es sieht so aus, als würde im Senegal nun doch ein neuer Präsident gewählt – solange nicht doch noch etwas schiefgeht. Noch-Präsident Macky Sall hatte das Land vor einem Monat mit der Verschiebung der Wahl verfassungswidrig in eine schwere Staatskrise geführt. Beobachter hatten die Entscheidung als verkappten Staatsstreich bezeichnet. Doch noch scheint die Demokratie im Senegal wehrhaft.
Mit unserem Table.Spezial informieren wir Sie über die wichtigsten Fakten, die Sie im Vorfeld der Wahl wissen müssen. Unsere Westafrika-Korrespondentin Lucia Weiß in Dakar berichtet direkt aus dem Senegal. So geht sie der Frage nach, warum die Wahl auch für Deutschland und Europa so wichtig ist.
Zudem gibt sie einen Überblick über die entscheidenden Kandidaten, die sich um das Präsidentenamt bewerben und ordnet für Sie die Bedeutung Senegals für die politisch heikle Sahelregion ein.
Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre!
Bei der Präsidentschaftswahl im Senegal, die nun am Sonntag, 24. März stattfindet, geht es um weit mehr als um innenpolitisches Ringen um das höchste Amt im Land. Es geht auch um die Frage, ob der Senegal ein stabilisierender Faktor im krisengeschüttelten Sahel bleiben kann. Und es geht um die Frage, ob das Land weiterhin dem islamistischen Fanatismus in der Region standhält.
Der Senegal pflegt eine lokal spezifische Variante des Islam, die dem Sufismus nahesteht. Die religiösen Bruderschaften haben hohes Gewicht. In der heiligen Stadt Touba gilt die Scharia (da die Stadt offiziell privates Pachtgebiet ist). Bisher hat der Senegal islamistische Unterwanderung in Schach halten können. Sicherheitsexperten gehen aber davon aus, dass größere Anschläge nicht ausgeschlossen, sondern eher eine Frage der Zeit sind. “Der Senegal ist nicht isoliert. Wir sind von Ländern umgeben, die instabile Phasen erlebt haben”, sagt Bakary Sambe vom Timbuktu Institut im Gespräch mit Table.Briefings. Der Senegal habe seinen Grenzschutz verstärkt. “Ich denke, der Senegal weiß um diese Gefahr, die alle Länder weltweit betrifft und hat entsprechende Maßnahmen getroffen.”
Dieses Thema reicht weit in den Wahlkampf hinein. Immer wieder gibt es Gerüchte, dass der Kandidat Diomaye Faye Salafist sei und die Pastef Verbindungen zur ägyptischen Muslimbruderschaft unterhielten. Bewiesen haben sich diese bisher nicht. Der umstrittene Islamwissenschaftler Tariq Ramadan soll die Pastef mit Geld aus Katar unterstützt haben – was dieser vehement bestritten hat. Inzwischen hat sich die PDS um den von den Wahlen ausgeschlossenen Kandidaten Karim Wade, den Sohn des Ex-Präsidenten Abdoulaye Wade, hinter Diomaye Faye gestellt. Wade lebte in Katar im Exil und stärkte in seiner Zeit als Minister unter seinem Vater die Beziehungen.
Und ein zweites Thema spielt eine große Rolle im Wahlkampf: Es sind die großen Vorkommen an Erdöl und Erdgas vor der Küste des Landes. Noch in diesem Jahr soll mit der Förderung begonnen werden. Mit seinen neuen, großen Öl- und Gasvorkommen sah es für einen langen Moment so aus, als ob der Senegal dem vermeintlichen Fluch des Ressourcenreichtums erliegen sollte. Mitte 2023 eskalierte die Gewalt gegen Demonstrierende, mehr als 20 Menschen starben, das Internet wurde zeitweise abgestellt.
“Wir befinden uns in einem Augenblick des Übergangs, weil das geostrategische Gewicht des Senegals sich verändert. Der Senegal ist jetzt ein Öl- und Gasland“, sagt der Westafrika- und Extremismus Experte Sambe. Das verändert vieles im politischen Gefüge. “Der Senegal ist immer als ein Modell für die Demokratie gesehen worden. Wir haben vorübergehend eine Krise erlebt, aber der Senegal hat es geschafft, die Widerstandskraft seines Systems zu zeigen. Die rechtlichen Mechanismen haben gegriffen und den Wahlprozess wieder auf die Spur gebracht.”
Noch immer ist für die Öffentlichkeit nicht verständlich, was Macky Sall bezweckte, als er die Präsidentschaftswahl, die für Ende Februar vorgesehen war, absagte und dann schließlich kurzfristig diesen 24. März ansetzte. Ging es darum, die Hand auf die Öl- und Gasvorkommen zu behalten? Wollte er einen Weg suchen, sich doch noch an der Spitze zu halten? Und: Was brachte Macky Sall dazu, nun doch so kurzfristig Wahlen anzusetzen? Doch mit diesem – abgebrochenen – Staatsstreich hat der scheidende Präsident dieser Wahl eine Bedeutung gegeben, die sie zuvor nicht hatte. Jetzt spielt sie auch für die USA und Europa wie auch für ihre Stellung in der Region eine weitreichende Rolle.
Diese Fragen betreffen die Vergangenheit. In die Zukunft gerichtet, entscheidet sich an diesem Sonntag zum großen Teil, ob der Senegal in den kommenden Jahren sein Potenzial entfalten kann. Newcomer in Öl und Gas, mit zahlreichen internationalen Partnern im Rücken und der Vorbildfunktion als Demokratie im krisenreichen Westafrika. Deswegen gilt die Präsidentschaftswahl am Sonntag als richtungsweisend. Favoriten sind Amadou Ba von der Präsidentschaftsmehrheit Benno Book Yakaar und Bassirou Diomaye Faye von der offiziellen aufgelösten Oppositionspartei Pastef.
Beide sind Zahlenkenner und haben viele Jahre in der Steuerverwaltung gearbeitet – so wie übrigens auch Oppositionschef Ousmane Sonko, der in seiner frühen Zeit wohl eng mit Amadou Ba befreundet war. Im Wahlkampf haben sie ein Spiel bedient, das die Wählerschaft im Senegal sehr gut kennt – und das in der Vergangenheit leidlich funktioniert hat. Es geht um Kontinuität gegen Veränderung. Während Ba auf die wirtschaftlich gute Bilanz von Macky Sall zurückgreifen kann, tritt Diomaye Faye für einen “Systemwandel” an. Weg mit den alten Eliten, die Jugend mehr einbinden und alles neu machen. So die Botschaft.
