am Sonntag wird in Brandenburg ein neuer Landtag gewählt. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) schlug sich im Wahlkampf auf die Seite der Bauern. Zu Besuch beim Bauerntag in Cottbus im Juni rief er angesichts der anstehenden Abstimmung zur umstrittenen Novelle des Düngegesetzes im Bundesrat von der Bühne: “Ich werde diesem Bundesgesetz im Bundesrat nicht zustimmen.” Die im Düngegesetz enthaltene Stoffstrombilanz sei das Gegenteil von Bürokratieabbau, bekräftigte Woidke und erntete Beifall.
Ob ihm das die Landwirte am Wahltag goutieren, wird sich freilich erst zeigen. Aktuell liegt die AfD in Umfragen vor der Regierungspartei SPD. Landwirte in Sachsen und Thüringen stimmten dabei häufiger als im Durchschnitt aller Wähler für die AfD. Anlass genug, um die ehemalige Agrarpolitikerin aus Brandenburg, Kirsten Tackmann (Die Linke), nach der Stimmung unter Landwirten unmittelbar vor den Landtagswahlen zu fragen. Im Interview berichtet die Linken-Politikerin, warum Tierhalter aus ihrer Sicht in der Zwickmühle stecken und strukturpolitische Versäumnisse in ostdeutschen Bundesländern zu Problemen für landwirtschaftliche Betriebe führen.
Wir wünschen eine interessante Lektüre und ein erholsames Wochenende!
Am 22. September wird in Brandenburg ein neuer Landtag gewählt. In Umfragen liegt die AfD vorne. Erwarten Sie hier ein ähnliches Abstimmungsverhalten der Landwirte wie in Sachsen und Thüringen?
Kirsten Tackmann: Ich befürchte, dass das Ergebnis ähnlich ausfallen wird. Aber tatsächlich halte ich den Zustrom zur AfD eher für einen gesamtgesellschaftlichen Trend. Innerhalb der landwirtschaftlichen Berufsgruppe hat es sicherlich andere Ursachen, aber zugrunde liegt ein ähnliches Problem.
Und das wäre?
Der Diskurs in der Politik verschiebt sich zu Scheinlösungen. Die Bewältigung von Herausforderungen gerät währenddessen völlig aus dem Fokus, Probleme werden ausgesessen. Nun ist eine Situation entstanden, in der die Leute genug davon haben.
Sie sind vier Legislaturperioden lang MdB für den Wahlkreis Prignitz, Ostprignitz und Havelland in Brandenburg sowie agrarpolitische Sprecherin der Fraktion die Linke gewesen. Benennen Sie bitte ein Beispiel für eine solche Scheinlösung.
Das Problem hier in Ostdeutschland ist, dass nach der Wende Strukturen weggebrochen sind oder absichtsvoll weggebrochen wurden, sowohl für die Verarbeitung als auch die Vermarktung. In Brandenburg gibt es zum Beispiel kaum noch eine regional verankerte Schlachterei. Deswegen musste sich die Landwirtschaft hier strategisch auf Exportmärkte mit langen Lieferketten und Transportwegen ausrichten. Die Politik muss hier den Balanceakt bewältigen und strukturpolitisch Rahmenbedingungen schaffen, die Erzeugung sowohl für den internationalen Agrarhandel als auch regionale Wertschöpfungsketten ermöglicht.
Das tut sie aber nicht, verlangt der Landwirtschaft aber trotzdem viel ab. Einerseits soll Grünland auf Wunsch der Gesellschaft für den Klimaschutz und die Artenvielfalt erhalten bleiben. Aber gleichzeitig stellt die Politik nicht sicher, dass dort Tierhaltung ökonomisch stattfinden kann. Denn das hieße, Futter und Fleisch regional vermarkten zu können. Diese Wertschöpfungsketten existieren aber nicht. Tierhalter stecken in der Zwickmühle.
Welchen Ausweg gibt es?
Wir müssen mit vernünftigen Lösungen die übrigen 60 Prozent der landwirtschaftlichen Wähler und Wählerinnen stärken, die nicht für die AfD stimmen, um der Ampel-Koalition einen Denkzettel zu verpassen. Das sage ich auch mit Blick auf den Bodenmarkt in ostdeutschen Bundesländern. Denn es hat mit funktionierender Demokratie zu tun, sich für ein breit gestreutes Bodeneigentum starkzumachen und unterschiedliche Geschäftsmodelle zu fördern. Neben Marktfruchtbetrieben, die Raps, Getreide und Mais anbauen, muss die Politik darauf achten, jungen Leuten, die neue Kulturen, andere Geschäftsmodelle ausprobieren wollen, den Zugang zu landwirtschaftlichen Flächen zu erleichtern. Eine von der Mehrheit getragene Politik braucht ein gesellschaftspolitisches Konzept und macht keine Klientelpolitik.
Wie nehmen Sie denn die Landesbauernverbände und ihre Lobbyarbeit wahr?
Sicherlich sind viele Diskussionen blockiert worden, aber vor allem auf Bundesebene. Den thüringischen Landesbauernverband würde ich aus eigenem Erleben, wie auch den brandenburgischen, herausnehmen. Als Bundespolitikerin war ich häufiger in Thüringen und die Gespräche dort verliefen viel gesprächsbereiter und diskursiver.
… umso enttäuschter scheint ein Teil der Landwirtschaft nun zu sein. Seit einem Jahrzehnt wird das thüringische Landwirtschaftsministerium von der Linken geführt. Eine Befragung der Forschungsgruppe Wahlen zeigt: Landwirte stimmten in Thüringen überdurchschnittlich häufig für die AfD. In Thüringen war die Zustimmung zur AfD mit 40 Prozent unter den Landwirten höher als im Durchschnitt aller Wähler. Was hat die Linke falsch gemacht?
Nach meinen Informationen und den Gesprächen, die ich so führe, hat das selten etwas mit Landespolitik zu tun. Ohnehin spielt in der Agrarpolitik sowohl die EU als auch der Bund eine viel wichtigere Rolle. Die massive Kritik aus der Landwirtschaft gilt vor allem den Entscheidungen dort.
Warum hat es der Union in Thüringen nicht mehr in die Hände gespielt?
CDU und CSU haben das Zepter in der bundesweiten Landwirtschaftspolitik sehr lange in der Hand gehalten. In der Bewertung der Agrarpolitik spielt das immer noch eine Rolle. Es geht wohl darum, auch ihnen einen Denkzettel zu verpassen.
Die promovierte Tierärztin Kirsten Tackmann war von 2005 bis 2021 Mitglied im Bundestag und agrarpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke. Tackmann kandidierte für den Wahlkreis Prignitz, Ostprignitz, Havelland in Brandenburg; sie wurde in Thüringen geboren.
Mehrere Titel ändern sich, die Zuständigkeiten der neuen Kommissare zu Agrar- und Ernährungsthemen bleiben aber im Wesentlichen wie gehabt. Der Gesundheitskommissar betreut weiterhin auch Tierwohl und Lebensmittelsicherheit – inklusive der Themen Pflanzenschutz und Gentechnik. Der Agrarkommissar ist, wie bisher, für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung zuständig und damit für beide Säulen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP).
Neu ist aber: Die Arbeit des nominierten Agrarkommissars Christophe Hansen (EVP) soll künftig der Exekutiv-Vizepräsident für Kohäsion und Reformen beaufsichtigen – Raffaele Fitto von Giorgia Melonis rechtsnationaler Partei Brüder Italiens. In von der Leyens erster Amtszeit hatte das Agrarressort noch unter der Oberaufsicht von Green-Deal-Kommissar Frans Timmermans gestanden. Ein Arrangement, das viel Konfliktpotenzial barg, auch weil Timmermans sich im Agrarbereich sehr aktiv einbrachte und selbst Trilogverhandlungen führte.
Mit der geänderten Struktur mindert von der Leyen das Risiko, dass die Spanierin Teresa Ribera, die künftig als Vizepräsidentin die Umsetzung der Green-Deal-Ziele betreuen soll, für viele Agrarverbände und -politiker zu einer ähnlichen Hassfigur wird wie Timmermans. Stattdessen sendet auch die Umbenennung des Landwirtschaftskommissars in “Landwirtschaft und Ernährung” das Signal, dass die Gesamtvision in diesem Bereich künftig von ihm kommen soll, auch wenn er faktisch keine neuen Zuständigkeiten bekommt.
Entsprechend beauftragt die Kommissionschefin Hansen in seinem Ernennungsschreiben damit, das Visionspapier zur Landwirtschaft zu erarbeiten, das von der Leyen basierend auf den Empfehlungen des Strategiedialogs für die ersten 100 Tage der Amtszeit versprochen hat. Zum Vergleich: Die Farm-to-Fork-Strategie, die zuvor den Rahmen für die Agrar- und Ernährungspolitik vorgab, hatte noch die Generaldirektion für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit vorgelegt.
Die Erstellung des Visionspapiers will von der Leyen selbst direkt beaufsichtigen. Das Ernennungsschreiben zeigt, welche Empfehlungen des Strategiedialogs sie dabei besonders in den Blick nimmt. Etwa jene, GAP-Direktzahlungen vor allem an die bedürftigsten Betriebe zu vergeben. Für von der Leyen heißt das: insbesondere an kleine Betriebe. Hoffnungen auf ein starkes Agrarbudget – ebenfalls eine Forderung des Strategiedialogs – dämpft sie dagegen und spricht wiederholt von einer “zielgerichteten” GAP.
Einen besonderen Fokus legt von der Leyen erneut auf das Thema Marktmacht. Aufgabe Hansens sei es, sicherzustellen, dass Landwirte nicht systematisch unter Produktionskosten verkaufen müssten. Daneben trägt sie dem Luxemburger auf, gemeinsam mit Handelskommissar Maroš Šefčovič auf mehr “Reziprozität” und gleiche Wettbewerbsbedingungen im internationalen Handel hinzuwirken. Gemeint sein dürfte, dass Anforderungen an Importe stärker an jene angeglichen werden, die für heimische Erzeuger gelten. Das hat auch der Strategiedialog gefordert, der handelsrechtliche Spielraum hierfür ist jedoch begrenzt.
