nach langem Ringen verkündeten die Koalitionsfraktionen am Freitag eine Einigung bei der Novelle des Düngegesetzes. Das von der EU-Kommission geforderte bundesweite Wirkungsmonitoring wird eingerichtet, die Stoffstrombilanz bleibt und wird umbenannt in Nährstoffbilanz. Ein entscheidendes Zugeständnis der Ampelfraktionen an Landwirte ist, dass dieses schlagbezogene Monitoring dazu dienen soll, künftig auch in “roten Gebieten” eine bedarfsgerechte Düngung von Nutzpflanzen zu ermöglichen. Eine Verursachergerechtigkeit in der Stoffstrombilanz durchzusetzen, stand auf der Agenda von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne). Offensichtlich hat die FDP, trotz Beibehaltung der umstrittenen Stoffstrombilanz, eingelenkt und Özdemir kann sein Vorhaben endlich in die Tat umsetzen.
Wie schnell Landwirte und Landwirtinnen, deren Betriebe in roten Gebieten liegen, davon Gebrauch machen können, hängt nun auch von den Bundesländern ab. Um differenzierte Maßnahmen in roten Gebieten auf Basis des Wirkungsmonitorings zu ermöglichen, müssen sowohl die Düngeverordnung als auch entsprechende Landesverordnungen angepasst und mit der EU-Kommission abgestimmt werden.
Dem Deutschen Bauernverband (DBV), der die Streichung der Stoffstrombilanz im Sinne des Bürokratieabbaus fordert, schmeckt die Einigung der Ampelfraktionen nicht. Just nachdem die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Ampelparteien, Julia Verlinden (Grüne), Matthias Miersch (SPD) und Carina Konrad (FDP), ihre Einigung mitteilten, macht DBV-Präsident Joachim Rukwied weiter Druck. “Die Absichtserklärung für mehr Verursachergerechtigkeit im Düngerecht reicht bei Weitem nicht aus. Wir Bauern brauchen eine konkrete Ausgestaltung und eine verbindliche Festlegung.” Dieser Argumentation folgt auch die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) im Vorfeld der Sonder-Agrarministerkonferenz, die am Mittwoch als Webkonferenz stattfindet, wie unser Autor Kai Moll berichtet.
Bei der Sonder-AMK verhandeln Bund und Länder neben dem Bürokratieabbau auch darüber, wie die von der EU beschlossenen Änderungen zu den GAP-Umweltstandards (GLÖZ) in Deutschland umgesetzt werden sollen. Einige (GLÖZ 8) gelten ohnehin EU-weit, andere kann Deutschland noch individuell ausgestalten (GLÖZ 5, 6, 7). Wie das Bundesumweltministerium und Naturschützer bürokratische Entlastungen fördern wollen, ohne den Umweltschutz zu schwächen, haben wir vorab für Sie zusammen getragen.
Wir wünschen Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre!
Erste Vorschläge der Europäischen Kommission für die Gemeinsame EU-Agrarpolitik (GAP) nach 2027 werden fürs kommende Jahr erwartet. Wird die Zeit zu knapp, könnte die laufende Förderperiode auch, ähnlich wie 2022 die vorige, verlängert werden. Dabei muss die GAP neue Herausforderungen bewältigen. Vor dem Hintergrund der Bauernproteste könnte sich der Appetit auf radikale Reformen aber in Grenzen halten. Wie viel Geld überhaupt zur Verfügung steht, wird bei den Verhandlungen zum Mehrjährigen EU-Finanzrahmen (MFF) für die Jahre 2028 bis 2032 entschieden. Der Druck auf das GAP-Budget ist in den letzten Jahren gewachsen.
Folgende Themen dürften vor diesem Hintergrund die Reformdebatte prägen:
Ob die GAP mit der nächsten Reform “grüner” wird als bisher, ist offen: Rufen nach mehr Umwelt-, Klima- und Tierschutz steht die Forderung der Bauernproteste nach Vereinfachung gegenüber. Schon mit den nun beschlossenen Lockerungen bis 2027 fällt das Ambitionsniveau aus Sicht von Wissenschaftlern teils hinter vorige Reformen zurück.
Auf eins können sich, vom grünen Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir bis zum rechtskonservativen EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski, derzeit viele Beteiligte einigen: Die GAP müsse beim Umwelt- und Klimaschutz stärker auf finanzielle Anreize setzen, statt auf Vorgaben. Also eher auf Modelle wie die Ökoregelungen, als auf die Konditionalität. Umstritten ist, ob solche Gemeinwohlprämien die Flächenzahlungen ersetzen oder ergänzen sollten. Manche Umweltschützer warnen zudem: Werde nur auf Freiwilligkeit gesetzt, sei kein Mindestmaß an Nachhaltigkeit garantiert.
Der EU-Beitritt der Ukraine dürfte auch agrarpolitisch eines der heikelsten Themen werden. Dass dieser schon innerhalb der nächsten GAP-Förderperiode geschieht, ist unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen. Einigkeit herrscht darüber, dass die GAP den Beitritt in ihrer jetzigen Form finanziell nicht stemmen kann. Insbesondere die flächenbasierten Direktzahlungen würden durch die großen Betriebe gesprengt. Viele Bauernvertreter sehen einen Beitritt kritisch und fürchten eine Verdrängung vor allem kleiner Höfe. Özdemir dagegen sieht in der Integration der Ukraine in die GAP die Chance auf jenen ambitionierten Umbau weg von den Flächenzahlungen, den die Grünen ohnehin fordern.
Wojciechowski und der ukrainische Vize-Agrarminister machen einen anderen Vorschlag: die Direktzahlungen pro Betrieb verpflichtend zu deckeln. So würden übermäßige Zahlungen an große Betriebe vermieden werden. Die Deckelung ist bisher für Mitgliedstaaten freiwillig und wird kaum genutzt. Wojciechowski hat sich auch für lange Übergangsfristen ausgesprochen. Diese nutzte die EU bereits bei vergangenen Erweiterungsrunden, um die Betriebe neu beigetretener Länder nicht sofort in die GAP einzubeziehen. Auch die anderen EU-Beitrittskandidaten muss die Reform in den Blick nehmen. So haben die Westbalkanländer im Vergleich zur Ukraine eine eher kleinteilige Agrarstruktur.
Die aktuelle GAP gibt den Mitgliedstaaten im Rahmen des “neuen Umsetzungsmodells” mehr Spielraum als je zuvor. Vieles spricht – neben der Vorbereitung auf die EU-Erweiterung – dafür, dass sich der Trend fortsetzt: Mit den aktuellen Lockerungen räumt Brüssel den EU-Ländern bereits mehr Spielraum ein. Damit könnte für die Reformdebatte ein Trend gesetzt sein – zumal die Mitgliedstaaten wenig Interesse haben dürften, errungene Freiheiten wieder abzugeben.
Auch in der Kommission findet das Modell Anklang: Gerade im aktuellen agrarpolitischen Klima sei es der richtige Ansatz, argumentierte Wolfgang Burtscher, Generaldirektor für Landwirtschaft, kürzlich bei einer Konferenz in Brüssel. So gebe die GAP einen gemeinsamen Rahmen vor, lasse aber Raum für unterschiedliche Meinungen zu konkreten Maßnahmen. Allerdings ist es noch zu früh, zu evaluieren, ob so tatsächlich die übergreifenden Ziele der GAP erreicht werden, oder ob sie unter mangelnder Kontrolle aus Brüssel leiden.
Die Sorge wächst, dass die GAP nicht auf immer häufigere Extremwetterereignisse vorbereitet ist. Über die Krisenreserve stehen jährlich bis zu 450 Millionen Euro bereit, um auf Marktstörungen zu reagieren. Zu wenig und nicht das passende Instrument, um mit Klimafolgen umzugehen, meinen viele. 2023 war schon im Mai der Topf ausgeschöpft, später musste verfrüht die Reserve für 2024 angezapft werden. Auch am Vorgehen der Kommission gibt es Kritik. Sie vergab viele Krisengelder in Anrainerstaaten der Ukraine, um Kritiker der Getreideimporte zu besänftigen. Weitere Mittel wurden ohne besonderen Anlass auf die anderen EU-Länder verteilt. Özdemir kritisierte die Verfahrensweise als intransparent und forderte mit zwölf weiteren Ländern klare Vergabekriterien.
Beim Treffen kommende Woche wollen die EU-Agrarminister erneut über Instrumente zur Krisenbewältigung sprechen. Viele Länder wünschen sich laut gut informierten Kreisen einen neuen Ansatz und halten die Krisenreserve für zu klein. Auch Wojciechowski spricht sich für eine “500-prozentige Erhöhung” aus, vertritt aber offenbar nicht die Kommissionslinie. Bei Treffen hinter verschlossenen Türen betonen Kommissionsbeamte: Die GAP biete bereits viel zum Krisenmanagement, nun müsse es eher darum gehen, Krisen zu vermeiden und die Landwirtschaft zu wappnen.
Seit Langem wird er bei jeder GAP-Reform als Ziel beschworen, jetzt hat die Forderung nach Bürokratieabbau durch die Bauernproteste neuen Aufwind bekommen. Keine leichte Aufgabe. Denn über die GAP werden große Summen Fördergeld vergeben, die immer mehr unterschiedliche Ziele erfüllen und auf eine diverse Gruppe an Mitgliedstaaten abgestimmt sein sollen.
Auch der langwierige Reformprozess kann zu komplexen Regelungen beitragen. Neue Instrumente und Methoden, zum Beispiel die verstärkte Nutzung von Satellitenbildern, könnten helfen. Doch als Querschnittsthema kann der Bürokratieabbau letztlich nur gelingen, wenn er im gesamten Prozess von allen Beteiligten im Blick behalten wird.
Kenntnisse von den Praktiken der chinesische Fernflotten-Fischerei können den Appetit auf Meerestiere verderben. Jagd auf geschützte Arten, Tierquälerei, Gewalt gegen Crewmitglieder und sklavenähnliche Beschäftigungen sind auf chinesischen Schiffen offenbar üblich – lange bevor die Waren dann auf europäischen Tellern landen. Eine neue Untersuchung durch die britische Environmental Justice Foundation (EFJ) hat Vorwürfe zu drastischen Verstößen gegen Tierschutz und Menschenrechte durch chinesische Fischer nochmals vertieft.
Die monatelange Recherche im südwestlichen Indischen Ozean, entlang der Ostküste des afrikanischen Kontinents, offenbarte 177 vermutete oder bestätigte Straftaten auf den Schiffen der chinesischen Fernflotte. Dazu zählt der Fang bedrohter Arten, illegale Methoden des Fischfangs sowie teilweise exzessive Gewalt durch Führungspersonal gegen Besatzungsmitglieder, die zudem schlecht bezahlt sind. Die Vorwürfe ähneln jenen Zuständen, die EJF in der Vergangenheit bereits auf Schiffen der chinesischen Fernflotte entlang der Westküste des Kontinents festgestellt hatte.
