Table.Briefing: Agrifood

EU-Kommission streicht Sustainable Food Systems von der Agenda + Glyphosat-Abstimmung: Özdemir muss ran + Preissenkung für vegane Produkte: Kaufland folgt auf Lidl

Liebe Leserin, lieber Leser,

die EU-Kommission gibt ihre Arbeit an einem Nachhaltigen Lebensmittelsystem in dieser Legislaturperiode allen Anzeichen nach auf. Im Arbeitsprogramm der Kommission für kommendes Jahr taucht das Sustainable Food System Law – eigentlich Schlüsselelement der Farm-to-Fork-Strategie und damit zentraler Pfeiler des Green Deal – nicht mehr auf. Ebenso von der Agenda verschwunden ist der Gesetzesvorschlag zur Lebensmittelkennzeichnung, mit dem der europäische Nutri-Score auf den Weg gebracht werden sollte. Wie Expertinnen und Experten das beurteilen, weiß meine Kollegin Claire Stam.

Spannend bleibt es auf europäischer Ebene auch beim Thema Glyphosat. Nachdem sich die EU-Mitgliedstaaten auf Expertenebene noch immer nicht auf die Zukunft des umstrittenen Herbizids einigen konnten, müssen sich die Agrarminister Mitte November mit dem Kommissionsvorschlag befassen. Aus gut informierten Kreisen heißt es: Die Verhandlungen sollen schnell starten.

In der Bundesrepublik geht es derzeit heiß her, was die Fördermittel für den ländlichen Raum im kommenden Jahr angeht. Der Bund hat die Schere bei der Gemeinschaftsaufgabe “Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes” (GAK) angesetzt. Viele Projekte bangen um ihr Geld. Diese Aufregung hält der FDP-Haushaltspolitiker Frank Schäffler für weitgehend unbegründet. Denn: Was die Kürzungen für den ländlichen Raum bedeuten, hänge vor allem davon ab, welche Prioritäten die Bundesländer setzen, erläutert Schäffler im Interview.

Für Diskussion sorgt dieser Tage auch die von Foodwatch vergangene Woche veröffentlichte Studie zum Pestizideinsatz in der Getreideproduktion. Aus der Agrar- und Ernährungsbranche hagelte es breite Kritik an der Publikation. In seinem Standpunkt wirft Martin Courbier, Geschäftsführer des Verbands Der Agrarhandel, Foodwatch die Verunsicherung von Verbraucherinnen und Verbrauchern vor.

Ihre
Merle Heusmann
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Analyse

GAK-Kürzungen: “Es hängt von den Ländern ab”

Frank Schäffler, FDP-Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Haushaltsausschuss.

Die Kürzungen bei der Gemeinschaftsaufgabe “Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes” (GAK) im nächsten Jahr sind derzeit in aller Munde. Wie bewerten Sie, dass es künftig weniger Geld für den ländlichen Raum geben soll?

Man muss immer schauen, womit man es vergleicht. Wenn man es mit den Corona-Jahren vergleicht und mit der Aussetzung der Schuldenbremse, dann ist es natürlich eine Kürzung. Aber wenn man das mit der Vor-Corona-Zeit vergleicht und vor allem mit den Ist-Werten von 2019, dann ist es eben ein Aufwuchs, ein ganz erheblicher sogar. Insofern ist das immer eine Frage der Sichtweise. Natürlich kann man immer mehr Geld in der Politik fordern, das ist ganz einfach. Aber wir sind jetzt in Zeiten der Schuldenbremse, und da ist eben ein unbegrenztes Ausweiten nicht mehr möglich.

Können Sie das noch einmal genauer erläutern, warum wurde die GAK denn in den vergangenen Jahren so viel besser ausgestattet?

Das lag daran, dass wir im Rahmen von Konjunkturpolitik – wir hatten eine Gaskrise, wir hatten eine Corona-Krise – zusätzliche Hilfen ausgezahlt und die Mittel aufgestockt haben. Aber das ist eben in den Jahren davor nicht der Fall gewesen. Wenn Sie schauen: 2017 hatten wir einen Soll-Ansatz von 765 Millionen Euro bei der GAK. Heute, 2023, haben wir einen Soll-Ansatz von 1,133 Milliarden Euro. Die GAK-Mittel wurden also um fast 50 Prozent erhöht. Wir haben faktisch also in den letzten Jahren eine irre Erhöhung der GAK-Mittel erlebt. Da kann man jetzt sagen, dass man diesen Aufwuchs so fortsetzen müsse, aber das ist natürlich aus meiner Sicht Quatsch. Wir haben eine Schuldenbremse, wir haben eine einbrechende Konjunktur. Da kann man natürlich nicht sagen, jetzt geben wir überall mehr aus.

In Krisenzeiten wurden die GAK-Mittel also deutlich erhöht. Das heißt, die Aufregung über die Kürzungen, die jetzt anstehen, ist Ihrer Meinung nach völlig unbegründet?

Nicht völlig, aber weitgehend unbegründet. Denn ein Großteil der Mittel, die der Bund ja zur Verfügung stellt über die GAK – der Bund zahlt hier 60 Prozent, die Länder kofinanzieren das mit 40 Prozent – wird teilweise von den Ländern gar nicht abgerufen. Also wir haben zum Beispiel 2022 1,32 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Die Länder haben aber nur 945 Millionen abgerufen. Da gibt es natürlich mehrere Ursachen, aber eine Ursache ist, dass die Länder das nicht kofinanzieren wollen. Entweder weil sie falsche Prioritäten im eigenen Haushalt setzen, oder die Programme sind nicht so sinnvoll, wie man ursprünglich gedacht hat. Denn die GAK besteht ja aus verschiedenen einzelnen Programmen und Förderbereichen, zum Beispiel dem Bereich Insektenschutz. Der scheint nicht so angenommen zu werden, wie das ursprünglich gedacht war, und deshalb werden die Mittel auch nicht so abgerufen. Und deshalb ist bei der GAK jetzt auch ein Umbau geplant.

Würden Sie denn jetzt zurückblickend sagen, dass die GAK-Mittel bislang falsch eingesetzt wurden?

Ja, natürlich sind die auch teilweise falsch eingesetzt worden, sonst wären sie nämlich auch besser abgerufen worden. Und da gibt es natürlich Bundesländer – das muss man zugestehen – die das besser machen. Bayern und Baden-Württemberg machen das sicherlich besser, und es gibt wiederum Länder, die das einfach schlechter machen – Sachsen-Anhalt beispielsweise.

Sie sprachen gerade den Umbau der GAK an. Was ist da geplant?

Wir haben die GAK flexibilisiert und damit natürlich auch ein Stück weit entbürokratisiert. Das wird eigentlich aus meiner Sicht viel zu wenig von den Ländern gewürdigt, dass nämlich ein Großteil der Sonderrahmenpläne abgeschafft wurde und in den allgemeinen Rahmenplan mehr oder weniger überführt wurde, womit die Länder künftig viel spezifischer und flexibler ihre eigenen Ideen vor Ort umsetzen können. Denn es macht ja schon einen Unterschied, ob man hier im Land Berlin etwas umsetzt oder ob man etwas in Mecklenburg-Vorpommern umsetzt. Und das kann man, glaube ich, schlecht von Berlin aus steuern, sondern das wissen die Länder viel, viel besser.

Das heißt, die GAK-Mittel sollen ab 2024 flexibler genutzt werden können. Wird das denn Ihrer Meinung nach auch dazu beitragen, dass das Geld an die richtigen Stellen fließt?

Ja, auch das hängt von den Ländern ab. Ehrlich gesagt ist die GAK ja eine Planungsbürokratie sondergleichen. Wir haben mit dem Planungsausschuss für Agrarstruktur und Küstenschutz (PLANAK), wo ja die Länder auch vertreten sind, ein Gremium, was diese Dinge auch bespricht und vorbereitet. Und ich vertrete beispielsweise die Auffassung, dass – wenn Bundesländer bis zu einem gewissen Stichtag die Mittel nicht abrufen – dann andere Länder diese Mittel nutzen können sollen. Und da würde ich mir wünschen, dass sich die Länder in dieser Frage bewegen und nicht einfach nur nach noch mehr Geld rufen, das sie im Zweifel noch nicht einmal abrufen.

Eine Kürzung der GAK bedeute Stillstand bei Agrarumweltmaßnahmen, Tierwohl und Biodiversität sowie Stagnation der ländlichen Räume, hieß es seitens der Agrarministerkonferenz vor einigen Wochen. Das kann jetzt also alles auch weiterhin gefördert werden?

Ja, natürlich. Jedes Land kann natürlich eigene Programme auflegen und die mit eigenem Geld finanzieren. Hier geht es ja um eine Mischfinanzierung zwischen Bund und Land und die hat per se Probleme. Ich bin grundsätzlich gegen solche Mischfinanzierungssysteme. Jetzt kann ich es nicht ändern, weil das grundgesetzlich abgesichert ist. Aber schlauer wäre es, wenn die Länder selbst Verantwortung tragen könnten für das, was sie über diese Programme realisieren. Der Bundesrechnungshof hat schon mehrmals beklagt, dass ja der Bund gar nicht weiß, was die Länder eigentlich mit den GAK-Mitteln konkret tun. Und wir Haushälter im Bundestag wissen das auch nicht. Also wir kriegen zum Beispiel keine Projektliste, die zeigt, wie das Land Bayern diese Gelder ausgibt. Als Mitglied im Haushaltsausschuss will ich aber im Zweifel schon wissen, wohin das Geld geflossen ist, ob es richtig verwendet wurde und wie ich das nachvollziehen kann.