Allerdings dürfte sich Diomaye Faye im Falle eines Wahlsieges recht schnell an die Realität anpassen. Erste Hinweise in diese Richtung gab sein Vertrauter Ousmane Sonko, der ihm aufgrund seines Ausschlusses die Kandidatur überließ. Bei der ersten gemeinsamen Pressekonferenz nach ihrer Haftentlassung rund zehn Tage vor den Wahlen ruderte Sonko zurück – erstmal keine nationale Währung und kein Vizepräsidentenamt. Auch bei der Frage nach dem Verhältnis zu Frankreich sind die Töne schon vor den Wahlen gemäßigter. Zu Frankreich habe der Senegal ein gutes Verhältnis, prinzipiell schließe man aber auch andere Partner insbesondere in der Sicherheitspolitik nicht aus, so Diomaye Faye in einem Interview mit Le Monde.
Spannend dürfte werden, wie sich Diomaye Faye und Sonko zueinander verhalten, sollte die Pastef gewinnen. Der charismatische Sonko, der bereits 2019 als Präsident antrat, hat zwar die Führungsrolle abtreten müssen, seinen Führungsanspruch tut er allerdings weiter kund. Sowohl Sonko als auch Diomaye Faye lassen nicht unbedingt darauf hoffen, dass sie Frauen im Senegal besserstellen – was die männlich dominierte politische Szene auch nicht weiter stört. In der Führung der Pastef finden sich keine Frauen.
Auch der Skandal um eine mutmaßliche Vergewaltigung hat Sonkos Image keinen Kratzer zugefügt. Verurteilt wurde er schließlich wegen der moralischen Verführung Minderjähriger. Was wirklich im Salon “Sweet Beauty” geschah, wurde nie geklärt. Fest steht, dass sich der populäre Politiker regelmäßig in diesem Etablissement einfand, das besondere Arten der Massage anbot. Sonko und Diomaye Faye sind bekennende Muslime, Sonko macht von seinem im Senegal geltenden Recht auf Polygamie Gebrauch und heiratete während der Haftzeit eine dritte Frau. Diomaye Faye hat zwei Gattinnen, wie er auf Nachfrage eines lokalen TV-Senders bestätigte.
Kandidat Amadou Ba, hat mindestens eine Gattin, mit der er nach eigenen Angaben 40 Jahre zusammen ist. Es gibt allerdings Hinweise auf eine zweite Frau. Die Frage nach der Familie und den Partnerschaften ist im überwiegend muslimischen Senegal immer auch eine politische. So stehen die Kandidaten unterschiedlichen religiösen Führungsfiguren nahe, die ihre Anhänger mobilisieren können.
Die Wahlen am Sonntag sind mit Blick auf die politische Instabilität in Westafrika, die Isolation der neu gegründeten Sahel-Allianz und deren Nähe zu Russland auch für Europa und die USA von Bedeutung so Sambe. “Sowohl die russischen Söldner als auch die Dschihadisten schlagen einen Vorteil aus solchen Momenten der Instabilität.”
Rund 7,3 Millionen Menschen sind am Sonntag zur Wahl aufgerufen. Die meisten potenziellen Stimmen haben Dakar und Thiès, außerdem ist die Stadt St. Louis im Norden stimmenstark. Offizielle Ergebnisse werden bis spätestens 29. März verkündet. Vorläufige Ergebnisse werden bereits in der Nacht zum Montag erwartet. Wenn im ersten Wahlgang niemand die absolute Mehrheit hat, gehen die zwei stärksten Kandidaten in die Stichwahl – voraussichtlich Mitte oder Ende April.
20 Kandidaten wollten sich ursprünglich bei der im Februar vorgesehenen Wahl für das höchste Staatsamt im Senegal bewerben. Die Liste ist um einen Namen geschrumpft, nach dem Rückzug von Rose Wardini. Die Gynäkologin steht im Verdacht, neben der senegalesischen Staatsbürgerschaft auch einen französischen Pass zu besitzen. Das wäre ein Verstoß gegen die Verfassung. Noch nie gab es so viele mit 19 Namen so viele Anwärter auf das Präsidentenamt. Bei der letzten Wahl im Jahr 2019 traten nur fünf Anwärter an, nach 14 im Jahr 2012, 15 im Jahr 2007 und acht im Jahr 2000.
Wir stellen Ihnen hier die wichtigsten Kandidaten dieser Wahl vor:
Amtsinhaber Macky Sall kürte ihn persönlich zum Kandidaten der Präsidentschaftsmehrheit Benno Bokk Yakaar: Amadou Ba, 62 Jahre alt, und ehemaliger Premierminister. Allerdings unterstützte Sall seinen Kronprinzen auffallend wenig. Sein Wahlkampf begann nur zögerlich. Ba war offenbar nicht Salls Wunschkandidat, jedoch eine pragmatische Lösung mangels Alternativen. Früher in der Steuerverwaltung tätig, zeichnet sich Ba durch seine lange politische Erfahrung aus. Er gilt als sehr gut vernetzt. Stabilität und wirtschaftliche Kontinuität im Geiste von Macky Sall sind Bas Versprechen.
Zentral für Salls Präsidentschaft war das perspektivisch bis 2035 angelegte Infrastruktur- und Entwicklungsprogramm PSE – Plan Sénégal Émergent. Kandidat Ba hat angekündigt, von 2025 an in jede Region des Senegals 50 Milliarden CFA (rund 76,2 Millionen Euro) zu investieren. Ba hat im Wahlkampf versprochen, bis 2028 eine Million Arbeitsplätze zu schaffen, vor allem für junge Leute, die im Senegal die Mehrheit stellen. Das soll durch öffentlich-private Partnerschaften und Investitionen in verschiedene Sektoren realisiert werden.
Auch die ältere Bevölkerung soll von seinem Wahlsieg profitieren: So verspricht er ihr eine Mindestsolidaritätszulage. Außerdem macht sich Ba für die Gründung einer Kunst- und Handwerksschule im Senegal stark.
Bassirou Diomaye Faye ist mit 44 Jahren einer der jüngsten Kandidaten im Bewerberfeld. Er tritt als Ersatzkandidat des beliebten Oppositionsführers Ousmane Sonko an. Der wurde im Januar endgültig von der Präsidentschaftswahl ausgeschlossen. Nur rund zehnTage vor der Wahl wurden beide unter einem neuen Amnestiegesetz aus der Haft entlassen.
Wahlkampf machen Diomaye Faye und Sonko im Doppelpack und betonen, dass es nicht um Personen, sondern um ein politisches Projekt gehe: “Diomaye mooy Sonko – Sonko mooy Diomaye” – Diomaye ist Sonko – Sonko ist Diomaye bedeutet der Slogan auf Wolof. Der Wahlruf der formell von der Regierung aufgelösten Partei der Patrioten des Senegal Pastef ist in kurzer Zeit äußerst populär geworden, was an der jungen und auf Social Media fleißig aktiven Klientel der Pastef liegen dürfte. Diomaye ist Mitbegründer der Pastef, hielt sich bisher aber stark im Hintergrund.
