Table.Briefing: Africa

Table.Special: Wahlen in Südafrika

Liebe Leserin, lieber Leser,

Südafrika hat gewählt, und doch ist zu dieser Stunde noch vieles offen. In diesem Spezial wollen wir Ihnen alles Wissenswertes am Tag nach dem Urnengang berichten. Unser Korrespondent in Johannesburg, Andreas Sieren, ist in der Nacht zum Donnerstag lange aufgeblieben, um die Stimmauszählung aus nächster Nähe zu verfolgen. Und auch in der Nacht zum Freitag wird er wohl wieder lange aufbleiben müssen.

Auch in den kommenden Ausgaben des Africa.Table werden uns die Wahlen weiter beschäftigen. Denn Südafrika hat die Wahl, ob das Land nach links oder nach rechts rücken wird. Schon morgen werden Ihnen mehr dazu berichten können.

Wir wünschen Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre.

Ihr
Christian von Hiller
Bild von Christian  von Hiller

Analyse

Wahl in Südafrika: Erstmals Koalitionsregierung erwartet

Zum ersten Mal seit den ersten demokratischen Wahlen 1994 wird erwartet, dass die Regierungspartei African National Congress (ANC) die absolute Mehrheit verliert. Um weiterzuregieren, braucht die Partei eine Koalitionsregierung, was einer Zäsur in der politischen Landschaft Südafrikas gleichkommt. Die ersten Hochrechnungen verzögern sich, erwartet werden jedoch immer noch etwas mehr als 45 Prozent, also knapp an 50 Prozent vorbei. Bei den vergangenen Wahlen 2019 kam der ANC noch auf 57,5 Prozent.

Wahrscheinlich erscheint eine Koalition zwischen dem ANC und einer kleineren Partei, etwa der Inkatha Freedom Party. Diese würde eine zweite Amtszeit für Präsident Cyril Ramaphosa bedeuten. Mit dem Bündnis vermeidet Ramaphosa eine Koalition mit der EFF und eine Stärkung des linken Flügels des ANC. “Vermutlich würden die Märkte nicht zu stark reagieren”, so Hanns Bühler, Südafrika-Direktor der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung gegenüber Table.Briefings. “Aber ob die nötigen Reformen unter einer entsprechenden Koalition umgesetzt werden, bleibt abzuwarten”.

Südafrika ist eine junge Demokratie, gestern fanden die erst siebten Wahlen statt. Etwas mehr als 27 Millionen Wähler von 40 Millionen Wahlberechtigten hatten sich in dem Land mit 62 Millionen Einwohnern registrieren lassen. Die Wähler gingen in 23.292 Wahlstationen in 257 Gemeinden an die Urnen und entschieden über die Zusammensetzung des nationalen Parlaments und der neun Provinzparlamente. Südafrika befindet sich an einem Scheidepunkt.

ANC bekommt Konkurrenz

Auch bei der offiziellen Opposition, der Democratic Alliance (DA), lief der Wahlkampf nicht so, wie die Partei es sich vorgestellt hat. Die DA, die auf Provinzebene nur im Westkap regiert, möchte ihre Machtbasis ausbauen, konnte aber ihr Image als Partei der weißen Mittelklasse nicht abschütteln und regierte bisher weitestgehend an der schwarzen Basis vorbei. Ihr wird ein ähnliches Ergebnis wie die 21,7 Prozent von 2019 vorhergesagt.

Die Economic Freedom Fighters (EFF) schielen ebenfalls auf die Macht. Die EFF gehört nicht der im vergangenen Jahr gegründeten Multi-Party Charter an, einem Bündnis von Oppositionsparteien, die eine mögliche ANC-EFF-Koalition unterbinden möchte, aber wohl nicht annähend auf die notwendigen 50 Prozent kommt. Jahrelang hat die EFF den ANC standfest kritisiert, lenkte jedoch in den vergangenen zwei Monaten ein und bietet sich als Koalitionspartner an. Auch ihr werden knapp über zehn Prozent zugetraut, wie vor fünf Jahren, als sie 10,8 Prozent der Stimmen einfuhr.

Südafrika emanzipiert sich außenpolitisch

Anders als bei der Innenpolitik hat sich Südafrika außenpolitisch in jüngster Zeit emanzipiert. Das Land macht Schlagzeilen, in dem es Russland seit dem Einmarsch in der Ukraine nicht öffentlich verurteilte. Die Regierung in Pretoria schlug in der internationalen Diplomatie einen Weg der strategischen Balance ein und stellte sich bewusst gegen den politischen Druck aus dem Westen. Stattdessen baute sie die Beziehungen zu den Brics-Ländern aus, zu denen auch Südafrika gehört. Noch vor dem 15. Brics-Gipfel in Johannesburg im vergangenen August sah sich Südafrika in einer Zwickmühle. An dem Gipfel wollte der russische Präsident Wladimir Putin teilnehmen. Gegen ihn hatte jedoch der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag im März 2023 einen Haftbefehl wegen Verdacht auf Kriegsverbrechen ausgestellt. Demnach hätten die Behörden in Südafrika Putin bei der Einreise verhaften müssen. Präsident Ramaphosa überredete Putin persönlich, nicht zu kommen. Von Seiten der Amerikaner hatte der Druck zugenommen, doch Ramaphosa blieb standfest.

Im vergangenen Juni stellte er eine afrikanische Friedensmission nach Kiew und St. Petersburg zusammen, mit dem Ziel, im Ukrainekrieg zu vermitteln. Mit der historisch erstmaligen Mission wurde Afrika aufgewertet. Beim Brics-Gipfel konnte eine erfolgreiche Erweiterung, darunter Ägypten und Äthiopien, gefeiert werden. Für eine Überraschung sorgte Südafrika auch Ende vergangenen Jahres, als es Israel beim Internationalen Gerichthof wegen Völkermord in Gaza anklagte. “Südafrika hat keinen prinzipiellen Ansatz gegenüber diesen globalen Konflikten”, schreiben Greg Mills und Ray Hartley vom Johannesburger Thinktank Brenthurst Foundation. “Es gibt vor, vermitteln zu wollen, aber es wählt aus, wann und welche seiner Prinzipien gelten.” Vor zwei Wochen hat Südafrika das Gericht im Rahmen seiner Völkermordklage in einem Eilantrag dazu aufgerufen, unverzüglich Israels Abzug aus dem Gazastreifen sowie einen Stopp der Offensive auf die Stadt Rafah anzuordnen. Zudem soll Israel Ermittlern, humanitärer Hilfe sowie Journalisten ungehindert Zugang gewähren. Beobachter warfen der Regierung in Pretoria vor, mit seiner Außenpolitik von den Problemen zu Hause abzulenken.