In den vergangenen Wochen hörte man immer wieder ganz konkret von Projekten im ländlichen Raum, die vor dem Hintergrund der GAK-Kürzungen um ihre Finanzierung bangen. Zu Unrecht?

Naja, das hängt natürlich von dem jeweiligen Bundesland ab. Ich habe jetzt in den Wahlkämpfen auch viele Schreiben bekommen aus den Regionen und von den Bürgermeistern. Ich frage mich, warum die mich anschreiben. Sollen sie doch ihre Ministerpräsidenten anschreiben oder ihre Landesregierung. Denn ich kann nicht nachvollziehen, was die einzelnen Länder für Prioritäten in dieser Frage setzen. Das kann ich immer nur im Nachhinein nachvollziehen, so einigermaßen. Aber ich habe ja schon gesagt, der Bundesrechnungshof hat das schon beklagt, dass wir da nicht wirklich Zugriff haben. Insofern sollen die sich bitte an ihre Landesregierung wenden, denn die Länder waren die, die in den vergangenen Jahren Überschüsse erzielt haben, nicht der Bund.

So wie ich das jetzt bei Ihnen verstehe, ist der ländliche Raum also eigentlich gar nicht von den Kürzungen betroffen, sofern die Länder jetzt einfach die richtigen Prioritäten setzen?

Genau, also man muss diese Programme jetzt natürlich entschlacken und man muss die Prioritäten halt auf die Dinge legen, die man für richtig und wichtig empfindet. Im Rahmen der klassischen GAK mit 60-40-Finanzierung können die Länder die Prioritäten so setzen, dass bei ihren Schwerpunkten dann keine Kürzungen stattfinden. Sie müssen es nur tun. Und ich will noch mal auf meinen Vorschlag zurückkommen: Die Länder, die nichts abrufen oder wenig abrufen, müssen bereit sein, ab einem gewissen Stichtag ihre Kontingente auch anderen Ländern zur Verfügung zu stellen. Da hat der Bund nichts dagegen, aber die Länder müssen sich einfach bewegen. Und wie gesagt, im PLANAK kann das aus meiner Sicht besprochen werden. Da findet im November jetzt eine Sitzung statt. Da können die Länder das beschließen. Sie sollen selbst aktiv werden. Darum geht es mir.

Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir hat selbst zuletzt von schmerzhaften Kürzungen gesprochen. Er hat auch angekündigt, bei den Haushaltsverhandlungen auf Änderungen zu setzen. Sie sind Teil dieser Beratungen. Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass hier noch Änderungen vorgenommen werden?

Wir sind mitten in den Haushaltsverhandlungen, da will ich nichts vorwegnehmen. Da, wo es sinnvoll ist, werden wir auch noch Änderungen vornehmen. Das ist klar. Aber zu Einzelheiten kann ich jetzt zu diesem Zeitpunkt noch nichts sagen. Der Haushalt wird ja im November verabschiedet. Und bis dahin beschäftigen wir uns im Haushaltsausschuss mit diesen Fragen.

Welthunger-Index: Der Hunger gewinnt

Seit sich die UN die Ausrottung des Hungers bis 2030 auf die Agenda geschrieben hat, sind weltweit betrachtet kaum Fortschritte erzielt worden. Zwar habe sich die Hungersituation in einigen Länder durchaus verbessert, schreibt die Welthungerhilfe in ihrem Report, trotzdem habe sich die Zahl der unterernährten Menschen erhöht. Aktuell haben demnach 735 Millionen Menschen zu wenig zu essen, 2017 lag diese Zahl noch bei 572 Millionen. Der globale WHI-Wert, mit dem die Nichtregierungsorganisation die Hungersituation in den Ländern abbildet, wobei 0 (kein Hunger) der beste und 100 der schlechteste Wert ist, hat sich seit Beginn der Erfassung um nicht einmal einen Punkt verbessert, auf nun 18,3.

Diese Stagnation spiegelt die kombinierte Auswirkung multipler Krisen wider, heißt es in der Studie. Insbesondere in den Ländern und Regionen, in den der Hunger aufgrund von “Machtungleichheiten und strukturellen Hindernissen für die Ernährungssicherheit” bereits vorher hoch war, habe sich die Situation verschärft. Die Folgen der Corona-Pandemie, der Ukraine-Krieg, gewaltsame Konflikte und Klimakatastrophen weltweit hätten einige Länder in Ernährungskrisen gestürzt. Staaten mit niedrigem und mittlerem Einkommen, die tendenziell krisenanfälliger sind, habe es im Vergleich zu jenen mit hohem Einkommen besonders hart getroffen.

Südasien und Subsahara-Afrika sind die Weltregionen mit dem höchsten Hunger (WHI-Wert: jeweils 27). In den Jahren vor der Agenda 2030 von 2000 bis 2015 habe es hier noch große Fortschritte gegeben. Laut Welthungerhilfe hungert die Bevölkerung am meisten in der Zentralafrikanischen Republik (42,3), gefolgt von Madagaskar (41). Für sieben weitere Länder gilt ebenfalls eine “sehr ernste Hungerlage”, die zweithöchste Warnstufe der Organisation: Burundi, DR Kongo, Lesotho, Niger, Somalia, Südsudan und Jemen. 

Die Welthungerhilfe geht davon aus, dass keine Zielwerte der UN-Nachhaltigkeitsagenda bis 2030 erreicht werden. In 18 Ländern mit mäßigen, ernsten oder sehr ernsten WHI-Werten habe der Hunger sogar zugenommen. Positiv sei hingegen die Entwicklung in Bangladesch, Dschibuti, Laos, Mosambik, Nepal, Timor-Leste und im Tschad. Dort haben sich die Werte gegen den globalen Trend seit 2015 um fünf und mehr Punkte verbessert.

Besonders für junge Menschen ist die globale Hungersituation problematisch. Unterernährung, Wachstumsverzögerung und Auszehrung hätten sich in dieser Bevölkerungsgruppe schlechter entwickelt als erhofft und damit auch die Kindersterblichkeit, heißt es. Als Lösung fordern die Autoren der Studie die junge Generation stärker in Entscheidungen und in die Entwicklung von Strategien zur Hungerbekämpfung einzubinden. Dies sei “unabdingbar”, um das Recht auf gesunde und kulturell angepasste Nahrung, die nachhaltig und umweltfreundlich hergestellt wird, zu sichern und eine “Ernährungssouveränität” auch für zukünftige Generationen zu gewährleisten.

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News

Ernährungswende liegt auf Eis

Im Entwurf des neuen Arbeitsprogramms der EU-Kommission für 2024, das heute vorgestellt werden soll und Table.Media vorliegt, fehlen zwei wichtige Dossiers. Das sind der Gesetzesvorschlag zur Lebensmittelkennzeichnung (Stichwort: Nutri-Score) und das Gesetz für nachhaltige Lebensmittelsysteme (Sustainable Food Systems). Dies galt einst als Kernstück der Farm-to-Fork-Strategie und des Green Deal. Ursprünglich sollte es im dritten Quartal dieses Jahres fertig werden.

Lebensmittelverband und Verbraucherschützer reagieren enttäuscht

“Wir können nur hoffen, dass dies nur ein Gerücht ist”, sagt Peter Loosen vom Lebensmittelverband Deutschland. Er hoffe, dass sich die Arbeiten an diesem “Fundament der Nachhaltigkeitsgesetzgebung” nur verzögerten.

Kommissionspräsidentin von der Leyen präsentiere den Verbraucherinnen und Verbrauchern ein “enttäuschendes Arbeitsprogramm im Bereich der Ernährung”, sagte Camille Perrin, Senior Food Policy Officer beim Europäischen Büro der Verbraucherverbände (BEUC). Elisa Kollenda, ernährungspolitische Referentin des WWF Deutschland, fordert von der EU-Kommission eine klare Aussage zur Zukunft des Gesetzes: “Es kommentarlos unter den Tisch fallen zu lassen ist keine angemessene Strategie.”

Taxonomie: Mittelstand soll entlastet werden

Das Arbeitsprogramm für 2024 listet wie erwartet eine Reihe von Maßnahmen zum Bürokratieabbau auf, darunter die Verschiebung der sektorspezifischen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESRS) um zwei Jahre auf 2026. Dies werde die davon betroffenen Unternehmen unmittelbar entlasten, schreibt die Kommission in dem Programm.

Auch bei der Berichterstattung im Rahmen der Taxonomie will die Kommission an bestimmten Stellen nachschärfen. Die neue Nachhaltigkeitsberichterstattung wurde von Unternehmen und Wirtschaftsverbänden besonders scharf kritisiert – sie überfordere insbesondere Mittelständler. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte die lautstarke Kritik, auch aus der EVP, aufgegriffen und im Frühjahr in Aussicht gestellt, doppelte oder unverhältnismäßig aufwändige Auflagen zu beseitigen. Till Hoppe, Claire Stam

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  • Lebensmittel
  • Nutri-Score

Glyphosat: Agrarminister müssen sich mit Kommissionsvorschlag befassen

Die EU-Mitgliedstaaten haben sich auf Expertenebene noch nicht über die Zukunft des umstrittenen Herbizids einigen können. In der Abstimmung am Freitag im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel (SCoPAFF) fand der Vorschlag der Kommission für eine erneute Zulassung keine qualifizierte Mehrheit. Nun müssen sich die Agrarminister der Mitgliedstaaten mit dem Kommissionsvorschlag befassen.