Chinesische Behörden sind nach Meinung der EJF dabei tief verwickelt in die Vorgänge, weil sie der eigenen Industrie aus wirtschaftlichen Interessen keine allzu strengen Regularien auferlegen wollen. China unterstützt die Industrie mit großzügigen Investitionen in die Fischfang-Infrastruktur und Subventionen in Millionenhöhe. “Man muss schon aktiv wegschauen, um das System dahinter nicht zu erkennen. Und es ist schwer zu glauben, dass chinesische Beamte davon nichts wissen”, sagt EJF-Geschäftsführer Steve Trent im Gespräch mit Table.Briefings.
Trent betont zwar, dass es nicht nur die chinesische Fernflotte ist, die illegale Methoden nutzt oder ihre Arbeiter schlecht bezahlt. Allerdings seien die Probleme in anderen Ländern “minimal im Vergleich zu China”. Ein entscheidender Unterschied sei die Handlungsbereitschaft der Regierungen. Taiwan, Südkorea oder Thailand hätten auf entsprechende Vorwürfe gegen ihren Fernflotten reagiert und Kontrolle und Transparenz deutlich erhöht. In China aber würden die Probleme von den Behörden ignoriert, obwohl die Beweislage inzwischen erdrückend ist.
Für Konsumenten sind die Lieferketten nicht nachzuvollziehen. Zertifikate wie MSC oder Safe verschaffen den Eindruck nachhaltigen Fischfangs. Doch Umweltorganisationen beklagen seit Jahren Lücken in den Zertifizierungsprozessen, die schwere Verstöße gegen Tierschutz oder Menschenrechte übersehen. Unter welchen Umständen ein Fisch gefangen wurde, ehe er in Dosen oder tiefgefroren in europäischen Supermärkten landet, bleibt unter Umständen verborgen.
EJF-Gründer Trent wirft europäischen Händlern vor, nicht konsequent gegen die potenziellen Gefahren in ihren Lieferketten vorzugehen. Vor wenigen Wochen hatte die Organisation über die desaströsen Zustände bei der Zhejiang Ocean Family (ZOF) berichtet, einem der wichtigsten Versorger des internationalen Fisch-Großhandels. Mithilfe von Daten eines abgesagten Börsengangs von ZOF im Jahr 2023 konnte EJF die Lieferketten zu großen Einzelhändlern wie Amazon, Rakuten, Carrefour, Island, Lidl, Marks & Spencer oder El Corte Inglés nachzeichnen. Bei welchem dieser Unternehmen tatsächlich ZOF-Fänge in den Regalen landen, bleibt jedoch unklar.
Die deutsche Supermarktkette Lidl versichert, intensiv daran zu arbeiten, “negative Auswirkungen in unseren Lieferketten zu minimieren”. Man habe eine Untersuchung in der Angelegenheit eingeleitet. Allerdings könne man aufgrund des laufenden Verfahrens keine weiteren Informationen mitteilen. Das Unternehmen verweist auf seinen Code of Conduct. “Sollten uns konkrete Sachverhalte bezüglich Verstößen gegen diese Bestimmungen vorliegen, gehen wir dem nach und leiten entsprechende Schritte ein”, heißt es in einer Stellungnahme für Table.Briefings.
Die Fänge aus dem Indischen Ozean sind jedenfalls weitgehend für den Weltmarkt bestimmt. EJF empfiehlt deshalb dringend, dass der Großhandel seine Lieferketten offenlegt, um den Konsumenten die Entscheidung zu überlassen, ob sie Fisch verzehren wollen, der möglicherweise unter illegalen oder menschenverachtenden Bedingungen gefangen worden ist.
EJF hat in den vergangenen Jahren knapp 400 Besatzungsmitglieder chinesischer Schiffe befragt, die überwiegend aus Indonesien oder den Philippinen stammten. Die Organisation weist darauf hin, dass die Zeugenaussagen zwar starke Indizien, aber noch keine Beweise seien. Foto- und Filmaufnahmen, die konkrete Verstöße darstellen, liegen EJF zwar vor, allerdings sei es immer schwieriger, an solches Material zu gelangen, weil die Kapitäne der Schiffe den Besatzungsmitgliedern die Nutzung von Mobiltelefonen zunehmend verbieten.
Deswegen schickt die Organisation zusätzlich eigene Teams auf See, um Schiffe aufzuspüren und deren illegalen Praktiken aus der Distanz oder der Luft mit Filmaufnahmen zu dokumentieren. Dazu werteten die Aktivisten umfangreiches Satelliten-Material aus, das belegt, wie sich Schiffe lange in Gewässern aufhielten, die für den Fischfang verboten sind. An Zufälle glaubt Trent nicht. “Wer im Zickzack-Kurs durch diese Gewässer fährt, der macht das nicht aus Spaß. Dafür sind allein schon die Kosten für den Diesel viel zu hoch.” In den Häfen legten sich EJF-Mitarbeiter auf die Lauer, um die Schiffe beim Entladen zu beobachten und mögliche illegale Fänge zu identifizieren.
Politische Rückendeckung scheint die chinesische Fernflotte ausreichend zu genießen. China subventionierte die Branche in den vergangenen Jahren mit zweistelligen Millionen-Dollarbeträgen. In den Jahren 2019 bis 2021 flossen über 34 Millionen US-Dollar an die Betreiber der Fernflotte. Zudem ist beispielsweise ZOF bis in höchste Politkreise vernetzt. Die Wanxiang Gruppe aus Hangzhou, ihres Zeichens Besitzerin der ZOF, ist ein Mischkonzern, der unter anderem auch Autoteile produziert. Ihr Hauptaktionär ist der Milliardär Lu Weiding, der gleichzeitig Delegierter des 14. Nationalen Volkskongresses ist.
Das Bundeskanzleramt stimmt derzeit mit dem Bundesministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (BMUV) sowie dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) darüber ab, wie die nationale Umlegung der EU-Plastikabgabe auf Hersteller und Inverkehrbringer von Plastik ausgestaltet wird. Einen Bericht der Welt am Sonntag, wonach die Abgabe erst ab 2026 auf die Erzeuger umgelegt werden könnte, hat das BMF auf Anfrage von Table.Briefings zurückgewiesen. Läuft alles wie bislang geplant, wird das Geld ab 2025 damit nicht mehr aus dem Bundeshaushalt an Brüssel überwiesen.
Die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) bezweifelt, dass die Bundesregierung den Zeitplan einhalten wird, der sich bereits Anfang Januar um ein Jahr verzögert hatte. Peter Feller, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der BVE, dazu: “Die Kunststoffabgabe wird auch in 2025 nicht kommen. Für die Zielsetzung der Politik, einerseits Haushaltslöcher zu stopfen und andererseits gleichzeitig eine umweltpolitische Lenkungswirkung herbeizuführen, stehen zumindest kurzfristig keine geeigneten fiskalischen Instrumente zur Verfügung.” Die BVE hatte sich Anfang des Jahres entschieden gegen die Umlegung der Abgabe ausgesprochen, die gerade auch jene Kunststoffverpackungen betreffen würde, die von der Ernährungsindustrie in Umlauf gebracht werden.
Wie genau die rund 1,4 Milliarden Euro, die in den vergangenen Jahren an die EU überwiesen wurden, künftig auf die Unternehmen umgelegt werden sollen, ist nach wie vor nicht geklärt. Über den genauen Mechanismus, die Adressaten der Regelung sowie die einbezogenen Produkte und die Höhe der nationalen Umlegung der EU-Plastikabgabe sei noch zu entscheiden, schreibt die Bundesregierung im Februar in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Tiefere Einblicke in die regierungsinternen Beratungen, die derzeit laufen, will das federführende BMUV nicht geben.
Die Europäische Union hatte die Abgabe bereits 2021 eingeführt und 80 Cent für jedes nicht-recyclebare Kilogramm Plastik veranschlagt. Anders als Italien oder Spanien finanziert Deutschland diese Abgabe bislang über den Staatshaushalt. Die Umlage hatte die Ampel-Regierung jedoch bereits im Koalitionsvertrag angekündigt. heu
Auf der Sonder-Agrarministerkonferenz am Mittwoch, 22. Mai, wird es auch um den Bürokratieabbau gehen. Die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) hat die Haltung von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir im Vorfeld der Konferenz scharf kritisiert. Seine Antwort auf die 194 Vorschläge zur Entbürokratisierung der Landwirtschaft, die die Landesagrarminister im März bei ihm eingereicht hatten, sei enttäuschend und würden den Anliegen der Bauern nicht gerecht.
“Ich erwarte eine aktiv konstruktive Auseinandersetzung des Bundesministers mit den Vorschlägen der Länder. Es darf nicht von vornherein Tabu-Themen geben“, sagte Kaniber zu Table.Briefings. Özdemir hatte den Ländern vor Ostern in einem Schreiben geantwortet und dabei gleich 33 der Vorschläge abgelehnt.
Kaniber fordert vor allem Erleichterungen im Düngerecht. Ein wichtiger Punkt ist ihr dabei die Verpflichtung der Landwirte zur Erstellung einer Stoffstrombilanz. “Ich fordere vehement, dass diese rein deutsche bürokratische Last von den Landwirten genommen wird. Sie wird von der EU nicht vorgeschrieben und muss deshalb endlich aus dem Düngegesetz gestrichen werden“, sagte die Ministerin.
Das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) arbeitet seit Monaten an einer Novelle des Düngegesetzes. Nach einer Einigung der Ampelfraktionen von Freitag (17.5.) wird die umstrittene betriebliche Stoffstrombilanz nicht gestrichen und an der Einführung des von der EU beschlossenen Düngemonitorings festgehalten. Kritiker befürchten dadurch eine Verdoppelung der Bürokratie für die Landwirte.
Kaniber fordert außerdem die Einführung eines verursachergerechten Düngesystems. Das bedeutet, dass Betriebe, die nachweislich wasserschonend wirtschaften, von den engen Auflagen im Düngerecht befreit werden können. Özdemir hätte dies bereits vor zwei Jahren dem Bundesrat zugesichert. “Die vereinbarte Frist ist längst verstrichen, geliefert wurde vom Bundesminister bis jetzt nicht”, kritisiert sie. Der Bund verschiebe die notwendigen Umsetzungsschritte immer weiter in die Zukunft. Zumindest haben sich die Ampelfraktionen in ihrem Beschluss von Freitag (17.5.) darauf geeinigt, differenzierte Maßnahmen in “roten Gebieten” zu ermöglichen. Eine praktische Umsetzung für landwirtschaftliche Betriebe ist so schnell allerdings nicht möglich, da Bund und Länder sich zuerst mit der EU-Kommission absprechen müssen.
Die Ministerin beruft sich bei ihren Forderungen auf die Ergebnisse einer Umfrage ihres Ministeriums unter bayerischen Landwirten. Dabei hatten 74 Prozent der Befragten die Verpflichtungen aus dem Düngerecht als besonders belastenden Dokumentationsaufwand genannt.