Obwohl das Thema Tierwohl symbolisch aufgewertet wird und nun mit im Titel des nominierten Gesundheitskommissars Olivér Várhelyi steht, verspricht dessen Ernennungsschreiben wenig Konkretes hierzu. Einen direkten Hinweis auf die versprochene, umfassende Tierschutzreform, die die Kommission in der letzten Amtszeit nicht vorgelegt hatte, ist nirgends zu finden. Auch die Reduktion chemischer Pestizide steht nicht in Várhelyis Aufgabenheft. Wie der Strategische Dialog nennt das Schreiben nur die Stärkung biologischer Pflanzenschutzmethoden.
Ihre zuletzt vorgebrachte Idee von Naturgutschriften bekräftigt von der Leyen explizit im Ernennungsschreiben der nominierten Umweltkommissarin, Jessika Roswall. Die Schwedin soll die Ausarbeitung von Anreizen für Maßnahmen zur Umweltverbesserung sowie private Investitionen “priorisieren”. jd
Angesichts der massiven Kritik aus der Industrie will Ursula von der Leyen bei der bereits verabschiedeten Entwaldungsrichtlinie nachbessern. Die EU-Kommissionspräsidentin kündigte am Dienstagabend in der EVP-Fraktion an, den Umsetzungszeitplan des Vorhabens noch einmal überprüfen zu wollen. Das erfuhr Table.Briefings von Personen, die mit der Sache vertraut sind. Eigentlich sollen die Regeln für große Unternehmen am 30. Dezember in Kraft treten, für kleine Unternehmen ein halbes Jahr später. Aber so wie geplant könne die Verordnung nicht kommen, habe von der Leyen gesagt, ohne konkreter zu werden.
Laut den Vorgaben dürfen Unternehmen Einfuhren bestimmter Produkte – unter anderem Kakao, Kaffee, Palmöl, Soja und Holz – nur in der EU verkaufen, wenn die Lieferanten eine Sorgfaltserklärung eingereicht haben. Diese bestätigt, dass ein Produkt nicht von einer nach dem 31. Dezember 2020 abgeholzten Fläche stammt, und dass bei seiner Herstellung die lokale Gesetzgebung eingehalten wurde.
Die EVP drängt bereits seit Monaten auf eine Verschiebung der Umsetzungsfrist. “Wir fordern die Kommission auf, die Umsetzung des Entwaldungsgesetzes unverzüglich zu verschieben“, betonten Herbert Dorfmann und Peter Liese, Sprecher der Fraktion im Landwirtschafts- bzw. Umweltausschuss des EU-Parlaments, am Donnerstag noch einmal. Liese hatte zuvor das Jahr 2027 als alternative Frist für die Umsetzung genannt und erklärt, man könne die Verschiebung kurzfristig im Dringlichkeitsverfahren annehmen.
Neben EU-Mitgliedstaaten wie Deutschland hatten sich Verbände wie Eurocommerce und mehrere Handelspartner der EU – darunter die USA, Australien und Brasilien – in den vergangenen Monaten an die EU-Kommission gewandt und um eine Verschiebung der Regeln gebeten.
“Die Entwaldungsverordnung abzusägen, wäre ein schwerer Vertrauensbruch und Fehlstart in die neue Amtszeit für die Zusammenarbeit über die eigenen Parteigrenzen hinaus”, kommentierte hingegen Delara Burkhardt, die das Gesetz als Schattenberichterstatterin für die sozialdemokratische Fraktion (S&D) mitverhandelt hatte. Ein Vorschlag für Umsetzungsleitlinien, die viele der noch offenen Fragen der Wirtschaft beantworten würden, liege seit Monaten auf von der Leyens Schreibtisch. “Sie muss ihre Hausaufgaben machen und sie endlich freigeben.”
Die S&D-Fraktion forderte von der Leyen und den Kommissionsvize Maroš Šefčovič am Donnerstag auch in einem Schreiben auf, die EU-Entwaldungsverordnung fristgerecht umzusetzen und zügig die noch fehlenden Hilfsdokumente zu veröffentlichen. “Die Europäische Union trägt eine große Verantwortung für den Schutz der Wälder weltweit“, heißt es darin. Die Annahme des Gesetzes sei “ein Meilenstein in unserem Engagement für den Naturschutz” gewesen. Die EU müsse nun auch sicherstellen, dass ihre “Handlungen den Zielen ihrer Politik entsprechen”. Auch die Grünen setzen sich für eine Einhaltung der Frist ein. Ihre Befürchtung: Wird im Gesetz die Umsetzungsfrist geändert, könnte es in diesem Verfahren zu weiteren, inhaltlichen Abschwächungen kommen.
Vonseiten der Kommission selbst hieß es am Donnerstag wie bisher: Der Termin stehe fest, man arbeite hart daran, für eine reibungslose Umsetzung zu sorgen. “Die Co-Gesetzgeber haben den Termin für das Inkrafttreten auf das nächste Jahr festgelegt, da es angesichts der anhaltend hohen Entwaldungsraten dringend erforderlich ist”, sagte ein Sprecher zu Table.Briefings. leo/tho
Die Weizenernte in Deutschland ist mit 18,8 Millionen Tonnen nicht nur die kleinste seit 1995, auch bei der Qualität ist gegenüber den vergangenen Jahren eine deutliche Verschlechterung zu verzeichnen. Nur 53 Prozent der Ernte erreiche die von den Mühlen geforderten Qualitätsstandards für Backweizen, berichtete Alexandra Hüsken, Leiterin der Getreideanalytik am Max-Rubner-Institut (MRI) am Dienstag beim Erntegespräch der Arbeitsgemeinschaft Getreideforschung in Detmold. Das ist deutlich weniger als im Durchschnitt der vergangenen sechs Jahre, in denen rund drei Viertel der Proben die von den Mühlen geforderten Kriterien erfüllten.
Im abgelaufenen Wirtschaftsjahr 2023/24 verarbeiteten die Mühlen nach Angaben der Bundesanstalt für Landwirtschaft (BLE) in Deutschland 7,65 Millionen Tonnen Weichweizen, aus dem Backwaren hergestellt werden. Hinzu kommen 435.000 Tonnen Hartweizen, der vorwiegend zu Nudeln weiterverarbeitet wird. Die deutsche Hartweizenproduktion liegt seit Jahren etwa auf einem Niveau von rund 200.000 Tonnen, sodass die Mühlen in diesem Segment traditionell auf Importe angewiesen sind.
Beim Weichweizen decken die verfügbaren rund 9,5 Millionen Tonnen rein rechnerisch zwar den Bedarf. Dennoch dürfte es für die Mühlen schwierig werden, die benötigte Ware im Inland zu beschaffen. Wichtigster Einflussfaktor ist das Exportgeschäft. Deutschland ist traditionell ein Exporteur von qualitativ hochwertigem Weizen. Im Wirtschaftsjahr 2023/24 wurden 3,9 Millionen Tonnen Weizen in Drittstaaten geliefert, und das war schon die kleinste Menge seit fünf Jahren. Hinzu kommen Ausfuhren in EU-Staaten wie die Niederlande und Belgien.
Hauptgrund für den hohen Futterweizenanteil ist der niedrige Proteingehalt, die im Durchschnitt nur 11,4 Prozent erreichten, das waren noch einmal 0,4 Prozentpunkte weniger als im Jahr 2023 und verfehlte den sechsjährigen Durchschnitt um einen Prozentpunkt. Regional zeigen sich dabei deutliche Unterschiede. Werte von 12 Prozent und mehr weisen laut MRI nur die Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Sachsen sowie Baden-Württemberg auf, wobei Thüringen mit 12,3 Prozent Spitzenreiter ist. Das Schlusslicht bilde Nordrhein-Westfalen mit 10,3 Prozent, jedoch nur knapp übertroffen von Niedersachsen mit 10,6 Prozent. Beide Länder verfügen über eine starke Mühlenindustrie, die nun gezwungen ist, mehr Rohstoff überregional zu beschaffen.
Extrem knapp ist Qualitätsweizen. Nur 13 Prozent des Weizens erreiche die Anforderungen an A-Weizen (13 Prozent Protein) und nur fünf Prozent verfüge über die für E-Weizen geforderten 14 Prozent Eiweiß. In den vergangenen sechs Jahren waren es im Durchschnitt jeweils rund 20 Prozent, die in diesen Weizenklassen vermarktet werden konnten. Das knappe Angebot spiegele sich in hohen Prämien wider, erklärte Christian Schürmann, Vorstand der Raiffeisen Westfalen-Lippe auf der Tagung. Für A-Weizen würden die Landwirte gegenüber Brotweizen einen Zuschlag von rund 25 Euro pro Tonne erhalten. Bei E-Weizen seien es noch einmal fünf bis zehn Euro mehr.
Die Roggenernte ist qualitativ deutlich besser ausgefallen als die Weizenernte. 99,6 Prozent der Produktion können als Brotroggen verarbeitet werden. Bei einer Erntemenge von 2,6 Millionen Tonnen lässt sich der Bedarf der Mühlen von rund 700.000 Tonnen problemlos decken. Gestiegen ist allerdings das Vorkommen von Mutterkorn, eines giftigen Getreidepilzes. Bislang brachten 37 Prozent der Proben einen erhöhten Anteil an Besatz mit Mutterkornsklerotien, ein Ruhezustand des Pilzes. Durch eine Reinigung des aus der Landwirtschaft angelieferten Roggens könnten die gesetzlichen Grenzwerte aber eingehalten werden, sagte Hüsken. Das MRI analysierte in den vergangenen Wochen rund 1.500 Weizen- und 500 Roggenproben aus der Ernte 2024 und fasste die Ergebnisse in der “Vorläufigen besonderen Ernte- und Qualitätsermittlung” zusammen. SB
Die liberale Renew-Fraktion hat Sandro Gozi als Co-Berichterstatter für die EU-Richtlinie zu Green Claims benannt, wie ein Fraktionssprecher bestätigt. Der Italiener teilt sich den Posten mit der deutschen S&D-Abgeordneten Delara Burkhardt, die die Sozialdemokraten vergangene Woche ernannt hatten. Gozi vertritt dabei den Binnenmarkt-Ausschuss (IMCO), Burkhardt den Umweltausschuss (ENVI). Die Ausschüsse sind gemeinsam für die Richtlinie zuständig, die irreführende Klimaversprechen auf Produktverpackungen verhindern soll.