Im sogenannten Berufungsausschuss sollen diese Mitte November abstimmen. Die Verhandlungen sollen schon in Kürze beginnen, berichten gut informierte Kreise. Vermutlich wird die EU-Kommission, ihren Vorschlag, Glyphosat für weitere zehn Jahre zuzulassen, noch einmal an die Bedenken Frankreichs anpassen. Paris von einem positiven Votum zu überzeugen, würde eine qualifizierte Mehrheit für die Zulassung des umstrittenen Unkrautvernichters wahrscheinlich ermöglichen.

Bislang war Paris mit dem Vorschlag aus Brüssel nicht zufrieden. Das französische Agrarministerium forderte “die Verwendung von Glyphosat in Situationen, in denen es durch eine praktikable Alternative ersetzt werden kann”, zu verbieten. Diesem Wunsch ist die Brüsseler Behörde aber bislang nicht nachgekommen.

Derweil kämpfen Umwelt- und Verbraucherschützer in Deutschland gegen eine erneute Zulassung. Die politischen Aktivisten von Campact haben gemeinsam mit Foodwatch inzwischen mehr als 350.000 Stimmen gegen Glyphosat gesammelt. Eine Kampagne von Bayer Crop Science Deutschland kam lediglich auf rund 17.000 Unterstützende. Das EU-Parlament wird in den kommenden Wochen voraussichtlich gegen eine erneute Zulassung stimmen. Zwar wäre das Ergebnis rechtlich nicht bindend, aber dürfte trotzdem politischen Druck ausüben. has

Lidl und Kaufland senken Preise für vegane Eigenmarken

Lidl Deutschland kündigte am Mittwoch an, ab sofort die Preise für Fleisch- und Milch-Ersatzprodukte der Eigenmarke “Vemondo” zu senken, und zwar auf das Niveau von herkömmlichem Fleisch und Kuhmilch. Damit werden die veganen Alternativen um durchschnittlich 20 Prozent billiger. Am Freitag gab Kaufland ebenfalls bekannt, ab sofort die Produkte der Eigenmarke “K-take it veggie” an das Preisniveau der entsprechenden Artikel tierischen Ursprungs anzupassen.

Lidl Deutschland verkündete außerdem, im Zuge seiner Eiweiß-Strategie, den Anteil seiner pflanzlichen Eiweißprodukte am Gesamtsortiment bis 2030 “nahezu” verdoppeln zu wollen. Konkret soll das Sortiment an Fleisch-, Ei- und Fisch-Alternativen bis 2030 von 11 auf 22 Prozent steigen, das Sortiment an Milch- und Käse-Ersatz von heute 6 auf 10 Prozent in 2030. Fleisch-Ersatz soll zudem künftig neben herkömmlichen tierischen Erzeugnissen ausliegen. In eigener Sache verkündet der Discounter, die von Wissenschaftlern empfohlene Planetary Health Diet, die empfiehlt, sich stärker vegetarisch zu ernähren, unterstützen zu wollen.

Bayerische Bauern bangen um Geschäftsmodell

Tierische Lebensmittel würden “in ein schlechtes Licht gerückt”, kritisiert der bayerische Bauernverband (BBV). Aufklärung über den hohen Verarbeitungsgrad veganer Lebensmittel sowie deren Herkunft kämen hingegen zu kurz. Lidl versuche, den Verbraucher mit der Preissenkung zu lenken, verpasse aber die Initiative der Landwirtschaft, für mehr Tierwohl zu würdigen. ag

KIT-Studie: Optimierte Landnutzung könnte Nahrungsmittelproduktion deutlich erhöhen

Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und des Heidelberg Institute for Geoinformation Technology (HeiGIT) haben herausgefunden, dass es mittels einer radikalen räumlichen Neuordnung der Landnutzung theoretisch möglich wäre, die Nahrungsmittelproduktion zu verdoppeln. Außerdem könnte so Wasser gespart und gleichzeitig die Kohlenstoffspeicherung erhöht werden.

In den Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlichte Ergebnisse zeigen, dass die historisch gewachsenen Systeme der Nahrungsmittelproduktion nicht das biophysikalische Potenzial unserer Ökosysteme widerspiegeln. So werden nach wie vor Wälder für Acker- und Weideland gerodet und aride Gebiete bewässert, anstatt die Landwirtschaft dort anzusiedeln, wo es flächen-, wasser- und CO₂-technisch am effizientesten wäre.

Die Forschenden haben in einem dynamischen Vegetationsmodell alternative Anordnungen der globalen Landnutzung und deren Auswirkungen unter Berücksichtigung verschiedener Klimawandel-Szenarien untersucht. Die Modellierung ergab, dass durch eine optimierte räumliche Umstrukturierung die Produktion von Lebensmitteln um durchschnittlich 83 Prozent gesteigert werden könnte, während gleichzeitig die Wasserverfügbarkeit um 8 Prozent und die CO₂-Speicherung um 3 Prozent zunehmen würden. Die Ergebnisse zeigten weiterhin, dass tropische und boreale Wälder aufgrund ihrer Funktion als CO₂-Speicher erhalten oder wiederaufgeforstet werden sollten, wohingegen gemäßigte Breiten hauptsächlich als Ackerland und in geringem Maße als Weideland genutzt werden sollten.

Um das in der Studie beschriebene biophysikalische Potenzial optimal nutzen zu können, wären massive Landnutzungsänderungen nötig. “Auch wenn solche großflächigen Landnutzungsänderungen auf den ersten Blick völlig unrealistisch erscheinen, ist es hilfreich, sich bewusst zu machen, dass der Klimawandel ohnehin große Veränderungen der Anbaugebiete mit sich bringen wird“, betont Professor Sven Lautenbach, Wissenschaftler am HeiGIT und dem Geographischen Institut der Universität Heidelberg.

Die Ergebnisse der Studie könnten dazu beitragen, Lösungen zu finden, um landwirtschaftliche Erträge zu steigern und den Flächenverbrauch zu begrenzen. Insbesondere gilt dies vor dem Hintergrund der zunehmenden Herausforderungen der globalen Ernährungssicherung und des Klimawandels. kih

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  • Klima & Umwelt
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Lieferketten: Morddrohungen gegen Bananen-Gewerkschafter in Ecuador

In Ecuador erhielten drei Gewerkschafterinnen, die Arbeiter auf Bananenplantagen organisieren, Morddrohungen per Messenger-Nachricht. Sie sollten aufhören, die Arbeiter zu “belästigen”, ist in der Nachricht zu lesen, welche die Gewerkschaft ASTAC veröffentlicht hat.  

In Ecuador arbeiten mehrere hunderttausend Menschen auf Bananenplantagen, teilweise unter unwürdigen Bedingungen. Auch deutsche Supermarktketten verkaufen die Früchte, ein Viertel der hiesigen Bananen stammt von dort. NGOs und Gewerkschaften machen seit Jahren Druck, damit sich die Verhältnisse verbessern. Schwierig wird die Gemengelage aufgrund des Vormarschs der Drogenmafia in dem Land.

Die Gewerkschaft ASTAC vermutet Bananenproduzenten hinter den Drohungen, die sich schon lange an der Arbeit der Gewerkschaft störten. Als Beleg führt sie an, dass die Absender der Drohung kein Schutzgeld gefordert hätten, sondern die Arbeit der drei Frauen kritisiert hätten. Bereits 2018 habe es Morddrohungen gegen den Koordinator von ASTAC, Jorge Acosta, gegeben, heißt es in einem Brief, den Oxfam mit anderen Organisationen wie Misereor, der FES und dem ECCHR an den ecuadorianischen Präsidenten und internationale Stellen geschrieben hat. Die jüngsten Verletzungen seien erneut eine Verletzung der Vereinigungsfreiheit im Bananensektor des Landes.

Laut dem deutschen Lieferkettengesetz müssen Unternehmen sich mit Risiken in ihrer tiefen Lieferkette beschäftigen, wenn sie davon Kenntnis erlangen. Insofern müssen deutsche Supermarktketten sich mit dem Thema auseinandersetzen. Das dürfte in der Gemengelage in Ecuador momentan ein schwieriges Unterfangen sein. cd

  • Lebensmittel
  • Lieferkettengesetz

Presseschau

OEDC empfiehlt weitreichende Reformen der EU-Agrarpolitik in Sachen Nachhaltigkeit AgE
Erweiterung der EU würde Agrarzahlungen an derzeitige Mitglieder um etwa 20 Prozent senken agrarzeitung
EU-Beitritt der Ukraine: Ukrainische Beamte warnt vor Politisierung der Lebensmittelsicherheit Euractiv
Erneute Kritik an EU-Zulassungsverfahren für Glyphosat Die Zeit
Bundestag beschäftigt sich mit der Reduzierung von Lebensmittelabfällen Lebensmittelzeitung
Ministerpräsidentenkonferenz: Vorschlag der Länderchefs könnte Artenschutz und Bürgerbeteiligung schwächen Die Zeit
Interview: Neuer Markenverbandschef Frank-Olaf Kallerhoff sieht Deutschland als Standort für Konsumgüterherstellung gefährdet Lebensmittelzeitung E-Paper
Nach Klage gegen Hellofresh: Kochboxhersteller darf sich nicht mehr klimaneutral nennen Lebensmittelzeitung
Erste Fälle von Blauzungenkrankheit in NRW agrarheute
Drei Landtechnikhersteller wollen gemeinsam autonom fahrende Traktoren und Anbaugeräte herstellen agrarheute
Interview: Präsident des Europäischen Dachverbandes für ökologische Verarbeitung und Handel, fordert mehr Unterstützung für die Bio-Produktion AgE

