie in Potsdam die Abteilung Technik im Pflanzenbau sowie an der Technischen Universität Berlin das Fachgebiet Agromechatronik. Die Professorin berät die Politik als Mitglied in zahlreichen Gremien zu den Themen Präzisionslandwirtschaft, Automatisierung agronomischer Prozesse und smarte Systeme, sowie Digitalisierung der Landwirtschaft.
Stephan von Cramon-Taubadel – Professor für Agrarpolitik, Universität Göttingen
Der Göttinger Agrarwissenschaftler ist Experte für Reformen des Agrarsektors in Transformationsländern – also Länder, die von einer Planwirtschaft zur Marktwirtschaft übergegangen sind – und hat bereits die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), die Weltbank und verschiedene Regierungen beraten. In der öffentlichen Debatte trat er zuletzt vor allem in Bezug auf die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf die weltweite Ernährungssicherheit in Erscheinung.
Sebastian Lakner – Professor für Agrarökonomie, Universität Rostock
Der promovierte Agrarwissenschaftler forscht zu Themen wie der Gemeinsamen Agrarpolitik, EU-Agrarumweltmaßnahmen oder der Nachhaltigkeit verschiedener Landnutzungssysteme. Unter anderem über seinen Blog bringt er sich in die agrarpolitische Debatte ein und begleitete dort etwa die Zugeständnisse im Zuge der Bauernproteste Anfang 2024 kritisch.
Mit elf Jahren war Jana Gäbert auf einem Ponygestüt. Aber anders als die anderen Kinder, die vor allem reiten wollten, fand sie die Haltung und Fütterung der Pferde spannender. “Die schönste Zeit war für mich das Heumachen, denn mich hat das Zusammenspiel von Pflanzenbau und Technik so begeistert”, sagt Gäbert. Das hat sich auch bis heute nicht verändert. Die mittlerweile 42-Jährige ist Teil der dreiköpfigen Geschäftsführung der Agrargenossenschaft Trebbin eG (AGT) in Brandenburg und dort unter anderem für die Milchviehhaltung und die strategische Entwicklung verantwortlich.
Schon seit 2010 ist Gäbert Teil der Agrargenossenschaft, anfangs im Bereich der Rindermast. Die gebürtige Brandenburgerin wusste sehr früh, dass sie in die Landwirtschaft gehen möchte. Sie beendete mehrere Studiengänge in Agrarwissenschaften, darunter einen Master mit Fokus auf Pflanzenbauwissenschaften. Nach dem Studium erschien ihr die Mitgliedschaft in einer Agrargenossenschaft am sinnvollsten, so Gäbert: “Wenn man wie ich nicht aus einer landwirtschaftlichen Familie kommt und es sich nicht leisten kann, selbst einen Hof zu kaufen, ist eine Agrargenossenschaft ein sehr niederschwelliger Einstieg in die Landwirtschaft.”
Eine Agrargenossenschaft ist ein Zusammenschluss von Landwirten und bäuerlichen Familien, die gemeinsam Landwirtschaft betreiben. Insgesamt gibt es rund 800 davon in Deutschland. Entscheidungen werden demokratisch getroffen, erklärt Gäbert. So finde bei der Agrargenossenschaft Trebbin einmal jährlich eine Gesellschafterversammlung statt, in der alle Anteilseigner über die Ausrichtungen und Investitionen abstimmen.
Die Mitarbeitenden der AGT bewirtschaften 4.000 Hektar Land – wovon ein Drittel der Fläche der Genossenschaft selbst gehört und der Rest Pachtland ist. Auf den brandenburgischen Äckern werden 14 verschiedene Kulturen angebaut, darunter Kichererbsen und Sonnenblumen, und es wird Futter für die knapp 1.500 Kühe produziert. Die Agrargenossenschaft gibt es seit mehr als 30 Jahren, anfangs mit dem Fokus auf Rindermast, heute wird nur noch Milch produziert und Pflanzenbau betrieben.
Seit 2022 ist Gäbert in der Geschäftsführung und hat die gesamte Tierproduktion im Blick. “Einen typischen Arbeitstag gibt es bei mir nicht”, erklärt sie. “Im Prinzip ist mein Job, alles dafür zu tun, dass meine Mitarbeitenden arbeiten können.” Das reiche von organisatorischen Aufgaben, wie Arbeitspläne zu erstellen, über Qualitätskontrolle des Futters bis hin zu Sperma-Bestellungen für die Zucht. Darüber hinaus ist Gäbert auch für die Öffentlichkeitsarbeit mitverantwortlich, so tritt sie regelmäßig als Speakerin auf und zeigt Interessierten, wie die Arbeit auf dem Betrieb funktioniert. Sogar Bundeskanzler Olaf Scholz war schon zu Gast in Trebbin.
