Table.Briefing: Agrifood

Anti-Entwaldung: Firmen vor Herausforderungen + Studie: Britische Softdrink-Steuer wirkt

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Eskapaden des ungarischen Regierungschefs Viktor Orbán seit Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft haben gestern auch den Agrarministerrat erreicht. Mit Blick auf die jüngsten unabgesprochenen Reisen Orbáns nach Moskau, Peking und zu Donald Trump in die USA mahnte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir am Rande des Treffens: Die Ratspräsidentschaft bringe die Verantwortung mit sich, “dass man die gesamte Europäische Union abdeckt und vertritt, und nicht so sehr die eigene politische Agenda“. Er erwarte, dass Ungarn seine weitere Präsidentschaft auch dementsprechend gestalte.

Den sechs Ländern, die laut Medienberichten Treffen der ungarischen Ratspräsidentschaft auf Ministerebene boykottieren und nur noch Beamte schicken wollen, hat sich Deutschland nicht angeschlossen. Özdemir machte aber deutlich: Ob er im September am informellen Agrarministertreffen in Budapest teilnehme, hänge davon ab, wie sich Budapest weiter verhalte. Die informellen Treffen gelten auch als Chance für das jeweilige Gastgeberland, sich und seine Landwirtschaft durch Besuche vor Ort in ein gutes Licht zu rücken. Viele EU-Agrarminister dürften sich zweimal überlegen, ob sie ihrem ungarischen Kollegen István Nagy diese Gelegenheit einräumen wollen.

Wie häufig in den letzten Monaten pochte Özdemir in Brüssel auch erneut darauf, die Übergangsfrist für die EU-Anti-Entwaldungsverordnung zu verlängern. Der Bundeslandwirtschaftsminister und andere Kritiker verweisen auf Verzögerungen und Mängel bei der Umsetzung. Wie es darum im Einzelnen steht, weiß meine Kollegin Leonie Düngefeld.

Ihre
Julia Dahm
Bild von Julia  Dahm

Analyse

Anti-Entwaldung: Wie sich Unternehmen und Verwaltung vorbereiten

Noch knapp ein halbes Jahr haben Händler und Produzenten von Erzeugnissen wie Kaffee, Kakao, Soja und Holz Zeit, sich vorzubereiten. Um diese Produkte auf dem EU-Markt zu verkaufen, müssen sie ab 2025 sicherstellen, dass diese nicht von nach 2020 entwaldeten Flächen stammen.

Der enge Zeitplan für die Umsetzung der EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) fordert viele Betroffene heraus. Zwar ist das Gesetz bereits vor einem Jahr in Kraft getreten. Doch Unternehmen und Verwaltung müssen Teams aufbauen, Prozesse entwickeln, digitale Tools für die Anwendung und Lösungen für die aufwendige Dokumentation finden – und die EU-Kommission hat entscheidende Informationen zur Umsetzung, wie das Länder-Benchmarking und bestimmte Leitlinien, teilweise noch gar nicht veröffentlicht.

Mit der Verordnung will die EU gegen die weltweite Entwaldung vorgehen, deren Hauptursache die Ausweitung landwirtschaftlicher Flächen ist. Hauptimportgut in diesem Zusammenhang ist Soja, das beispielsweise auf abgeholzten Regenwaldflächen in Südamerika angebaut wird und in Europa überwiegend als Tierfutter zum Einsatz kommt. Aber auch der Konsum von Palmöl, Kaffee und Schokolade tragen zur Entwaldung bei. Wälder spielen jedoch eine wichtige Rolle für die biologische Vielfalt und die Eindämmung des Klimawandels.

Kleinfarmer könnten vom Einkauf aus Europa ausgeschlossen werden

Viele Unternehmen sind gleich mehrfach von dem Gesetz betroffen – wenn sie mehrere dieser Erzeugnisse auf den Markt bringen. So zum Beispiel Tchibo und Melitta, die sowohl Kaffee als auch Kaffeefilter verkaufen. Letztere werden meist aus holzbasiertem Zellstoff hergestellt. Tchibo verkauft zudem auch Möbel.

Zukünftig müssen die Produzenten den Einkäufern in der EU über eine digitale Schnittstelle genaue GPS-Daten ihrer Anbaufläche mitliefern sowie eine Sorgfaltserklärung. Diese muss auch belegen, dass lokale Gesetze eingehalten wurden. Fehlen diese Daten, darf der Zoll die Lieferung nicht auf den EU-Markt lassen.

In kleinteiligen Lieferketten wie von Kaffee kann dies sehr schwierig werden, erklärt Pablo von Waldenfels, Direktor Unternehmensverantwortung bei Tchibo. Hinter dem Einkaufsvolumen von Tchibo stehe die Produktionsmenge von 75.000 Kaffeefarmern, in der Regel Kleinfarmer. Größere Farmen wie in Brasilien würden industriell betrieben und hätten bereits Erfahrung darin, bestimmte Auflagen einzuhalten und dies zu dokumentieren. “70 bis 80 Prozent der Farmen sind allerdings sehr klein, vielleicht so groß wie ein Fußballfeld, wie ein halbes, oder auch nur so groß wie ein Garten”, erklärt von Waldenfels. “Wenn die es nicht schaffen, die notwendigen Unterlagen heranzuschaffen, sind sie langfristig vom Kaffeeeinkauf aus Europa ausgeschlossen – nicht, weil sie Bäume fällen, sondern einfach nur, weil sie die Daten nicht bereitstellen können.”

Kritik an Mehrfachkontrollen in Unternehmen

Die Vorgaben führen zudem auf mehrfache Kontrollen innerhalb desselben Unternehmens hinaus, kritisiert Stefan Dierks, Leiter der Nachhaltigkeitsstrategie bei der Melitta Gruppe. Die Daten der Farmer werden bereits vor Ankunft der Lieferung überprüft, jede Lieferung erhält eine EU-Referenznummer im digitalen System “Traces”. Werden später unterschiedliche Kaffeesorten gemischt, wiederholt sich dieser Prozess: Auch die Mischung braucht eine eigene Referenznummer. Wird diese dann zum Beispiel bei der Tochtergesellschaft Melitta Professional verkauft, muss dieser Unternehmensbereich nochmals alle Daten überprüfen. “Das ist reine Bürokratie und weder zielführend noch sinnvoll“, sagt Dierks.

Dierks koordiniert bei Melitta ein unternehmensweites Projektteam zur Anwendung der EUDR. Dieses tauscht sich unter anderem eng mit dem Deutschen Kaffeeverband aus. In dessen Auftrag wurde ein digitales Tool für den Kaffeesektor entwickelt, mit dem sich die Daten erfassen und im Hinblick auf das Entwaldungsrisiko überprüfen lassen. Hier soll auch eine Schnittstelle zum EU-System “Traces” geschaffen werden, das die Referenznummern erstellt. “Es braucht hier automatisierte Tools, mit reinem Personalaufwand ist das nicht machbar”, stellt Dierks fest.

Die Forderungen nach einem Aufschieben der Umsetzungsfrist kann er gut nachvollziehen. “Die Zeit zur Vorbereitung ist an vielen Stellen der Lieferketten zu kurz, insbesondere in manchen Kaffeeanbauregionen”, erklärt Dierks. “Da würde es tatsächlich helfen, die Anwendung um ein halbes Jahr zu verschieben.”

Team in der BLE soll auf 36 Stellen wachsen

In jedem Mitgliedstaat überprüft eine nationale Behörde die Anwendung der neuen Regeln. In Deutschland ist das die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE). Dort leitet Annerose Lichtenstein seit Anfang Juni die Gruppe “Entwaldungsfreie Produkte, Holzhandel”. Das derzeit noch sechsköpfige Team soll in diesem Jahr auf insgesamt 36 Stellen erweitert werden, die Ausschreibungen und Einstellungen laufen zurzeit. Das sei jedoch noch lange nicht genug. “Es gibt unterschiedliche Schätzungen wie viele Kontrollen wir durchführen müssen – in jedem Fall wird es eine sehr hohe Anzahl sein”, erklärt sie. “Auch wenn wir diese Kontrollen mit einem hohen Automatisierungsgrad machen, ist das sehr viel Arbeit und bedarf Personal.”

Laut einer Zollauswertung gebe es geschätzt insgesamt 150.000 deutsche Verarbeiter und Händler, die von dem Gesetz betroffen sind, erzählt Lichtenstein. Für die inländischen Primärerzeuger werden voraussichtlich die Bundesländer zuständig sein.