Faye kommt – genauso wie Sonko – aus der Steuerverwaltung, ist allerdings bei vielen Wählern weitgehend unbekannt. Ihm wird nachgesagt, weitaus radikaler und beratungsresistenter zu sein als Publikumsliebling Sonko. Allerdings haben Sonko und Diomaye ein starkes Vertrauensverhältnis, was zu seiner Nominierung als Plan-B-Kandidat der Pastef geführt haben sollte.
Die Pastef inszeniert sich als Partei des Wandels – weg vom politischen Establishment, alten Seilschaften und der Nähe zu Frankreich. So trat Diomaye in der Kleinstadt Fatick – der Geburtsstadt Macky Salls! – mit einem Strohbesen auf, um “den Schmutz wegzukehren, der sich seit 12 Jahren im Land angesammelt hat”. Institutionen sollen umgebaut, Bürgerinnen und Bürger mehr in die Demokratie eingebunden und das Staatshandeln transparenter werden. Diomaye hat im Wahlkampf versprochen, dass Verträge für natürliche Ressourcen – insbesondere die Öl- und Gasvorkommen – zugunsten der senegalesischen Bevölkerung neu verhandelt werden sollen.
Gleichzeitig haben sich während des Wahlkampfes schon erste Annäherungen an die Realität der politischen Arbeit gezeigt: So ruderte Oppositionsführer Sonko zurück, was die Loslösung vom Franc CFA und der Schaffung einer nationalen Währung angeht. Gleiches gilt für die Reform von Staatsämtern. Statt wie angekündigt das Amt eines Vizepräsidenten einzuführen, wolle die Pastef nun lieber das Amt des Premierministers stärken. Außerdem sollten alle Absprachen mit internationalen Partnern respektiert werden.
Khalifa Sall ist wieder da – der ehemalige Bürgermeister von Dakar (2009 bis 2018) gilt als wichtiger Kandidat neben Ba und Diomaye. Nach einer Verurteilung wegen Veruntreuung öffentlicher Mittel im Jahr 2018 und dem Ausschluss von politischen Ämtern profitierte Sall – der nur zufällig den gleichen Nachnamen wie Präsident Macky Sall trägt – von einer Gesetzesänderung und bewirbt sich 2024 um das Präsidentenamt.
Der 68 Jahre alte Politiker will die Demokratie des Senegals durch die Einführung von Referenden für Bürgerinitiativen stärken. Zudem soll die Landwirtschaft, die im weitgehend nicht industrialisierten Senegal eine große Rolle spielt, 1,5 Milliarden Euro pro Jahr bekommen. In der Außenpolitik will Sall die Partnerschaften für wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit breiter aufstellen und mehr Süd-Süd-Kooperationen abschließen.
Die senegalesische Diaspora will Sall bei einem Wahlsieg stärker für die Entwicklung des Senegals mobilisieren: Es soll eine Bank für die Rücküberweisungen aus dem Ausland aufgebaut werden. Senegalesinnen und Senegalesen im Ausland sollen leichter in ihrer Heimat investieren und ihre Fähigkeiten einbringen können. Stichwort für Sall ist die “zirkuläre Migration”, ein Konzept, das in westafrikanischen Ländern mit hoher Auswanderungsrate zuletzt immer wichtiger geworden ist.
Unter Präsident Abdoulaye Wade war Seck von 2002 bis 2004 Premierminister, später schloss er sich Wades Nachfolger und politischem Gegner Macky Sall an. Für Seck (Partei Rewmi) ist der Wahlkampf Routine: Zum vierten Mal infolge bewirbt er sich um das Präsidentenamt. Der 64-Jährige versucht, mit seiner langen politischen Erfahrung bei der Wählerschaft zu punkten. Die Währungsfrage spielt auch in Secks Programm eine Rolle: Er will ein gemeinsames Zahlungsmittel für die westafrikanischen Länder – und sich vom Franc CFA abwenden, dessen Wechselkurs fest an den Euro gekoppelt ist. Seck macht sich außerdem für eine Wehrpflicht stark.
Mit Blick auf die Nutzung der Öl- und Gasvorkommen vor der senegalesischen Küste fordert Seck einen Fonds der beteiligten Unternehmen, um Schäden in der Fischerei auszugleichen. Umweltschützern zufolge stört die küstennahe Bohrung die empfindlichen Ökosysteme. Zahlreiche Fischer im Senegal berichten schon seit der Probephase von weniger Fang. Um den Senegal in der Fläche abseits der Metropole Dakar zu stärken, will Seck 60 Prozent der öffentlichen Mittel außerhalb der Hauptstadt investieren.
Dia ist Kandidat des Parti de l’Unité et du Rassemblement (PUR). Markant für ihn ist seine lange UN-Erfahrung, vor allem im Bereich nachhaltige Entwicklung in Afrika. Er ist seit April vergangenen Jahres der Vertreter des UN Development Program (UNDP) erst in Kamerun, nachdem er zuvor von 2019 an das UNDP in Togo repräsentiert hatte. Insgesamt hat er 18 Jahre für das UNDP im Bereich der nachhaltigen Entwicklung gearbeitet. Davor war er als Geograf in der Wissenschaft tätig. Der 64-Jährige gilt als Experte für Klimawandel und Energiefragen.
Dia legt einen Schwerpunkt auf demokratische Regierungsführung und Entwicklung in der Fläche. Unter anderem will er die Regionen gegenüber der Hauptstadt Dakar stärken. Es fehle an spezifischen politischen Programmen, die über die Metropolen hinausgingen – gerade in der Landwirtschaft.
Seine Expertise liegt in seiner großen Erfahrung in internationalen Klimafragen. Doch bringt ihm seine lange Karriere bei den Vereinten Nationen fern der Heimat Pluspunkte im Senegal selbst? Es werden Dia nicht allzu große Chancen eingeräumt, es in die Stichwahl zu schaffen. Doch die Wähler, die er hinter sich schart, könnten ihm im zweiten Wahlgang zu einer wichtigen Rolle als Mehrheitsbeschaffer verhelfen.
Der Senegal galt lange als Vorbild für Westafrika. Doch in jüngster Vergangenheit hat dieses Bild Risse bekommen. Im regionalen Vergleich sticht der Senegal als kleines, aber wichtiges Land hervor. Mit seinen 197.000 Quadratkilometern Fläche ist es etwas mehr als halb so groß wie Deutschland. Doch das Land punktet vor allem mit seiner Stabilität und einer fest etablierten demokratischen Tradition. Mehr als 60 Jahre liegt die Unabhängigkeit von Frankreich zurück. Seitdem entwickelt sich das Land friedlich.
In den vergangenen Jahren allerdings hat das Land eine Reihe von Staatsstreichen durch Militärs erlebt. Mit Grenzen zu Mali, Mauretanien und Guinea gibt es auch im Senegal ein Risiko für dschihadistische Gewalt. Bisher ist es den Behörden gelungen, den islamischen Fanatismus in Schach zu halten. Der Senegal pflegt weiterhin eine sehr lokale muslimische Kultur, in kameradschaftlicher Koexistenz, insbesondere zum Christentum.