Enttäuschung über Ungleichheit und marode Infrastruktur

Diese sind seit Jahren nicht von der Hand zu weisen. Südafrikaner zeigen sich enttäuscht von den wirtschaftlichen Möglichkeiten, die sich in 30 Jahren Demokratie nicht eingestellt haben. Nach Ende der Apartheid wurde Freiheit versprochen, diese kam jedoch nur politisch und nicht wirtschaftlich. Ein Drittel der Bevölkerung ist arbeitslos, mehr als die Hälfte lebt in Armut, auch wenn sich mittlerweile eine gut situierte Mittelklasse, in die auch viele Schwarze aufgestiegen sind, etabliert hat. Die Ungleichheit im Land ist nach wie vor die größte in der Welt. Die weitverbreitete Kriminalität konnte bisher nicht unterbunden werden.

Hinzu kommt, dass die Infrastruktur des Landes marode ist. Strom- und Wasserversorgung bleiben unzureichend, viele Gemeinden und Städte verfallen. Zunehmend zornig, wehren sich die Menschen in sogenannten service delivery protests, um gegen die mangelnden Dienstleistungen zu protestieren. Die Wirtschaft hadert mit ineffizienten Seehäfen, unterbrochenen Eisenbahnlinien und Straßen voller Schlaglöcher. Die bis vor zwei Monaten anhaltenden Stromausfälle mussten Unternehmen mit teuren Aggregaten auffangen. Jetzt macht die mangelnde Wasserversorgung Sorgen.

Privatwirtschaft trotz allem stabil

Dennoch: Tausende ausländische Unternehmen sind nach wie vor positiv gestimmt und fahren Gewinne ein. Die Privatwirtschaft am Kap gilt als stabil. Anders sieht es in der Regierung aus. Korruption, Vetternwirtschaft und Missmanagement, vor allem unter dem ehemaligen Präsidenten Jacob Zuma, haben das Land fast in die Knie gezwungen. Extreme Strukturprobleme existieren nach wie vor, auch wenn Präsident Ramaphosa, der Zuma Anfang 2018 beerbte, versuchte, das Land wieder auf Kurs zu bringen. Manche befürchten Unruhen, wie bereits im Juli 2021, bei denen 350 Menschen ums Leben kamen und mehrere Tausend verhaftet wurden, auch wenn es am Wahltag dafür keine Anzeichen gab.

Bei all den Herausforderungen ist es trotzdem unwahrscheinlich, dass Südafrika in eine Instabilität abrutschen wird. Auch eine Koalition des ANC mit einer kleinen Partei wird Erneuerungen weiter, wenn auch langsam, voranbringen und für Kontinuität sorgen. Und gleichzeitig wird die Privatwirtschaft weiterwachsen.

  • Internationaler Strafgerichtshof
  • Südafrika
  • Wahlen

News

Erste Prognosen zeigen massive Verluste für ANC

Die staatliche Forschungsstelle Council for Scientific and Industrial Research (CSIR) sagt erdrutschartige Verluste für den African National Congress (ANC) bei den gestrigen Wahlen voraus. Demnach würde die Regierungspartei gegenüber den letzten Wahlen 2019 rund 15 Prozent der Stimmen verlieren. Die oppositionelle Democratic Alliance (DA) wird demnach rund fünf Prozent zulegen. Den Economic Freedom Fighters (EFF) werden rund zwei Prozent Verluste vorausgesagt. CSIR machte seine Prognose wie 2019 bei 8,5 Prozent der ausgewählten Stimmen, und lag mit der Vorhersage lediglich zwei Prozent daneben.

Um 12 Uhr, bei 18,19 Prozent der ausgezählten Stimmen in 4.238 der 23.292 Wahlstationen, gibt es laut der Independant Electoral Commission (IEC) folgende Resultate:

  • African National Congress (ANC): 42,92 Prozent (-14,78)
  • Democratic Alliance (DA): 25,12 Prozent (+4,35)
  • Economic Freedom Fighters (EFF): 8,67 Prozent (-2,13)
  • uMkhonto we Sizwe (MK): 8,18 Prozent (+8,18)

Pravesh Debba, Statistikexperte beim CSIR, gab allerdings zu bedenken, dass das angewandte Model die Prognose für die neue uMkhonto we Sizwe (MK)-Partei des ehemaligen Präsidenten Jacob Zuma überbewerten könnte, da es die Partei 2019 noch nicht gab und vergleichbare Werte fehlten. Seit 2019 gibt der CSIR Wahlprognosen mit einem hohen Grad an Genauigkeit ab. Erste verlässliche Hochrechnungen werden nicht vor heute Abend erwartet.

In der Provinz KwaZulu-Natal, der traditionellen Hochburg des ANC, werden ebenfalls massive Verluste für die Partei vorausgesagt. Hier hat die neu gegründete MK mit mehr als 40 Prozent die Nase vorn, doppelt so viel wie der ANC. Es könnte die zweite Provinz werden, die der ANC verliert. Im Western Cape regiert seit Jahren bereits die DA, und hat derzeit noch knapp die absolute Mehrheit.

Verspätungen bei den Wahlen gestern gab es aufgrund der voter management devices (VMDs), die in vielen Wahllokalen nicht richtig funktionierten. VMDs sind Digitalgeräte, mit der die Wählerliste kontrolliert und abgeglichen werden sollen. Wahllokale mussten auf ausgedruckte Wählerlisten zurückgreifen, was die endgültige Stimmabgabe manchenorts bis in die frühen Morgenstunden verzögerte. as

  • Südafrika
  • Wahlen

Hohe Wahlbeteiligung trotz langer Wartezeiten

Die siebten nationalen Wahlen in Südafrika sind am Mittwoch ruhig und ohne nennenswerte Zwischenfälle verlaufen. Sie konnten zudem als frei und fair bezeichnet werden. Die Independant Electoral Commission (IEC) von Südafrika gab an, dass mindestens 93 Prozent der Wahllokale pünktlich öffneten. An zahlreichen Stationen kam es jedoch zu Verspätungen, weil entweder die Wahlzettel spät geliefert wurden, notwendige Sicherheitskräfte sich nicht pünktlich eingefunden hatten oder es zu Bürgerprotesten kam.