Neben der landwirtschaftlichen Produktion lege man in der AGT großen Wert auf soziale Verantwortung, erklärt Gäbert: “Wir sind ein Ausbildungsbetrieb und versuchen alle Arbeitnehmer:innen zu unterstützen, indem wir zum Beispiel flexible Arbeitszeiten anbieten und eine Altersvorsorge bezahlen.” Insgesamt arbeiten 120 Personen in der Agrargenossenschaft, die meisten leben in den umliegenden Dörfern: “Es ist wie bei einem Familienbetrieb – nur alles eben etwas größer.” Sie selbst wohnt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern nur ein paar Straßen von der Hofzentrale in Klein-Schulzendorf entfernt.
Im Vergleich zu traditionellen landwirtschaftlichen Betrieben habe eine Agrargenossenschaft viele Vorteile, so Gäbert. Zwar sei man durch die Abstimmungsprozesse in der Versammlung oft langsam in Entscheidungen und “würde sich manchmal wünschen, dass alle so wirtschaften, als wäre es ihr eigener Hof” -, aber dafür teile man auch das finanzielle Risiko und habe ein großes fachliches Know-how. “Wir haben unglaublich viele Fachkräfte und können uns spezialisieren, beispielsweise haben wir zwei Mitarbeitende, die sich nur mit Bodenbearbeitung beschäftigen.”
Durch die großen Flächen habe man außerdem eine größere Resilienz gegen Extremwetter, könne sich, was die Sorten angeht, breiter aufstellen und auch mal was ausprobieren, erklärt Gäbert. Beispielsweise ist ihr der Schutz der Biodiversität ein großes Anliegen und man habe auf dem Gelände unter anderem Blühflächen für Insekten, Steilwände für Schwalben und Nistunterstützungen angelegt.
Insgesamt sieht Gäbert Agrargemeinschaften als Chance gegen das Höfesterben, das die Landwirtschaft seit Jahren erlebt: “Wenn Betriebe sich zusammenschließen, sind sie resilienter und können mit dem Druck von neuen Verordnungen besser umgehen“, so Gäbert. “Ich sehe in Kooperationsmodellen, wie der Agrargenossenschaft oder thematischen Kooperationen, viel Potenzial für die Zukunft.” Leoni Bender
Climate.Table: Kein CO₂-Speicher mehr: Wie der deutsche Wald als Klimaschützer ausfällt
Der Wald und die Landwirtschaft in Deutschland werden in den nächsten Jahrzehnten wohl deutlich weniger zum Klimaschutz beitragen können als geplant. Laut offiziellen Daten der Bundesregierung stößt der LULUCF-Sektor in Zukunft mehr Kohlendioxid aus, als er bindet – er wird also von einer CO₂-Senke zu einer CO₂-Quelle. Zur Schließung dieser Klimaschutzlücke setzt das Umweltministerium auf das “Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz” (ANK). Mit diesem Sonderprogramm fördert der Bund etwa Waldumbau, Moorvernässung und die Renaturierung von Flussauen. Erst kürzlich hatte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) gegen die deutsche LULUCF-Regel als unzureichend geklagt und eine Verurteilung der Bundesregierung erwirkt. Diese muss nun mehr Anstrengungen für den Klimaschutz nachweisen. Zur Analyse
Climate.Table: Anpassungsstrategie: BMUV legt Entwurf vor
Das Bundesumweltministerium (BMUV) hat die Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel auf den Weg gebracht. Nun geht der Entwurf in die Länder- und Verbändeanhörung. Für die Strategie haben verschiedene Ressorts Ziele für die Anpassung an den Klimawandel erarbeitet, die auch den Bereich Land und Landnutzung abdecken. Die Ausgestaltung und Quantifizierung der Ziele ist allerdings sehr unterschiedlich und bleibt oft vage. Das endgültige Strategiepapier soll laut Umweltministerin Steffi Lemke noch vor Jahresende vom Kabinett beschlossen werden. Zum Artikel
auf ein geteiltes Echo stößt der Vorschlag der EU-Kommission, die Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) um ein Jahr zu verschieben.
Umwelt- und Klimaschützer in Deutschland, darunter die Deutsche Umwelthilfe und der WWF Deutschland, kritisieren die Entscheidung als “katastrophalen Rückschritt für Wald- und Klimaschutz”. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen knicke vor “mächtigen Lobbygruppen” ein. Greenpeace erinnert an eine FAO-Publikation, der zufolge jedes Jahr eine Waldfläche von der Größe Portugals abgeholzt wird.
Die Agrarbranche hingegen reagiert erleichtert. Die “Notbremse” der EU-Kommission verhindere Lieferketten-Engpässe, sagt der Geschäftsführer des Deutschen Raiffeisenverbands, Philipp Spinne. Die Verordnung auch inhaltlich zu überarbeiten, fordert der Deutsche Bauernverband.