Burkhardt ist umweltpolitische Sprecherin der S&D-Fraktion und war in der vergangenen Legislaturperiode unter anderem Schattenberichterstatterin für die Verpackungsverordnung. Gozi ist Mitglied des Präsidiums der Renew-Fraktion und hat sich bisher eher mit Reformen der EU-Institutionen befasst, denn mit Verbraucherschutzthemen.
Die Neubesetzungen sind notwendig, weil die bisherigen Berichterstatter Cyrus Engerer (S&D) und Andrus Ansip (Renew) bei den Europawahlen nicht erneut angetreten waren. Das EU-Parlament hat bereits im März seine Verhandlungsposition zur Green-Claims-Richtlinie beschlossen, der Umweltrat im Juni. Die Trilogverhandlungen können erst beginnen, sobald die neue EU-Kommission ihre Arbeit aufgenommen hat. Als wahrscheinlich gilt, dass die Gespräche erst Anfang kommenden Jahres aufgenommen werden. jd/leo
Seit 2021 erhebt die EU ein neues Eigenmittel, das zur Rückzahlung des Wiederaufbaufonds beitragen soll: Mitgliedstaaten müssen pro Kilo nicht recyceltem Plastikmüll 0,8 Euro in den EU-Haushalt zahlen. In einem neuen Bericht kritisiert der EU-Rechnungshof, dass die Bemessung des neuen Eigenmittels fehleranfällig sei und ungenügend kontrolliert werde. Dies führe dazu, dass das Eigenmittel wahrscheinlich falsch berechnet werde.
7,2 Milliarden Euro nahm die EU 2023 über das neue Eigenmittel ein, was circa vier Prozent des Haushalts entspricht. Aber ob dies der finale Betrag sein wird, ist unklar. Denn die ersten Schätzungen haben sich als ungenau erwiesen, wie der Rechnungshof feststellt. So sei 2021 die Menge nicht wiederverwendeter Plastikabfälle um 1,4 Milliarden Kilogramm oder knapp 20 Prozent unterschätzt worden. Das führt dazu, dass der Beitrag, den die Mitgliedstaaten in den Haushalt einzahlen, nachträglich angepasst werden muss.
Der Rechnungshof berichtet zudem, dass es beim Start des neuen Eigenmittels erhebliche Umsetzungsprobleme gegeben habe. “Der Hof kommt zu dem Schluss, dass die Mitgliedstaaten nicht ausreichend auf die Einführung der Eigenmittel auf der Grundlage nicht recycelter Verpackungsabfälle aus Kunststoff vorbereitet waren”, steht im Bericht. Zudem seien die verwendeten Daten “nicht ausreichend vergleichbar und zuverlässig“.
Die Mitgliedstaaten wenden laut Rechnungshof nicht die korrekten Verfahren für die Datenzusammenstellung an. Zudem sei nicht garantiert, dass die als recycelt deklarierten Kunststoffabfälle tatsächlich wiederverwendet würden. Der Rechnungshof bewertet die Kontrollen der Kommission als nicht ausreichend. Ein weiterer kritischer Punkt sei die Ausfuhr von Plastikabfällen, da die Mitgliedstaaten nicht garantieren können, dass die Recyclingprozesse in Drittstaaten den Normen der EU entsprechen.
Ein zentrales Problem ist laut den Prüfern des Rechnungshofs die verspätete und mangelhafte nationale Umsetzung der Richtlinie über Verpackungen und Verpackungsabfälle. Nur fünf Mitgliedstaaten hatten die Richtlinie rechtzeitig umgesetzt. Mittlerweile sei die Richtlinie zwar fast überall in nationales Recht überführt worden, doch unterschieden sich die verwendeten Definitionen von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat. Die Prüfer fordern die EU-Kommission auf, hier ordnend einzuschreiten.
Ein Sprecher der Kommission sagte, dass die Kommission die Kritik und die Vorschläge des Rechnungshofs in Teilen akzeptiere. Es sei notwendig, die Datenvergleichbarkeit zu verbessern. Zudem habe die Kommission neue Maßnahmen getroffen, um sicherzustellen, dass als recycelt gemeldete Abfälle auch tatsächlich recycelt würden. jaa
Joachim Rukwied – Präsident Deutscher Bauernverband
Er ist die zentrale Figur der deutschen Agrarpolitik: Seit 2012 steht Joachim Rukwied als Präsident an der Spitze des Deutschen Bauernverbands. Der Landwirt aus Heilbronn setzt sich für die wirtschaftlichen Interessen der Bauern ein und plädiert für einen ausgewogenen Weg zwischen Klimaschutz und landwirtschaftlicher Praxis. Als ehemaliger Präsident des europäischen Bauernverbands COPA ist Rukwied auch auf europäischer Ebene bestens vernetzt.
Stephanie Franck – Vorsitzende Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter (BDP)
Als Stephanie Franck 2013 erstmals zur BDP-Vorsitzenden gewählt wurde, war sie die erste Frau an der Spitze des Pflanzenzüchter-Verbands. Die studierte Agrarwissenschaftlerin ließ sich davon nicht abschrecken und führt den BDP seit mehr als einem Jahrzehnt. Daneben ist sie stellvertretende Vorsitzende der Gemeinschaft zur Förderung von Pflanzeninnovation (GFPi). Im Jahr 2006 ist sie in das familieneigene Unternehmen, die Pflanzenzucht Oberlimpurg in Schwäbisch-Hall, als geschäftsführende Gesellschafterin eingetreten.
Leo von Stockhausen – Geschäftsführer Familienbetriebe Land und Forst
In der Agrarszene ist er schon länger bekannt: Der studierte Agrarökonom war zunächst beim Deutschen Bauernverband und der Landwirtschaftlichen Rentenbank tätig, bevor er 2023 der neue Geschäftsführer der Familienbetriebe Land und Forst wurde. Stockhausen ist in Berlin eng verbandelt mit Politik, Wirtschaft und Verbänden.
René Püchner – Präsident Lebensmittelverband Deutschland
Als Präsident des Lebensmittelverbands Deutschland ist Püchner einer der Wortführer der heftigen Kritik der Branche an den Plänen für ein Kinder-Lebensmittel-Werbegesetz (KLWG). Die Ernährungsstrategie der Bundesregierung und den Green Deal der EU zählt der Geschäftsführer der Capri Sun Vertriebs GmbH zu den größten Herausforderungen des Sektors.
Susanne Schulze Bockeloh – Vizepräsidentin Deutscher Bauernverband
Für ihre Stelle musste der Deutsche Bauernverband (DBV) erst seine Satzung ändern: Susanne Schulze Bockeloh ist seit 2022 die erste Vizepräsidentin des DBV. Dort vertritt die ausgebildete Agraringenieurin und Landwirtin die Interessen landwirtschaftlicher Unternehmerinnen. Mitgestalten ist ihr Stichwort: Sie ist unter anderem Mitglied des Rats der Stadt Münster, Mitglied des Aufsichtsrats der Agravis Raiffeisen AG und Mitglied des WDR-Rundfunkrats.
Dr. Holger Hennies – Präsident Landvolk Niedersachsen Landesbauernverband
Der promovierte Agrarökonom steht seit 2021 als Präsident an der Spitze des Landvolkes Niedersachsen. 2022 wurde er zum DBV-Vizepräsident gewählt, außerdem ist er Vorsitzender des DBV-Fachausschusses Agrarrecht. Der niedersächsische Landvolkpräsident sitzt auch in der Zukunftskommission Landwirtschaft. Dort will er Klimaschutz und Artenvielfalt gemeinsam “im Sinne der Landwirtschaft” voranbringen.
Tina Andres – Vorsitzende des Bunds Ökologische Lebensmittelwirtschaft
Die studierte Biologin ist Vorsitzende des Bunds ökologische Lebensmittelwirtschaft (Bölw). Als solche setzt sie sich für den Wandel zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft und gesünderen Ernährungsweise ein. Zugleich ist sie Vorständin der Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaft und Genossenschaft Landwege in Lübeck.
Jörg Migende – Hauptgeschäftsführer Deutscher Raiffeisenverband
Der Diplom-Agraringenieur ist seit Anfang 2024 Hauptgeschäftsführer des Deutschen Raiffeisenverbands (DRV). Migende bringt die Erfahrung mit, um den Genossenschaftsverband zukunftsfest aufzustellen. Bei der Baywa AG in München baute er den Geschäftsbereich Digital Farming auf, verantwortete das Agrargeschäft des Konzerns in Deutschland und leitete den Bereich Corporate Public Affairs.
Jörg Andreas Krüger – Präsident des Naturschutzbunds Deutschland
In den 1980er-Jahren leistete er seinen Zivildienst beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu), heute ist der studierte Landschaftsarchitekt dessen Präsident. Für Natur- und Umweltschutz setzt sich der Göttinger in vielen relevanten Gremien ein – etwa als Mitglied der Zukunftskommission Landwirtschaft oder im Wissenschaftlichen Beirat des Thünen-Instituts.
Jan Plagge – Präsident von Bioland und Ifoam Organics Europe
Der Diplom-Agraringenieur ist in den vergangenen 13 Jahren zu einer der führenden Stimmen des Bio-Landbaus geworden. Dessen Interessen vertritt er hierzulande als langjähriger Präsident von Bioland, Deutschlands größtem Öko-Anbauverband, und in Brüssel an der Spitze des europäischen Bio-Dachverbands Ifoam Organics Europe.