Termine

17.10.2023 – 19:00-20:30 Uhr, online
Diskussionsforum Gemeinsame Agrarpolitik ab 2028: Einfacher und effektiver – für Menschen, Tiere und Umwelt!
Der agrarpolitische Sprecher der Grünen/EFA im EU-Parlament und Mitglied im Umweltausschuss Martin Häusling lädt Experten und Interessierte zur Diskussion über die Gemeinsame Agrarpolitik ab 2028 ein. Als Experten sind Dr. Ophelia Nick (BMEL), Prof. Dr. Peter Feindt (Humboldt Universität Berlin) und Peter Röhrig (BÖLW) vertreten. LINK UND ANMELDUNG

18.10.2023 – 19:00 -21.00, online
Diskussionsveranstaltung Vielfältig und vernetzt: Warum es gut ist, dass die Agrarbranche jünger und weiblicher wird
Bei dieser Diskussionsveranstaltung geht es um die Frage, wie die Agrarbranche für Frauen und junge Menschen attraktiver werden kann. Zu Gast ist der Landwirtschaftsminister Cem Özdemir. LINK

18.10.-20.10.2023
Tagung Digital, mobil und vernetzt – der ländliche Raum als Chancenraum

Die Deutsche Landeskulturgesellschaft (DLKG) lädt zu ihrer 43. Bundestagung ein. Im Zentrum der Tagung stehen die Potenziale der Digitalisierung für die ländliche Entwicklung. Es werden Strategien, Chancen und Grenzen der Digitalisierung diskutiert und die erfolgreiche Umsetzung anhand von Best-Practice-Beispielen aufgezeigt.
LINK

19.10.2023 – 18:00 Uhr
Impulsvortrag “Green Leaders Circle” Thema: Biodiversität in der Landwirtschaft
Der GLC ist eine vierteljährliche Dialog-Reihe, die mit Entscheider*innen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft mögliche Lösungswege für die Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft und Gesellschaft aufzeigen möchte. Als Plattform zur Vernetzung, zum Austausch von Ideen will der GLC verschiedene Ansätze und Perspektiven zusammenbringen und diese gemeinsam mit innovativen Akteuren diskutieren. INFOS

19.10.2023 – 17:00 Uhr
Vortrag Biodiversität, Agrarökologie und One Health: Perspektiven für eine gesunde und produktive Landwirtschaft
Das Zentralinstitut Hans Eisenmann-Forum für Agrarwissenschaften der Technischen Universität München lädt ein zum Vortrag von Dr. Maria Finckh, Professorin an der Universität Kassel. Zentrale Themen sind die Pflanzengesundheit und die Rolle der Biodiversität und der Pflanzen im Hinblick auf Bodenaufbau und Gesundheit. Zudem werden agrarökologische Ansätze für die Landwirtschaft präsentiert und anhand von Beispielen aus der Forschung illustriert. INFOS

11.11.2023, Hannover
Diskussionsforum Wirtschaftsforum der agrarzeitung
Bei dem Wirtschaftsforum der agrarzeitung trifft sich ein ausgewählter Kreis von Vertreterinnen und Vertretern von Landtechnik- und Handelsunternehmen der Agrarwirtschaft, führenden Herstellern von Betriebsmitteln, sowie innovativen Agrifood-Start-Ups zum jährlichen Austausch. INFOS

04.12.2023 – 10:00-14:00 Uhr, Berlin
BMEL Festveranstaltung zum Boden des Jahres 2024
Am 5. Dezember 2023 wird im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in Berlin der “Boden des Jahres 2024” gekürt. Die Festveranstaltung findet im Rahmen des Internationalen Weltbodentags statt, der die Bedeutung des Bodens und seine Schutzwürdigkeit besonders hervorheben soll. INFOS

Standpunkt

Foodwatch-Bericht zu Pestizideinsatz ist unsachlich

Martin Courbier
Martin Courbier, Geschäftsführer Der Agrarhandel

In einer immer schnelllebiger agierenden Nachrichten-Welt mit unglaublich hoher Informationsdichte und komplexen Zusammenhängen wird es vor allem für Laien immer schwieriger “falsche Fakten” zu erkennen. Jede Organisation sollte sich deshalb auf ihre Verantwortung bei der Kommunikation besinnen. Foodwatch zeigt mit der Veröffentlichung “Jedes dritte Getreideprodukt mit Pestiziden belastet” ein Beispiel, wie das aus meiner Sicht nicht funktioniert.

Fungizide schützen vor Mykotoxinen

Pflanzenschutzmittel schützen Lebensmittel und tragen damit zur Verbrauchersicherheit und nicht zu deren Gefährdung bei. Niemand möchte von Pilzkrankheiten befallenes Erntegut und damit “echte” Giftstoffe, beispielsweise Mykotoxine, in seinem Essen haben – genau davor schützen uns nämlich Fungizide, denn Pflanzen können nun mal krank werden.

Bezeichnend ist, dass kurz nach Veröffentlichung der Foodwatch-Studie das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) Stellung bezogen hat. Das BfR macht hierbei deutlich, dass durch Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in Getreide keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu erwarten sind. Wörtlich heißt es in der Stellungnahme: “Die von dem Verein veröffentlichten Zahlen zur gesamten Aufwandmenge von Pflanzenschutzmitteln in Weizen und Gerste sind für das BfR so nicht nachvollziehbar und sollten nach guter wissenschaftlicher Praxis transparent dargelegt werden.” Das sagt eigentlich schon alles über die Vertrauenswürdigkeit des Foodwatch-Reports.

Wording soll Verbraucher verunsichern

Das von Foodwatch genutzte Wording dient aus meiner Sicht einzig der gezielten Verunsicherung von Verbrauchern. Begriffe wie “Pestizid-Cocktail” dienen der reißerischen Panikmache und für geäußerte Vermutungen werden keinerlei wissenschaftliche Belege angeführt. Handfeste Ergebnisse für Deutschland gibt dagegen das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit: Nur 1,1 Prozent der untersuchten Lebensmittel aus Deutschland wiesen in 2021 eine Überschreitung der zulässigen Höchstmengen auf. Bei Getreide liegen nach Informationen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sogar 99,4 Prozent aller Proben unter den Rückstandshöchstgehalten.

Klar ist auch: Ohne Pflanzenschutzmittel wird die Produktion und Erntemenge von Getreide in Deutschland zurückgehen. Belegt wird diese Aussage von verschiedenen Studien, etwa einem vom Deutschen Bauernverband beauftragtem Gutachten der FH Soest aus Mai dieses Jahres. Es besagt, dass sich die durchschnittlichen Ertragsverluste zum Beispiel beim Wintergetreide auf ca. 30 Prozent belaufen, wenn die Pläne der EU, den Pflanzenschutzmitteleinsatz um 50 Prozent zu reduzieren, umgesetzt werden. Auch die Beratungsfirma hffa Research wird in Kürze eine von der BASF in Auftrag gegebene Studie zur “Agrarproduktion und Biodiversität in Deutschland” veröffentlichen. Vorab verkündeten die Studienautoren kürzlich, ein vorläufiges Ergebnis: Ein pauschales Pflanzenschutzmittelverbot in sensiblen Gebieten führe zu einer Produktionseinschränkung von etwa 30 Prozent. Das sind Stimmen der Wissenschaft, die deutlich machen: Wir brauchen einen funktionierenden Pflanzenschutz. 

“Es ist zynisch, ein Einschreiten der Supermärkte zu fordern.”

Ein Einschreiten des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) zu fordern, ist einfach nur zynisch. Schon allein wegen der Marktmacht der Supermärkte, die Erzeugerpreise ohnehin zu drücken, setzt kein Landwirt leichtfertig teure Pflanzenschutzmittel ein, wenn es ackerbaulich nicht nötig ist. Die verheerende Marktmacht des LEH auf Landwirtschaft und Verarbeitungsindustrie hat auch längst der Gesetzgeber erkannt. Mit dem Agrarmarktorganisationen- und Lieferkettengesetz versucht dieser Abhilfe zu schaffen.

Ich kann abschließend nur alle Beteiligten dazu aufrufen, die Kommunikation auf einem sachlichen Niveau zu führen. Verbände – egal ob in Vertretung der Zivilgesellschaft oder von Wirtschaftszweigen – sollten am Ende des Tages mit gutem Beispiel vorangehen und miteinander, statt nur übereinander sprechen. In diesem Sinne reiche ich Foodwatch die Hand und lade herzlich zu einem Dialog ein, um solche Konfliktfelder zukünftig offen zu besprechen.

Martin Courbier ist Geschäftsführer des Verbands Der Agrarhandel, der die Interessen des Agrarhandels in Deutschland vertritt. Die Mitgliedsunternehmen des Verbands beliefern die Landwirtschaft mit Saatgut, Pflanzenschutz-, Dünge- und Futtermitteln. Sie erfassen bundesweit Agrarrohstoffe, wie Getreide und Ölsaaten, und vermarkten sie als Nahrungs- und Futtermittel im In- und Ausland. Auch zählen internationale Im- und Exporteure sowie Makler von Agrarerzeugnissen zu den Mitgliedern. Der Agrarhandel ging 2022 aus einer Verschmelzung des Bundesverbands Agrarhandel (BVA) und des Vereins der Getreidehändler der Hamburger Börse (VdG) hervor. Er unterhält Geschäftsstellen in Hamburg und Berlin.