Doch gesetzt ist die Verschiebung der EUDR noch nicht. Dem Vorschlag der EU-Kommission müssen noch EU-Parlament und Ministerrat zustimmen. Wie wahrscheinlich das ist, und inwiefern auch inhaltliche Änderungen eine Option sind, lesen Sie in unserer heutigen Ausgabe.
Wir wünschen Ihnen ein erholsames Wochenende!
Die Botschaft in Richtung EU ist klar: Frankreichs neuer Regierungschef Michel Barnier will die französischen Landwirte “in Brüssel verteidigen”. Wie er in seiner Regierungserklärung diese Woche betonte, geht es dem ehemaligen EU-Kommissar dabei vor allem um drei Vorhaben: EU-Regulatorik, vor allem Umweltregeln, will er “vereinfacht” sehen. Bei Freihandelsabkommen wie Mercosur will Barnier auf “Gegenseitigkeit” pochen, also auf die Anwendung heimischer Standards für Importware. Und der künftige EU-Haushalt mit dem Budget für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) soll die Interessen französischer Landwirte widerspiegeln.
Was das für die kommende GAP heißt, konkretisierte Barnier nicht. Ähnlich unverbindlich blieb er auch an anderen Stellen. So griff er in seiner Rede die Forderung des größten französischen Bauernverbands FNSEA auf, die in der EU wegen ihrer Umweltrisiken verbotenen Neonicotinoide wieder im Pflanzenschutz zuzulassen. Er stellte sich aber nicht eindeutig dahinter.
Das Thema Pflanzenschutz kennt Barnier gut. Während seiner Zeit als Landwirtschaftsminister von 2007 bis 2009 entwarf er im Auftrag des damaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy einen Plan zur Pestizidreduktion, bekannt als Ecophyto-Plan. Mittlerweile liegt die vierte Version vor. An dem Thema wolle er auch in seiner neuen Rolle weiterarbeiten, kündigte er an, ohne weitere Details zu nennen.
Ebenfalls auf der agrarpolitischen Agenda für die neue Regierung: Die geplante Novelle von Egalim, dem französischen Pendant zum AgrarOLkG. Diese hatte sich durch die Neuwahlen verzögert. Anders als von den Landwirten erhofft, kommt sie deshalb nicht mehr rechtzeitig vor Abschluss der Preisverhandlungen für das kommende Jahr zwischen Erzeugern, Verarbeitern und LEH. Barnier betonte die Bedeutung von Egalim, ließ sich aber nicht in die Karten blicken, was den Inhalt der Novelle angeht. Etwa die Idee von Mindestpreisen, die Präsident Emmanuel Macron Anfang des Jahres ins Spiel gebracht hatte.
Auch ein anderes, durch die Wahl verzögertes Projekt will Barnier “unverzüglich” wieder aufnehmen: das sogenannte Orientierungsgesetz zur landwirtschaftlichen Souveränität und dem Generationswechsel in der Landwirtschaft (PLOA). Es soll die Ernährungssouveränität zum übergeordneten Ziel der französischen Politik erklären. Der Text war bereits Ende Mai in erster Lesung im Parlament angenommen, aber noch nicht final verabschiedet worden.
Umsetzen soll all das Annie Genevard. Die neue Landwirtschaftsministerin und konservative Parteikollegin von Barnier ist der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt, gilt aber als mächtige Figur im rechten Flügel ihrer Partei Les Républicains. Wie der Premierminister kommt sie aus der Alpenregion, in der die bekannte Käsesorte Comté hergestellt wird. Bereits in der Vergangenheit setzte sich die 68-Jährige immer wieder politisch für die Belange der Käsehersteller ein.
Davon abgesehen gilt die ehemalige Französischlehrerin bisher eher als Bildungsexpertin. Als Abgeordnete war sie Mitglied im Kultur- und Bildungsausschuss. Die frühere Lokalpolitikerin ist jedoch in ihrer Region und in ihrer Partei gut vernetzt. Dieses politische Kapital könnte ihr bei ihrer neuen Aufgabe zugutekommen, denn als Landwirtschaftsministerin steht sie von vielen Seiten unter Druck.
Die Agrarverbände in Frankreich gelten als mächtig und könnten Genevard mit ihren Forderungen vor sich hertreiben. Gleichzeitig dürfte ihr finanzieller Handlungsspielraum angesichts des hohen Haushaltsdefizits Frankreichs eng begrenzt sein – wie eng, wird der Haushaltsplan zeigen, den Barnier am kommenden Mittwoch in Paris vorstellen will. Als erste Feuerprobe könnte sich in diesem Zusammenhang die Frage von Entschädigungszahlungen für Viehzüchter erweisen, die mit Ausbrüchen der Blauzungenkrankheit konfrontiert sind. Darüber, wie viel Geld ihnen zuteilwird, muss Genevard zeitnah entscheiden.
