der Brüsseler Politikbetrieb nimmt nach den Herbstferien kräftig an Fahrt auf. Am Donnerstag findet der voraussichtlich letzte Trilog für die geplante, aber hochumstrittene Verordnung zur Wiederherstellung der Natur – im Brüsseler Jargon kurz NRL – statt. Startschuss für die Verhandlungen ist um 14 Uhr. Ungewöhnlich ist, dass die spanische Umweltministerin Teresa Ribeira die Verhandlungen führen wird. Dass Minister selbst verhandeln, ist nämlich äußerst selten. Normalerweise tut das die jeweilige ständige Vertretung. Die Personalwahl der spanischen Ratspräsidentschaft kann als Zeichen für die politisch aufgeheizte Situation gewertet werden. Mit einem Ende der Verhandlungen wird erst in der Nacht zum Freitag gerechnet.
Noch sei nichts entschieden, ist aus Verhandlungskreisen in Brüssel zu hören. Die politische Ausgangslage ist besonders. Der Europäische Rat zeigt mehr Ambitionen mit Blick auf den Umweltschutz als das Parlament.
Strittig bleibt weiterhin Artikel 9. Dieser umfasst Maßnahmen, die Auswirkungen auf die Landwirtschaft haben. Ehemaliger Moorboden, der mittlerweile beackert wird, soll schrittweise renaturiert werden, um Treibhausgasemissionen zu mindern. Das Parlament hat diesen Passus gestrichen, Rat und Kommission halten dagegen. Strittig ist auch die Forderung der EVP, die Umsetzung des NRL auf Natura-2000-Gebiete zu begrenzen. Lediglich auf unstrittige Punkte konnte man sich bislang einigen. Das umfasst zum Beispiel die Umsetzung von Maßnahmen für eine steigende Bestäuberpopulation sowie die Wiederaufforstung.
Selbst wenn es den Verhandlungsführern gelingen sollte, eine Einigung zu erzielen, könnte die Verordnung trotzdem scheitern. Sowohl das Parlament als auch der Rat müssen anschließend noch über das Verhandlungsergebnis abstimmen, bevor die Verordnung in Kraft treten kann. Vor dem Sommer war der Verordnungsentwurf in beiden Gremien nur mit knapper Mehrheit angenommen worden.
Auf EU-Ebene wird derzeit um die EU-Lieferkettenrichtlinie gerungen. In Deutschland wird zum Jahreswechsel die Anzahl der Unternehmen steigen, die unter das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) fallen. Denn die Schwelle der verpflichteten Unternehmen sinkt von Konzernen mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden auf Firmen ab 1.000 Angestellten. Beide Vorgaben haben zum Ziel, Unternehmen dafür in die Pflicht zu nehmen, dass Bestimmungen zum Umwelt- und Arbeitsschutz in ihren Lieferketten sowie Menschenrechte eingehalten werden.
Während Wirtschaftsverbände die Forderungen häufig als zu weitreichend kritisieren, haben eine Reihe von Jugendorganisationen hiesiger Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerverbände – wie die Jugendorganisation des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der Bund der Deutschen Landjugend (BDL) oder Brot für die Welt Jugend – kürzlich einen offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geschrieben. Darin fordern sie, dass die deutsche Bundesregierung sich in den Verhandlungen um das EU-Lieferkettengesetz für eine ehrgeizige Umsetzung der Regelungen starkmacht. Dazu zählen für die Jugendorganisationen ein verpflichtender Klimaschutz für Unternehmen, die Miteinbeziehung des Finanzsektors sowie die Betrachtungsweise der gesamten Wertschöpfungskette inklusive vor- und nachgelagerter Bereiche wie Produktentwicklung und -entsorgung.
Im Unterschied zu den Jugendorganisationen sehen Wirtschaftsverbände eine strenge Auslegung der Sorgfaltspflichten für Unternehmen entlang von Wertschöpfungsketten kritisch. Konsens dürfte einzig in einer Hinsicht bestehen: In ihrer aktuell diskutierten Form würde die EU-weite Lieferkettenrichtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive – CSDDD) in vielen Belangen weit über die Anforderungen des deutschen LkSG hinausgehen. Denn das EU-Lieferkettengesetz soll in seiner aktuell diskutierten Form bereits Unternehmen mit mehr als 500 Angestellten in die Pflicht nehmen. Unternehmen in sogenannten Hochrisikobereichen wie Lebensmittelhandel, Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion sollen bereits ab 250 Angestellten und einem Nettoumsatz von jährlich 40 Millionen Euro unter die Richtlinie fallen.
Anders als das LkSG sieht das EU-Lieferkettengesetz auch einen zivilrechtlichen Haftungsanspruch vor: Unternehmen können also auf Schadenersatz verklagt werden, sollten sie Menschenrechte sowie den Umwelt- oder Arbeitsschutz missachten. Zudem sollen die Sorgfaltspflichten der Unternehmen nach dem Vorschlag des EU-Parlamentes für den gesamten Produktzyklus von der Entwicklung eines Erzeugnisses bis hin zu dessen Entsorgung gelten. Das LkSG hingegen nimmt lediglich die Aktivitäten eines Unternehmens selbst sowie dessen mittelbare und unmittelbare Geschäftspartner in den Blick.
Daher fürchten Unternehmen der Agrarwirtschaft wie der international tätige Agrarhandelskonzern Baywa AG in München eine überbordende Bürokratie, sollte das EU-Lieferkettengesetz in seiner aktuell diskutierten Form beschlossen werden. Gerade bei Verarbeitungserzeugnissen mit vielen Komponenten und einer hohen Anzahl an Lieferketten sei der Verwaltungsaufwand schlicht nicht mehr zu leisten, lautet ein Kritikpunkt. So hatte die Baywa AG unlängst im Gespräch mit Agrifood.Table nähere Informationen zur Umsetzung der Vorgaben im Geschäftsalltag, etwa in Form einer Priorisierung der Risiken, vom Gesetzgeber gefordert.
Diese Forderung erhebt jetzt auch der Handelsverband Deutschland (HDE) in Berlin: Da sich die Sorgfaltspflichten im EU-Lieferkettengesetz auf die gesamte Lieferkette beziehen, würden sich für große Handelsunternehmen “mit bereits mehr als 10.000 Lieferanten” enorme Herausforderungen ergeben, stellt der HDE auf Anfrage von Agrifood.Table fest. Auch die Interessenvereinigung des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) fordert daher, dass der Gesetzgeber den Unternehmen einen risikobasierten Ansatz bei der Umsetzung der Vorgaben ermöglicht: “Nur wenn die Unternehmen risikobasiert vorgehen können und bestimmte Sourcing-Regionen nach klaren Kriterien de-priorisieren dürfen, wird die Berücksichtigung der gesamten Lieferkette praktikabel”, unterstreicht der HDE.
Den zivilrechtlichen Haftungsanspruch, den das EU-Lieferkettengesetz gegenwärtig im Unterschied zum LkSG explizit vorsieht, hält der HDE sogar für kontraproduktiv mit Blick auf entwicklungspolitische Zielsetzungen: “Die Haftungsrisiken, die sich daraus ergeben, sehen wir sehr kritisch.” Der Sache der Menschenrechte und dem entwicklungspolitischen Anspruch des Sorgfaltspflichtenansatzes erweise man einen Bärendienst, wenn sich Unternehmen aufgrund solcher Haftungsrisiken zurückziehen sollten. “Evidenzen hierfür gibt es bereits”, teilt der HDE dazu mit. Zahlreiche Unternehmen wie zuletzt das Delikatessenhaus und der Kaffeehändler Dallmayr seien zu der Einschätzung gelangt, dass sie ihr Engagement in bestimmten Ländern unter den gegebenen, beziehungsweise zu erwartenden regulatorischen Bedingungen nicht fortführen könnten.
Kritisch sieht auch der Wissenschaftliche Beirat im Bundeswirtschaftsministeriums in einer Analyse aus dem Frühjahr 2022 sehr weitreichende Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette. In vielen Regionen der Welt seien Arbeitsschutzstandards niedriger als in der EU; dies zu ahnen, sei anmaßend, heißt es sinngemäß in dem Papier. Stattdessen sollte die Fähigkeit der Konsumentinnen und Konsumenten, souveräne Kaufentscheidungen mit Blick auf Menschenrechts- oder Umweltschutzstandards treffen zu können, gestärkt werden. Als Beispiel hierfür nennt der Wissenschaftliche Beirat Fairtrade-Siegel.
Anselm Elles, Managing Partner bei dem auf die Agrar- und Ernährungswirtschaft spezialisierten Beratungsunternehmen AFC Consulting Group, verweist indessen darauf, dass das EU-Lieferkettengesetz allein zahlenmäßig deutlich mehr Unternehmen des LEH und der Lebensmittelproduktion betreffen würde als dies beim LkSG der Fall wäre. Dies ergibt sich aus der deutlich niedrigeren Schwelle von 250 Mitarbeitenden, ab der die Regelung greifen soll.
Durch die Ausweitung der Betrachtung von den eigenen Aktivitäten eines Unternehmens und jenen unmittelbarer und mittelbarer Geschäftspartner auf den gesamten Produktzyklus wiederum würde die ohnehin schon hohe “Vulnerabilität” des LEH mit Blick auf Risiken in der Lieferkette zunehmen. Auch bestünden im LEH, der in direktem Kontakt zum Endverbraucher steht, besonders hohe Risiken von Imageschäden, sollten Verletzungen des LkSG oder aber auch des EU-Lieferkettengesetzes auftreten und öffentlich gemacht werden.
“Im LEH wird sicher auch mit Blick auf eine EU-Lieferkettengesetzgebung die Tendenz zu beobachten sein, Risiken gemäß der Sorgfaltspflichten auf Lieferanten abzuwälzen.” Dabei hätte das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, kurz BAFA, unlängst klargestellt, dass dies zumindest beim deutschen LkSG nicht so ohne weiteres möglich sei, erläutert Elles im Gespräch mit Agrifood.Table. In der Tat stellt das BAFA in einer Art Handlungsempfehlung, fest, dass Unternehmen, die unter den Geltungsbereich des LkSG fallen, teilweise “zu weitreichende” Forderungen gegenüber ihren Lieferanten stellen würden.
Zwar sehe das Gesetz ausdrücklich vor, dass verpflichtete Unternehmen zur Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette mit ihren Geschäftspartnern zusammenarbeiten, unterstreicht das BAFA. Aber die Einforderung pauschaler Selbstverpflichtungen sei unzulässig, stellt die Behörde klar: Zu weitgehend wären demnach Forderungen nach einer schriftlichen Zusicherung des Zulieferers, dass sämtliche einschlägige menschenrechts- und umweltbezogenen Bestimmungen im LkSG in der Lieferkette eingehalten würden. Vielmehr dürfen sich entsprechende Erklärungen nur konkret auf das spezifische Risiko eines Zulieferers beziehen, das zuvor durch eine Risikoanalyse bei dem verpflichteten Unternehmen selbst ermittelt wurde. Zudem weist das BAFA ausdrücklich darauf hin, dass Unternehmen, die nicht direkt unter den Geltungsbereich des LkSG fallen, von der Behörde weder auf die Einhaltung der Bestimmungen hin kontrolliert noch sanktioniert würden.
Allerdings verweist Berater Elles auch darauf, dass sich das EU-Lieferkettengesetz aktuell noch in den Trilog-Verhandlungen zwischen EU-Parlament, EU-Kommission und den Mitgliedstaaten befände – und dass bis zu deren Abschluss noch einiges geändert werden könne. Mit Blick auf die Wahlen zum Europa-Parlament im Juni 2024 seien einige besonders weitreichende Forderungen der EU-Parlamentarier sicher auch dem Wahlkampf geschuldet.