Euractiv: Ungarische Opposition sieht Tierschutzressort als Schmach. Dass EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen dem nominierten ungarischen Kommissar Oliver Várhelyi das Ressort für Gesundheit und Tierwohl zugeteilt hat, sehen Oppositionspolitiker im Land als Zeichen für einen Bedeutungsverlust Ungarns in Brüssel. Sie machen Regierungschef Viktor Orbán dafür verantwortlich, dass Várhelyi einen aus ihrer Sicht unbedeutenden Posten bekommen soll. Als bisheriger Erweiterungskommissar hatte Várhelyi immer wieder für Kontroversen gesorgt. (“Várhelyis ‘demütigendes’ Ressort ein Zeichen der Marginalisierung Ungarns”)
The Guardian: Ausbeutung auf dem Bio-Bauernhof. Bei einer verdeckten Recherche auf einem deutschen Bauernhof erlebte die tschechische Journalistin Saša Uhlová Ausbeutung und großen Druck. Sie beobachtete etwa, wie ausländische Saisonarbeitskräfte teils länger arbeiten, als dokumentiert wird, und so gesetzliche Höchstarbeitszeiten umgangen werden. Der Betrieb, auf dem Uhlová sich selbst als Arbeiterin ausgab, ist ein Bio-Hof, der sich vor allem an eine besserverdienende Kundschaft richtet. (“Undercover as a farm worker in Germany: ‘My hands are numb. No one knows when the shift will end'”)
Euractiv: Niederländer wollen zurück zur Elektrofischerei. Die niederländische Regierung fordert die Wiederzulassung des elektrischen Impulsfischens, das seit 2021 in der EU verbotenen ist. Das Verbot der Elektrofischerei stammt aus dem Jahr 1998, bevor die EU sie 2006 im südlichen Teil der Nordsee auf “experimenteller” Basis erneut genehmigte. Die Mitgliedstaaten durften fünf Prozent ihrer Flotten hierfür einsetzen. Zwischen 2006 und 2021 waren es hauptsächlich niederländische Schiffe, die diese Art der Fischerei in der Nordsee betrieben. (“Niederlande will EU-Verbot der Elektrofischerei rückgängig machen”)
Lebensmittelzeitung: Verbraucher werfen abgelaufene Lebensmittel nicht sofort weg. Zwölf Prozent der Deutschen nehmen das Mindesthaltbarkeitsdatum nicht so genau. Sie konsumieren auch Produkte, deren Mindesthaltbarkeitsdatum kürzlich abgelaufen ist. Nur sechs Prozent gaben an, abgelaufene Lebensmittel sofort wegzuwerfen. (“Abgelaufenes MHD schreckt nur eine Minderheit vom Verzehr ab”)
New York Times: The Hidden Environmental Costs of Food. Die Schäden an der Natur zu ermitteln, die nicht durch den Lebensmittelpreis gedeckt sind, ist das Ziel der niederländischen NGO True Price. Sie hat einen Datensatz erstellt, der die geschätzten Umweltkosten in drei Kategorien unterteilt: Klimawandel durch Treibhausgasemissionen, Wasserverbrauch und Auswirkungen der Landnutzung auf das Ökosystem. So bezahlen Verbraucher für ein Pfund Rindfleisch in den USA 5,34 Dollar, doch der “wahre” Preis beläuft sich auf 27,35 Dollar, würden Umweltkosten wie Emissionen (vornehmlich durch Rülpsen und Gülle), Wasserverbrauch und die Auswirkungen auf das Ökosystem berücksichtigt werden. (“The Hidden Environmental Costs of Food”)
Wir stellen die nominierten neuen Kommissare vor, deren Zuständigkeitsbereiche Agrifood-Themen betreffen. Das Porträt des nominierten Kommissars für Landwirtschaft und Ernährung, Christophe Hansen (EVP), können Sie hier noch einmal nachlesen.
Als Exekutiv-Vizepräsident soll Raffaele Fitto auch die Arbeit des Agrarkommissars beaufsichtigen. Selbst soll der Italiener die Kohäsionspolitik verantworten. Damit spielt er auch eine Schlüsselrolle in den Verhandlungen um den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen.
Fitto hat Erfahrung auf dem Gebiet, als Minister für Europäische Angelegenheiten im Kabinett von Giorgia Meloni war er für die rund 200 Milliarden Euro aus dem EU-Wiederaufbaufonds zuständig. Seine herausgehobene Stellung ist ein Zugeständnis von der Leyens an Italiens Ministerpräsidentin Meloni. Bis zu seinem Wechsel nach Rom im Herbst 2022 war Fitto Co-Vorsitzender der rechtskonservativen EKR-Fraktion im Europaparlament – und zieht damit Kritik von den linken Kräften im Parlament auf sich.
Die Spanierin hat als Exekutiv-Vizepräsidentin zwar nicht direkt Agrar- und Lebensmittelthemen unter ihrer Aufsicht, aber die benachbarten Gebiete Klima- und Umweltschutz. Auch die Wettbewerbspolitik fällt in ihren Bereich. Als bisherige spanische Umweltministerin und stellvertretende Premierministerin hat sie, vor allem während der EU-Ratspräsidentschaft des Landes im vergangenen Jahr, schon an der Umsetzung des Green Deal gearbeitet.
Ribera ist die mächtigste Sozialdemokratin im Kabinett. Zwischenzeitliche Sorgen über ihre Rolle im konservativen Lager scheinen mit der Bekanntgabe des Ressortzuschnitts beigelegt: EVP-Chef Manfred Weber zeigte sich am Dienstag in Straßburg erfreut, dass es keinen zweiten übermächtigen Frans Timmermans geben wird. Auch Ribera selbst gibt sich kompromissbereit. Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit in Einklang bringen könne man zum Beispiel durch Lockerungen bei den EU-Beihilferegeln, um mehr Investitionen in den Klimaschutz zu ermöglichen, sagt sie im Interview mit der Financial Times nach ihrer Nominierung.
Der 58-Jährige geht bereits in seine vierte Amtszeit in der Kommission. Seit 2009 ist er deren Mitglied, zuvor war er bereits Ständiger Vertreter der Slowakei bei der EU. Für von der Leyen dient der parteilose Diplomat als Allzweckwaffe. In der neuen Kommission soll er nicht nur für Handel, sondern auch Wirtschaftssicherheit verantwortlich sein, was die Verschiebung der Prioritäten zeigt.
Šefčovičs langjährige diplomatische und EU-politische Erfahrung könnte ihm dabei helfen, den Drahtseilakt zu bewältigen, der in Sachen Außenhandel auf ihn zukommt: Er soll Handelsabkommen wie jenes mit den Mercosur-Ländern unter Dach und Fach bringen und Handelspartnerschaften vertiefen, gleichzeitig aber auch auf Nachhaltigkeit und faire Wettbewerbsbedingungen pochen.
Der bisherige Erweiterungskommissar soll im Kabinett bleiben – zumindest will sein Ministerpräsident Viktor Orbán das so. Von der Leyen hat dem 52-jährigen Juristen das Ressort für Gesundheit und Tierwohl zugedacht, das auch die Lebensmittelsicherheit einschließt – in der Annahme, dass er “willens und in der Lage ist zu liefern”, wie es in der Kommission heißt. Allerdings wird der Orbán-Vertraute es nicht leicht haben, die Anhörung im Europaparlament zu überstehen.
Schafft er es doch, könnte er auch auf Ernährungsthemen Einfluss nehmen. Denn auch der Kampf gegen nichtübertragbare Krankheiten wie Krebs oder Adipositas fällt in sein Ressort und damit auch mögliche Maßnahmen, um eine gesündere, pflanzenbasierte Ernährung zu befördern. Dass der Ungar hier als treibende Kraft wirkt, scheint unwahrscheinlich, nimmt die Orbán-Regierung doch zu Ernährungsthemen eine sehr traditionalistische Haltung ein.
Roswall soll unter Aufsicht von Teresa Ribera eine neue bioökonomische Strategie für die EU vorschlagen. Von der Leyen verlangt von ihr auch eine Vereinfachung der Chemikalienverordnung REACH. In ihren Bereich fallen Naturschutzthemen wie die Höchstwerte von Nitrat im Grundwasser, die auch Deutschland an vielen Stellen weiter reißt, oder der Artenschutz.
Welchen Unterschied es zum Beispiel für die Debatte um den Schutz von Wolf, Kormoran und Co. macht, dass mit Roswall nun eine Konservative das Amt innehat statt des Grünen-nahen Virginijus Sinkevičius, bleibt abzuwarten. Bisher war die Schwedin EU-Ministerin des Landes und hatte mit Umweltpolitik kaum Berührungspunkte.
Der Bereich Fischerei und Ozeane wurde vom Umweltressort abgespalten. Trotzdem bringt Kadis vor allem einen Umwelthintergrund mit: Der 57-Jährige ist promovierter Biologe, der zuletzt als Professor Umweltwissenschaften lehrte. Zuvor war er als Landwirtschaftsminister auch für Ökologie zuständig.
Der Zypriot soll den ersten Europäischen Ozeanpakt erarbeiten, sagte von der Leyen, ohne allzu konkret zu erläutern, was sich hinter der klangvollen Ankündigung verbirgt. Zudem ist er für die Gemeinsame Fischereipolitik (GFP) und die Aushandlung der Fangquoten zuständig.
