Table.Briefing: Agrifood

Countdown für Glyphosat-Abstimmung + Verlorene Erde in der Ukraine + Biomassestrategie verzögert sich

Liebe Leserin, lieber Leser,

der Countdown läuft: Am Freitag stimmen die EU-Mitgliedstaaten im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel (SCoPAFF) über den Vorschlag der EU-Kommission für eine erneute Zulassung des umstrittenen Herbizids Glyphosat ab. Befürworter und Gegner einer erneuten Zulassung sind alarmiert und werben in dieser Woche in eigener Sache für ihre Position.

Heute Vormittag informiert die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch über den “Pestizid-Einsatz bei Brot, Haferflocken und Co.”. Im Vorfeld teilen die Verbraucherschützer mit, dass der “massive Einsatz von Ackergiften im Getreideanbau – und seine fatalen Folgen für Umwelt, Klima und Biodiversität” bisher kaum Beachtung finde – im Gegensatz zu Rückständen bei Obst und Gemüse. Mithilfe der Ergebnisse will Foodwatch nach eigenen Angaben “Nachhaltigkeitsversprechen von Supermarkt-Ketten wie Edeka oder Aldi entlarven”.

Einen Tag später – am Mittwoch – wird die Geschäftsführerin von Bayer Crop Science Deutschland, Karin Guendel Gonzalez, eine Petition mit der Forderung “Glyphosat: Kein Verbot ohne Alternative” vor dem Deutschen Bundestag an ausgewählte Abgeordnete überreichen. Dafür habe das Unternehmen rund 17.000 Unterschriften gesammelt, deren Unterzeichnende eine erneute Zulassung von Glyphosat unterstützen.

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Henrike Schirmacher
Bild von Henrike  Schirmacher

Analyse

Verlorene Erde: Russlands Krieg vernichtet ukrainische Agrarflächen

Felder im Osten der Ukraine: von Minen und Artilleriegeschossen zerfurcht.

Im Kiewer Büro von Alex Lissitsa hängt ein Bild von einem Schneidebrett und einem Messer, im Bild ist ein Text: “Wenn man viel teilt, bleibt nichts zum Regieren übrig.” Es kann eine Anspielung auf den Krieg zwischen Russland und der Ukraine sein, immerhin hatten russische Truppen gut 20 Prozent des ukrainischen Territoriums zwischenzeitlich besetzt. Die Botschaft des Bildes passt in jedem Fall aber zum Denken und Handeln des Geschäftsführers des ukrainischen Agrarunternehmens IMC Agro.

Mit 120.000 Hektar Anbaufläche ist es der zehntgrößte Agrarbetrieb des Landes. Die Invasion der russischen Armee im Februar 2022 traf den Konzern sofort. “100.000 Hektar waren besetzt, inklusive 1000 Milchkühe und einigen Silos”, berichtet Lissitsa. 44 Tage lang kontrollierten die Besatzer diese Fläche im Norden und Osten der Ukraine und hinterließen gewaltige Probleme.

Eineinhalb Jahre später gelten 35.000 Hektar als “war affected” – das Gebiet war vermint oder von Geschossen so versehrt, dass es vorübergehend nicht genutzt werden konnte. Ein Silo in Tschernihiw war von Raketen durchlöchert, die Kühe wurden lange nicht versorgt, mussten schließlich notgeschlachtet werden. 5.000 Hektar können weiterhin nicht genutzt werden, weil sie vermint sind. Zweimal bereits sind Traktorfahrer unerlaubterweise auf nicht geräumte Flächen gefahren, Minen explodierten, die Traktoren wurden beschädigt, die Fahrer des Unternehmens überlebten. Doch in anderen Fällen, wie Reuters erst Mitte September meldete, töten Minen auf den Feldern die Bauern.

Nach neuen Schätzungen der Wirtschaftsministerin Julia Swiridenko gelten 174.000 Quadratkilometer als von Kriegsmitteln potenziell belastete Fläche. Im Norden, Osten und Süden der Ukraine sind viele Landwirte mit den gleichen Problemen konfrontiert:

  • Durch Landminen und Chemikalien in Geschossen verseuchte Böden
  • Keine Ressourcen für Minenräumungen
  • Verseuchung des Grundwassers
  • Durch schwere Militärtechnik beschädigte Bodenstrukturen
  • Exportprobleme nach Russlands Ausstieg aus dem UN-Getreideabkommen
  • Stark gestiegene Logistikpreise

Rund 32,8 Millionen Hektar Land in der Ukraine sind als Agrarfläche ausgewiesen – gut fünf Millionen Hektar, mehr als 15 Prozent, können aktuell als Kriegsfolge nicht genutzt werden. Je länger der Krieg dauert, je mehr Minen verlegt werden und explodieren, je mehr Artilleriegeschosse verschossen werden, desto mehr Agrarland wird geschädigt, heißt es in der GLOBSEC-Studie über Verminung in der Ukraine “Walking on Fire: Demining in Ukraine”.

Alte sowjetische Artillerie ist besonders problematisch

“Keiner kümmert sich momentan um die Böden, jetzt geht es erstmal darum, zu überleben. Dass es Schäden gibt, ist ja keine Frage”, sagt der Unternehmer Lissitsa. Laut einer Untersuchung der ukrainischen Umweltschutzorganisation Ecoaction schädigen die Kämpfe in mehrfacher Weise die fruchtbare Erde: Veränderung der Böden durch Explosionen, Schützengräben, eingegrabener, schwerer Technik, Belastung durch Hitze und Erschütterungen sowie durch Schwermetalle und chemische Wirkungen nach Explosionen.

Besonders Minen und Artilleriegeschosse aus sowjetischer Produktion (für Haubitzen D-20 und D-30) setzten Schwermetalle frei, die sich im Humus ablagerten. Beispielhaft hat die NGO Ecoaction in zwei Regionen im Osten und im Süden genauere Bodenanalysen vorgenommen und kommt zu dem Schluss, dass ein Teil der Agrarböden zu schwer belastet ist, er müsse als landwirtschaftliche Flächen aufgegeben werden, erläutert Mariia Diachuk auf Anfrage. Konkretere Angaben seien derzeit schwierig. “Zuerst müssen die Fläche von Minen geräumt werden, dann müssten komplexe Bodenuntersuchungen erfolgen.”

Das Unternehmen IMC Agro habe nach 44 Tagen Besatzung acht Monate gebraucht, um die meiste Fläche von Minen und Kriegsüberresten zu reinigen, berichtete Lissitsa. Staatliche Minenräumer und private Minenräumunternehmen – eine neue Branche im Land – hätten geholfen. “Aber Bodenanalysen haben wir noch nicht gemacht”, sagt er.

Wo und wie viele Minen liegen, ist kaum bekannt

Aus Mangel an Minenräumern nehmen manche Landwirte das Problem selbst in die Hand. Sie rüsten Traktoren zu selbstfahrenden Fahrzeugen um, schalten schwere Walzen vor und fahren die Felder ab. Sie finden Minen, müssen nach den Explosionen häufig die Walzen reparieren oder ganz tauschen. Ein großes Problem sei aber, dass die genaue Zahl der Minen, und wo sie auf den Feldern verlegt seien, nicht bekannt sei, berichtet ein Farmer aus der Region Charkiw dem ukrainischen Portal dumka.media.

Obwohl viele Landwirte wegen des Krieges ihre Flächen nicht bewirtschaften können, melden staatliche Stellen eine sehr gute Ernte in diesem Jahr. Das bestätigt auch Lissitsa: “Wer hätte es ahnen können, dass wir mit weniger Düngemittel und weniger Pflanzenschutzmittel eine so gute Ernte haben werden. Das Wetter hat gut mitgespielt”, erläutert er. Aber das gelte auch für Russland. “Die fluten gerade den Weltmarkt mit ihrem Weizen, das drückt den Preis.”

Russland behindert zusätzlich den Export ukrainischer Produkte. “Wir haben im Odessa-Hafen Weizen und Mais im Wert von zehn Millionen Euro liegen. Aber nach sechs Monaten ist die Qualität inzwischen so, dass es nur noch für Futter reicht”, sagt Lissitsa. Nach dem Ausstieg Moskaus aus dem Getreideabkommen im Juli können der Weizen und der Mais nicht mehr exportiert werden. Zusätzlich beschießt Russland sowohl die Speicher im Odessa-Hafen als auch die Hafen-Anlage an der Donau in Ismajil, direkt an der rumänischen Grenze.

Auf die großen Probleme reagiert IMC Agro mit großen Investitionen: “Wir haben gerade 75 MAN-Lastwagen bestellt und dafür einen Kredit von der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung erhalten”, sagt Lissitsa. Früher hätten sie den Abtransport von Dienstleistern abwickeln lassen, doch die Preise für Logistik seien jetzt zu hoch. Also selbst machen.

Und bei den Lastwagen hören die Pläne nicht auf. Alex Lissitsa, der in Deutschland studiert hat, will die Standards im IMC Agro heben. Langfristig solle sich die Landwirtschaft in der Ukraine an den Normen der EU orientieren, sagt er.    

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Nationale Biomassestrategie: Zukunftsperspektiven mit Sprengkraft

Die Bundesregierung will Biomasse aus der Forst-, Land- und Abfallwirtschaft künftig nachhaltiger einsetzen. Wie genau, das soll die im Koalitionsvertrag angekündigte Nationale Biomassestrategie (NABIS) klären. Doch die lässt auf sich warten. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) will das Papier zwar demnächst gemeinsam mit dem Bundesministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (BMUV) sowie dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) vorlegen, liegt damit jedoch schon jetzt deutlich hinter dem Zeitplan.