Nach der Ankündigung der Europäischen Kommission, den Start der neuen EU-Regeln für entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) um ein Jahr verschieben zu wollen, richtet sich der Blick auf Parlament und Rat. Sie müssen der Änderung zustimmen – voraussichtlich im Schnellverfahren, denn bis Dezember, dem bislang geplanten Start für die Verordnung, bleibt wenig Zeit. Im Parlament könnte direkt das Plenum abstimmen, statt zuerst der zuständige Ausschuss. Und Rat und Parlament können die Trilogverhandlungen auslassen, wenn beide den Kommissionsvorschlag ohne Änderungen mittragen.
Während viele Mitgliedstaaten einen Aufschub gefordert hatten, kommt aus dem Parlament Kritik. Die Verschiebung sei ein Trauerspiel, kommentiert etwa Anna Cavazzini (Grüne), Vorsitzende des Binnenmarktausschusses. S&D-Schattenberichterstatterin Delara Burkhardt bemängelt, Ursula von der Leyen säge schon kurz nach Beginn ihrer zweiten Amtszeit am Green Deal. Die Kommissionspräsidentin hätte die Verzögerung verhindern können, ist sie überzeugt: “Sie hätte längst Umsetzungsleitlinien für betroffene Unternehmen, Behörden und Produzentenländer herausgeben können.” Dass von der Leyen die Leitlinien zurückhielt, habe für unnötige Verunsicherung bei allen Betroffenen gesorgt, sagt Burkhardt zu Table.Briefings.
Sollten im nun neu zu eröffnenden Gesetzgebungsverfahren neben der Änderung des Startdatums weitere Details des Gesetzes angefasst werden, kündigt Burkhardt Widerstand an. Eine reine Verschiebung wollen die Sozialdemokraten dagegen nicht blockieren. Wie die Grünen sich positionieren, ist noch unklar. Mit der Unterstützung der S&D dürfte es aber auch ohne die Grünen für eine Parlamentsmehrheit reichen.
Man werde alles dafür tun, dass die EVP das Gesetzgebungsverfahren nicht dafür ausnutzt, die Verordnung “zu einem zahnlosen Papiertiger zusammenschrumpfen zu lassen”, betont Burkhardt. Auch Cavazzini sieht insbesondere die EVP in der Pflicht: “Wir müssen jetzt sicherstellen, dass mit der Verschiebung nicht die Büchse der Pandora geöffnet und das Gesetz nicht abgeschwächt wird.”
Der EVP-Abgeordnete und Vorsitzende des Agrarausschusses, Herbert Dorfmann, sagte zu Table.Briefings, man wolle lediglich die Verschiebung im Schnellverfahren beschließen. Sonst bestehe die Gefahr, dass diese nicht rechtzeitig beschlossen würde. Er schließt jedoch nicht aus, in einem zweiten, späteren Gesetzgebungsverfahren auch inhaltliche Aspekte zu überarbeiten. Das komme darauf an, wie die Kommission die Umsetzungsrechtsakte ausgestaltet. “Bei einer vernünftigen Umsetzung müsste man nicht noch einmal ran“, so Dorfmann.
Während die EU-Kommission die lange erwarteten Leitlinien nun vorgelegt hat, stehen andere Elemente zur Umsetzung noch aus. Das Benchmarking, das jedem Land ein bestimmtes Entwaldungsrisiko zuweist, will sie bis zum 30. Juni 2025 vorlegen. Ab Dezember dieses Jahres soll das nötige IT-System in Betrieb sein.
Branchenverbände fordern weiterhin, den Inhalt der Verordnung zu ändern. So wollen der Deutsche Bauernverband (DBV) und die Familienbetriebe Land und Forst, dass Länder mit geringem Entwaldungsrisiko wie Deutschland von den Regeln ausgenommen werden. Die Ampel-Koalition ist dazu gespalten: Die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Carina Konrad sprach sich für eine “grundlegende Überarbeitung” aus, Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) dagegen. luk/jd
Die Idee von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Mindestpreise für landwirtschaftliche Erzeugnisse einzuführen, könnte tatsächlich zu höheren Einkommen für Landwirte führen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die in der Zeitschrift International Economics erschienen ist.
Unter bestimmten Bedingungen könnte eine entsprechende Novelle von Egalim, dem französischen Pendant zum AgrarOLkG, dem Geldbeutel der Landwirte zugutekommen. Die Preise für Lebensmittel in französischen Supermärkten müssten basierend auf den Produktionskosten für die jeweiligen Agrarrohstoffe ermittelt und ihre Weitergabe an die Landwirte vertraglich festgelegt werden. Für Importe kann Paris solche Vorgaben allerdings nicht machen.