Europe.Table: DUH: Bundesregierung muss ab sofort mehr für Wald- und Moorschutz tun
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordert von der Bundesregierung sofortige Maßnahmen zum besseren Schutz von Mooren und Wäldern. Sie beruft sich auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom Mai, das nun rechtskräftig geworden ist. Bis zum 31. Oktober erwartet die DUH, die in dem Fall geklagt hatte, konkrete Vorschläge, um die Klimaziele im Landnutzungssektor zu erreichen. Andernfalls wolle sie ein Vollstreckungsverfahren einleiten. Zum Artikel
am Sonntag wird in Brandenburg ein neuer Landtag gewählt. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) schlug sich im Wahlkampf auf die Seite der Bauern. Zu Besuch beim Bauerntag in Cottbus im Juni rief er angesichts der anstehenden Abstimmung zur umstrittenen Novelle des Düngegesetzes im Bundesrat von der Bühne: “Ich werde diesem Bundesgesetz im Bundesrat nicht zustimmen.” Die im Düngegesetz enthaltene Stoffstrombilanz sei das Gegenteil von Bürokratieabbau, bekräftigte Woidke und erntete Beifall.
Ob ihm das die Landwirte am Wahltag goutieren, wird sich freilich erst zeigen. Aktuell liegt die AfD in Umfragen vor der Regierungspartei SPD. Landwirte in Sachsen und Thüringen stimmten dabei häufiger als im Durchschnitt aller Wähler für die AfD. Anlass genug, um die ehemalige Agrarpolitikerin aus Brandenburg, Kirsten Tackmann (Die Linke), nach der Stimmung unter Landwirten unmittelbar vor den Landtagswahlen zu fragen. Im Interview berichtet die Linken-Politikerin, warum Tierhalter aus ihrer Sicht in der Zwickmühle stecken und strukturpolitische Versäumnisse in ostdeutschen Bundesländern zu Problemen für landwirtschaftliche Betriebe führen.
Wir wünschen eine interessante Lektüre und ein erholsames Wochenende!
Am 22. September wird in Brandenburg ein neuer Landtag gewählt. In Umfragen liegt die AfD vorne. Erwarten Sie hier ein ähnliches Abstimmungsverhalten der Landwirte wie in Sachsen und Thüringen?
Kirsten Tackmann: Ich befürchte, dass das Ergebnis ähnlich ausfallen wird. Aber tatsächlich halte ich den Zustrom zur AfD eher für einen gesamtgesellschaftlichen Trend. Innerhalb der landwirtschaftlichen Berufsgruppe hat es sicherlich andere Ursachen, aber zugrunde liegt ein ähnliches Problem.
Und das wäre?
Der Diskurs in der Politik verschiebt sich zu Scheinlösungen. Die Bewältigung von Herausforderungen gerät währenddessen völlig aus dem Fokus, Probleme werden ausgesessen. Nun ist eine Situation entstanden, in der die Leute genug davon haben.
Sie sind vier Legislaturperioden lang MdB für den Wahlkreis Prignitz, Ostprignitz und Havelland in Brandenburg sowie agrarpolitische Sprecherin der Fraktion die Linke gewesen. Benennen Sie bitte ein Beispiel für eine solche Scheinlösung.
Das Problem hier in Ostdeutschland ist, dass nach der Wende Strukturen weggebrochen sind oder absichtsvoll weggebrochen wurden, sowohl für die Verarbeitung als auch die Vermarktung. In Brandenburg gibt es zum Beispiel kaum noch eine regional verankerte Schlachterei. Deswegen musste sich die Landwirtschaft hier strategisch auf Exportmärkte mit langen Lieferketten und Transportwegen ausrichten. Die Politik muss hier den Balanceakt bewältigen und strukturpolitisch Rahmenbedingungen schaffen, die Erzeugung sowohl für den internationalen Agrarhandel als auch regionale Wertschöpfungsketten ermöglicht.
Das tut sie aber nicht, verlangt der Landwirtschaft aber trotzdem viel ab. Einerseits soll Grünland auf Wunsch der Gesellschaft für den Klimaschutz und die Artenvielfalt erhalten bleiben. Aber gleichzeitig stellt die Politik nicht sicher, dass dort Tierhaltung ökonomisch stattfinden kann. Denn das hieße, Futter und Fleisch regional vermarkten zu können. Diese Wertschöpfungsketten existieren aber nicht. Tierhalter stecken in der Zwickmühle.
Welchen Ausweg gibt es?
Wir müssen mit vernünftigen Lösungen die übrigen 60 Prozent der landwirtschaftlichen Wähler und Wählerinnen stärken, die nicht für die AfD stimmen, um der Ampel-Koalition einen Denkzettel zu verpassen. Das sage ich auch mit Blick auf den Bodenmarkt in ostdeutschen Bundesländern. Denn es hat mit funktionierender Demokratie zu tun, sich für ein breit gestreutes Bodeneigentum starkzumachen und unterschiedliche Geschäftsmodelle zu fördern. Neben Marktfruchtbetrieben, die Raps, Getreide und Mais anbauen, muss die Politik darauf achten, jungen Leuten, die neue Kulturen, andere Geschäftsmodelle ausprobieren wollen, den Zugang zu landwirtschaftlichen Flächen zu erleichtern. Eine von der Mehrheit getragene Politik braucht ein gesellschaftspolitisches Konzept und macht keine Klientelpolitik.
Wie nehmen Sie denn die Landesbauernverbände und ihre Lobbyarbeit wahr?
Sicherlich sind viele Diskussionen blockiert worden, aber vor allem auf Bundesebene. Den thüringischen Landesbauernverband würde ich aus eigenem Erleben, wie auch den brandenburgischen, herausnehmen. Als Bundespolitikerin war ich häufiger in Thüringen und die Gespräche dort verliefen viel gesprächsbereiter und diskursiver.
… umso enttäuschter scheint ein Teil der Landwirtschaft nun zu sein. Seit einem Jahrzehnt wird das thüringische Landwirtschaftsministerium von der Linken geführt. Eine Befragung der Forschungsgruppe Wahlen zeigt: Landwirte stimmten in Thüringen überdurchschnittlich häufig für die AfD. In Thüringen war die Zustimmung zur AfD mit 40 Prozent unter den Landwirten höher als im Durchschnitt aller Wähler. Was hat die Linke falsch gemacht?
Nach meinen Informationen und den Gesprächen, die ich so führe, hat das selten etwas mit Landespolitik zu tun. Ohnehin spielt in der Agrarpolitik sowohl die EU als auch der Bund eine viel wichtigere Rolle. Die massive Kritik aus der Landwirtschaft gilt vor allem den Entscheidungen dort.
Warum hat es der Union in Thüringen nicht mehr in die Hände gespielt?
CDU und CSU haben das Zepter in der bundesweiten Landwirtschaftspolitik sehr lange in der Hand gehalten. In der Bewertung der Agrarpolitik spielt das immer noch eine Rolle. Es geht wohl darum, auch ihnen einen Denkzettel zu verpassen.
Die promovierte Tierärztin Kirsten Tackmann war von 2005 bis 2021 Mitglied im Bundestag und agrarpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke. Tackmann kandidierte für den Wahlkreis Prignitz, Ostprignitz, Havelland in Brandenburg; sie wurde in Thüringen geboren.
Mehrere Titel ändern sich, die Zuständigkeiten der neuen Kommissare zu Agrar- und Ernährungsthemen bleiben aber im Wesentlichen wie gehabt. Der Gesundheitskommissar betreut weiterhin auch Tierwohl und Lebensmittelsicherheit – inklusive der Themen Pflanzenschutz und Gentechnik. Der Agrarkommissar ist, wie bisher, für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung zuständig und damit für beide Säulen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP).
Neu ist aber: Die Arbeit des nominierten Agrarkommissars Christophe Hansen (EVP) soll künftig der Exekutiv-Vizepräsident für Kohäsion und Reformen beaufsichtigen – Raffaele Fitto von Giorgia Melonis rechtsnationaler Partei Brüder Italiens. In von der Leyens erster Amtszeit hatte das Agrarressort noch unter der Oberaufsicht von Green-Deal-Kommissar Frans Timmermans gestanden. Ein Arrangement, das viel Konfliktpotenzial barg, auch weil Timmermans sich im Agrarbereich sehr aktiv einbrachte und selbst Trilogverhandlungen führte.
Mit der geänderten Struktur mindert von der Leyen das Risiko, dass die Spanierin Teresa Ribera, die künftig als Vizepräsidentin die Umsetzung der Green-Deal-Ziele betreuen soll, für viele Agrarverbände und -politiker zu einer ähnlichen Hassfigur wird wie Timmermans. Stattdessen sendet auch die Umbenennung des Landwirtschaftskommissars in “Landwirtschaft und Ernährung” das Signal, dass die Gesamtvision in diesem Bereich künftig von ihm kommen soll, auch wenn er faktisch keine neuen Zuständigkeiten bekommt.
Entsprechend beauftragt die Kommissionschefin Hansen in seinem Ernennungsschreiben damit, das Visionspapier zur Landwirtschaft zu erarbeiten, das von der Leyen basierend auf den Empfehlungen des Strategiedialogs für die ersten 100 Tage der Amtszeit versprochen hat. Zum Vergleich: Die Farm-to-Fork-Strategie, die zuvor den Rahmen für die Agrar- und Ernährungspolitik vorgab, hatte noch die Generaldirektion für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit vorgelegt.
Die Erstellung des Visionspapiers will von der Leyen selbst direkt beaufsichtigen. Das Ernennungsschreiben zeigt, welche Empfehlungen des Strategiedialogs sie dabei besonders in den Blick nimmt. Etwa jene, GAP-Direktzahlungen vor allem an die bedürftigsten Betriebe zu vergeben. Für von der Leyen heißt das: insbesondere an kleine Betriebe. Hoffnungen auf ein starkes Agrarbudget – ebenfalls eine Forderung des Strategiedialogs – dämpft sie dagegen und spricht wiederholt von einer “zielgerichteten” GAP.
Einen besonderen Fokus legt von der Leyen erneut auf das Thema Marktmacht. Aufgabe Hansens sei es, sicherzustellen, dass Landwirte nicht systematisch unter Produktionskosten verkaufen müssten. Daneben trägt sie dem Luxemburger auf, gemeinsam mit Handelskommissar Maroš Šefčovič auf mehr “Reziprozität” und gleiche Wettbewerbsbedingungen im internationalen Handel hinzuwirken. Gemeint sein dürfte, dass Anforderungen an Importe stärker an jene angeglichen werden, die für heimische Erzeuger gelten. Das hat auch der Strategiedialog gefordert, der handelsrechtliche Spielraum hierfür ist jedoch begrenzt.