Dass das Bundeskabinett die NABIS – wie angedacht – noch in diesem Jahr verabschieden wird, hält selbst BMWK-Vertreter Martin Waldhausen für “sehr sportlich”. Beim Fachforum zur Nationalen Biomassestrategie, zu dem das Hauptstadtbüro Bioenergie am gestrigen Montag Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft geladen hatte, verwies er auf die anhaltenden Abstimmungen zwischen den drei Grün-geführten Ministerien: “Die Interessenlagen in den drei Häusern sind schon unterschiedlich”, sagte Waldhausen, der im BWMK das Referat Klimaschutz, Land- und Forstwirtschaft und Biomasse leitet. In Expertenkreisen gelten Unstimmigkeiten zwischen den Ministerien als Grund für die sich immer weiter verzögernde Veröffentlichung der NABIS.

Die hohen Erwartungen der Branche an die NABIS bremste Waldhausen bei der Veranstaltung vorsichtig aus. “Wir werden mit der NABIS nicht den Schalter umlegen, sondern einen Prozess anstoßen”, so der Vertreter aus dem BMWK. Aber: Es seien schon konkrete Maßnahmen vorgesehen, die Rahmenbedingungen verändern könnten.

Eckpunktepapier gibt Richtung vor

In welche Richtung diese Veränderungen gehen könnten, zeigt ein Eckpunktepapier der drei Ministerien aus dem vergangenen Jahr. Darin wird die Nutzung von Biomasse aus Abfallstoffen forciert und die Verwendung von Mais oder Raps für den Nahrungsmittelgebrauch gegenüber der Energieerzeugung priorisiert. Die NABIS soll Wege aufzeigen, wie Biomasse mittel- und langfristig genutzt werden kann – mit anderen Worten, Weichen stellen. Allein dadurch birgt die Strategie, auch ohne selbst gesetzlich bindende Vorgaben zu machen, schon im Vorfeld politischen Sprengstoff.

Während die Ministerien die Strategie noch verhandeln, laufen Verbände aus dem Bereich der Bioenergie sowie der Land- und Forstwirtschaft bereits Sturm. Schon das Eckpunktepapier aus dem vergangenen Herbst hält Gerolf Bücheler, Geschäftsführer des Bundesverbands Bioenergie (BBE), für “relativ biomassekritisch”. Es verkenne ihm zufolge, dass es bereits zahlreiche ordnungsrechtliche Vorgaben für die Nachhaltigkeit der Biomasseerzeugung in Deutschland gebe, und dass mit der dritten Novelle der EU-Richtlinie für erneuerbare Energien (RED III) auch noch eine Verschärfung der Nachhaltigkeitszertifizierung ins Haus stünde. Zusätzliche detaillierte rechtliche Regelungen brauche es nicht, so Bücheler.

Verbände richten Appell an die Bundesregierung

Um dieser Position noch vor Veröffentlichung der Strategie Nachdruck zu verleihen, hat der Bundesverband Bioenergie die Land- und Forstwirte in Deutschland dazu aufgerufen, einen Appell zur Biomassestrategie zu unterzeichnen. Zu den Initiatoren gehören neben Bücheler und seinem Verband die Familienbetriebe Land und Forst, der Deutsche Bauernverband, die AGDW – Die Waldeigentümer, der Fachverband Biogas sowie das Aktionsbündnis Forum Natur. Die neue Strategie dürfe die energetische Biomassenutzung nicht einschränken, appelliert das Verbändebündnis im Petitionstext an die Bundesregierung. Weiter heißt es dort: “Biomasse trägt bereits heute entscheidend zu Klimaschutz, Energieunabhängigkeit und Versorgungssicherheit durch flexible und speicherbare erneuerbare Energie bei.”

Die Deutsche Umwelthilfe sieht das anders. “Wer angesichts der aktuell weltweit wütenden Waldbrände, Hochwassern und Co. dafür plädiert, unsere wertvollen und fragilen Ökosysteme und Ressourcen weiter für die Biomassenutzung auszubeuten, verkennt die Lage”, sagt der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe Sascha Müller-Kraenner. Für ihn ist die NABIS “ein längst überfälliger Schritt.” Bestehende Fehlanreize zur energetischen Nutzung wie die Förderung von Agrosprit müssten schnellstmöglich beendet werden, fordert Müller-Kraenner. Bioenergie dürfe nur dann verwendet werden, wenn sie aus naturverträglichen Substraten und unvermeidbaren Reststoffen und Abfällen bestehe.

Bislang wird Bioenergie in Deutschland vor allem in drei Formen genutzt:

  • Biokraftstoffe, zum Beispiel in Form von Bioethanol, das Benzin beigemischt wird
  • Biogas zur Verstromung aus Biogasanlagen
  • Feste Biomasse wie Holz, hauptsächlich zur Wärmeerzeugung

Die Energiedebatte rund um den Ukrainekrieg, die Anforderungen der Klimaneutralität und das Auslaufen der Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) führen aktuell dazu, dass sich die Landschaft der Bioenergie verändert.

Wo die Debatte um Bioenergie steht

  • Stoffliche Nutzung ist effizienter: Wenn sich ein Produkt zur stofflichen Nutzung eignet, ist das fast immer sinnvoller als aus dem Produkt Energie zu gewinnen. Ein Beispiel: Es ist nachhaltiger, mit Holz zu bauen, als es zu verbrennen.
  • Fehlförderung: Biobauern klagten jahrelang, dass konventionelle Landwirte ihnen mit hochsubventionierten Biogasanlagen die Pachtäcker wegschnappten. Die Politik hat reagiert, auch um Monokulturen wie etwa beim Mais zu verhindern: Inzwischen gibt es einen sogenannten Maisdeckel. Aktuell dürfen zur Energiegewinnung in Biogasanlagen noch maximal 40 Prozent Mais genutzt werden, bis 2026 wird der Anteil auf 30 Prozent abgesenkt. Festgelegt ist das im EEG.
  • Flächenfresser: “Beim Umbau zu erneuerbaren Energien ist Fläche der begrenzende Faktor”, sagt Kai Niebert, Vorsitzender des Deutschen Naturschutzrings. Insgesamt 14 Prozent der Ackerfläche werden zur Energiegewinnung genutzt. Bei der knappen Fläche konkurriert zum einen die Energiegewinnung mit der Nahrungsmittelproduktion. Zum anderen stehen sich auch die anderen Möglichkeiten, erneuerbaren Strom zu erzeugen, gegenüber. Nach Berechnungen des Umweltbundesamts kann jährlich pro Hektar mit einer Fotovoltaikanlage rund 40-mal mehr Strom erzeugt werden, als durch Einsatz von Mais in Biogasanlagen.

Wohin sich Bioenergie entwickeln könnte

  • Der Krieg in der Ukraine macht Holz interessanter: Immer mehr Menschen bauen in ihren Häusern Kaminöfen, um mit Holz zu heizen. Experten sehen das kritisch. “Energie aus Primärholz zu erzeugen, dürfte, wenn überhaupt, nur in wenigen Fällen nachhaltig sein”, sagt Wissenschaftler Harry Schindler vom Deutschen Biomasseforschungszentrum. Hermann Hansen von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe glaubt jedoch, dass der neue Fokus auf Holz nicht lange anhalten wird.
  • Förderungsstruktur ändert sich: Die EEG-Förderung der Biogasanlagen läuft aus, wodurch die Biogasherstellung wirtschaftlich unattraktiver wird. Gleichzeitig werden die Auflagen strenger. “Die in 2022 umgesetzte Erweiterung der Nachhaltigkeitszertifizierung auf die Stromerzeugung aus gasförmiger und fester Biomasse nach den Vorgaben der Erneuerbare Energien Richtlinie (RED II) verlief für die Bioenergie insgesamt desaströs”, resümiert Sandra Rostek, Leiterin des Hauptstadtbüros Bioenergie. Für die Anlagenbetreiber bestünde ihr zufolge immer das Risiko, die Vergütung aus dem EEG zu verlieren. Dasselbe würde sich laut Rostek nun auch bei der anstehenden Umsetzung der RED III anbahnen. “Wenn die Bürokratie nicht abgebaut, sondern praxisfern umgesetzt und sogar noch ausgebaut wird, droht ein Rückbau des Bioenergieanlagenparks”, warnt Rostek.
  • Der Wissenschaftler Harry Schindler fordert, Bioenergie solle umfassender in die CO₂-Bepreisung aufgenommen werden, sodass der Markt entscheide und nicht immer kleinteiligere politische Regelungen notwendig würden. Zusätzlich plädiert er dafür, dass Kohlenstoffsenken aus Biomasse durch Subventionen unterstützt werden.
  • Verwertung von Reststoffen: Der Trend geht weg vom Anbau von Produkten zur Energiegewinnung. Stattdessen werden Rest-, Abfall- oder Nebenprodukte der Landwirtschaft in Zukunft eine größere Rolle spielen.
  • Erneuerbare Energien
  • Klima & Umwelt

News

Polen lässt ukrainisches Getreide zur Ostsee durch

Polen hat das Einfuhrverbot für ukrainische Agrarprodukte aufgeweicht. Am Mittwoch unterzeichnete das Land ein Abkommen mit der Ukraine und Litauen, das den Transit von ukrainischem Weizen, Raps, Mais und Sonnenblumen durch das polnische Territorium zu den litauischen Häfen an der Ostsee erlaubt. Von dort soll das Getreide weiter zu den Märkten in Afrika und im Nahen Osten transportiert werden. 

Polen verzichtet dabei auf Kontrollen an der polnisch-ukrainischen Grenze, erwartet aber von Vilnius eine Inspektion der Transporte bei der Ankunft in Litauen. Diese soll bestätigen, dass kein ukrainisches Getreide in Polen geblieben ist.

Seit einem Jahr behauptet Warschau, dass die Öffnung der Grenze und die Abschaffung der Einfuhrzölle für ukrainische Agrarprodukte die polnischen Bauern in den Ruin treibe. Auf Betreiben Polens und der Slowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien hat die EU im Frühjahr einen Einfuhrstopp für ukrainisches Getreide verhängt, den Brüssel am 15. September auslaufen ließ. Warschau kam dem zuvor und verlängerte eigenmächtig das Embargo – und verstieß damit gegen EU-Recht. Für Agrarpolitik der Mitgliedsstaaten ist Brüssel zuständig. 