Präsident Cyril Ramaphosa wählte in Soweto. Sein Vorgänger Jacob Zuma ging in ein Wahlbüro in seiner Heimatgemeinde Nkandla in KwaZulu-Natal. Die ehemaligen Präsidenten Thabo Mbeki und Kgalema Motlanthe gaben ihre Stimme im Johannesburger Vorort Killarney ab.

Lange Wartezeiten

Motlanthe gab zu bedenken, dass nicht alle Probleme des Landes auf einmal gelöst werden können, während Mbeki von entscheidende Wahlen für Südafrika sprach. Noch vor der Mittagszeit hatten mehr als 60 Prozent der Wähler ihre Stimmen abgegeben. In den meisten Wahllokalen ging es zügig voran, in einigen gab es hingegen stundenlange Wartezeiten, vor allem am Abend. Nina McDonald, Studentin in Pretoria, musste mehr als zehn Stunden in der Schlange stehen. “Es waren zu wenige Wahlhelfer in dem kleinen Zelt, um die Massen zu bewältigen”, sagte sie gegenüber Table.Briefings.

Die Computersysteme, mit denen der Wahlprozess in den Wahlbüros kontrolliert wurde, funktionierten in vielen Wahllokalen nicht. Michael Hendrickse, IEC-Wahlleiter in der Provinz Western Cape, sagte, die Mitarbeiter sollten stattdessen die gedruckten Wählerlisten benutzen. Die Wahl “werde fortgesetzt, bis auch die letzte Person in der Schlange an die Reihe kommt”.

Als die Abendstunden anbrachen, kam es zu Stromausfällen, besonders in ländlichen Regionen. In den Großstädten des Landes kamen viele Wähler erst am Abend. Die Wahllokale mussten bis weit nach 21:00 Uhr geöffnet bleiben. “Keinem Südafrikaner wird das Wahlrecht verwehrt”, sagte IEC CEO, Sy Mamabolo.

Hohe Wahlbeteiligung

Schon vor sieben Uhr morgens, als die Wahl begann, hatten sich an den meisten Stationen lange Schlangen gebildet. Viele Wähler scheuten den kühlen Frühwintermorgen nicht und kamen schon vor Sonnenaufgang. Die Wahlbeteiligung wird auf mindestens 70 Prozent geschätzt, was nennenswert höher als die 66 Prozent vor fünf Jahren ist.

Hierzu wird die IEC erst genauere Angaben machen können, wenn die Stimmen vollständig ausgezählt sind. Die befürchteten Unruhen, vor allem in der Provinz KwaZulu-Natal, blieben aus. Die Polizei hatte sich im Vorfeld der Wahlen gut vorbereitet und zeigte eine hohe Präsenz. as

  • Südafrika
  • Wahlen

Börse Johannesburg: Kursverluste nach der Wahl

Die Börse Johannesburg hat am Donnerstag in Reaktion auf den Wahlausgang überwiegend Kursverluste verzeichnet. Der Aktienindex Dow Jones South Africa lag im Handelsverlauf mit 2,7 Prozent im Minus. Dabei war der Index im Monatsverlauf um 3,2 Prozent gestiegen. Damit tendiertede der südafrikanische Aktienmarkt am Donnerstag deutlich schwächer als andere Schwellenmarktbörsen, die am Donnerstag rund 1,3 Prozent abgaben.

Grund für die Kursverluste war der bis zum Mittagshandel unklare Ausgang der Wahl, bei der die Regierungspartei ANC die absolute Mehrheit im Parlament verlieren könnte. Auch der südafrikanische Rand verlor gegenüber dem US-Dollar an Wert. Im Laufe des Vormittagshandel lag der Rand bei 18,64 Rand je Dollar und war damit etwa ein Prozent schwächer gegenüber dem Schlusskurs vom Vormittag. Seit Jahresbeginn hat die südafrikanische Währung rund zwei Prozent verloren.

Neue Initiative für Börsengänge

Dabei will die Börse Johannesburg ungeachtet der wirtschaftlichen Schwierigkeiten im Land eine Wende zum Besseren herbeiführen. Seit Jahren überwiegen die Delistings von der Börse die Neuemissioinen von Aktien. Vor einigen Wochen hatte die Führung der Börse eine Initiative zur Anwerbung neuer Börsenkandidaten für einen IPO an der Börse Johannesburg angekündigt. Auch von der amerikanischen Investmentbank JP Morgan hieß es, dass sich ihrer Beobachtung nach mehr Unternehmen auf einen Börsengang in Johannesburg vorbereiten.

Belastet wird die Börse vor allem vom schwierigen Wirtschaftsumfeld. Der Einzelhändler Woolworths teilte am Donnerstagvormittag mit, das Unternehmen erwarte für dieses Jahr einen um mehr als 20 Prozent niedrigeren Gewinn als im Jahr zuvor. Dies sei zum Teil auf den Verkauf seines David-Jones-Geschäfts zurückzuführen, hänge aber auch mit der Einschränkung der Verbraucherausgaben zusammen. Die Aktie hat im bisherigen Jahresverlauf mehr als 16 Prozent an Wert verloren.

Am Donnerstag verzeichneten Rohstofftitel zum Teil hohe Verluste. Die Aktien von Impala Platinum lagen um knapp vier Prozent im Minus. Die Aktien des Steinkohleförderers Thungela Resources tendierten 2,3 Prozent schwächer und die des Mineralölkonzerns Sasol rund 3,4 Prozent. hlr

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Heads

John Steenhuisen – Oppositionsführer in der Warteschleife

John Steenhuisen
Kandidat für eine liberale Wirtschaftspolitik: John Steenhuisen, Fraktionsvorsitzender der Democratic Alliance.

Es ist die “Weltuntergangskoalition”, die Südafrikas Oppositionsführer John Steenhuisen schwer im Magen liegt. Der Fraktionsvorsitzende der Democratic Alliance (DA) meint damit eine Koalition der Regierungspartei African National Congress (ANC) entweder mit den Economic Freedom Fighters (EFF) oder mit der uMkhonto we Sizwe (MK) des ehemaligen Präsidenten Jacob Zuma.