Die Konsequenz: Verbraucher zahlen mehr für heimische Ware als für vergleichbare ausländische Produkte. Deshalb empfehlen die Wissenschaftler eine Herkunftskennzeichnung, die heimische Ware als solche ausweist. Besser noch: Eine Umsetzung auf EU-Ebene. Aber: Je stärker das Exportgeschäft eines Staates mit Lebensmitteln, desto geringer dürfte das Interesse an einer Verteuerung von Handelsware sein, mahnen die Studienautoren.
Bislang macht das Egalim-Gesetz Vorgaben zur Preis- und Vertragsgestaltung für Produkte wie Milch und Fleisch im Lebensmitteleinzelhandel. Getreide und die Gemeinschaftsverpflegung umfasst es hingegen nicht. Würden für die vom Gesetz abgedeckten Produkte Mindestpreise eingeführt, würden also vor allem tierische Produkte teurer. Das hätte den positiven Nebeneffekt, Anreize für eine stärker pflanzenbasierte Ernährung zu setzen, so die Autoren. jd
Die Anhörungen der Bewerber für die EU-Kommissarsposten will das EU-Parlament vom 4. bis 12. November abhalten. Das hat die Konferenz der Präsidenten, das politische Leitungsorgan des Parlaments, am Mittwoch final entschieden. Läuft alles nach Plan, kann das Europaparlament in der Sitzungswoche vom 25. November in Straßburg über die Zustimmung zur Von-der-Leyen-Kommission II abstimmen.
Ein Wackelkandidat ist der vorgeschlagene Gesundheits- und Tierwohlkommissar, der Ungar Olivér Várhelyi. Er gilt als Orbán-Vertrauter und als besonders unbeliebt beim Parlament. Trotzdem zögern viele Abgeordnete, ihn abzulehnen. Sie befürchten, Ungarns Regierungschef könnte die Nominierung eines neuen Kandidaten absichtlich hinauszögern. Und sie bezweifeln, dass Orbán dann jemanden schickt, der ihnen mehr zusagt. Dem Vernehmen nach gibt es auch die Überlegung, Várhelyi zwar zu bestätigen, aber darauf zu pochen, dass sein Zuständigkeitsbereich verkleinert wird.
Dem vorgeschlagenen Agrar- und Ernährungskommissar Christophe Hansen werden dagegen sehr gute Chancen zugerechnet, vom Parlament bestätigt zu werden. jd
Weltweit können sich mehr als drei Milliarden Menschen keine ausreichend gesunde Ernährung leisten. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des katholischen Hilfswerks Misereor und der Georg-August-Universität Göttingen. Im Zeitraum 2017 bis 2022 betrug die Lücke für eine ausreichende Ernährung aller Menschen weltweit 2,59 Billionen US-Dollar, umgerechnet durchschnittlich 2,29 US-Dollar pro Tag.
Obwohl der globale Wohlstand wachse, sei die “Ernährungsarmut” hoch, analysieren die Studienautoren. Rund zwei von fünf Menschen treffe es weltweit. Besonders kritisch sei die Situation in Subsahara-Afrika. In Mosambik etwa sind 94 Prozent der Bevölkerung nicht in der Lage, sich ausreichend gesund zu ernähren. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Ländern wie beispielsweise Brasilien, Südafrika und Kenia könne sich aufgrund von sozialer Ungleichheit und hohen Kosten für Lebensmittel keine gesunde Ernährung leisten.
Die Studienautoren leiten daraus Empfehlungen an die Politik ab: Angesichts der weltweiten Ernährungsarmut seien die geplanten Kürzungen bei der Entwicklungszusammenarbeit im Bundeshaushalt nicht verantwortbar. Deutschland sei gefordert, sich international stärker zu engagieren. Bei den Vereinten Nationen solle sich die Bundesregierung für den Abschluss eines globalen Steuerabkommens und für ein geordnetes Entschuldungsverfahren für hoch verschuldete Länder einsetzen.