Wahlkampf überschattet Beziehungen zur Ukraine

Die Entscheidung sorgte für auch Verstimmung in Kiew: Präsident Wolodymyr Selenskyj beschuldigte die polnische Regierung, mit ihrer Politik Russland zu unterstützen und verklagte das Land vor der Welthandelsorganisation. Darauf drohte Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki, weitere Waffenlieferungen aus Polen an die Ukraine zu stoppen. Die Verlängerung des Embargos und die harsche Reaktion auf die “ukrainische Undankbarkeit” hat einen Grund: In Polen herrscht Wahlkampf, am 15. Oktober wird das Parlament gewählt. Die Regierungspartei PiS kämpft um die Stimmen der Bauern, ohne die sie kaum Siegeschancen hat.

Das am Mittwoch unterzeichnete Abkommen zeigt, dass mit einem Hauch von gutem Willen das Problem zu lösen sein könnte. Schon kurz nach dem Krieg begannen die EU-Staaten “Solidaritätskorridore” einzurichten, durch die sämtliche ukrainische Agrarprodukte im Transit zu den Exporthäfen in Litauen, Polen, Deutschland und Rumänien rollen sollten. “Wir wollten der Ukraine damit die Ausfuhren ermöglichen und nicht entscheiden, wer der Endabnehmer sein wird”, sagt Eric Maier, Sprecher der EU-Kommission. Das nutzten gewiefte Zwischenhändler in Polen aus: Sie kauften das ukrainische Getreide auf dem Weg zum Hafen auf – und verkauften es mit Gewinn in Polen weiter.

Die Schäden, die den polnischen Bauern entstanden sind, halten sich in Grenzen. Denn die Kapazität aller Transitkorridore, die aus der Ukraine durch Polen Richtung Westen führen, beträgt maximal 1,5 Millionen Tonnen im Monat. Nicht genug, um die von Russland blockierten Schwarzmeer-Häfen zu ersetzen. ar

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Hoekstra und Šefčovič als Klimakommissar und Green-Deal-Kommissar bestätigt

Das Europäische Parlament hat am vergangenen Donnerstag der Ernennung Wopke Hoekstras zum neuen EU-Klimakommissar offiziell zugestimmt. Am Donnerstag erhielt der ehemalige niederländische Außenminister bei der Abstimmung im Parlament eine große Mehrheit – 279 Ja-Stimmen gegen 173 Nein-Stimmen und 33 Enthaltungen.

Auch Maroš Šefčovič wurde vom Parlament als designierter Green-Deal-Kommissar gebilligt. Er erhielt 322 Ja-Stimmen gegen 158 Nein-Stimmen und 37 Enthaltungen, ebenfalls in geheimer Abstimmung.

Vor der Abstimmung hatte es Kritik an Hoekstra wegen dessen früheren Tätigkeiten, unter anderem für den Ölkonzern Shell, gegeben. Nach einem positiven Votum am Mittwoch im Umweltausschuss war aber erwartet worden, dass Hoekstra im EP bestätigt wird. Die EU-Länder haben der Ernennung am gestrigen Montag in Brüssel zugestimmt. rtr/lei

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Renaturierung: Nächster Trilog soll den Durchbruch bringen

In der ersten Trilogsitzung zum Renaturierungsgesetz nach der Sommerpause haben Parlament und Rat der Kommission den Auftrag gegeben, Vorschläge für mögliche Kompromisse auszuarbeiten. Das gilt insbesondere für die strittigen Themen wie die Wiedervernässung von Mooren, das Verschlechterungsverbot, die Ausweitung des Geltungsbereiches und die Finanzierung von Wiederherstellungsmaßnahmen. Bei sogenannten technischen Sitzungen, die in enger Taktfolge für die kommenden Wochen angesetzt sind, soll anschließend ausgelotet werden, ob sie die Basis für eine Einigung zwischen den Co-Gesetzgebern sein können.

Die letzte Trilog-Runde ist für den 7. November angepeilt. Bei dieser Sitzung wollen sich beide Seiten in einer Open-End-Sitzung einigen. Die gestrige Sitzung im Trilog war auf drei Stunden angesetzt, aber schon nach zwei Stunden vorbei. Aus Verhandlungskreisen heißt es, dass keine Verhandlungen stattfanden. Die Beteiligten hätten lediglich ihre Positionen zu den Artikeln vorgetragen und die bereits in den bisherigen technischen Sitzungen getroffenen Einigungen bestätigt. mgr/luk

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Mercosur: Ab jetzt wöchentliche Verhandlungen

Unterhändler der Europäischen Union und des südamerikanischen Staatenbunds Mercosur wollen Tempo machen mit den Verhandlungen für das Freihandelsabkommen. Ein Diplomat sagte der Nachrichtenagentur Reuters, man befinde sich “in einer intensiven Verhandlungsphase”. Aktuell werde versucht, die Stellungnahmen beider Seiten zusammenzuführen.

Zu den strittigen Punkten soll es nun wöchentliche Gesprächsrunden geben, per Videokonferenz und persönlich, sagte ein Sprecher des brasilianischen Außenministeriums. Am 30. Oktober sollen dann die Chefunterhändler in Brasilia zusammenkommen, um eine Bilanz der erzielten Fortschritte zu ziehen.

Antwort auf Zusatzerklärung wohl endlich da

Die Europäische Union hatte seit März auf die Antwort des Mercosur auf ihr Zusatzprotokoll gewartet. Diese Zusatzerklärung sieht Verpflichtungen für die Länder in Bezug auf Nachhaltigkeit und Klimawandel vor. Inzwischen gebe es einen einseitigen Gegenvorschlag, der die Grundlage für die Gespräche in dieser Woche in Brasilia bilde, erklärten zwei europäische Diplomaten gegenüber Reuters. Aktuell besteht die Hoffnung, das Abkommen noch bis Ende des Jahres abzuschließen.

Brasilien, das dem Mercosur derzeit vorsteht, ist mit den von der EU in einer Zusatzerklärung eingefügten Umweltschutzbestimmungen nicht einverstanden. “Das Addendum ist voller Auflagen, aber kein Wort über die Kosten für den Erhalt dieses Umweltgutes“, sagte Landwirtschaftsminister Carlos Fávaro gegenüber Reuters. Er sagte, die EU sei ein wichtiger Markt für Brasilien, warnte aber, dass sich in Asien und im Nahen Osten andere Märkte öffneten, die weniger restriktiv seien. rtr/lei

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Wegen Krebsgefahr: Neue EU-Nitrit-Grenzwerte für Lebensmittel

In der EU gelten künftig neue Grenzwerte für Nitrite und Nitrate in Lebensmitteln. Die neuen, deutlich reduzierten Grenzwerte für Zusatzstoffe senken die Belastung durch krebserregende Stoffe, wie die EU-Kommission am Freitag in Brüssel mitteilte. Verbraucher würden auch vor bestimmten Bakterien geschützt. Allgemeinen senkten die neuen Vorschriften die Höchstwerte für Nitrite um etwa 20 Prozent. Die Lebensmittelindustrie habe zwei Jahre Zeit, ihre Produkte den neuen Grenzwerten anzupassen.

Dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) zufolge sind Nitrate selbst zwar relativ unbedenklich. “Nitrate können aber bereits im Lebensmittel oder während der Verdauung durch Einwirkung von Bakterien in Nitrit umgewandelt werden, dem eigentlich gesundheitlich problematischen Stoff”, heißt es auf der Internetseite des BfR. Die Grenzwerte gelten Kommissionsangaben zufolge etwa für Lebensmittel wie Käseprodukte oder gepökeltes Fleisch. Laut BfR ist Nitrit Bestandteil von Pökelsalz. dpa

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Fast die Hälfte der Menschheit ist zu arm für gesundes Essen

Weltweit haben mehr als zwei Milliarden Menschen nicht genug Geld, um sich gesund zu ernähren. Das ist das Ergebnis einer Studie, die das Hilfswerk Misereor und Wissenschaftler der Universität Göttingen vergangene Woche in Berlin vorgestellt haben. Besonders betroffen sind Teile Afrikas und Asiens. Am schwierigsten ist die Lage in Madagaskar, wo die Menschen im Durchschnitt nur über ein Viertel des Einkommens verfügen, das sie für eine gesunde Ernährung benötigen.

“Gesunde Ernährung ist ein Menschenrecht, von dem weltweit zwei von fünf Menschen ausgeschlossen sind”, betont Lutz Depenbusch, Ernährungsexperte bei Misereor. Der Grund: Ihnen fehlt das Geld, um gutes Essen zu kaufen. In der Studie wird dieser Missstand als “Armutslücke gesunder Ernährung” bezeichnet. Sie beläuft sich für das Jahr 2021 weltweit auf insgesamt drei Billionen US-Dollar. Das entspreche zwar nur 2,2 Prozent des Welteinkommens, wirke sich aber auf 41 Prozent der Menschheit aus, so Depenbusch.

Moralisches Versagen der Weltgemeinschaft

“Besonders groß ist die Armutslücke in den Weltregionen Subsahara Afrika und Südasien”, sagt Jonas Stehl, Entwicklungsökonom an der Universität Göttingen. Allein auf Subsahara Afrika entfielen 40 Prozent der globalen Armutslücke, auf Südasien 35 Prozent, so Stehl. Im Ländervergleich ist das Problem in Indien, Nigeria und Indonesien am größten. Die höchste Pro-Kopf-Belastung hat Madagaskar. “Ohne Unterstützung von anderen Staaten wird es Ländern wie Madagaskar kaum möglich sein, die Versorgung mit gesunder Ernährung für alle Menschen zu gewährleisten”, erklärt Stehl.