Am 21. November wird das EU-Parlament über seine Position zur Überarbeitung der Richtlinie für Verpackungen und Verpackungsabfall abstimmen – beinahe genau ein Jahr, nachdem die EU-Kommission ihren Vorschlag für die neue Verordnung vorgelegt hat.
Das Ziel der Initiative: die Abfallhierarchie stärker in dem Gesetz verankern, sodass neben dem Recycling vor allem das Vermeiden von Verpackungsabfällen und die Wiederverwendung von Verpackungen und Materialien vorgeschrieben werden. EU-weit sollen durch den Übergang in eine Verordnung harmonisierte Vorschriften gelten. Schließlich erzeugte im Jahr 2021 jede Person in der EU im Schnitt 188,7 Kilogramm Verpackungsabfälle. Ohne zusätzliche Maßnahmen rechnet die Kommission für das Jahr 2030 mit 209 Kilogramm pro Person.
Der Vorschlag hatte eine heftige Kontroverse zwischen Recycling- und Mehrwegbefürwortern und eine enorme Beteiligung an der öffentlichen Konsultation ausgelöst. An dem Dossier beteiligte Europaabgeordnete sprachen von einer rekordverdächtigen Anzahl an Lobbyanfragen. Den stärksten Widerstand hatte es in Bezug auf die Mehrwegziele für verschiedene Sektoren und Verpackungsformate gegeben (Artikel 26). Dabei hatte die Kommission einige ambitionierte Ziele bereits im Vorfeld heruntergeschraubt.
Der Umweltausschuss hat den Berichtsentwurf von Frédérique Ries (Renew) Ende Oktober angenommen. Die Abgeordneten wollen unter anderem:
Auf der zweiten Plenartagung im November wird das Parlament nun über das Verhandlungsmandat abstimmen. Sobald auch der Rat sein Mandat beschlossen hat, können die Trilog-Verhandlungen beginnen. Die Vorschläge der spanischen Ratspräsidentschaft liegen dem Bericht des Umweltausschusses in vielen Punkten nicht fern. Etwa schlug auch Spanien für den umstrittenen Artikel 26 die Möglichkeit vor, anhand unterschiedlicher Ziele zwischen Wiederverwendung und Wiederbefüllung zu unterscheiden.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hatte angekündigt, sich im Rat trotz der harmonisierten Vorschriften für einen weiterhin großen Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten einzusetzen, damit diese auch ambitioniertere Maßnahmen entwickeln können. Dies wäre vor allem hinsichtlich der geplanten Mehrwegziele wichtig, denn Deutschlands Mehrwegquoten und -ziele sind bereits heute deutlich höher als die Ziele des Kommissionsentwurfs. Das deutsche Verpackungsgesetz sieht bereits seit Anfang 2023 vor, dass Gastronomiebetriebe Mehrwegverpackungen für Take-Away-Speisen anbieten.
Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag fordert mit Blick auf die Verhandlungen von der Bundesregierung, einen technologieoffenen Ansatz zu verfolgen und sich im Rat im Sinne kleiner und mittelständischer Unternehmen für “möglichst bürokratiearme Regelungen” einzusetzen. Mitte Oktober stellte die Fraktion einen Antrag im Bundestag, in dem sie auch den Schutz der “gut funktionierenden Rücknahmesysteme für Mehrweg- und Einwegverpackungen” in Deutschland fordert. Überbordende Governance-Strukturen dürften diese Systeme nicht gefährden, heißt es darin.
Der Umweltausschuss plant nun eine Anhörung zu diesem Antrag. Dann soll auch diskutiert werden, wie die EU-Verpackungsverordnung mit der Novellierung des deutschen Verpackungsgesetzes zusammenwirken kann.
Der SPD-Abgeordnete Michael Thews betonte während der Aussprache im Bundestag: “Wenn die Verhandlungen nicht vor der Europawahl abgeschlossen werden, müssen wir in Deutschland handeln und unser Verpackungsgesetz reformieren, um (ambitioniertere) Recyclingquoten und das Fondsmodell auf den Weg zu bringen.” Nur so könne ausgeglichen werden, dass der Ölpreis immer wieder für Schwankungen der Rezyklateinsatzraten und Hemmnisse für Investitionen sorge. Den Gesetzgebungsprozess in Brüssel noch in der laufenden Legislaturperiode vollständig abzuschließen, wäre nicht unrealistisch, aber durchaus ambitioniert.
Das Bundesumweltministerium hat bereits im Juni Eckpunkte für ein deutsches Gesetz für weniger Verpackungsmüll vorgestellt. Damit will sie der EU-Verordnung in einigen Teilen zuvorkommen. Unter anderem will das BMUV die Vorgaben für mehr Mehrwegverpackungen in der Gastronomie und im Handel deutlich ausweiten. Supermärkte müssen demnach zum Beispiel pro Getränkesorte (Wasser, Bier, alkoholfreie Getränke, Saft und Milch) mindestens ein Produkt mit Mehrwegverpackung anbieten. Verbraucherinnen sollen ihre Mehrwegflaschen zudem überall abgeben können, wo Getränke verkauft werden. Mit weiteren Maßnahmen wolle das Ministerium warten, bis “auf europäischer Ebene dazu mehr Klarheit besteht”.
Nachdem Naturland sich zur Kooperation mit Aldi entschlossen hatte, machte der Ökoverband eine Entdeckung: In Aldis Bio-Produkten steckte bereits Rohware von Mitgliedsbauern. “Da bestanden schon Lieferbeziehungen mit unseren Landwirten, von denen wir in der Größenordnung nichts wussten”, sagt Wilhelm Heilmann, Geschäftsführer der Naturland Zeichen GmbH. Seit Jahresbeginn prüft der Verband nun, ob sich auch die sichtbare Auszeichnung lohnt und ob die Nachfrage bei Aldi, Netto und Penny die Abnahmesicherheit seiner Ökobauern verbessert. “Manche Produkte laufen gut, andere noch nicht”, sagt Heilmann. “Für eine belastbare Einschätzung ist es zu früh.”
Heilmanns Vorsicht ist verständlich. Diana Schaack von der Agrarmarkt Informationsgesellschaft (AMI), Fachfrau für den Ökomarkt, beobachtet zwar eine Erholung des Marktes: “Seit Mai sehen wir erstmals wieder ein positives Wachstum bei Bio.” Die Umsätze seien von Januar bis September um insgesamt 2,8 Prozent gewachsen, und zwar besonders in den extremen Ausprägungen des Handels – nämlich in der bäuerlichen Direktvermarktung, also in den Hofläden – und in den Discountern. Schaack erwartet, dass der Bio-Jahresumsatz 2023 wieder die Höhe von 2021 erreicht.
Das ist eine gute Nachricht für die Branche nach dem Schockjahr 2022, als mit dem Krieg in der Ukraine und steigender Inflation die Nachfrage einbrach. Nach Jahren des Wachstums schloss Bio erstmals mit einem Minus von 3,5 Prozent ab. Ob die derzeitige Erholung anhält, ist unklar. “Das Nadelöhr ist die Verarbeitung”, sagt Schaack. “In Deutschland fehlen Mühlen, Bäckereien, Schlachtereien und, ganz eklatant, Gemüseverarbeiter für die Außerhausversorgung in Großküchen.” Die Investitionsbereitschaft in solche Strukturen sei gebremst. Die Ampelkoalition habe sich den Ausbau des Ökolandbaus auf 30 Prozent zum “denkbar ungünstigsten Zeitpunkt” auf die Fahnen geschrieben, bedauert Schaack. Auch der Anteil von Bio auf den Feldern stagniere bei gut elf Prozent.
Dabei ist Bio für den Handel längst eine feste Größe. Der Gesamtanteil am Umsatz liegt zwar nur bei etwa sieben Prozent. Aber für Lebensmittelmärkte ist das grüne Sortiment extrem wichtig: Es sorgt für kaufkräftige Kundschaft. Was also sind überzeugende Strategien, um umweltbewusste Käuferinnen und Käufer zu binden?
“Derzeit will die Branche mithilfe der Politik in die Gastronomie expandieren”, sagt Erich Margrander, Herausgeber des Fachmagazins Biopress. “Doch damit lässt sich das 30-Prozent-Ziel nicht erreichen. Denn die Großverbraucher machen nur 25 Prozent der gesamten Lebensmittelvermarktung aus.” Bio müsse in die privaten Küchen. Und deren Betreiber kauften überall ein, vom Hofladen über den Fachhandel bis hin zum Billig-Discounter. “Bio muss sich überall bestmöglich aufstellen.”
Gerade in den Vollsortimentern, sagt Magrander, also etwa in Edeka- oder Rewe-Filialen, sei das Biosortiment noch stark ausbaubar. “Rund 10.000 Läden werden von selbständigen Kaufleuten geführt. Diese Leute können Vielfalt, lokal, regional. Und viele wollen auch Bio anbieten, weil ihre Kunden danach fragen. Aber nur wenige verfügen über Strukturen, mit denen das zu organisieren ist.” Dass das möglich ist, zeigt Theresia Quint in Trier: Ihr Edeka-Markt erwirtschaftet seinen Jahresumsatz von rund 13 Millionen Euro inzwischen zu 30 Prozent mit Bio-Produkten. Die Fleischtheke ist sogar 100 Prozent öko.
Was es bräuchte, sagt Experte Margrander, sei eine möglichst genossenschaftlich organisierte Bio-Plattform, bei der sich die Wiederverkäufer bedienen könnten. “Damit das klappt, braucht es allerdings eine Solidarität unter den Marktteilnehmern, die ich derzeit nicht sehe.”
Bruno Krieglstein hält den Einsatz von KI für die Schaffung neuer Vertriebswege und Verkaufsanreize wichtig. Bis September war er im Stuttgarter Landwirtschaftsministerium für Ernährungspolitik und Qualitätsprogramme zuständig, darunter das landeseigene Bio-Siegel. Der Agrarwissenschaftler setzt sich für mehr Digitalisierung entlang der Wertschöpfungskette ein. “Die Digitalisierung bietet die Chance neuer Beziehungen zwischen Erzeugern, Absatzmittlern und Konsumenten”, sagt Krieglstein. Er verweist auf Start-ups wie Crowdfoods oder Foodcode. Foodcode bietet einen QR-Code, mit dem Hersteller Herkunft und Qualität ihrer Lebensmittel scannbar auf der Verpackung ausloben können.
Bio war einst ein Kind der Hofläden, Bio-Bäckereien und Naturkostanbieter. Heute macht der Fachhandel nur noch 20 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Das Segment hat besonders im Krisenjahr 2022 gelitten. Kathrin Jäckel, die den Branchenverband Bundesverband Naturkost Naturwaren leitet, sieht ihre klein- und mittelständischen Mitglieder allerdings auch dadurch bedroht, dass ‘Bio’ kein Alleinstellungsmerkmal des Fachhandels mehr sei und für jüngere Käufer an Relevanz verloren habe. Ihr Gegenrezept: die Kommunikation zu Bio mit dessen Bedeutung für Nachhaltigkeit und Klima verbinden, um so insbesondere jüngere Menschen anzusprechen. “Dazu sollten die Läden direkt bei der Ware deren Vorteile für die Biodiversität, für den Klima- und Wasserschutz herausstellen”, sagt sie. In Dänemark, dem europäischen Bio-Vorreiter, habe man mit diesem sogenannten Nudging bereits gezeigt, dass das funktionieren kann.
Zwei Drittel der Bio-Ware finden heute über Vollsortimenter und Discounter zum Kunden, in fast gleichem Maße. “Der Discount holt stark auf”, sagt die Marktanalystin Schaack, “allein seit diesem Januar hat er acht Prozent bei den Bio-Umsätzen zugelegt.”