  • Agrarhandel
  • LEH

Agrifood.Table Redaktion

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    die EU-Kommission gibt ihre Arbeit an einem Nachhaltigen Lebensmittelsystem in dieser Legislaturperiode allen Anzeichen nach auf. Im Arbeitsprogramm der Kommission für kommendes Jahr taucht das Sustainable Food System Law – eigentlich Schlüsselelement der Farm-to-Fork-Strategie und damit zentraler Pfeiler des Green Deal – nicht mehr auf. Ebenso von der Agenda verschwunden ist der Gesetzesvorschlag zur Lebensmittelkennzeichnung, mit dem der europäische Nutri-Score auf den Weg gebracht werden sollte. Wie Expertinnen und Experten das beurteilen, weiß meine Kollegin Claire Stam.

    Spannend bleibt es auf europäischer Ebene auch beim Thema Glyphosat. Nachdem sich die EU-Mitgliedstaaten auf Expertenebene noch immer nicht auf die Zukunft des umstrittenen Herbizids einigen konnten, müssen sich die Agrarminister Mitte November mit dem Kommissionsvorschlag befassen. Aus gut informierten Kreisen heißt es: Die Verhandlungen sollen schnell starten.

    In der Bundesrepublik geht es derzeit heiß her, was die Fördermittel für den ländlichen Raum im kommenden Jahr angeht. Der Bund hat die Schere bei der Gemeinschaftsaufgabe “Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes” (GAK) angesetzt. Viele Projekte bangen um ihr Geld. Diese Aufregung hält der FDP-Haushaltspolitiker Frank Schäffler für weitgehend unbegründet. Denn: Was die Kürzungen für den ländlichen Raum bedeuten, hänge vor allem davon ab, welche Prioritäten die Bundesländer setzen, erläutert Schäffler im Interview.

    Für Diskussion sorgt dieser Tage auch die von Foodwatch vergangene Woche veröffentlichte Studie zum Pestizideinsatz in der Getreideproduktion. Aus der Agrar- und Ernährungsbranche hagelte es breite Kritik an der Publikation. In seinem Standpunkt wirft Martin Courbier, Geschäftsführer des Verbands Der Agrarhandel, Foodwatch die Verunsicherung von Verbraucherinnen und Verbrauchern vor.

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    GAK-Kürzungen: “Es hängt von den Ländern ab”

    Frank Schäffler, FDP-Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Haushaltsausschuss.

    Die Kürzungen bei der Gemeinschaftsaufgabe “Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes” (GAK) im nächsten Jahr sind derzeit in aller Munde. Wie bewerten Sie, dass es künftig weniger Geld für den ländlichen Raum geben soll?

    Man muss immer schauen, womit man es vergleicht. Wenn man es mit den Corona-Jahren vergleicht und mit der Aussetzung der Schuldenbremse, dann ist es natürlich eine Kürzung. Aber wenn man das mit der Vor-Corona-Zeit vergleicht und vor allem mit den Ist-Werten von 2019, dann ist es eben ein Aufwuchs, ein ganz erheblicher sogar. Insofern ist das immer eine Frage der Sichtweise. Natürlich kann man immer mehr Geld in der Politik fordern, das ist ganz einfach. Aber wir sind jetzt in Zeiten der Schuldenbremse, und da ist eben ein unbegrenztes Ausweiten nicht mehr möglich.

    Können Sie das noch einmal genauer erläutern, warum wurde die GAK denn in den vergangenen Jahren so viel besser ausgestattet?

    Das lag daran, dass wir im Rahmen von Konjunkturpolitik – wir hatten eine Gaskrise, wir hatten eine Corona-Krise – zusätzliche Hilfen ausgezahlt und die Mittel aufgestockt haben. Aber das ist eben in den Jahren davor nicht der Fall gewesen. Wenn Sie schauen: 2017 hatten wir einen Soll-Ansatz von 765 Millionen Euro bei der GAK. Heute, 2023, haben wir einen Soll-Ansatz von 1,133 Milliarden Euro. Die GAK-Mittel wurden also um fast 50 Prozent erhöht. Wir haben faktisch also in den letzten Jahren eine irre Erhöhung der GAK-Mittel erlebt. Da kann man jetzt sagen, dass man diesen Aufwuchs so fortsetzen müsse, aber das ist natürlich aus meiner Sicht Quatsch. Wir haben eine Schuldenbremse, wir haben eine einbrechende Konjunktur. Da kann man natürlich nicht sagen, jetzt geben wir überall mehr aus.

    In Krisenzeiten wurden die GAK-Mittel also deutlich erhöht. Das heißt, die Aufregung über die Kürzungen, die jetzt anstehen, ist Ihrer Meinung nach völlig unbegründet?

    Nicht völlig, aber weitgehend unbegründet. Denn ein Großteil der Mittel, die der Bund ja zur Verfügung stellt über die GAK – der Bund zahlt hier 60 Prozent, die Länder kofinanzieren das mit 40 Prozent – wird teilweise von den Ländern gar nicht abgerufen. Also wir haben zum Beispiel 2022 1,32 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Die Länder haben aber nur 945 Millionen abgerufen. Da gibt es natürlich mehrere Ursachen, aber eine Ursache ist, dass die Länder das nicht kofinanzieren wollen. Entweder weil sie falsche Prioritäten im eigenen Haushalt setzen, oder die Programme sind nicht so sinnvoll, wie man ursprünglich gedacht hat. Denn die GAK besteht ja aus verschiedenen einzelnen Programmen und Förderbereichen, zum Beispiel dem Bereich Insektenschutz. Der scheint nicht so angenommen zu werden, wie das ursprünglich gedacht war, und deshalb werden die Mittel auch nicht so abgerufen. Und deshalb ist bei der GAK jetzt auch ein Umbau geplant.

    Würden Sie denn jetzt zurückblickend sagen, dass die GAK-Mittel bislang falsch eingesetzt wurden?

    Ja, natürlich sind die auch teilweise falsch eingesetzt worden, sonst wären sie nämlich auch besser abgerufen worden. Und da gibt es natürlich Bundesländer – das muss man zugestehen – die das besser machen. Bayern und Baden-Württemberg machen das sicherlich besser, und es gibt wiederum Länder, die das einfach schlechter machen – Sachsen-Anhalt beispielsweise.

    Sie sprachen gerade den Umbau der GAK an. Was ist da geplant?

    Wir haben die GAK flexibilisiert und damit natürlich auch ein Stück weit entbürokratisiert. Das wird eigentlich aus meiner Sicht viel zu wenig von den Ländern gewürdigt, dass nämlich ein Großteil der Sonderrahmenpläne abgeschafft wurde und in den allgemeinen Rahmenplan mehr oder weniger überführt wurde, womit die Länder künftig viel spezifischer und flexibler ihre eigenen Ideen vor Ort umsetzen können. Denn es macht ja schon einen Unterschied, ob man hier im Land Berlin etwas umsetzt oder ob man etwas in Mecklenburg-Vorpommern umsetzt. Und das kann man, glaube ich, schlecht von Berlin aus steuern, sondern das wissen die Länder viel, viel besser.

    Das heißt, die GAK-Mittel sollen ab 2024 flexibler genutzt werden können. Wird das denn Ihrer Meinung nach auch dazu beitragen, dass das Geld an die richtigen Stellen fließt?

    Ja, auch das hängt von den Ländern ab. Ehrlich gesagt ist die GAK ja eine Planungsbürokratie sondergleichen. Wir haben mit dem Planungsausschuss für Agrarstruktur und Küstenschutz (PLANAK), wo ja die Länder auch vertreten sind, ein Gremium, was diese Dinge auch bespricht und vorbereitet. Und ich vertrete beispielsweise die Auffassung, dass – wenn Bundesländer bis zu einem gewissen Stichtag die Mittel nicht abrufen – dann andere Länder diese Mittel nutzen können sollen. Und da würde ich mir wünschen, dass sich die Länder in dieser Frage bewegen und nicht einfach nur nach noch mehr Geld rufen, das sie im Zweifel noch nicht einmal abrufen.

    Eine Kürzung der GAK bedeute Stillstand bei Agrarumweltmaßnahmen, Tierwohl und Biodiversität sowie Stagnation der ländlichen Räume, hieß es seitens der Agrarministerkonferenz vor einigen Wochen. Das kann jetzt also alles auch weiterhin gefördert werden?

    Ja, natürlich. Jedes Land kann natürlich eigene Programme auflegen und die mit eigenem Geld finanzieren. Hier geht es ja um eine Mischfinanzierung zwischen Bund und Land und die hat per se Probleme. Ich bin grundsätzlich gegen solche Mischfinanzierungssysteme. Jetzt kann ich es nicht ändern, weil das grundgesetzlich abgesichert ist. Aber schlauer wäre es, wenn die Länder selbst Verantwortung tragen könnten für das, was sie über diese Programme realisieren. Der Bundesrechnungshof hat schon mehrmals beklagt, dass ja der Bund gar nicht weiß, was die Länder eigentlich mit den GAK-Mitteln konkret tun. Und wir Haushälter im Bundestag wissen das auch nicht. Also wir kriegen zum Beispiel keine Projektliste, die zeigt, wie das Land Bayern diese Gelder ausgibt. Als Mitglied im Haushaltsausschuss will ich aber im Zweifel schon wissen, wohin das Geld geflossen ist, ob es richtig verwendet wurde und wie ich das nachvollziehen kann.

    In den vergangenen Wochen hörte man immer wieder ganz konkret von Projekten im ländlichen Raum, die vor dem Hintergrund der GAK-Kürzungen um ihre Finanzierung bangen. Zu Unrecht?