Der Austausch mit Bundesminister Özdemir ist Kaniber bisher “zu vage und sporadisch”. Özdemir müsse dies stärker bündeln und als strategische Aufgabe vorantreiben. Der Bundesminister hatte bereits im März angekündigt, bis zur parlamentarischen Sommerpause konkrete Maßnahmen zum Bürokratieabbau einleiten zu wollen. Ob es auf der Sonder-Agrarministerkonferenz am Mittwoch zu einvernehmlichen Beschlüssen kommt, ist angesichts der offensichtlichen Diskrepanzen mit den Bundesländern fraglich. mo, has
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) sitzt wieder einmal zwischen den Stühlen. Zur Sonder-Agrarministerkonferenz (AMK) am Mittwoch (22.5) muss er einerseits den Fürsprechern der Landwirtschaft etwas bieten. Andererseits darf er seiner Parteikollegin und Bundesumweltministerin Steffi Lemke dabei nicht zu sehr auf die Füße treten. Das dürfte schwierig werden. Denn Lemkes Haus spricht sich vehement gegen eine Lockerung von GLÖZ 7 aus, wie sie den EU-Ländern im Zuge der jüngsten GAP-Änderungen freisteht. “Es gehört zur guten fachlichen Praxis, nicht jedes Jahr die gleiche Kultur anzubauen, sondern im Rahmen einer Fruchtfolge die Kultur auf jeder Fläche jährlich zu wechseln”, teilt eine BMUV-Sprecherin Table.Briefings mit.
Die Einhaltung einer Fruchtfolge halte den Boden gesund und verringere den “Unkrautdruck”. Die von der EU-Kommission als Zusatzoption vorgeschlagene Fruchtartendiversifizierung sei “keine vollwertige Alternative” zum Fruchtwechsel, stellt die Sprecherin klar. Außerdem pocht das BMUV darauf, den Wegfall der Pflicht-Brache (GLÖZ 8) zu kompensieren. GLÖZ 8 verpflichtete in der ursprünglichen Fassung dazu, Hecken, Feldraine oder Brachen im Umfang von vier Prozent der Ackerfläche bereitzustellen. “Da diese Verpflichtung nun entfällt, braucht es einen Ausgleich über freiwillige Maßnahmen”, so die BMUV-Sprecherin. Dem Ministerium schwebe einerseits eine neue Öko-Regelung zur Weidehaltung, andererseits eine höhere Umschichtung in die 2. Säule der GAP vor.
Einen Mix aus ordnungs- und förderrechtlichen Maßnahmen schlägt der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) vor:
“Gewässerrandstreifen reduzieren Nährstoffeinträge aus Pflanzenschutz- und Düngemitteln in Gewässer und schützen so die Qualität des Wassers. Zugleich sind sie ein entscheidender Lebensraum für Insekten und fungieren als Biotopverbund, da sie Lebensräume miteinander verbinden”, teilt der Nabu Table.Briefings mit. In Deutschland speisen sich die Regelungen hierzu aus Düngegesetz, Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung und aus dem Wassergesetz sowie aus unterschiedlichen Ländergesetzgebungen. Im Sinne des Bürokratieabbaus forder der Verband eine bundeseinheitliche Regelung und zudem Möglichkeiten, Gewässerrandstreifen finanziell zu fördern. has, jd
Mit neuen Berichtspflichten für Lebensmittelhändler will die ungarische Regierung noch strenger als bisher verhindern, dass ukrainische Agrarexporte ins Land kommen. Zusätzlich zu bestehenden Einfuhrbeschränkungen für bestimmte ukrainische Agrarrohstoffe müssen Händler die ungarischen Behörden nun auch vorab über Importe aus anderen Ländern informieren. So sollen Schlupflöcher für ukrainische Lieferungen – zum Beispiel von Weizen – geschlossen werden.
Der deutsche Verband der Getreide-, Mühlen- und Stärkewirtschaft (VGMS) kritisiert die neue Regelung scharf. Der Schritt “konterkariert die Idee des europäischen Binnenmarktes und ist klar zu verurteilen“, sagt eine Sprecherin Table.Briefings. Der Verband geht davon aus, dass solche Handelsbeschränkungen innerhalb des EU-Marktes gegen europäisches Recht verstoßen dürften. Zudem seien sie “nicht im Interesse der ungarischen Bevölkerung, die Vielfalt auf ihrem Teller einbüßt und teurer einkauft.” Folgen für die deutsche Getreide- und Mühlenwirtschaft erwartet der Verband dagegen nicht: Gerade im Weizenbereich versorge sich die Branche größtenteils regional im Inland.
Deutlich zurückhaltender geben sich deutsche Supermarktkonzerne, die in Ungarn operieren. Man halte sich grundsätzlich an gesetzliche Vorgaben und sei im Austausch mit Lieferanten, um die neuen Regeln zu erfüllen, sagt eine Unternehmenssprecherin von Lidl zu Table.Briefings. Direkte Kritik äußert das Unternehmen nicht, nur so viel: Man plädiere “für einen fairen Wettbewerb und Voraussetzungen, die für alle nationalen und internationalen Marktteilnehmer gleich sind.” Aldi Süd teilt auf Anfrage mit, sich zu politischen Themen nicht zu äußern.
Die Situation in Ungarn ist für ausländische Supermarktkonzerne schwierig. Regierungschef Viktor Orbán steht in der Kritik, ungarische Unternehmen zu bevorzugen. Zum Beispiel durch eine Steuer zur Abschöpfung von Inflationsgewinnen im LEH, die so ausgestaltet ist, dass sie nur ausländische Konzerne betrifft. Als sich der Unternehmenschef der österreichischen Supermarktkette Spar Ende März in einem Brief an die EU-Kommission hierüber beschwerte, reagierte die ungarische Regierung mit der Ankündigung, juristische Schritte wegen Verleumdung einzuleiten.
Dazu, ob die neue Importregelung mit europäischem Recht vereinbar sei, äußerten sich auf Anfrage bis Redaktionsschluss weder das ungarische Agrarministerium noch die Europäische Kommission. Bereits die einseitigen Importbeschränkungen für bestimmte Agrarprodukte direkt aus der Ukraine, die Ungarn wie auch Polen und die Slowakei seit September aufrechterhält, werden weithin als EU-rechtswidrig erachtet, weil für den Außenhandel die EU und nicht die einzelnen Mitgliedstaaten zuständig ist. jd
Jochen Borchert, der ehemalige Bundeslandwirtschaftsminister und Leiter der nach ihm benannten “Borchert-Kommission” zum Umbau der Nutztierhaltung warnt vor einem Stillstand in Sachen Tierwohl. “Wenn weiterhin nichts passiert, kann das das Ende der Nutztierhaltung in Deutschland bedeuten”, sagte der Unionspolitiker Table.Briefings. Tierschutz sei ein im Grundgesetz verankertes Staatsziel. “Wenn wir für mehr Tierwohl sorgen wollen, und das müssen wir, dann kommen wir um Milliardeninvestitionen nicht herum, etwa in größere, luftigere, artgerechte Ställe.”
Das Problem der Ampelkoalition sei, dass die FDP in Sachen Tierwohl allein auf den Markt setze. “Das wird nicht funktionieren”, sagte Borchert. Diese Einschätzung bestätigten erste Urteile. So habe das Bundesverwaltungsgericht zum Küken-Töten geurteilt, dass das öffentliche Interesse am Wohl der Tiere über dem wirtschaftlichen Interesse der Betriebe rangiere. Weitere Tierschutz-Klagen seien anhängig. Der Agrarexperte hatte letztes Jahr unter anderem deshalb seinen Kommissionsvorsitz niedergelegt, weil “die Parteien sich nicht einig wurden in Sachen Finanzierung” des Umbaus der Nutztierhaltung.
Das Finanzierungsmodell, das die Zukunftskommission Landwirtschaft und ehemalige Mitglieder seiner Kommission derzeit vorschlagen, begrüßt Borchert. Die Finanzierung über die Anhebung der bislang ermäßigten Mehrwertsteuer auf tierische Produkte wäre “völlig unbürokratisch”, sagte er. “Und sie müsste der FDP einleuchten, denn es ginge ja nicht um eine Steuererhöhung, sondern um die Absenkung einer Subvention. Die bisherige Mehrwertsteuer von 7 statt von 19 Prozent auf Fleisch ist ja nichts anderes als eine Subvention.” br
22.05.2024 – 14.30 Uhr / online
Konferenz Sonder-AMK
Die AMK ist eine Fachkonferenz für Agrar- und Forstwirtschaft sowie ländliche Entwicklung, in der die Agrarminister/innen und Staatssekretäre/innen des Bundes und der Länder vertreten sind. In der AMK wird der fachliche und politische Austausch zu aktuellen Themen gefördert. INFO
23.05.2024 – 11.00 – 16:30 Uhr / Kulturforum “Historisches U”, An der Kürassierkaserne 9, 17309 Pasewalk
Fachkonferenz Forschung.Digital Ländliche Räume in Zeiten der Digitalisierung | #FFD24
Unter dem Titel “Ländliche Räume in Zeiten der Digitalisierung” analysierten elf Forschungsprojekte aktuelle wirtschaftliche, gesellschaftliche und räumliche Veränderungen in Zusammenhang mit der Digitalisierung in den ländlichen Regionen Deutschlands. Im Anschluss wurde eine fachliche Auswertung der Fördermaßnahme vorgenommen. Die Ergebnisse möchten wir mit Ihnen in einer Fachkonferenz diskutieren. Eröffnet wird die Veranstaltung von Claudia Müller, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft. INFO & ANMELDUNG
23. Mai 2024, 16:30 – 17:30 Uhr / online
Webseminar von LandSchafftEnergie Das Solarpaket I – Was ändert sich für die Photovoltaik in Deutschland?