Daraus ergeben sich laut Schätzungen zukünftig etwa 20 Millionen Meldungen über einzelne Erzeugnisse pro Jahr in “Traces”. Aus ihnen muss das Team in der BLE einzelne Marktteilnehmer auswählen. Die Behörde entwickelt zurzeit ein automatisiertes Verfahren, mit dem je nach Entwaldungsrisiko bestimmte Punkte vergeben werden. Je höher die Punktzahl, desto wahrscheinlicher eine Kontrolle. Dabei fallen bestimmte Risikofaktoren ins Gewicht: “Dort, wo die Erzeuger zumindest in der Nähe von Entwaldungsgebieten sind, und dort, wo es überhaupt große Waldgebiete gibt, ist das Risiko natürlich höher”, erklärt sie. Ihr Team überprüft dann in einem dreistufigen Verfahren die Sorgfaltserklärung sowie die Risikobewertung der Marktteilnehmer und deren Maßnahmen, um das Entwaldungsrisiko zu minimieren.

Zuständigkeiten in Deutschland: BMEL arbeitet an Gesetz

Was außerdem noch fehlt, ist ein deutsches Gesetz, das die nationale Anwendung regeln soll. Das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) arbeitet zurzeit daran. Laut Informationen von Table.Briefings soll es darin um die Zuständigkeiten von Bund und Ländern, die Befugnisse der Kontrollbehörden und um Straf- und Bußgeldvorschriften gehen. Außerdem wird darin das Holzhandels-Sicherungs-Gesetz (HolzSiG) aufgehoben. Dieses setzt bislang die EU-Holzhandelsverordnung um, die mit der EU-Verordnung für entwaldungsfreie Produkte ebenfalls aufgehoben wird.

Das deutsche Gesetz soll laut BMEL bis zum 30. Dezember in Kraft treten – dem Tag, ab dem die EU-Verordnung angewendet werden muss.

  • Entwaldung
  • EUDR
  • Lieferketten
  • Nachhaltigkeitsstrategie
  • Unternehmensverantwortung
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News

Erste EU-Plenarsitzung: Was diese Woche wann zu erwarten ist

Erstmals tritt in dieser Woche das neu gewählte EU-Parlament zusammen. Um inhaltliche Fragen geht es bei der konstituierenden Sitzung in Straßburg noch kaum, stattdessen werden wichtige Weichen in organisatorischen und Personalfragen gestellt. Spannendster Moment dürfte die für Donnerstag um 13 Uhr geplante Abstimmung über die Wiederwahl Ursula von der Leyens als Kommissionspräsidentin werden. Dass die CDU-Politikerin vom Parlament bestätigt wird, gilt zwar als wahrscheinlich, aber keineswegs als sicher. Sollte sie scheitern, würden die Karten bei der Postenverteilung noch einmal ganz neu gemischt.

Daneben steht die Formierung der Ausschüsse an. Am Mittwoch stimmt das Plenum darüber ab, welche Ausschüsse sich mit welcher Anzahl von Sitzen bilden. Am Freitag werden dann die Mitglieder der Ausschüsse bekannt gegeben. Diese legen die Fraktionen bei Fraktionssitzungen im Laufe der Woche final fest, bei denen sie auch ihre fachpolitischen Sprecher – genannt Koordinatoren – auswählen.

Ausschüsse tagen erstmals kommende Woche

Aus Deutschland werden dem hessischen Abgeordneten Martin Häusling im Agrarausschuss (AGRI) gute Chancen zugerechnet, als Grünen-Sprecher wiedergewählt zu werden. Weniger klar sieht es bei anderen Fraktionen aus. Bei der EVP dürfte die Entscheidung dem Vernehmen nach zwischen dem bisherigen Agrarsprecher Herbert Dorfmann aus Südtirol und dem CDU-Politiker Norbert Lins fallen, der seinen bisherigen Posten als Ausschussvorsitzender verliert. Die bisherigen Koordinatoren der Sozialdemokraten S&D – Clara Aguilera aus Spanien – und der liberalen Renew-Fraktion – die Freie Wählerin Ulrike Müller – sind beide nicht länger EU-Abgeordnete.

Die Ausschüsse konstituieren sich kommende Woche. Dann werden auch die Ausschussvorsitzenden gewählt. Politisch haben sich die Fraktionen bereits auf die Verteilung der Posten untereinander geeinigt. Als mögliche Kandidatin für den AGRI-Vorsitz, der an die nationalkonservative EKR-Fraktion gehen soll, wird von Beobachtern in Brüssel die Tschechin Veronika Vrecionová von der Partei ODS des dortigen Regierungschefs Petr Fiala gehandelt. Die konstituierenden Sitzungen der Ausschüsse sind für den 24. Juli geplant. jd

  • AGRI
  • ENVI
  • Europäisches Parlament

Schweinezucht: Spatenstich für Gentechnik-Bauernhof in China

Das Schweinegenetik-Unternehmen Topigs Norsvin errichtet einen Schweinebauernhof in China. Zusammen mit Muyuan Foods erfolgte der erste Spatenstich für den Betrieb in der Nähe von Wuwei in der chinesischen Provinz Gansu. Das Joint Venture zwischen Topigs Norsvin und der Muyuan Foods demonstriere das gemeinsame Bestreben nach optimalen Leistungen und Zuchtfortschritt für die Schweinefleischproduktion im Land, heißt es bei Topigs Norsvin.

Topigs Norsvin ist ein weltweit aktives Schweinezuchtunternehmen mit Hauptsitz in den Niederlanden. Die deutsche Niederlassung befindet sich in Senden, Nordrhein-Westfalen. Man verfolge einen innovativen Ansatz bei der Implementierung neuer Technologien. Der Fokus liege auf einer kosteneffizienten und nachhaltigen Schweineproduktion. Kernkompetenz ist die Gentechnik. Die neue Generation von Zuchtsauen ermögliche eine kostengünstigere Produktion des Fleischs. rad

  • Lebensmittel
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Studie zur Softdrink-Steuer: Wie sich der Zuckerkonsum in Großbritannien verändert hat

Im April 2018 begann Großbritannien, den Zucker in Erfrischungsgetränken zu besteuern. Seither ist der Verzehr von Zucker bei Kindern und Erwachsenen zurückgegangen, zeigt eine neue Studie der University of Cambridge im Fachmagazin “Journal of Epidomology and Community Health”. Das Team um die Wissenschaftler Nina Trivedy Rogers und Steven Cummins vom Institut für Stoffwechsel-Fragen werten darin Daten von insgesamt rund 8.000 Erwachsenen und 7.600 Kindern aus der Nationalen Erhebung über Lebensmittel und Ernährung aus, die über elf Jahre hinweg erhoben wurden..

Wie die Forschenden in der Studie anhand dieser national repräsentativen Bevölkerungsstichproben feststellen, ging die tägliche Zuckeraufnahme bei Kindern im Jahr nach der Einführung der Steuer um 4,8 Gramm zurück, bei Erwachsenen um 10,9 Gramm. In Großbritannien nehmen Jugendliche etwa 70 Gramm zugesetzten Zucker pro Tag zu sich, heißt es in dem Artikel der Wissenschaftler. Der Anteil der Energiezufuhr aus zugesetztem Zucker an der Gesamtenergiezufuhr änderte sich der Studie zufolge nicht wesentlich. Das jedoch führen die Forschenden darauf zurück, dass die Energiezufuhr aus zugesetztem Zucker gleichzeitig mit der Gesamtenergiezufuhr zurückging.

WHO empfiehlt Steuer von mindestens 20 Prozent

Eingeführt hatte die britische Regierung die Abgabe damals, um die Getränkehersteller zu einer Reduzierung des Zuckergehalts in ihren Produkten zu bewegen und auf diese Weise Übergewicht und damit verbundene Erkrankungen zu bekämpfen. Die aktuelle Studie sei nun die erste, schreiben die Wissenschaftler, die den individuellen Konsum von Zucker sowohl in der gesamten Ernährung als auch speziell in Erfrischungsgetränken im Zusammenhang mit der britischen Softdrink-Steuer untersuche.

Neben Großbritannien erheben weltweit bereits mehr als 100 Länder eine Steuer auf zuckerhaltige Erfrischungsgetränke. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt eine Steuer von mindestens 20 Prozent, um den Zuckerkonsum in der Bevölkerung mit seinen gesundheitsschädlichen Folgen zu reduzieren.

Deutschland diskutiert Softdrink-Steuer

Auch hierzulande wird die Einführung einer solchen Steuer seit einiger Zeit diskutiert. Erst Mitte Juni hatten die Verbraucherschutzminister den Bund aufgefordert, eine Steuer auf besonders zuckerhaltige Getränke zu prüfen. “Trotz freiwilliger Selbstverpflichtung und Zusagen der Industrie in Deutschland ist der durchschnittliche Zuckergehalt von zum Beispiel Softgetränken in den vergangenen Jahren nicht in dem Maße gesunken, wie für eine gesundheitsförderliche Ernährung erforderlich wäre”, heißt es in dem Protokollvermerk der Verbraucherschutzministerkonferenz.