Beide Parteien würden Südafrika politisch nach links außen schieben. Beide sind linke Abspaltungen des ANC. Die MK möchte, dass der Staat allen Arbeit bei Mindestlohn gibt und Kohle Hauptenergiequelle bleibt. Die EFF setzen sich für die Verstaatlichung der Industrie, Landenteignung zugunsten der Schwarzen ein, und für den Ausbau der Nuklearenergie zusammen mit Russland. Eine Horrorvorstellung für Steenhuisen, dessen Partei eine liberale Wirtschaftspolitik vertritt und die nachhaltige Energiewende vorantreiben will.

Erfolge in West Cape

Dabei hat die DA eigentlich eine bessere Erfolgsbilanz als der ANC, dem landesweit politisches Versagen auf breiter Ebene vorgeworfen wird. Die DA hingegen hat das Western Cape, wo sie seit 2009 regiert, in eine Vorzeigeprovinz verwandelt und ist erfolgreich in einer großen Anzahl von Gemeinden. Kapstadt sei, so die DA, die “am besten geführte Stadt Südafrikas”.

Geboren wurde John Steenhuisen 1976 in Durban, wo er 1993 das Abitur machte. Einen Universitätsabschluss hatte er nie angestrebt. Stattdessen ging er früh in die Politik und trat der Democratic Party bei, bis 2000 die Vorläuferpartei der Democratic Alliance (DA). Ein Jahr zuvor wurde er im Alter von 22 Jahren in den Durban City Council gewählt, dem er zehn Jahre lang angehörte.

Steenhuisen stieg zum DA-Vorsitzenden in der Provinz KwaZulu-Natal auf, und wurde Abgeordneter im Provinzparlament. 2011 wechselte er als Parlamentarier in die Nationalversammlung. Von 2014 bis 2019 war er Chief Whip der DA unter dem ersten schwarzen Parteivorsitzenden Mmusi Maimane.

Schon zu dieser Zeit wurde der Partei vorgeworfen, primär die weiße Mittelschicht zu vertreten. Als Maimane nach innerparteilicher Kritik 2019 zurücktrat, wurde Steenhuisen zum Parteivorsitzenden gewählt. Monate zuvor hatte die DA mit 22,3 Prozent ihr bisher bestes Ergebnis auf nationaler Ebene eingefahren. Mit Steenhuisen an der Spitze setzte allerdings Stagnation der Partei ein.

Rassismus-Vorwürfe

Vorwürfe, die Partei sei rassistisch, hatten sich über Jahre gehäuft. Im vergangenen Februar hatte Steenhuisen auf einer Partei-Veranstaltung sich negativ über traditionelle Heiler und Wahrsager, im südlichen Afrika Sangoma genannt, geäußert. Das wurde als respektlos gegenüber kulturellen Praktiken der schwarzen Bevölkerung empfunden.

Steenhuisens Politik konzentriert sich auf die scharfe Aburteilung des ANC. Während der Covid-19-Pandemie hatte Steenhuisen vehement die Lockdown-Strategie der ANC-Regierung kritisiert und sich für Lockerungen eingesetzt. Auch bei den nationalen Kommunalwahlen 2021 versuchte er anfangs, gegen den ANC zu wettern. Das allerdings kam bei den Wählern nicht gut an. Der ANC betrieb einen Tür-zu-Tür-Wahlkampf. Da hatte die DA das Nachsehen.

Später verlegte sich Steenhuisen auf die Erfolgsgeschichte der DA, die “den Job in den Kommunen hinbekommt”. Auch damit konnte er keine neuen Wähler gewinnen. Auch unter Steenhuisen gelang es der DA nicht, eine breitere schwarze Basis aufzubauen.

Brennende Nationalfahne

Im Mai machte die DA im mit einem umstrittenen Werbevideo Schlagzeilen. Das Video zeigte die nationale Flagge Südafrikas, die langsam in Flammen aufgeht: “Gemeinsam Südafrika retten. DA wählen”. Die brennende Flagge erzürnte Südafrikaner im ganzen Land. Da half es auch nicht, dass die DA versicherte, es handele sich um ein Symbol des “sich verschlechternden Zustandes des Landes”. Sie wolle vor “weiterem Niedergang und Instabilität” warnen.

Präsident Cyril Ramaphosa dagegen bezeichnete daraufhin die Flagge als heiliges Symbol der Nation: “Nationale Symbole für persönliche oder parteipolitische Zwecke zu manipulieren oder auszunutzen ist respektlos und untergräbt zudem das Wesen der Demokratie und der bürgerlichen Verantwortung. Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, sicherzustellen, dass unsere Wahlen frei, fair und würdevoll sind”, sagte der Präsident.

Land in der Abwärtsspirale

Steenhuisen selbst fand an dem Video, das “unbequem” sein sollte, nichts auszusetzten. “Ich bin sehr froh, dass die Leute den Werbespot sehen. Er hat mehr als drei Millionen Aufrufe, und das ist genau das, was wir von einem politischen Werbespot erwarten”, sagte er. Das Land befinde sich aufgrund von Amtsmissbrauch der Regierungspartei in einer Abwärtsspirale. “Unsere Wirtschaft brennt. Unsere Infrastruktur brennt. Unsere Arbeitslosenquote brennt. Unsere Rate der Kinderunterernährung brennt. All diese Dinge werfen das Land zurück.”

Bei diesen Wahlen schoss sich Steenhuisen wieder auf den ANC ein. “Rettet SA” war auf den Wahlkampfplakaten zu lesen. Das war ein anderer Ton als der des ANC. Dieser buhlte mit “Lass uns mehr tun, gemeinsam” um die Gunst der Wähler. Das “gemeinsam” könnte in den Vordergrund rücken, je nachdem, wie nahe der ANC an die 50-Prozent-Marke kommt.