Lidl war 2018 der erste Discounter, der mit einem der alteingesessenen Biobauernverbände kooperierte -damals noch zum Entsetzen vieler Fundamental-Ökos. Denn Bio ist in der Herstellung teuer und daher per se nichts für Billiganbieter. Wer keine Pestizide nutzen will, braucht stattdessen viel Knowhow – und viel Arbeitskraft. “Wir haben eine tolle und erfolgreiche Partnerschaft mit Bioland”, lobt Alexander Liedke, der den Bereich Einkauf Nachhaltigkeit für Lidl Dienstleitung leitet. “Heute gehören Probierangebote dazu – damit Kunden auch mal ohne großen Hürden etwas Neues ausprobieren können.” Probierangebote: Das ist die vornehme Umschreibung der in der Szene verpönten Aktionspreise.
Zu Jahresbeginn hat der Discounter der Schwarz-Gruppe eine Einkaufspolitik “Bewusste Ernährung” veröffentlicht. Darin ist der Ausbau des Bio-Sortiments als Ziel definiert. Jüngster Coup: Seit Oktober bietet Lidl nahezu das gesamte Sortiment seiner veganen Eigenmarke zum selben Preis wie tierische Vergleichsprodukte an. Allerdings bestehen die veganen Produkte nur selten aus ökologischer Rohware.
Für Bio setzt Lidl auf frischere Verpackungen – das trübe Öko-Braun ist out. Und auf Social Media. Seit Februar wirbt ein vergnügtes Lidl-Bioland “Team Green” auf allen Kanälen für den Mehrwert von Ökolandbau. Auf YouTube zeigen die Protagonisten sogar, was “Kreislaufwirtschaft” bedeutet: nämlich den Einsatz von Kuhfladen als Düngemittel. Bio, so die subkutane Botschaft, braucht Tiere.
Aldi Süd, der neue Kooperationspartner von Naturland, zahlt sogar für den Mehrwert von Bio. Naturland-Landwirte können dafür an einem Förderprogramm Artenvielfalt teilnehmen, mit extra angelegten Hecken, Altgrasstreifen oder Streuobstwiesen. Aldi gibt für jedes entsprechend zertifizierte Produkt einen Beitrag in einen Fördertopf für die beteiligten Landwirte.
Offenbar ist das neue Programm für viele Öko-Landwirte attraktiv. Zwischen Bioland und Naturland tobt hinter den Kulissen längst ein Wettlauf um Landwirte, die Bio nach den hohen Qualitätsstandards der deutschen Verbände erzeugen wollen.
Die Autorin dieses Berichts moderiert am 9. November auf den VI. Ökomarketingtagen der Akademie Schloss Kirchberg das Fachpodium “Neue Biostrategien für Handel und Erzeuger”.
Die sogenannten versteckten Kosten der weltweiten Ernährungssysteme sind nach Angaben der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) extrem hoch. Diese “Hidden Costs”, die etwa durch ungesunde Ernährung und umweltschädliche Landwirtschaft entstehen, belaufen sich laut FAO auf rund zehn Billionen US-Dollar pro Jahr – rund zehn Prozent des globalen Bruttoinlandsproduktes. Dies geht aus dem Ernährungs- und Landwirtschaftsreport (Sofa) hervor, den die in Rom ansässige UN-Organisation am Montag veröffentlichte.
Der mit Abstand größte Teil dieser Kosten, mehr als 70 Prozent, wird dem Bericht zufolge durch ungesunde Ernährung verursacht. Problematisch sei der immer größer werdende Anteil von Fett und Zucker sowie von ultra-verarbeiteten Lebensmitteln bei der Ernährung vieler Menschen. Dies führe zu Fettleibigkeit und anderen Krankheiten, was nicht nur die Gesundheitssysteme belaste, sondern zudem Verluste bei der Arbeitsproduktivität verursache.
Ein weiterer Grund für die “wahren weltwirtschaftlichen Kosten” der derzeitigen Ernährungssysteme ist laut FAO umweltbedingt. Treibhausgasemissionen und Stickstoffeinträge sowie ein nicht nachhaltiger Wasserverbrauch tragen demnach dazu bei. Von diesen gesundheitlichen, ökologischen und sozialen Kosten sind vor allem Länder mit niedrigem Einkommen betroffen.
Um diese immensen Kosten zu verringern und die Kosten sauber zu quantifizieren, fordert die FAO von Politik und Wirtschaft unter anderem regelmäßige Analysen. Regierungen könnten etwa mithilfe von Steuern, Subventionen und Regulierung die derzeitigen Ernährungssysteme anpassen. So könne man die “wahren Kosten” von Lebensmitteln erkennen und umsteuern, um die Ernährungssysteme zukunftsfest zu machen. 2024 möchte die FAO konkretere Möglichkeiten aufzeigen, wie man die versteckten Kosten reduzieren kann. dpa
Die zweite Novelle des Düngegesetzes sorgt weiter für Diskussionen. Bei der Anhörung im Bundestagsausschuss für Ernährung und Landwirtschaft am Montag stießen insbesondere die Pläne zur Anpassung der Stoffstrombilanzverordnung mehrheitlich auf Ablehnung bei den von den Fraktionen benannten Sachverständigen.
Neben der Umsetzung der EU-Düngeprodukteverordnung, sieht der Entwurf des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Düngegesetzes die Ermächtigung zur Einrichtung eines Monitorings der Düngeverordnung und die Schaffung von Grundlagen zur Anpassung der Stoffstrombilanzverordnung vor. Die Stoffstrombilanz gilt seit 2023 für Betriebe ab 20 Hektar Nutzfläche. Sie zeigt den Saldo der Stickstoff-Zugänge etwa durch Dünger abzüglich der Abgaben in Form etwa von Getreide, Schlachttieren, Milch oder Gülle.
Robert Knöferl von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft empfahl während der Ausschussanhörung, die Stoffstrombilanz vollständig aus den Rechtsvorgaben herauszulösen und den dazugehörigen Paragrafen 11a aus dem Düngegesetz zu streichen. “Die Anwendung der Stoffstrombilanz auszuweiten und das Monitoringsystem zugleich neu einzuführen, bedeutet eine deutliche Steigerung des bürokratischen Aufwands für Landwirte, Berater und Vollzug”, so Knöferl in seiner Stellungnahme. In eine ähnliche Kerbe schlägt die Bewertung des Zentralverbandes Gartenbau. Dessen Vertreter Christian Ufen sieht in der Anpassung der Stoffstrombilanz eine “Belastung für Gemüsebaubetriebe” und lehnt diese deshalb ebenfalls ab.
Es handele sich bei der Stoffstrombilanz um einen “nationalen Alleingang und eine Verschärfung des EU-Rechts“, ließ Steffen Pingen vom Deutschen Bauernverband (DBV) in der Ausschussanhörung wissen. Zudem sei die Stoffstrombilanz auch aus fachlichen Gründen nicht das geeignete Instrument, die Effizienz und Effektivität der Düngung auf der Fläche zu verbessern, heißt es in der Stellungnahme des DBV.
Der Bundesverband Energie- und Wasserwirtschaft hält die Ausgestaltung der Stoffstrombilanzierung hingegen für notwendig. Es brauche ein belastbares und langfristig planbares Maßnahmenpaket, das von der EU-Kommission akzeptiert werde, erklärte dessen Vertreter Martin Weyand bei der Anhörung. “Wenn wir das nicht vornehmen, besteht die Gefahr, dass die EU-Kommission weitere Vorgaben machen wird”, so Weyand weiter.
Positiv sieht auch das Thünen-Institut die Änderungsvorschläge. Sie schafften die Möglichkeit, den Berichterstattungspflichten der EU-Kommission besser nachzukommen, sagte Thünen-Insitut-Vertreter Maximilian Zinnbauer. Gleichzeitig gab er zu bedenken, dass die Möglichkeiten der Digitalisierung bei der Umsetzung der Stoffstrombilanz ausgeschöpft werden müssten.
Der Agrar- und Umweltausschuss des Bundesrats hatte zuletzt mit seinem Vorschlag, die Stoffstrombilanz zu streichen, die Kritik einiger Verbände auf sich gezogen. Der Antrag hatte jedoch keine Mehrheit im Bundesrat gefunden. Damit konnte das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) seine Arbeit an einer Änderung der Verordnung fortsetzen.
Die fertige Verordnung will das BMEL nun vorlegen, sobald das Düngegesetz – das dazu die Ermächtigung enthalten wird – verabschiedet wurde. Geht es nach dem BMEL, soll die Novelle des Düngegesetzes Anfang 2024 in Kraft treten. heu
Über 30 Branchenverbände der Werbe- und Lebensmittelindustrie hatten in einem Brief an Bundesernährungsminister Cem Özdemir ihre Ablehnung gegen das geplante Kinder-Lebensmittel-Werbegesetz (KLWG) geäußert. Parallel dazu hatten sie Anzeigen in Tageszeitungen geschaltet, in denen sie Werbebeschränkungen als “unwirksam” bezeichneten. Die Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) veröffentlichte daraufhin einen Faktencheck, der die zentralen Argumente der Branchenverbände widerlegt.
Laut dem Faktencheck der DANK würde das KLWG, basierend auf dessen zweitem Entwurf von Ende Juni, nur 40 bis 50 Prozent der verfügbaren Lebensmittel in Deutschland erfassen, im Gegensatz zu den von den Branchenverbänden behaupteten 70 Prozent. Die Industrie orientiere sich bei ihren Berechnungen nach wie vor in Gänze am Nährwertmodell der WHO. Das WHO-Modell liege dem aktuellen Referentenentwurf zwar zugrunde, aber für einige Produktkategorien sehe der BMEL-Entwurf mittlerweile abweichende, weniger strenge Grenzwerte vor, erläutert DANK gegenüber Table.Media. Der DANK-Faktencheck beziehe sich auf Daten einer Studie der Ludwig-Maximilians-Universität München, deren Kalkulation auf den tatsächlichen Grenzwerten des Referentenentwurfs basiert.
Spitzenverbände behaupten, ein Werbeverbot sei “unwirksam” bei der Bekämpfung von kindlichem Übergewicht. Dafür gäbe es jedoch derzeit keine Nachweise, so DANK. Reichlich belegt sei jedoch, dass Werbung die Vorlieben und das Kaufverhalten von Kindern beeinflusse. Dies haben WHO und das Kinderhilfswerk der UN im vergangenen Jahr anerkannt und eine Forderung nach Werberegulierung gestellt.
Weiterhin widerlegt der Faktencheck die Annahme der Industrie, die Medien- und Werbewirtschaft werde durch das KLWG Schaden nehmen. Die prognostizierten Einnahmeeinbußen von etwa drei Milliarden Euro würden auf falschen Berechnungsgrundlagen beruhen, insbesondere auf einem veralteten Gutachten des Markenverbands. DANK benennt zudem methodische Fehler. Die Kalkulation schließe mögliche Ausweichreaktionen der Lebensmittelindustrie nicht mit ein, wie etwa ein Umlenken der TV-Spots oder die Bewerbung eines gesünderen Produkts. Im Faktencheck wird nicht abgestritten, dass es dennoch zu möglichen Einbußen kommen kann. Fachleute betonen jedoch die Priorität des Gesundheitsschutzes für Kinder und kritisieren die Vernachlässigung dieser Priorität aus rein wirtschaftlichen Interessen.
Bundesernährungsminister Özdemir hatte Ende Februar Schutzmaßnahmen für Kinder in der Lebensmittelwerbung vorgestellt, die von zahlreichen Organisationen unterstützt werden. Innerhalb der Ampelkoalition ist das Thema umstritten, die FDP blockiert derzeit das parlamentarische Verfahren. Trotz Abschwächungen des Entwurfs ist keine Einigung in Sicht, während die Branchenverbände weiter gegen das Vorhaben aussprechen. kih
Die Inflation betrifft auch die Lebensmittelbranche. Ein Kurzbericht des Instituts der Deutschen Wirtschaft zeigt jedoch, dass Bio-Lebensmittel eine gewisse Preisstabilität im Vergleich zu herkömmlichen Produkten aufweisen. Dies ist auf regionale Wertschöpfungsketten und ressourcenschonende Kreislaufsysteme im Ökolandbau zurückzuführen.