Öl- und Gasvorkommen, ein dichtes Netz an internationalen Partnerschaften, eine vergleichsweise gute Infrastruktur mit vielen Fluganbindungen nach Europa, Afrika, dem Nahen Osten und die USA machen den Senegal zu einem beliebten Investitionsstandort in Westafrika. Auch die geopolitische Bedeutung des Landes ist gestiegen: So pflegt Frankreich weiterhin eine gute Partnerschaft zum Senegal. Auch die von Niger abgelehnten USA könnten sich stärker zum Senegal hinwenden. Trotz regional guter Ausgangsbedingungen gibt es im Land dennoch einige kritische Bereiche:
Der Senegal zählt laut einer Übersicht von GTAI rund 18 Millionen Einwohner, das Bevölkerungswachstum liegt bei 2,5 Prozent. 60 Prozent der Menschen im Senegal sind laut UN-Angaben jünger als 24 Jahre. Jeder fünfte ist sogar nur zwischen 15 und 24 Jahren alt. Vor allem Frauen (22 Prozent) und junge Leute (16 Prozent) finden im Senegal keine Arbeit.
Dass junge Leute zum Teil trotz guter Ausbildung keine Perspektiven im Senegal finden, sehen Analysten immer wieder als Faktor für die Unzufriedenheit in der überwiegend jungen Bevölkerung. Jedes Jahr drängen laut GIZ etwa 300.000 junge Menschen neu auf den Arbeitsmarkt – anderen Schätzungen zufolge sind es sogar noch mehr. Die Schwierigkeiten für junge Menschen, Arbeit zu finden, gilt auch als der Grund für die Emigration – etwa über das Mittelmeer oder mit einem Visum für Studium und Arbeit. Spanien, gefolgt von Italien und Frankreich sind laut einer Studie der OECD die beliebtesten Destinationen senegalesischer Emigranten.
Die meisten Präsidentschaftskandidaten haben im Wahlkampf versprochen, massenhaft Arbeitsplätze zu schaffen. Amadou Ba bezeichne sich etwa selber als der Präsident, der sich für die Arbeitsplätze der Jugend einsetzt und eine Million Arbeitsplätze schaffen will.
Khalifa Sall setzt auf die Stärkung von jungen Unternehmern und den einfacheren Zugang zu Krediten. Dafür soll, ähnlich wie im Programm von Diomaye Faye, eine eigene Bank geschaffen werden. Das aber sei in der Realität sehr komplex und langwierig, gibt der Ökonom Meissa Babou in der senegalesischen Zeitung L’Observateur zu bedenken. Der Kandidat Serigne Mboup verspricht sogar fünf Millionen Arbeitsplätze über fünf Jahre – vor allem in der Landwirtschaft. Ziel sei die Unabhängigkeit von Importen.
“Für die Unabhängigkeit in der Lebensmittelversorgung bedarf es pro Jahr mehr als 300 Milliarden CFA (457 Millionen Euro) und das über einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren. Sie müssen uns sagen, mit welchen Mitteln sie diese Ziele erreichen wollen”, sagt Babou.
Viele Menschen im Senegal hoffen auf einen Entwicklungsschub durch die Einnahmen aus den Gas- und Ölvorkommen vor der Küste. Die kommerzielle Ausbeutung soll in diesem Jahr starten. Allerdings sind die Verträge rund um die Öl- und Gasfelder nicht öffentlich einsehbar. Es wird angenommen, dass die Vorkommen in andere Länder exportiert werden sollen. Beteiligt sind BP und Woodside.
Auch rechnen die meisten Kandidaten fest mit den Erlösen aus den Öl- und Gasvorkommen, um ihre Wahlprogramme zu finanzieren. Das birgt die Gefahr, dass darauf noch heftige Verteilungskämpfe im Land entstehen.
Bisher gibt es im Senegal keine strukturierten Ausbildungsprogramme von staatlicher Seite, um etwa Nachwuchs an Arbeitskräften in diesem Bereich bereitzustellen. Der IMF schätzt das Wachstum im Senegal für 2024 auf 8,8 Prozent – aufgrund der erwarteten Öl- und Gaseinnahmen. Umweltschützer kritisieren immer wieder, dass der Abbau dem Meer und den Fischbeständen schadet. Auch Deutschland hat Interesse an LNG aus Senegal geäußert. Darüber hinaus ist aber keine neue Entwicklung über etwaige Vereinbarungen bekannt.
Wie alle Küstenländer in Westafrika spürt der Senegal die Auswirkungen des Klimawandels. Verschobene Regenzeiten, Versalzung fruchtbarer Böden, der Anstieg des Meeresspiegels, der bereits sichtbar für Schäden an küstennahen Siedlungen sorgt – etwa in St. Louis oder an der Petite-Côte.
Der Senegal hat mit dem JETP-Vertrag ein 2,5 Milliarden Euro schweres Abkommen mit G7-Partnern zum Übergang in Richtung klimafreundliche Energien geschlossen. Bis 2030 soll der Anteil erneuerbarer Energien von jetzt 30 auf dann 40 Prozent steigen. Bis 2025 sollen alle Menschen Zugang zu Elektrizität haben.
Der Senegal sorgt zwar im weltweiten Vergleich nur für einen sehr kleinen Anteil der Treibhausgas-Emissionen (je nach Schätzung zwischen 0,04 und 0,07 Prozent). Allerdings wird vergleichsweise viel CO2 freigesetzt, um eine Million US-Dollar BIP zu erwirtschaften – achtmal so viel wie in Deutschland.
Im vergangenen Jahr kamen rund 40.000 Menschen über das Mittelmeer zu den Kanarischen Inseln, die zu Spanien gehören, wie Reuters berichtet. Anfang dieses Jahres deuten Zahlen des Innenministeriums auf eine weitere Zunahme hin. Siebenmal so viele Menschen wie im Vorjahr erreichten bis Mitte Februar die Kanaren (11.700). Vor allem Fischer verlassen den Senegal. Sie klagen über den starken Rückgang an Fisch. Umweltschützer machen dafür auch die umfangreichen EU-Fischereiabkommen verantwortlich, die den Bestand, der für den einheimischen Markt zur Verfügung steht, stark verringern.
Das Thema spielte im Wahlkampf eine starke Rolle. Die Fischereiwirtschaft steuert nach Behördenangaben 3,2 Prozent zum BIP bei. Khalifa Sall will internationale Fischereiabkommen neu verhandeln, Diomaye Faye exklusive Fangzonen nur für Kleinfischer – die im Senegal überwiegen – ausdehnen. Idrissa Seck macht sich für Ausgleichszahlungen aus der Öl- und Gasindustrie stark.
es sieht so aus, als würde im Senegal nun doch ein neuer Präsident gewählt – solange nicht doch noch etwas schiefgeht. Noch-Präsident Macky Sall hatte das Land vor einem Monat mit der Verschiebung der Wahl verfassungswidrig in eine schwere Staatskrise geführt. Beobachter hatten die Entscheidung als verkappten Staatsstreich bezeichnet. Doch noch scheint die Demokratie im Senegal wehrhaft.