Obwohl das Thema Tierwohl symbolisch aufgewertet wird und nun mit im Titel des nominierten Gesundheitskommissars Olivér Várhelyi steht, verspricht dessen Ernennungsschreiben wenig Konkretes hierzu. Einen direkten Hinweis auf die versprochene, umfassende Tierschutzreform, die die Kommission in der letzten Amtszeit nicht vorgelegt hatte, ist nirgends zu finden. Auch die Reduktion chemischer Pestizide steht nicht in Várhelyis Aufgabenheft. Wie der Strategische Dialog nennt das Schreiben nur die Stärkung biologischer Pflanzenschutzmethoden.
Ihre zuletzt vorgebrachte Idee von Naturgutschriften bekräftigt von der Leyen explizit im Ernennungsschreiben der nominierten Umweltkommissarin, Jessika Roswall. Die Schwedin soll die Ausarbeitung von Anreizen für Maßnahmen zur Umweltverbesserung sowie private Investitionen “priorisieren”. jd
Angesichts der massiven Kritik aus der Industrie will Ursula von der Leyen bei der bereits verabschiedeten Entwaldungsrichtlinie nachbessern. Die EU-Kommissionspräsidentin kündigte am Dienstagabend in der EVP-Fraktion an, den Umsetzungszeitplan des Vorhabens noch einmal überprüfen zu wollen. Das erfuhr Table.Briefings von Personen, die mit der Sache vertraut sind. Eigentlich sollen die Regeln für große Unternehmen am 30. Dezember in Kraft treten, für kleine Unternehmen ein halbes Jahr später. Aber so wie geplant könne die Verordnung nicht kommen, habe von der Leyen gesagt, ohne konkreter zu werden.
Laut den Vorgaben dürfen Unternehmen Einfuhren bestimmter Produkte – unter anderem Kakao, Kaffee, Palmöl, Soja und Holz – nur in der EU verkaufen, wenn die Lieferanten eine Sorgfaltserklärung eingereicht haben. Diese bestätigt, dass ein Produkt nicht von einer nach dem 31. Dezember 2020 abgeholzten Fläche stammt, und dass bei seiner Herstellung die lokale Gesetzgebung eingehalten wurde.
Die EVP drängt bereits seit Monaten auf eine Verschiebung der Umsetzungsfrist. “Wir fordern die Kommission auf, die Umsetzung des Entwaldungsgesetzes unverzüglich zu verschieben“, betonten Herbert Dorfmann und Peter Liese, Sprecher der Fraktion im Landwirtschafts- bzw. Umweltausschuss des EU-Parlaments, am Donnerstag noch einmal. Liese hatte zuvor das Jahr 2027 als alternative Frist für die Umsetzung genannt und erklärt, man könne die Verschiebung kurzfristig im Dringlichkeitsverfahren annehmen.
Neben EU-Mitgliedstaaten wie Deutschland hatten sich Verbände wie Eurocommerce und mehrere Handelspartner der EU – darunter die USA, Australien und Brasilien – in den vergangenen Monaten an die EU-Kommission gewandt und um eine Verschiebung der Regeln gebeten.
“Die Entwaldungsverordnung abzusägen, wäre ein schwerer Vertrauensbruch und Fehlstart in die neue Amtszeit für die Zusammenarbeit über die eigenen Parteigrenzen hinaus”, kommentierte hingegen Delara Burkhardt, die das Gesetz als Schattenberichterstatterin für die sozialdemokratische Fraktion (S&D) mitverhandelt hatte. Ein Vorschlag für Umsetzungsleitlinien, die viele der noch offenen Fragen der Wirtschaft beantworten würden, liege seit Monaten auf von der Leyens Schreibtisch. “Sie muss ihre Hausaufgaben machen und sie endlich freigeben.”
Die S&D-Fraktion forderte von der Leyen und den Kommissionsvize Maroš Šefčovič am Donnerstag auch in einem Schreiben auf, die EU-Entwaldungsverordnung fristgerecht umzusetzen und zügig die noch fehlenden Hilfsdokumente zu veröffentlichen. “Die Europäische Union trägt eine große Verantwortung für den Schutz der Wälder weltweit“, heißt es darin. Die Annahme des Gesetzes sei “ein Meilenstein in unserem Engagement für den Naturschutz” gewesen. Die EU müsse nun auch sicherstellen, dass ihre “Handlungen den Zielen ihrer Politik entsprechen”. Auch die Grünen setzen sich für eine Einhaltung der Frist ein. Ihre Befürchtung: Wird im Gesetz die Umsetzungsfrist geändert, könnte es in diesem Verfahren zu weiteren, inhaltlichen Abschwächungen kommen.
Vonseiten der Kommission selbst hieß es am Donnerstag wie bisher: Der Termin stehe fest, man arbeite hart daran, für eine reibungslose Umsetzung zu sorgen. “Die Co-Gesetzgeber haben den Termin für das Inkrafttreten auf das nächste Jahr festgelegt, da es angesichts der anhaltend hohen Entwaldungsraten dringend erforderlich ist”, sagte ein Sprecher zu Table.Briefings. leo/tho
Die Weizenernte in Deutschland ist mit 18,8 Millionen Tonnen nicht nur die kleinste seit 1995, auch bei der Qualität ist gegenüber den vergangenen Jahren eine deutliche Verschlechterung zu verzeichnen. Nur 53 Prozent der Ernte erreiche die von den Mühlen geforderten Qualitätsstandards für Backweizen, berichtete Alexandra Hüsken, Leiterin der Getreideanalytik am Max-Rubner-Institut (MRI) am Dienstag beim Erntegespräch der Arbeitsgemeinschaft Getreideforschung in Detmold. Das ist deutlich weniger als im Durchschnitt der vergangenen sechs Jahre, in denen rund drei Viertel der Proben die von den Mühlen geforderten Kriterien erfüllten.
Im abgelaufenen Wirtschaftsjahr 2023/24 verarbeiteten die Mühlen nach Angaben der Bundesanstalt für Landwirtschaft (BLE) in Deutschland 7,65 Millionen Tonnen Weichweizen, aus dem Backwaren hergestellt werden. Hinzu kommen 435.000 Tonnen Hartweizen, der vorwiegend zu Nudeln weiterverarbeitet wird. Die deutsche Hartweizenproduktion liegt seit Jahren etwa auf einem Niveau von rund 200.000 Tonnen, sodass die Mühlen in diesem Segment traditionell auf Importe angewiesen sind.
Beim Weichweizen decken die verfügbaren rund 9,5 Millionen Tonnen rein rechnerisch zwar den Bedarf. Dennoch dürfte es für die Mühlen schwierig werden, die benötigte Ware im Inland zu beschaffen. Wichtigster Einflussfaktor ist das Exportgeschäft. Deutschland ist traditionell ein Exporteur von qualitativ hochwertigem Weizen. Im Wirtschaftsjahr 2023/24 wurden 3,9 Millionen Tonnen Weizen in Drittstaaten geliefert, und das war schon die kleinste Menge seit fünf Jahren. Hinzu kommen Ausfuhren in EU-Staaten wie die Niederlande und Belgien.
Hauptgrund für den hohen Futterweizenanteil ist der niedrige Proteingehalt, die im Durchschnitt nur 11,4 Prozent erreichten, das waren noch einmal 0,4 Prozentpunkte weniger als im Jahr 2023 und verfehlte den sechsjährigen Durchschnitt um einen Prozentpunkt. Regional zeigen sich dabei deutliche Unterschiede. Werte von 12 Prozent und mehr weisen laut MRI nur die Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Sachsen sowie Baden-Württemberg auf, wobei Thüringen mit 12,3 Prozent Spitzenreiter ist. Das Schlusslicht bilde Nordrhein-Westfalen mit 10,3 Prozent, jedoch nur knapp übertroffen von Niedersachsen mit 10,6 Prozent. Beide Länder verfügen über eine starke Mühlenindustrie, die nun gezwungen ist, mehr Rohstoff überregional zu beschaffen.
Extrem knapp ist Qualitätsweizen. Nur 13 Prozent des Weizens erreiche die Anforderungen an A-Weizen (13 Prozent Protein) und nur fünf Prozent verfüge über die für E-Weizen geforderten 14 Prozent Eiweiß. In den vergangenen sechs Jahren waren es im Durchschnitt jeweils rund 20 Prozent, die in diesen Weizenklassen vermarktet werden konnten. Das knappe Angebot spiegele sich in hohen Prämien wider, erklärte Christian Schürmann, Vorstand der Raiffeisen Westfalen-Lippe auf der Tagung. Für A-Weizen würden die Landwirte gegenüber Brotweizen einen Zuschlag von rund 25 Euro pro Tonne erhalten. Bei E-Weizen seien es noch einmal fünf bis zehn Euro mehr.
Die Roggenernte ist qualitativ deutlich besser ausgefallen als die Weizenernte. 99,6 Prozent der Produktion können als Brotroggen verarbeitet werden. Bei einer Erntemenge von 2,6 Millionen Tonnen lässt sich der Bedarf der Mühlen von rund 700.000 Tonnen problemlos decken. Gestiegen ist allerdings das Vorkommen von Mutterkorn, eines giftigen Getreidepilzes. Bislang brachten 37 Prozent der Proben einen erhöhten Anteil an Besatz mit Mutterkornsklerotien, ein Ruhezustand des Pilzes. Durch eine Reinigung des aus der Landwirtschaft angelieferten Roggens könnten die gesetzlichen Grenzwerte aber eingehalten werden, sagte Hüsken. Das MRI analysierte in den vergangenen Wochen rund 1.500 Weizen- und 500 Roggenproben aus der Ernte 2024 und fasste die Ergebnisse in der “Vorläufigen besonderen Ernte- und Qualitätsermittlung” zusammen. SB
Die liberale Renew-Fraktion hat Sandro Gozi als Co-Berichterstatter für die EU-Richtlinie zu Green Claims benannt, wie ein Fraktionssprecher bestätigt. Der Italiener teilt sich den Posten mit der deutschen S&D-Abgeordneten Delara Burkhardt, die die Sozialdemokraten vergangene Woche ernannt hatten. Gozi vertritt dabei den Binnenmarkt-Ausschuss (IMCO), Burkhardt den Umweltausschuss (ENVI). Die Ausschüsse sind gemeinsam für die Richtlinie zuständig, die irreführende Klimaversprechen auf Produktverpackungen verhindern soll.