Aus Sicht von Misereor braucht es dafür eine gerechtere Verteilung der Einkommen. Bereits eine Reichensteuer in Höhe von 1,2 Prozent würde Steuereinnahmen im Umfang von 78 Prozent der Armutslücke generieren, so Depenbusch. Er nennt es deshalb ein moralisches Versagen, “wenn die Weltgemeinschaft den wachsenden Reichtum nicht stärker dafür einsetzt, das grundlegende Recht auf eine gesunde Ernährung aller Menschen zu sichern.” ch

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Presseschau

Weltpreisindex für Nahrungsmittel bleibt weitgehend stabil AgE
Insektenrückgang in Deutschland: Studie zu Ursachen entfacht Streit um Rolle der Agrarwirtschaft FAZ
Bundesrat fordert mehr Bodenschutz bei PV-Ausbau top agrar
Interview: Joachim Rukwied vom Deutschen Bauernverband sieht Neue Genomische Techniken als Chance für mehr Klimaschutz Tagesspiegel
Gericht genehmigt Insolvenzvertrag von Mein Real Lebensmittelzeitung
EU-Kommission: Details zu strategischen Dialog mit der Landwirtschaft noch unklar AgE
Französische Regierung plant strukturelle Entlastungen für Rinderhalter AgE
Interview: Cem Özdemir über den Westbalkan und die Rolle der Ernährungspolitik Die Zeit
Zollkontrollen in Niedersachsen zeigen: Mindestlohnbetrug und Schwarzarbeit in der Landwirtschaft weit verbreitet NDR
OVID kritisiert Novellierung des Bundesimmissionsschutzes AgE
REWE testet Lieferung von Lebensmitteln per Drohne Lebensmittelzeitung

11.10.2023 – 14:00-15:00 Uhr, online
Diskussionsveranstaltung Digital Talk: Ist Tierhaltung in Deutschland noch zeitgemäß?
Bei dem digital Talk diskutieren Philipp Burckhardt von Farm.Food.Climate, die Landwirtin Jana Gäbert, Dirk Höhler von Evonik und der Professor für Tierethik Peter Kunzmann über die Zukunft der Tierhaltung in Deutschland. INFOS

11.10.-12.10.2023, Berlin
Tagung DAF-Tagung 2023
Bei der diesjährigen Tagung vom Dachverband wissenschaftlicher Gesellschaften der Agrar-, Forst-, Ernährungs-, Veterinär und Umweltforschung (DAF) wird über die Rolle von Wäldern und Bäumen im Klimawandel sowie Lösungsmöglichkeiten für Politik und Stakeholder diskutiert. INFOS

13.10.2023 – 10:00-18:00 Uhr, Berlin/online
BMEL, Konferenz Charta für Holz 2.0 im Dialog
Bei der Konferenz diskutieren das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) gemeinsam mit Stakeholdern die im Juni 2023 im Bundeskabinett verabschiedete Holzbauinitiative. Geplant sind Impulse und Diskussionen sowie Workshops zu den Schwerpunkten der Initiative, deren Erkenntnisse in die weitere Umsetzung der Holzbauinitiative einfließen sollen. INFOS

12.10.-13.10.2023, Dresden/online
BMEL, Kongress Internationaler Kongress zur nachhaltigen Honigbienenhaltung
Im Zentrum des Kongresses steht die internationale Tragweite der Honigbienengesundheit. Die Veranstaltung soll zu einem verbesserten Austausch zwischen Imkerinnen und Imkern, Behörden und Wissenschaft beitragen. INFOS

12.10.-13.10.2023, Freising-Weihenstephan
Diskussionsveranstaltung AgriSymposium mit dem Schwerpunkt Alternative Proteinquellen
Bei dem agrarwissenschaftliche Symposium des Hans Eisenmann-Forums diskutieren Experten, Forscher und Fachleute aus dem Bereich der Agrarwissenschaften die neuesten Entwicklungen und Innovationen in der Lebensmittelproduktion. Der Schwerpunkt dieser Veranstaltung liegt auf alternativen Proteinen. INFOS

11.11.2023, Hannover
Diskussionsforum Wirtschaftsforum der agrarzeitung
Bei dem Wirtschaftsforum der agrarzeitung trifft sich ein ausgewählter Kreis von Vertreterinnen und Vertretern von Landtechnik- und Handelsunternehmen der Agrarwirtschaft, führenden Herstellern von Betriebsmitteln, sowie innovativen Agrifood-Start-Ups zum jährlichen Austausch. INFOS

04.12.2023 – 10:00-14:00 Uhr, Berlin
BMEL Festveranstaltung zum Boden des Jahres 2024
Am 5. Dezember 2023 wird im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in Berlin der “Boden des Jahres 2024” gekürt. Die Festveranstaltung findet im Rahmen des Internationalen Weltbodentags statt, der die Bedeutung des Bodens und seine Schutzwürdigkeit besonders hervorheben soll. INFOS

Standpunkt

Özdemir zeigt Flagge im Westbalkan und in Moldawien

Von Per Brodersen
Per Brodersen, Geschäftsführer der German Agribusiness Alliance, sieht großes Potenzial in der Kooperation mit der Moldau-Region

Mit seiner jüngsten Auslandsreise Richtung Westbalkan und dem EU-Beitrittskandidaten Moldau hat Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) Flagge gezeigt: Wirtschaftliche und politische Entwicklung gehen meistens Hand in Hand – Kooperation im Agrar- und Ernährungssektor über Landesgrenzen hinweg lohnt sich für uns alle.

Die Ministerreise fand – wieder einmal – in schwierigen Zeiten statt: Russland führt seit bald zwei Jahren Krieg gegen die Ukraine. Im Juli hat Russland, das mühevoll verhandelte und unter Vermittlung der Vereinten Nationen zustande gekommene Getreideabkommen nicht verlängert. Schwarzmeer-Schiffe, die ukrainisches Getreide aus ukrainischen Häfen in alle Welt transportieren wollen, betrachtet der russische Aggressor erneut als legitimes militärisches Ziel. In Folge steigen die Getreidepreise weltweit. Auch andere Partner lässt Russland im Stich: Rund 100.000 Flüchtlinge sind das Ergebnis des Kriegs um die Enklave Berg-Karabach im Südkaukasus.

Produktion, Verarbeitung und Logistik stehen unter großem Druck

Die wegen Russlands Krieg bitter notwendig gewordenen Landexportrouten für weltweit gehandelte ukrainische Agrarprodukte führen nun entsprechend durch die Europäische Union. Allerdings verhängen mehrere osteuropäische Mitgliedsstaaten, die direkt an die Ukraine grenzen, Importverbote, weil sie Einkommensverluste für die eigenen Bauern befürchten. Das eingespielte Miteinander von Produktion, Verarbeitung und Logistik steht also unter großem Druck – und all dies nach einer weltweiten Pandemie, deren Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft, inklusive Lebensmittellieferketten, noch nicht überwunden sind.

Warum also stattet Özdemir ausgerechnet dem entfernten, kleinen Moldau einen Besuch ab? Die kleine ehemalige Sowjetrepublik liegt unweit vor dem Schwarzen Meer und hat es geopolitisch ebenfalls nicht einfach. Trotzdem hat das Land zehntausende Flüchtlinge aus der Ukraine klaglos aufgenommen. Besonders ist Moldau aber vor allem wegen seines Zugangs zur Donau. Am südlichen Dreiländereck zwischen Rumänien und der Ukraine beschränkt sich der Donauzugang lediglich auf 450 Meter.

Ukrainische Getreideexporte: Giurgiulești ist von zentraler Bedeutung

Umso größer ist die Bedeutung des kleinen und einzigen Donauhafens des Landes im Dorf Giurgiulești. Getreideexporte können hier trotz Russlands Krieg gegen die Ukraine abgewickelt werden. Am vergangenen Donnerstagabend traf sich Minister Özdemir dort mit seinem moldauischen Amtskollegen Vladimir Bolea. Die angespannte Situation in Giurgiulești war mit Händen zu greifen: Moldauische Getreide-LKWs stauen sich in der Spätsommerhitze tagelang in Richtung EU, ihnen kommen ukrainische Treibstoff-LKWs gen Odessa entgegen, Wachhunde kläffen an den zwei Grenzwachtürmen am Fluss und an den mannshohen Erdwällen, die die Ukraine zum eigenem Schutz aufgeschüttet hat.

Erst kurz vor dem Treffen erfuhr der moldauische Agrarminister Bolea, dass Rumänien die Grenze für moldauisches Getreide schließen will – ein echter Schlag ins Kontor von Bolea, der sein Land bis 2030 in die EU führen will und Rückschläge nicht gebrauchen kann.

Potenzial für Agrarwirtschaft ist enorm

Das Potenzial der Region für westliche Unternehmen ist beträchtlich: Nicht nur der begonnene EU-Beitrittsprozess erfordert neue Technologien und Audits, der Modernisierungsbedarf für Landtechnik ist groß, die Klimakrise erfordert auch in Moldau Stressresilienz im Pflanzenbau und Ressourcenschonung in der Tierhaltung. Die klimatischen Bedingungen sind für den Weinanbau ideal (Moldaus Winzereien sprechen für sich allein), im Süden finden sich jene extrem guten Podsol-Böden, für die die Ukraine weltberühmt ist.

Hier Einsatz zu zeigen für berechenbare politische Rahmenbedingungen, für wirtschaftlich starke ländliche Räume und nachhaltige Ansätze in der Agrarwirtschaft in Frieden und Freiheit – dies ist in unseren unruhigen Zeiten eine echte Investition in die Zukunft. Klar ist: Mit politischem Augenmaß können auch zukünftige EU-Erweiterungsrunden eine Erfolgsgeschichte werden. Denn egal ob Politik oder Wirtschaft: Ernährungssicherheit geht uns alle an.

Per Brodersen, Jahrgang 1974, ist Geschäftsführer der German Agribusiness Alliance in Berlin, einer Initiative der deutschen Wirtschaft für internationale Kooperation im Agrar- und Ernährungssektor mit den Ländern Asiens und Afrikas, Osteuropas und Zentralasiens. Er führt für seine Mitgliedsunternehmen regelmäßig Gespräche mit Politik und Wirtschaft in der Region und war auch vergangene Woche in Moldau dabei.