Mit unserem Table.Spezial informieren wir Sie über die wichtigsten Fakten, die Sie im Vorfeld der Wahl wissen müssen. Unsere Westafrika-Korrespondentin Lucia Weiß in Dakar berichtet direkt aus dem Senegal. So geht sie der Frage nach, warum die Wahl auch für Deutschland und Europa so wichtig ist.
Zudem gibt sie einen Überblick über die entscheidenden Kandidaten, die sich um das Präsidentenamt bewerben und ordnet für Sie die Bedeutung Senegals für die politisch heikle Sahelregion ein.
Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre!
Bei der Präsidentschaftswahl im Senegal, die nun am Sonntag, 24. März stattfindet, geht es um weit mehr als um innenpolitisches Ringen um das höchste Amt im Land. Es geht auch um die Frage, ob der Senegal ein stabilisierender Faktor im krisengeschüttelten Sahel bleiben kann. Und es geht um die Frage, ob das Land weiterhin dem islamistischen Fanatismus in der Region standhält.
Der Senegal pflegt eine lokal spezifische Variante des Islam, die dem Sufismus nahesteht. Die religiösen Bruderschaften haben hohes Gewicht. In der heiligen Stadt Touba gilt die Scharia (da die Stadt offiziell privates Pachtgebiet ist). Bisher hat der Senegal islamistische Unterwanderung in Schach halten können. Sicherheitsexperten gehen aber davon aus, dass größere Anschläge nicht ausgeschlossen, sondern eher eine Frage der Zeit sind. “Der Senegal ist nicht isoliert. Wir sind von Ländern umgeben, die instabile Phasen erlebt haben”, sagt Bakary Sambe vom Timbuktu Institut im Gespräch mit Table.Briefings. Der Senegal habe seinen Grenzschutz verstärkt. “Ich denke, der Senegal weiß um diese Gefahr, die alle Länder weltweit betrifft und hat entsprechende Maßnahmen getroffen.”
Dieses Thema reicht weit in den Wahlkampf hinein. Immer wieder gibt es Gerüchte, dass der Kandidat Diomaye Faye Salafist sei und die Pastef Verbindungen zur ägyptischen Muslimbruderschaft unterhielten. Bewiesen haben sich diese bisher nicht. Der umstrittene Islamwissenschaftler Tariq Ramadan soll die Pastef mit Geld aus Katar unterstützt haben – was dieser vehement bestritten hat. Inzwischen hat sich die PDS um den von den Wahlen ausgeschlossenen Kandidaten Karim Wade, den Sohn des Ex-Präsidenten Abdoulaye Wade, hinter Diomaye Faye gestellt. Wade lebte in Katar im Exil und stärkte in seiner Zeit als Minister unter seinem Vater die Beziehungen.
Und ein zweites Thema spielt eine große Rolle im Wahlkampf: Es sind die großen Vorkommen an Erdöl und Erdgas vor der Küste des Landes. Noch in diesem Jahr soll mit der Förderung begonnen werden. Mit seinen neuen, großen Öl- und Gasvorkommen sah es für einen langen Moment so aus, als ob der Senegal dem vermeintlichen Fluch des Ressourcenreichtums erliegen sollte. Mitte 2023 eskalierte die Gewalt gegen Demonstrierende, mehr als 20 Menschen starben, das Internet wurde zeitweise abgestellt.
“Wir befinden uns in einem Augenblick des Übergangs, weil das geostrategische Gewicht des Senegals sich verändert. Der Senegal ist jetzt ein Öl- und Gasland“, sagt der Westafrika- und Extremismus Experte Sambe. Das verändert vieles im politischen Gefüge. “Der Senegal ist immer als ein Modell für die Demokratie gesehen worden. Wir haben vorübergehend eine Krise erlebt, aber der Senegal hat es geschafft, die Widerstandskraft seines Systems zu zeigen. Die rechtlichen Mechanismen haben gegriffen und den Wahlprozess wieder auf die Spur gebracht.”
Noch immer ist für die Öffentlichkeit nicht verständlich, was Macky Sall bezweckte, als er die Präsidentschaftswahl, die für Ende Februar vorgesehen war, absagte und dann schließlich kurzfristig diesen 24. März ansetzte. Ging es darum, die Hand auf die Öl- und Gasvorkommen zu behalten? Wollte er einen Weg suchen, sich doch noch an der Spitze zu halten? Und: Was brachte Macky Sall dazu, nun doch so kurzfristig Wahlen anzusetzen? Doch mit diesem – abgebrochenen – Staatsstreich hat der scheidende Präsident dieser Wahl eine Bedeutung gegeben, die sie zuvor nicht hatte. Jetzt spielt sie auch für die USA und Europa wie auch für ihre Stellung in der Region eine weitreichende Rolle.
Diese Fragen betreffen die Vergangenheit. In die Zukunft gerichtet, entscheidet sich an diesem Sonntag zum großen Teil, ob der Senegal in den kommenden Jahren sein Potenzial entfalten kann. Newcomer in Öl und Gas, mit zahlreichen internationalen Partnern im Rücken und der Vorbildfunktion als Demokratie im krisenreichen Westafrika. Deswegen gilt die Präsidentschaftswahl am Sonntag als richtungsweisend. Favoriten sind Amadou Ba von der Präsidentschaftsmehrheit Benno Book Yakaar und Bassirou Diomaye Faye von der offiziellen aufgelösten Oppositionspartei Pastef.
Beide sind Zahlenkenner und haben viele Jahre in der Steuerverwaltung gearbeitet – so wie übrigens auch Oppositionschef Ousmane Sonko, der in seiner frühen Zeit wohl eng mit Amadou Ba befreundet war. Im Wahlkampf haben sie ein Spiel bedient, das die Wählerschaft im Senegal sehr gut kennt – und das in der Vergangenheit leidlich funktioniert hat. Es geht um Kontinuität gegen Veränderung. Während Ba auf die wirtschaftlich gute Bilanz von Macky Sall zurückgreifen kann, tritt Diomaye Faye für einen “Systemwandel” an. Weg mit den alten Eliten, die Jugend mehr einbinden und alles neu machen. So die Botschaft.