Nun zeigt sich Steenhuisen offen für eine Koalition – vor allem, um eine “Weltuntergangskoalition” des ANC mit der EFF oder MK zu verhindern. “Ich schließe nichts aus, je nachdem wie die Wahlergebnisse ausfallen”, meinte der DA-Vorsitzende. Am Wahltag fügte er in einem Fernsehinterview jedoch hinzu, dass ein Regierungsbündnis die Grundwerte der DA respektieren müsse. Andreas Sieren

  • Abitur
  • Südafrika
  • Wahlen
  • Wirtschaftspolitik

Africa.Table Redaktion

AFRICA.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    Südafrika hat gewählt, und doch ist zu dieser Stunde noch vieles offen. In diesem Spezial wollen wir Ihnen alles Wissenswertes am Tag nach dem Urnengang berichten. Unser Korrespondent in Johannesburg, Andreas Sieren, ist in der Nacht zum Donnerstag lange aufgeblieben, um die Stimmauszählung aus nächster Nähe zu verfolgen. Und auch in der Nacht zum Freitag wird er wohl wieder lange aufbleiben müssen.

    Auch in den kommenden Ausgaben des Africa.Table werden uns die Wahlen weiter beschäftigen. Denn Südafrika hat die Wahl, ob das Land nach links oder nach rechts rücken wird. Schon morgen werden Ihnen mehr dazu berichten können.

    Wir wünschen Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre.

    Ihr
    Christian von Hiller
    Bild von Christian  von Hiller

    Analyse

    Wahl in Südafrika: Erstmals Koalitionsregierung erwartet

    Zum ersten Mal seit den ersten demokratischen Wahlen 1994 wird erwartet, dass die Regierungspartei African National Congress (ANC) die absolute Mehrheit verliert. Um weiterzuregieren, braucht die Partei eine Koalitionsregierung, was einer Zäsur in der politischen Landschaft Südafrikas gleichkommt. Die ersten Hochrechnungen verzögern sich, erwartet werden jedoch immer noch etwas mehr als 45 Prozent, also knapp an 50 Prozent vorbei. Bei den vergangenen Wahlen 2019 kam der ANC noch auf 57,5 Prozent.

    Wahrscheinlich erscheint eine Koalition zwischen dem ANC und einer kleineren Partei, etwa der Inkatha Freedom Party. Diese würde eine zweite Amtszeit für Präsident Cyril Ramaphosa bedeuten. Mit dem Bündnis vermeidet Ramaphosa eine Koalition mit der EFF und eine Stärkung des linken Flügels des ANC. “Vermutlich würden die Märkte nicht zu stark reagieren”, so Hanns Bühler, Südafrika-Direktor der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung gegenüber Table.Briefings. “Aber ob die nötigen Reformen unter einer entsprechenden Koalition umgesetzt werden, bleibt abzuwarten”.

    Südafrika ist eine junge Demokratie, gestern fanden die erst siebten Wahlen statt. Etwas mehr als 27 Millionen Wähler von 40 Millionen Wahlberechtigten hatten sich in dem Land mit 62 Millionen Einwohnern registrieren lassen. Die Wähler gingen in 23.292 Wahlstationen in 257 Gemeinden an die Urnen und entschieden über die Zusammensetzung des nationalen Parlaments und der neun Provinzparlamente. Südafrika befindet sich an einem Scheidepunkt.

    ANC bekommt Konkurrenz

    Auch bei der offiziellen Opposition, der Democratic Alliance (DA), lief der Wahlkampf nicht so, wie die Partei es sich vorgestellt hat. Die DA, die auf Provinzebene nur im Westkap regiert, möchte ihre Machtbasis ausbauen, konnte aber ihr Image als Partei der weißen Mittelklasse nicht abschütteln und regierte bisher weitestgehend an der schwarzen Basis vorbei. Ihr wird ein ähnliches Ergebnis wie die 21,7 Prozent von 2019 vorhergesagt.

    Die Economic Freedom Fighters (EFF) schielen ebenfalls auf die Macht. Die EFF gehört nicht der im vergangenen Jahr gegründeten Multi-Party Charter an, einem Bündnis von Oppositionsparteien, die eine mögliche ANC-EFF-Koalition unterbinden möchte, aber wohl nicht annähend auf die notwendigen 50 Prozent kommt. Jahrelang hat die EFF den ANC standfest kritisiert, lenkte jedoch in den vergangenen zwei Monaten ein und bietet sich als Koalitionspartner an. Auch ihr werden knapp über zehn Prozent zugetraut, wie vor fünf Jahren, als sie 10,8 Prozent der Stimmen einfuhr.

    Südafrika emanzipiert sich außenpolitisch

    Anders als bei der Innenpolitik hat sich Südafrika außenpolitisch in jüngster Zeit emanzipiert. Das Land macht Schlagzeilen, in dem es Russland seit dem Einmarsch in der Ukraine nicht öffentlich verurteilte. Die Regierung in Pretoria schlug in der internationalen Diplomatie einen Weg der strategischen Balance ein und stellte sich bewusst gegen den politischen Druck aus dem Westen. Stattdessen baute sie die Beziehungen zu den Brics-Ländern aus, zu denen auch Südafrika gehört. Noch vor dem 15. Brics-Gipfel in Johannesburg im vergangenen August sah sich Südafrika in einer Zwickmühle. An dem Gipfel wollte der russische Präsident Wladimir Putin teilnehmen. Gegen ihn hatte jedoch der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag im März 2023 einen Haftbefehl wegen Verdacht auf Kriegsverbrechen ausgestellt. Demnach hätten die Behörden in Südafrika Putin bei der Einreise verhaften müssen. Präsident Ramaphosa überredete Putin persönlich, nicht zu kommen. Von Seiten der Amerikaner hatte der Druck zugenommen, doch Ramaphosa blieb standfest.

    Im vergangenen Juni stellte er eine afrikanische Friedensmission nach Kiew und St. Petersburg zusammen, mit dem Ziel, im Ukrainekrieg zu vermitteln. Mit der historisch erstmaligen Mission wurde Afrika aufgewertet. Beim Brics-Gipfel konnte eine erfolgreiche Erweiterung, darunter Ägypten und Äthiopien, gefeiert werden. Für eine Überraschung sorgte Südafrika auch Ende vergangenen Jahres, als es Israel beim Internationalen Gerichthof wegen Völkermord in Gaza anklagte. “Südafrika hat keinen prinzipiellen Ansatz gegenüber diesen globalen Konflikten”, schreiben Greg Mills und Ray Hartley vom Johannesburger Thinktank Brenthurst Foundation. “Es gibt vor, vermitteln zu wollen, aber es wählt aus, wann und welche seiner Prinzipien gelten.” Vor zwei Wochen hat Südafrika das Gericht im Rahmen seiner Völkermordklage in einem Eilantrag dazu aufgerufen, unverzüglich Israels Abzug aus dem Gazastreifen sowie einen Stopp der Offensive auf die Stadt Rafah anzuordnen. Zudem soll Israel Ermittlern, humanitärer Hilfe sowie Journalisten ungehindert Zugang gewähren. Beobachter warfen der Regierung in Pretoria vor, mit seiner Außenpolitik von den Problemen zu Hause abzulenken.