Während die Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln während der Corona-Pandemie gestiegen war, ist diese im letzten Jahr leicht zurückgegangen. Deutsche Haushalte gaben im Jahr 2022 rund 15,3 Milliarden Euro für Bio-Lebensmittel aus. Im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 waren das 25 Prozent mehr, im Vergleich zum letzten Jahr jedoch vier Prozent weniger. Der Lebensmitteleinzelhandel steigerte seine Bio-Umsätze im vergangenen Jahr um drei Prozent und trägt damit inzwischen zu zwei Dritteln des Gesamt-Bio-Umsatzes bei. Dennoch sind Bio-Lebensmittel immer noch eine Nische, da sie nur sieben Prozent des gesamten Lebensmittelmarktes ausmachen.
Trotz steigender Inflationsraten zeigen Umfragen, dass die Mehrheit der Verbraucher höhere Preise für nachhaltige Produkte akzeptiert. Bio-Lebensmittel sind zwar teurer, aber im Vergleich preisstabiler und haben sich insgesamt weniger verteuert als konventionelle Alternativen. Als Grund für diesen Trend gibt der Bericht an, dass der auf Kreislaufwirtschaft basierende ökologische Landbau durch seine Regionalität unabhängiger von Krisen ist. Regionale Wertschöpfungsketten sorgen für kürzere Transportwege und stabilere Preise, zudem schonen sie das Klima.
Die Bundesregierung plant, 30 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche bis 2030 auf ökologischen Landbau umzustellen. Dies erfordert jedoch eine deutliche Zunahme von Bio-Landwirtschaftsbetrieben. Obwohl deren Zahl wächst, machen sie aktuell nur elf Prozent der Agrarfläche aus. kih
Ende November verleiht die Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis (DNP) zum 16. Mal ihre Auszeichnungen. Vorab hat sie jetzt bereits bekannt gegeben, wen sie als Vorreiter der Transformation sieht: Es sind 100 Mittelständler, Start-ups, öffentliche Einrichtungen, Vereine und Konzerne aus 100 verschiedenen Branchen. Zu den genannten gehören etwa Frosta AG (Branche: Fleisch-, Fisch- und Proteinverarbeitung), AOK Baden-Württemberg (Krankenversicherungen), Viva con Aqua Wasser GmbH (Getränkeindustrie), Acker e.V. (Aus- und Weiterbildung), MAN Energy Solutions SE (Motoren und Turbinen), OBI GmbH & Deutschland KG (Baumärkte) und Siemens AG (Elektrotechnik und Elektronik).
Anders als in vorigen Jahren müsse es inzwischen darum gehen, zu zeigen, wo überall in der Breite der Gesellschaft die Transformation vorangehe, erklärte der DNP. Deshalb habe man sich dazu entschlossen, nicht nur einzelne Pioniere herauszuheben, sondern weitere Vorbilder zu suchen, die bei bestimmten Fragestellungen in ihren Branchen beispielhaft seien. Gestützt wurde die Recherche dieses Mal von einer Künstlichen Intelligenz, die öffentlich zugängliche Daten wie Nachhaltigkeitsberichte und renommierte Ratings berücksichtigte. Anschließend wurden 100 Jurys aus jeweils etwa vier Expertinnen und Experten gebildet, die ihre Auswahl anhand der Datengrundlage trafen.
Zusätzlich prämiert werden noch fünf Sieger zu den fünf übergreifenden Transformationsfeldern “Klima”, “Ressourcen”, “Natur”, “Wertschöpfungsketten” und “Gesellschaft”. Diese Gewinner werden bei der Verleihung in Düsseldorf am 23. und 24. November bekannt gegeben. Einen Überblick über die 100 Vorreiter erhält man auf dieser Seite. maw
07.11. – 08:00 – 17:15 Uhr / Hilton Frankfurt City Centre
Seminar Smart Proteins Summit
Beim Smart Proteins Summit treffen sich Unternehmer:innen, Produktentwickler:innen und Fach- und Führungskräfte aus Industrie, Food-Handwerk, Handel, Wissenschaft und Gastronomie, die sich mit alternativen Proteinen beschäftigen und Orientierung in diesem schnell wachsenden Markt suchen. INFOS & ANMELDUNG
07.11.2023 – 9.11.2023 / Berlin
Vortrag Landleben x digital – Smart Country Convention
Fachleute stellen ihre Projekte dem Publikum vor, unter anderem zu Digitalisierung im Lebensmittelvertrieb, der ländlichen Gesundheitsversorgung oder auch Mobilität INFOS
08.11. – 11:45 Uhr / Bundeskanzleramt
Pressestatement von Bundesminister Özdemir Entwurf eines Agrarpolitischen Berichts der Bundesregierung 2023
Vorstellung des “Agrarpolitischen Berichts der Bundesregierung 2023″ direkt im Anschluss an die Kabinettssitzung. Der Bericht zeigt anhand von Daten und Fakten, wie sich die deutsche Landwirtschaft entwickelt hat. Bundesminister Özdemir nimmt eine politische Einordnung vor. Anmeldung
09.11.2023 – 14.00 – 18.30 Uhr / online BMEL
Vortrag 2. FOREST EUROPE High-Level-Politikdialog
Erfahren Sie, wie nachhaltige Waldbewirtschaftung (SFM) die Resilienz unserer Wälder stärken kann, wenn hochrangige Politikerinnen und Politiker, wie Bundesminister Özdemir, mit herausragenden Expertinnen und Experten aus verschiedenen Teilen Europas über die Bedeutung von SFM in Zeiten der Klima- und Biodiversitätskrise diskutieren. INFOS
09.11.2023 – 19.00- 21.00 Uhr / Landesvertretung des Saarlandes in Berlin
Diskussion Ertrag oder Artenvielfalt? So schaffen wir beides!
Die Landwirtschaft soll hohe Erträge ernten und gleichzeitig die Artenvielfalt fördern – das fordert die Gesellschaft. Doch wie geht das zusammen? Was erwarten Praktiker und Politiker voneinander? Wo fehlt es an Verständnis, wo an Fachtiefe? Und welche Lösungsansätze halten beiden Blickrichtungen stand? INFOS
09.11. – 20.40 Uhr / Deutscher Bundestag
Plenardebatte Plenardebatte über Pflanzenschutzmittel im Weinbau
Abstimmung über den Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel “Den Fortbestand des deutschen Weinbaus schützen – Pflanzenschutzmittelreduktion und Weinbau in Deutschland zukunftssicher vereinbaren” INFOS
08.11. – 10.11. / Rehburg-Loccum
Tagung Agroforst. Wozu und wie Äcker und Bäume kombinieren?
Agroforstsysteme haben Schutz- und Nutzfunktion; sie bieten langfristig eine Verbesserung der Wasser- und Nährstoffversorgung, Boden-, Klima und Grundwasserschutz. Systemoptionen, Planung, Beratung, bürokratische und andere Hürden, Nutzungsoptionen, Förderungen und konkrete Forderungen für die Umsetzung stehen im Fokus der Tagung. INFOS
11.11.2023, Hannover
Diskussionsforum Wirtschaftsforum der agrarzeitung
Bei dem Wirtschaftsforum der agrarzeitung trifft sich ein ausgewählter Kreis von Vertreterinnen und Vertretern von Landtechnik- und Handelsunternehmen der Agrarwirtschaft, führenden Herstellern von Betriebsmitteln, sowie innovativen Agrifood-Start-Ups zum jährlichen Austausch. INFOS
20.11.2023 – 21.11.2023 / Luxemburg
Rat der EU: Landwirtschaft und Fischerei Vorläufige Tagesordnung
04.12.2023 – 10:00-14:00 Uhr, Berlin
BMEL Festveranstaltung zum Boden des Jahres 2024
Am 5. Dezember 2023 wird im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in Berlin der “Boden des Jahres 2024” gekürt. Die Festveranstaltung findet im Rahmen des Internationalen Weltbodentags statt, der die Bedeutung des Bodens und seine Schutzwürdigkeit besonders hervorheben soll. INFOS
Welche Weichen sollte die europäische und deutsche Agrar- und Ernährungspolitik stellen?
Ich freue mich, dass die Bedeutung unserer Branche auch auf der politischen Ebene angekommen ist: Essen ist politisch. Wir brauchen eine Rahmengesetzgebung, die die viel beschworene Transformation der Agrar- und Ernährungsbranche unterstützt, ehrgeizige Ziele setzt, aber auch genügend Freiraum für Innovation und Selbstbestimmung lässt. Ich bin stolz darauf, dass wir uns als REWE Group mit Mut und Innovationskraft für mehr Nachhaltigkeit in unseren Lieferketten einsetzen. Und es überrascht wahrscheinlich niemanden, dass ich bei der Umsetzung kein allzu großer Fan von weitreichenden Einschränkungen und bürokratischen Regularien bin – sondern mich ausdrücklich für positive Anreize und transparente Lösungen innerhalb der Branche einsetze.
Für wie wichtig halten Sie Bio?
Der Öko-Landbau ist eine der wichtigsten Säulen für eine zukunftsfähige, nachhaltige Landwirtschaft. Wir glauben an Bio in all seinen Ausprägungen – und dafür brauchen wir einen ambitionierten Ausbau des ökologischen Angebots für mehr Sichtbarkeit in der gesamten Wertschöpfungskette. Um die anspruchsvollen Bio-Flächenziele der Bundesregierung zu erreichen, darf Bio kein Statussymbol sein: Wir brauchen Angebote für alle Zielgruppen und zusätzliche Unterstützung für interessierte Landwirtinnen und Landwirte, auch schon in der wirtschaftlich schwierigen Transformationsphase. Hier setzen wir bei REWE und PENNY bereits mit konkreten Projekten an und geben ihnen die Möglichkeit, ihre Umstellungsware mit entsprechenden Mehrerlösen zu vermarkten.
Auf welche Regulierungen für den Agrifood-Sektor hätten Sie gerne verzichtet?
Hauptaufgabe der Politik sollte es meiner Meinung nach sein, einen Ausgleich zu schaffen zwischen Regulierungen und dem Freiraum, den die privatwirtschaftlichen Akteure brauchen, um erfolgreich handeln zu können und Testpiloten zu fahren. Als Negativbeispiel, bei dem eine politische Regulierung über das Ziel hinausgeschossen ist, wäre beispielsweise die nationale Umsetzung der UTP-Regulierung gegen sogenannte “unfaire Handelspraktiken” zu nennen. Dieses sollte ursprünglich kleinere Marktteilnehmer schützen und stärken. In der aktuellen Gesetzgebung fallen allerdings vor allem große Industrievertreter in den Schutzbereich, während sich die Lage der Landwirtinnen und Landwirte durch die Gesetzgebung nicht verbessert hat. Wir hoffen, dass die Politik die anstehende Evaluierung zum Anlass nimmt, das Ungleichgewicht aufzuheben.