Das Hilfswerk fordert weiterhin Maßnahmen zur Umgestaltung der Ernährungssysteme durch eine stärkere Regulierung des internationalen Lebensmittelhandels und die Förderung einer klimaangepassten, lokalen Landwirtschaft. kih
FWI: Auch Labour-Regierung will neue Gentechniken vorantreiben. Die britische Labour-Regierung will die Deregulierung neuer Züchtungstechniken weiter vorantreiben. Landwirtschaftsminister Daniel Zeichner kündigte an, ein Gesetz der konservativen Vorgängerregierung hierzu mit Verordnungen flankieren zu wollen. Sie sollen den bisher komplexen Zulassungsprozess auch kleinen und mittleren Unternehmen zugänglich machen sowie Investitionen in dem Bereich ankurbeln. (“Government pledges to roll out gene-edited crops in England”)
Top Agrar: Weidetierhalter wollen nicht mit BMEL zusammenarbeiten. Obwohl die EU daran arbeitet, den Schutzstatus des Wolfs abzusenken, halten Weidetierhalter- und Bauernverbände ihre Kritik an der Bundespolitik aufrecht: Vom BMEL fehle ein klares Signal, Mittel zur Regulierung des Wolfsbestands zu erarbeiten. Die Verbände wollen deshalb weiterhin die Zusammenarbeit mit dem Ministerium über das Bundeszentrum Weidetiere und Wolf (BZWW) boykottieren. (“Tierhalter boykottieren weiter Zusammenarbeit mit BMEL”)
Lebensmittelzeitung: Netto Nord will wachsen. Der zur dänischen Salling-Gruppe gehörende Discounter Netto plant, seinen Umsatz bis 2028 um fast ein Drittel zu steigern, und erhöht dafür sein Investitionsbudget. Besonders in Polen will der Discounter stark expandieren und stellt ausdrücklich weitere Übernahmen in Aussicht. Bis 2028 plant Netto, dort rund 1.000 Märkte zu betreiben. In Deutschland werden zudem alle Filialen modernisiert. (“Netto Nord investiert und will zukaufen”)
Lebensmittelzeitung: Lidl unterstützt britische Eierproduzenten. Lidl hat angekündigt, innerhalb von fünf Jahren eine Milliarde Pfund zusätzlich in die britische Eierindustrie zu investieren. Mit der Förderung will der Discounter Engpässen vorbeugen und die Verfügbarkeit von Eiern aus Freilandhaltung erhöhen. (“Lidl unterstützt britische Eierindustrie”)
Beate Huber – Leiterin Departement für internationale Zusammenarbeit, Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL)
Als FiBL-Direktionsmitglied seit 2022 will die gelernte Agraringenieurin das Schweizer Forschungsinstitut stärker international verankern. Dabei hat sie auch zu dessen deutschem Zweig einen besonderen Bezug: Bis 2006 war sie dort Geschäftsführerin und ist weiterhin Mitglied des Vorstands. Thematisch setzt sich Huber mit Gesetzgebung zum Biolandbau auseinander und koordiniert Forschungsprojekte im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit.
Matin Qaim – Direktor, Zentrum für Entwicklungsforschung, Universität Bonn
Der Professor für Agrarökonomie ist ein gefragter Experte. 2021 wurde er zum Direktor des Zentrums für Entwicklungsforschung an der Universität Bonn ernannt. Seine Forschung konzentriert sich unter anderem auf den Kleinbauernsektor von Entwicklungsländern, wo er Wechselwirkungen zwischen Landwirtschaft, Ernährung und Armut untersucht. Qaim ist Präsident der International Association of Agricultural Economists (IAAE), sowie Mitglied in der Sektion Agrar- und Ernährungswissenschaften der Leopoldina.
Gudrun Keding – Professorin für internationale Ernährungssicherung, Justus-Liebig-Universität Gießen
Als Professorin für internationale Ernährungssicherung an der Justus-Liebig-Universität Gießen hat sie das Fachgebiet dieses Jahr wieder neu aufgebaut. Zuvor war sie im Department für Nutzpflanzenwissenschaften der Universität Göttingen tätig. Ihr Forschungsinteresse gilt dem sonst eher weniger beachteten Gemüse und Obst und dessen Beitrag zur menschlichen Ernährung und zu einer nachhaltigen Landwirtschaft – insbesondere in Subsahara-Afrika.
Kai Purnhagen – Direktor, Forschungsstelle für deutsches und europäisches Lebensmittelrecht, Universität Bayreuth
Der Professor für Lebensmittelrecht leitet als einer von zwei Direktoren die Forschungsstelle für deutsches und europäisches Lebensmittelrecht an der Universität Bayreuth. Als ausgewiesener Experte im Europarecht, internationalen Handelsrecht und Privatrecht berät er Institutionen wie das Europäische Parlament. Der Rechtswissenschaftler setzt sich in Forschungsprojekten unter anderem damit auseinander, wie verhaltensgesteuerte Regulierungen, die auf Nachhaltigkeit und Gemeinwohl abzielen, rechtlich ausgestaltet sein müssen.
Bärbel Gerowitt – Professorin für Phytomedizin, Universität Rostock
Die Professorin für Phytomedizin am Institut für Landnutzung der Universität Rostock befasst sich mit der Gesundheit von Nutzpflanzen und erforscht Maßnahmen, die den Einsatz von Pestiziden minimieren und die Biodiversität in landwirtschaftlichen Systemen fördern können. Schwerpunktmäßig beschäftigt sich Gerowitt mit Agrobiodiversität und integriertem Pflanzenschutz, sowie Pflanzenschutz im ökologischen Landbau.
Achim Spiller – Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz, BMEL
Der Professor für “Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte” am Department für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung der Georg-August-Universität Göttingen forscht zu Konsumentenverhalten, Nachhaltigkeitsmanagement, Animal Welfare und Supply Chain Management im Agribusiness. Seit Dezember 2020 ist er Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft für “Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbrauchschutz” und Mitglied der Zukunftskommission Landwirtschaft.
