der Countdown läuft: Am Freitag stimmen die EU-Mitgliedstaaten im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel (SCoPAFF) über den Vorschlag der EU-Kommission für eine erneute Zulassung des umstrittenen Herbizids Glyphosat ab. Befürworter und Gegner einer erneuten Zulassung sind alarmiert und werben in dieser Woche in eigener Sache für ihre Position.
Heute Vormittag informiert die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch über den “Pestizid-Einsatz bei Brot, Haferflocken und Co.”. Im Vorfeld teilen die Verbraucherschützer mit, dass der “massive Einsatz von Ackergiften im Getreideanbau – und seine fatalen Folgen für Umwelt, Klima und Biodiversität” bisher kaum Beachtung finde – im Gegensatz zu Rückständen bei Obst und Gemüse. Mithilfe der Ergebnisse will Foodwatch nach eigenen Angaben “Nachhaltigkeitsversprechen von Supermarkt-Ketten wie Edeka oder Aldi entlarven”.
Einen Tag später – am Mittwoch – wird die Geschäftsführerin von Bayer Crop Science Deutschland, Karin Guendel Gonzalez, eine Petition mit der Forderung “Glyphosat: Kein Verbot ohne Alternative” vor dem Deutschen Bundestag an ausgewählte Abgeordnete überreichen. Dafür habe das Unternehmen rund 17.000 Unterschriften gesammelt, deren Unterzeichnende eine erneute Zulassung von Glyphosat unterstützen.
Es bleibt spannend!
Im Kiewer Büro von Alex Lissitsa hängt ein Bild von einem Schneidebrett und einem Messer, im Bild ist ein Text: “Wenn man viel teilt, bleibt nichts zum Regieren übrig.” Es kann eine Anspielung auf den Krieg zwischen Russland und der Ukraine sein, immerhin hatten russische Truppen gut 20 Prozent des ukrainischen Territoriums zwischenzeitlich besetzt. Die Botschaft des Bildes passt in jedem Fall aber zum Denken und Handeln des Geschäftsführers des ukrainischen Agrarunternehmens IMC Agro.
Mit 120.000 Hektar Anbaufläche ist es der zehntgrößte Agrarbetrieb des Landes. Die Invasion der russischen Armee im Februar 2022 traf den Konzern sofort. “100.000 Hektar waren besetzt, inklusive 1000 Milchkühe und einigen Silos”, berichtet Lissitsa. 44 Tage lang kontrollierten die Besatzer diese Fläche im Norden und Osten der Ukraine und hinterließen gewaltige Probleme.
Eineinhalb Jahre später gelten 35.000 Hektar als “war affected” – das Gebiet war vermint oder von Geschossen so versehrt, dass es vorübergehend nicht genutzt werden konnte. Ein Silo in Tschernihiw war von Raketen durchlöchert, die Kühe wurden lange nicht versorgt, mussten schließlich notgeschlachtet werden. 5.000 Hektar können weiterhin nicht genutzt werden, weil sie vermint sind. Zweimal bereits sind Traktorfahrer unerlaubterweise auf nicht geräumte Flächen gefahren, Minen explodierten, die Traktoren wurden beschädigt, die Fahrer des Unternehmens überlebten. Doch in anderen Fällen, wie Reuters erst Mitte September meldete, töten Minen auf den Feldern die Bauern.
Nach neuen Schätzungen der Wirtschaftsministerin Julia Swiridenko gelten 174.000 Quadratkilometer als von Kriegsmitteln potenziell belastete Fläche. Im Norden, Osten und Süden der Ukraine sind viele Landwirte mit den gleichen Problemen konfrontiert:
Rund 32,8 Millionen Hektar Land in der Ukraine sind als Agrarfläche ausgewiesen – gut fünf Millionen Hektar, mehr als 15 Prozent, können aktuell als Kriegsfolge nicht genutzt werden. Je länger der Krieg dauert, je mehr Minen verlegt werden und explodieren, je mehr Artilleriegeschosse verschossen werden, desto mehr Agrarland wird geschädigt, heißt es in der GLOBSEC-Studie über Verminung in der Ukraine “Walking on Fire: Demining in Ukraine”.
“Keiner kümmert sich momentan um die Böden, jetzt geht es erstmal darum, zu überleben. Dass es Schäden gibt, ist ja keine Frage”, sagt der Unternehmer Lissitsa. Laut einer Untersuchung der ukrainischen Umweltschutzorganisation Ecoaction schädigen die Kämpfe in mehrfacher Weise die fruchtbare Erde: Veränderung der Böden durch Explosionen, Schützengräben, eingegrabener, schwerer Technik, Belastung durch Hitze und Erschütterungen sowie durch Schwermetalle und chemische Wirkungen nach Explosionen.
Besonders Minen und Artilleriegeschosse aus sowjetischer Produktion (für Haubitzen D-20 und D-30) setzten Schwermetalle frei, die sich im Humus ablagerten. Beispielhaft hat die NGO Ecoaction in zwei Regionen im Osten und im Süden genauere Bodenanalysen vorgenommen und kommt zu dem Schluss, dass ein Teil der Agrarböden zu schwer belastet ist, er müsse als landwirtschaftliche Flächen aufgegeben werden, erläutert Mariia Diachuk auf Anfrage. Konkretere Angaben seien derzeit schwierig. “Zuerst müssen die Fläche von Minen geräumt werden, dann müssten komplexe Bodenuntersuchungen erfolgen.”
Das Unternehmen IMC Agro habe nach 44 Tagen Besatzung acht Monate gebraucht, um die meiste Fläche von Minen und Kriegsüberresten zu reinigen, berichtete Lissitsa. Staatliche Minenräumer und private Minenräumunternehmen – eine neue Branche im Land – hätten geholfen. “Aber Bodenanalysen haben wir noch nicht gemacht”, sagt er.
Aus Mangel an Minenräumern nehmen manche Landwirte das Problem selbst in die Hand. Sie rüsten Traktoren zu selbstfahrenden Fahrzeugen um, schalten schwere Walzen vor und fahren die Felder ab. Sie finden Minen, müssen nach den Explosionen häufig die Walzen reparieren oder ganz tauschen. Ein großes Problem sei aber, dass die genaue Zahl der Minen, und wo sie auf den Feldern verlegt seien, nicht bekannt sei, berichtet ein Farmer aus der Region Charkiw dem ukrainischen Portal dumka.media.
Obwohl viele Landwirte wegen des Krieges ihre Flächen nicht bewirtschaften können, melden staatliche Stellen eine sehr gute Ernte in diesem Jahr. Das bestätigt auch Lissitsa: “Wer hätte es ahnen können, dass wir mit weniger Düngemittel und weniger Pflanzenschutzmittel eine so gute Ernte haben werden. Das Wetter hat gut mitgespielt”, erläutert er. Aber das gelte auch für Russland. “Die fluten gerade den Weltmarkt mit ihrem Weizen, das drückt den Preis.”
Russland behindert zusätzlich den Export ukrainischer Produkte. “Wir haben im Odessa-Hafen Weizen und Mais im Wert von zehn Millionen Euro liegen. Aber nach sechs Monaten ist die Qualität inzwischen so, dass es nur noch für Futter reicht”, sagt Lissitsa. Nach dem Ausstieg Moskaus aus dem Getreideabkommen im Juli können der Weizen und der Mais nicht mehr exportiert werden. Zusätzlich beschießt Russland sowohl die Speicher im Odessa-Hafen als auch die Hafen-Anlage an der Donau in Ismajil, direkt an der rumänischen Grenze.
Auf die großen Probleme reagiert IMC Agro mit großen Investitionen: “Wir haben gerade 75 MAN-Lastwagen bestellt und dafür einen Kredit von der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung erhalten”, sagt Lissitsa. Früher hätten sie den Abtransport von Dienstleistern abwickeln lassen, doch die Preise für Logistik seien jetzt zu hoch. Also selbst machen.
Und bei den Lastwagen hören die Pläne nicht auf. Alex Lissitsa, der in Deutschland studiert hat, will die Standards im IMC Agro heben. Langfristig solle sich die Landwirtschaft in der Ukraine an den Normen der EU orientieren, sagt er.