Hans-Jürgen Moog (55) wechselte 2016 als Geschäftsleitung Ware für das REWE Vollsortiment zur REWE Group. 2019 wurde er zum Bereichsvorstand Handel Deutschland für das REWE Vollsortiment, Eigenmarken-Einkauf, Produktion Wilhelm-Brandenburg berufen und übernahm im Folgejahr als Bereichsvorstand die Verantwortung für das Warengeschäft bei PENNY, Nonfood, Obst & Gemüse, Produktion Glockenbrot und die Qualitätssicherung. Seit dem 1. Januar 2023 verantwortet er als Konzernvorstand gruppenübergreifend das Ressort Einkauf und Ware als Chief Procurement Officer.
der Brüsseler Politikbetrieb nimmt nach den Herbstferien kräftig an Fahrt auf. Am Donnerstag findet der voraussichtlich letzte Trilog für die geplante, aber hochumstrittene Verordnung zur Wiederherstellung der Natur – im Brüsseler Jargon kurz NRL – statt. Startschuss für die Verhandlungen ist um 14 Uhr. Ungewöhnlich ist, dass die spanische Umweltministerin Teresa Ribeira die Verhandlungen führen wird. Dass Minister selbst verhandeln, ist nämlich äußerst selten. Normalerweise tut das die jeweilige ständige Vertretung. Die Personalwahl der spanischen Ratspräsidentschaft kann als Zeichen für die politisch aufgeheizte Situation gewertet werden. Mit einem Ende der Verhandlungen wird erst in der Nacht zum Freitag gerechnet.
Noch sei nichts entschieden, ist aus Verhandlungskreisen in Brüssel zu hören. Die politische Ausgangslage ist besonders. Der Europäische Rat zeigt mehr Ambitionen mit Blick auf den Umweltschutz als das Parlament.
Strittig bleibt weiterhin Artikel 9. Dieser umfasst Maßnahmen, die Auswirkungen auf die Landwirtschaft haben. Ehemaliger Moorboden, der mittlerweile beackert wird, soll schrittweise renaturiert werden, um Treibhausgasemissionen zu mindern. Das Parlament hat diesen Passus gestrichen, Rat und Kommission halten dagegen. Strittig ist auch die Forderung der EVP, die Umsetzung des NRL auf Natura-2000-Gebiete zu begrenzen. Lediglich auf unstrittige Punkte konnte man sich bislang einigen. Das umfasst zum Beispiel die Umsetzung von Maßnahmen für eine steigende Bestäuberpopulation sowie die Wiederaufforstung.
Selbst wenn es den Verhandlungsführern gelingen sollte, eine Einigung zu erzielen, könnte die Verordnung trotzdem scheitern. Sowohl das Parlament als auch der Rat müssen anschließend noch über das Verhandlungsergebnis abstimmen, bevor die Verordnung in Kraft treten kann. Vor dem Sommer war der Verordnungsentwurf in beiden Gremien nur mit knapper Mehrheit angenommen worden.
Auf EU-Ebene wird derzeit um die EU-Lieferkettenrichtlinie gerungen. In Deutschland wird zum Jahreswechsel die Anzahl der Unternehmen steigen, die unter das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) fallen. Denn die Schwelle der verpflichteten Unternehmen sinkt von Konzernen mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden auf Firmen ab 1.000 Angestellten. Beide Vorgaben haben zum Ziel, Unternehmen dafür in die Pflicht zu nehmen, dass Bestimmungen zum Umwelt- und Arbeitsschutz in ihren Lieferketten sowie Menschenrechte eingehalten werden.
Während Wirtschaftsverbände die Forderungen häufig als zu weitreichend kritisieren, haben eine Reihe von Jugendorganisationen hiesiger Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerverbände – wie die Jugendorganisation des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der Bund der Deutschen Landjugend (BDL) oder Brot für die Welt Jugend – kürzlich einen offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geschrieben. Darin fordern sie, dass die deutsche Bundesregierung sich in den Verhandlungen um das EU-Lieferkettengesetz für eine ehrgeizige Umsetzung der Regelungen starkmacht. Dazu zählen für die Jugendorganisationen ein verpflichtender Klimaschutz für Unternehmen, die Miteinbeziehung des Finanzsektors sowie die Betrachtungsweise der gesamten Wertschöpfungskette inklusive vor- und nachgelagerter Bereiche wie Produktentwicklung und -entsorgung.
Im Unterschied zu den Jugendorganisationen sehen Wirtschaftsverbände eine strenge Auslegung der Sorgfaltspflichten für Unternehmen entlang von Wertschöpfungsketten kritisch. Konsens dürfte einzig in einer Hinsicht bestehen: In ihrer aktuell diskutierten Form würde die EU-weite Lieferkettenrichtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive – CSDDD) in vielen Belangen weit über die Anforderungen des deutschen LkSG hinausgehen. Denn das EU-Lieferkettengesetz soll in seiner aktuell diskutierten Form bereits Unternehmen mit mehr als 500 Angestellten in die Pflicht nehmen. Unternehmen in sogenannten Hochrisikobereichen wie Lebensmittelhandel, Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion sollen bereits ab 250 Angestellten und einem Nettoumsatz von jährlich 40 Millionen Euro unter die Richtlinie fallen.
Anders als das LkSG sieht das EU-Lieferkettengesetz auch einen zivilrechtlichen Haftungsanspruch vor: Unternehmen können also auf Schadenersatz verklagt werden, sollten sie Menschenrechte sowie den Umwelt- oder Arbeitsschutz missachten. Zudem sollen die Sorgfaltspflichten der Unternehmen nach dem Vorschlag des EU-Parlamentes für den gesamten Produktzyklus von der Entwicklung eines Erzeugnisses bis hin zu dessen Entsorgung gelten. Das LkSG hingegen nimmt lediglich die Aktivitäten eines Unternehmens selbst sowie dessen mittelbare und unmittelbare Geschäftspartner in den Blick.
Daher fürchten Unternehmen der Agrarwirtschaft wie der international tätige Agrarhandelskonzern Baywa AG in München eine überbordende Bürokratie, sollte das EU-Lieferkettengesetz in seiner aktuell diskutierten Form beschlossen werden. Gerade bei Verarbeitungserzeugnissen mit vielen Komponenten und einer hohen Anzahl an Lieferketten sei der Verwaltungsaufwand schlicht nicht mehr zu leisten, lautet ein Kritikpunkt. So hatte die Baywa AG unlängst im Gespräch mit Agrifood.Table nähere Informationen zur Umsetzung der Vorgaben im Geschäftsalltag, etwa in Form einer Priorisierung der Risiken, vom Gesetzgeber gefordert.
Diese Forderung erhebt jetzt auch der Handelsverband Deutschland (HDE) in Berlin: Da sich die Sorgfaltspflichten im EU-Lieferkettengesetz auf die gesamte Lieferkette beziehen, würden sich für große Handelsunternehmen “mit bereits mehr als 10.000 Lieferanten” enorme Herausforderungen ergeben, stellt der HDE auf Anfrage von Agrifood.Table fest. Auch die Interessenvereinigung des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) fordert daher, dass der Gesetzgeber den Unternehmen einen risikobasierten Ansatz bei der Umsetzung der Vorgaben ermöglicht: “Nur wenn die Unternehmen risikobasiert vorgehen können und bestimmte Sourcing-Regionen nach klaren Kriterien de-priorisieren dürfen, wird die Berücksichtigung der gesamten Lieferkette praktikabel”, unterstreicht der HDE.
Den zivilrechtlichen Haftungsanspruch, den das EU-Lieferkettengesetz gegenwärtig im Unterschied zum LkSG explizit vorsieht, hält der HDE sogar für kontraproduktiv mit Blick auf entwicklungspolitische Zielsetzungen: “Die Haftungsrisiken, die sich daraus ergeben, sehen wir sehr kritisch.” Der Sache der Menschenrechte und dem entwicklungspolitischen Anspruch des Sorgfaltspflichtenansatzes erweise man einen Bärendienst, wenn sich Unternehmen aufgrund solcher Haftungsrisiken zurückziehen sollten. “Evidenzen hierfür gibt es bereits”, teilt der HDE dazu mit. Zahlreiche Unternehmen wie zuletzt das Delikatessenhaus und der Kaffeehändler Dallmayr seien zu der Einschätzung gelangt, dass sie ihr Engagement in bestimmten Ländern unter den gegebenen, beziehungsweise zu erwartenden regulatorischen Bedingungen nicht fortführen könnten.
Kritisch sieht auch der Wissenschaftliche Beirat im Bundeswirtschaftsministeriums in einer Analyse aus dem Frühjahr 2022 sehr weitreichende Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette. In vielen Regionen der Welt seien Arbeitsschutzstandards niedriger als in der EU; dies zu ahnen, sei anmaßend, heißt es sinngemäß in dem Papier. Stattdessen sollte die Fähigkeit der Konsumentinnen und Konsumenten, souveräne Kaufentscheidungen mit Blick auf Menschenrechts- oder Umweltschutzstandards treffen zu können, gestärkt werden. Als Beispiel hierfür nennt der Wissenschaftliche Beirat Fairtrade-Siegel.
Anselm Elles, Managing Partner bei dem auf die Agrar- und Ernährungswirtschaft spezialisierten Beratungsunternehmen AFC Consulting Group, verweist indessen darauf, dass das EU-Lieferkettengesetz allein zahlenmäßig deutlich mehr Unternehmen des LEH und der Lebensmittelproduktion betreffen würde als dies beim LkSG der Fall wäre. Dies ergibt sich aus der deutlich niedrigeren Schwelle von 250 Mitarbeitenden, ab der die Regelung greifen soll.
Durch die Ausweitung der Betrachtung von den eigenen Aktivitäten eines Unternehmens und jenen unmittelbarer und mittelbarer Geschäftspartner auf den gesamten Produktzyklus wiederum würde die ohnehin schon hohe “Vulnerabilität” des LEH mit Blick auf Risiken in der Lieferkette zunehmen. Auch bestünden im LEH, der in direktem Kontakt zum Endverbraucher steht, besonders hohe Risiken von Imageschäden, sollten Verletzungen des LkSG oder aber auch des EU-Lieferkettengesetzes auftreten und öffentlich gemacht werden.
“Im LEH wird sicher auch mit Blick auf eine EU-Lieferkettengesetzgebung die Tendenz zu beobachten sein, Risiken gemäß der Sorgfaltspflichten auf Lieferanten abzuwälzen.” Dabei hätte das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, kurz BAFA, unlängst klargestellt, dass dies zumindest beim deutschen LkSG nicht so ohne weiteres möglich sei, erläutert Elles im Gespräch mit Agrifood.Table. In der Tat stellt das BAFA in einer Art Handlungsempfehlung, fest, dass Unternehmen, die unter den Geltungsbereich des LkSG fallen, teilweise “zu weitreichende” Forderungen gegenüber ihren Lieferanten stellen würden.
Zwar sehe das Gesetz ausdrücklich vor, dass verpflichtete Unternehmen zur Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette mit ihren Geschäftspartnern zusammenarbeiten, unterstreicht das BAFA. Aber die Einforderung pauschaler Selbstverpflichtungen sei unzulässig, stellt die Behörde klar: Zu weitgehend wären demnach Forderungen nach einer schriftlichen Zusicherung des Zulieferers, dass sämtliche einschlägige menschenrechts- und umweltbezogenen Bestimmungen im LkSG in der Lieferkette eingehalten würden. Vielmehr dürfen sich entsprechende Erklärungen nur konkret auf das spezifische Risiko eines Zulieferers beziehen, das zuvor durch eine Risikoanalyse bei dem verpflichteten Unternehmen selbst ermittelt wurde. Zudem weist das BAFA ausdrücklich darauf hin, dass Unternehmen, die nicht direkt unter den Geltungsbereich des LkSG fallen, von der Behörde weder auf die Einhaltung der Bestimmungen hin kontrolliert noch sanktioniert würden.
Allerdings verweist Berater Elles auch darauf, dass sich das EU-Lieferkettengesetz aktuell noch in den Trilog-Verhandlungen zwischen EU-Parlament, EU-Kommission und den Mitgliedstaaten befände – und dass bis zu deren Abschluss noch einiges geändert werden könne. Mit Blick auf die Wahlen zum Europa-Parlament im Juni 2024 seien einige besonders weitreichende Forderungen der EU-Parlamentarier sicher auch dem Wahlkampf geschuldet.