Am 26. April haben Bundestag und Bundesrat das Solarpaket I verabschiedet, das zahlreiche gesetzliche Anpassungen und Neuerungen für die Photovoltaik bereithält. Viele Vorschläge basierten auf der sogenannten “Photovoltaik-Strategie”, die das Bundeswirtschaftsministerium bereits Mitte 2023 vorgelegt hat. Doch welche Änderungen aus der Photovoltaik-Strategie haben es in den finalen Gesetzesbeschluss geschafft? Und welche Auswirkungen hat das Solarpaket auf den Rechtsrahmen für die PV? Diesen Fragen gehen die Experten von LandSchafftEnergie in einem kostenlosen WebSeminar nach. INFO
24.05. -25.05.2024 / Martin-Luther-Universität Halle Wittenberg
Jahrestagung der Jungen DLG 2024 Landwirtschaft 2040 – Herausforderungen und Chancen für eine nachhaltige Zukunft
Die Jahrestagung der Jungen DLG ist der zentrale Ort in Deutschland für Studierende, Berufseinsteiger und Young Professionals im Bereich Landwirtschaft und Agribusiness, um sich zu vernetzen, fortzubilden und miteinander Spaß zu haben. Dazu sind alle Interessierte (egal ob DLG-Mitglied, oder nicht) sehr herzlich eingeladen. INFO & ANMELDUNG
25.05.2024 – 16.15 Uhr / Tipi am Kanzleramt
Talkrunde “Land lebt Vielfalt”
Cem Özdemir spricht in einer Talkrunde mit Prof. Dr. Jutta Allmendinger und der Agrar-Influencerin Annemarie Paulsen im Rahmen des Demokratiefestes anlässlich der Feierlichkeiten zum Staatsaktes “75 Jahre Grundgesetz” INFO
27.05.2024 / Brüssel
Tagung EU-Rat Rat für Landwirtschaft und Fischerei
Wichtigste Tagesordnungspunkte erscheinen eine Woche vor der Tagung unter dem Link. INFO
27.05. – 29.05.2024 / Rotterdam
Kongress ISF World Seed Congress 2024
Der World Seed Congress ist ein wichtiges Forum der Saatgutbranche für die Entwicklung von Branchenkenntnissen und -netzen sowie für die Aushandlung von Handelsabkommen. INFO & ANMELDUNG
04.06. – 05.06.2024 / Steigenberger Hotel am Kanzleramt
Kongress 16. Food Safety Kongress
Branchentreff im Bereich Lebensmittelsicherheit und -qualität, organisiert von: Lebensmittelverband Deutschland e.V., Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie e. V. (BVE), Handelsverband Deutschland e.V. (HDE), Bundesverband des Deutschen Lebensmitteleinzelhandels e.V. und AFC Consulting Group AG. INFO & ANMELDUNG
Euractiv: Vereinigtes Königreich verbietet Exporte von Lebendtieren
Das britische Parlament hat am 14. Mai ein Verbot des Exports lebender Tiere beschlossen. NGOs bezeichnen den Schritt als “historisch” und fordern die EU auf, nachzuziehen. Das Gesetz betrifft Rinder, Ziegen, Schweine und Pferde. Vor dem Brexit wurden jährlich 1,6 Millionen Tiere aus Großbritannien exportiert. Am 11. Mai hatte Australien mit einem ähnlichen Gesetz ein Verbot des Exports lebender Schafe bis 2028 beschlossen. Die EU debattiert über strengere Regeln für die Transportbedingungen lebender Tiere, doch ein Exportverbot ist bisher nicht vorgesehen. Aktuell werden mehr als 1,6 Milliarden lebende Tiere jährlich innerhalb der EU und über ihre Grenzen hinaus transportiert. Zum Artikel
Lebensmittelzeitung: Handel überlässt Apotheken das Cannabis-Geschäft
Baumärkte und Gartencenter verhalten sich trotz der Legalisierung von Cannabis zögerlich, Saatgut für Cannabis-Pflanzen und von Cannabis-Stecklingen ins Sortiment aufzunehmen. Viele Juristen sehen den Verkauf von Samen und Stecklingen an den Endverbraucher als zulässig an, solange diese keine Blüten tragen. Händler sollten strenge Compliance-Regeln einführen, zum Beispiel pro Kunde maximal sieben Samen oder fünf Stecklinge verkaufen und Alterskontrollen durchführen. Kommunen und Unternehmen könnten bereits Lizenzanträge vorbereiten, um sich für regionale Modellprojekte für Fachgeschäfte zu qualifizieren. Bisher profitieren nur die Versandapotheken vom Cannabis-Geschäft. Zum Artikel
Handelsblatt: Hamburger Kakaohändler will EU-Verordnung vor Gericht stoppen
Der Hamburger Kakaohändler Albrecht & Dill hat als erster Händler eine Klage gegen die Entwaldungsverordnung der EU eingereicht. Diese verlangt bis Ende 2024 umfangreiche Nachweise entwaldungsfreier Lieferketten, etwa in Form von Geodaten. Das Unternehmen hält die Erbringung der Nachweise für unverhältnismäßig aufwendig, da die technische Infrastruktur bisher nicht zur Verfügung stehe. Aktuell müssen alle Daten manuell in ein EU-Portal eingegeben werden. Kritik kommt auch aus der Kaffeebranche. Kleinbauern würden nicht mehr in die EU exportieren können, wenn sie keine Daten vorlegen können, die die Einhaltung der Richtlinien nachweisen. Somit sei “die Entwaldungsverordnung für Unternehmen noch einmal aufwendiger und heikler als das deutsche Lieferkettengesetz und die EU-Richtlinie zu Lieferketten.” Zum Artikel
Viele Konferenzen beschäftigen sich mit dem Wiederaufbau der Ukraine. Die wichtigste jährliche Geberkonferenz findet am 11. und 12. Juni in Berlin statt. Stets wird auf diesen Zusammenkünften betont, dass die ukrainische Wirtschaft schon jetzt und nicht erst nach Kriegsende finanziell unterstützt werden soll. Zentral hierfür ist das “Ukraine Facility”-Programm der Europäischen Union. Danach sollen in den kommenden vier Jahren rund 50 Milliarden Euro in die ukrainische Wirtschaft – einschließlich des Agrar- und Ernährungssektors – investiert werden. Neben der wirtschaftlichen Stärkung des Landes will die EU hiermit die strukturelle und wirtschaftliche Integration der Ukraine in den Europäischen Wirtschaftsraum fördern.
Damit dies gelingen kann, fehlt es jedoch an einer wichtigen Voraussetzung. Die ukrainische Wirtschaft ist bislang nicht in den zollfreien Handel des EU-Binnenmarkts integriert worden. Der Handel ist lediglich eingeschränkt zollfrei möglich und das auch nur auf ein Jahr befristet. Was nächstes Jahr passiert, weiß niemand. Das gilt vor allem auch deshalb, weil demnächst Ungarn und dann Polen die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen werden. Diese EU-Mitgliedstaaten hatte die Integration der ukrainischen Wirtschaft in den zollfreien Handel mit der EU aufgrund von Bauernprotesten zuletzt blockiert. Welche langfristige Strategie die EU mit Blick auf die Ukraine verfolgt, ist für die ukrainische Wirtschaft derzeit nicht ersichtlich. Das Vorgehen wirkt für uns Landwirte, die in den EU-Binnenmarkt integriert werden wollen, inkonsequent.
In Bezug auf die ukrainische Landwirtschaft brodelt die Gerüchteküche in der EU. Vorgeworfen werden uns Landraub, schlechte Qualität, Steuerflucht und die Begünstigung von Agrarbaronen. Einiges mag zwar stimmen, anderes aber wollen wir so nicht stehenlassen. Die Behauptung, dass arabische, US-amerikanische oder andere Investoren Land gekauft haben, ist beispielsweise nicht korrekt. An Ausländer darf in der Ukraine kein Land verkauft werden. Internationale Investoren oder im Ausland registrierte Muttergesellschaften arbeiten mit Pachtverträgen. Es stimmt auch nicht, dass diese ihre Steuern im Ausland zahlen. Denn die Steuern in der Ukraine sind zurzeit so niedrig, dass es sich mehr lohnt, sie hier zu entrichten.
Unabhängig davon ist es wichtig zu verstehen, welche politischen Entscheidungen bestimmte Entwicklungen bei uns in der Ukraine erst ermöglicht haben. Durch eine Landreform in den 1990er-Jahren, die auch Weltbank und Internationaler Währungsfonds zur Bedingung für die Finanzierung des Landes gemacht hatten, erhielten Mitarbeiter der sozialistischen Betriebe jeweils kostenlos rund vier Hektar Land. Plötzlich gab es damit etwa sechs Millionen Landeigentümer, die zu sogenannten “Small Beauty Farmers” werden sollten. Dabei wurde allerdings nicht bedacht, dass ihnen sowohl das Wissen als auch das Geld sowie die institutionelle Unterstützung fehlten, um diese Betriebe erfolgreich zu führen. Während die Small Beauty Farmers so nicht erfolgreich sein konnten, entstanden innerhalb von zehn Jahren Mega-Agrarbetriebe, die ganz anders wirtschafteten.
Neben den Millionen von Landeigentümern befanden sich in den 1990er-Jahren rund zehn Millionen Hektar Land in staatlichem Besitz. 20 Jahre lang galt ein Moratorium, das den Kauf und Verkauf von Land – sowohl aus staatlicher als auch privater Hand – verbot. Erst unter dem derzeitigen ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj wurde eine neue Landreform eingeführt, die den Kauf und Verkauf wieder ermöglichte. Zugpferd dieser Reform war der ehemalige ukrainische Agrarminister Mykola Solskyi. Ironischerweise scheiterte er nun am Vorwurf, vor zehn Jahren im Zusammenhang mit staatlichem Land Geld veruntreut zu haben. Ehrlicherweise muss man sagen, dass in den vergangenen 20 Jahren viel Landraub stattgefunden hat. Daran ist aber nicht die Agrarwirtschaft schuld, sondern der Staat, der es versäumt hat, vernünftige Reformen durchzusetzen.
“The Economist” berichtete jüngst, dass ukrainische Bauern massiv Steuern hinterziehen, indem sie Getreide gegen Bargeld kaufen und verkaufen, um es weiter zu exportieren. Auch dieses Problem resultiert aus den fehlerhaften agrarpolitischen Entscheidungen der 1990er-Jahre. Da die kleinbäuerlichen Betriebe nicht erfolgreich waren, wurde ein spezielles Steuersystem eingeführt, das es diesen Betrieben erlaubte, so gut wie keine Steuern zu zahlen und eine vereinfachte Buchführung vorzunehmen. Dies führte dazu, dass etliche Millionen an Geldern durch diese Betriebe in Form von Bargeldgeschäften abgewickelt wurden.
Wenn wir nun auf die letzten zehn Jahre zurückblicken, wird deutlich, dass jedes Jahr eine neue Steuerreform durchgeführt wurde – mit schwerwiegenden Folgen für die Landwirte. Anstatt den Bauern vorzuwerfen, dass sie Steuergelder hinterziehen, sollte man sich fragen, was der Staat unternommen hat, um die Situation zu verbessern und langfristige Pläne zu entwickeln. Ich bin der Meinung: nicht genug.
Die EU-weiten Bauernproteste haben aber auch deutlich gemacht, dass nicht nur die Situation bei uns in der Ukraine für die desolate Lage vieler Agrarbetriebe verantwortlich ist, sondern auch viele agrarpolitische Entscheidungen der EU dazu geführt haben. Anstatt zu kritisieren und sich gegenseitig Schuld zuzuweisen, wäre es deshalb sinnvoller, sich zusammenzusetzen und zu überlegen, wie eine zukünftige gemeinsame EU-Agrarpolitik mit der Ukraine als Mitglied gestaltet werden kann, die sowohl die Interessen der Landwirte als auch der Konsumenten berücksichtigt. Die Ukraine und die EU sollten deshalb gemeinsam ein Zielbild für die Agrar- und Ernährungsbranche entwickeln. Die Wiederaufbaukonferenz in Berlin bietet dafür eine hervorragende Gelegenheit.