Die Bundesregierung will Biomasse aus der Forst-, Land- und Abfallwirtschaft künftig nachhaltiger einsetzen. Wie genau, das soll die im Koalitionsvertrag angekündigte Nationale Biomassestrategie (NABIS) klären. Doch die lässt auf sich warten. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) will das Papier zwar demnächst gemeinsam mit dem Bundesministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (BMUV) sowie dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) vorlegen, liegt damit jedoch schon jetzt deutlich hinter dem Zeitplan.
Dass das Bundeskabinett die NABIS – wie angedacht – noch in diesem Jahr verabschieden wird, hält selbst BMWK-Vertreter Martin Waldhausen für “sehr sportlich”. Beim Fachforum zur Nationalen Biomassestrategie, zu dem das Hauptstadtbüro Bioenergie am gestrigen Montag Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft geladen hatte, verwies er auf die anhaltenden Abstimmungen zwischen den drei Grün-geführten Ministerien: “Die Interessenlagen in den drei Häusern sind schon unterschiedlich”, sagte Waldhausen, der im BWMK das Referat Klimaschutz, Land- und Forstwirtschaft und Biomasse leitet. In Expertenkreisen gelten Unstimmigkeiten zwischen den Ministerien als Grund für die sich immer weiter verzögernde Veröffentlichung der NABIS.
Die hohen Erwartungen der Branche an die NABIS bremste Waldhausen bei der Veranstaltung vorsichtig aus. “Wir werden mit der NABIS nicht den Schalter umlegen, sondern einen Prozess anstoßen”, so der Vertreter aus dem BMWK. Aber: Es seien schon konkrete Maßnahmen vorgesehen, die Rahmenbedingungen verändern könnten.
In welche Richtung diese Veränderungen gehen könnten, zeigt ein Eckpunktepapier der drei Ministerien aus dem vergangenen Jahr. Darin wird die Nutzung von Biomasse aus Abfallstoffen forciert und die Verwendung von Mais oder Raps für den Nahrungsmittelgebrauch gegenüber der Energieerzeugung priorisiert. Die NABIS soll Wege aufzeigen, wie Biomasse mittel- und langfristig genutzt werden kann – mit anderen Worten, Weichen stellen. Allein dadurch birgt die Strategie, auch ohne selbst gesetzlich bindende Vorgaben zu machen, schon im Vorfeld politischen Sprengstoff.
Während die Ministerien die Strategie noch verhandeln, laufen Verbände aus dem Bereich der Bioenergie sowie der Land- und Forstwirtschaft bereits Sturm. Schon das Eckpunktepapier aus dem vergangenen Herbst hält Gerolf Bücheler, Geschäftsführer des Bundesverbands Bioenergie (BBE), für “relativ biomassekritisch”. Es verkenne ihm zufolge, dass es bereits zahlreiche ordnungsrechtliche Vorgaben für die Nachhaltigkeit der Biomasseerzeugung in Deutschland gebe, und dass mit der dritten Novelle der EU-Richtlinie für erneuerbare Energien (RED III) auch noch eine Verschärfung der Nachhaltigkeitszertifizierung ins Haus stünde. Zusätzliche detaillierte rechtliche Regelungen brauche es nicht, so Bücheler.
Um dieser Position noch vor Veröffentlichung der Strategie Nachdruck zu verleihen, hat der Bundesverband Bioenergie die Land- und Forstwirte in Deutschland dazu aufgerufen, einen Appell zur Biomassestrategie zu unterzeichnen. Zu den Initiatoren gehören neben Bücheler und seinem Verband die Familienbetriebe Land und Forst, der Deutsche Bauernverband, die AGDW – Die Waldeigentümer, der Fachverband Biogas sowie das Aktionsbündnis Forum Natur. Die neue Strategie dürfe die energetische Biomassenutzung nicht einschränken, appelliert das Verbändebündnis im Petitionstext an die Bundesregierung. Weiter heißt es dort: “Biomasse trägt bereits heute entscheidend zu Klimaschutz, Energieunabhängigkeit und Versorgungssicherheit durch flexible und speicherbare erneuerbare Energie bei.”
Die Deutsche Umwelthilfe sieht das anders. “Wer angesichts der aktuell weltweit wütenden Waldbrände, Hochwassern und Co. dafür plädiert, unsere wertvollen und fragilen Ökosysteme und Ressourcen weiter für die Biomassenutzung auszubeuten, verkennt die Lage”, sagt der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe Sascha Müller-Kraenner. Für ihn ist die NABIS “ein längst überfälliger Schritt.” Bestehende Fehlanreize zur energetischen Nutzung wie die Förderung von Agrosprit müssten schnellstmöglich beendet werden, fordert Müller-Kraenner. Bioenergie dürfe nur dann verwendet werden, wenn sie aus naturverträglichen Substraten und unvermeidbaren Reststoffen und Abfällen bestehe.
Bislang wird Bioenergie in Deutschland vor allem in drei Formen genutzt:
Die Energiedebatte rund um den Ukrainekrieg, die Anforderungen der Klimaneutralität und das Auslaufen der Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) führen aktuell dazu, dass sich die Landschaft der Bioenergie verändert.
Polen hat das Einfuhrverbot für ukrainische Agrarprodukte aufgeweicht. Am Mittwoch unterzeichnete das Land ein Abkommen mit der Ukraine und Litauen, das den Transit von ukrainischem Weizen, Raps, Mais und Sonnenblumen durch das polnische Territorium zu den litauischen Häfen an der Ostsee erlaubt. Von dort soll das Getreide weiter zu den Märkten in Afrika und im Nahen Osten transportiert werden.
Polen verzichtet dabei auf Kontrollen an der polnisch-ukrainischen Grenze, erwartet aber von Vilnius eine Inspektion der Transporte bei der Ankunft in Litauen. Diese soll bestätigen, dass kein ukrainisches Getreide in Polen geblieben ist.
Seit einem Jahr behauptet Warschau, dass die Öffnung der Grenze und die Abschaffung der Einfuhrzölle für ukrainische Agrarprodukte die polnischen Bauern in den Ruin treibe. Auf Betreiben Polens und der Slowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien hat die EU im Frühjahr einen Einfuhrstopp für ukrainisches Getreide verhängt, den Brüssel am 15. September auslaufen ließ. Warschau kam dem zuvor und verlängerte eigenmächtig das Embargo – und verstieß damit gegen EU-Recht. Für Agrarpolitik der Mitgliedsstaaten ist Brüssel zuständig.
Die Entscheidung sorgte für auch Verstimmung in Kiew: Präsident Wolodymyr Selenskyj beschuldigte die polnische Regierung, mit ihrer Politik Russland zu unterstützen und verklagte das Land vor der Welthandelsorganisation. Darauf drohte Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki, weitere Waffenlieferungen aus Polen an die Ukraine zu stoppen. Die Verlängerung des Embargos und die harsche Reaktion auf die “ukrainische Undankbarkeit” hat einen Grund: In Polen herrscht Wahlkampf, am 15. Oktober wird das Parlament gewählt. Die Regierungspartei PiS kämpft um die Stimmen der Bauern, ohne die sie kaum Siegeschancen hat.
Das am Mittwoch unterzeichnete Abkommen zeigt, dass mit einem Hauch von gutem Willen das Problem zu lösen sein könnte. Schon kurz nach dem Krieg begannen die EU-Staaten “Solidaritätskorridore” einzurichten, durch die sämtliche ukrainische Agrarprodukte im Transit zu den Exporthäfen in Litauen, Polen, Deutschland und Rumänien rollen sollten. “Wir wollten der Ukraine damit die Ausfuhren ermöglichen und nicht entscheiden, wer der Endabnehmer sein wird”, sagt Eric Maier, Sprecher der EU-Kommission. Das nutzten gewiefte Zwischenhändler in Polen aus: Sie kauften das ukrainische Getreide auf dem Weg zum Hafen auf – und verkauften es mit Gewinn in Polen weiter.