Am 21. November wird das EU-Parlament über seine Position zur Überarbeitung der Richtlinie für Verpackungen und Verpackungsabfall abstimmen – beinahe genau ein Jahr, nachdem die EU-Kommission ihren Vorschlag für die neue Verordnung vorgelegt hat.
Das Ziel der Initiative: die Abfallhierarchie stärker in dem Gesetz verankern, sodass neben dem Recycling vor allem das Vermeiden von Verpackungsabfällen und die Wiederverwendung von Verpackungen und Materialien vorgeschrieben werden. EU-weit sollen durch den Übergang in eine Verordnung harmonisierte Vorschriften gelten. Schließlich erzeugte im Jahr 2021 jede Person in der EU im Schnitt 188,7 Kilogramm Verpackungsabfälle. Ohne zusätzliche Maßnahmen rechnet die Kommission für das Jahr 2030 mit 209 Kilogramm pro Person.
Der Vorschlag hatte eine heftige Kontroverse zwischen Recycling- und Mehrwegbefürwortern und eine enorme Beteiligung an der öffentlichen Konsultation ausgelöst. An dem Dossier beteiligte Europaabgeordnete sprachen von einer rekordverdächtigen Anzahl an Lobbyanfragen. Den stärksten Widerstand hatte es in Bezug auf die Mehrwegziele für verschiedene Sektoren und Verpackungsformate gegeben (Artikel 26). Dabei hatte die Kommission einige ambitionierte Ziele bereits im Vorfeld heruntergeschraubt.
Der Umweltausschuss hat den Berichtsentwurf von Frédérique Ries (Renew) Ende Oktober angenommen. Die Abgeordneten wollen unter anderem:
Auf der zweiten Plenartagung im November wird das Parlament nun über das Verhandlungsmandat abstimmen. Sobald auch der Rat sein Mandat beschlossen hat, können die Trilog-Verhandlungen beginnen. Die Vorschläge der spanischen Ratspräsidentschaft liegen dem Bericht des Umweltausschusses in vielen Punkten nicht fern. Etwa schlug auch Spanien für den umstrittenen Artikel 26 die Möglichkeit vor, anhand unterschiedlicher Ziele zwischen Wiederverwendung und Wiederbefüllung zu unterscheiden.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hatte angekündigt, sich im Rat trotz der harmonisierten Vorschriften für einen weiterhin großen Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten einzusetzen, damit diese auch ambitioniertere Maßnahmen entwickeln können. Dies wäre vor allem hinsichtlich der geplanten Mehrwegziele wichtig, denn Deutschlands Mehrwegquoten und -ziele sind bereits heute deutlich höher als die Ziele des Kommissionsentwurfs. Das deutsche Verpackungsgesetz sieht bereits seit Anfang 2023 vor, dass Gastronomiebetriebe Mehrwegverpackungen für Take-Away-Speisen anbieten.
Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag fordert mit Blick auf die Verhandlungen von der Bundesregierung, einen technologieoffenen Ansatz zu verfolgen und sich im Rat im Sinne kleiner und mittelständischer Unternehmen für “möglichst bürokratiearme Regelungen” einzusetzen. Mitte Oktober stellte die Fraktion einen Antrag im Bundestag, in dem sie auch den Schutz der “gut funktionierenden Rücknahmesysteme für Mehrweg- und Einwegverpackungen” in Deutschland fordert. Überbordende Governance-Strukturen dürften diese Systeme nicht gefährden, heißt es darin.
Der Umweltausschuss plant nun eine Anhörung zu diesem Antrag. Dann soll auch diskutiert werden, wie die EU-Verpackungsverordnung mit der Novellierung des deutschen Verpackungsgesetzes zusammenwirken kann.
Der SPD-Abgeordnete Michael Thews betonte während der Aussprache im Bundestag: “Wenn die Verhandlungen nicht vor der Europawahl abgeschlossen werden, müssen wir in Deutschland handeln und unser Verpackungsgesetz reformieren, um (ambitioniertere) Recyclingquoten und das Fondsmodell auf den Weg zu bringen.” Nur so könne ausgeglichen werden, dass der Ölpreis immer wieder für Schwankungen der Rezyklateinsatzraten und Hemmnisse für Investitionen sorge. Den Gesetzgebungsprozess in Brüssel noch in der laufenden Legislaturperiode vollständig abzuschließen, wäre nicht unrealistisch, aber durchaus ambitioniert.
Das Bundesumweltministerium hat bereits im Juni Eckpunkte für ein deutsches Gesetz für weniger Verpackungsmüll vorgestellt. Damit will sie der EU-Verordnung in einigen Teilen zuvorkommen. Unter anderem will das BMUV die Vorgaben für mehr Mehrwegverpackungen in der Gastronomie und im Handel deutlich ausweiten. Supermärkte müssen demnach zum Beispiel pro Getränkesorte (Wasser, Bier, alkoholfreie Getränke, Saft und Milch) mindestens ein Produkt mit Mehrwegverpackung anbieten. Verbraucherinnen sollen ihre Mehrwegflaschen zudem überall abgeben können, wo Getränke verkauft werden. Mit weiteren Maßnahmen wolle das Ministerium warten, bis “auf europäischer Ebene dazu mehr Klarheit besteht”.
Nachdem Naturland sich zur Kooperation mit Aldi entschlossen hatte, machte der Ökoverband eine Entdeckung: In Aldis Bio-Produkten steckte bereits Rohware von Mitgliedsbauern. “Da bestanden schon Lieferbeziehungen mit unseren Landwirten, von denen wir in der Größenordnung nichts wussten”, sagt Wilhelm Heilmann, Geschäftsführer der Naturland Zeichen GmbH. Seit Jahresbeginn prüft der Verband nun, ob sich auch die sichtbare Auszeichnung lohnt und ob die Nachfrage bei Aldi, Netto und Penny die Abnahmesicherheit seiner Ökobauern verbessert. “Manche Produkte laufen gut, andere noch nicht”, sagt Heilmann. “Für eine belastbare Einschätzung ist es zu früh.”
Heilmanns Vorsicht ist verständlich. Diana Schaack von der Agrarmarkt Informationsgesellschaft (AMI), Fachfrau für den Ökomarkt, beobachtet zwar eine Erholung des Marktes: “Seit Mai sehen wir erstmals wieder ein positives Wachstum bei Bio.” Die Umsätze seien von Januar bis September um insgesamt 2,8 Prozent gewachsen, und zwar besonders in den extremen Ausprägungen des Handels – nämlich in der bäuerlichen Direktvermarktung, also in den Hofläden – und in den Discountern. Schaack erwartet, dass der Bio-Jahresumsatz 2023 wieder die Höhe von 2021 erreicht.
Das ist eine gute Nachricht für die Branche nach dem Schockjahr 2022, als mit dem Krieg in der Ukraine und steigender Inflation die Nachfrage einbrach. Nach Jahren des Wachstums schloss Bio erstmals mit einem Minus von 3,5 Prozent ab. Ob die derzeitige Erholung anhält, ist unklar. “Das Nadelöhr ist die Verarbeitung”, sagt Schaack. “In Deutschland fehlen Mühlen, Bäckereien, Schlachtereien und, ganz eklatant, Gemüseverarbeiter für die Außerhausversorgung in Großküchen.” Die Investitionsbereitschaft in solche Strukturen sei gebremst. Die Ampelkoalition habe sich den Ausbau des Ökolandbaus auf 30 Prozent zum “denkbar ungünstigsten Zeitpunkt” auf die Fahnen geschrieben, bedauert Schaack. Auch der Anteil von Bio auf den Feldern stagniere bei gut elf Prozent.
Dabei ist Bio für den Handel längst eine feste Größe. Der Gesamtanteil am Umsatz liegt zwar nur bei etwa sieben Prozent. Aber für Lebensmittelmärkte ist das grüne Sortiment extrem wichtig: Es sorgt für kaufkräftige Kundschaft. Was also sind überzeugende Strategien, um umweltbewusste Käuferinnen und Käufer zu binden?
“Derzeit will die Branche mithilfe der Politik in die Gastronomie expandieren”, sagt Erich Margrander, Herausgeber des Fachmagazins Biopress. “Doch damit lässt sich das 30-Prozent-Ziel nicht erreichen. Denn die Großverbraucher machen nur 25 Prozent der gesamten Lebensmittelvermarktung aus.” Bio müsse in die privaten Küchen. Und deren Betreiber kauften überall ein, vom Hofladen über den Fachhandel bis hin zum Billig-Discounter. “Bio muss sich überall bestmöglich aufstellen.”
Gerade in den Vollsortimentern, sagt Magrander, also etwa in Edeka- oder Rewe-Filialen, sei das Biosortiment noch stark ausbaubar. “Rund 10.000 Läden werden von selbständigen Kaufleuten geführt. Diese Leute können Vielfalt, lokal, regional. Und viele wollen auch Bio anbieten, weil ihre Kunden danach fragen. Aber nur wenige verfügen über Strukturen, mit denen das zu organisieren ist.” Dass das möglich ist, zeigt Theresia Quint in Trier: Ihr Edeka-Markt erwirtschaftet seinen Jahresumsatz von rund 13 Millionen Euro inzwischen zu 30 Prozent mit Bio-Produkten. Die Fleischtheke ist sogar 100 Prozent öko.
Was es bräuchte, sagt Experte Margrander, sei eine möglichst genossenschaftlich organisierte Bio-Plattform, bei der sich die Wiederverkäufer bedienen könnten. “Damit das klappt, braucht es allerdings eine Solidarität unter den Marktteilnehmern, die ich derzeit nicht sehe.”
Bruno Krieglstein hält den Einsatz von KI für die Schaffung neuer Vertriebswege und Verkaufsanreize wichtig. Bis September war er im Stuttgarter Landwirtschaftsministerium für Ernährungspolitik und Qualitätsprogramme zuständig, darunter das landeseigene Bio-Siegel. Der Agrarwissenschaftler setzt sich für mehr Digitalisierung entlang der Wertschöpfungskette ein. “Die Digitalisierung bietet die Chance neuer Beziehungen zwischen Erzeugern, Absatzmittlern und Konsumenten”, sagt Krieglstein. Er verweist auf Start-ups wie Crowdfoods oder Foodcode. Foodcode bietet einen QR-Code, mit dem Hersteller Herkunft und Qualität ihrer Lebensmittel scannbar auf der Verpackung ausloben können.
Bio war einst ein Kind der Hofläden, Bio-Bäckereien und Naturkostanbieter. Heute macht der Fachhandel nur noch 20 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Das Segment hat besonders im Krisenjahr 2022 gelitten. Kathrin Jäckel, die den Branchenverband Bundesverband Naturkost Naturwaren leitet, sieht ihre klein- und mittelständischen Mitglieder allerdings auch dadurch bedroht, dass ‘Bio’ kein Alleinstellungsmerkmal des Fachhandels mehr sei und für jüngere Käufer an Relevanz verloren habe. Ihr Gegenrezept: die Kommunikation zu Bio mit dessen Bedeutung für Nachhaltigkeit und Klima verbinden, um so insbesondere jüngere Menschen anzusprechen. “Dazu sollten die Läden direkt bei der Ware deren Vorteile für die Biodiversität, für den Klima- und Wasserschutz herausstellen”, sagt sie. In Dänemark, dem europäischen Bio-Vorreiter, habe man mit diesem sogenannten Nudging bereits gezeigt, dass das funktionieren kann.
Zwei Drittel der Bio-Ware finden heute über Vollsortimenter und Discounter zum Kunden, in fast gleichem Maße. “Der Discount holt stark auf”, sagt die Marktanalystin Schaack, “allein seit diesem Januar hat er acht Prozent bei den Bio-Umsätzen zugelegt.”