    Enttäuschung über Ungleichheit und marode Infrastruktur

    Diese sind seit Jahren nicht von der Hand zu weisen. Südafrikaner zeigen sich enttäuscht von den wirtschaftlichen Möglichkeiten, die sich in 30 Jahren Demokratie nicht eingestellt haben. Nach Ende der Apartheid wurde Freiheit versprochen, diese kam jedoch nur politisch und nicht wirtschaftlich. Ein Drittel der Bevölkerung ist arbeitslos, mehr als die Hälfte lebt in Armut, auch wenn sich mittlerweile eine gut situierte Mittelklasse, in die auch viele Schwarze aufgestiegen sind, etabliert hat. Die Ungleichheit im Land ist nach wie vor die größte in der Welt. Die weitverbreitete Kriminalität konnte bisher nicht unterbunden werden.

    Hinzu kommt, dass die Infrastruktur des Landes marode ist. Strom- und Wasserversorgung bleiben unzureichend, viele Gemeinden und Städte verfallen. Zunehmend zornig, wehren sich die Menschen in sogenannten service delivery protests, um gegen die mangelnden Dienstleistungen zu protestieren. Die Wirtschaft hadert mit ineffizienten Seehäfen, unterbrochenen Eisenbahnlinien und Straßen voller Schlaglöcher. Die bis vor zwei Monaten anhaltenden Stromausfälle mussten Unternehmen mit teuren Aggregaten auffangen. Jetzt macht die mangelnde Wasserversorgung Sorgen.

    Privatwirtschaft trotz allem stabil

    Dennoch: Tausende ausländische Unternehmen sind nach wie vor positiv gestimmt und fahren Gewinne ein. Die Privatwirtschaft am Kap gilt als stabil. Anders sieht es in der Regierung aus. Korruption, Vetternwirtschaft und Missmanagement, vor allem unter dem ehemaligen Präsidenten Jacob Zuma, haben das Land fast in die Knie gezwungen. Extreme Strukturprobleme existieren nach wie vor, auch wenn Präsident Ramaphosa, der Zuma Anfang 2018 beerbte, versuchte, das Land wieder auf Kurs zu bringen. Manche befürchten Unruhen, wie bereits im Juli 2021, bei denen 350 Menschen ums Leben kamen und mehrere Tausend verhaftet wurden, auch wenn es am Wahltag dafür keine Anzeichen gab.

    Bei all den Herausforderungen ist es trotzdem unwahrscheinlich, dass Südafrika in eine Instabilität abrutschen wird. Auch eine Koalition des ANC mit einer kleinen Partei wird Erneuerungen weiter, wenn auch langsam, voranbringen und für Kontinuität sorgen. Und gleichzeitig wird die Privatwirtschaft weiterwachsen.

    • Internationaler Strafgerichtshof
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    Erste Prognosen zeigen massive Verluste für ANC

    Die staatliche Forschungsstelle Council for Scientific and Industrial Research (CSIR) sagt erdrutschartige Verluste für den African National Congress (ANC) bei den gestrigen Wahlen voraus. Demnach würde die Regierungspartei gegenüber den letzten Wahlen 2019 rund 15 Prozent der Stimmen verlieren. Die oppositionelle Democratic Alliance (DA) wird demnach rund fünf Prozent zulegen. Den Economic Freedom Fighters (EFF) werden rund zwei Prozent Verluste vorausgesagt. CSIR machte seine Prognose wie 2019 bei 8,5 Prozent der ausgewählten Stimmen, und lag mit der Vorhersage lediglich zwei Prozent daneben.

    Um 12 Uhr, bei 18,19 Prozent der ausgezählten Stimmen in 4.238 der 23.292 Wahlstationen, gibt es laut der Independant Electoral Commission (IEC) folgende Resultate:

    • African National Congress (ANC): 42,92 Prozent (-14,78)
    • Democratic Alliance (DA): 25,12 Prozent (+4,35)
    • Economic Freedom Fighters (EFF): 8,67 Prozent (-2,13)
    • uMkhonto we Sizwe (MK): 8,18 Prozent (+8,18)

    Pravesh Debba, Statistikexperte beim CSIR, gab allerdings zu bedenken, dass das angewandte Model die Prognose für die neue uMkhonto we Sizwe (MK)-Partei des ehemaligen Präsidenten Jacob Zuma überbewerten könnte, da es die Partei 2019 noch nicht gab und vergleichbare Werte fehlten. Seit 2019 gibt der CSIR Wahlprognosen mit einem hohen Grad an Genauigkeit ab. Erste verlässliche Hochrechnungen werden nicht vor heute Abend erwartet.

    In der Provinz KwaZulu-Natal, der traditionellen Hochburg des ANC, werden ebenfalls massive Verluste für die Partei vorausgesagt. Hier hat die neu gegründete MK mit mehr als 40 Prozent die Nase vorn, doppelt so viel wie der ANC. Es könnte die zweite Provinz werden, die der ANC verliert. Im Western Cape regiert seit Jahren bereits die DA, und hat derzeit noch knapp die absolute Mehrheit.

    Verspätungen bei den Wahlen gestern gab es aufgrund der voter management devices (VMDs), die in vielen Wahllokalen nicht richtig funktionierten. VMDs sind Digitalgeräte, mit der die Wählerliste kontrolliert und abgeglichen werden sollen. Wahllokale mussten auf ausgedruckte Wählerlisten zurückgreifen, was die endgültige Stimmabgabe manchenorts bis in die frühen Morgenstunden verzögerte. as

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    Hohe Wahlbeteiligung trotz langer Wartezeiten

    Die siebten nationalen Wahlen in Südafrika sind am Mittwoch ruhig und ohne nennenswerte Zwischenfälle verlaufen. Sie konnten zudem als frei und fair bezeichnet werden. Die Independant Electoral Commission (IEC) von Südafrika gab an, dass mindestens 93 Prozent der Wahllokale pünktlich öffneten. An zahlreichen Stationen kam es jedoch zu Verspätungen, weil entweder die Wahlzettel spät geliefert wurden, notwendige Sicherheitskräfte sich nicht pünktlich eingefunden hatten oder es zu Bürgerprotesten kam.