Die Schäden, die den polnischen Bauern entstanden sind, halten sich in Grenzen. Denn die Kapazität aller Transitkorridore, die aus der Ukraine durch Polen Richtung Westen führen, beträgt maximal 1,5 Millionen Tonnen im Monat. Nicht genug, um die von Russland blockierten Schwarzmeer-Häfen zu ersetzen. ar
Das Europäische Parlament hat am vergangenen Donnerstag der Ernennung Wopke Hoekstras zum neuen EU-Klimakommissar offiziell zugestimmt. Am Donnerstag erhielt der ehemalige niederländische Außenminister bei der Abstimmung im Parlament eine große Mehrheit – 279 Ja-Stimmen gegen 173 Nein-Stimmen und 33 Enthaltungen.
Auch Maroš Šefčovič wurde vom Parlament als designierter Green-Deal-Kommissar gebilligt. Er erhielt 322 Ja-Stimmen gegen 158 Nein-Stimmen und 37 Enthaltungen, ebenfalls in geheimer Abstimmung.
Vor der Abstimmung hatte es Kritik an Hoekstra wegen dessen früheren Tätigkeiten, unter anderem für den Ölkonzern Shell, gegeben. Nach einem positiven Votum am Mittwoch im Umweltausschuss war aber erwartet worden, dass Hoekstra im EP bestätigt wird. Die EU-Länder haben der Ernennung am gestrigen Montag in Brüssel zugestimmt. rtr/lei
In der ersten Trilogsitzung zum Renaturierungsgesetz nach der Sommerpause haben Parlament und Rat der Kommission den Auftrag gegeben, Vorschläge für mögliche Kompromisse auszuarbeiten. Das gilt insbesondere für die strittigen Themen wie die Wiedervernässung von Mooren, das Verschlechterungsverbot, die Ausweitung des Geltungsbereiches und die Finanzierung von Wiederherstellungsmaßnahmen. Bei sogenannten technischen Sitzungen, die in enger Taktfolge für die kommenden Wochen angesetzt sind, soll anschließend ausgelotet werden, ob sie die Basis für eine Einigung zwischen den Co-Gesetzgebern sein können.
Die letzte Trilog-Runde ist für den 7. November angepeilt. Bei dieser Sitzung wollen sich beide Seiten in einer Open-End-Sitzung einigen. Die gestrige Sitzung im Trilog war auf drei Stunden angesetzt, aber schon nach zwei Stunden vorbei. Aus Verhandlungskreisen heißt es, dass keine Verhandlungen stattfanden. Die Beteiligten hätten lediglich ihre Positionen zu den Artikeln vorgetragen und die bereits in den bisherigen technischen Sitzungen getroffenen Einigungen bestätigt. mgr/luk
Unterhändler der Europäischen Union und des südamerikanischen Staatenbunds Mercosur wollen Tempo machen mit den Verhandlungen für das Freihandelsabkommen. Ein Diplomat sagte der Nachrichtenagentur Reuters, man befinde sich “in einer intensiven Verhandlungsphase”. Aktuell werde versucht, die Stellungnahmen beider Seiten zusammenzuführen.
Zu den strittigen Punkten soll es nun wöchentliche Gesprächsrunden geben, per Videokonferenz und persönlich, sagte ein Sprecher des brasilianischen Außenministeriums. Am 30. Oktober sollen dann die Chefunterhändler in Brasilia zusammenkommen, um eine Bilanz der erzielten Fortschritte zu ziehen.
Die Europäische Union hatte seit März auf die Antwort des Mercosur auf ihr Zusatzprotokoll gewartet. Diese Zusatzerklärung sieht Verpflichtungen für die Länder in Bezug auf Nachhaltigkeit und Klimawandel vor. Inzwischen gebe es einen einseitigen Gegenvorschlag, der die Grundlage für die Gespräche in dieser Woche in Brasilia bilde, erklärten zwei europäische Diplomaten gegenüber Reuters. Aktuell besteht die Hoffnung, das Abkommen noch bis Ende des Jahres abzuschließen.
Brasilien, das dem Mercosur derzeit vorsteht, ist mit den von der EU in einer Zusatzerklärung eingefügten Umweltschutzbestimmungen nicht einverstanden. “Das Addendum ist voller Auflagen, aber kein Wort über die Kosten für den Erhalt dieses Umweltgutes“, sagte Landwirtschaftsminister Carlos Fávaro gegenüber Reuters. Er sagte, die EU sei ein wichtiger Markt für Brasilien, warnte aber, dass sich in Asien und im Nahen Osten andere Märkte öffneten, die weniger restriktiv seien. rtr/lei
In der EU gelten künftig neue Grenzwerte für Nitrite und Nitrate in Lebensmitteln. Die neuen, deutlich reduzierten Grenzwerte für Zusatzstoffe senken die Belastung durch krebserregende Stoffe, wie die EU-Kommission am Freitag in Brüssel mitteilte. Verbraucher würden auch vor bestimmten Bakterien geschützt. Allgemeinen senkten die neuen Vorschriften die Höchstwerte für Nitrite um etwa 20 Prozent. Die Lebensmittelindustrie habe zwei Jahre Zeit, ihre Produkte den neuen Grenzwerten anzupassen.
Dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) zufolge sind Nitrate selbst zwar relativ unbedenklich. “Nitrate können aber bereits im Lebensmittel oder während der Verdauung durch Einwirkung von Bakterien in Nitrit umgewandelt werden, dem eigentlich gesundheitlich problematischen Stoff”, heißt es auf der Internetseite des BfR. Die Grenzwerte gelten Kommissionsangaben zufolge etwa für Lebensmittel wie Käseprodukte oder gepökeltes Fleisch. Laut BfR ist Nitrit Bestandteil von Pökelsalz. dpa
Weltweit haben mehr als zwei Milliarden Menschen nicht genug Geld, um sich gesund zu ernähren. Das ist das Ergebnis einer Studie, die das Hilfswerk Misereor und Wissenschaftler der Universität Göttingen vergangene Woche in Berlin vorgestellt haben. Besonders betroffen sind Teile Afrikas und Asiens. Am schwierigsten ist die Lage in Madagaskar, wo die Menschen im Durchschnitt nur über ein Viertel des Einkommens verfügen, das sie für eine gesunde Ernährung benötigen.
“Gesunde Ernährung ist ein Menschenrecht, von dem weltweit zwei von fünf Menschen ausgeschlossen sind”, betont Lutz Depenbusch, Ernährungsexperte bei Misereor. Der Grund: Ihnen fehlt das Geld, um gutes Essen zu kaufen. In der Studie wird dieser Missstand als “Armutslücke gesunder Ernährung” bezeichnet. Sie beläuft sich für das Jahr 2021 weltweit auf insgesamt drei Billionen US-Dollar. Das entspreche zwar nur 2,2 Prozent des Welteinkommens, wirke sich aber auf 41 Prozent der Menschheit aus, so Depenbusch.
“Besonders groß ist die Armutslücke in den Weltregionen Subsahara Afrika und Südasien”, sagt Jonas Stehl, Entwicklungsökonom an der Universität Göttingen. Allein auf Subsahara Afrika entfielen 40 Prozent der globalen Armutslücke, auf Südasien 35 Prozent, so Stehl. Im Ländervergleich ist das Problem in Indien, Nigeria und Indonesien am größten. Die höchste Pro-Kopf-Belastung hat Madagaskar. “Ohne Unterstützung von anderen Staaten wird es Ländern wie Madagaskar kaum möglich sein, die Versorgung mit gesunder Ernährung für alle Menschen zu gewährleisten”, erklärt Stehl.
Aus Sicht von Misereor braucht es dafür eine gerechtere Verteilung der Einkommen. Bereits eine Reichensteuer in Höhe von 1,2 Prozent würde Steuereinnahmen im Umfang von 78 Prozent der Armutslücke generieren, so Depenbusch. Er nennt es deshalb ein moralisches Versagen, “wenn die Weltgemeinschaft den wachsenden Reichtum nicht stärker dafür einsetzt, das grundlegende Recht auf eine gesunde Ernährung aller Menschen zu sichern.” ch
11.10.2023 – 14:00-15:00 Uhr, online
Diskussionsveranstaltung Digital Talk: Ist Tierhaltung in Deutschland noch zeitgemäß?