    Naja, das hängt natürlich von dem jeweiligen Bundesland ab. Ich habe jetzt in den Wahlkämpfen auch viele Schreiben bekommen aus den Regionen und von den Bürgermeistern. Ich frage mich, warum die mich anschreiben. Sollen sie doch ihre Ministerpräsidenten anschreiben oder ihre Landesregierung. Denn ich kann nicht nachvollziehen, was die einzelnen Länder für Prioritäten in dieser Frage setzen. Das kann ich immer nur im Nachhinein nachvollziehen, so einigermaßen. Aber ich habe ja schon gesagt, der Bundesrechnungshof hat das schon beklagt, dass wir da nicht wirklich Zugriff haben. Insofern sollen die sich bitte an ihre Landesregierung wenden, denn die Länder waren die, die in den vergangenen Jahren Überschüsse erzielt haben, nicht der Bund.

    So wie ich das jetzt bei Ihnen verstehe, ist der ländliche Raum also eigentlich gar nicht von den Kürzungen betroffen, sofern die Länder jetzt einfach die richtigen Prioritäten setzen?

    Genau, also man muss diese Programme jetzt natürlich entschlacken und man muss die Prioritäten halt auf die Dinge legen, die man für richtig und wichtig empfindet. Im Rahmen der klassischen GAK mit 60-40-Finanzierung können die Länder die Prioritäten so setzen, dass bei ihren Schwerpunkten dann keine Kürzungen stattfinden. Sie müssen es nur tun. Und ich will noch mal auf meinen Vorschlag zurückkommen: Die Länder, die nichts abrufen oder wenig abrufen, müssen bereit sein, ab einem gewissen Stichtag ihre Kontingente auch anderen Ländern zur Verfügung zu stellen. Da hat der Bund nichts dagegen, aber die Länder müssen sich einfach bewegen. Und wie gesagt, im PLANAK kann das aus meiner Sicht besprochen werden. Da findet im November jetzt eine Sitzung statt. Da können die Länder das beschließen. Sie sollen selbst aktiv werden. Darum geht es mir.

    Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir hat selbst zuletzt von schmerzhaften Kürzungen gesprochen. Er hat auch angekündigt, bei den Haushaltsverhandlungen auf Änderungen zu setzen. Sie sind Teil dieser Beratungen. Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass hier noch Änderungen vorgenommen werden?

    Wir sind mitten in den Haushaltsverhandlungen, da will ich nichts vorwegnehmen. Da, wo es sinnvoll ist, werden wir auch noch Änderungen vornehmen. Das ist klar. Aber zu Einzelheiten kann ich jetzt zu diesem Zeitpunkt noch nichts sagen. Der Haushalt wird ja im November verabschiedet. Und bis dahin beschäftigen wir uns im Haushaltsausschuss mit diesen Fragen.

    Welthunger-Index: Der Hunger gewinnt

    Seit sich die UN die Ausrottung des Hungers bis 2030 auf die Agenda geschrieben hat, sind weltweit betrachtet kaum Fortschritte erzielt worden. Zwar habe sich die Hungersituation in einigen Länder durchaus verbessert, schreibt die Welthungerhilfe in ihrem Report, trotzdem habe sich die Zahl der unterernährten Menschen erhöht. Aktuell haben demnach 735 Millionen Menschen zu wenig zu essen, 2017 lag diese Zahl noch bei 572 Millionen. Der globale WHI-Wert, mit dem die Nichtregierungsorganisation die Hungersituation in den Ländern abbildet, wobei 0 (kein Hunger) der beste und 100 der schlechteste Wert ist, hat sich seit Beginn der Erfassung um nicht einmal einen Punkt verbessert, auf nun 18,3.

    Diese Stagnation spiegelt die kombinierte Auswirkung multipler Krisen wider, heißt es in der Studie. Insbesondere in den Ländern und Regionen, in den der Hunger aufgrund von “Machtungleichheiten und strukturellen Hindernissen für die Ernährungssicherheit” bereits vorher hoch war, habe sich die Situation verschärft. Die Folgen der Corona-Pandemie, der Ukraine-Krieg, gewaltsame Konflikte und Klimakatastrophen weltweit hätten einige Länder in Ernährungskrisen gestürzt. Staaten mit niedrigem und mittlerem Einkommen, die tendenziell krisenanfälliger sind, habe es im Vergleich zu jenen mit hohem Einkommen besonders hart getroffen.

    Südasien und Subsahara-Afrika sind die Weltregionen mit dem höchsten Hunger (WHI-Wert: jeweils 27). In den Jahren vor der Agenda 2030 von 2000 bis 2015 habe es hier noch große Fortschritte gegeben. Laut Welthungerhilfe hungert die Bevölkerung am meisten in der Zentralafrikanischen Republik (42,3), gefolgt von Madagaskar (41). Für sieben weitere Länder gilt ebenfalls eine “sehr ernste Hungerlage”, die zweithöchste Warnstufe der Organisation: Burundi, DR Kongo, Lesotho, Niger, Somalia, Südsudan und Jemen. 

    Die Welthungerhilfe geht davon aus, dass keine Zielwerte der UN-Nachhaltigkeitsagenda bis 2030 erreicht werden. In 18 Ländern mit mäßigen, ernsten oder sehr ernsten WHI-Werten habe der Hunger sogar zugenommen. Positiv sei hingegen die Entwicklung in Bangladesch, Dschibuti, Laos, Mosambik, Nepal, Timor-Leste und im Tschad. Dort haben sich die Werte gegen den globalen Trend seit 2015 um fünf und mehr Punkte verbessert.

    Besonders für junge Menschen ist die globale Hungersituation problematisch. Unterernährung, Wachstumsverzögerung und Auszehrung hätten sich in dieser Bevölkerungsgruppe schlechter entwickelt als erhofft und damit auch die Kindersterblichkeit, heißt es. Als Lösung fordern die Autoren der Studie die junge Generation stärker in Entscheidungen und in die Entwicklung von Strategien zur Hungerbekämpfung einzubinden. Dies sei “unabdingbar”, um das Recht auf gesunde und kulturell angepasste Nahrung, die nachhaltig und umweltfreundlich hergestellt wird, zu sichern und eine “Ernährungssouveränität” auch für zukünftige Generationen zu gewährleisten.

    • Ernährungspolitik

    News

    Ernährungswende liegt auf Eis

    Im Entwurf des neuen Arbeitsprogramms der EU-Kommission für 2024, das heute vorgestellt werden soll und Table.Media vorliegt, fehlen zwei wichtige Dossiers. Das sind der Gesetzesvorschlag zur Lebensmittelkennzeichnung (Stichwort: Nutri-Score) und das Gesetz für nachhaltige Lebensmittelsysteme (Sustainable Food Systems). Dies galt einst als Kernstück der Farm-to-Fork-Strategie und des Green Deal. Ursprünglich sollte es im dritten Quartal dieses Jahres fertig werden.

    Lebensmittelverband und Verbraucherschützer reagieren enttäuscht

    “Wir können nur hoffen, dass dies nur ein Gerücht ist”, sagt Peter Loosen vom Lebensmittelverband Deutschland. Er hoffe, dass sich die Arbeiten an diesem “Fundament der Nachhaltigkeitsgesetzgebung” nur verzögerten.

    Kommissionspräsidentin von der Leyen präsentiere den Verbraucherinnen und Verbrauchern ein “enttäuschendes Arbeitsprogramm im Bereich der Ernährung”, sagte Camille Perrin, Senior Food Policy Officer beim Europäischen Büro der Verbraucherverbände (BEUC). Elisa Kollenda, ernährungspolitische Referentin des WWF Deutschland, fordert von der EU-Kommission eine klare Aussage zur Zukunft des Gesetzes: “Es kommentarlos unter den Tisch fallen zu lassen ist keine angemessene Strategie.”

    Taxonomie: Mittelstand soll entlastet werden

    Das Arbeitsprogramm für 2024 listet wie erwartet eine Reihe von Maßnahmen zum Bürokratieabbau auf, darunter die Verschiebung der sektorspezifischen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESRS) um zwei Jahre auf 2026. Dies werde die davon betroffenen Unternehmen unmittelbar entlasten, schreibt die Kommission in dem Programm.

    Auch bei der Berichterstattung im Rahmen der Taxonomie will die Kommission an bestimmten Stellen nachschärfen. Die neue Nachhaltigkeitsberichterstattung wurde von Unternehmen und Wirtschaftsverbänden besonders scharf kritisiert – sie überfordere insbesondere Mittelständler. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte die lautstarke Kritik, auch aus der EVP, aufgegriffen und im Frühjahr in Aussicht gestellt, doppelte oder unverhältnismäßig aufwändige Auflagen zu beseitigen. Till Hoppe, Claire Stam

    • Ernährungspolitik
    • Europäische Kommission
    • Lebensmittel
    • Nutri-Score

    Glyphosat: Agrarminister müssen sich mit Kommissionsvorschlag befassen

    Die EU-Mitgliedstaaten haben sich auf Expertenebene noch nicht über die Zukunft des umstrittenen Herbizids einigen können. In der Abstimmung am Freitag im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel (SCoPAFF) fand der Vorschlag der Kommission für eine erneute Zulassung keine qualifizierte Mehrheit. Nun müssen sich die Agrarminister der Mitgliedstaaten mit dem Kommissionsvorschlag befassen.