Allerdings dürfte sich Diomaye Faye im Falle eines Wahlsieges recht schnell an die Realität anpassen. Erste Hinweise in diese Richtung gab sein Vertrauter Ousmane Sonko, der ihm aufgrund seines Ausschlusses die Kandidatur überließ. Bei der ersten gemeinsamen Pressekonferenz nach ihrer Haftentlassung rund zehn Tage vor den Wahlen ruderte Sonko zurück – erstmal keine nationale Währung und kein Vizepräsidentenamt. Auch bei der Frage nach dem Verhältnis zu Frankreich sind die Töne schon vor den Wahlen gemäßigter. Zu Frankreich habe der Senegal ein gutes Verhältnis, prinzipiell schließe man aber auch andere Partner insbesondere in der Sicherheitspolitik nicht aus, so Diomaye Faye in einem Interview mit Le Monde.
Spannend dürfte werden, wie sich Diomaye Faye und Sonko zueinander verhalten, sollte die Pastef gewinnen. Der charismatische Sonko, der bereits 2019 als Präsident antrat, hat zwar die Führungsrolle abtreten müssen, seinen Führungsanspruch tut er allerdings weiter kund. Sowohl Sonko als auch Diomaye Faye lassen nicht unbedingt darauf hoffen, dass sie Frauen im Senegal besserstellen – was die männlich dominierte politische Szene auch nicht weiter stört. In der Führung der Pastef finden sich keine Frauen.
Auch der Skandal um eine mutmaßliche Vergewaltigung hat Sonkos Image keinen Kratzer zugefügt. Verurteilt wurde er schließlich wegen der moralischen Verführung Minderjähriger. Was wirklich im Salon “Sweet Beauty” geschah, wurde nie geklärt. Fest steht, dass sich der populäre Politiker regelmäßig in diesem Etablissement einfand, das besondere Arten der Massage anbot. Sonko und Diomaye Faye sind bekennende Muslime, Sonko macht von seinem im Senegal geltenden Recht auf Polygamie Gebrauch und heiratete während der Haftzeit eine dritte Frau. Diomaye Faye hat zwei Gattinnen, wie er auf Nachfrage eines lokalen TV-Senders bestätigte.
Kandidat Amadou Ba, hat mindestens eine Gattin, mit der er nach eigenen Angaben 40 Jahre zusammen ist. Es gibt allerdings Hinweise auf eine zweite Frau. Die Frage nach der Familie und den Partnerschaften ist im überwiegend muslimischen Senegal immer auch eine politische. So stehen die Kandidaten unterschiedlichen religiösen Führungsfiguren nahe, die ihre Anhänger mobilisieren können.
Die Wahlen am Sonntag sind mit Blick auf die politische Instabilität in Westafrika, die Isolation der neu gegründeten Sahel-Allianz und deren Nähe zu Russland auch für Europa und die USA von Bedeutung so Sambe. “Sowohl die russischen Söldner als auch die Dschihadisten schlagen einen Vorteil aus solchen Momenten der Instabilität.”
Rund 7,3 Millionen Menschen sind am Sonntag zur Wahl aufgerufen. Die meisten potenziellen Stimmen haben Dakar und Thiès, außerdem ist die Stadt St. Louis im Norden stimmenstark. Offizielle Ergebnisse werden bis spätestens 29. März verkündet. Vorläufige Ergebnisse werden bereits in der Nacht zum Montag erwartet. Wenn im ersten Wahlgang niemand die absolute Mehrheit hat, gehen die zwei stärksten Kandidaten in die Stichwahl – voraussichtlich Mitte oder Ende April.
20 Kandidaten wollten sich ursprünglich bei der im Februar vorgesehenen Wahl für das höchste Staatsamt im Senegal bewerben. Die Liste ist um einen Namen geschrumpft, nach dem Rückzug von Rose Wardini. Die Gynäkologin steht im Verdacht, neben der senegalesischen Staatsbürgerschaft auch einen französischen Pass zu besitzen. Das wäre ein Verstoß gegen die Verfassung. Noch nie gab es so viele mit 19 Namen so viele Anwärter auf das Präsidentenamt. Bei der letzten Wahl im Jahr 2019 traten nur fünf Anwärter an, nach 14 im Jahr 2012, 15 im Jahr 2007 und acht im Jahr 2000.
Wir stellen Ihnen hier die wichtigsten Kandidaten dieser Wahl vor:
Amtsinhaber Macky Sall kürte ihn persönlich zum Kandidaten der Präsidentschaftsmehrheit Benno Bokk Yakaar: Amadou Ba, 62 Jahre alt, und ehemaliger Premierminister. Allerdings unterstützte Sall seinen Kronprinzen auffallend wenig. Sein Wahlkampf begann nur zögerlich. Ba war offenbar nicht Salls Wunschkandidat, jedoch eine pragmatische Lösung mangels Alternativen. Früher in der Steuerverwaltung tätig, zeichnet sich Ba durch seine lange politische Erfahrung aus. Er gilt als sehr gut vernetzt. Stabilität und wirtschaftliche Kontinuität im Geiste von Macky Sall sind Bas Versprechen.
Zentral für Salls Präsidentschaft war das perspektivisch bis 2035 angelegte Infrastruktur- und Entwicklungsprogramm PSE – Plan Sénégal Émergent. Kandidat Ba hat angekündigt, von 2025 an in jede Region des Senegals 50 Milliarden CFA (rund 76,2 Millionen Euro) zu investieren. Ba hat im Wahlkampf versprochen, bis 2028 eine Million Arbeitsplätze zu schaffen, vor allem für junge Leute, die im Senegal die Mehrheit stellen. Das soll durch öffentlich-private Partnerschaften und Investitionen in verschiedene Sektoren realisiert werden.
Auch die ältere Bevölkerung soll von seinem Wahlsieg profitieren: So verspricht er ihr eine Mindestsolidaritätszulage. Außerdem macht sich Ba für die Gründung einer Kunst- und Handwerksschule im Senegal stark.
Bassirou Diomaye Faye ist mit 44 Jahren einer der jüngsten Kandidaten im Bewerberfeld. Er tritt als Ersatzkandidat des beliebten Oppositionsführers Ousmane Sonko an. Der wurde im Januar endgültig von der Präsidentschaftswahl ausgeschlossen. Nur rund zehnTage vor der Wahl wurden beide unter einem neuen Amnestiegesetz aus der Haft entlassen.
Wahlkampf machen Diomaye Faye und Sonko im Doppelpack und betonen, dass es nicht um Personen, sondern um ein politisches Projekt gehe: “Diomaye mooy Sonko – Sonko mooy Diomaye” – Diomaye ist Sonko – Sonko ist Diomaye bedeutet der Slogan auf Wolof. Der Wahlruf der formell von der Regierung aufgelösten Partei der Patrioten des Senegal Pastef ist in kurzer Zeit äußerst populär geworden, was an der jungen und auf Social Media fleißig aktiven Klientel der Pastef liegen dürfte. Diomaye ist Mitbegründer der Pastef, hielt sich bisher aber stark im Hintergrund.