Für die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch, die eine entsprechende Abgabe seit Langem fordert, sollte eine solche Regelung in Deutschland neben Zucker auch Süßstoffe wie Aspartam und Sucralose umfassen. heu

  • Ernährungspolitik
  • Großbritannien
  • Lebensmittelindustrie
  • WHO
  • Wissenschaft

Frostschäden: Warum Özdemir die Vergabe von EU-Krisengeldern kritisiert

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir fordert EU-Krisenhilfen für frostgeschädigte Obst- und Weinbaubetriebe in Deutschland. Finanzielle Unterstützung in Höhe von 62 Millionen Euro sollen bislang lediglich Polen, Tschechien und Österreich bekommen. Die Gelder können um bis zu 200 Prozent aus nationalen Mitteln aufgestockt werden. Hintergrund für die Entscheidung der EU-Kommission ist ein Kälteeinbruch im Frühjahr.

Es sei unverständlich und zerstöre das Vertrauen der Landwirte, dass Deutschland außen vor bleibe, kritisiert Özdemir am Rande des EU-Agrarministertreffens am Montag. Neben seinen Nachbarländern sei auch Deutschland betroffen: “Auf der anderen Seite der Grenze, im Süden Deutschlands, im Osten Deutschlands, haben wir im Obstbau und im Weinbau ebenfalls Frostschäden massivster Art.” Er habe die Kommission “eindringlich” aufgefordert, die Hilfen auszuweiten, bislang aber keine Rückmeldung bekommen.

Die Vereinigte Hagelversicherung schätzte Ende April die Frostschäden im Obst- und Weinbau deutschlandweit auf 500 Millionen Euro.

Verteilung von GAP-Krisengeldern immer wieder umstritten

Die Verteilung der Gelder aus der EU-Agrarreserve steht nicht zum ersten Mal in der Kritik. Im vergangenen Jahr kritisierten 13 EU-Agrarminister, darunter Özdemir, die Vergabe als intransparent, nachdem die Kommission einen großen Teil der für das Jahr zur Verfügung stehenden Gelder in Anrainerstaaten der Ukraine verteilt hatte, um Kritiker der Getreideimporte zu besänftigen. Die Minister forderten Kriterien für die Vergabe.

Derzeit liegt die Verteilung der Gelder im Ermessen der Kommission. Rechtliche Maßgabe ist, dass die Mittel “im Fall von Krisen, die sich auf die landwirtschaftliche Erzeugung oder den Vertrieb landwirtschaftlicher Erzeugnisse auswirken”, dazu eingesetzt werden sollen, den Markt zu steuern oder zu stabilisieren. jd

  • Cem Özdemir
  • Extremwetter
  • Gemeinsame Agrarpolitik

Pestizid Thiacloprid: EU-Länder stimmen für Verbot von Rückständen

Die EU-Mitgliedstaaten haben für einen Vorschlag der Europäischen Kommission gestimmt, vorerst keine nachweisbaren Rückstände des Insektizids Thiacloprid auf Importlebensmitteln mehr zuzulassen. Das bestätigt ein Kommissionssprecher gegenüber Table.Briefings. Für einen Großteil der Produkte, darunter Weizen sowie eine Reihe von Obst- und Gemüsesorten, soll die Absenkung der Höchstwerte unter die Nachweisgrenze aber noch einmal überprüft werden, wenn eine zusätzliche Bewertung der EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) vorliegt.

Die Kommission verweist darauf, dass die ursprüngliche Bewertung der EFSA aus dem vergangenen Jahr in mancher Hinsicht noch nicht auf den aktuellsten Richtlinien der EU basierten, insbesondere in Bezug auf Hormon- und Drüsenstörungen. Um sicherzustellen, dass keine Risiken in diesem Bereich durchs Raster fallen, soll die Behörde jetzt ein aktualisiertes Gutachten erstellen. Einen Zeitplan hierfür könne man noch nicht nennen, teilt eine EFSA-Sprecherin mit, weil der offizielle Auftrag noch nicht eingegangen sei.

EU-Kommission änderte ihre Meinung

Ursprünglich hatte die Kommission im November vorgeschlagen, weiterhin Rückstände des in der EU verbotenen Neonicotinoids auf vielen Importlebensmitteln zuzulassen. Die Sachlage hat sich seitdem nicht geändert, die Bewertung der Kommission dagegen schon. Hatte die europäische Exekutive im ursprünglichen Vorschlag noch geschrieben, aus dem EFSA-Gutachten gehe hervor, dass die bisher erlaubten Rückstandsmengen für Produkte wie Weizen, Erdbeeren oder Pflaumen “als sicher für Verbraucher angesehen werden” und “daher beibehalten werden sollten”, interpretiert sie jetzt dasselbe Gutachten so: Die EFSA habe zwar kein akutes Verbraucherrisiko festgestellt, habe aber eine “weitere Prüfung” durch die zuständigen Entscheidungsträger angemahnt.

Mit dem Sinneswandel beugt sich die Kommission der Kritik des Europäischen Parlaments. Die Abgeordneten hatten Anfang des Jahres mit breiter Mehrheit einen Bericht verabschiedet, indem ein Verbot nachweisbarer Thiacloprid-Rückstände gefordert wird. Das Parlament muss Vorschlägen zu Höchstwerten für Pestizidrückstände zwar nicht aktiv zustimmen, kann sie durch solche Berichte aber de facto blockieren und die Kommission zur Vorlage einer neuen Version zwingen. jd

  • EFSA
  • Handel
  • Pestizide
  • Pflanzenschutz

Termine

Politische Woche

18.07.2024 – 13.00 Uhr / Straßburg
Europäisches Parlament Konstituierende Tagung
Am Donnerstag wird um 13 Uhr darüber abgestimmt, ob Ursula von der Leyen als Kommissionspräsidentin wiedergewählt wird. Die Bekanntgabe der Ausschussmitglieder findet am Freitag statt. TAGESORDNUNG

Veranstaltungen

18.07.2024 – 14.00 – 16.30 Uhr / online
Seminar Wie sieht ein geeignetes Biosicherheitskonzept für meinen Schweinebestand aus?
Ein betriebliches Biosicherheitskonzept verringert das Risiko eines Ausbruchs der Afrikanischen Schweinepest im Hausschweinebestand erheblich. Zudem bildet es die Grundlage für das Offenhalten von Vermarktungswegen im Seuchenfall. Die Landwirtschaftskammer NRW lädt im Rahmen des Netzwerks Fokus Tierwohl zu einer Online-Veranstaltung ein. Diese findet am 20.08.2024 erneut statt.
Programm:
– Konsequenzen eines ASP-Ausbruchs für Landwirte und Wirtschaft
– Der Schweinehalter als Unternehmer im neuen Tiergesundheitsrecht
– Biosicherheitskonzept Schwein am Beispiel Niedersachsen
– Biosicherheit – Ein gemeinsames Ziel für Tierhalter und Veterinäramt
INFO & ANMELDUNG

29.08.2024 – 08:30 – 17:00 Uhr / Hof Schlamann in Lengerich
Messe Agri Idea Sprout
Das Format integriert interaktive Open Sessions zu verschiedenen Themenfeldern wie Agrartechnologien, Energiesysteme, Kreislaufwirtschaft und alternative Geschäftsmodelle. Gepaart mit inspirierenden Keynotes und Networking-Möglichkeiten fördert die Agri Idea Sprout spannende Impulse und intensiviert den Austausch zwischen relevanten Stakeholdern. Das Ziel ist es, gemeinsam holistische Lösungsansätze zu entwickeln, um die Herausforderungen der Agrarwirtschaft anzugehen und neue Wege für nachhaltiges Wachstum und nachhaltige Entwicklung zu ebnen. INFO

04.09. – 06.09.2024 / Wir bauen Zukunft, Mecklenburg-Vorpommern
Festival Farm-Food-Climate Festival
Das Farm-Food-Climate Festival auf dem Gelände von “Wir bauen Zukunft” in Mecklenburg-Vorpommern bringt 250 Changemaker:innen und Akteur:innen entlang der gesamten Wertschöpfungskette zusammen, um die Ernährungs- und Landwirtschaft in eine lebenswerte Zukunft steuern.
Themenschwerpunkte: Verwaltungsstrukturen für eine zukunftsfähige Landwirtschaft, zukunftsfähige Anbauformen und Betriebszweige, konstruktive und verbindende Narrative, Wertschaffung in resilienten Landschaften, Gestaltungskraft des Lebensmitteleinzelhandels, öffentlich und private Finanzmittel für die Transformation
INFO