Bei dem digital Talk diskutieren Philipp Burckhardt von Farm.Food.Climate, die Landwirtin Jana Gäbert, Dirk Höhler von Evonik und der Professor für Tierethik Peter Kunzmann über die Zukunft der Tierhaltung in Deutschland. INFOS
11.10.-12.10.2023, Berlin
Tagung DAF-Tagung 2023
Bei der diesjährigen Tagung vom Dachverband wissenschaftlicher Gesellschaften der Agrar-, Forst-, Ernährungs-, Veterinär und Umweltforschung (DAF) wird über die Rolle von Wäldern und Bäumen im Klimawandel sowie Lösungsmöglichkeiten für Politik und Stakeholder diskutiert. INFOS
13.10.2023 – 10:00-18:00 Uhr, Berlin/online
BMEL, Konferenz Charta für Holz 2.0 im Dialog
Bei der Konferenz diskutieren das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) gemeinsam mit Stakeholdern die im Juni 2023 im Bundeskabinett verabschiedete Holzbauinitiative. Geplant sind Impulse und Diskussionen sowie Workshops zu den Schwerpunkten der Initiative, deren Erkenntnisse in die weitere Umsetzung der Holzbauinitiative einfließen sollen. INFOS
12.10.-13.10.2023, Dresden/online
BMEL, Kongress Internationaler Kongress zur nachhaltigen Honigbienenhaltung
Im Zentrum des Kongresses steht die internationale Tragweite der Honigbienengesundheit. Die Veranstaltung soll zu einem verbesserten Austausch zwischen Imkerinnen und Imkern, Behörden und Wissenschaft beitragen. INFOS
12.10.-13.10.2023, Freising-Weihenstephan
Diskussionsveranstaltung AgriSymposium mit dem Schwerpunkt Alternative Proteinquellen
Bei dem agrarwissenschaftliche Symposium des Hans Eisenmann-Forums diskutieren Experten, Forscher und Fachleute aus dem Bereich der Agrarwissenschaften die neuesten Entwicklungen und Innovationen in der Lebensmittelproduktion. Der Schwerpunkt dieser Veranstaltung liegt auf alternativen Proteinen. INFOS
11.11.2023, Hannover
Diskussionsforum Wirtschaftsforum der agrarzeitung
Bei dem Wirtschaftsforum der agrarzeitung trifft sich ein ausgewählter Kreis von Vertreterinnen und Vertretern von Landtechnik- und Handelsunternehmen der Agrarwirtschaft, führenden Herstellern von Betriebsmitteln, sowie innovativen Agrifood-Start-Ups zum jährlichen Austausch. INFOS
04.12.2023 – 10:00-14:00 Uhr, Berlin
BMEL Festveranstaltung zum Boden des Jahres 2024
Am 5. Dezember 2023 wird im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in Berlin der “Boden des Jahres 2024” gekürt. Die Festveranstaltung findet im Rahmen des Internationalen Weltbodentags statt, der die Bedeutung des Bodens und seine Schutzwürdigkeit besonders hervorheben soll. INFOS
Mit seiner jüngsten Auslandsreise Richtung Westbalkan und dem EU-Beitrittskandidaten Moldau hat Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) Flagge gezeigt: Wirtschaftliche und politische Entwicklung gehen meistens Hand in Hand – Kooperation im Agrar- und Ernährungssektor über Landesgrenzen hinweg lohnt sich für uns alle.
Die Ministerreise fand – wieder einmal – in schwierigen Zeiten statt: Russland führt seit bald zwei Jahren Krieg gegen die Ukraine. Im Juli hat Russland, das mühevoll verhandelte und unter Vermittlung der Vereinten Nationen zustande gekommene Getreideabkommen nicht verlängert. Schwarzmeer-Schiffe, die ukrainisches Getreide aus ukrainischen Häfen in alle Welt transportieren wollen, betrachtet der russische Aggressor erneut als legitimes militärisches Ziel. In Folge steigen die Getreidepreise weltweit. Auch andere Partner lässt Russland im Stich: Rund 100.000 Flüchtlinge sind das Ergebnis des Kriegs um die Enklave Berg-Karabach im Südkaukasus.
Die wegen Russlands Krieg bitter notwendig gewordenen Landexportrouten für weltweit gehandelte ukrainische Agrarprodukte führen nun entsprechend durch die Europäische Union. Allerdings verhängen mehrere osteuropäische Mitgliedsstaaten, die direkt an die Ukraine grenzen, Importverbote, weil sie Einkommensverluste für die eigenen Bauern befürchten. Das eingespielte Miteinander von Produktion, Verarbeitung und Logistik steht also unter großem Druck – und all dies nach einer weltweiten Pandemie, deren Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft, inklusive Lebensmittellieferketten, noch nicht überwunden sind.
Warum also stattet Özdemir ausgerechnet dem entfernten, kleinen Moldau einen Besuch ab? Die kleine ehemalige Sowjetrepublik liegt unweit vor dem Schwarzen Meer und hat es geopolitisch ebenfalls nicht einfach. Trotzdem hat das Land zehntausende Flüchtlinge aus der Ukraine klaglos aufgenommen. Besonders ist Moldau aber vor allem wegen seines Zugangs zur Donau. Am südlichen Dreiländereck zwischen Rumänien und der Ukraine beschränkt sich der Donauzugang lediglich auf 450 Meter.
Umso größer ist die Bedeutung des kleinen und einzigen Donauhafens des Landes im Dorf Giurgiulești. Getreideexporte können hier trotz Russlands Krieg gegen die Ukraine abgewickelt werden. Am vergangenen Donnerstagabend traf sich Minister Özdemir dort mit seinem moldauischen Amtskollegen Vladimir Bolea. Die angespannte Situation in Giurgiulești war mit Händen zu greifen: Moldauische Getreide-LKWs stauen sich in der Spätsommerhitze tagelang in Richtung EU, ihnen kommen ukrainische Treibstoff-LKWs gen Odessa entgegen, Wachhunde kläffen an den zwei Grenzwachtürmen am Fluss und an den mannshohen Erdwällen, die die Ukraine zum eigenem Schutz aufgeschüttet hat.
Erst kurz vor dem Treffen erfuhr der moldauische Agrarminister Bolea, dass Rumänien die Grenze für moldauisches Getreide schließen will – ein echter Schlag ins Kontor von Bolea, der sein Land bis 2030 in die EU führen will und Rückschläge nicht gebrauchen kann.
Das Potenzial der Region für westliche Unternehmen ist beträchtlich: Nicht nur der begonnene EU-Beitrittsprozess erfordert neue Technologien und Audits, der Modernisierungsbedarf für Landtechnik ist groß, die Klimakrise erfordert auch in Moldau Stressresilienz im Pflanzenbau und Ressourcenschonung in der Tierhaltung. Die klimatischen Bedingungen sind für den Weinanbau ideal (Moldaus Winzereien sprechen für sich allein), im Süden finden sich jene extrem guten Podsol-Böden, für die die Ukraine weltberühmt ist.
Hier Einsatz zu zeigen für berechenbare politische Rahmenbedingungen, für wirtschaftlich starke ländliche Räume und nachhaltige Ansätze in der Agrarwirtschaft in Frieden und Freiheit – dies ist in unseren unruhigen Zeiten eine echte Investition in die Zukunft. Klar ist: Mit politischem Augenmaß können auch zukünftige EU-Erweiterungsrunden eine Erfolgsgeschichte werden. Denn egal ob Politik oder Wirtschaft: Ernährungssicherheit geht uns alle an.
Per Brodersen, Jahrgang 1974, ist Geschäftsführer der German Agribusiness Alliance in Berlin, einer Initiative der deutschen Wirtschaft für internationale Kooperation im Agrar- und Ernährungssektor mit den Ländern Asiens und Afrikas, Osteuropas und Zentralasiens. Er führt für seine Mitgliedsunternehmen regelmäßig Gespräche mit Politik und Wirtschaft in der Region und war auch vergangene Woche in Moldau dabei.
der Countdown läuft: Am Freitag stimmen die EU-Mitgliedstaaten im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel (SCoPAFF) über den Vorschlag der EU-Kommission für eine erneute Zulassung des umstrittenen Herbizids Glyphosat ab. Befürworter und Gegner einer erneuten Zulassung sind alarmiert und werben in dieser Woche in eigener Sache für ihre Position.