    Präsident Cyril Ramaphosa wählte in Soweto. Sein Vorgänger Jacob Zuma ging in ein Wahlbüro in seiner Heimatgemeinde Nkandla in KwaZulu-Natal. Die ehemaligen Präsidenten Thabo Mbeki und Kgalema Motlanthe gaben ihre Stimme im Johannesburger Vorort Killarney ab.

    Lange Wartezeiten

    Motlanthe gab zu bedenken, dass nicht alle Probleme des Landes auf einmal gelöst werden können, während Mbeki von entscheidende Wahlen für Südafrika sprach. Noch vor der Mittagszeit hatten mehr als 60 Prozent der Wähler ihre Stimmen abgegeben. In den meisten Wahllokalen ging es zügig voran, in einigen gab es hingegen stundenlange Wartezeiten, vor allem am Abend. Nina McDonald, Studentin in Pretoria, musste mehr als zehn Stunden in der Schlange stehen. “Es waren zu wenige Wahlhelfer in dem kleinen Zelt, um die Massen zu bewältigen”, sagte sie gegenüber Table.Briefings.

    Die Computersysteme, mit denen der Wahlprozess in den Wahlbüros kontrolliert wurde, funktionierten in vielen Wahllokalen nicht. Michael Hendrickse, IEC-Wahlleiter in der Provinz Western Cape, sagte, die Mitarbeiter sollten stattdessen die gedruckten Wählerlisten benutzen. Die Wahl “werde fortgesetzt, bis auch die letzte Person in der Schlange an die Reihe kommt”.

    Als die Abendstunden anbrachen, kam es zu Stromausfällen, besonders in ländlichen Regionen. In den Großstädten des Landes kamen viele Wähler erst am Abend. Die Wahllokale mussten bis weit nach 21:00 Uhr geöffnet bleiben. “Keinem Südafrikaner wird das Wahlrecht verwehrt”, sagte IEC CEO, Sy Mamabolo.

    Hohe Wahlbeteiligung

    Schon vor sieben Uhr morgens, als die Wahl begann, hatten sich an den meisten Stationen lange Schlangen gebildet. Viele Wähler scheuten den kühlen Frühwintermorgen nicht und kamen schon vor Sonnenaufgang. Die Wahlbeteiligung wird auf mindestens 70 Prozent geschätzt, was nennenswert höher als die 66 Prozent vor fünf Jahren ist.

    Hierzu wird die IEC erst genauere Angaben machen können, wenn die Stimmen vollständig ausgezählt sind. Die befürchteten Unruhen, vor allem in der Provinz KwaZulu-Natal, blieben aus. Die Polizei hatte sich im Vorfeld der Wahlen gut vorbereitet und zeigte eine hohe Präsenz. as

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    Börse Johannesburg: Kursverluste nach der Wahl

    Die Börse Johannesburg hat am Donnerstag in Reaktion auf den Wahlausgang überwiegend Kursverluste verzeichnet. Der Aktienindex Dow Jones South Africa lag im Handelsverlauf mit 2,7 Prozent im Minus. Dabei war der Index im Monatsverlauf um 3,2 Prozent gestiegen. Damit tendiertede der südafrikanische Aktienmarkt am Donnerstag deutlich schwächer als andere Schwellenmarktbörsen, die am Donnerstag rund 1,3 Prozent abgaben.

    Grund für die Kursverluste war der bis zum Mittagshandel unklare Ausgang der Wahl, bei der die Regierungspartei ANC die absolute Mehrheit im Parlament verlieren könnte. Auch der südafrikanische Rand verlor gegenüber dem US-Dollar an Wert. Im Laufe des Vormittagshandel lag der Rand bei 18,64 Rand je Dollar und war damit etwa ein Prozent schwächer gegenüber dem Schlusskurs vom Vormittag. Seit Jahresbeginn hat die südafrikanische Währung rund zwei Prozent verloren.

    Neue Initiative für Börsengänge

    Dabei will die Börse Johannesburg ungeachtet der wirtschaftlichen Schwierigkeiten im Land eine Wende zum Besseren herbeiführen. Seit Jahren überwiegen die Delistings von der Börse die Neuemissioinen von Aktien. Vor einigen Wochen hatte die Führung der Börse eine Initiative zur Anwerbung neuer Börsenkandidaten für einen IPO an der Börse Johannesburg angekündigt. Auch von der amerikanischen Investmentbank JP Morgan hieß es, dass sich ihrer Beobachtung nach mehr Unternehmen auf einen Börsengang in Johannesburg vorbereiten.

    Belastet wird die Börse vor allem vom schwierigen Wirtschaftsumfeld. Der Einzelhändler Woolworths teilte am Donnerstagvormittag mit, das Unternehmen erwarte für dieses Jahr einen um mehr als 20 Prozent niedrigeren Gewinn als im Jahr zuvor. Dies sei zum Teil auf den Verkauf seines David-Jones-Geschäfts zurückzuführen, hänge aber auch mit der Einschränkung der Verbraucherausgaben zusammen. Die Aktie hat im bisherigen Jahresverlauf mehr als 16 Prozent an Wert verloren.

    Am Donnerstag verzeichneten Rohstofftitel zum Teil hohe Verluste. Die Aktien von Impala Platinum lagen um knapp vier Prozent im Minus. Die Aktien des Steinkohleförderers Thungela Resources tendierten 2,3 Prozent schwächer und die des Mineralölkonzerns Sasol rund 3,4 Prozent. hlr

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    John Steenhuisen – Oppositionsführer in der Warteschleife

    John Steenhuisen
    Kandidat für eine liberale Wirtschaftspolitik: John Steenhuisen, Fraktionsvorsitzender der Democratic Alliance.

    Es ist die “Weltuntergangskoalition”, die Südafrikas Oppositionsführer John Steenhuisen schwer im Magen liegt. Der Fraktionsvorsitzende der Democratic Alliance (DA) meint damit eine Koalition der Regierungspartei African National Congress (ANC) entweder mit den Economic Freedom Fighters (EFF) oder mit der uMkhonto we Sizwe (MK) des ehemaligen Präsidenten Jacob Zuma.