12.09.2024 / Köln
Forum EHI Handelsgastronomie Forum 2024
Im Mittelpunkt des EHI Handelsgastronomie Forum stehen aktuelle Marktdaten aus Sicht des Handels und der Konsumierenden, Best Practice-Beispiele aus der Handels- und Gastronomiebranche, sowie die neuesten Trends auf internationalen Märkten und in möglichen Wachstumsfeldern. Darüber hinaus werden Themen wie Künstliche Intelligenz, die neue EU-Verpackungsverordnung und Recruiting diskutiert. INFO

13.09. – 15.09.2024
Deutsche Waldtage 2024 Wald und WIssen
Sie sind eingeladen, sich mit einer Veranstaltung an dem Wochenende vom 13. bis 15. September zu beteiligen. Vernetzen Sie sich mit lokalen Akteuren und planen Sie zum Motto “Wald und Wissen” gemeinsam Veranstaltungen. INFO

18.09.2024 / Amsterdam
Summit 25. European Foodservice Summit
Schließen Sie sich mehr als 200 Führungskräften führender Restaurantketten und Zulieferer aus über 20 Ländern an und werden Sie Teil der Konferenz für die internationale professionelle Gastronomie. Im Rampenlicht stehen Referenten aus ganz Europa, die wertvolle Einblicke in verschiedene Märkte bieten. Seien Sie dabei, wenn internationale Vordenker und Branchenexperten die Bühne betreten, um aktuelle Marktforschungsergebnisse mitzuteilen und Geschäftsstrategien und Chancen zu diskutieren. INFO

25.09.2024 / Düsseldorf
Summit LZ Food & Beverage Innovation Day
Wie etablieren sich neue Trends? Ernährungsgewohnheiten wandeln sich stetig und werden vor allem durch junge Konsumierende beeinflusst. Wie aus einem temporären Hype von heute langfristiger Erfolg im Markt entstehen kann, diskutieren wir exklusiv auf dem LZ Food & Beverage Innovation Day. Begleiten Sie uns ins “PLACE TO BE FOURTY FOUR” nach Düsseldorf und finden Sie heraus, wie Innovationen im Lebensmittel- und Getränkesektor heutzutage vorangetrieben werden. INFO

Must Reads

Euractiv: Landwirte in der Ukraine sind bei der Räumung von Minen auf sich gestellt

Viele ukrainische Landwirte nehmen die Minenräumung ihrer Felder derzeit selbst in die Hand, da die Regierung der Räumung von ziviler Infrastruktur, Straßen und Wohngebieten Vorrang vor landwirtschaftlichen Flächen und Wäldern gibt. Die Auswirkungen der Verminung auf die ukrainische Wirtschaft sind enorm. Der Agrarsektor macht zehn bis 15 Prozent des ukrainischen BIP aus. Kleinere landwirtschaftliche Betriebe mit einer Fläche von weniger als 250 Hektar sind am stärksten von den Auswirkungen betroffen. Ihnen fehlt meist die Zeit, auf staatliche Räumungen zu warten, da sie die Felder oft nur pachten und keine Kapazitäten haben, in andere Gebiete auszuweichen. Unterstützungsprogramme der UN-Lebensmittelagentur FAO und moderne Minenräumsysteme der EU sollen helfen, die Situation auf den Feldern zu verbessern. Zum Artikel

European Parliament: Environment and the common agricultural policy

Mitgliedstaaten haben die Flexibilität der GAP genutzt, um freiwillige Umweltmaßnahmen in einer Weise festzulegen, die nicht zu wesentlichen Verbesserungen in der Praxis geführt hat. Dies geht aus einem Bericht des wissenschaftlichen Dienstes des EU-Parlaments hervor. Mehrere Studien warnten davor, dass Umweltmaßnahmen von den Ländern nicht ehrgeizig genug umgesetzt worden seien. Bei den Verhandlungen über die GAP nach 2027 bestünde nun die Herausforderung darin, Wege zur Motivierung von Landwirten zu finden, Maßnahmen auch tatsächlich umzusetzen. Vor dem Hintergrund der weit verbreiteten Unzufriedenheit der Landwirte sei es wichtig, dass die Anforderungen Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit in Einklang brächten, heißt es in dem Bericht weiter. Zum Dokument

Lebensmittelzeitung: Lidl ernennt neue CEO für Belgien und Luxemburg

Die bisherige Finanzchefin von Lidl Belgien und Luxemburg, Marjolein Frederickx, übernimmt zum 1. September 2024 den Posten der CEO. Ihr Vorgänger Matúš Gála wechselt aus Belgien in die deutsche Zentrale nach Neckarsulm. Im Zuge eines Managementumbaus hatte Vorstandschef Kenneth McGrath vor zwei Wochen bekannt gegeben, dass der Schwarz-Discounter die Landeschefs von Rumänien, Ungarn, Österreich und Belgien als Bereichsvorstände nach Neckarsulm holt. Sie sollen dort Georg Kröll unterstützen, der künftig als einziger Vorstand die Betreuung der Länder von der Zentrale aus übernimmt. Zum Artikel

Lebensmittelzeitung: Kommentar: Kartellamt ins Abseits gestellt

Das Bundeskartellamt ist mit seinem Versuch gescheitert, mittelständische Konkurrenten von Edeka, Rewe, Aldi und der Schwarz-Gruppe im Zuge der Real-Aufspaltung zu stärken. Die Behörde hatte die Übernahme von Real-Filialen durch Kaufland und Edeka genehmigt, unter der Bedingung, dass einige Märkte an kleinere Wettbewerber abgegeben werden. Um die behördlichen Maßnahmen einzuhalten, waren 16 Real-Filialen an Globus verkauft worden. Nun will der Händler sieben dieser Märkte wieder abgeben, denn der fünftgrößte deutsche Lebensmittelhändler ist nicht in der Lage, mit der Spitzengruppe mitzuhalten. Die Absicht des Kartellamts, den Wettbewerb im LEH durch behördliche Auflagen zu beeinflussen, konnte nicht fruchten. Zum Artikel

Lebensmittel-Praxis: Lebensmittelindustrie schafft neue Jobs trotz Fachkräftemangel

Trotz Fachkräftemangel hat die Ernährungs- und Genussmittelindustrie 2023 einen Anstieg der Beschäftigtenzahl um 1,1 Prozent verzeichnet. Etwa 38 Prozent der Betriebe erwarten für 2024 einen weiteren Beschäftigungsaufbau, 12 Prozent rechnen mit einem Stellenabbau. Besonders gefragt sind technische Berufe wie Elektroniker, Maschinen- und Anlagenführer sowie Mechatroniker. Die Nachwuchsgewinnung bleibt eine Herausforderung: 13 Prozent der Ausbildungsstellen blieben im vergangenen Jahr unbesetzt, mit einem besonders hohen Anteil bei technischen Berufen. Die Arbeitgebervereinigung Nahrung und Genuss (ANG) fordert Maßnahmen wie die Förderung von Vollzeitbeschäftigung und Erwerbsmigration sowie höhere Erwerbsbeteiligung älterer Menschen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Aktuell setzen viele Unternehmen verstärkt auf innerbetriebliche Weiterbildung. Zum Artikel

Dessert

Proteinreich und umweltfreundlich: geröstete Heuschrecken.
Proteinreich und umweltfreundlich: geröstete Heuschrecken.

Als Journalist geht man gerne an seine Grenzen – besonders im Berliner Politikbetrieb. Bei seinem Pressefrühstück in dieser Woche bot das BMZ unter anderem auch geröstete Heuschrecken und Mehlwürmer an. Das war nicht etwa dem klammen Haushalt geschuldet, viel mehr war es ein konsequenter Hinweis auf die allgemeine globale Ernährungskrise. Bereits auf der Grünen Woche Anfang des Jahres stellte das BMZ Insekten und pflanzenbasierte Lebensmitteln als Lösung gegen den Hunger in der Welt vor. Tatsächlich attestiert auch die Verbraucherzentrale den Insekten ein positives Zeugnis als proteinreiches und umweltfreundliches Nahrungsmittel. Im Mainstream sind Insektensnacks trotz einiger Anläufe einschlägiger Supermarktketten allerdings noch längst nicht angekommen.