Peter Feindt – Professor für Agrar- und Ernährungspolitik, Humboldt-Universität zu Berlin
Der promovierte Politikwissenschaftler ist eine gewichtige Stimme in der öffentlichen Debatte um die deutsche und europäische Landwirtschaftspolitik. Besonders aktiv bringt sich der Berliner Professor beim Thema Gemeinsame Agrarpolitik ein. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf der Beziehung zwischen Umwelt- und Landwirtschaftspolitik. Als Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats für Biodiversität und genetische Ressourcen sowie als Mitglied des Beirats für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz berät er das BMEL.
Cornelia Weltzien – Abteilungsleiterin Technik im Pflanzenbau, Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie und Leiterin des Gebiets Agromechatronik, Technische Universität Berlin
Die promovierte Landmaschinentechnikerin ist eine national und international anerkannte Spitzenforscherin im Bereich digitale Landwirtschaft. Seit 2015 leitet sie am Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie in Potsdam die Abteilung Technik im Pflanzenbau sowie an der Technischen Universität Berlin das Fachgebiet Agromechatronik. Die Professorin berät die Politik als Mitglied in zahlreichen Gremien zu den Themen Präzisionslandwirtschaft, Automatisierung agronomischer Prozesse und smarte Systeme, sowie Digitalisierung der Landwirtschaft.
Stephan von Cramon-Taubadel – Professor für Agrarpolitik, Universität Göttingen
Der Göttinger Agrarwissenschaftler ist Experte für Reformen des Agrarsektors in Transformationsländern – also Länder, die von einer Planwirtschaft zur Marktwirtschaft übergegangen sind – und hat bereits die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), die Weltbank und verschiedene Regierungen beraten. In der öffentlichen Debatte trat er zuletzt vor allem in Bezug auf die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf die weltweite Ernährungssicherheit in Erscheinung.
Sebastian Lakner – Professor für Agrarökonomie, Universität Rostock
Der promovierte Agrarwissenschaftler forscht zu Themen wie der Gemeinsamen Agrarpolitik, EU-Agrarumweltmaßnahmen oder der Nachhaltigkeit verschiedener Landnutzungssysteme. Unter anderem über seinen Blog bringt er sich in die agrarpolitische Debatte ein und begleitete dort etwa die Zugeständnisse im Zuge der Bauernproteste Anfang 2024 kritisch.
Mit elf Jahren war Jana Gäbert auf einem Ponygestüt. Aber anders als die anderen Kinder, die vor allem reiten wollten, fand sie die Haltung und Fütterung der Pferde spannender. “Die schönste Zeit war für mich das Heumachen, denn mich hat das Zusammenspiel von Pflanzenbau und Technik so begeistert”, sagt Gäbert. Das hat sich auch bis heute nicht verändert. Die mittlerweile 42-Jährige ist Teil der dreiköpfigen Geschäftsführung der Agrargenossenschaft Trebbin eG (AGT) in Brandenburg und dort unter anderem für die Milchviehhaltung und die strategische Entwicklung verantwortlich.
Schon seit 2010 ist Gäbert Teil der Agrargenossenschaft, anfangs im Bereich der Rindermast. Die gebürtige Brandenburgerin wusste sehr früh, dass sie in die Landwirtschaft gehen möchte. Sie beendete mehrere Studiengänge in Agrarwissenschaften, darunter einen Master mit Fokus auf Pflanzenbauwissenschaften. Nach dem Studium erschien ihr die Mitgliedschaft in einer Agrargenossenschaft am sinnvollsten, so Gäbert: “Wenn man wie ich nicht aus einer landwirtschaftlichen Familie kommt und es sich nicht leisten kann, selbst einen Hof zu kaufen, ist eine Agrargenossenschaft ein sehr niederschwelliger Einstieg in die Landwirtschaft.”
Eine Agrargenossenschaft ist ein Zusammenschluss von Landwirten und bäuerlichen Familien, die gemeinsam Landwirtschaft betreiben. Insgesamt gibt es rund 800 davon in Deutschland. Entscheidungen werden demokratisch getroffen, erklärt Gäbert. So finde bei der Agrargenossenschaft Trebbin einmal jährlich eine Gesellschafterversammlung statt, in der alle Anteilseigner über die Ausrichtungen und Investitionen abstimmen.
Die Mitarbeitenden der AGT bewirtschaften 4.000 Hektar Land – wovon ein Drittel der Fläche der Genossenschaft selbst gehört und der Rest Pachtland ist. Auf den brandenburgischen Äckern werden 14 verschiedene Kulturen angebaut, darunter Kichererbsen und Sonnenblumen, und es wird Futter für die knapp 1.500 Kühe produziert. Die Agrargenossenschaft gibt es seit mehr als 30 Jahren, anfangs mit dem Fokus auf Rindermast, heute wird nur noch Milch produziert und Pflanzenbau betrieben.