Faye kommt – genauso wie Sonko – aus der Steuerverwaltung, ist allerdings bei vielen Wählern weitgehend unbekannt. Ihm wird nachgesagt, weitaus radikaler und beratungsresistenter zu sein als Publikumsliebling Sonko. Allerdings haben Sonko und Diomaye ein starkes Vertrauensverhältnis, was zu seiner Nominierung als Plan-B-Kandidat der Pastef geführt haben sollte.
Die Pastef inszeniert sich als Partei des Wandels – weg vom politischen Establishment, alten Seilschaften und der Nähe zu Frankreich. So trat Diomaye in der Kleinstadt Fatick – der Geburtsstadt Macky Salls! – mit einem Strohbesen auf, um “den Schmutz wegzukehren, der sich seit 12 Jahren im Land angesammelt hat”. Institutionen sollen umgebaut, Bürgerinnen und Bürger mehr in die Demokratie eingebunden und das Staatshandeln transparenter werden. Diomaye hat im Wahlkampf versprochen, dass Verträge für natürliche Ressourcen – insbesondere die Öl- und Gasvorkommen – zugunsten der senegalesischen Bevölkerung neu verhandelt werden sollen.
Gleichzeitig haben sich während des Wahlkampfes schon erste Annäherungen an die Realität der politischen Arbeit gezeigt: So ruderte Oppositionsführer Sonko zurück, was die Loslösung vom Franc CFA und der Schaffung einer nationalen Währung angeht. Gleiches gilt für die Reform von Staatsämtern. Statt wie angekündigt das Amt eines Vizepräsidenten einzuführen, wolle die Pastef nun lieber das Amt des Premierministers stärken. Außerdem sollten alle Absprachen mit internationalen Partnern respektiert werden.
Khalifa Sall ist wieder da – der ehemalige Bürgermeister von Dakar (2009 bis 2018) gilt als wichtiger Kandidat neben Ba und Diomaye. Nach einer Verurteilung wegen Veruntreuung öffentlicher Mittel im Jahr 2018 und dem Ausschluss von politischen Ämtern profitierte Sall – der nur zufällig den gleichen Nachnamen wie Präsident Macky Sall trägt – von einer Gesetzesänderung und bewirbt sich 2024 um das Präsidentenamt.
Der 68 Jahre alte Politiker will die Demokratie des Senegals durch die Einführung von Referenden für Bürgerinitiativen stärken. Zudem soll die Landwirtschaft, die im weitgehend nicht industrialisierten Senegal eine große Rolle spielt, 1,5 Milliarden Euro pro Jahr bekommen. In der Außenpolitik will Sall die Partnerschaften für wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit breiter aufstellen und mehr Süd-Süd-Kooperationen abschließen.
Die senegalesische Diaspora will Sall bei einem Wahlsieg stärker für die Entwicklung des Senegals mobilisieren: Es soll eine Bank für die Rücküberweisungen aus dem Ausland aufgebaut werden. Senegalesinnen und Senegalesen im Ausland sollen leichter in ihrer Heimat investieren und ihre Fähigkeiten einbringen können. Stichwort für Sall ist die “zirkuläre Migration”, ein Konzept, das in westafrikanischen Ländern mit hoher Auswanderungsrate zuletzt immer wichtiger geworden ist.
Unter Präsident Abdoulaye Wade war Seck von 2002 bis 2004 Premierminister, später schloss er sich Wades Nachfolger und politischem Gegner Macky Sall an. Für Seck (Partei Rewmi) ist der Wahlkampf Routine: Zum vierten Mal infolge bewirbt er sich um das Präsidentenamt. Der 64-Jährige versucht, mit seiner langen politischen Erfahrung bei der Wählerschaft zu punkten. Die Währungsfrage spielt auch in Secks Programm eine Rolle: Er will ein gemeinsames Zahlungsmittel für die westafrikanischen Länder – und sich vom Franc CFA abwenden, dessen Wechselkurs fest an den Euro gekoppelt ist. Seck macht sich außerdem für eine Wehrpflicht stark.
Mit Blick auf die Nutzung der Öl- und Gasvorkommen vor der senegalesischen Küste fordert Seck einen Fonds der beteiligten Unternehmen, um Schäden in der Fischerei auszugleichen. Umweltschützern zufolge stört die küstennahe Bohrung die empfindlichen Ökosysteme. Zahlreiche Fischer im Senegal berichten schon seit der Probephase von weniger Fang. Um den Senegal in der Fläche abseits der Metropole Dakar zu stärken, will Seck 60 Prozent der öffentlichen Mittel außerhalb der Hauptstadt investieren.
Dia ist Kandidat des Parti de l’Unité et du Rassemblement (PUR). Markant für ihn ist seine lange UN-Erfahrung, vor allem im Bereich nachhaltige Entwicklung in Afrika. Er ist seit April vergangenen Jahres der Vertreter des UN Development Program (UNDP) erst in Kamerun, nachdem er zuvor von 2019 an das UNDP in Togo repräsentiert hatte. Insgesamt hat er 18 Jahre für das UNDP im Bereich der nachhaltigen Entwicklung gearbeitet. Davor war er als Geograf in der Wissenschaft tätig. Der 64-Jährige gilt als Experte für Klimawandel und Energiefragen.
Dia legt einen Schwerpunkt auf demokratische Regierungsführung und Entwicklung in der Fläche. Unter anderem will er die Regionen gegenüber der Hauptstadt Dakar stärken. Es fehle an spezifischen politischen Programmen, die über die Metropolen hinausgingen – gerade in der Landwirtschaft.
Seine Expertise liegt in seiner großen Erfahrung in internationalen Klimafragen. Doch bringt ihm seine lange Karriere bei den Vereinten Nationen fern der Heimat Pluspunkte im Senegal selbst? Es werden Dia nicht allzu große Chancen eingeräumt, es in die Stichwahl zu schaffen. Doch die Wähler, die er hinter sich schart, könnten ihm im zweiten Wahlgang zu einer wichtigen Rolle als Mehrheitsbeschaffer verhelfen.
Der Senegal galt lange als Vorbild für Westafrika. Doch in jüngster Vergangenheit hat dieses Bild Risse bekommen. Im regionalen Vergleich sticht der Senegal als kleines, aber wichtiges Land hervor. Mit seinen 197.000 Quadratkilometern Fläche ist es etwas mehr als halb so groß wie Deutschland. Doch das Land punktet vor allem mit seiner Stabilität und einer fest etablierten demokratischen Tradition. Mehr als 60 Jahre liegt die Unabhängigkeit von Frankreich zurück. Seitdem entwickelt sich das Land friedlich.
In den vergangenen Jahren allerdings hat das Land eine Reihe von Staatsstreichen durch Militärs erlebt. Mit Grenzen zu Mali, Mauretanien und Guinea gibt es auch im Senegal ein Risiko für dschihadistische Gewalt. Bisher ist es den Behörden gelungen, den islamischen Fanatismus in Schach zu halten. Der Senegal pflegt weiterhin eine sehr lokale muslimische Kultur, in kameradschaftlicher Koexistenz, insbesondere zum Christentum.