Das Superfood müsste eben auch noch schmecken. Pur sind die Grillen und Würmer zwar knackig-nussig, im Abgang allerdings doch recht staubig. Im Sommer kann man das aber wenigstens mit einer ordentlichen Grillsauce übertünchen… dre

Agrifood.Table Redaktion

AGRIFOOD.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    die Eskapaden des ungarischen Regierungschefs Viktor Orbán seit Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft haben gestern auch den Agrarministerrat erreicht. Mit Blick auf die jüngsten unabgesprochenen Reisen Orbáns nach Moskau, Peking und zu Donald Trump in die USA mahnte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir am Rande des Treffens: Die Ratspräsidentschaft bringe die Verantwortung mit sich, “dass man die gesamte Europäische Union abdeckt und vertritt, und nicht so sehr die eigene politische Agenda“. Er erwarte, dass Ungarn seine weitere Präsidentschaft auch dementsprechend gestalte.

    Den sechs Ländern, die laut Medienberichten Treffen der ungarischen Ratspräsidentschaft auf Ministerebene boykottieren und nur noch Beamte schicken wollen, hat sich Deutschland nicht angeschlossen. Özdemir machte aber deutlich: Ob er im September am informellen Agrarministertreffen in Budapest teilnehme, hänge davon ab, wie sich Budapest weiter verhalte. Die informellen Treffen gelten auch als Chance für das jeweilige Gastgeberland, sich und seine Landwirtschaft durch Besuche vor Ort in ein gutes Licht zu rücken. Viele EU-Agrarminister dürften sich zweimal überlegen, ob sie ihrem ungarischen Kollegen István Nagy diese Gelegenheit einräumen wollen.

    Wie häufig in den letzten Monaten pochte Özdemir in Brüssel auch erneut darauf, die Übergangsfrist für die EU-Anti-Entwaldungsverordnung zu verlängern. Der Bundeslandwirtschaftsminister und andere Kritiker verweisen auf Verzögerungen und Mängel bei der Umsetzung. Wie es darum im Einzelnen steht, weiß meine Kollegin Leonie Düngefeld.

    Ihre
    Julia Dahm
    Bild von Julia  Dahm

    Analyse

    Anti-Entwaldung: Wie sich Unternehmen und Verwaltung vorbereiten

    Noch knapp ein halbes Jahr haben Händler und Produzenten von Erzeugnissen wie Kaffee, Kakao, Soja und Holz Zeit, sich vorzubereiten. Um diese Produkte auf dem EU-Markt zu verkaufen, müssen sie ab 2025 sicherstellen, dass diese nicht von nach 2020 entwaldeten Flächen stammen.

    Der enge Zeitplan für die Umsetzung der EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) fordert viele Betroffene heraus. Zwar ist das Gesetz bereits vor einem Jahr in Kraft getreten. Doch Unternehmen und Verwaltung müssen Teams aufbauen, Prozesse entwickeln, digitale Tools für die Anwendung und Lösungen für die aufwendige Dokumentation finden – und die EU-Kommission hat entscheidende Informationen zur Umsetzung, wie das Länder-Benchmarking und bestimmte Leitlinien, teilweise noch gar nicht veröffentlicht.

    Mit der Verordnung will die EU gegen die weltweite Entwaldung vorgehen, deren Hauptursache die Ausweitung landwirtschaftlicher Flächen ist. Hauptimportgut in diesem Zusammenhang ist Soja, das beispielsweise auf abgeholzten Regenwaldflächen in Südamerika angebaut wird und in Europa überwiegend als Tierfutter zum Einsatz kommt. Aber auch der Konsum von Palmöl, Kaffee und Schokolade tragen zur Entwaldung bei. Wälder spielen jedoch eine wichtige Rolle für die biologische Vielfalt und die Eindämmung des Klimawandels.

    Kleinfarmer könnten vom Einkauf aus Europa ausgeschlossen werden

    Viele Unternehmen sind gleich mehrfach von dem Gesetz betroffen – wenn sie mehrere dieser Erzeugnisse auf den Markt bringen. So zum Beispiel Tchibo und Melitta, die sowohl Kaffee als auch Kaffeefilter verkaufen. Letztere werden meist aus holzbasiertem Zellstoff hergestellt. Tchibo verkauft zudem auch Möbel.

    Zukünftig müssen die Produzenten den Einkäufern in der EU über eine digitale Schnittstelle genaue GPS-Daten ihrer Anbaufläche mitliefern sowie eine Sorgfaltserklärung. Diese muss auch belegen, dass lokale Gesetze eingehalten wurden. Fehlen diese Daten, darf der Zoll die Lieferung nicht auf den EU-Markt lassen.

    In kleinteiligen Lieferketten wie von Kaffee kann dies sehr schwierig werden, erklärt Pablo von Waldenfels, Direktor Unternehmensverantwortung bei Tchibo. Hinter dem Einkaufsvolumen von Tchibo stehe die Produktionsmenge von 75.000 Kaffeefarmern, in der Regel Kleinfarmer. Größere Farmen wie in Brasilien würden industriell betrieben und hätten bereits Erfahrung darin, bestimmte Auflagen einzuhalten und dies zu dokumentieren. “70 bis 80 Prozent der Farmen sind allerdings sehr klein, vielleicht so groß wie ein Fußballfeld, wie ein halbes, oder auch nur so groß wie ein Garten”, erklärt von Waldenfels. “Wenn die es nicht schaffen, die notwendigen Unterlagen heranzuschaffen, sind sie langfristig vom Kaffeeeinkauf aus Europa ausgeschlossen – nicht, weil sie Bäume fällen, sondern einfach nur, weil sie die Daten nicht bereitstellen können.”

    Kritik an Mehrfachkontrollen in Unternehmen

    Die Vorgaben führen zudem auf mehrfache Kontrollen innerhalb desselben Unternehmens hinaus, kritisiert Stefan Dierks, Leiter der Nachhaltigkeitsstrategie bei der Melitta Gruppe. Die Daten der Farmer werden bereits vor Ankunft der Lieferung überprüft, jede Lieferung erhält eine EU-Referenznummer im digitalen System “Traces”. Werden später unterschiedliche Kaffeesorten gemischt, wiederholt sich dieser Prozess: Auch die Mischung braucht eine eigene Referenznummer. Wird diese dann zum Beispiel bei der Tochtergesellschaft Melitta Professional verkauft, muss dieser Unternehmensbereich nochmals alle Daten überprüfen. “Das ist reine Bürokratie und weder zielführend noch sinnvoll“, sagt Dierks.

    Dierks koordiniert bei Melitta ein unternehmensweites Projektteam zur Anwendung der EUDR. Dieses tauscht sich unter anderem eng mit dem Deutschen Kaffeeverband aus. In dessen Auftrag wurde ein digitales Tool für den Kaffeesektor entwickelt, mit dem sich die Daten erfassen und im Hinblick auf das Entwaldungsrisiko überprüfen lassen. Hier soll auch eine Schnittstelle zum EU-System “Traces” geschaffen werden, das die Referenznummern erstellt. “Es braucht hier automatisierte Tools, mit reinem Personalaufwand ist das nicht machbar”, stellt Dierks fest.

    Die Forderungen nach einem Aufschieben der Umsetzungsfrist kann er gut nachvollziehen. “Die Zeit zur Vorbereitung ist an vielen Stellen der Lieferketten zu kurz, insbesondere in manchen Kaffeeanbauregionen”, erklärt Dierks. “Da würde es tatsächlich helfen, die Anwendung um ein halbes Jahr zu verschieben.”

    Team in der BLE soll auf 36 Stellen wachsen

    In jedem Mitgliedstaat überprüft eine nationale Behörde die Anwendung der neuen Regeln. In Deutschland ist das die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE). Dort leitet Annerose Lichtenstein seit Anfang Juni die Gruppe “Entwaldungsfreie Produkte, Holzhandel”. Das derzeit noch sechsköpfige Team soll in diesem Jahr auf insgesamt 36 Stellen erweitert werden, die Ausschreibungen und Einstellungen laufen zurzeit. Das sei jedoch noch lange nicht genug. “Es gibt unterschiedliche Schätzungen wie viele Kontrollen wir durchführen müssen – in jedem Fall wird es eine sehr hohe Anzahl sein”, erklärt sie. “Auch wenn wir diese Kontrollen mit einem hohen Automatisierungsgrad machen, ist das sehr viel Arbeit und bedarf Personal.”

    Laut einer Zollauswertung gebe es geschätzt insgesamt 150.000 deutsche Verarbeiter und Händler, die von dem Gesetz betroffen sind, erzählt Lichtenstein. Für die inländischen Primärerzeuger werden voraussichtlich die Bundesländer zuständig sein.