Heute Vormittag informiert die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch über den “Pestizid-Einsatz bei Brot, Haferflocken und Co.”. Im Vorfeld teilen die Verbraucherschützer mit, dass der “massive Einsatz von Ackergiften im Getreideanbau – und seine fatalen Folgen für Umwelt, Klima und Biodiversität” bisher kaum Beachtung finde – im Gegensatz zu Rückständen bei Obst und Gemüse. Mithilfe der Ergebnisse will Foodwatch nach eigenen Angaben “Nachhaltigkeitsversprechen von Supermarkt-Ketten wie Edeka oder Aldi entlarven”.
Einen Tag später – am Mittwoch – wird die Geschäftsführerin von Bayer Crop Science Deutschland, Karin Guendel Gonzalez, eine Petition mit der Forderung “Glyphosat: Kein Verbot ohne Alternative” vor dem Deutschen Bundestag an ausgewählte Abgeordnete überreichen. Dafür habe das Unternehmen rund 17.000 Unterschriften gesammelt, deren Unterzeichnende eine erneute Zulassung von Glyphosat unterstützen.
Es bleibt spannend!
Im Kiewer Büro von Alex Lissitsa hängt ein Bild von einem Schneidebrett und einem Messer, im Bild ist ein Text: “Wenn man viel teilt, bleibt nichts zum Regieren übrig.” Es kann eine Anspielung auf den Krieg zwischen Russland und der Ukraine sein, immerhin hatten russische Truppen gut 20 Prozent des ukrainischen Territoriums zwischenzeitlich besetzt. Die Botschaft des Bildes passt in jedem Fall aber zum Denken und Handeln des Geschäftsführers des ukrainischen Agrarunternehmens IMC Agro.
Mit 120.000 Hektar Anbaufläche ist es der zehntgrößte Agrarbetrieb des Landes. Die Invasion der russischen Armee im Februar 2022 traf den Konzern sofort. “100.000 Hektar waren besetzt, inklusive 1000 Milchkühe und einigen Silos”, berichtet Lissitsa. 44 Tage lang kontrollierten die Besatzer diese Fläche im Norden und Osten der Ukraine und hinterließen gewaltige Probleme.
Eineinhalb Jahre später gelten 35.000 Hektar als “war affected” – das Gebiet war vermint oder von Geschossen so versehrt, dass es vorübergehend nicht genutzt werden konnte. Ein Silo in Tschernihiw war von Raketen durchlöchert, die Kühe wurden lange nicht versorgt, mussten schließlich notgeschlachtet werden. 5.000 Hektar können weiterhin nicht genutzt werden, weil sie vermint sind. Zweimal bereits sind Traktorfahrer unerlaubterweise auf nicht geräumte Flächen gefahren, Minen explodierten, die Traktoren wurden beschädigt, die Fahrer des Unternehmens überlebten. Doch in anderen Fällen, wie Reuters erst Mitte September meldete, töten Minen auf den Feldern die Bauern.
Nach neuen Schätzungen der Wirtschaftsministerin Julia Swiridenko gelten 174.000 Quadratkilometer als von Kriegsmitteln potenziell belastete Fläche. Im Norden, Osten und Süden der Ukraine sind viele Landwirte mit den gleichen Problemen konfrontiert:
Rund 32,8 Millionen Hektar Land in der Ukraine sind als Agrarfläche ausgewiesen – gut fünf Millionen Hektar, mehr als 15 Prozent, können aktuell als Kriegsfolge nicht genutzt werden. Je länger der Krieg dauert, je mehr Minen verlegt werden und explodieren, je mehr Artilleriegeschosse verschossen werden, desto mehr Agrarland wird geschädigt, heißt es in der GLOBSEC-Studie über Verminung in der Ukraine “Walking on Fire: Demining in Ukraine”.
“Keiner kümmert sich momentan um die Böden, jetzt geht es erstmal darum, zu überleben. Dass es Schäden gibt, ist ja keine Frage”, sagt der Unternehmer Lissitsa. Laut einer Untersuchung der ukrainischen Umweltschutzorganisation Ecoaction schädigen die Kämpfe in mehrfacher Weise die fruchtbare Erde: Veränderung der Böden durch Explosionen, Schützengräben, eingegrabener, schwerer Technik, Belastung durch Hitze und Erschütterungen sowie durch Schwermetalle und chemische Wirkungen nach Explosionen.
Besonders Minen und Artilleriegeschosse aus sowjetischer Produktion (für Haubitzen D-20 und D-30) setzten Schwermetalle frei, die sich im Humus ablagerten. Beispielhaft hat die NGO Ecoaction in zwei Regionen im Osten und im Süden genauere Bodenanalysen vorgenommen und kommt zu dem Schluss, dass ein Teil der Agrarböden zu schwer belastet ist, er müsse als landwirtschaftliche Flächen aufgegeben werden, erläutert Mariia Diachuk auf Anfrage. Konkretere Angaben seien derzeit schwierig. “Zuerst müssen die Fläche von Minen geräumt werden, dann müssten komplexe Bodenuntersuchungen erfolgen.”
Das Unternehmen IMC Agro habe nach 44 Tagen Besatzung acht Monate gebraucht, um die meiste Fläche von Minen und Kriegsüberresten zu reinigen, berichtete Lissitsa. Staatliche Minenräumer und private Minenräumunternehmen – eine neue Branche im Land – hätten geholfen. “Aber Bodenanalysen haben wir noch nicht gemacht”, sagt er.
Aus Mangel an Minenräumern nehmen manche Landwirte das Problem selbst in die Hand. Sie rüsten Traktoren zu selbstfahrenden Fahrzeugen um, schalten schwere Walzen vor und fahren die Felder ab. Sie finden Minen, müssen nach den Explosionen häufig die Walzen reparieren oder ganz tauschen. Ein großes Problem sei aber, dass die genaue Zahl der Minen, und wo sie auf den Feldern verlegt seien, nicht bekannt sei, berichtet ein Farmer aus der Region Charkiw dem ukrainischen Portal dumka.media.
Obwohl viele Landwirte wegen des Krieges ihre Flächen nicht bewirtschaften können, melden staatliche Stellen eine sehr gute Ernte in diesem Jahr. Das bestätigt auch Lissitsa: “Wer hätte es ahnen können, dass wir mit weniger Düngemittel und weniger Pflanzenschutzmittel eine so gute Ernte haben werden. Das Wetter hat gut mitgespielt”, erläutert er. Aber das gelte auch für Russland. “Die fluten gerade den Weltmarkt mit ihrem Weizen, das drückt den Preis.”
Russland behindert zusätzlich den Export ukrainischer Produkte. “Wir haben im Odessa-Hafen Weizen und Mais im Wert von zehn Millionen Euro liegen. Aber nach sechs Monaten ist die Qualität inzwischen so, dass es nur noch für Futter reicht”, sagt Lissitsa. Nach dem Ausstieg Moskaus aus dem Getreideabkommen im Juli können der Weizen und der Mais nicht mehr exportiert werden. Zusätzlich beschießt Russland sowohl die Speicher im Odessa-Hafen als auch die Hafen-Anlage an der Donau in Ismajil, direkt an der rumänischen Grenze.
Auf die großen Probleme reagiert IMC Agro mit großen Investitionen: “Wir haben gerade 75 MAN-Lastwagen bestellt und dafür einen Kredit von der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung erhalten”, sagt Lissitsa. Früher hätten sie den Abtransport von Dienstleistern abwickeln lassen, doch die Preise für Logistik seien jetzt zu hoch. Also selbst machen.
Und bei den Lastwagen hören die Pläne nicht auf. Alex Lissitsa, der in Deutschland studiert hat, will die Standards im IMC Agro heben. Langfristig solle sich die Landwirtschaft in der Ukraine an den Normen der EU orientieren, sagt er.