Dr. Alex Lissitsa ist ein ukrainischer Landwirt und Agrarökonom. Er ist Geschäftsführer der ukrainischen IMC Agrarholding und Präsident des Ukrainian Agribusiness Clubs. In seinem jüngst veröffentlichten Buch “Meine wilde Nation” skizziert er nicht nur einen Teil seiner eigenen Geschichte, sondern auch die seines Heimatlands in Kriegszeiten und die der ukrainischen Gesellschaft auf ihrem Weg in Richtung Westen.
nach langem Ringen verkündeten die Koalitionsfraktionen am Freitag eine Einigung bei der Novelle des Düngegesetzes. Das von der EU-Kommission geforderte bundesweite Wirkungsmonitoring wird eingerichtet, die Stoffstrombilanz bleibt und wird umbenannt in Nährstoffbilanz. Ein entscheidendes Zugeständnis der Ampelfraktionen an Landwirte ist, dass dieses schlagbezogene Monitoring dazu dienen soll, künftig auch in “roten Gebieten” eine bedarfsgerechte Düngung von Nutzpflanzen zu ermöglichen. Eine Verursachergerechtigkeit in der Stoffstrombilanz durchzusetzen, stand auf der Agenda von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne). Offensichtlich hat die FDP, trotz Beibehaltung der umstrittenen Stoffstrombilanz, eingelenkt und Özdemir kann sein Vorhaben endlich in die Tat umsetzen.
Wie schnell Landwirte und Landwirtinnen, deren Betriebe in roten Gebieten liegen, davon Gebrauch machen können, hängt nun auch von den Bundesländern ab. Um differenzierte Maßnahmen in roten Gebieten auf Basis des Wirkungsmonitorings zu ermöglichen, müssen sowohl die Düngeverordnung als auch entsprechende Landesverordnungen angepasst und mit der EU-Kommission abgestimmt werden.
Dem Deutschen Bauernverband (DBV), der die Streichung der Stoffstrombilanz im Sinne des Bürokratieabbaus fordert, schmeckt die Einigung der Ampelfraktionen nicht. Just nachdem die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Ampelparteien, Julia Verlinden (Grüne), Matthias Miersch (SPD) und Carina Konrad (FDP), ihre Einigung mitteilten, macht DBV-Präsident Joachim Rukwied weiter Druck. “Die Absichtserklärung für mehr Verursachergerechtigkeit im Düngerecht reicht bei Weitem nicht aus. Wir Bauern brauchen eine konkrete Ausgestaltung und eine verbindliche Festlegung.” Dieser Argumentation folgt auch die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) im Vorfeld der Sonder-Agrarministerkonferenz, die am Mittwoch als Webkonferenz stattfindet, wie unser Autor Kai Moll berichtet.
Bei der Sonder-AMK verhandeln Bund und Länder neben dem Bürokratieabbau auch darüber, wie die von der EU beschlossenen Änderungen zu den GAP-Umweltstandards (GLÖZ) in Deutschland umgesetzt werden sollen. Einige (GLÖZ 8) gelten ohnehin EU-weit, andere kann Deutschland noch individuell ausgestalten (GLÖZ 5, 6, 7). Wie das Bundesumweltministerium und Naturschützer bürokratische Entlastungen fördern wollen, ohne den Umweltschutz zu schwächen, haben wir vorab für Sie zusammen getragen.
Wir wünschen Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre!
Erste Vorschläge der Europäischen Kommission für die Gemeinsame EU-Agrarpolitik (GAP) nach 2027 werden fürs kommende Jahr erwartet. Wird die Zeit zu knapp, könnte die laufende Förderperiode auch, ähnlich wie 2022 die vorige, verlängert werden. Dabei muss die GAP neue Herausforderungen bewältigen. Vor dem Hintergrund der Bauernproteste könnte sich der Appetit auf radikale Reformen aber in Grenzen halten. Wie viel Geld überhaupt zur Verfügung steht, wird bei den Verhandlungen zum Mehrjährigen EU-Finanzrahmen (MFF) für die Jahre 2028 bis 2032 entschieden. Der Druck auf das GAP-Budget ist in den letzten Jahren gewachsen.
Folgende Themen dürften vor diesem Hintergrund die Reformdebatte prägen:
Ob die GAP mit der nächsten Reform “grüner” wird als bisher, ist offen: Rufen nach mehr Umwelt-, Klima- und Tierschutz steht die Forderung der Bauernproteste nach Vereinfachung gegenüber. Schon mit den nun beschlossenen Lockerungen bis 2027 fällt das Ambitionsniveau aus Sicht von Wissenschaftlern teils hinter vorige Reformen zurück.
Auf eins können sich, vom grünen Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir bis zum rechtskonservativen EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski, derzeit viele Beteiligte einigen: Die GAP müsse beim Umwelt- und Klimaschutz stärker auf finanzielle Anreize setzen, statt auf Vorgaben. Also eher auf Modelle wie die Ökoregelungen, als auf die Konditionalität. Umstritten ist, ob solche Gemeinwohlprämien die Flächenzahlungen ersetzen oder ergänzen sollten. Manche Umweltschützer warnen zudem: Werde nur auf Freiwilligkeit gesetzt, sei kein Mindestmaß an Nachhaltigkeit garantiert.
Der EU-Beitritt der Ukraine dürfte auch agrarpolitisch eines der heikelsten Themen werden. Dass dieser schon innerhalb der nächsten GAP-Förderperiode geschieht, ist unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen. Einigkeit herrscht darüber, dass die GAP den Beitritt in ihrer jetzigen Form finanziell nicht stemmen kann. Insbesondere die flächenbasierten Direktzahlungen würden durch die großen Betriebe gesprengt. Viele Bauernvertreter sehen einen Beitritt kritisch und fürchten eine Verdrängung vor allem kleiner Höfe. Özdemir dagegen sieht in der Integration der Ukraine in die GAP die Chance auf jenen ambitionierten Umbau weg von den Flächenzahlungen, den die Grünen ohnehin fordern.
Wojciechowski und der ukrainische Vize-Agrarminister machen einen anderen Vorschlag: die Direktzahlungen pro Betrieb verpflichtend zu deckeln. So würden übermäßige Zahlungen an große Betriebe vermieden werden. Die Deckelung ist bisher für Mitgliedstaaten freiwillig und wird kaum genutzt. Wojciechowski hat sich auch für lange Übergangsfristen ausgesprochen. Diese nutzte die EU bereits bei vergangenen Erweiterungsrunden, um die Betriebe neu beigetretener Länder nicht sofort in die GAP einzubeziehen. Auch die anderen EU-Beitrittskandidaten muss die Reform in den Blick nehmen. So haben die Westbalkanländer im Vergleich zur Ukraine eine eher kleinteilige Agrarstruktur.
Die aktuelle GAP gibt den Mitgliedstaaten im Rahmen des “neuen Umsetzungsmodells” mehr Spielraum als je zuvor. Vieles spricht – neben der Vorbereitung auf die EU-Erweiterung – dafür, dass sich der Trend fortsetzt: Mit den aktuellen Lockerungen räumt Brüssel den EU-Ländern bereits mehr Spielraum ein. Damit könnte für die Reformdebatte ein Trend gesetzt sein – zumal die Mitgliedstaaten wenig Interesse haben dürften, errungene Freiheiten wieder abzugeben.
Auch in der Kommission findet das Modell Anklang: Gerade im aktuellen agrarpolitischen Klima sei es der richtige Ansatz, argumentierte Wolfgang Burtscher, Generaldirektor für Landwirtschaft, kürzlich bei einer Konferenz in Brüssel. So gebe die GAP einen gemeinsamen Rahmen vor, lasse aber Raum für unterschiedliche Meinungen zu konkreten Maßnahmen. Allerdings ist es noch zu früh, zu evaluieren, ob so tatsächlich die übergreifenden Ziele der GAP erreicht werden, oder ob sie unter mangelnder Kontrolle aus Brüssel leiden.
Die Sorge wächst, dass die GAP nicht auf immer häufigere Extremwetterereignisse vorbereitet ist. Über die Krisenreserve stehen jährlich bis zu 450 Millionen Euro bereit, um auf Marktstörungen zu reagieren. Zu wenig und nicht das passende Instrument, um mit Klimafolgen umzugehen, meinen viele. 2023 war schon im Mai der Topf ausgeschöpft, später musste verfrüht die Reserve für 2024 angezapft werden. Auch am Vorgehen der Kommission gibt es Kritik. Sie vergab viele Krisengelder in Anrainerstaaten der Ukraine, um Kritiker der Getreideimporte zu besänftigen. Weitere Mittel wurden ohne besonderen Anlass auf die anderen EU-Länder verteilt. Özdemir kritisierte die Verfahrensweise als intransparent und forderte mit zwölf weiteren Ländern klare Vergabekriterien.
Beim Treffen kommende Woche wollen die EU-Agrarminister erneut über Instrumente zur Krisenbewältigung sprechen. Viele Länder wünschen sich laut gut informierten Kreisen einen neuen Ansatz und halten die Krisenreserve für zu klein. Auch Wojciechowski spricht sich für eine “500-prozentige Erhöhung” aus, vertritt aber offenbar nicht die Kommissionslinie. Bei Treffen hinter verschlossenen Türen betonen Kommissionsbeamte: Die GAP biete bereits viel zum Krisenmanagement, nun müsse es eher darum gehen, Krisen zu vermeiden und die Landwirtschaft zu wappnen.
Seit Langem wird er bei jeder GAP-Reform als Ziel beschworen, jetzt hat die Forderung nach Bürokratieabbau durch die Bauernproteste neuen Aufwind bekommen. Keine leichte Aufgabe. Denn über die GAP werden große Summen Fördergeld vergeben, die immer mehr unterschiedliche Ziele erfüllen und auf eine diverse Gruppe an Mitgliedstaaten abgestimmt sein sollen.
Auch der langwierige Reformprozess kann zu komplexen Regelungen beitragen. Neue Instrumente und Methoden, zum Beispiel die verstärkte Nutzung von Satellitenbildern, könnten helfen. Doch als Querschnittsthema kann der Bürokratieabbau letztlich nur gelingen, wenn er im gesamten Prozess von allen Beteiligten im Blick behalten wird.
Kenntnisse von den Praktiken der chinesische Fernflotten-Fischerei können den Appetit auf Meerestiere verderben. Jagd auf geschützte Arten, Tierquälerei, Gewalt gegen Crewmitglieder und sklavenähnliche Beschäftigungen sind auf chinesischen Schiffen offenbar üblich – lange bevor die Waren dann auf europäischen Tellern landen. Eine neue Untersuchung durch die britische Environmental Justice Foundation (EFJ) hat Vorwürfe zu drastischen Verstößen gegen Tierschutz und Menschenrechte durch chinesische Fischer nochmals vertieft.
Die monatelange Recherche im südwestlichen Indischen Ozean, entlang der Ostküste des afrikanischen Kontinents, offenbarte 177 vermutete oder bestätigte Straftaten auf den Schiffen der chinesischen Fernflotte. Dazu zählt der Fang bedrohter Arten, illegale Methoden des Fischfangs sowie teilweise exzessive Gewalt durch Führungspersonal gegen Besatzungsmitglieder, die zudem schlecht bezahlt sind. Die Vorwürfe ähneln jenen Zuständen, die EJF in der Vergangenheit bereits auf Schiffen der chinesischen Fernflotte entlang der Westküste des Kontinents festgestellt hatte.