Lidl war 2018 der erste Discounter, der mit einem der alteingesessenen Biobauernverbände kooperierte -damals noch zum Entsetzen vieler Fundamental-Ökos. Denn Bio ist in der Herstellung teuer und daher per se nichts für Billiganbieter. Wer keine Pestizide nutzen will, braucht stattdessen viel Knowhow – und viel Arbeitskraft. “Wir haben eine tolle und erfolgreiche Partnerschaft mit Bioland”, lobt Alexander Liedke, der den Bereich Einkauf Nachhaltigkeit für Lidl Dienstleitung leitet. “Heute gehören Probierangebote dazu – damit Kunden auch mal ohne großen Hürden etwas Neues ausprobieren können.” Probierangebote: Das ist die vornehme Umschreibung der in der Szene verpönten Aktionspreise.
Zu Jahresbeginn hat der Discounter der Schwarz-Gruppe eine Einkaufspolitik “Bewusste Ernährung” veröffentlicht. Darin ist der Ausbau des Bio-Sortiments als Ziel definiert. Jüngster Coup: Seit Oktober bietet Lidl nahezu das gesamte Sortiment seiner veganen Eigenmarke zum selben Preis wie tierische Vergleichsprodukte an. Allerdings bestehen die veganen Produkte nur selten aus ökologischer Rohware.
Für Bio setzt Lidl auf frischere Verpackungen – das trübe Öko-Braun ist out. Und auf Social Media. Seit Februar wirbt ein vergnügtes Lidl-Bioland “Team Green” auf allen Kanälen für den Mehrwert von Ökolandbau. Auf YouTube zeigen die Protagonisten sogar, was “Kreislaufwirtschaft” bedeutet: nämlich den Einsatz von Kuhfladen als Düngemittel. Bio, so die subkutane Botschaft, braucht Tiere.
Aldi Süd, der neue Kooperationspartner von Naturland, zahlt sogar für den Mehrwert von Bio. Naturland-Landwirte können dafür an einem Förderprogramm Artenvielfalt teilnehmen, mit extra angelegten Hecken, Altgrasstreifen oder Streuobstwiesen. Aldi gibt für jedes entsprechend zertifizierte Produkt einen Beitrag in einen Fördertopf für die beteiligten Landwirte.
Offenbar ist das neue Programm für viele Öko-Landwirte attraktiv. Zwischen Bioland und Naturland tobt hinter den Kulissen längst ein Wettlauf um Landwirte, die Bio nach den hohen Qualitätsstandards der deutschen Verbände erzeugen wollen.
Die Autorin dieses Berichts moderiert am 9. November auf den VI. Ökomarketingtagen der Akademie Schloss Kirchberg das Fachpodium “Neue Biostrategien für Handel und Erzeuger”.
Die sogenannten versteckten Kosten der weltweiten Ernährungssysteme sind nach Angaben der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) extrem hoch. Diese “Hidden Costs”, die etwa durch ungesunde Ernährung und umweltschädliche Landwirtschaft entstehen, belaufen sich laut FAO auf rund zehn Billionen US-Dollar pro Jahr – rund zehn Prozent des globalen Bruttoinlandsproduktes. Dies geht aus dem Ernährungs- und Landwirtschaftsreport (Sofa) hervor, den die in Rom ansässige UN-Organisation am Montag veröffentlichte.
Der mit Abstand größte Teil dieser Kosten, mehr als 70 Prozent, wird dem Bericht zufolge durch ungesunde Ernährung verursacht. Problematisch sei der immer größer werdende Anteil von Fett und Zucker sowie von ultra-verarbeiteten Lebensmitteln bei der Ernährung vieler Menschen. Dies führe zu Fettleibigkeit und anderen Krankheiten, was nicht nur die Gesundheitssysteme belaste, sondern zudem Verluste bei der Arbeitsproduktivität verursache.
Ein weiterer Grund für die “wahren weltwirtschaftlichen Kosten” der derzeitigen Ernährungssysteme ist laut FAO umweltbedingt. Treibhausgasemissionen und Stickstoffeinträge sowie ein nicht nachhaltiger Wasserverbrauch tragen demnach dazu bei. Von diesen gesundheitlichen, ökologischen und sozialen Kosten sind vor allem Länder mit niedrigem Einkommen betroffen.
Um diese immensen Kosten zu verringern und die Kosten sauber zu quantifizieren, fordert die FAO von Politik und Wirtschaft unter anderem regelmäßige Analysen. Regierungen könnten etwa mithilfe von Steuern, Subventionen und Regulierung die derzeitigen Ernährungssysteme anpassen. So könne man die “wahren Kosten” von Lebensmitteln erkennen und umsteuern, um die Ernährungssysteme zukunftsfest zu machen. 2024 möchte die FAO konkretere Möglichkeiten aufzeigen, wie man die versteckten Kosten reduzieren kann. dpa
Die zweite Novelle des Düngegesetzes sorgt weiter für Diskussionen. Bei der Anhörung im Bundestagsausschuss für Ernährung und Landwirtschaft am Montag stießen insbesondere die Pläne zur Anpassung der Stoffstrombilanzverordnung mehrheitlich auf Ablehnung bei den von den Fraktionen benannten Sachverständigen.
Neben der Umsetzung der EU-Düngeprodukteverordnung, sieht der Entwurf des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Düngegesetzes die Ermächtigung zur Einrichtung eines Monitorings der Düngeverordnung und die Schaffung von Grundlagen zur Anpassung der Stoffstrombilanzverordnung vor. Die Stoffstrombilanz gilt seit 2023 für Betriebe ab 20 Hektar Nutzfläche. Sie zeigt den Saldo der Stickstoff-Zugänge etwa durch Dünger abzüglich der Abgaben in Form etwa von Getreide, Schlachttieren, Milch oder Gülle.
Robert Knöferl von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft empfahl während der Ausschussanhörung, die Stoffstrombilanz vollständig aus den Rechtsvorgaben herauszulösen und den dazugehörigen Paragrafen 11a aus dem Düngegesetz zu streichen. “Die Anwendung der Stoffstrombilanz auszuweiten und das Monitoringsystem zugleich neu einzuführen, bedeutet eine deutliche Steigerung des bürokratischen Aufwands für Landwirte, Berater und Vollzug”, so Knöferl in seiner Stellungnahme. In eine ähnliche Kerbe schlägt die Bewertung des Zentralverbandes Gartenbau. Dessen Vertreter Christian Ufen sieht in der Anpassung der Stoffstrombilanz eine “Belastung für Gemüsebaubetriebe” und lehnt diese deshalb ebenfalls ab.
Es handele sich bei der Stoffstrombilanz um einen “nationalen Alleingang und eine Verschärfung des EU-Rechts“, ließ Steffen Pingen vom Deutschen Bauernverband (DBV) in der Ausschussanhörung wissen. Zudem sei die Stoffstrombilanz auch aus fachlichen Gründen nicht das geeignete Instrument, die Effizienz und Effektivität der Düngung auf der Fläche zu verbessern, heißt es in der Stellungnahme des DBV.
Der Bundesverband Energie- und Wasserwirtschaft hält die Ausgestaltung der Stoffstrombilanzierung hingegen für notwendig. Es brauche ein belastbares und langfristig planbares Maßnahmenpaket, das von der EU-Kommission akzeptiert werde, erklärte dessen Vertreter Martin Weyand bei der Anhörung. “Wenn wir das nicht vornehmen, besteht die Gefahr, dass die EU-Kommission weitere Vorgaben machen wird”, so Weyand weiter.
Positiv sieht auch das Thünen-Institut die Änderungsvorschläge. Sie schafften die Möglichkeit, den Berichterstattungspflichten der EU-Kommission besser nachzukommen, sagte Thünen-Insitut-Vertreter Maximilian Zinnbauer. Gleichzeitig gab er zu bedenken, dass die Möglichkeiten der Digitalisierung bei der Umsetzung der Stoffstrombilanz ausgeschöpft werden müssten.
Der Agrar- und Umweltausschuss des Bundesrats hatte zuletzt mit seinem Vorschlag, die Stoffstrombilanz zu streichen, die Kritik einiger Verbände auf sich gezogen. Der Antrag hatte jedoch keine Mehrheit im Bundesrat gefunden. Damit konnte das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) seine Arbeit an einer Änderung der Verordnung fortsetzen.
Die fertige Verordnung will das BMEL nun vorlegen, sobald das Düngegesetz – das dazu die Ermächtigung enthalten wird – verabschiedet wurde. Geht es nach dem BMEL, soll die Novelle des Düngegesetzes Anfang 2024 in Kraft treten. heu
Über 30 Branchenverbände der Werbe- und Lebensmittelindustrie hatten in einem Brief an Bundesernährungsminister Cem Özdemir ihre Ablehnung gegen das geplante Kinder-Lebensmittel-Werbegesetz (KLWG) geäußert. Parallel dazu hatten sie Anzeigen in Tageszeitungen geschaltet, in denen sie Werbebeschränkungen als “unwirksam” bezeichneten. Die Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) veröffentlichte daraufhin einen Faktencheck, der die zentralen Argumente der Branchenverbände widerlegt.
Laut dem Faktencheck der DANK würde das KLWG, basierend auf dessen zweitem Entwurf von Ende Juni, nur 40 bis 50 Prozent der verfügbaren Lebensmittel in Deutschland erfassen, im Gegensatz zu den von den Branchenverbänden behaupteten 70 Prozent. Die Industrie orientiere sich bei ihren Berechnungen nach wie vor in Gänze am Nährwertmodell der WHO. Das WHO-Modell liege dem aktuellen Referentenentwurf zwar zugrunde, aber für einige Produktkategorien sehe der BMEL-Entwurf mittlerweile abweichende, weniger strenge Grenzwerte vor, erläutert DANK gegenüber Table.Media. Der DANK-Faktencheck beziehe sich auf Daten einer Studie der Ludwig-Maximilians-Universität München, deren Kalkulation auf den tatsächlichen Grenzwerten des Referentenentwurfs basiert.
Spitzenverbände behaupten, ein Werbeverbot sei “unwirksam” bei der Bekämpfung von kindlichem Übergewicht. Dafür gäbe es jedoch derzeit keine Nachweise, so DANK. Reichlich belegt sei jedoch, dass Werbung die Vorlieben und das Kaufverhalten von Kindern beeinflusse. Dies haben WHO und das Kinderhilfswerk der UN im vergangenen Jahr anerkannt und eine Forderung nach Werberegulierung gestellt.
Weiterhin widerlegt der Faktencheck die Annahme der Industrie, die Medien- und Werbewirtschaft werde durch das KLWG Schaden nehmen. Die prognostizierten Einnahmeeinbußen von etwa drei Milliarden Euro würden auf falschen Berechnungsgrundlagen beruhen, insbesondere auf einem veralteten Gutachten des Markenverbands. DANK benennt zudem methodische Fehler. Die Kalkulation schließe mögliche Ausweichreaktionen der Lebensmittelindustrie nicht mit ein, wie etwa ein Umlenken der TV-Spots oder die Bewerbung eines gesünderen Produkts. Im Faktencheck wird nicht abgestritten, dass es dennoch zu möglichen Einbußen kommen kann. Fachleute betonen jedoch die Priorität des Gesundheitsschutzes für Kinder und kritisieren die Vernachlässigung dieser Priorität aus rein wirtschaftlichen Interessen.
Bundesernährungsminister Özdemir hatte Ende Februar Schutzmaßnahmen für Kinder in der Lebensmittelwerbung vorgestellt, die von zahlreichen Organisationen unterstützt werden. Innerhalb der Ampelkoalition ist das Thema umstritten, die FDP blockiert derzeit das parlamentarische Verfahren. Trotz Abschwächungen des Entwurfs ist keine Einigung in Sicht, während die Branchenverbände weiter gegen das Vorhaben aussprechen. kih
Die Inflation betrifft auch die Lebensmittelbranche. Ein Kurzbericht des Instituts der Deutschen Wirtschaft zeigt jedoch, dass Bio-Lebensmittel eine gewisse Preisstabilität im Vergleich zu herkömmlichen Produkten aufweisen. Dies ist auf regionale Wertschöpfungsketten und ressourcenschonende Kreislaufsysteme im Ökolandbau zurückzuführen.