Die Bundesregierung will Biomasse aus der Forst-, Land- und Abfallwirtschaft künftig nachhaltiger einsetzen. Wie genau, das soll die im Koalitionsvertrag angekündigte Nationale Biomassestrategie (NABIS) klären. Doch die lässt auf sich warten. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) will das Papier zwar demnächst gemeinsam mit dem Bundesministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (BMUV) sowie dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) vorlegen, liegt damit jedoch schon jetzt deutlich hinter dem Zeitplan.
Dass das Bundeskabinett die NABIS – wie angedacht – noch in diesem Jahr verabschieden wird, hält selbst BMWK-Vertreter Martin Waldhausen für “sehr sportlich”. Beim Fachforum zur Nationalen Biomassestrategie, zu dem das Hauptstadtbüro Bioenergie am gestrigen Montag Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft geladen hatte, verwies er auf die anhaltenden Abstimmungen zwischen den drei Grün-geführten Ministerien: “Die Interessenlagen in den drei Häusern sind schon unterschiedlich”, sagte Waldhausen, der im BWMK das Referat Klimaschutz, Land- und Forstwirtschaft und Biomasse leitet. In Expertenkreisen gelten Unstimmigkeiten zwischen den Ministerien als Grund für die sich immer weiter verzögernde Veröffentlichung der NABIS.
Die hohen Erwartungen der Branche an die NABIS bremste Waldhausen bei der Veranstaltung vorsichtig aus. “Wir werden mit der NABIS nicht den Schalter umlegen, sondern einen Prozess anstoßen”, so der Vertreter aus dem BMWK. Aber: Es seien schon konkrete Maßnahmen vorgesehen, die Rahmenbedingungen verändern könnten.
In welche Richtung diese Veränderungen gehen könnten, zeigt ein Eckpunktepapier der drei Ministerien aus dem vergangenen Jahr. Darin wird die Nutzung von Biomasse aus Abfallstoffen forciert und die Verwendung von Mais oder Raps für den Nahrungsmittelgebrauch gegenüber der Energieerzeugung priorisiert. Die NABIS soll Wege aufzeigen, wie Biomasse mittel- und langfristig genutzt werden kann – mit anderen Worten, Weichen stellen. Allein dadurch birgt die Strategie, auch ohne selbst gesetzlich bindende Vorgaben zu machen, schon im Vorfeld politischen Sprengstoff.
Während die Ministerien die Strategie noch verhandeln, laufen Verbände aus dem Bereich der Bioenergie sowie der Land- und Forstwirtschaft bereits Sturm. Schon das Eckpunktepapier aus dem vergangenen Herbst hält Gerolf Bücheler, Geschäftsführer des Bundesverbands Bioenergie (BBE), für “relativ biomassekritisch”. Es verkenne ihm zufolge, dass es bereits zahlreiche ordnungsrechtliche Vorgaben für die Nachhaltigkeit der Biomasseerzeugung in Deutschland gebe, und dass mit der dritten Novelle der EU-Richtlinie für erneuerbare Energien (RED III) auch noch eine Verschärfung der Nachhaltigkeitszertifizierung ins Haus stünde. Zusätzliche detaillierte rechtliche Regelungen brauche es nicht, so Bücheler.
Um dieser Position noch vor Veröffentlichung der Strategie Nachdruck zu verleihen, hat der Bundesverband Bioenergie die Land- und Forstwirte in Deutschland dazu aufgerufen, einen Appell zur Biomassestrategie zu unterzeichnen. Zu den Initiatoren gehören neben Bücheler und seinem Verband die Familienbetriebe Land und Forst, der Deutsche Bauernverband, die AGDW – Die Waldeigentümer, der Fachverband Biogas sowie das Aktionsbündnis Forum Natur. Die neue Strategie dürfe die energetische Biomassenutzung nicht einschränken, appelliert das Verbändebündnis im Petitionstext an die Bundesregierung. Weiter heißt es dort: “Biomasse trägt bereits heute entscheidend zu Klimaschutz, Energieunabhängigkeit und Versorgungssicherheit durch flexible und speicherbare erneuerbare Energie bei.”
Die Deutsche Umwelthilfe sieht das anders. “Wer angesichts der aktuell weltweit wütenden Waldbrände, Hochwassern und Co. dafür plädiert, unsere wertvollen und fragilen Ökosysteme und Ressourcen weiter für die Biomassenutzung auszubeuten, verkennt die Lage”, sagt der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe Sascha Müller-Kraenner. Für ihn ist die NABIS “ein längst überfälliger Schritt.” Bestehende Fehlanreize zur energetischen Nutzung wie die Förderung von Agrosprit müssten schnellstmöglich beendet werden, fordert Müller-Kraenner. Bioenergie dürfe nur dann verwendet werden, wenn sie aus naturverträglichen Substraten und unvermeidbaren Reststoffen und Abfällen bestehe.
Bislang wird Bioenergie in Deutschland vor allem in drei Formen genutzt:
Die Energiedebatte rund um den Ukrainekrieg, die Anforderungen der Klimaneutralität und das Auslaufen der Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) führen aktuell dazu, dass sich die Landschaft der Bioenergie verändert.
Polen hat das Einfuhrverbot für ukrainische Agrarprodukte aufgeweicht. Am Mittwoch unterzeichnete das Land ein Abkommen mit der Ukraine und Litauen, das den Transit von ukrainischem Weizen, Raps, Mais und Sonnenblumen durch das polnische Territorium zu den litauischen Häfen an der Ostsee erlaubt. Von dort soll das Getreide weiter zu den Märkten in Afrika und im Nahen Osten transportiert werden.
Polen verzichtet dabei auf Kontrollen an der polnisch-ukrainischen Grenze, erwartet aber von Vilnius eine Inspektion der Transporte bei der Ankunft in Litauen. Diese soll bestätigen, dass kein ukrainisches Getreide in Polen geblieben ist.
Seit einem Jahr behauptet Warschau, dass die Öffnung der Grenze und die Abschaffung der Einfuhrzölle für ukrainische Agrarprodukte die polnischen Bauern in den Ruin treibe. Auf Betreiben Polens und der Slowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien hat die EU im Frühjahr einen Einfuhrstopp für ukrainisches Getreide verhängt, den Brüssel am 15. September auslaufen ließ. Warschau kam dem zuvor und verlängerte eigenmächtig das Embargo – und verstieß damit gegen EU-Recht. Für Agrarpolitik der Mitgliedsstaaten ist Brüssel zuständig.
Die Entscheidung sorgte für auch Verstimmung in Kiew: Präsident Wolodymyr Selenskyj beschuldigte die polnische Regierung, mit ihrer Politik Russland zu unterstützen und verklagte das Land vor der Welthandelsorganisation. Darauf drohte Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki, weitere Waffenlieferungen aus Polen an die Ukraine zu stoppen. Die Verlängerung des Embargos und die harsche Reaktion auf die “ukrainische Undankbarkeit” hat einen Grund: In Polen herrscht Wahlkampf, am 15. Oktober wird das Parlament gewählt. Die Regierungspartei PiS kämpft um die Stimmen der Bauern, ohne die sie kaum Siegeschancen hat.
Das am Mittwoch unterzeichnete Abkommen zeigt, dass mit einem Hauch von gutem Willen das Problem zu lösen sein könnte. Schon kurz nach dem Krieg begannen die EU-Staaten “Solidaritätskorridore” einzurichten, durch die sämtliche ukrainische Agrarprodukte im Transit zu den Exporthäfen in Litauen, Polen, Deutschland und Rumänien rollen sollten. “Wir wollten der Ukraine damit die Ausfuhren ermöglichen und nicht entscheiden, wer der Endabnehmer sein wird”, sagt Eric Maier, Sprecher der EU-Kommission. Das nutzten gewiefte Zwischenhändler in Polen aus: Sie kauften das ukrainische Getreide auf dem Weg zum Hafen auf – und verkauften es mit Gewinn in Polen weiter.