    Beide Parteien würden Südafrika politisch nach links außen schieben. Beide sind linke Abspaltungen des ANC. Die MK möchte, dass der Staat allen Arbeit bei Mindestlohn gibt und Kohle Hauptenergiequelle bleibt. Die EFF setzen sich für die Verstaatlichung der Industrie, Landenteignung zugunsten der Schwarzen ein, und für den Ausbau der Nuklearenergie zusammen mit Russland. Eine Horrorvorstellung für Steenhuisen, dessen Partei eine liberale Wirtschaftspolitik vertritt und die nachhaltige Energiewende vorantreiben will.

    Erfolge in West Cape

    Dabei hat die DA eigentlich eine bessere Erfolgsbilanz als der ANC, dem landesweit politisches Versagen auf breiter Ebene vorgeworfen wird. Die DA hingegen hat das Western Cape, wo sie seit 2009 regiert, in eine Vorzeigeprovinz verwandelt und ist erfolgreich in einer großen Anzahl von Gemeinden. Kapstadt sei, so die DA, die “am besten geführte Stadt Südafrikas”.

    Geboren wurde John Steenhuisen 1976 in Durban, wo er 1993 das Abitur machte. Einen Universitätsabschluss hatte er nie angestrebt. Stattdessen ging er früh in die Politik und trat der Democratic Party bei, bis 2000 die Vorläuferpartei der Democratic Alliance (DA). Ein Jahr zuvor wurde er im Alter von 22 Jahren in den Durban City Council gewählt, dem er zehn Jahre lang angehörte.

    Steenhuisen stieg zum DA-Vorsitzenden in der Provinz KwaZulu-Natal auf, und wurde Abgeordneter im Provinzparlament. 2011 wechselte er als Parlamentarier in die Nationalversammlung. Von 2014 bis 2019 war er Chief Whip der DA unter dem ersten schwarzen Parteivorsitzenden Mmusi Maimane.

    Schon zu dieser Zeit wurde der Partei vorgeworfen, primär die weiße Mittelschicht zu vertreten. Als Maimane nach innerparteilicher Kritik 2019 zurücktrat, wurde Steenhuisen zum Parteivorsitzenden gewählt. Monate zuvor hatte die DA mit 22,3 Prozent ihr bisher bestes Ergebnis auf nationaler Ebene eingefahren. Mit Steenhuisen an der Spitze setzte allerdings Stagnation der Partei ein.

    Rassismus-Vorwürfe

    Vorwürfe, die Partei sei rassistisch, hatten sich über Jahre gehäuft. Im vergangenen Februar hatte Steenhuisen auf einer Partei-Veranstaltung sich negativ über traditionelle Heiler und Wahrsager, im südlichen Afrika Sangoma genannt, geäußert. Das wurde als respektlos gegenüber kulturellen Praktiken der schwarzen Bevölkerung empfunden.

    Steenhuisens Politik konzentriert sich auf die scharfe Aburteilung des ANC. Während der Covid-19-Pandemie hatte Steenhuisen vehement die Lockdown-Strategie der ANC-Regierung kritisiert und sich für Lockerungen eingesetzt. Auch bei den nationalen Kommunalwahlen 2021 versuchte er anfangs, gegen den ANC zu wettern. Das allerdings kam bei den Wählern nicht gut an. Der ANC betrieb einen Tür-zu-Tür-Wahlkampf. Da hatte die DA das Nachsehen.

    Später verlegte sich Steenhuisen auf die Erfolgsgeschichte der DA, die “den Job in den Kommunen hinbekommt”. Auch damit konnte er keine neuen Wähler gewinnen. Auch unter Steenhuisen gelang es der DA nicht, eine breitere schwarze Basis aufzubauen.

    Brennende Nationalfahne

    Im Mai machte die DA im mit einem umstrittenen Werbevideo Schlagzeilen. Das Video zeigte die nationale Flagge Südafrikas, die langsam in Flammen aufgeht: “Gemeinsam Südafrika retten. DA wählen”. Die brennende Flagge erzürnte Südafrikaner im ganzen Land. Da half es auch nicht, dass die DA versicherte, es handele sich um ein Symbol des “sich verschlechternden Zustandes des Landes”. Sie wolle vor “weiterem Niedergang und Instabilität” warnen.

    Präsident Cyril Ramaphosa dagegen bezeichnete daraufhin die Flagge als heiliges Symbol der Nation: “Nationale Symbole für persönliche oder parteipolitische Zwecke zu manipulieren oder auszunutzen ist respektlos und untergräbt zudem das Wesen der Demokratie und der bürgerlichen Verantwortung. Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, sicherzustellen, dass unsere Wahlen frei, fair und würdevoll sind”, sagte der Präsident.

    Land in der Abwärtsspirale

    Steenhuisen selbst fand an dem Video, das “unbequem” sein sollte, nichts auszusetzten. “Ich bin sehr froh, dass die Leute den Werbespot sehen. Er hat mehr als drei Millionen Aufrufe, und das ist genau das, was wir von einem politischen Werbespot erwarten”, sagte er. Das Land befinde sich aufgrund von Amtsmissbrauch der Regierungspartei in einer Abwärtsspirale. “Unsere Wirtschaft brennt. Unsere Infrastruktur brennt. Unsere Arbeitslosenquote brennt. Unsere Rate der Kinderunterernährung brennt. All diese Dinge werfen das Land zurück.”

    Bei diesen Wahlen schoss sich Steenhuisen wieder auf den ANC ein. “Rettet SA” war auf den Wahlkampfplakaten zu lesen. Das war ein anderer Ton als der des ANC. Dieser buhlte mit “Lass uns mehr tun, gemeinsam” um die Gunst der Wähler. Das “gemeinsam” könnte in den Vordergrund rücken, je nachdem, wie nahe der ANC an die 50-Prozent-Marke kommt.

    Nun zeigt sich Steenhuisen offen für eine Koalition – vor allem, um eine “Weltuntergangskoalition” des ANC mit der EFF oder MK zu verhindern. “Ich schließe nichts aus, je nachdem wie die Wahlergebnisse ausfallen”, meinte der DA-Vorsitzende. Am Wahltag fügte er in einem Fernsehinterview jedoch hinzu, dass ein Regierungsbündnis die Grundwerte der DA respektieren müsse. Andreas Sieren

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