    Im sogenannten Berufungsausschuss sollen diese Mitte November abstimmen. Die Verhandlungen sollen schon in Kürze beginnen, berichten gut informierte Kreise. Vermutlich wird die EU-Kommission, ihren Vorschlag, Glyphosat für weitere zehn Jahre zuzulassen, noch einmal an die Bedenken Frankreichs anpassen. Paris von einem positiven Votum zu überzeugen, würde eine qualifizierte Mehrheit für die Zulassung des umstrittenen Unkrautvernichters wahrscheinlich ermöglichen.

    Bislang war Paris mit dem Vorschlag aus Brüssel nicht zufrieden. Das französische Agrarministerium forderte “die Verwendung von Glyphosat in Situationen, in denen es durch eine praktikable Alternative ersetzt werden kann”, zu verbieten. Diesem Wunsch ist die Brüsseler Behörde aber bislang nicht nachgekommen.

    Derweil kämpfen Umwelt- und Verbraucherschützer in Deutschland gegen eine erneute Zulassung. Die politischen Aktivisten von Campact haben gemeinsam mit Foodwatch inzwischen mehr als 350.000 Stimmen gegen Glyphosat gesammelt. Eine Kampagne von Bayer Crop Science Deutschland kam lediglich auf rund 17.000 Unterstützende. Das EU-Parlament wird in den kommenden Wochen voraussichtlich gegen eine erneute Zulassung stimmen. Zwar wäre das Ergebnis rechtlich nicht bindend, aber dürfte trotzdem politischen Druck ausüben. has

    Lidl und Kaufland senken Preise für vegane Eigenmarken

    Lidl Deutschland kündigte am Mittwoch an, ab sofort die Preise für Fleisch- und Milch-Ersatzprodukte der Eigenmarke “Vemondo” zu senken, und zwar auf das Niveau von herkömmlichem Fleisch und Kuhmilch. Damit werden die veganen Alternativen um durchschnittlich 20 Prozent billiger. Am Freitag gab Kaufland ebenfalls bekannt, ab sofort die Produkte der Eigenmarke “K-take it veggie” an das Preisniveau der entsprechenden Artikel tierischen Ursprungs anzupassen.

    Lidl Deutschland verkündete außerdem, im Zuge seiner Eiweiß-Strategie, den Anteil seiner pflanzlichen Eiweißprodukte am Gesamtsortiment bis 2030 “nahezu” verdoppeln zu wollen. Konkret soll das Sortiment an Fleisch-, Ei- und Fisch-Alternativen bis 2030 von 11 auf 22 Prozent steigen, das Sortiment an Milch- und Käse-Ersatz von heute 6 auf 10 Prozent in 2030. Fleisch-Ersatz soll zudem künftig neben herkömmlichen tierischen Erzeugnissen ausliegen. In eigener Sache verkündet der Discounter, die von Wissenschaftlern empfohlene Planetary Health Diet, die empfiehlt, sich stärker vegetarisch zu ernähren, unterstützen zu wollen.

    Bayerische Bauern bangen um Geschäftsmodell

    Tierische Lebensmittel würden “in ein schlechtes Licht gerückt”, kritisiert der bayerische Bauernverband (BBV). Aufklärung über den hohen Verarbeitungsgrad veganer Lebensmittel sowie deren Herkunft kämen hingegen zu kurz. Lidl versuche, den Verbraucher mit der Preissenkung zu lenken, verpasse aber die Initiative der Landwirtschaft, für mehr Tierwohl zu würdigen. ag

    KIT-Studie: Optimierte Landnutzung könnte Nahrungsmittelproduktion deutlich erhöhen

    Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und des Heidelberg Institute for Geoinformation Technology (HeiGIT) haben herausgefunden, dass es mittels einer radikalen räumlichen Neuordnung der Landnutzung theoretisch möglich wäre, die Nahrungsmittelproduktion zu verdoppeln. Außerdem könnte so Wasser gespart und gleichzeitig die Kohlenstoffspeicherung erhöht werden.

    In den Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlichte Ergebnisse zeigen, dass die historisch gewachsenen Systeme der Nahrungsmittelproduktion nicht das biophysikalische Potenzial unserer Ökosysteme widerspiegeln. So werden nach wie vor Wälder für Acker- und Weideland gerodet und aride Gebiete bewässert, anstatt die Landwirtschaft dort anzusiedeln, wo es flächen-, wasser- und CO₂-technisch am effizientesten wäre.

    Die Forschenden haben in einem dynamischen Vegetationsmodell alternative Anordnungen der globalen Landnutzung und deren Auswirkungen unter Berücksichtigung verschiedener Klimawandel-Szenarien untersucht. Die Modellierung ergab, dass durch eine optimierte räumliche Umstrukturierung die Produktion von Lebensmitteln um durchschnittlich 83 Prozent gesteigert werden könnte, während gleichzeitig die Wasserverfügbarkeit um 8 Prozent und die CO₂-Speicherung um 3 Prozent zunehmen würden. Die Ergebnisse zeigten weiterhin, dass tropische und boreale Wälder aufgrund ihrer Funktion als CO₂-Speicher erhalten oder wiederaufgeforstet werden sollten, wohingegen gemäßigte Breiten hauptsächlich als Ackerland und in geringem Maße als Weideland genutzt werden sollten.

    Um das in der Studie beschriebene biophysikalische Potenzial optimal nutzen zu können, wären massive Landnutzungsänderungen nötig. “Auch wenn solche großflächigen Landnutzungsänderungen auf den ersten Blick völlig unrealistisch erscheinen, ist es hilfreich, sich bewusst zu machen, dass der Klimawandel ohnehin große Veränderungen der Anbaugebiete mit sich bringen wird“, betont Professor Sven Lautenbach, Wissenschaftler am HeiGIT und dem Geographischen Institut der Universität Heidelberg.

    Die Ergebnisse der Studie könnten dazu beitragen, Lösungen zu finden, um landwirtschaftliche Erträge zu steigern und den Flächenverbrauch zu begrenzen. Insbesondere gilt dies vor dem Hintergrund der zunehmenden Herausforderungen der globalen Ernährungssicherung und des Klimawandels. kih

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    • Klima & Umwelt
    • Lebensmittel

    Lieferketten: Morddrohungen gegen Bananen-Gewerkschafter in Ecuador

    In Ecuador erhielten drei Gewerkschafterinnen, die Arbeiter auf Bananenplantagen organisieren, Morddrohungen per Messenger-Nachricht. Sie sollten aufhören, die Arbeiter zu “belästigen”, ist in der Nachricht zu lesen, welche die Gewerkschaft ASTAC veröffentlicht hat.  

    In Ecuador arbeiten mehrere hunderttausend Menschen auf Bananenplantagen, teilweise unter unwürdigen Bedingungen. Auch deutsche Supermarktketten verkaufen die Früchte, ein Viertel der hiesigen Bananen stammt von dort. NGOs und Gewerkschaften machen seit Jahren Druck, damit sich die Verhältnisse verbessern. Schwierig wird die Gemengelage aufgrund des Vormarschs der Drogenmafia in dem Land.

    Die Gewerkschaft ASTAC vermutet Bananenproduzenten hinter den Drohungen, die sich schon lange an der Arbeit der Gewerkschaft störten. Als Beleg führt sie an, dass die Absender der Drohung kein Schutzgeld gefordert hätten, sondern die Arbeit der drei Frauen kritisiert hätten. Bereits 2018 habe es Morddrohungen gegen den Koordinator von ASTAC, Jorge Acosta, gegeben, heißt es in einem Brief, den Oxfam mit anderen Organisationen wie Misereor, der FES und dem ECCHR an den ecuadorianischen Präsidenten und internationale Stellen geschrieben hat. Die jüngsten Verletzungen seien erneut eine Verletzung der Vereinigungsfreiheit im Bananensektor des Landes.

    Laut dem deutschen Lieferkettengesetz müssen Unternehmen sich mit Risiken in ihrer tiefen Lieferkette beschäftigen, wenn sie davon Kenntnis erlangen. Insofern müssen deutsche Supermarktketten sich mit dem Thema auseinandersetzen. Das dürfte in der Gemengelage in Ecuador momentan ein schwieriges Unterfangen sein. cd

    • Lebensmittel
    • Lieferkettengesetz

    Presseschau

    OEDC empfiehlt weitreichende Reformen der EU-Agrarpolitik in Sachen Nachhaltigkeit AgE
    Erweiterung der EU würde Agrarzahlungen an derzeitige Mitglieder um etwa 20 Prozent senken agrarzeitung
    EU-Beitritt der Ukraine: Ukrainische Beamte warnt vor Politisierung der Lebensmittelsicherheit Euractiv
    Erneute Kritik an EU-Zulassungsverfahren für Glyphosat Die Zeit
    Bundestag beschäftigt sich mit der Reduzierung von Lebensmittelabfällen Lebensmittelzeitung
    Ministerpräsidentenkonferenz: Vorschlag der Länderchefs könnte Artenschutz und Bürgerbeteiligung schwächen Die Zeit
    Interview: Neuer Markenverbandschef Frank-Olaf Kallerhoff sieht Deutschland als Standort für Konsumgüterherstellung gefährdet Lebensmittelzeitung E-Paper
    Nach Klage gegen Hellofresh: Kochboxhersteller darf sich nicht mehr klimaneutral nennen Lebensmittelzeitung
    Erste Fälle von Blauzungenkrankheit in NRW agrarheute
    Drei Landtechnikhersteller wollen gemeinsam autonom fahrende Traktoren und Anbaugeräte herstellen agrarheute
    Interview: Präsident des Europäischen Dachverbandes für ökologische Verarbeitung und Handel, fordert mehr Unterstützung für die Bio-Produktion AgE