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  • Ukraine

Agrifood.Table Redaktion

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    der Countdown läuft: Am Freitag stimmen die EU-Mitgliedstaaten im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel (SCoPAFF) über den Vorschlag der EU-Kommission für eine erneute Zulassung des umstrittenen Herbizids Glyphosat ab. Befürworter und Gegner einer erneuten Zulassung sind alarmiert und werben in dieser Woche in eigener Sache für ihre Position.

    Heute Vormittag informiert die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch über den “Pestizid-Einsatz bei Brot, Haferflocken und Co.”. Im Vorfeld teilen die Verbraucherschützer mit, dass der “massive Einsatz von Ackergiften im Getreideanbau – und seine fatalen Folgen für Umwelt, Klima und Biodiversität” bisher kaum Beachtung finde – im Gegensatz zu Rückständen bei Obst und Gemüse. Mithilfe der Ergebnisse will Foodwatch nach eigenen Angaben “Nachhaltigkeitsversprechen von Supermarkt-Ketten wie Edeka oder Aldi entlarven”.

    Einen Tag später – am Mittwoch – wird die Geschäftsführerin von Bayer Crop Science Deutschland, Karin Guendel Gonzalez, eine Petition mit der Forderung “Glyphosat: Kein Verbot ohne Alternative” vor dem Deutschen Bundestag an ausgewählte Abgeordnete überreichen. Dafür habe das Unternehmen rund 17.000 Unterschriften gesammelt, deren Unterzeichnende eine erneute Zulassung von Glyphosat unterstützen.

    Es bleibt spannend!

    Ihre
    Henrike Schirmacher
    Bild von Henrike  Schirmacher

    Analyse

    Verlorene Erde: Russlands Krieg vernichtet ukrainische Agrarflächen

    Felder im Osten der Ukraine: von Minen und Artilleriegeschossen zerfurcht.

    Im Kiewer Büro von Alex Lissitsa hängt ein Bild von einem Schneidebrett und einem Messer, im Bild ist ein Text: “Wenn man viel teilt, bleibt nichts zum Regieren übrig.” Es kann eine Anspielung auf den Krieg zwischen Russland und der Ukraine sein, immerhin hatten russische Truppen gut 20 Prozent des ukrainischen Territoriums zwischenzeitlich besetzt. Die Botschaft des Bildes passt in jedem Fall aber zum Denken und Handeln des Geschäftsführers des ukrainischen Agrarunternehmens IMC Agro.

    Mit 120.000 Hektar Anbaufläche ist es der zehntgrößte Agrarbetrieb des Landes. Die Invasion der russischen Armee im Februar 2022 traf den Konzern sofort. “100.000 Hektar waren besetzt, inklusive 1000 Milchkühe und einigen Silos”, berichtet Lissitsa. 44 Tage lang kontrollierten die Besatzer diese Fläche im Norden und Osten der Ukraine und hinterließen gewaltige Probleme.

    Eineinhalb Jahre später gelten 35.000 Hektar als “war affected” – das Gebiet war vermint oder von Geschossen so versehrt, dass es vorübergehend nicht genutzt werden konnte. Ein Silo in Tschernihiw war von Raketen durchlöchert, die Kühe wurden lange nicht versorgt, mussten schließlich notgeschlachtet werden. 5.000 Hektar können weiterhin nicht genutzt werden, weil sie vermint sind. Zweimal bereits sind Traktorfahrer unerlaubterweise auf nicht geräumte Flächen gefahren, Minen explodierten, die Traktoren wurden beschädigt, die Fahrer des Unternehmens überlebten. Doch in anderen Fällen, wie Reuters erst Mitte September meldete, töten Minen auf den Feldern die Bauern.

    Nach neuen Schätzungen der Wirtschaftsministerin Julia Swiridenko gelten 174.000 Quadratkilometer als von Kriegsmitteln potenziell belastete Fläche. Im Norden, Osten und Süden der Ukraine sind viele Landwirte mit den gleichen Problemen konfrontiert:

    • Durch Landminen und Chemikalien in Geschossen verseuchte Böden
    • Keine Ressourcen für Minenräumungen
    • Verseuchung des Grundwassers
    • Durch schwere Militärtechnik beschädigte Bodenstrukturen
    • Exportprobleme nach Russlands Ausstieg aus dem UN-Getreideabkommen
    • Stark gestiegene Logistikpreise

    Rund 32,8 Millionen Hektar Land in der Ukraine sind als Agrarfläche ausgewiesen – gut fünf Millionen Hektar, mehr als 15 Prozent, können aktuell als Kriegsfolge nicht genutzt werden. Je länger der Krieg dauert, je mehr Minen verlegt werden und explodieren, je mehr Artilleriegeschosse verschossen werden, desto mehr Agrarland wird geschädigt, heißt es in der GLOBSEC-Studie über Verminung in der Ukraine “Walking on Fire: Demining in Ukraine”.

    Alte sowjetische Artillerie ist besonders problematisch

    “Keiner kümmert sich momentan um die Böden, jetzt geht es erstmal darum, zu überleben. Dass es Schäden gibt, ist ja keine Frage”, sagt der Unternehmer Lissitsa. Laut einer Untersuchung der ukrainischen Umweltschutzorganisation Ecoaction schädigen die Kämpfe in mehrfacher Weise die fruchtbare Erde: Veränderung der Böden durch Explosionen, Schützengräben, eingegrabener, schwerer Technik, Belastung durch Hitze und Erschütterungen sowie durch Schwermetalle und chemische Wirkungen nach Explosionen.

    Besonders Minen und Artilleriegeschosse aus sowjetischer Produktion (für Haubitzen D-20 und D-30) setzten Schwermetalle frei, die sich im Humus ablagerten. Beispielhaft hat die NGO Ecoaction in zwei Regionen im Osten und im Süden genauere Bodenanalysen vorgenommen und kommt zu dem Schluss, dass ein Teil der Agrarböden zu schwer belastet ist, er müsse als landwirtschaftliche Flächen aufgegeben werden, erläutert Mariia Diachuk auf Anfrage. Konkretere Angaben seien derzeit schwierig. “Zuerst müssen die Fläche von Minen geräumt werden, dann müssten komplexe Bodenuntersuchungen erfolgen.”

    Das Unternehmen IMC Agro habe nach 44 Tagen Besatzung acht Monate gebraucht, um die meiste Fläche von Minen und Kriegsüberresten zu reinigen, berichtete Lissitsa. Staatliche Minenräumer und private Minenräumunternehmen – eine neue Branche im Land – hätten geholfen. “Aber Bodenanalysen haben wir noch nicht gemacht”, sagt er.

    Wo und wie viele Minen liegen, ist kaum bekannt

    Aus Mangel an Minenräumern nehmen manche Landwirte das Problem selbst in die Hand. Sie rüsten Traktoren zu selbstfahrenden Fahrzeugen um, schalten schwere Walzen vor und fahren die Felder ab. Sie finden Minen, müssen nach den Explosionen häufig die Walzen reparieren oder ganz tauschen. Ein großes Problem sei aber, dass die genaue Zahl der Minen, und wo sie auf den Feldern verlegt seien, nicht bekannt sei, berichtet ein Farmer aus der Region Charkiw dem ukrainischen Portal dumka.media.

    Obwohl viele Landwirte wegen des Krieges ihre Flächen nicht bewirtschaften können, melden staatliche Stellen eine sehr gute Ernte in diesem Jahr. Das bestätigt auch Lissitsa: “Wer hätte es ahnen können, dass wir mit weniger Düngemittel und weniger Pflanzenschutzmittel eine so gute Ernte haben werden. Das Wetter hat gut mitgespielt”, erläutert er. Aber das gelte auch für Russland. “Die fluten gerade den Weltmarkt mit ihrem Weizen, das drückt den Preis.”

    Russland behindert zusätzlich den Export ukrainischer Produkte. “Wir haben im Odessa-Hafen Weizen und Mais im Wert von zehn Millionen Euro liegen. Aber nach sechs Monaten ist die Qualität inzwischen so, dass es nur noch für Futter reicht”, sagt Lissitsa. Nach dem Ausstieg Moskaus aus dem Getreideabkommen im Juli können der Weizen und der Mais nicht mehr exportiert werden. Zusätzlich beschießt Russland sowohl die Speicher im Odessa-Hafen als auch die Hafen-Anlage an der Donau in Ismajil, direkt an der rumänischen Grenze.

    Auf die großen Probleme reagiert IMC Agro mit großen Investitionen: “Wir haben gerade 75 MAN-Lastwagen bestellt und dafür einen Kredit von der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung erhalten”, sagt Lissitsa. Früher hätten sie den Abtransport von Dienstleistern abwickeln lassen, doch die Preise für Logistik seien jetzt zu hoch. Also selbst machen.

    Und bei den Lastwagen hören die Pläne nicht auf. Alex Lissitsa, der in Deutschland studiert hat, will die Standards im IMC Agro heben. Langfristig solle sich die Landwirtschaft in der Ukraine an den Normen der EU orientieren, sagt er.    

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    Nationale Biomassestrategie: Zukunftsperspektiven mit Sprengkraft

    Die Bundesregierung will Biomasse aus der Forst-, Land- und Abfallwirtschaft künftig nachhaltiger einsetzen. Wie genau, das soll die im Koalitionsvertrag angekündigte Nationale Biomassestrategie (NABIS) klären. Doch die lässt auf sich warten. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) will das Papier zwar demnächst gemeinsam mit dem Bundesministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (BMUV) sowie dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) vorlegen, liegt damit jedoch schon jetzt deutlich hinter dem Zeitplan.

    Dass das Bundeskabinett die NABIS – wie angedacht – noch in diesem Jahr verabschieden wird, hält selbst BMWK-Vertreter Martin Waldhausen für “sehr sportlich”. Beim Fachforum zur Nationalen Biomassestrategie, zu dem das Hauptstadtbüro Bioenergie am gestrigen Montag Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft geladen hatte, verwies er auf die anhaltenden Abstimmungen zwischen den drei Grün-geführten Ministerien: “Die Interessenlagen in den drei Häusern sind schon unterschiedlich”, sagte Waldhausen, der im BWMK das Referat Klimaschutz, Land- und Forstwirtschaft und Biomasse leitet. In Expertenkreisen gelten Unstimmigkeiten zwischen den Ministerien als Grund für die sich immer weiter verzögernde Veröffentlichung der NABIS.