Chinesische Behörden sind nach Meinung der EJF dabei tief verwickelt in die Vorgänge, weil sie der eigenen Industrie aus wirtschaftlichen Interessen keine allzu strengen Regularien auferlegen wollen. China unterstützt die Industrie mit großzügigen Investitionen in die Fischfang-Infrastruktur und Subventionen in Millionenhöhe. “Man muss schon aktiv wegschauen, um das System dahinter nicht zu erkennen. Und es ist schwer zu glauben, dass chinesische Beamte davon nichts wissen”, sagt EJF-Geschäftsführer Steve Trent im Gespräch mit Table.Briefings.
Trent betont zwar, dass es nicht nur die chinesische Fernflotte ist, die illegale Methoden nutzt oder ihre Arbeiter schlecht bezahlt. Allerdings seien die Probleme in anderen Ländern “minimal im Vergleich zu China”. Ein entscheidender Unterschied sei die Handlungsbereitschaft der Regierungen. Taiwan, Südkorea oder Thailand hätten auf entsprechende Vorwürfe gegen ihren Fernflotten reagiert und Kontrolle und Transparenz deutlich erhöht. In China aber würden die Probleme von den Behörden ignoriert, obwohl die Beweislage inzwischen erdrückend ist.
Für Konsumenten sind die Lieferketten nicht nachzuvollziehen. Zertifikate wie MSC oder Safe verschaffen den Eindruck nachhaltigen Fischfangs. Doch Umweltorganisationen beklagen seit Jahren Lücken in den Zertifizierungsprozessen, die schwere Verstöße gegen Tierschutz oder Menschenrechte übersehen. Unter welchen Umständen ein Fisch gefangen wurde, ehe er in Dosen oder tiefgefroren in europäischen Supermärkten landet, bleibt unter Umständen verborgen.
EJF-Gründer Trent wirft europäischen Händlern vor, nicht konsequent gegen die potenziellen Gefahren in ihren Lieferketten vorzugehen. Vor wenigen Wochen hatte die Organisation über die desaströsen Zustände bei der Zhejiang Ocean Family (ZOF) berichtet, einem der wichtigsten Versorger des internationalen Fisch-Großhandels. Mithilfe von Daten eines abgesagten Börsengangs von ZOF im Jahr 2023 konnte EJF die Lieferketten zu großen Einzelhändlern wie Amazon, Rakuten, Carrefour, Island, Lidl, Marks & Spencer oder El Corte Inglés nachzeichnen. Bei welchem dieser Unternehmen tatsächlich ZOF-Fänge in den Regalen landen, bleibt jedoch unklar.
Die deutsche Supermarktkette Lidl versichert, intensiv daran zu arbeiten, “negative Auswirkungen in unseren Lieferketten zu minimieren”. Man habe eine Untersuchung in der Angelegenheit eingeleitet. Allerdings könne man aufgrund des laufenden Verfahrens keine weiteren Informationen mitteilen. Das Unternehmen verweist auf seinen Code of Conduct. “Sollten uns konkrete Sachverhalte bezüglich Verstößen gegen diese Bestimmungen vorliegen, gehen wir dem nach und leiten entsprechende Schritte ein”, heißt es in einer Stellungnahme für Table.Briefings.
Die Fänge aus dem Indischen Ozean sind jedenfalls weitgehend für den Weltmarkt bestimmt. EJF empfiehlt deshalb dringend, dass der Großhandel seine Lieferketten offenlegt, um den Konsumenten die Entscheidung zu überlassen, ob sie Fisch verzehren wollen, der möglicherweise unter illegalen oder menschenverachtenden Bedingungen gefangen worden ist.
EJF hat in den vergangenen Jahren knapp 400 Besatzungsmitglieder chinesischer Schiffe befragt, die überwiegend aus Indonesien oder den Philippinen stammten. Die Organisation weist darauf hin, dass die Zeugenaussagen zwar starke Indizien, aber noch keine Beweise seien. Foto- und Filmaufnahmen, die konkrete Verstöße darstellen, liegen EJF zwar vor, allerdings sei es immer schwieriger, an solches Material zu gelangen, weil die Kapitäne der Schiffe den Besatzungsmitgliedern die Nutzung von Mobiltelefonen zunehmend verbieten.
Deswegen schickt die Organisation zusätzlich eigene Teams auf See, um Schiffe aufzuspüren und deren illegalen Praktiken aus der Distanz oder der Luft mit Filmaufnahmen zu dokumentieren. Dazu werteten die Aktivisten umfangreiches Satelliten-Material aus, das belegt, wie sich Schiffe lange in Gewässern aufhielten, die für den Fischfang verboten sind. An Zufälle glaubt Trent nicht. “Wer im Zickzack-Kurs durch diese Gewässer fährt, der macht das nicht aus Spaß. Dafür sind allein schon die Kosten für den Diesel viel zu hoch.” In den Häfen legten sich EJF-Mitarbeiter auf die Lauer, um die Schiffe beim Entladen zu beobachten und mögliche illegale Fänge zu identifizieren.
Politische Rückendeckung scheint die chinesische Fernflotte ausreichend zu genießen. China subventionierte die Branche in den vergangenen Jahren mit zweistelligen Millionen-Dollarbeträgen. In den Jahren 2019 bis 2021 flossen über 34 Millionen US-Dollar an die Betreiber der Fernflotte. Zudem ist beispielsweise ZOF bis in höchste Politkreise vernetzt. Die Wanxiang Gruppe aus Hangzhou, ihres Zeichens Besitzerin der ZOF, ist ein Mischkonzern, der unter anderem auch Autoteile produziert. Ihr Hauptaktionär ist der Milliardär Lu Weiding, der gleichzeitig Delegierter des 14. Nationalen Volkskongresses ist.
Das Bundeskanzleramt stimmt derzeit mit dem Bundesministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (BMUV) sowie dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) darüber ab, wie die nationale Umlegung der EU-Plastikabgabe auf Hersteller und Inverkehrbringer von Plastik ausgestaltet wird. Einen Bericht der Welt am Sonntag, wonach die Abgabe erst ab 2026 auf die Erzeuger umgelegt werden könnte, hat das BMF auf Anfrage von Table.Briefings zurückgewiesen. Läuft alles wie bislang geplant, wird das Geld ab 2025 damit nicht mehr aus dem Bundeshaushalt an Brüssel überwiesen.
Die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) bezweifelt, dass die Bundesregierung den Zeitplan einhalten wird, der sich bereits Anfang Januar um ein Jahr verzögert hatte. Peter Feller, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der BVE, dazu: “Die Kunststoffabgabe wird auch in 2025 nicht kommen. Für die Zielsetzung der Politik, einerseits Haushaltslöcher zu stopfen und andererseits gleichzeitig eine umweltpolitische Lenkungswirkung herbeizuführen, stehen zumindest kurzfristig keine geeigneten fiskalischen Instrumente zur Verfügung.” Die BVE hatte sich Anfang des Jahres entschieden gegen die Umlegung der Abgabe ausgesprochen, die gerade auch jene Kunststoffverpackungen betreffen würde, die von der Ernährungsindustrie in Umlauf gebracht werden.
Wie genau die rund 1,4 Milliarden Euro, die in den vergangenen Jahren an die EU überwiesen wurden, künftig auf die Unternehmen umgelegt werden sollen, ist nach wie vor nicht geklärt. Über den genauen Mechanismus, die Adressaten der Regelung sowie die einbezogenen Produkte und die Höhe der nationalen Umlegung der EU-Plastikabgabe sei noch zu entscheiden, schreibt die Bundesregierung im Februar in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Tiefere Einblicke in die regierungsinternen Beratungen, die derzeit laufen, will das federführende BMUV nicht geben.
Die Europäische Union hatte die Abgabe bereits 2021 eingeführt und 80 Cent für jedes nicht-recyclebare Kilogramm Plastik veranschlagt. Anders als Italien oder Spanien finanziert Deutschland diese Abgabe bislang über den Staatshaushalt. Die Umlage hatte die Ampel-Regierung jedoch bereits im Koalitionsvertrag angekündigt. heu
Auf der Sonder-Agrarministerkonferenz am Mittwoch, 22. Mai, wird es auch um den Bürokratieabbau gehen. Die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) hat die Haltung von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir im Vorfeld der Konferenz scharf kritisiert. Seine Antwort auf die 194 Vorschläge zur Entbürokratisierung der Landwirtschaft, die die Landesagrarminister im März bei ihm eingereicht hatten, sei enttäuschend und würden den Anliegen der Bauern nicht gerecht.
“Ich erwarte eine aktiv konstruktive Auseinandersetzung des Bundesministers mit den Vorschlägen der Länder. Es darf nicht von vornherein Tabu-Themen geben“, sagte Kaniber zu Table.Briefings. Özdemir hatte den Ländern vor Ostern in einem Schreiben geantwortet und dabei gleich 33 der Vorschläge abgelehnt.
Kaniber fordert vor allem Erleichterungen im Düngerecht. Ein wichtiger Punkt ist ihr dabei die Verpflichtung der Landwirte zur Erstellung einer Stoffstrombilanz. “Ich fordere vehement, dass diese rein deutsche bürokratische Last von den Landwirten genommen wird. Sie wird von der EU nicht vorgeschrieben und muss deshalb endlich aus dem Düngegesetz gestrichen werden“, sagte die Ministerin.
Das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) arbeitet seit Monaten an einer Novelle des Düngegesetzes. Nach einer Einigung der Ampelfraktionen von Freitag (17.5.) wird die umstrittene betriebliche Stoffstrombilanz nicht gestrichen und an der Einführung des von der EU beschlossenen Düngemonitorings festgehalten. Kritiker befürchten dadurch eine Verdoppelung der Bürokratie für die Landwirte.
Kaniber fordert außerdem die Einführung eines verursachergerechten Düngesystems. Das bedeutet, dass Betriebe, die nachweislich wasserschonend wirtschaften, von den engen Auflagen im Düngerecht befreit werden können. Özdemir hätte dies bereits vor zwei Jahren dem Bundesrat zugesichert. “Die vereinbarte Frist ist längst verstrichen, geliefert wurde vom Bundesminister bis jetzt nicht”, kritisiert sie. Der Bund verschiebe die notwendigen Umsetzungsschritte immer weiter in die Zukunft. Zumindest haben sich die Ampelfraktionen in ihrem Beschluss von Freitag (17.5.) darauf geeinigt, differenzierte Maßnahmen in “roten Gebieten” zu ermöglichen. Eine praktische Umsetzung für landwirtschaftliche Betriebe ist so schnell allerdings nicht möglich, da Bund und Länder sich zuerst mit der EU-Kommission absprechen müssen.
Die Ministerin beruft sich bei ihren Forderungen auf die Ergebnisse einer Umfrage ihres Ministeriums unter bayerischen Landwirten. Dabei hatten 74 Prozent der Befragten die Verpflichtungen aus dem Düngerecht als besonders belastenden Dokumentationsaufwand genannt.