Seit 2022 ist Gäbert in der Geschäftsführung und hat die gesamte Tierproduktion im Blick. “Einen typischen Arbeitstag gibt es bei mir nicht”, erklärt sie. “Im Prinzip ist mein Job, alles dafür zu tun, dass meine Mitarbeitenden arbeiten können.” Das reiche von organisatorischen Aufgaben, wie Arbeitspläne zu erstellen, über Qualitätskontrolle des Futters bis hin zu Sperma-Bestellungen für die Zucht. Darüber hinaus ist Gäbert auch für die Öffentlichkeitsarbeit mitverantwortlich, so tritt sie regelmäßig als Speakerin auf und zeigt Interessierten, wie die Arbeit auf dem Betrieb funktioniert. Sogar Bundeskanzler Olaf Scholz war schon zu Gast in Trebbin.
Neben der landwirtschaftlichen Produktion lege man in der AGT großen Wert auf soziale Verantwortung, erklärt Gäbert: “Wir sind ein Ausbildungsbetrieb und versuchen alle Arbeitnehmer:innen zu unterstützen, indem wir zum Beispiel flexible Arbeitszeiten anbieten und eine Altersvorsorge bezahlen.” Insgesamt arbeiten 120 Personen in der Agrargenossenschaft, die meisten leben in den umliegenden Dörfern: “Es ist wie bei einem Familienbetrieb – nur alles eben etwas größer.” Sie selbst wohnt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern nur ein paar Straßen von der Hofzentrale in Klein-Schulzendorf entfernt.
Im Vergleich zu traditionellen landwirtschaftlichen Betrieben habe eine Agrargenossenschaft viele Vorteile, so Gäbert. Zwar sei man durch die Abstimmungsprozesse in der Versammlung oft langsam in Entscheidungen und “würde sich manchmal wünschen, dass alle so wirtschaften, als wäre es ihr eigener Hof” -, aber dafür teile man auch das finanzielle Risiko und habe ein großes fachliches Know-how. “Wir haben unglaublich viele Fachkräfte und können uns spezialisieren, beispielsweise haben wir zwei Mitarbeitende, die sich nur mit Bodenbearbeitung beschäftigen.”
Durch die großen Flächen habe man außerdem eine größere Resilienz gegen Extremwetter, könne sich, was die Sorten angeht, breiter aufstellen und auch mal was ausprobieren, erklärt Gäbert. Beispielsweise ist ihr der Schutz der Biodiversität ein großes Anliegen und man habe auf dem Gelände unter anderem Blühflächen für Insekten, Steilwände für Schwalben und Nistunterstützungen angelegt.
Insgesamt sieht Gäbert Agrargemeinschaften als Chance gegen das Höfesterben, das die Landwirtschaft seit Jahren erlebt: “Wenn Betriebe sich zusammenschließen, sind sie resilienter und können mit dem Druck von neuen Verordnungen besser umgehen“, so Gäbert. “Ich sehe in Kooperationsmodellen, wie der Agrargenossenschaft oder thematischen Kooperationen, viel Potenzial für die Zukunft.” Leoni Bender
Climate.Table: Kein CO₂-Speicher mehr: Wie der deutsche Wald als Klimaschützer ausfällt
Der Wald und die Landwirtschaft in Deutschland werden in den nächsten Jahrzehnten wohl deutlich weniger zum Klimaschutz beitragen können als geplant. Laut offiziellen Daten der Bundesregierung stößt der LULUCF-Sektor in Zukunft mehr Kohlendioxid aus, als er bindet – er wird also von einer CO₂-Senke zu einer CO₂-Quelle. Zur Schließung dieser Klimaschutzlücke setzt das Umweltministerium auf das “Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz” (ANK). Mit diesem Sonderprogramm fördert der Bund etwa Waldumbau, Moorvernässung und die Renaturierung von Flussauen. Erst kürzlich hatte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) gegen die deutsche LULUCF-Regel als unzureichend geklagt und eine Verurteilung der Bundesregierung erwirkt. Diese muss nun mehr Anstrengungen für den Klimaschutz nachweisen. Zur Analyse
Climate.Table: Anpassungsstrategie: BMUV legt Entwurf vor
Das Bundesumweltministerium (BMUV) hat die Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel auf den Weg gebracht. Nun geht der Entwurf in die Länder- und Verbändeanhörung. Für die Strategie haben verschiedene Ressorts Ziele für die Anpassung an den Klimawandel erarbeitet, die auch den Bereich Land und Landnutzung abdecken. Die Ausgestaltung und Quantifizierung der Ziele ist allerdings sehr unterschiedlich und bleibt oft vage. Das endgültige Strategiepapier soll laut Umweltministerin Steffi Lemke noch vor Jahresende vom Kabinett beschlossen werden. Zum Artikel