Burkhardt ist umweltpolitische Sprecherin der S&D-Fraktion und war in der vergangenen Legislaturperiode unter anderem Schattenberichterstatterin für die Verpackungsverordnung. Gozi ist Mitglied des Präsidiums der Renew-Fraktion und hat sich bisher eher mit Reformen der EU-Institutionen befasst, denn mit Verbraucherschutzthemen.
Die Neubesetzungen sind notwendig, weil die bisherigen Berichterstatter Cyrus Engerer (S&D) und Andrus Ansip (Renew) bei den Europawahlen nicht erneut angetreten waren. Das EU-Parlament hat bereits im März seine Verhandlungsposition zur Green-Claims-Richtlinie beschlossen, der Umweltrat im Juni. Die Trilogverhandlungen können erst beginnen, sobald die neue EU-Kommission ihre Arbeit aufgenommen hat. Als wahrscheinlich gilt, dass die Gespräche erst Anfang kommenden Jahres aufgenommen werden. jd/leo
Seit 2021 erhebt die EU ein neues Eigenmittel, das zur Rückzahlung des Wiederaufbaufonds beitragen soll: Mitgliedstaaten müssen pro Kilo nicht recyceltem Plastikmüll 0,8 Euro in den EU-Haushalt zahlen. In einem neuen Bericht kritisiert der EU-Rechnungshof, dass die Bemessung des neuen Eigenmittels fehleranfällig sei und ungenügend kontrolliert werde. Dies führe dazu, dass das Eigenmittel wahrscheinlich falsch berechnet werde.
7,2 Milliarden Euro nahm die EU 2023 über das neue Eigenmittel ein, was circa vier Prozent des Haushalts entspricht. Aber ob dies der finale Betrag sein wird, ist unklar. Denn die ersten Schätzungen haben sich als ungenau erwiesen, wie der Rechnungshof feststellt. So sei 2021 die Menge nicht wiederverwendeter Plastikabfälle um 1,4 Milliarden Kilogramm oder knapp 20 Prozent unterschätzt worden. Das führt dazu, dass der Beitrag, den die Mitgliedstaaten in den Haushalt einzahlen, nachträglich angepasst werden muss.
Der Rechnungshof berichtet zudem, dass es beim Start des neuen Eigenmittels erhebliche Umsetzungsprobleme gegeben habe. “Der Hof kommt zu dem Schluss, dass die Mitgliedstaaten nicht ausreichend auf die Einführung der Eigenmittel auf der Grundlage nicht recycelter Verpackungsabfälle aus Kunststoff vorbereitet waren”, steht im Bericht. Zudem seien die verwendeten Daten “nicht ausreichend vergleichbar und zuverlässig“.
Die Mitgliedstaaten wenden laut Rechnungshof nicht die korrekten Verfahren für die Datenzusammenstellung an. Zudem sei nicht garantiert, dass die als recycelt deklarierten Kunststoffabfälle tatsächlich wiederverwendet würden. Der Rechnungshof bewertet die Kontrollen der Kommission als nicht ausreichend. Ein weiterer kritischer Punkt sei die Ausfuhr von Plastikabfällen, da die Mitgliedstaaten nicht garantieren können, dass die Recyclingprozesse in Drittstaaten den Normen der EU entsprechen.
Ein zentrales Problem ist laut den Prüfern des Rechnungshofs die verspätete und mangelhafte nationale Umsetzung der Richtlinie über Verpackungen und Verpackungsabfälle. Nur fünf Mitgliedstaaten hatten die Richtlinie rechtzeitig umgesetzt. Mittlerweile sei die Richtlinie zwar fast überall in nationales Recht überführt worden, doch unterschieden sich die verwendeten Definitionen von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat. Die Prüfer fordern die EU-Kommission auf, hier ordnend einzuschreiten.
Ein Sprecher der Kommission sagte, dass die Kommission die Kritik und die Vorschläge des Rechnungshofs in Teilen akzeptiere. Es sei notwendig, die Datenvergleichbarkeit zu verbessern. Zudem habe die Kommission neue Maßnahmen getroffen, um sicherzustellen, dass als recycelt gemeldete Abfälle auch tatsächlich recycelt würden. jaa
Joachim Rukwied – Präsident Deutscher Bauernverband
Er ist die zentrale Figur der deutschen Agrarpolitik: Seit 2012 steht Joachim Rukwied als Präsident an der Spitze des Deutschen Bauernverbands. Der Landwirt aus Heilbronn setzt sich für die wirtschaftlichen Interessen der Bauern ein und plädiert für einen ausgewogenen Weg zwischen Klimaschutz und landwirtschaftlicher Praxis. Als ehemaliger Präsident des europäischen Bauernverbands COPA ist Rukwied auch auf europäischer Ebene bestens vernetzt.
Stephanie Franck – Vorsitzende Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter (BDP)
Als Stephanie Franck 2013 erstmals zur BDP-Vorsitzenden gewählt wurde, war sie die erste Frau an der Spitze des Pflanzenzüchter-Verbands. Die studierte Agrarwissenschaftlerin ließ sich davon nicht abschrecken und führt den BDP seit mehr als einem Jahrzehnt. Daneben ist sie stellvertretende Vorsitzende der Gemeinschaft zur Förderung von Pflanzeninnovation (GFPi). Im Jahr 2006 ist sie in das familieneigene Unternehmen, die Pflanzenzucht Oberlimpurg in Schwäbisch-Hall, als geschäftsführende Gesellschafterin eingetreten.
Leo von Stockhausen – Geschäftsführer Familienbetriebe Land und Forst
In der Agrarszene ist er schon länger bekannt: Der studierte Agrarökonom war zunächst beim Deutschen Bauernverband und der Landwirtschaftlichen Rentenbank tätig, bevor er 2023 der neue Geschäftsführer der Familienbetriebe Land und Forst wurde. Stockhausen ist in Berlin eng verbandelt mit Politik, Wirtschaft und Verbänden.
René Püchner – Präsident Lebensmittelverband Deutschland
Als Präsident des Lebensmittelverbands Deutschland ist Püchner einer der Wortführer der heftigen Kritik der Branche an den Plänen für ein Kinder-Lebensmittel-Werbegesetz (KLWG). Die Ernährungsstrategie der Bundesregierung und den Green Deal der EU zählt der Geschäftsführer der Capri Sun Vertriebs GmbH zu den größten Herausforderungen des Sektors.
Susanne Schulze Bockeloh – Vizepräsidentin Deutscher Bauernverband
Für ihre Stelle musste der Deutsche Bauernverband (DBV) erst seine Satzung ändern: Susanne Schulze Bockeloh ist seit 2022 die erste Vizepräsidentin des DBV. Dort vertritt die ausgebildete Agraringenieurin und Landwirtin die Interessen landwirtschaftlicher Unternehmerinnen. Mitgestalten ist ihr Stichwort: Sie ist unter anderem Mitglied des Rats der Stadt Münster, Mitglied des Aufsichtsrats der Agravis Raiffeisen AG und Mitglied des WDR-Rundfunkrats.
Dr. Holger Hennies – Präsident Landvolk Niedersachsen Landesbauernverband
Der promovierte Agrarökonom steht seit 2021 als Präsident an der Spitze des Landvolkes Niedersachsen. 2022 wurde er zum DBV-Vizepräsident gewählt, außerdem ist er Vorsitzender des DBV-Fachausschusses Agrarrecht. Der niedersächsische Landvolkpräsident sitzt auch in der Zukunftskommission Landwirtschaft. Dort will er Klimaschutz und Artenvielfalt gemeinsam “im Sinne der Landwirtschaft” voranbringen.
Tina Andres – Vorsitzende des Bunds Ökologische Lebensmittelwirtschaft
Die studierte Biologin ist Vorsitzende des Bunds ökologische Lebensmittelwirtschaft (Bölw). Als solche setzt sie sich für den Wandel zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft und gesünderen Ernährungsweise ein. Zugleich ist sie Vorständin der Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaft und Genossenschaft Landwege in Lübeck.
Jörg Migende – Hauptgeschäftsführer Deutscher Raiffeisenverband
Der Diplom-Agraringenieur ist seit Anfang 2024 Hauptgeschäftsführer des Deutschen Raiffeisenverbands (DRV). Migende bringt die Erfahrung mit, um den Genossenschaftsverband zukunftsfest aufzustellen. Bei der Baywa AG in München baute er den Geschäftsbereich Digital Farming auf, verantwortete das Agrargeschäft des Konzerns in Deutschland und leitete den Bereich Corporate Public Affairs.
Jörg Andreas Krüger – Präsident des Naturschutzbunds Deutschland
In den 1980er-Jahren leistete er seinen Zivildienst beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu), heute ist der studierte Landschaftsarchitekt dessen Präsident. Für Natur- und Umweltschutz setzt sich der Göttinger in vielen relevanten Gremien ein – etwa als Mitglied der Zukunftskommission Landwirtschaft oder im Wissenschaftlichen Beirat des Thünen-Instituts.
Jan Plagge – Präsident von Bioland und Ifoam Organics Europe
Der Diplom-Agraringenieur ist in den vergangenen 13 Jahren zu einer der führenden Stimmen des Bio-Landbaus geworden. Dessen Interessen vertritt er hierzulande als langjähriger Präsident von Bioland, Deutschlands größtem Öko-Anbauverband, und in Brüssel an der Spitze des europäischen Bio-Dachverbands Ifoam Organics Europe.