    Daraus ergeben sich laut Schätzungen zukünftig etwa 20 Millionen Meldungen über einzelne Erzeugnisse pro Jahr in “Traces”. Aus ihnen muss das Team in der BLE einzelne Marktteilnehmer auswählen. Die Behörde entwickelt zurzeit ein automatisiertes Verfahren, mit dem je nach Entwaldungsrisiko bestimmte Punkte vergeben werden. Je höher die Punktzahl, desto wahrscheinlicher eine Kontrolle. Dabei fallen bestimmte Risikofaktoren ins Gewicht: “Dort, wo die Erzeuger zumindest in der Nähe von Entwaldungsgebieten sind, und dort, wo es überhaupt große Waldgebiete gibt, ist das Risiko natürlich höher”, erklärt sie. Ihr Team überprüft dann in einem dreistufigen Verfahren die Sorgfaltserklärung sowie die Risikobewertung der Marktteilnehmer und deren Maßnahmen, um das Entwaldungsrisiko zu minimieren.

    Zuständigkeiten in Deutschland: BMEL arbeitet an Gesetz

    Was außerdem noch fehlt, ist ein deutsches Gesetz, das die nationale Anwendung regeln soll. Das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) arbeitet zurzeit daran. Laut Informationen von Table.Briefings soll es darin um die Zuständigkeiten von Bund und Ländern, die Befugnisse der Kontrollbehörden und um Straf- und Bußgeldvorschriften gehen. Außerdem wird darin das Holzhandels-Sicherungs-Gesetz (HolzSiG) aufgehoben. Dieses setzt bislang die EU-Holzhandelsverordnung um, die mit der EU-Verordnung für entwaldungsfreie Produkte ebenfalls aufgehoben wird.

    Das deutsche Gesetz soll laut BMEL bis zum 30. Dezember in Kraft treten – dem Tag, ab dem die EU-Verordnung angewendet werden muss.

    • Entwaldung
    • EUDR
    • Lieferketten
    • Nachhaltigkeitsstrategie
    • Unternehmensverantwortung
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    News

    Erste EU-Plenarsitzung: Was diese Woche wann zu erwarten ist

    Erstmals tritt in dieser Woche das neu gewählte EU-Parlament zusammen. Um inhaltliche Fragen geht es bei der konstituierenden Sitzung in Straßburg noch kaum, stattdessen werden wichtige Weichen in organisatorischen und Personalfragen gestellt. Spannendster Moment dürfte die für Donnerstag um 13 Uhr geplante Abstimmung über die Wiederwahl Ursula von der Leyens als Kommissionspräsidentin werden. Dass die CDU-Politikerin vom Parlament bestätigt wird, gilt zwar als wahrscheinlich, aber keineswegs als sicher. Sollte sie scheitern, würden die Karten bei der Postenverteilung noch einmal ganz neu gemischt.

    Daneben steht die Formierung der Ausschüsse an. Am Mittwoch stimmt das Plenum darüber ab, welche Ausschüsse sich mit welcher Anzahl von Sitzen bilden. Am Freitag werden dann die Mitglieder der Ausschüsse bekannt gegeben. Diese legen die Fraktionen bei Fraktionssitzungen im Laufe der Woche final fest, bei denen sie auch ihre fachpolitischen Sprecher – genannt Koordinatoren – auswählen.

    Ausschüsse tagen erstmals kommende Woche

    Aus Deutschland werden dem hessischen Abgeordneten Martin Häusling im Agrarausschuss (AGRI) gute Chancen zugerechnet, als Grünen-Sprecher wiedergewählt zu werden. Weniger klar sieht es bei anderen Fraktionen aus. Bei der EVP dürfte die Entscheidung dem Vernehmen nach zwischen dem bisherigen Agrarsprecher Herbert Dorfmann aus Südtirol und dem CDU-Politiker Norbert Lins fallen, der seinen bisherigen Posten als Ausschussvorsitzender verliert. Die bisherigen Koordinatoren der Sozialdemokraten S&D – Clara Aguilera aus Spanien – und der liberalen Renew-Fraktion – die Freie Wählerin Ulrike Müller – sind beide nicht länger EU-Abgeordnete.

    Die Ausschüsse konstituieren sich kommende Woche. Dann werden auch die Ausschussvorsitzenden gewählt. Politisch haben sich die Fraktionen bereits auf die Verteilung der Posten untereinander geeinigt. Als mögliche Kandidatin für den AGRI-Vorsitz, der an die nationalkonservative EKR-Fraktion gehen soll, wird von Beobachtern in Brüssel die Tschechin Veronika Vrecionová von der Partei ODS des dortigen Regierungschefs Petr Fiala gehandelt. Die konstituierenden Sitzungen der Ausschüsse sind für den 24. Juli geplant. jd

    • AGRI
    • ENVI
    • Europäisches Parlament

    Schweinezucht: Spatenstich für Gentechnik-Bauernhof in China

    Das Schweinegenetik-Unternehmen Topigs Norsvin errichtet einen Schweinebauernhof in China. Zusammen mit Muyuan Foods erfolgte der erste Spatenstich für den Betrieb in der Nähe von Wuwei in der chinesischen Provinz Gansu. Das Joint Venture zwischen Topigs Norsvin und der Muyuan Foods demonstriere das gemeinsame Bestreben nach optimalen Leistungen und Zuchtfortschritt für die Schweinefleischproduktion im Land, heißt es bei Topigs Norsvin.

    Topigs Norsvin ist ein weltweit aktives Schweinezuchtunternehmen mit Hauptsitz in den Niederlanden. Die deutsche Niederlassung befindet sich in Senden, Nordrhein-Westfalen. Man verfolge einen innovativen Ansatz bei der Implementierung neuer Technologien. Der Fokus liege auf einer kosteneffizienten und nachhaltigen Schweineproduktion. Kernkompetenz ist die Gentechnik. Die neue Generation von Zuchtsauen ermögliche eine kostengünstigere Produktion des Fleischs. rad

    • Lebensmittel
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    Studie zur Softdrink-Steuer: Wie sich der Zuckerkonsum in Großbritannien verändert hat

    Im April 2018 begann Großbritannien, den Zucker in Erfrischungsgetränken zu besteuern. Seither ist der Verzehr von Zucker bei Kindern und Erwachsenen zurückgegangen, zeigt eine neue Studie der University of Cambridge im Fachmagazin “Journal of Epidomology and Community Health”. Das Team um die Wissenschaftler Nina Trivedy Rogers und Steven Cummins vom Institut für Stoffwechsel-Fragen werten darin Daten von insgesamt rund 8.000 Erwachsenen und 7.600 Kindern aus der Nationalen Erhebung über Lebensmittel und Ernährung aus, die über elf Jahre hinweg erhoben wurden..

    Wie die Forschenden in der Studie anhand dieser national repräsentativen Bevölkerungsstichproben feststellen, ging die tägliche Zuckeraufnahme bei Kindern im Jahr nach der Einführung der Steuer um 4,8 Gramm zurück, bei Erwachsenen um 10,9 Gramm. In Großbritannien nehmen Jugendliche etwa 70 Gramm zugesetzten Zucker pro Tag zu sich, heißt es in dem Artikel der Wissenschaftler. Der Anteil der Energiezufuhr aus zugesetztem Zucker an der Gesamtenergiezufuhr änderte sich der Studie zufolge nicht wesentlich. Das jedoch führen die Forschenden darauf zurück, dass die Energiezufuhr aus zugesetztem Zucker gleichzeitig mit der Gesamtenergiezufuhr zurückging.

    WHO empfiehlt Steuer von mindestens 20 Prozent

    Eingeführt hatte die britische Regierung die Abgabe damals, um die Getränkehersteller zu einer Reduzierung des Zuckergehalts in ihren Produkten zu bewegen und auf diese Weise Übergewicht und damit verbundene Erkrankungen zu bekämpfen. Die aktuelle Studie sei nun die erste, schreiben die Wissenschaftler, die den individuellen Konsum von Zucker sowohl in der gesamten Ernährung als auch speziell in Erfrischungsgetränken im Zusammenhang mit der britischen Softdrink-Steuer untersuche.

    Neben Großbritannien erheben weltweit bereits mehr als 100 Länder eine Steuer auf zuckerhaltige Erfrischungsgetränke. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt eine Steuer von mindestens 20 Prozent, um den Zuckerkonsum in der Bevölkerung mit seinen gesundheitsschädlichen Folgen zu reduzieren.

    Deutschland diskutiert Softdrink-Steuer

    Auch hierzulande wird die Einführung einer solchen Steuer seit einiger Zeit diskutiert. Erst Mitte Juni hatten die Verbraucherschutzminister den Bund aufgefordert, eine Steuer auf besonders zuckerhaltige Getränke zu prüfen. “Trotz freiwilliger Selbstverpflichtung und Zusagen der Industrie in Deutschland ist der durchschnittliche Zuckergehalt von zum Beispiel Softgetränken in den vergangenen Jahren nicht in dem Maße gesunken, wie für eine gesundheitsförderliche Ernährung erforderlich wäre”, heißt es in dem Protokollvermerk der Verbraucherschutzministerkonferenz.