    Die hohen Erwartungen der Branche an die NABIS bremste Waldhausen bei der Veranstaltung vorsichtig aus. “Wir werden mit der NABIS nicht den Schalter umlegen, sondern einen Prozess anstoßen”, so der Vertreter aus dem BMWK. Aber: Es seien schon konkrete Maßnahmen vorgesehen, die Rahmenbedingungen verändern könnten.

    Eckpunktepapier gibt Richtung vor

    In welche Richtung diese Veränderungen gehen könnten, zeigt ein Eckpunktepapier der drei Ministerien aus dem vergangenen Jahr. Darin wird die Nutzung von Biomasse aus Abfallstoffen forciert und die Verwendung von Mais oder Raps für den Nahrungsmittelgebrauch gegenüber der Energieerzeugung priorisiert. Die NABIS soll Wege aufzeigen, wie Biomasse mittel- und langfristig genutzt werden kann – mit anderen Worten, Weichen stellen. Allein dadurch birgt die Strategie, auch ohne selbst gesetzlich bindende Vorgaben zu machen, schon im Vorfeld politischen Sprengstoff.

    Während die Ministerien die Strategie noch verhandeln, laufen Verbände aus dem Bereich der Bioenergie sowie der Land- und Forstwirtschaft bereits Sturm. Schon das Eckpunktepapier aus dem vergangenen Herbst hält Gerolf Bücheler, Geschäftsführer des Bundesverbands Bioenergie (BBE), für “relativ biomassekritisch”. Es verkenne ihm zufolge, dass es bereits zahlreiche ordnungsrechtliche Vorgaben für die Nachhaltigkeit der Biomasseerzeugung in Deutschland gebe, und dass mit der dritten Novelle der EU-Richtlinie für erneuerbare Energien (RED III) auch noch eine Verschärfung der Nachhaltigkeitszertifizierung ins Haus stünde. Zusätzliche detaillierte rechtliche Regelungen brauche es nicht, so Bücheler.

    Verbände richten Appell an die Bundesregierung

    Um dieser Position noch vor Veröffentlichung der Strategie Nachdruck zu verleihen, hat der Bundesverband Bioenergie die Land- und Forstwirte in Deutschland dazu aufgerufen, einen Appell zur Biomassestrategie zu unterzeichnen. Zu den Initiatoren gehören neben Bücheler und seinem Verband die Familienbetriebe Land und Forst, der Deutsche Bauernverband, die AGDW – Die Waldeigentümer, der Fachverband Biogas sowie das Aktionsbündnis Forum Natur. Die neue Strategie dürfe die energetische Biomassenutzung nicht einschränken, appelliert das Verbändebündnis im Petitionstext an die Bundesregierung. Weiter heißt es dort: “Biomasse trägt bereits heute entscheidend zu Klimaschutz, Energieunabhängigkeit und Versorgungssicherheit durch flexible und speicherbare erneuerbare Energie bei.”

    Die Deutsche Umwelthilfe sieht das anders. “Wer angesichts der aktuell weltweit wütenden Waldbrände, Hochwassern und Co. dafür plädiert, unsere wertvollen und fragilen Ökosysteme und Ressourcen weiter für die Biomassenutzung auszubeuten, verkennt die Lage”, sagt der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe Sascha Müller-Kraenner. Für ihn ist die NABIS “ein längst überfälliger Schritt.” Bestehende Fehlanreize zur energetischen Nutzung wie die Förderung von Agrosprit müssten schnellstmöglich beendet werden, fordert Müller-Kraenner. Bioenergie dürfe nur dann verwendet werden, wenn sie aus naturverträglichen Substraten und unvermeidbaren Reststoffen und Abfällen bestehe.

    Bislang wird Bioenergie in Deutschland vor allem in drei Formen genutzt:

    • Biokraftstoffe, zum Beispiel in Form von Bioethanol, das Benzin beigemischt wird
    • Biogas zur Verstromung aus Biogasanlagen
    • Feste Biomasse wie Holz, hauptsächlich zur Wärmeerzeugung

    Die Energiedebatte rund um den Ukrainekrieg, die Anforderungen der Klimaneutralität und das Auslaufen der Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) führen aktuell dazu, dass sich die Landschaft der Bioenergie verändert.

    Wo die Debatte um Bioenergie steht

    • Stoffliche Nutzung ist effizienter: Wenn sich ein Produkt zur stofflichen Nutzung eignet, ist das fast immer sinnvoller als aus dem Produkt Energie zu gewinnen. Ein Beispiel: Es ist nachhaltiger, mit Holz zu bauen, als es zu verbrennen.
    • Fehlförderung: Biobauern klagten jahrelang, dass konventionelle Landwirte ihnen mit hochsubventionierten Biogasanlagen die Pachtäcker wegschnappten. Die Politik hat reagiert, auch um Monokulturen wie etwa beim Mais zu verhindern: Inzwischen gibt es einen sogenannten Maisdeckel. Aktuell dürfen zur Energiegewinnung in Biogasanlagen noch maximal 40 Prozent Mais genutzt werden, bis 2026 wird der Anteil auf 30 Prozent abgesenkt. Festgelegt ist das im EEG.
    • Flächenfresser: “Beim Umbau zu erneuerbaren Energien ist Fläche der begrenzende Faktor”, sagt Kai Niebert, Vorsitzender des Deutschen Naturschutzrings. Insgesamt 14 Prozent der Ackerfläche werden zur Energiegewinnung genutzt. Bei der knappen Fläche konkurriert zum einen die Energiegewinnung mit der Nahrungsmittelproduktion. Zum anderen stehen sich auch die anderen Möglichkeiten, erneuerbaren Strom zu erzeugen, gegenüber. Nach Berechnungen des Umweltbundesamts kann jährlich pro Hektar mit einer Fotovoltaikanlage rund 40-mal mehr Strom erzeugt werden, als durch Einsatz von Mais in Biogasanlagen.

    Wohin sich Bioenergie entwickeln könnte

    • Der Krieg in der Ukraine macht Holz interessanter: Immer mehr Menschen bauen in ihren Häusern Kaminöfen, um mit Holz zu heizen. Experten sehen das kritisch. “Energie aus Primärholz zu erzeugen, dürfte, wenn überhaupt, nur in wenigen Fällen nachhaltig sein”, sagt Wissenschaftler Harry Schindler vom Deutschen Biomasseforschungszentrum. Hermann Hansen von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe glaubt jedoch, dass der neue Fokus auf Holz nicht lange anhalten wird.
    • Förderungsstruktur ändert sich: Die EEG-Förderung der Biogasanlagen läuft aus, wodurch die Biogasherstellung wirtschaftlich unattraktiver wird. Gleichzeitig werden die Auflagen strenger. “Die in 2022 umgesetzte Erweiterung der Nachhaltigkeitszertifizierung auf die Stromerzeugung aus gasförmiger und fester Biomasse nach den Vorgaben der Erneuerbare Energien Richtlinie (RED II) verlief für die Bioenergie insgesamt desaströs”, resümiert Sandra Rostek, Leiterin des Hauptstadtbüros Bioenergie. Für die Anlagenbetreiber bestünde ihr zufolge immer das Risiko, die Vergütung aus dem EEG zu verlieren. Dasselbe würde sich laut Rostek nun auch bei der anstehenden Umsetzung der RED III anbahnen. “Wenn die Bürokratie nicht abgebaut, sondern praxisfern umgesetzt und sogar noch ausgebaut wird, droht ein Rückbau des Bioenergieanlagenparks”, warnt Rostek.
    • Der Wissenschaftler Harry Schindler fordert, Bioenergie solle umfassender in die CO₂-Bepreisung aufgenommen werden, sodass der Markt entscheide und nicht immer kleinteiligere politische Regelungen notwendig würden. Zusätzlich plädiert er dafür, dass Kohlenstoffsenken aus Biomasse durch Subventionen unterstützt werden.
    • Verwertung von Reststoffen: Der Trend geht weg vom Anbau von Produkten zur Energiegewinnung. Stattdessen werden Rest-, Abfall- oder Nebenprodukte der Landwirtschaft in Zukunft eine größere Rolle spielen.
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    News

    Polen lässt ukrainisches Getreide zur Ostsee durch

    Polen hat das Einfuhrverbot für ukrainische Agrarprodukte aufgeweicht. Am Mittwoch unterzeichnete das Land ein Abkommen mit der Ukraine und Litauen, das den Transit von ukrainischem Weizen, Raps, Mais und Sonnenblumen durch das polnische Territorium zu den litauischen Häfen an der Ostsee erlaubt. Von dort soll das Getreide weiter zu den Märkten in Afrika und im Nahen Osten transportiert werden. 

    Polen verzichtet dabei auf Kontrollen an der polnisch-ukrainischen Grenze, erwartet aber von Vilnius eine Inspektion der Transporte bei der Ankunft in Litauen. Diese soll bestätigen, dass kein ukrainisches Getreide in Polen geblieben ist.

    Seit einem Jahr behauptet Warschau, dass die Öffnung der Grenze und die Abschaffung der Einfuhrzölle für ukrainische Agrarprodukte die polnischen Bauern in den Ruin treibe. Auf Betreiben Polens und der Slowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien hat die EU im Frühjahr einen Einfuhrstopp für ukrainisches Getreide verhängt, den Brüssel am 15. September auslaufen ließ. Warschau kam dem zuvor und verlängerte eigenmächtig das Embargo – und verstieß damit gegen EU-Recht. Für Agrarpolitik der Mitgliedsstaaten ist Brüssel zuständig. 