Euractiv: Ungarische Opposition sieht Tierschutzressort als Schmach. Dass EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen dem nominierten ungarischen Kommissar Oliver Várhelyi das Ressort für Gesundheit und Tierwohl zugeteilt hat, sehen Oppositionspolitiker im Land als Zeichen für einen Bedeutungsverlust Ungarns in Brüssel. Sie machen Regierungschef Viktor Orbán dafür verantwortlich, dass Várhelyi einen aus ihrer Sicht unbedeutenden Posten bekommen soll. Als bisheriger Erweiterungskommissar hatte Várhelyi immer wieder für Kontroversen gesorgt. (“Várhelyis ‘demütigendes’ Ressort ein Zeichen der Marginalisierung Ungarns”)
The Guardian: Ausbeutung auf dem Bio-Bauernhof. Bei einer verdeckten Recherche auf einem deutschen Bauernhof erlebte die tschechische Journalistin Saša Uhlová Ausbeutung und großen Druck. Sie beobachtete etwa, wie ausländische Saisonarbeitskräfte teils länger arbeiten, als dokumentiert wird, und so gesetzliche Höchstarbeitszeiten umgangen werden. Der Betrieb, auf dem Uhlová sich selbst als Arbeiterin ausgab, ist ein Bio-Hof, der sich vor allem an eine besserverdienende Kundschaft richtet. (“Undercover as a farm worker in Germany: ‘My hands are numb. No one knows when the shift will end'”)
Euractiv: Niederländer wollen zurück zur Elektrofischerei. Die niederländische Regierung fordert die Wiederzulassung des elektrischen Impulsfischens, das seit 2021 in der EU verbotenen ist. Das Verbot der Elektrofischerei stammt aus dem Jahr 1998, bevor die EU sie 2006 im südlichen Teil der Nordsee auf “experimenteller” Basis erneut genehmigte. Die Mitgliedstaaten durften fünf Prozent ihrer Flotten hierfür einsetzen. Zwischen 2006 und 2021 waren es hauptsächlich niederländische Schiffe, die diese Art der Fischerei in der Nordsee betrieben. (“Niederlande will EU-Verbot der Elektrofischerei rückgängig machen”)
Lebensmittelzeitung: Verbraucher werfen abgelaufene Lebensmittel nicht sofort weg. Zwölf Prozent der Deutschen nehmen das Mindesthaltbarkeitsdatum nicht so genau. Sie konsumieren auch Produkte, deren Mindesthaltbarkeitsdatum kürzlich abgelaufen ist. Nur sechs Prozent gaben an, abgelaufene Lebensmittel sofort wegzuwerfen. (“Abgelaufenes MHD schreckt nur eine Minderheit vom Verzehr ab”)
New York Times: The Hidden Environmental Costs of Food. Die Schäden an der Natur zu ermitteln, die nicht durch den Lebensmittelpreis gedeckt sind, ist das Ziel der niederländischen NGO True Price. Sie hat einen Datensatz erstellt, der die geschätzten Umweltkosten in drei Kategorien unterteilt: Klimawandel durch Treibhausgasemissionen, Wasserverbrauch und Auswirkungen der Landnutzung auf das Ökosystem. So bezahlen Verbraucher für ein Pfund Rindfleisch in den USA 5,34 Dollar, doch der “wahre” Preis beläuft sich auf 27,35 Dollar, würden Umweltkosten wie Emissionen (vornehmlich durch Rülpsen und Gülle), Wasserverbrauch und die Auswirkungen auf das Ökosystem berücksichtigt werden. (“The Hidden Environmental Costs of Food”)
Wir stellen die nominierten neuen Kommissare vor, deren Zuständigkeitsbereiche Agrifood-Themen betreffen. Das Porträt des nominierten Kommissars für Landwirtschaft und Ernährung, Christophe Hansen (EVP), können Sie hier noch einmal nachlesen.
Als Exekutiv-Vizepräsident soll Raffaele Fitto auch die Arbeit des Agrarkommissars beaufsichtigen. Selbst soll der Italiener die Kohäsionspolitik verantworten. Damit spielt er auch eine Schlüsselrolle in den Verhandlungen um den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen.
Fitto hat Erfahrung auf dem Gebiet, als Minister für Europäische Angelegenheiten im Kabinett von Giorgia Meloni war er für die rund 200 Milliarden Euro aus dem EU-Wiederaufbaufonds zuständig. Seine herausgehobene Stellung ist ein Zugeständnis von der Leyens an Italiens Ministerpräsidentin Meloni. Bis zu seinem Wechsel nach Rom im Herbst 2022 war Fitto Co-Vorsitzender der rechtskonservativen EKR-Fraktion im Europaparlament – und zieht damit Kritik von den linken Kräften im Parlament auf sich.
Die Spanierin hat als Exekutiv-Vizepräsidentin zwar nicht direkt Agrar- und Lebensmittelthemen unter ihrer Aufsicht, aber die benachbarten Gebiete Klima- und Umweltschutz. Auch die Wettbewerbspolitik fällt in ihren Bereich. Als bisherige spanische Umweltministerin und stellvertretende Premierministerin hat sie, vor allem während der EU-Ratspräsidentschaft des Landes im vergangenen Jahr, schon an der Umsetzung des Green Deal gearbeitet.
Ribera ist die mächtigste Sozialdemokratin im Kabinett. Zwischenzeitliche Sorgen über ihre Rolle im konservativen Lager scheinen mit der Bekanntgabe des Ressortzuschnitts beigelegt: EVP-Chef Manfred Weber zeigte sich am Dienstag in Straßburg erfreut, dass es keinen zweiten übermächtigen Frans Timmermans geben wird. Auch Ribera selbst gibt sich kompromissbereit. Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit in Einklang bringen könne man zum Beispiel durch Lockerungen bei den EU-Beihilferegeln, um mehr Investitionen in den Klimaschutz zu ermöglichen, sagt sie im Interview mit der Financial Times nach ihrer Nominierung.
Der 58-Jährige geht bereits in seine vierte Amtszeit in der Kommission. Seit 2009 ist er deren Mitglied, zuvor war er bereits Ständiger Vertreter der Slowakei bei der EU. Für von der Leyen dient der parteilose Diplomat als Allzweckwaffe. In der neuen Kommission soll er nicht nur für Handel, sondern auch Wirtschaftssicherheit verantwortlich sein, was die Verschiebung der Prioritäten zeigt.
Šefčovičs langjährige diplomatische und EU-politische Erfahrung könnte ihm dabei helfen, den Drahtseilakt zu bewältigen, der in Sachen Außenhandel auf ihn zukommt: Er soll Handelsabkommen wie jenes mit den Mercosur-Ländern unter Dach und Fach bringen und Handelspartnerschaften vertiefen, gleichzeitig aber auch auf Nachhaltigkeit und faire Wettbewerbsbedingungen pochen.
Der bisherige Erweiterungskommissar soll im Kabinett bleiben – zumindest will sein Ministerpräsident Viktor Orbán das so. Von der Leyen hat dem 52-jährigen Juristen das Ressort für Gesundheit und Tierwohl zugedacht, das auch die Lebensmittelsicherheit einschließt – in der Annahme, dass er “willens und in der Lage ist zu liefern”, wie es in der Kommission heißt. Allerdings wird der Orbán-Vertraute es nicht leicht haben, die Anhörung im Europaparlament zu überstehen.
Schafft er es doch, könnte er auch auf Ernährungsthemen Einfluss nehmen. Denn auch der Kampf gegen nichtübertragbare Krankheiten wie Krebs oder Adipositas fällt in sein Ressort und damit auch mögliche Maßnahmen, um eine gesündere, pflanzenbasierte Ernährung zu befördern. Dass der Ungar hier als treibende Kraft wirkt, scheint unwahrscheinlich, nimmt die Orbán-Regierung doch zu Ernährungsthemen eine sehr traditionalistische Haltung ein.
Roswall soll unter Aufsicht von Teresa Ribera eine neue bioökonomische Strategie für die EU vorschlagen. Von der Leyen verlangt von ihr auch eine Vereinfachung der Chemikalienverordnung REACH. In ihren Bereich fallen Naturschutzthemen wie die Höchstwerte von Nitrat im Grundwasser, die auch Deutschland an vielen Stellen weiter reißt, oder der Artenschutz.
Welchen Unterschied es zum Beispiel für die Debatte um den Schutz von Wolf, Kormoran und Co. macht, dass mit Roswall nun eine Konservative das Amt innehat statt des Grünen-nahen Virginijus Sinkevičius, bleibt abzuwarten. Bisher war die Schwedin EU-Ministerin des Landes und hatte mit Umweltpolitik kaum Berührungspunkte.
Der Bereich Fischerei und Ozeane wurde vom Umweltressort abgespalten. Trotzdem bringt Kadis vor allem einen Umwelthintergrund mit: Der 57-Jährige ist promovierter Biologe, der zuletzt als Professor Umweltwissenschaften lehrte. Zuvor war er als Landwirtschaftsminister auch für Ökologie zuständig.
Der Zypriot soll den ersten Europäischen Ozeanpakt erarbeiten, sagte von der Leyen, ohne allzu konkret zu erläutern, was sich hinter der klangvollen Ankündigung verbirgt. Zudem ist er für die Gemeinsame Fischereipolitik (GFP) und die Aushandlung der Fangquoten zuständig.
Europe.Table: DUH: Bundesregierung muss ab sofort mehr für Wald- und Moorschutz tun
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordert von der Bundesregierung sofortige Maßnahmen zum besseren Schutz von Mooren und Wäldern. Sie beruft sich auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom Mai, das nun rechtskräftig geworden ist. Bis zum 31. Oktober erwartet die DUH, die in dem Fall geklagt hatte, konkrete Vorschläge, um die Klimaziele im Landnutzungssektor zu erreichen. Andernfalls wolle sie ein Vollstreckungsverfahren einleiten. Zum Artikel