    Für die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch, die eine entsprechende Abgabe seit Langem fordert, sollte eine solche Regelung in Deutschland neben Zucker auch Süßstoffe wie Aspartam und Sucralose umfassen. heu

    • Ernährungspolitik
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    • Wissenschaft

    Frostschäden: Warum Özdemir die Vergabe von EU-Krisengeldern kritisiert

    Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir fordert EU-Krisenhilfen für frostgeschädigte Obst- und Weinbaubetriebe in Deutschland. Finanzielle Unterstützung in Höhe von 62 Millionen Euro sollen bislang lediglich Polen, Tschechien und Österreich bekommen. Die Gelder können um bis zu 200 Prozent aus nationalen Mitteln aufgestockt werden. Hintergrund für die Entscheidung der EU-Kommission ist ein Kälteeinbruch im Frühjahr.

    Es sei unverständlich und zerstöre das Vertrauen der Landwirte, dass Deutschland außen vor bleibe, kritisiert Özdemir am Rande des EU-Agrarministertreffens am Montag. Neben seinen Nachbarländern sei auch Deutschland betroffen: “Auf der anderen Seite der Grenze, im Süden Deutschlands, im Osten Deutschlands, haben wir im Obstbau und im Weinbau ebenfalls Frostschäden massivster Art.” Er habe die Kommission “eindringlich” aufgefordert, die Hilfen auszuweiten, bislang aber keine Rückmeldung bekommen.

    Die Vereinigte Hagelversicherung schätzte Ende April die Frostschäden im Obst- und Weinbau deutschlandweit auf 500 Millionen Euro.

    Verteilung von GAP-Krisengeldern immer wieder umstritten

    Die Verteilung der Gelder aus der EU-Agrarreserve steht nicht zum ersten Mal in der Kritik. Im vergangenen Jahr kritisierten 13 EU-Agrarminister, darunter Özdemir, die Vergabe als intransparent, nachdem die Kommission einen großen Teil der für das Jahr zur Verfügung stehenden Gelder in Anrainerstaaten der Ukraine verteilt hatte, um Kritiker der Getreideimporte zu besänftigen. Die Minister forderten Kriterien für die Vergabe.

    Derzeit liegt die Verteilung der Gelder im Ermessen der Kommission. Rechtliche Maßgabe ist, dass die Mittel “im Fall von Krisen, die sich auf die landwirtschaftliche Erzeugung oder den Vertrieb landwirtschaftlicher Erzeugnisse auswirken”, dazu eingesetzt werden sollen, den Markt zu steuern oder zu stabilisieren. jd

    • Cem Özdemir
    • Extremwetter
    • Gemeinsame Agrarpolitik

    Pestizid Thiacloprid: EU-Länder stimmen für Verbot von Rückständen

    Die EU-Mitgliedstaaten haben für einen Vorschlag der Europäischen Kommission gestimmt, vorerst keine nachweisbaren Rückstände des Insektizids Thiacloprid auf Importlebensmitteln mehr zuzulassen. Das bestätigt ein Kommissionssprecher gegenüber Table.Briefings. Für einen Großteil der Produkte, darunter Weizen sowie eine Reihe von Obst- und Gemüsesorten, soll die Absenkung der Höchstwerte unter die Nachweisgrenze aber noch einmal überprüft werden, wenn eine zusätzliche Bewertung der EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) vorliegt.

    Die Kommission verweist darauf, dass die ursprüngliche Bewertung der EFSA aus dem vergangenen Jahr in mancher Hinsicht noch nicht auf den aktuellsten Richtlinien der EU basierten, insbesondere in Bezug auf Hormon- und Drüsenstörungen. Um sicherzustellen, dass keine Risiken in diesem Bereich durchs Raster fallen, soll die Behörde jetzt ein aktualisiertes Gutachten erstellen. Einen Zeitplan hierfür könne man noch nicht nennen, teilt eine EFSA-Sprecherin mit, weil der offizielle Auftrag noch nicht eingegangen sei.

    EU-Kommission änderte ihre Meinung

    Ursprünglich hatte die Kommission im November vorgeschlagen, weiterhin Rückstände des in der EU verbotenen Neonicotinoids auf vielen Importlebensmitteln zuzulassen. Die Sachlage hat sich seitdem nicht geändert, die Bewertung der Kommission dagegen schon. Hatte die europäische Exekutive im ursprünglichen Vorschlag noch geschrieben, aus dem EFSA-Gutachten gehe hervor, dass die bisher erlaubten Rückstandsmengen für Produkte wie Weizen, Erdbeeren oder Pflaumen “als sicher für Verbraucher angesehen werden” und “daher beibehalten werden sollten”, interpretiert sie jetzt dasselbe Gutachten so: Die EFSA habe zwar kein akutes Verbraucherrisiko festgestellt, habe aber eine “weitere Prüfung” durch die zuständigen Entscheidungsträger angemahnt.

    Mit dem Sinneswandel beugt sich die Kommission der Kritik des Europäischen Parlaments. Die Abgeordneten hatten Anfang des Jahres mit breiter Mehrheit einen Bericht verabschiedet, indem ein Verbot nachweisbarer Thiacloprid-Rückstände gefordert wird. Das Parlament muss Vorschlägen zu Höchstwerten für Pestizidrückstände zwar nicht aktiv zustimmen, kann sie durch solche Berichte aber de facto blockieren und die Kommission zur Vorlage einer neuen Version zwingen. jd

    • EFSA
    • Handel
    • Pestizide
    • Pflanzenschutz

    Termine

    Politische Woche

    18.07.2024 – 13.00 Uhr / Straßburg
    Europäisches Parlament Konstituierende Tagung
    Am Donnerstag wird um 13 Uhr darüber abgestimmt, ob Ursula von der Leyen als Kommissionspräsidentin wiedergewählt wird. Die Bekanntgabe der Ausschussmitglieder findet am Freitag statt. TAGESORDNUNG

    Veranstaltungen

    18.07.2024 – 14.00 – 16.30 Uhr / online
    Seminar Wie sieht ein geeignetes Biosicherheitskonzept für meinen Schweinebestand aus?
    Ein betriebliches Biosicherheitskonzept verringert das Risiko eines Ausbruchs der Afrikanischen Schweinepest im Hausschweinebestand erheblich. Zudem bildet es die Grundlage für das Offenhalten von Vermarktungswegen im Seuchenfall. Die Landwirtschaftskammer NRW lädt im Rahmen des Netzwerks Fokus Tierwohl zu einer Online-Veranstaltung ein. Diese findet am 20.08.2024 erneut statt.
    Programm:
    – Konsequenzen eines ASP-Ausbruchs für Landwirte und Wirtschaft
    – Der Schweinehalter als Unternehmer im neuen Tiergesundheitsrecht
    – Biosicherheitskonzept Schwein am Beispiel Niedersachsen
    – Biosicherheit – Ein gemeinsames Ziel für Tierhalter und Veterinäramt
    INFO & ANMELDUNG

    29.08.2024 – 08:30 – 17:00 Uhr / Hof Schlamann in Lengerich
    Messe Agri Idea Sprout
    Das Format integriert interaktive Open Sessions zu verschiedenen Themenfeldern wie Agrartechnologien, Energiesysteme, Kreislaufwirtschaft und alternative Geschäftsmodelle. Gepaart mit inspirierenden Keynotes und Networking-Möglichkeiten fördert die Agri Idea Sprout spannende Impulse und intensiviert den Austausch zwischen relevanten Stakeholdern. Das Ziel ist es, gemeinsam holistische Lösungsansätze zu entwickeln, um die Herausforderungen der Agrarwirtschaft anzugehen und neue Wege für nachhaltiges Wachstum und nachhaltige Entwicklung zu ebnen. INFO

    04.09. – 06.09.2024 / Wir bauen Zukunft, Mecklenburg-Vorpommern
    Festival Farm-Food-Climate Festival
    Das Farm-Food-Climate Festival auf dem Gelände von “Wir bauen Zukunft” in Mecklenburg-Vorpommern bringt 250 Changemaker:innen und Akteur:innen entlang der gesamten Wertschöpfungskette zusammen, um die Ernährungs- und Landwirtschaft in eine lebenswerte Zukunft steuern.
    Themenschwerpunkte: Verwaltungsstrukturen für eine zukunftsfähige Landwirtschaft, zukunftsfähige Anbauformen und Betriebszweige, konstruktive und verbindende Narrative, Wertschaffung in resilienten Landschaften, Gestaltungskraft des Lebensmitteleinzelhandels, öffentlich und private Finanzmittel für die Transformation
    INFO