Der Austausch mit Bundesminister Özdemir ist Kaniber bisher “zu vage und sporadisch”. Özdemir müsse dies stärker bündeln und als strategische Aufgabe vorantreiben. Der Bundesminister hatte bereits im März angekündigt, bis zur parlamentarischen Sommerpause konkrete Maßnahmen zum Bürokratieabbau einleiten zu wollen. Ob es auf der Sonder-Agrarministerkonferenz am Mittwoch zu einvernehmlichen Beschlüssen kommt, ist angesichts der offensichtlichen Diskrepanzen mit den Bundesländern fraglich. mo, has
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) sitzt wieder einmal zwischen den Stühlen. Zur Sonder-Agrarministerkonferenz (AMK) am Mittwoch (22.5) muss er einerseits den Fürsprechern der Landwirtschaft etwas bieten. Andererseits darf er seiner Parteikollegin und Bundesumweltministerin Steffi Lemke dabei nicht zu sehr auf die Füße treten. Das dürfte schwierig werden. Denn Lemkes Haus spricht sich vehement gegen eine Lockerung von GLÖZ 7 aus, wie sie den EU-Ländern im Zuge der jüngsten GAP-Änderungen freisteht. “Es gehört zur guten fachlichen Praxis, nicht jedes Jahr die gleiche Kultur anzubauen, sondern im Rahmen einer Fruchtfolge die Kultur auf jeder Fläche jährlich zu wechseln”, teilt eine BMUV-Sprecherin Table.Briefings mit.
Die Einhaltung einer Fruchtfolge halte den Boden gesund und verringere den “Unkrautdruck”. Die von der EU-Kommission als Zusatzoption vorgeschlagene Fruchtartendiversifizierung sei “keine vollwertige Alternative” zum Fruchtwechsel, stellt die Sprecherin klar. Außerdem pocht das BMUV darauf, den Wegfall der Pflicht-Brache (GLÖZ 8) zu kompensieren. GLÖZ 8 verpflichtete in der ursprünglichen Fassung dazu, Hecken, Feldraine oder Brachen im Umfang von vier Prozent der Ackerfläche bereitzustellen. “Da diese Verpflichtung nun entfällt, braucht es einen Ausgleich über freiwillige Maßnahmen”, so die BMUV-Sprecherin. Dem Ministerium schwebe einerseits eine neue Öko-Regelung zur Weidehaltung, andererseits eine höhere Umschichtung in die 2. Säule der GAP vor.
Einen Mix aus ordnungs- und förderrechtlichen Maßnahmen schlägt der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) vor:
“Gewässerrandstreifen reduzieren Nährstoffeinträge aus Pflanzenschutz- und Düngemitteln in Gewässer und schützen so die Qualität des Wassers. Zugleich sind sie ein entscheidender Lebensraum für Insekten und fungieren als Biotopverbund, da sie Lebensräume miteinander verbinden”, teilt der Nabu Table.Briefings mit. In Deutschland speisen sich die Regelungen hierzu aus Düngegesetz, Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung und aus dem Wassergesetz sowie aus unterschiedlichen Ländergesetzgebungen. Im Sinne des Bürokratieabbaus forder der Verband eine bundeseinheitliche Regelung und zudem Möglichkeiten, Gewässerrandstreifen finanziell zu fördern. has, jd
Mit neuen Berichtspflichten für Lebensmittelhändler will die ungarische Regierung noch strenger als bisher verhindern, dass ukrainische Agrarexporte ins Land kommen. Zusätzlich zu bestehenden Einfuhrbeschränkungen für bestimmte ukrainische Agrarrohstoffe müssen Händler die ungarischen Behörden nun auch vorab über Importe aus anderen Ländern informieren. So sollen Schlupflöcher für ukrainische Lieferungen – zum Beispiel von Weizen – geschlossen werden.
Der deutsche Verband der Getreide-, Mühlen- und Stärkewirtschaft (VGMS) kritisiert die neue Regelung scharf. Der Schritt “konterkariert die Idee des europäischen Binnenmarktes und ist klar zu verurteilen“, sagt eine Sprecherin Table.Briefings. Der Verband geht davon aus, dass solche Handelsbeschränkungen innerhalb des EU-Marktes gegen europäisches Recht verstoßen dürften. Zudem seien sie “nicht im Interesse der ungarischen Bevölkerung, die Vielfalt auf ihrem Teller einbüßt und teurer einkauft.” Folgen für die deutsche Getreide- und Mühlenwirtschaft erwartet der Verband dagegen nicht: Gerade im Weizenbereich versorge sich die Branche größtenteils regional im Inland.
Deutlich zurückhaltender geben sich deutsche Supermarktkonzerne, die in Ungarn operieren. Man halte sich grundsätzlich an gesetzliche Vorgaben und sei im Austausch mit Lieferanten, um die neuen Regeln zu erfüllen, sagt eine Unternehmenssprecherin von Lidl zu Table.Briefings. Direkte Kritik äußert das Unternehmen nicht, nur so viel: Man plädiere “für einen fairen Wettbewerb und Voraussetzungen, die für alle nationalen und internationalen Marktteilnehmer gleich sind.” Aldi Süd teilt auf Anfrage mit, sich zu politischen Themen nicht zu äußern.
Die Situation in Ungarn ist für ausländische Supermarktkonzerne schwierig. Regierungschef Viktor Orbán steht in der Kritik, ungarische Unternehmen zu bevorzugen. Zum Beispiel durch eine Steuer zur Abschöpfung von Inflationsgewinnen im LEH, die so ausgestaltet ist, dass sie nur ausländische Konzerne betrifft. Als sich der Unternehmenschef der österreichischen Supermarktkette Spar Ende März in einem Brief an die EU-Kommission hierüber beschwerte, reagierte die ungarische Regierung mit der Ankündigung, juristische Schritte wegen Verleumdung einzuleiten.
Dazu, ob die neue Importregelung mit europäischem Recht vereinbar sei, äußerten sich auf Anfrage bis Redaktionsschluss weder das ungarische Agrarministerium noch die Europäische Kommission. Bereits die einseitigen Importbeschränkungen für bestimmte Agrarprodukte direkt aus der Ukraine, die Ungarn wie auch Polen und die Slowakei seit September aufrechterhält, werden weithin als EU-rechtswidrig erachtet, weil für den Außenhandel die EU und nicht die einzelnen Mitgliedstaaten zuständig ist. jd
Jochen Borchert, der ehemalige Bundeslandwirtschaftsminister und Leiter der nach ihm benannten “Borchert-Kommission” zum Umbau der Nutztierhaltung warnt vor einem Stillstand in Sachen Tierwohl. “Wenn weiterhin nichts passiert, kann das das Ende der Nutztierhaltung in Deutschland bedeuten”, sagte der Unionspolitiker Table.Briefings. Tierschutz sei ein im Grundgesetz verankertes Staatsziel. “Wenn wir für mehr Tierwohl sorgen wollen, und das müssen wir, dann kommen wir um Milliardeninvestitionen nicht herum, etwa in größere, luftigere, artgerechte Ställe.”
Das Problem der Ampelkoalition sei, dass die FDP in Sachen Tierwohl allein auf den Markt setze. “Das wird nicht funktionieren”, sagte Borchert. Diese Einschätzung bestätigten erste Urteile. So habe das Bundesverwaltungsgericht zum Küken-Töten geurteilt, dass das öffentliche Interesse am Wohl der Tiere über dem wirtschaftlichen Interesse der Betriebe rangiere. Weitere Tierschutz-Klagen seien anhängig. Der Agrarexperte hatte letztes Jahr unter anderem deshalb seinen Kommissionsvorsitz niedergelegt, weil “die Parteien sich nicht einig wurden in Sachen Finanzierung” des Umbaus der Nutztierhaltung.
Das Finanzierungsmodell, das die Zukunftskommission Landwirtschaft und ehemalige Mitglieder seiner Kommission derzeit vorschlagen, begrüßt Borchert. Die Finanzierung über die Anhebung der bislang ermäßigten Mehrwertsteuer auf tierische Produkte wäre “völlig unbürokratisch”, sagte er. “Und sie müsste der FDP einleuchten, denn es ginge ja nicht um eine Steuererhöhung, sondern um die Absenkung einer Subvention. Die bisherige Mehrwertsteuer von 7 statt von 19 Prozent auf Fleisch ist ja nichts anderes als eine Subvention.” br
22.05.2024 – 14.30 Uhr / online
Konferenz Sonder-AMK
Die AMK ist eine Fachkonferenz für Agrar- und Forstwirtschaft sowie ländliche Entwicklung, in der die Agrarminister/innen und Staatssekretäre/innen des Bundes und der Länder vertreten sind. In der AMK wird der fachliche und politische Austausch zu aktuellen Themen gefördert. INFO
23.05.2024 – 11.00 – 16:30 Uhr / Kulturforum “Historisches U”, An der Kürassierkaserne 9, 17309 Pasewalk
Fachkonferenz Forschung.Digital Ländliche Räume in Zeiten der Digitalisierung | #FFD24
Unter dem Titel “Ländliche Räume in Zeiten der Digitalisierung” analysierten elf Forschungsprojekte aktuelle wirtschaftliche, gesellschaftliche und räumliche Veränderungen in Zusammenhang mit der Digitalisierung in den ländlichen Regionen Deutschlands. Im Anschluss wurde eine fachliche Auswertung der Fördermaßnahme vorgenommen. Die Ergebnisse möchten wir mit Ihnen in einer Fachkonferenz diskutieren. Eröffnet wird die Veranstaltung von Claudia Müller, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft. INFO & ANMELDUNG
23. Mai 2024, 16:30 – 17:30 Uhr / online
Webseminar von LandSchafftEnergie Das Solarpaket I – Was ändert sich für die Photovoltaik in Deutschland?