    Termine

    17.10.2023 – 19:00-20:30 Uhr, online
    Diskussionsforum Gemeinsame Agrarpolitik ab 2028: Einfacher und effektiver – für Menschen, Tiere und Umwelt!
    Der agrarpolitische Sprecher der Grünen/EFA im EU-Parlament und Mitglied im Umweltausschuss Martin Häusling lädt Experten und Interessierte zur Diskussion über die Gemeinsame Agrarpolitik ab 2028 ein. Als Experten sind Dr. Ophelia Nick (BMEL), Prof. Dr. Peter Feindt (Humboldt Universität Berlin) und Peter Röhrig (BÖLW) vertreten. LINK UND ANMELDUNG

    18.10.2023 – 19:00 -21.00, online
    Diskussionsveranstaltung Vielfältig und vernetzt: Warum es gut ist, dass die Agrarbranche jünger und weiblicher wird
    Bei dieser Diskussionsveranstaltung geht es um die Frage, wie die Agrarbranche für Frauen und junge Menschen attraktiver werden kann. Zu Gast ist der Landwirtschaftsminister Cem Özdemir. LINK

    18.10.-20.10.2023
    Tagung Digital, mobil und vernetzt – der ländliche Raum als Chancenraum

    Die Deutsche Landeskulturgesellschaft (DLKG) lädt zu ihrer 43. Bundestagung ein. Im Zentrum der Tagung stehen die Potenziale der Digitalisierung für die ländliche Entwicklung. Es werden Strategien, Chancen und Grenzen der Digitalisierung diskutiert und die erfolgreiche Umsetzung anhand von Best-Practice-Beispielen aufgezeigt.
    LINK

    19.10.2023 – 18:00 Uhr
    Impulsvortrag “Green Leaders Circle” Thema: Biodiversität in der Landwirtschaft
    Der GLC ist eine vierteljährliche Dialog-Reihe, die mit Entscheider*innen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft mögliche Lösungswege für die Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft und Gesellschaft aufzeigen möchte. Als Plattform zur Vernetzung, zum Austausch von Ideen will der GLC verschiedene Ansätze und Perspektiven zusammenbringen und diese gemeinsam mit innovativen Akteuren diskutieren. INFOS

    19.10.2023 – 17:00 Uhr
    Vortrag Biodiversität, Agrarökologie und One Health: Perspektiven für eine gesunde und produktive Landwirtschaft
    Das Zentralinstitut Hans Eisenmann-Forum für Agrarwissenschaften der Technischen Universität München lädt ein zum Vortrag von Dr. Maria Finckh, Professorin an der Universität Kassel. Zentrale Themen sind die Pflanzengesundheit und die Rolle der Biodiversität und der Pflanzen im Hinblick auf Bodenaufbau und Gesundheit. Zudem werden agrarökologische Ansätze für die Landwirtschaft präsentiert und anhand von Beispielen aus der Forschung illustriert. INFOS

    11.11.2023, Hannover
    Diskussionsforum Wirtschaftsforum der agrarzeitung
    Bei dem Wirtschaftsforum der agrarzeitung trifft sich ein ausgewählter Kreis von Vertreterinnen und Vertretern von Landtechnik- und Handelsunternehmen der Agrarwirtschaft, führenden Herstellern von Betriebsmitteln, sowie innovativen Agrifood-Start-Ups zum jährlichen Austausch. INFOS

    04.12.2023 – 10:00-14:00 Uhr, Berlin
    BMEL Festveranstaltung zum Boden des Jahres 2024
    Am 5. Dezember 2023 wird im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in Berlin der “Boden des Jahres 2024” gekürt. Die Festveranstaltung findet im Rahmen des Internationalen Weltbodentags statt, der die Bedeutung des Bodens und seine Schutzwürdigkeit besonders hervorheben soll. INFOS

    Standpunkt

    Foodwatch-Bericht zu Pestizideinsatz ist unsachlich

    Martin Courbier
    Martin Courbier, Geschäftsführer Der Agrarhandel

    In einer immer schnelllebiger agierenden Nachrichten-Welt mit unglaublich hoher Informationsdichte und komplexen Zusammenhängen wird es vor allem für Laien immer schwieriger “falsche Fakten” zu erkennen. Jede Organisation sollte sich deshalb auf ihre Verantwortung bei der Kommunikation besinnen. Foodwatch zeigt mit der Veröffentlichung “Jedes dritte Getreideprodukt mit Pestiziden belastet” ein Beispiel, wie das aus meiner Sicht nicht funktioniert.

    Fungizide schützen vor Mykotoxinen

    Pflanzenschutzmittel schützen Lebensmittel und tragen damit zur Verbrauchersicherheit und nicht zu deren Gefährdung bei. Niemand möchte von Pilzkrankheiten befallenes Erntegut und damit “echte” Giftstoffe, beispielsweise Mykotoxine, in seinem Essen haben – genau davor schützen uns nämlich Fungizide, denn Pflanzen können nun mal krank werden.

    Bezeichnend ist, dass kurz nach Veröffentlichung der Foodwatch-Studie das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) Stellung bezogen hat. Das BfR macht hierbei deutlich, dass durch Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in Getreide keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu erwarten sind. Wörtlich heißt es in der Stellungnahme: “Die von dem Verein veröffentlichten Zahlen zur gesamten Aufwandmenge von Pflanzenschutzmitteln in Weizen und Gerste sind für das BfR so nicht nachvollziehbar und sollten nach guter wissenschaftlicher Praxis transparent dargelegt werden.” Das sagt eigentlich schon alles über die Vertrauenswürdigkeit des Foodwatch-Reports.

    Wording soll Verbraucher verunsichern

    Das von Foodwatch genutzte Wording dient aus meiner Sicht einzig der gezielten Verunsicherung von Verbrauchern. Begriffe wie “Pestizid-Cocktail” dienen der reißerischen Panikmache und für geäußerte Vermutungen werden keinerlei wissenschaftliche Belege angeführt. Handfeste Ergebnisse für Deutschland gibt dagegen das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit: Nur 1,1 Prozent der untersuchten Lebensmittel aus Deutschland wiesen in 2021 eine Überschreitung der zulässigen Höchstmengen auf. Bei Getreide liegen nach Informationen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) sogar 99,4 Prozent aller Proben unter den Rückstandshöchstgehalten.

    Klar ist auch: Ohne Pflanzenschutzmittel wird die Produktion und Erntemenge von Getreide in Deutschland zurückgehen. Belegt wird diese Aussage von verschiedenen Studien, etwa einem vom Deutschen Bauernverband beauftragtem Gutachten der FH Soest aus Mai dieses Jahres. Es besagt, dass sich die durchschnittlichen Ertragsverluste zum Beispiel beim Wintergetreide auf ca. 30 Prozent belaufen, wenn die Pläne der EU, den Pflanzenschutzmitteleinsatz um 50 Prozent zu reduzieren, umgesetzt werden. Auch die Beratungsfirma hffa Research wird in Kürze eine von der BASF in Auftrag gegebene Studie zur “Agrarproduktion und Biodiversität in Deutschland” veröffentlichen. Vorab verkündeten die Studienautoren kürzlich, ein vorläufiges Ergebnis: Ein pauschales Pflanzenschutzmittelverbot in sensiblen Gebieten führe zu einer Produktionseinschränkung von etwa 30 Prozent. Das sind Stimmen der Wissenschaft, die deutlich machen: Wir brauchen einen funktionierenden Pflanzenschutz. 

    “Es ist zynisch, ein Einschreiten der Supermärkte zu fordern.”

    Ein Einschreiten des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) zu fordern, ist einfach nur zynisch. Schon allein wegen der Marktmacht der Supermärkte, die Erzeugerpreise ohnehin zu drücken, setzt kein Landwirt leichtfertig teure Pflanzenschutzmittel ein, wenn es ackerbaulich nicht nötig ist. Die verheerende Marktmacht des LEH auf Landwirtschaft und Verarbeitungsindustrie hat auch längst der Gesetzgeber erkannt. Mit dem Agrarmarktorganisationen- und Lieferkettengesetz versucht dieser Abhilfe zu schaffen.

    Ich kann abschließend nur alle Beteiligten dazu aufrufen, die Kommunikation auf einem sachlichen Niveau zu führen. Verbände – egal ob in Vertretung der Zivilgesellschaft oder von Wirtschaftszweigen – sollten am Ende des Tages mit gutem Beispiel vorangehen und miteinander, statt nur übereinander sprechen. In diesem Sinne reiche ich Foodwatch die Hand und lade herzlich zu einem Dialog ein, um solche Konfliktfelder zukünftig offen zu besprechen.

    Martin Courbier ist Geschäftsführer des Verbands Der Agrarhandel, der die Interessen des Agrarhandels in Deutschland vertritt. Die Mitgliedsunternehmen des Verbands beliefern die Landwirtschaft mit Saatgut, Pflanzenschutz-, Dünge- und Futtermitteln. Sie erfassen bundesweit Agrarrohstoffe, wie Getreide und Ölsaaten, und vermarkten sie als Nahrungs- und Futtermittel im In- und Ausland. Auch zählen internationale Im- und Exporteure sowie Makler von Agrarerzeugnissen zu den Mitgliedern. Der Agrarhandel ging 2022 aus einer Verschmelzung des Bundesverbands Agrarhandel (BVA) und des Vereins der Getreidehändler der Hamburger Börse (VdG) hervor. Er unterhält Geschäftsstellen in Hamburg und Berlin.

    • Agrarhandel
    • LEH

    Agrifood.Table Redaktion

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