    12.09.2024 / Köln
    Forum EHI Handelsgastronomie Forum 2024
    Im Mittelpunkt des EHI Handelsgastronomie Forum stehen aktuelle Marktdaten aus Sicht des Handels und der Konsumierenden, Best Practice-Beispiele aus der Handels- und Gastronomiebranche, sowie die neuesten Trends auf internationalen Märkten und in möglichen Wachstumsfeldern. Darüber hinaus werden Themen wie Künstliche Intelligenz, die neue EU-Verpackungsverordnung und Recruiting diskutiert. INFO

    13.09. – 15.09.2024
    Deutsche Waldtage 2024 Wald und WIssen
    Sie sind eingeladen, sich mit einer Veranstaltung an dem Wochenende vom 13. bis 15. September zu beteiligen. Vernetzen Sie sich mit lokalen Akteuren und planen Sie zum Motto “Wald und Wissen” gemeinsam Veranstaltungen. INFO

    18.09.2024 / Amsterdam
    Summit 25. European Foodservice Summit
    Schließen Sie sich mehr als 200 Führungskräften führender Restaurantketten und Zulieferer aus über 20 Ländern an und werden Sie Teil der Konferenz für die internationale professionelle Gastronomie. Im Rampenlicht stehen Referenten aus ganz Europa, die wertvolle Einblicke in verschiedene Märkte bieten. Seien Sie dabei, wenn internationale Vordenker und Branchenexperten die Bühne betreten, um aktuelle Marktforschungsergebnisse mitzuteilen und Geschäftsstrategien und Chancen zu diskutieren. INFO

    25.09.2024 / Düsseldorf
    Summit LZ Food & Beverage Innovation Day
    Wie etablieren sich neue Trends? Ernährungsgewohnheiten wandeln sich stetig und werden vor allem durch junge Konsumierende beeinflusst. Wie aus einem temporären Hype von heute langfristiger Erfolg im Markt entstehen kann, diskutieren wir exklusiv auf dem LZ Food & Beverage Innovation Day. Begleiten Sie uns ins “PLACE TO BE FOURTY FOUR” nach Düsseldorf und finden Sie heraus, wie Innovationen im Lebensmittel- und Getränkesektor heutzutage vorangetrieben werden. INFO

    Must Reads

    Euractiv: Landwirte in der Ukraine sind bei der Räumung von Minen auf sich gestellt

    Viele ukrainische Landwirte nehmen die Minenräumung ihrer Felder derzeit selbst in die Hand, da die Regierung der Räumung von ziviler Infrastruktur, Straßen und Wohngebieten Vorrang vor landwirtschaftlichen Flächen und Wäldern gibt. Die Auswirkungen der Verminung auf die ukrainische Wirtschaft sind enorm. Der Agrarsektor macht zehn bis 15 Prozent des ukrainischen BIP aus. Kleinere landwirtschaftliche Betriebe mit einer Fläche von weniger als 250 Hektar sind am stärksten von den Auswirkungen betroffen. Ihnen fehlt meist die Zeit, auf staatliche Räumungen zu warten, da sie die Felder oft nur pachten und keine Kapazitäten haben, in andere Gebiete auszuweichen. Unterstützungsprogramme der UN-Lebensmittelagentur FAO und moderne Minenräumsysteme der EU sollen helfen, die Situation auf den Feldern zu verbessern. Zum Artikel

    European Parliament: Environment and the common agricultural policy

    Mitgliedstaaten haben die Flexibilität der GAP genutzt, um freiwillige Umweltmaßnahmen in einer Weise festzulegen, die nicht zu wesentlichen Verbesserungen in der Praxis geführt hat. Dies geht aus einem Bericht des wissenschaftlichen Dienstes des EU-Parlaments hervor. Mehrere Studien warnten davor, dass Umweltmaßnahmen von den Ländern nicht ehrgeizig genug umgesetzt worden seien. Bei den Verhandlungen über die GAP nach 2027 bestünde nun die Herausforderung darin, Wege zur Motivierung von Landwirten zu finden, Maßnahmen auch tatsächlich umzusetzen. Vor dem Hintergrund der weit verbreiteten Unzufriedenheit der Landwirte sei es wichtig, dass die Anforderungen Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit in Einklang brächten, heißt es in dem Bericht weiter. Zum Dokument

    Lebensmittelzeitung: Lidl ernennt neue CEO für Belgien und Luxemburg

    Die bisherige Finanzchefin von Lidl Belgien und Luxemburg, Marjolein Frederickx, übernimmt zum 1. September 2024 den Posten der CEO. Ihr Vorgänger Matúš Gála wechselt aus Belgien in die deutsche Zentrale nach Neckarsulm. Im Zuge eines Managementumbaus hatte Vorstandschef Kenneth McGrath vor zwei Wochen bekannt gegeben, dass der Schwarz-Discounter die Landeschefs von Rumänien, Ungarn, Österreich und Belgien als Bereichsvorstände nach Neckarsulm holt. Sie sollen dort Georg Kröll unterstützen, der künftig als einziger Vorstand die Betreuung der Länder von der Zentrale aus übernimmt. Zum Artikel

    Lebensmittelzeitung: Kommentar: Kartellamt ins Abseits gestellt

    Das Bundeskartellamt ist mit seinem Versuch gescheitert, mittelständische Konkurrenten von Edeka, Rewe, Aldi und der Schwarz-Gruppe im Zuge der Real-Aufspaltung zu stärken. Die Behörde hatte die Übernahme von Real-Filialen durch Kaufland und Edeka genehmigt, unter der Bedingung, dass einige Märkte an kleinere Wettbewerber abgegeben werden. Um die behördlichen Maßnahmen einzuhalten, waren 16 Real-Filialen an Globus verkauft worden. Nun will der Händler sieben dieser Märkte wieder abgeben, denn der fünftgrößte deutsche Lebensmittelhändler ist nicht in der Lage, mit der Spitzengruppe mitzuhalten. Die Absicht des Kartellamts, den Wettbewerb im LEH durch behördliche Auflagen zu beeinflussen, konnte nicht fruchten. Zum Artikel

    Lebensmittel-Praxis: Lebensmittelindustrie schafft neue Jobs trotz Fachkräftemangel

    Trotz Fachkräftemangel hat die Ernährungs- und Genussmittelindustrie 2023 einen Anstieg der Beschäftigtenzahl um 1,1 Prozent verzeichnet. Etwa 38 Prozent der Betriebe erwarten für 2024 einen weiteren Beschäftigungsaufbau, 12 Prozent rechnen mit einem Stellenabbau. Besonders gefragt sind technische Berufe wie Elektroniker, Maschinen- und Anlagenführer sowie Mechatroniker. Die Nachwuchsgewinnung bleibt eine Herausforderung: 13 Prozent der Ausbildungsstellen blieben im vergangenen Jahr unbesetzt, mit einem besonders hohen Anteil bei technischen Berufen. Die Arbeitgebervereinigung Nahrung und Genuss (ANG) fordert Maßnahmen wie die Förderung von Vollzeitbeschäftigung und Erwerbsmigration sowie höhere Erwerbsbeteiligung älterer Menschen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Aktuell setzen viele Unternehmen verstärkt auf innerbetriebliche Weiterbildung. Zum Artikel

    Dessert

    Proteinreich und umweltfreundlich: geröstete Heuschrecken.
    Proteinreich und umweltfreundlich: geröstete Heuschrecken.

    Als Journalist geht man gerne an seine Grenzen – besonders im Berliner Politikbetrieb. Bei seinem Pressefrühstück in dieser Woche bot das BMZ unter anderem auch geröstete Heuschrecken und Mehlwürmer an. Das war nicht etwa dem klammen Haushalt geschuldet, viel mehr war es ein konsequenter Hinweis auf die allgemeine globale Ernährungskrise. Bereits auf der Grünen Woche Anfang des Jahres stellte das BMZ Insekten und pflanzenbasierte Lebensmitteln als Lösung gegen den Hunger in der Welt vor. Tatsächlich attestiert auch die Verbraucherzentrale den Insekten ein positives Zeugnis als proteinreiches und umweltfreundliches Nahrungsmittel. Im Mainstream sind Insektensnacks trotz einiger Anläufe einschlägiger Supermarktketten allerdings noch längst nicht angekommen.

    Das Superfood müsste eben auch noch schmecken. Pur sind die Grillen und Würmer zwar knackig-nussig, im Abgang allerdings doch recht staubig. Im Sommer kann man das aber wenigstens mit einer ordentlichen Grillsauce übertünchen… dre

    Agrifood.Table Redaktion

    AGRIFOOD.TABLE REDAKTION

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