Öl- und Gasvorkommen, ein dichtes Netz an internationalen Partnerschaften, eine vergleichsweise gute Infrastruktur mit vielen Fluganbindungen nach Europa, Afrika, dem Nahen Osten und die USA machen den Senegal zu einem beliebten Investitionsstandort in Westafrika. Auch die geopolitische Bedeutung des Landes ist gestiegen: So pflegt Frankreich weiterhin eine gute Partnerschaft zum Senegal. Auch die von Niger abgelehnten USA könnten sich stärker zum Senegal hinwenden. Trotz regional guter Ausgangsbedingungen gibt es im Land dennoch einige kritische Bereiche:
Der Senegal zählt laut einer Übersicht von GTAI rund 18 Millionen Einwohner, das Bevölkerungswachstum liegt bei 2,5 Prozent. 60 Prozent der Menschen im Senegal sind laut UN-Angaben jünger als 24 Jahre. Jeder fünfte ist sogar nur zwischen 15 und 24 Jahren alt. Vor allem Frauen (22 Prozent) und junge Leute (16 Prozent) finden im Senegal keine Arbeit.
Dass junge Leute zum Teil trotz guter Ausbildung keine Perspektiven im Senegal finden, sehen Analysten immer wieder als Faktor für die Unzufriedenheit in der überwiegend jungen Bevölkerung. Jedes Jahr drängen laut GIZ etwa 300.000 junge Menschen neu auf den Arbeitsmarkt – anderen Schätzungen zufolge sind es sogar noch mehr. Die Schwierigkeiten für junge Menschen, Arbeit zu finden, gilt auch als der Grund für die Emigration – etwa über das Mittelmeer oder mit einem Visum für Studium und Arbeit. Spanien, gefolgt von Italien und Frankreich sind laut einer Studie der OECD die beliebtesten Destinationen senegalesischer Emigranten.
Die meisten Präsidentschaftskandidaten haben im Wahlkampf versprochen, massenhaft Arbeitsplätze zu schaffen. Amadou Ba bezeichne sich etwa selber als der Präsident, der sich für die Arbeitsplätze der Jugend einsetzt und eine Million Arbeitsplätze schaffen will.
Khalifa Sall setzt auf die Stärkung von jungen Unternehmern und den einfacheren Zugang zu Krediten. Dafür soll, ähnlich wie im Programm von Diomaye Faye, eine eigene Bank geschaffen werden. Das aber sei in der Realität sehr komplex und langwierig, gibt der Ökonom Meissa Babou in der senegalesischen Zeitung L’Observateur zu bedenken. Der Kandidat Serigne Mboup verspricht sogar fünf Millionen Arbeitsplätze über fünf Jahre – vor allem in der Landwirtschaft. Ziel sei die Unabhängigkeit von Importen.
“Für die Unabhängigkeit in der Lebensmittelversorgung bedarf es pro Jahr mehr als 300 Milliarden CFA (457 Millionen Euro) und das über einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren. Sie müssen uns sagen, mit welchen Mitteln sie diese Ziele erreichen wollen”, sagt Babou.
Viele Menschen im Senegal hoffen auf einen Entwicklungsschub durch die Einnahmen aus den Gas- und Ölvorkommen vor der Küste. Die kommerzielle Ausbeutung soll in diesem Jahr starten. Allerdings sind die Verträge rund um die Öl- und Gasfelder nicht öffentlich einsehbar. Es wird angenommen, dass die Vorkommen in andere Länder exportiert werden sollen. Beteiligt sind BP und Woodside.
Auch rechnen die meisten Kandidaten fest mit den Erlösen aus den Öl- und Gasvorkommen, um ihre Wahlprogramme zu finanzieren. Das birgt die Gefahr, dass darauf noch heftige Verteilungskämpfe im Land entstehen.
Bisher gibt es im Senegal keine strukturierten Ausbildungsprogramme von staatlicher Seite, um etwa Nachwuchs an Arbeitskräften in diesem Bereich bereitzustellen. Der IMF schätzt das Wachstum im Senegal für 2024 auf 8,8 Prozent – aufgrund der erwarteten Öl- und Gaseinnahmen. Umweltschützer kritisieren immer wieder, dass der Abbau dem Meer und den Fischbeständen schadet. Auch Deutschland hat Interesse an LNG aus Senegal geäußert. Darüber hinaus ist aber keine neue Entwicklung über etwaige Vereinbarungen bekannt.
Wie alle Küstenländer in Westafrika spürt der Senegal die Auswirkungen des Klimawandels. Verschobene Regenzeiten, Versalzung fruchtbarer Böden, der Anstieg des Meeresspiegels, der bereits sichtbar für Schäden an küstennahen Siedlungen sorgt – etwa in St. Louis oder an der Petite-Côte.
Der Senegal hat mit dem JETP-Vertrag ein 2,5 Milliarden Euro schweres Abkommen mit G7-Partnern zum Übergang in Richtung klimafreundliche Energien geschlossen. Bis 2030 soll der Anteil erneuerbarer Energien von jetzt 30 auf dann 40 Prozent steigen. Bis 2025 sollen alle Menschen Zugang zu Elektrizität haben.
Der Senegal sorgt zwar im weltweiten Vergleich nur für einen sehr kleinen Anteil der Treibhausgas-Emissionen (je nach Schätzung zwischen 0,04 und 0,07 Prozent). Allerdings wird vergleichsweise viel CO2 freigesetzt, um eine Million US-Dollar BIP zu erwirtschaften – achtmal so viel wie in Deutschland.
Im vergangenen Jahr kamen rund 40.000 Menschen über das Mittelmeer zu den Kanarischen Inseln, die zu Spanien gehören, wie Reuters berichtet. Anfang dieses Jahres deuten Zahlen des Innenministeriums auf eine weitere Zunahme hin. Siebenmal so viele Menschen wie im Vorjahr erreichten bis Mitte Februar die Kanaren (11.700). Vor allem Fischer verlassen den Senegal. Sie klagen über den starken Rückgang an Fisch. Umweltschützer machen dafür auch die umfangreichen EU-Fischereiabkommen verantwortlich, die den Bestand, der für den einheimischen Markt zur Verfügung steht, stark verringern.
Das Thema spielte im Wahlkampf eine starke Rolle. Die Fischereiwirtschaft steuert nach Behördenangaben 3,2 Prozent zum BIP bei. Khalifa Sall will internationale Fischereiabkommen neu verhandeln, Diomaye Faye exklusive Fangzonen nur für Kleinfischer – die im Senegal überwiegen – ausdehnen. Idrissa Seck macht sich für Ausgleichszahlungen aus der Öl- und Gasindustrie stark.