Während die Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln während der Corona-Pandemie gestiegen war, ist diese im letzten Jahr leicht zurückgegangen. Deutsche Haushalte gaben im Jahr 2022 rund 15,3 Milliarden Euro für Bio-Lebensmittel aus. Im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 waren das 25 Prozent mehr, im Vergleich zum letzten Jahr jedoch vier Prozent weniger. Der Lebensmitteleinzelhandel steigerte seine Bio-Umsätze im vergangenen Jahr um drei Prozent und trägt damit inzwischen zu zwei Dritteln des Gesamt-Bio-Umsatzes bei. Dennoch sind Bio-Lebensmittel immer noch eine Nische, da sie nur sieben Prozent des gesamten Lebensmittelmarktes ausmachen.
Trotz steigender Inflationsraten zeigen Umfragen, dass die Mehrheit der Verbraucher höhere Preise für nachhaltige Produkte akzeptiert. Bio-Lebensmittel sind zwar teurer, aber im Vergleich preisstabiler und haben sich insgesamt weniger verteuert als konventionelle Alternativen. Als Grund für diesen Trend gibt der Bericht an, dass der auf Kreislaufwirtschaft basierende ökologische Landbau durch seine Regionalität unabhängiger von Krisen ist. Regionale Wertschöpfungsketten sorgen für kürzere Transportwege und stabilere Preise, zudem schonen sie das Klima.
Die Bundesregierung plant, 30 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche bis 2030 auf ökologischen Landbau umzustellen. Dies erfordert jedoch eine deutliche Zunahme von Bio-Landwirtschaftsbetrieben. Obwohl deren Zahl wächst, machen sie aktuell nur elf Prozent der Agrarfläche aus. kih
Ende November verleiht die Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis (DNP) zum 16. Mal ihre Auszeichnungen. Vorab hat sie jetzt bereits bekannt gegeben, wen sie als Vorreiter der Transformation sieht: Es sind 100 Mittelständler, Start-ups, öffentliche Einrichtungen, Vereine und Konzerne aus 100 verschiedenen Branchen. Zu den genannten gehören etwa Frosta AG (Branche: Fleisch-, Fisch- und Proteinverarbeitung), AOK Baden-Württemberg (Krankenversicherungen), Viva con Aqua Wasser GmbH (Getränkeindustrie), Acker e.V. (Aus- und Weiterbildung), MAN Energy Solutions SE (Motoren und Turbinen), OBI GmbH & Deutschland KG (Baumärkte) und Siemens AG (Elektrotechnik und Elektronik).
Anders als in vorigen Jahren müsse es inzwischen darum gehen, zu zeigen, wo überall in der Breite der Gesellschaft die Transformation vorangehe, erklärte der DNP. Deshalb habe man sich dazu entschlossen, nicht nur einzelne Pioniere herauszuheben, sondern weitere Vorbilder zu suchen, die bei bestimmten Fragestellungen in ihren Branchen beispielhaft seien. Gestützt wurde die Recherche dieses Mal von einer Künstlichen Intelligenz, die öffentlich zugängliche Daten wie Nachhaltigkeitsberichte und renommierte Ratings berücksichtigte. Anschließend wurden 100 Jurys aus jeweils etwa vier Expertinnen und Experten gebildet, die ihre Auswahl anhand der Datengrundlage trafen.
Zusätzlich prämiert werden noch fünf Sieger zu den fünf übergreifenden Transformationsfeldern “Klima”, “Ressourcen”, “Natur”, “Wertschöpfungsketten” und “Gesellschaft”. Diese Gewinner werden bei der Verleihung in Düsseldorf am 23. und 24. November bekannt gegeben. Einen Überblick über die 100 Vorreiter erhält man auf dieser Seite. maw
07.11. – 08:00 – 17:15 Uhr / Hilton Frankfurt City Centre
Seminar Smart Proteins Summit
Beim Smart Proteins Summit treffen sich Unternehmer:innen, Produktentwickler:innen und Fach- und Führungskräfte aus Industrie, Food-Handwerk, Handel, Wissenschaft und Gastronomie, die sich mit alternativen Proteinen beschäftigen und Orientierung in diesem schnell wachsenden Markt suchen. INFOS & ANMELDUNG
07.11.2023 – 9.11.2023 / Berlin
Vortrag Landleben x digital – Smart Country Convention
Fachleute stellen ihre Projekte dem Publikum vor, unter anderem zu Digitalisierung im Lebensmittelvertrieb, der ländlichen Gesundheitsversorgung oder auch Mobilität INFOS
08.11. – 11:45 Uhr / Bundeskanzleramt
Pressestatement von Bundesminister Özdemir Entwurf eines Agrarpolitischen Berichts der Bundesregierung 2023
Vorstellung des “Agrarpolitischen Berichts der Bundesregierung 2023″ direkt im Anschluss an die Kabinettssitzung. Der Bericht zeigt anhand von Daten und Fakten, wie sich die deutsche Landwirtschaft entwickelt hat. Bundesminister Özdemir nimmt eine politische Einordnung vor. Anmeldung
09.11.2023 – 14.00 – 18.30 Uhr / online BMEL
Vortrag 2. FOREST EUROPE High-Level-Politikdialog
Erfahren Sie, wie nachhaltige Waldbewirtschaftung (SFM) die Resilienz unserer Wälder stärken kann, wenn hochrangige Politikerinnen und Politiker, wie Bundesminister Özdemir, mit herausragenden Expertinnen und Experten aus verschiedenen Teilen Europas über die Bedeutung von SFM in Zeiten der Klima- und Biodiversitätskrise diskutieren. INFOS
09.11.2023 – 19.00- 21.00 Uhr / Landesvertretung des Saarlandes in Berlin
Diskussion Ertrag oder Artenvielfalt? So schaffen wir beides!
Die Landwirtschaft soll hohe Erträge ernten und gleichzeitig die Artenvielfalt fördern – das fordert die Gesellschaft. Doch wie geht das zusammen? Was erwarten Praktiker und Politiker voneinander? Wo fehlt es an Verständnis, wo an Fachtiefe? Und welche Lösungsansätze halten beiden Blickrichtungen stand? INFOS
09.11. – 20.40 Uhr / Deutscher Bundestag
Plenardebatte Plenardebatte über Pflanzenschutzmittel im Weinbau
Abstimmung über den Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel “Den Fortbestand des deutschen Weinbaus schützen – Pflanzenschutzmittelreduktion und Weinbau in Deutschland zukunftssicher vereinbaren” INFOS
08.11. – 10.11. / Rehburg-Loccum
Tagung Agroforst. Wozu und wie Äcker und Bäume kombinieren?
Agroforstsysteme haben Schutz- und Nutzfunktion; sie bieten langfristig eine Verbesserung der Wasser- und Nährstoffversorgung, Boden-, Klima und Grundwasserschutz. Systemoptionen, Planung, Beratung, bürokratische und andere Hürden, Nutzungsoptionen, Förderungen und konkrete Forderungen für die Umsetzung stehen im Fokus der Tagung. INFOS
11.11.2023, Hannover
Diskussionsforum Wirtschaftsforum der agrarzeitung
Bei dem Wirtschaftsforum der agrarzeitung trifft sich ein ausgewählter Kreis von Vertreterinnen und Vertretern von Landtechnik- und Handelsunternehmen der Agrarwirtschaft, führenden Herstellern von Betriebsmitteln, sowie innovativen Agrifood-Start-Ups zum jährlichen Austausch. INFOS
20.11.2023 – 21.11.2023 / Luxemburg
Rat der EU: Landwirtschaft und Fischerei Vorläufige Tagesordnung
04.12.2023 – 10:00-14:00 Uhr, Berlin
BMEL Festveranstaltung zum Boden des Jahres 2024
Am 5. Dezember 2023 wird im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in Berlin der “Boden des Jahres 2024” gekürt. Die Festveranstaltung findet im Rahmen des Internationalen Weltbodentags statt, der die Bedeutung des Bodens und seine Schutzwürdigkeit besonders hervorheben soll. INFOS
Welche Weichen sollte die europäische und deutsche Agrar- und Ernährungspolitik stellen?
Ich freue mich, dass die Bedeutung unserer Branche auch auf der politischen Ebene angekommen ist: Essen ist politisch. Wir brauchen eine Rahmengesetzgebung, die die viel beschworene Transformation der Agrar- und Ernährungsbranche unterstützt, ehrgeizige Ziele setzt, aber auch genügend Freiraum für Innovation und Selbstbestimmung lässt. Ich bin stolz darauf, dass wir uns als REWE Group mit Mut und Innovationskraft für mehr Nachhaltigkeit in unseren Lieferketten einsetzen. Und es überrascht wahrscheinlich niemanden, dass ich bei der Umsetzung kein allzu großer Fan von weitreichenden Einschränkungen und bürokratischen Regularien bin – sondern mich ausdrücklich für positive Anreize und transparente Lösungen innerhalb der Branche einsetze.
Für wie wichtig halten Sie Bio?
Der Öko-Landbau ist eine der wichtigsten Säulen für eine zukunftsfähige, nachhaltige Landwirtschaft. Wir glauben an Bio in all seinen Ausprägungen – und dafür brauchen wir einen ambitionierten Ausbau des ökologischen Angebots für mehr Sichtbarkeit in der gesamten Wertschöpfungskette. Um die anspruchsvollen Bio-Flächenziele der Bundesregierung zu erreichen, darf Bio kein Statussymbol sein: Wir brauchen Angebote für alle Zielgruppen und zusätzliche Unterstützung für interessierte Landwirtinnen und Landwirte, auch schon in der wirtschaftlich schwierigen Transformationsphase. Hier setzen wir bei REWE und PENNY bereits mit konkreten Projekten an und geben ihnen die Möglichkeit, ihre Umstellungsware mit entsprechenden Mehrerlösen zu vermarkten.
Auf welche Regulierungen für den Agrifood-Sektor hätten Sie gerne verzichtet?
Hauptaufgabe der Politik sollte es meiner Meinung nach sein, einen Ausgleich zu schaffen zwischen Regulierungen und dem Freiraum, den die privatwirtschaftlichen Akteure brauchen, um erfolgreich handeln zu können und Testpiloten zu fahren. Als Negativbeispiel, bei dem eine politische Regulierung über das Ziel hinausgeschossen ist, wäre beispielsweise die nationale Umsetzung der UTP-Regulierung gegen sogenannte “unfaire Handelspraktiken” zu nennen. Dieses sollte ursprünglich kleinere Marktteilnehmer schützen und stärken. In der aktuellen Gesetzgebung fallen allerdings vor allem große Industrievertreter in den Schutzbereich, während sich die Lage der Landwirtinnen und Landwirte durch die Gesetzgebung nicht verbessert hat. Wir hoffen, dass die Politik die anstehende Evaluierung zum Anlass nimmt, das Ungleichgewicht aufzuheben.
Hans-Jürgen Moog (55) wechselte 2016 als Geschäftsleitung Ware für das REWE Vollsortiment zur REWE Group. 2019 wurde er zum Bereichsvorstand Handel Deutschland für das REWE Vollsortiment, Eigenmarken-Einkauf, Produktion Wilhelm-Brandenburg berufen und übernahm im Folgejahr als Bereichsvorstand die Verantwortung für das Warengeschäft bei PENNY, Nonfood, Obst & Gemüse, Produktion Glockenbrot und die Qualitätssicherung. Seit dem 1. Januar 2023 verantwortet er als Konzernvorstand gruppenübergreifend das Ressort Einkauf und Ware als Chief Procurement Officer.