Die Schäden, die den polnischen Bauern entstanden sind, halten sich in Grenzen. Denn die Kapazität aller Transitkorridore, die aus der Ukraine durch Polen Richtung Westen führen, beträgt maximal 1,5 Millionen Tonnen im Monat. Nicht genug, um die von Russland blockierten Schwarzmeer-Häfen zu ersetzen. ar
Das Europäische Parlament hat am vergangenen Donnerstag der Ernennung Wopke Hoekstras zum neuen EU-Klimakommissar offiziell zugestimmt. Am Donnerstag erhielt der ehemalige niederländische Außenminister bei der Abstimmung im Parlament eine große Mehrheit – 279 Ja-Stimmen gegen 173 Nein-Stimmen und 33 Enthaltungen.
Auch Maroš Šefčovič wurde vom Parlament als designierter Green-Deal-Kommissar gebilligt. Er erhielt 322 Ja-Stimmen gegen 158 Nein-Stimmen und 37 Enthaltungen, ebenfalls in geheimer Abstimmung.
Vor der Abstimmung hatte es Kritik an Hoekstra wegen dessen früheren Tätigkeiten, unter anderem für den Ölkonzern Shell, gegeben. Nach einem positiven Votum am Mittwoch im Umweltausschuss war aber erwartet worden, dass Hoekstra im EP bestätigt wird. Die EU-Länder haben der Ernennung am gestrigen Montag in Brüssel zugestimmt. rtr/lei
In der ersten Trilogsitzung zum Renaturierungsgesetz nach der Sommerpause haben Parlament und Rat der Kommission den Auftrag gegeben, Vorschläge für mögliche Kompromisse auszuarbeiten. Das gilt insbesondere für die strittigen Themen wie die Wiedervernässung von Mooren, das Verschlechterungsverbot, die Ausweitung des Geltungsbereiches und die Finanzierung von Wiederherstellungsmaßnahmen. Bei sogenannten technischen Sitzungen, die in enger Taktfolge für die kommenden Wochen angesetzt sind, soll anschließend ausgelotet werden, ob sie die Basis für eine Einigung zwischen den Co-Gesetzgebern sein können.
Die letzte Trilog-Runde ist für den 7. November angepeilt. Bei dieser Sitzung wollen sich beide Seiten in einer Open-End-Sitzung einigen. Die gestrige Sitzung im Trilog war auf drei Stunden angesetzt, aber schon nach zwei Stunden vorbei. Aus Verhandlungskreisen heißt es, dass keine Verhandlungen stattfanden. Die Beteiligten hätten lediglich ihre Positionen zu den Artikeln vorgetragen und die bereits in den bisherigen technischen Sitzungen getroffenen Einigungen bestätigt. mgr/luk
Unterhändler der Europäischen Union und des südamerikanischen Staatenbunds Mercosur wollen Tempo machen mit den Verhandlungen für das Freihandelsabkommen. Ein Diplomat sagte der Nachrichtenagentur Reuters, man befinde sich “in einer intensiven Verhandlungsphase”. Aktuell werde versucht, die Stellungnahmen beider Seiten zusammenzuführen.
Zu den strittigen Punkten soll es nun wöchentliche Gesprächsrunden geben, per Videokonferenz und persönlich, sagte ein Sprecher des brasilianischen Außenministeriums. Am 30. Oktober sollen dann die Chefunterhändler in Brasilia zusammenkommen, um eine Bilanz der erzielten Fortschritte zu ziehen.
Die Europäische Union hatte seit März auf die Antwort des Mercosur auf ihr Zusatzprotokoll gewartet. Diese Zusatzerklärung sieht Verpflichtungen für die Länder in Bezug auf Nachhaltigkeit und Klimawandel vor. Inzwischen gebe es einen einseitigen Gegenvorschlag, der die Grundlage für die Gespräche in dieser Woche in Brasilia bilde, erklärten zwei europäische Diplomaten gegenüber Reuters. Aktuell besteht die Hoffnung, das Abkommen noch bis Ende des Jahres abzuschließen.
Brasilien, das dem Mercosur derzeit vorsteht, ist mit den von der EU in einer Zusatzerklärung eingefügten Umweltschutzbestimmungen nicht einverstanden. “Das Addendum ist voller Auflagen, aber kein Wort über die Kosten für den Erhalt dieses Umweltgutes“, sagte Landwirtschaftsminister Carlos Fávaro gegenüber Reuters. Er sagte, die EU sei ein wichtiger Markt für Brasilien, warnte aber, dass sich in Asien und im Nahen Osten andere Märkte öffneten, die weniger restriktiv seien. rtr/lei
In der EU gelten künftig neue Grenzwerte für Nitrite und Nitrate in Lebensmitteln. Die neuen, deutlich reduzierten Grenzwerte für Zusatzstoffe senken die Belastung durch krebserregende Stoffe, wie die EU-Kommission am Freitag in Brüssel mitteilte. Verbraucher würden auch vor bestimmten Bakterien geschützt. Allgemeinen senkten die neuen Vorschriften die Höchstwerte für Nitrite um etwa 20 Prozent. Die Lebensmittelindustrie habe zwei Jahre Zeit, ihre Produkte den neuen Grenzwerten anzupassen.
Dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) zufolge sind Nitrate selbst zwar relativ unbedenklich. “Nitrate können aber bereits im Lebensmittel oder während der Verdauung durch Einwirkung von Bakterien in Nitrit umgewandelt werden, dem eigentlich gesundheitlich problematischen Stoff”, heißt es auf der Internetseite des BfR. Die Grenzwerte gelten Kommissionsangaben zufolge etwa für Lebensmittel wie Käseprodukte oder gepökeltes Fleisch. Laut BfR ist Nitrit Bestandteil von Pökelsalz. dpa
Weltweit haben mehr als zwei Milliarden Menschen nicht genug Geld, um sich gesund zu ernähren. Das ist das Ergebnis einer Studie, die das Hilfswerk Misereor und Wissenschaftler der Universität Göttingen vergangene Woche in Berlin vorgestellt haben. Besonders betroffen sind Teile Afrikas und Asiens. Am schwierigsten ist die Lage in Madagaskar, wo die Menschen im Durchschnitt nur über ein Viertel des Einkommens verfügen, das sie für eine gesunde Ernährung benötigen.
“Gesunde Ernährung ist ein Menschenrecht, von dem weltweit zwei von fünf Menschen ausgeschlossen sind”, betont Lutz Depenbusch, Ernährungsexperte bei Misereor. Der Grund: Ihnen fehlt das Geld, um gutes Essen zu kaufen. In der Studie wird dieser Missstand als “Armutslücke gesunder Ernährung” bezeichnet. Sie beläuft sich für das Jahr 2021 weltweit auf insgesamt drei Billionen US-Dollar. Das entspreche zwar nur 2,2 Prozent des Welteinkommens, wirke sich aber auf 41 Prozent der Menschheit aus, so Depenbusch.
“Besonders groß ist die Armutslücke in den Weltregionen Subsahara Afrika und Südasien”, sagt Jonas Stehl, Entwicklungsökonom an der Universität Göttingen. Allein auf Subsahara Afrika entfielen 40 Prozent der globalen Armutslücke, auf Südasien 35 Prozent, so Stehl. Im Ländervergleich ist das Problem in Indien, Nigeria und Indonesien am größten. Die höchste Pro-Kopf-Belastung hat Madagaskar. “Ohne Unterstützung von anderen Staaten wird es Ländern wie Madagaskar kaum möglich sein, die Versorgung mit gesunder Ernährung für alle Menschen zu gewährleisten”, erklärt Stehl.
Aus Sicht von Misereor braucht es dafür eine gerechtere Verteilung der Einkommen. Bereits eine Reichensteuer in Höhe von 1,2 Prozent würde Steuereinnahmen im Umfang von 78 Prozent der Armutslücke generieren, so Depenbusch. Er nennt es deshalb ein moralisches Versagen, “wenn die Weltgemeinschaft den wachsenden Reichtum nicht stärker dafür einsetzt, das grundlegende Recht auf eine gesunde Ernährung aller Menschen zu sichern.” ch
11.10.2023 – 14:00-15:00 Uhr, online
Diskussionsveranstaltung Digital Talk: Ist Tierhaltung in Deutschland noch zeitgemäß?