    Wahlkampf überschattet Beziehungen zur Ukraine

    Die Entscheidung sorgte für auch Verstimmung in Kiew: Präsident Wolodymyr Selenskyj beschuldigte die polnische Regierung, mit ihrer Politik Russland zu unterstützen und verklagte das Land vor der Welthandelsorganisation. Darauf drohte Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki, weitere Waffenlieferungen aus Polen an die Ukraine zu stoppen. Die Verlängerung des Embargos und die harsche Reaktion auf die “ukrainische Undankbarkeit” hat einen Grund: In Polen herrscht Wahlkampf, am 15. Oktober wird das Parlament gewählt. Die Regierungspartei PiS kämpft um die Stimmen der Bauern, ohne die sie kaum Siegeschancen hat.

    Das am Mittwoch unterzeichnete Abkommen zeigt, dass mit einem Hauch von gutem Willen das Problem zu lösen sein könnte. Schon kurz nach dem Krieg begannen die EU-Staaten “Solidaritätskorridore” einzurichten, durch die sämtliche ukrainische Agrarprodukte im Transit zu den Exporthäfen in Litauen, Polen, Deutschland und Rumänien rollen sollten. “Wir wollten der Ukraine damit die Ausfuhren ermöglichen und nicht entscheiden, wer der Endabnehmer sein wird”, sagt Eric Maier, Sprecher der EU-Kommission. Das nutzten gewiefte Zwischenhändler in Polen aus: Sie kauften das ukrainische Getreide auf dem Weg zum Hafen auf – und verkauften es mit Gewinn in Polen weiter.

    Die Schäden, die den polnischen Bauern entstanden sind, halten sich in Grenzen. Denn die Kapazität aller Transitkorridore, die aus der Ukraine durch Polen Richtung Westen führen, beträgt maximal 1,5 Millionen Tonnen im Monat. Nicht genug, um die von Russland blockierten Schwarzmeer-Häfen zu ersetzen. ar

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    Hoekstra und Šefčovič als Klimakommissar und Green-Deal-Kommissar bestätigt

    Das Europäische Parlament hat am vergangenen Donnerstag der Ernennung Wopke Hoekstras zum neuen EU-Klimakommissar offiziell zugestimmt. Am Donnerstag erhielt der ehemalige niederländische Außenminister bei der Abstimmung im Parlament eine große Mehrheit – 279 Ja-Stimmen gegen 173 Nein-Stimmen und 33 Enthaltungen.

    Auch Maroš Šefčovič wurde vom Parlament als designierter Green-Deal-Kommissar gebilligt. Er erhielt 322 Ja-Stimmen gegen 158 Nein-Stimmen und 37 Enthaltungen, ebenfalls in geheimer Abstimmung.

    Vor der Abstimmung hatte es Kritik an Hoekstra wegen dessen früheren Tätigkeiten, unter anderem für den Ölkonzern Shell, gegeben. Nach einem positiven Votum am Mittwoch im Umweltausschuss war aber erwartet worden, dass Hoekstra im EP bestätigt wird. Die EU-Länder haben der Ernennung am gestrigen Montag in Brüssel zugestimmt. rtr/lei

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    • Green Deal
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    Renaturierung: Nächster Trilog soll den Durchbruch bringen

    In der ersten Trilogsitzung zum Renaturierungsgesetz nach der Sommerpause haben Parlament und Rat der Kommission den Auftrag gegeben, Vorschläge für mögliche Kompromisse auszuarbeiten. Das gilt insbesondere für die strittigen Themen wie die Wiedervernässung von Mooren, das Verschlechterungsverbot, die Ausweitung des Geltungsbereiches und die Finanzierung von Wiederherstellungsmaßnahmen. Bei sogenannten technischen Sitzungen, die in enger Taktfolge für die kommenden Wochen angesetzt sind, soll anschließend ausgelotet werden, ob sie die Basis für eine Einigung zwischen den Co-Gesetzgebern sein können.

    Die letzte Trilog-Runde ist für den 7. November angepeilt. Bei dieser Sitzung wollen sich beide Seiten in einer Open-End-Sitzung einigen. Die gestrige Sitzung im Trilog war auf drei Stunden angesetzt, aber schon nach zwei Stunden vorbei. Aus Verhandlungskreisen heißt es, dass keine Verhandlungen stattfanden. Die Beteiligten hätten lediglich ihre Positionen zu den Artikeln vorgetragen und die bereits in den bisherigen technischen Sitzungen getroffenen Einigungen bestätigt. mgr/luk

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    • Renaturierung

    Mercosur: Ab jetzt wöchentliche Verhandlungen

    Unterhändler der Europäischen Union und des südamerikanischen Staatenbunds Mercosur wollen Tempo machen mit den Verhandlungen für das Freihandelsabkommen. Ein Diplomat sagte der Nachrichtenagentur Reuters, man befinde sich “in einer intensiven Verhandlungsphase”. Aktuell werde versucht, die Stellungnahmen beider Seiten zusammenzuführen.

    Zu den strittigen Punkten soll es nun wöchentliche Gesprächsrunden geben, per Videokonferenz und persönlich, sagte ein Sprecher des brasilianischen Außenministeriums. Am 30. Oktober sollen dann die Chefunterhändler in Brasilia zusammenkommen, um eine Bilanz der erzielten Fortschritte zu ziehen.

    Antwort auf Zusatzerklärung wohl endlich da

    Die Europäische Union hatte seit März auf die Antwort des Mercosur auf ihr Zusatzprotokoll gewartet. Diese Zusatzerklärung sieht Verpflichtungen für die Länder in Bezug auf Nachhaltigkeit und Klimawandel vor. Inzwischen gebe es einen einseitigen Gegenvorschlag, der die Grundlage für die Gespräche in dieser Woche in Brasilia bilde, erklärten zwei europäische Diplomaten gegenüber Reuters. Aktuell besteht die Hoffnung, das Abkommen noch bis Ende des Jahres abzuschließen.

    Brasilien, das dem Mercosur derzeit vorsteht, ist mit den von der EU in einer Zusatzerklärung eingefügten Umweltschutzbestimmungen nicht einverstanden. “Das Addendum ist voller Auflagen, aber kein Wort über die Kosten für den Erhalt dieses Umweltgutes“, sagte Landwirtschaftsminister Carlos Fávaro gegenüber Reuters. Er sagte, die EU sei ein wichtiger Markt für Brasilien, warnte aber, dass sich in Asien und im Nahen Osten andere Märkte öffneten, die weniger restriktiv seien. rtr/lei

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    • Umweltschutz

    Wegen Krebsgefahr: Neue EU-Nitrit-Grenzwerte für Lebensmittel

    In der EU gelten künftig neue Grenzwerte für Nitrite und Nitrate in Lebensmitteln. Die neuen, deutlich reduzierten Grenzwerte für Zusatzstoffe senken die Belastung durch krebserregende Stoffe, wie die EU-Kommission am Freitag in Brüssel mitteilte. Verbraucher würden auch vor bestimmten Bakterien geschützt. Allgemeinen senkten die neuen Vorschriften die Höchstwerte für Nitrite um etwa 20 Prozent. Die Lebensmittelindustrie habe zwei Jahre Zeit, ihre Produkte den neuen Grenzwerten anzupassen.

    Dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) zufolge sind Nitrate selbst zwar relativ unbedenklich. “Nitrate können aber bereits im Lebensmittel oder während der Verdauung durch Einwirkung von Bakterien in Nitrit umgewandelt werden, dem eigentlich gesundheitlich problematischen Stoff”, heißt es auf der Internetseite des BfR. Die Grenzwerte gelten Kommissionsangaben zufolge etwa für Lebensmittel wie Käseprodukte oder gepökeltes Fleisch. Laut BfR ist Nitrit Bestandteil von Pökelsalz. dpa

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    Fast die Hälfte der Menschheit ist zu arm für gesundes Essen

    Weltweit haben mehr als zwei Milliarden Menschen nicht genug Geld, um sich gesund zu ernähren. Das ist das Ergebnis einer Studie, die das Hilfswerk Misereor und Wissenschaftler der Universität Göttingen vergangene Woche in Berlin vorgestellt haben. Besonders betroffen sind Teile Afrikas und Asiens. Am schwierigsten ist die Lage in Madagaskar, wo die Menschen im Durchschnitt nur über ein Viertel des Einkommens verfügen, das sie für eine gesunde Ernährung benötigen.

    “Gesunde Ernährung ist ein Menschenrecht, von dem weltweit zwei von fünf Menschen ausgeschlossen sind”, betont Lutz Depenbusch, Ernährungsexperte bei Misereor. Der Grund: Ihnen fehlt das Geld, um gutes Essen zu kaufen. In der Studie wird dieser Missstand als “Armutslücke gesunder Ernährung” bezeichnet. Sie beläuft sich für das Jahr 2021 weltweit auf insgesamt drei Billionen US-Dollar. Das entspreche zwar nur 2,2 Prozent des Welteinkommens, wirke sich aber auf 41 Prozent der Menschheit aus, so Depenbusch.

    Moralisches Versagen der Weltgemeinschaft

    “Besonders groß ist die Armutslücke in den Weltregionen Subsahara Afrika und Südasien”, sagt Jonas Stehl, Entwicklungsökonom an der Universität Göttingen. Allein auf Subsahara Afrika entfielen 40 Prozent der globalen Armutslücke, auf Südasien 35 Prozent, so Stehl. Im Ländervergleich ist das Problem in Indien, Nigeria und Indonesien am größten. Die höchste Pro-Kopf-Belastung hat Madagaskar. “Ohne Unterstützung von anderen Staaten wird es Ländern wie Madagaskar kaum möglich sein, die Versorgung mit gesunder Ernährung für alle Menschen zu gewährleisten”, erklärt Stehl.