Am 26. April haben Bundestag und Bundesrat das Solarpaket I verabschiedet, das zahlreiche gesetzliche Anpassungen und Neuerungen für die Photovoltaik bereithält. Viele Vorschläge basierten auf der sogenannten “Photovoltaik-Strategie”, die das Bundeswirtschaftsministerium bereits Mitte 2023 vorgelegt hat. Doch welche Änderungen aus der Photovoltaik-Strategie haben es in den finalen Gesetzesbeschluss geschafft? Und welche Auswirkungen hat das Solarpaket auf den Rechtsrahmen für die PV? Diesen Fragen gehen die Experten von LandSchafftEnergie in einem kostenlosen WebSeminar nach. INFO
24.05. -25.05.2024 / Martin-Luther-Universität Halle Wittenberg
Jahrestagung der Jungen DLG 2024 Landwirtschaft 2040 – Herausforderungen und Chancen für eine nachhaltige Zukunft
Die Jahrestagung der Jungen DLG ist der zentrale Ort in Deutschland für Studierende, Berufseinsteiger und Young Professionals im Bereich Landwirtschaft und Agribusiness, um sich zu vernetzen, fortzubilden und miteinander Spaß zu haben. Dazu sind alle Interessierte (egal ob DLG-Mitglied, oder nicht) sehr herzlich eingeladen. INFO & ANMELDUNG
25.05.2024 – 16.15 Uhr / Tipi am Kanzleramt
Talkrunde “Land lebt Vielfalt”
Cem Özdemir spricht in einer Talkrunde mit Prof. Dr. Jutta Allmendinger und der Agrar-Influencerin Annemarie Paulsen im Rahmen des Demokratiefestes anlässlich der Feierlichkeiten zum Staatsaktes “75 Jahre Grundgesetz” INFO
27.05.2024 / Brüssel
Tagung EU-Rat Rat für Landwirtschaft und Fischerei
Wichtigste Tagesordnungspunkte erscheinen eine Woche vor der Tagung unter dem Link. INFO
27.05. – 29.05.2024 / Rotterdam
Kongress ISF World Seed Congress 2024
Der World Seed Congress ist ein wichtiges Forum der Saatgutbranche für die Entwicklung von Branchenkenntnissen und -netzen sowie für die Aushandlung von Handelsabkommen. INFO & ANMELDUNG
04.06. – 05.06.2024 / Steigenberger Hotel am Kanzleramt
Kongress 16. Food Safety Kongress
Branchentreff im Bereich Lebensmittelsicherheit und -qualität, organisiert von: Lebensmittelverband Deutschland e.V., Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie e. V. (BVE), Handelsverband Deutschland e.V. (HDE), Bundesverband des Deutschen Lebensmitteleinzelhandels e.V. und AFC Consulting Group AG. INFO & ANMELDUNG
Euractiv: Vereinigtes Königreich verbietet Exporte von Lebendtieren
Das britische Parlament hat am 14. Mai ein Verbot des Exports lebender Tiere beschlossen. NGOs bezeichnen den Schritt als “historisch” und fordern die EU auf, nachzuziehen. Das Gesetz betrifft Rinder, Ziegen, Schweine und Pferde. Vor dem Brexit wurden jährlich 1,6 Millionen Tiere aus Großbritannien exportiert. Am 11. Mai hatte Australien mit einem ähnlichen Gesetz ein Verbot des Exports lebender Schafe bis 2028 beschlossen. Die EU debattiert über strengere Regeln für die Transportbedingungen lebender Tiere, doch ein Exportverbot ist bisher nicht vorgesehen. Aktuell werden mehr als 1,6 Milliarden lebende Tiere jährlich innerhalb der EU und über ihre Grenzen hinaus transportiert. Zum Artikel
Lebensmittelzeitung: Handel überlässt Apotheken das Cannabis-Geschäft
Baumärkte und Gartencenter verhalten sich trotz der Legalisierung von Cannabis zögerlich, Saatgut für Cannabis-Pflanzen und von Cannabis-Stecklingen ins Sortiment aufzunehmen. Viele Juristen sehen den Verkauf von Samen und Stecklingen an den Endverbraucher als zulässig an, solange diese keine Blüten tragen. Händler sollten strenge Compliance-Regeln einführen, zum Beispiel pro Kunde maximal sieben Samen oder fünf Stecklinge verkaufen und Alterskontrollen durchführen. Kommunen und Unternehmen könnten bereits Lizenzanträge vorbereiten, um sich für regionale Modellprojekte für Fachgeschäfte zu qualifizieren. Bisher profitieren nur die Versandapotheken vom Cannabis-Geschäft. Zum Artikel
Handelsblatt: Hamburger Kakaohändler will EU-Verordnung vor Gericht stoppen
Der Hamburger Kakaohändler Albrecht & Dill hat als erster Händler eine Klage gegen die Entwaldungsverordnung der EU eingereicht. Diese verlangt bis Ende 2024 umfangreiche Nachweise entwaldungsfreier Lieferketten, etwa in Form von Geodaten. Das Unternehmen hält die Erbringung der Nachweise für unverhältnismäßig aufwendig, da die technische Infrastruktur bisher nicht zur Verfügung stehe. Aktuell müssen alle Daten manuell in ein EU-Portal eingegeben werden. Kritik kommt auch aus der Kaffeebranche. Kleinbauern würden nicht mehr in die EU exportieren können, wenn sie keine Daten vorlegen können, die die Einhaltung der Richtlinien nachweisen. Somit sei “die Entwaldungsverordnung für Unternehmen noch einmal aufwendiger und heikler als das deutsche Lieferkettengesetz und die EU-Richtlinie zu Lieferketten.” Zum Artikel
Viele Konferenzen beschäftigen sich mit dem Wiederaufbau der Ukraine. Die wichtigste jährliche Geberkonferenz findet am 11. und 12. Juni in Berlin statt. Stets wird auf diesen Zusammenkünften betont, dass die ukrainische Wirtschaft schon jetzt und nicht erst nach Kriegsende finanziell unterstützt werden soll. Zentral hierfür ist das “Ukraine Facility”-Programm der Europäischen Union. Danach sollen in den kommenden vier Jahren rund 50 Milliarden Euro in die ukrainische Wirtschaft – einschließlich des Agrar- und Ernährungssektors – investiert werden. Neben der wirtschaftlichen Stärkung des Landes will die EU hiermit die strukturelle und wirtschaftliche Integration der Ukraine in den Europäischen Wirtschaftsraum fördern.
Damit dies gelingen kann, fehlt es jedoch an einer wichtigen Voraussetzung. Die ukrainische Wirtschaft ist bislang nicht in den zollfreien Handel des EU-Binnenmarkts integriert worden. Der Handel ist lediglich eingeschränkt zollfrei möglich und das auch nur auf ein Jahr befristet. Was nächstes Jahr passiert, weiß niemand. Das gilt vor allem auch deshalb, weil demnächst Ungarn und dann Polen die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen werden. Diese EU-Mitgliedstaaten hatte die Integration der ukrainischen Wirtschaft in den zollfreien Handel mit der EU aufgrund von Bauernprotesten zuletzt blockiert. Welche langfristige Strategie die EU mit Blick auf die Ukraine verfolgt, ist für die ukrainische Wirtschaft derzeit nicht ersichtlich. Das Vorgehen wirkt für uns Landwirte, die in den EU-Binnenmarkt integriert werden wollen, inkonsequent.
In Bezug auf die ukrainische Landwirtschaft brodelt die Gerüchteküche in der EU. Vorgeworfen werden uns Landraub, schlechte Qualität, Steuerflucht und die Begünstigung von Agrarbaronen. Einiges mag zwar stimmen, anderes aber wollen wir so nicht stehenlassen. Die Behauptung, dass arabische, US-amerikanische oder andere Investoren Land gekauft haben, ist beispielsweise nicht korrekt. An Ausländer darf in der Ukraine kein Land verkauft werden. Internationale Investoren oder im Ausland registrierte Muttergesellschaften arbeiten mit Pachtverträgen. Es stimmt auch nicht, dass diese ihre Steuern im Ausland zahlen. Denn die Steuern in der Ukraine sind zurzeit so niedrig, dass es sich mehr lohnt, sie hier zu entrichten.
Unabhängig davon ist es wichtig zu verstehen, welche politischen Entscheidungen bestimmte Entwicklungen bei uns in der Ukraine erst ermöglicht haben. Durch eine Landreform in den 1990er-Jahren, die auch Weltbank und Internationaler Währungsfonds zur Bedingung für die Finanzierung des Landes gemacht hatten, erhielten Mitarbeiter der sozialistischen Betriebe jeweils kostenlos rund vier Hektar Land. Plötzlich gab es damit etwa sechs Millionen Landeigentümer, die zu sogenannten “Small Beauty Farmers” werden sollten. Dabei wurde allerdings nicht bedacht, dass ihnen sowohl das Wissen als auch das Geld sowie die institutionelle Unterstützung fehlten, um diese Betriebe erfolgreich zu führen. Während die Small Beauty Farmers so nicht erfolgreich sein konnten, entstanden innerhalb von zehn Jahren Mega-Agrarbetriebe, die ganz anders wirtschafteten.
Neben den Millionen von Landeigentümern befanden sich in den 1990er-Jahren rund zehn Millionen Hektar Land in staatlichem Besitz. 20 Jahre lang galt ein Moratorium, das den Kauf und Verkauf von Land – sowohl aus staatlicher als auch privater Hand – verbot. Erst unter dem derzeitigen ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj wurde eine neue Landreform eingeführt, die den Kauf und Verkauf wieder ermöglichte. Zugpferd dieser Reform war der ehemalige ukrainische Agrarminister Mykola Solskyi. Ironischerweise scheiterte er nun am Vorwurf, vor zehn Jahren im Zusammenhang mit staatlichem Land Geld veruntreut zu haben. Ehrlicherweise muss man sagen, dass in den vergangenen 20 Jahren viel Landraub stattgefunden hat. Daran ist aber nicht die Agrarwirtschaft schuld, sondern der Staat, der es versäumt hat, vernünftige Reformen durchzusetzen.
“The Economist” berichtete jüngst, dass ukrainische Bauern massiv Steuern hinterziehen, indem sie Getreide gegen Bargeld kaufen und verkaufen, um es weiter zu exportieren. Auch dieses Problem resultiert aus den fehlerhaften agrarpolitischen Entscheidungen der 1990er-Jahre. Da die kleinbäuerlichen Betriebe nicht erfolgreich waren, wurde ein spezielles Steuersystem eingeführt, das es diesen Betrieben erlaubte, so gut wie keine Steuern zu zahlen und eine vereinfachte Buchführung vorzunehmen. Dies führte dazu, dass etliche Millionen an Geldern durch diese Betriebe in Form von Bargeldgeschäften abgewickelt wurden.
Wenn wir nun auf die letzten zehn Jahre zurückblicken, wird deutlich, dass jedes Jahr eine neue Steuerreform durchgeführt wurde – mit schwerwiegenden Folgen für die Landwirte. Anstatt den Bauern vorzuwerfen, dass sie Steuergelder hinterziehen, sollte man sich fragen, was der Staat unternommen hat, um die Situation zu verbessern und langfristige Pläne zu entwickeln. Ich bin der Meinung: nicht genug.
Die EU-weiten Bauernproteste haben aber auch deutlich gemacht, dass nicht nur die Situation bei uns in der Ukraine für die desolate Lage vieler Agrarbetriebe verantwortlich ist, sondern auch viele agrarpolitische Entscheidungen der EU dazu geführt haben. Anstatt zu kritisieren und sich gegenseitig Schuld zuzuweisen, wäre es deshalb sinnvoller, sich zusammenzusetzen und zu überlegen, wie eine zukünftige gemeinsame EU-Agrarpolitik mit der Ukraine als Mitglied gestaltet werden kann, die sowohl die Interessen der Landwirte als auch der Konsumenten berücksichtigt. Die Ukraine und die EU sollten deshalb gemeinsam ein Zielbild für die Agrar- und Ernährungsbranche entwickeln. Die Wiederaufbaukonferenz in Berlin bietet dafür eine hervorragende Gelegenheit.
Dr. Alex Lissitsa ist ein ukrainischer Landwirt und Agrarökonom. Er ist Geschäftsführer der ukrainischen IMC Agrarholding und Präsident des Ukrainian Agribusiness Clubs. In seinem jüngst veröffentlichten Buch “Meine wilde Nation” skizziert er nicht nur einen Teil seiner eigenen Geschichte, sondern auch die seines Heimatlands in Kriegszeiten und die der ukrainischen Gesellschaft auf ihrem Weg in Richtung Westen.