Bei dem digital Talk diskutieren Philipp Burckhardt von Farm.Food.Climate, die Landwirtin Jana Gäbert, Dirk Höhler von Evonik und der Professor für Tierethik Peter Kunzmann über die Zukunft der Tierhaltung in Deutschland. INFOS
11.10.-12.10.2023, Berlin
Tagung DAF-Tagung 2023
Bei der diesjährigen Tagung vom Dachverband wissenschaftlicher Gesellschaften der Agrar-, Forst-, Ernährungs-, Veterinär und Umweltforschung (DAF) wird über die Rolle von Wäldern und Bäumen im Klimawandel sowie Lösungsmöglichkeiten für Politik und Stakeholder diskutiert. INFOS
13.10.2023 – 10:00-18:00 Uhr, Berlin/online
BMEL, Konferenz Charta für Holz 2.0 im Dialog
Bei der Konferenz diskutieren das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) gemeinsam mit Stakeholdern die im Juni 2023 im Bundeskabinett verabschiedete Holzbauinitiative. Geplant sind Impulse und Diskussionen sowie Workshops zu den Schwerpunkten der Initiative, deren Erkenntnisse in die weitere Umsetzung der Holzbauinitiative einfließen sollen. INFOS
12.10.-13.10.2023, Dresden/online
BMEL, Kongress Internationaler Kongress zur nachhaltigen Honigbienenhaltung
Im Zentrum des Kongresses steht die internationale Tragweite der Honigbienengesundheit. Die Veranstaltung soll zu einem verbesserten Austausch zwischen Imkerinnen und Imkern, Behörden und Wissenschaft beitragen. INFOS
12.10.-13.10.2023, Freising-Weihenstephan
Diskussionsveranstaltung AgriSymposium mit dem Schwerpunkt Alternative Proteinquellen
Bei dem agrarwissenschaftliche Symposium des Hans Eisenmann-Forums diskutieren Experten, Forscher und Fachleute aus dem Bereich der Agrarwissenschaften die neuesten Entwicklungen und Innovationen in der Lebensmittelproduktion. Der Schwerpunkt dieser Veranstaltung liegt auf alternativen Proteinen. INFOS
11.11.2023, Hannover
Diskussionsforum Wirtschaftsforum der agrarzeitung
Bei dem Wirtschaftsforum der agrarzeitung trifft sich ein ausgewählter Kreis von Vertreterinnen und Vertretern von Landtechnik- und Handelsunternehmen der Agrarwirtschaft, führenden Herstellern von Betriebsmitteln, sowie innovativen Agrifood-Start-Ups zum jährlichen Austausch. INFOS
04.12.2023 – 10:00-14:00 Uhr, Berlin
BMEL Festveranstaltung zum Boden des Jahres 2024
Am 5. Dezember 2023 wird im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in Berlin der “Boden des Jahres 2024” gekürt. Die Festveranstaltung findet im Rahmen des Internationalen Weltbodentags statt, der die Bedeutung des Bodens und seine Schutzwürdigkeit besonders hervorheben soll. INFOS
Mit seiner jüngsten Auslandsreise Richtung Westbalkan und dem EU-Beitrittskandidaten Moldau hat Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) Flagge gezeigt: Wirtschaftliche und politische Entwicklung gehen meistens Hand in Hand – Kooperation im Agrar- und Ernährungssektor über Landesgrenzen hinweg lohnt sich für uns alle.
Die Ministerreise fand – wieder einmal – in schwierigen Zeiten statt: Russland führt seit bald zwei Jahren Krieg gegen die Ukraine. Im Juli hat Russland, das mühevoll verhandelte und unter Vermittlung der Vereinten Nationen zustande gekommene Getreideabkommen nicht verlängert. Schwarzmeer-Schiffe, die ukrainisches Getreide aus ukrainischen Häfen in alle Welt transportieren wollen, betrachtet der russische Aggressor erneut als legitimes militärisches Ziel. In Folge steigen die Getreidepreise weltweit. Auch andere Partner lässt Russland im Stich: Rund 100.000 Flüchtlinge sind das Ergebnis des Kriegs um die Enklave Berg-Karabach im Südkaukasus.
Die wegen Russlands Krieg bitter notwendig gewordenen Landexportrouten für weltweit gehandelte ukrainische Agrarprodukte führen nun entsprechend durch die Europäische Union. Allerdings verhängen mehrere osteuropäische Mitgliedsstaaten, die direkt an die Ukraine grenzen, Importverbote, weil sie Einkommensverluste für die eigenen Bauern befürchten. Das eingespielte Miteinander von Produktion, Verarbeitung und Logistik steht also unter großem Druck – und all dies nach einer weltweiten Pandemie, deren Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft, inklusive Lebensmittellieferketten, noch nicht überwunden sind.
Warum also stattet Özdemir ausgerechnet dem entfernten, kleinen Moldau einen Besuch ab? Die kleine ehemalige Sowjetrepublik liegt unweit vor dem Schwarzen Meer und hat es geopolitisch ebenfalls nicht einfach. Trotzdem hat das Land zehntausende Flüchtlinge aus der Ukraine klaglos aufgenommen. Besonders ist Moldau aber vor allem wegen seines Zugangs zur Donau. Am südlichen Dreiländereck zwischen Rumänien und der Ukraine beschränkt sich der Donauzugang lediglich auf 450 Meter.
Umso größer ist die Bedeutung des kleinen und einzigen Donauhafens des Landes im Dorf Giurgiulești. Getreideexporte können hier trotz Russlands Krieg gegen die Ukraine abgewickelt werden. Am vergangenen Donnerstagabend traf sich Minister Özdemir dort mit seinem moldauischen Amtskollegen Vladimir Bolea. Die angespannte Situation in Giurgiulești war mit Händen zu greifen: Moldauische Getreide-LKWs stauen sich in der Spätsommerhitze tagelang in Richtung EU, ihnen kommen ukrainische Treibstoff-LKWs gen Odessa entgegen, Wachhunde kläffen an den zwei Grenzwachtürmen am Fluss und an den mannshohen Erdwällen, die die Ukraine zum eigenem Schutz aufgeschüttet hat.
Erst kurz vor dem Treffen erfuhr der moldauische Agrarminister Bolea, dass Rumänien die Grenze für moldauisches Getreide schließen will – ein echter Schlag ins Kontor von Bolea, der sein Land bis 2030 in die EU führen will und Rückschläge nicht gebrauchen kann.
Das Potenzial der Region für westliche Unternehmen ist beträchtlich: Nicht nur der begonnene EU-Beitrittsprozess erfordert neue Technologien und Audits, der Modernisierungsbedarf für Landtechnik ist groß, die Klimakrise erfordert auch in Moldau Stressresilienz im Pflanzenbau und Ressourcenschonung in der Tierhaltung. Die klimatischen Bedingungen sind für den Weinanbau ideal (Moldaus Winzereien sprechen für sich allein), im Süden finden sich jene extrem guten Podsol-Böden, für die die Ukraine weltberühmt ist.
Hier Einsatz zu zeigen für berechenbare politische Rahmenbedingungen, für wirtschaftlich starke ländliche Räume und nachhaltige Ansätze in der Agrarwirtschaft in Frieden und Freiheit – dies ist in unseren unruhigen Zeiten eine echte Investition in die Zukunft. Klar ist: Mit politischem Augenmaß können auch zukünftige EU-Erweiterungsrunden eine Erfolgsgeschichte werden. Denn egal ob Politik oder Wirtschaft: Ernährungssicherheit geht uns alle an.
Per Brodersen, Jahrgang 1974, ist Geschäftsführer der German Agribusiness Alliance in Berlin, einer Initiative der deutschen Wirtschaft für internationale Kooperation im Agrar- und Ernährungssektor mit den Ländern Asiens und Afrikas, Osteuropas und Zentralasiens. Er führt für seine Mitgliedsunternehmen regelmäßig Gespräche mit Politik und Wirtschaft in der Region und war auch vergangene Woche in Moldau dabei.