    Aus Sicht von Misereor braucht es dafür eine gerechtere Verteilung der Einkommen. Bereits eine Reichensteuer in Höhe von 1,2 Prozent würde Steuereinnahmen im Umfang von 78 Prozent der Armutslücke generieren, so Depenbusch. Er nennt es deshalb ein moralisches Versagen, “wenn die Weltgemeinschaft den wachsenden Reichtum nicht stärker dafür einsetzt, das grundlegende Recht auf eine gesunde Ernährung aller Menschen zu sichern.” ch

    • Gesundheit
    • Lebensmittel

    Presseschau

    Weltpreisindex für Nahrungsmittel bleibt weitgehend stabil AgE
    Insektenrückgang in Deutschland: Studie zu Ursachen entfacht Streit um Rolle der Agrarwirtschaft FAZ
    Bundesrat fordert mehr Bodenschutz bei PV-Ausbau top agrar
    Interview: Joachim Rukwied vom Deutschen Bauernverband sieht Neue Genomische Techniken als Chance für mehr Klimaschutz Tagesspiegel
    Gericht genehmigt Insolvenzvertrag von Mein Real Lebensmittelzeitung
    EU-Kommission: Details zu strategischen Dialog mit der Landwirtschaft noch unklar AgE
    Französische Regierung plant strukturelle Entlastungen für Rinderhalter AgE
    Interview: Cem Özdemir über den Westbalkan und die Rolle der Ernährungspolitik Die Zeit
    Zollkontrollen in Niedersachsen zeigen: Mindestlohnbetrug und Schwarzarbeit in der Landwirtschaft weit verbreitet NDR
    OVID kritisiert Novellierung des Bundesimmissionsschutzes AgE
    REWE testet Lieferung von Lebensmitteln per Drohne Lebensmittelzeitung

    11.10.2023 – 14:00-15:00 Uhr, online
    Diskussionsveranstaltung Digital Talk: Ist Tierhaltung in Deutschland noch zeitgemäß?
    Bei dem digital Talk diskutieren Philipp Burckhardt von Farm.Food.Climate, die Landwirtin Jana Gäbert, Dirk Höhler von Evonik und der Professor für Tierethik Peter Kunzmann über die Zukunft der Tierhaltung in Deutschland. INFOS

    11.10.-12.10.2023, Berlin
    Tagung DAF-Tagung 2023
    Bei der diesjährigen Tagung vom Dachverband wissenschaftlicher Gesellschaften der Agrar-, Forst-, Ernährungs-, Veterinär und Umweltforschung (DAF) wird über die Rolle von Wäldern und Bäumen im Klimawandel sowie Lösungsmöglichkeiten für Politik und Stakeholder diskutiert. INFOS

    13.10.2023 – 10:00-18:00 Uhr, Berlin/online
    BMEL, Konferenz Charta für Holz 2.0 im Dialog
    Bei der Konferenz diskutieren das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) gemeinsam mit Stakeholdern die im Juni 2023 im Bundeskabinett verabschiedete Holzbauinitiative. Geplant sind Impulse und Diskussionen sowie Workshops zu den Schwerpunkten der Initiative, deren Erkenntnisse in die weitere Umsetzung der Holzbauinitiative einfließen sollen. INFOS

    12.10.-13.10.2023, Dresden/online
    BMEL, Kongress Internationaler Kongress zur nachhaltigen Honigbienenhaltung
    Im Zentrum des Kongresses steht die internationale Tragweite der Honigbienengesundheit. Die Veranstaltung soll zu einem verbesserten Austausch zwischen Imkerinnen und Imkern, Behörden und Wissenschaft beitragen. INFOS

    12.10.-13.10.2023, Freising-Weihenstephan
    Diskussionsveranstaltung AgriSymposium mit dem Schwerpunkt Alternative Proteinquellen
    Bei dem agrarwissenschaftliche Symposium des Hans Eisenmann-Forums diskutieren Experten, Forscher und Fachleute aus dem Bereich der Agrarwissenschaften die neuesten Entwicklungen und Innovationen in der Lebensmittelproduktion. Der Schwerpunkt dieser Veranstaltung liegt auf alternativen Proteinen. INFOS

    11.11.2023, Hannover
    Diskussionsforum Wirtschaftsforum der agrarzeitung
    Bei dem Wirtschaftsforum der agrarzeitung trifft sich ein ausgewählter Kreis von Vertreterinnen und Vertretern von Landtechnik- und Handelsunternehmen der Agrarwirtschaft, führenden Herstellern von Betriebsmitteln, sowie innovativen Agrifood-Start-Ups zum jährlichen Austausch. INFOS

    04.12.2023 – 10:00-14:00 Uhr, Berlin
    BMEL Festveranstaltung zum Boden des Jahres 2024
    Am 5. Dezember 2023 wird im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in Berlin der “Boden des Jahres 2024” gekürt. Die Festveranstaltung findet im Rahmen des Internationalen Weltbodentags statt, der die Bedeutung des Bodens und seine Schutzwürdigkeit besonders hervorheben soll. INFOS

    Standpunkt

    Özdemir zeigt Flagge im Westbalkan und in Moldawien

    Von Per Brodersen
    Per Brodersen, Geschäftsführer der German Agribusiness Alliance, sieht großes Potenzial in der Kooperation mit der Moldau-Region

    Mit seiner jüngsten Auslandsreise Richtung Westbalkan und dem EU-Beitrittskandidaten Moldau hat Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) Flagge gezeigt: Wirtschaftliche und politische Entwicklung gehen meistens Hand in Hand – Kooperation im Agrar- und Ernährungssektor über Landesgrenzen hinweg lohnt sich für uns alle.

    Die Ministerreise fand – wieder einmal – in schwierigen Zeiten statt: Russland führt seit bald zwei Jahren Krieg gegen die Ukraine. Im Juli hat Russland, das mühevoll verhandelte und unter Vermittlung der Vereinten Nationen zustande gekommene Getreideabkommen nicht verlängert. Schwarzmeer-Schiffe, die ukrainisches Getreide aus ukrainischen Häfen in alle Welt transportieren wollen, betrachtet der russische Aggressor erneut als legitimes militärisches Ziel. In Folge steigen die Getreidepreise weltweit. Auch andere Partner lässt Russland im Stich: Rund 100.000 Flüchtlinge sind das Ergebnis des Kriegs um die Enklave Berg-Karabach im Südkaukasus.

    Produktion, Verarbeitung und Logistik stehen unter großem Druck

    Die wegen Russlands Krieg bitter notwendig gewordenen Landexportrouten für weltweit gehandelte ukrainische Agrarprodukte führen nun entsprechend durch die Europäische Union. Allerdings verhängen mehrere osteuropäische Mitgliedsstaaten, die direkt an die Ukraine grenzen, Importverbote, weil sie Einkommensverluste für die eigenen Bauern befürchten. Das eingespielte Miteinander von Produktion, Verarbeitung und Logistik steht also unter großem Druck – und all dies nach einer weltweiten Pandemie, deren Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft, inklusive Lebensmittellieferketten, noch nicht überwunden sind.

    Warum also stattet Özdemir ausgerechnet dem entfernten, kleinen Moldau einen Besuch ab? Die kleine ehemalige Sowjetrepublik liegt unweit vor dem Schwarzen Meer und hat es geopolitisch ebenfalls nicht einfach. Trotzdem hat das Land zehntausende Flüchtlinge aus der Ukraine klaglos aufgenommen. Besonders ist Moldau aber vor allem wegen seines Zugangs zur Donau. Am südlichen Dreiländereck zwischen Rumänien und der Ukraine beschränkt sich der Donauzugang lediglich auf 450 Meter.

    Ukrainische Getreideexporte: Giurgiulești ist von zentraler Bedeutung

    Umso größer ist die Bedeutung des kleinen und einzigen Donauhafens des Landes im Dorf Giurgiulești. Getreideexporte können hier trotz Russlands Krieg gegen die Ukraine abgewickelt werden. Am vergangenen Donnerstagabend traf sich Minister Özdemir dort mit seinem moldauischen Amtskollegen Vladimir Bolea. Die angespannte Situation in Giurgiulești war mit Händen zu greifen: Moldauische Getreide-LKWs stauen sich in der Spätsommerhitze tagelang in Richtung EU, ihnen kommen ukrainische Treibstoff-LKWs gen Odessa entgegen, Wachhunde kläffen an den zwei Grenzwachtürmen am Fluss und an den mannshohen Erdwällen, die die Ukraine zum eigenem Schutz aufgeschüttet hat.

    Erst kurz vor dem Treffen erfuhr der moldauische Agrarminister Bolea, dass Rumänien die Grenze für moldauisches Getreide schließen will – ein echter Schlag ins Kontor von Bolea, der sein Land bis 2030 in die EU führen will und Rückschläge nicht gebrauchen kann.

    Potenzial für Agrarwirtschaft ist enorm

    Das Potenzial der Region für westliche Unternehmen ist beträchtlich: Nicht nur der begonnene EU-Beitrittsprozess erfordert neue Technologien und Audits, der Modernisierungsbedarf für Landtechnik ist groß, die Klimakrise erfordert auch in Moldau Stressresilienz im Pflanzenbau und Ressourcenschonung in der Tierhaltung. Die klimatischen Bedingungen sind für den Weinanbau ideal (Moldaus Winzereien sprechen für sich allein), im Süden finden sich jene extrem guten Podsol-Böden, für die die Ukraine weltberühmt ist.

    Hier Einsatz zu zeigen für berechenbare politische Rahmenbedingungen, für wirtschaftlich starke ländliche Räume und nachhaltige Ansätze in der Agrarwirtschaft in Frieden und Freiheit – dies ist in unseren unruhigen Zeiten eine echte Investition in die Zukunft. Klar ist: Mit politischem Augenmaß können auch zukünftige EU-Erweiterungsrunden eine Erfolgsgeschichte werden. Denn egal ob Politik oder Wirtschaft: Ernährungssicherheit geht uns alle an.

    Per Brodersen, Jahrgang 1974, ist Geschäftsführer der German Agribusiness Alliance in Berlin, einer Initiative der deutschen Wirtschaft für internationale Kooperation im Agrar- und Ernährungssektor mit den Ländern Asiens und Afrikas, Osteuropas und Zentralasiens. Er führt für seine Mitgliedsunternehmen regelmäßig Gespräche mit Politik und Wirtschaft in der Region und war auch vergangene Woche in Moldau dabei.

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    Agrifood.Table Redaktion

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