Afrika ist dieses Jahr in den Blickpunkt der Weltöffentlichkeit gerückt wie selten zuvor. Zu den Höhepunkten des Afrika-Jahres 2023 zählten mit Sicherheit der Brics-Gipfel in Südafrika, das Treffen von IWF und Weltbank in Marrakesch und der Afrika-Klimagipfel in Nairobi. Andreas Sieren hält die wichtigsten Aspekte fest. Arne Schütte präsentiert wichtige Wirtschaftsabkommen.
Auch die Bundesregierung hat Afrika mittlerweile entdeckt. David Renke beschreibt in seinem Rückblick, wie sich die deutsche Reisediplomatie auf dem Kontinent entfaltet hat. Jahrelang war Afrika der vergessene Kontinent der deutschen Politik. Das hat sich 2023 geändert. Nun lautet die Aufgabe für die kommenden Jahre, sich von alten Vorurteilen zu lösen und dem Kontinent frei von Paternalismus (“Dialog auf Augenhöhe”) zu begegnen. Denn auch wohlwollender Paternalismus enthält ein Stück weit Herablassung. Lucia Weiß schaut auf die Erkenntnisse, die das Krisenjahr in der Sahelzone gebracht hat.
Wirtschaftlich hat Afrika in diesem Jahr enttäuscht. Während der Corona-Jahre zeigte sich die Wirtschaft des Kontinents noch krisenresistenter als in Europa und den USA. Doch nun haben gerade die Investoren aus diesen beiden Regionen Kapital abgezogen und den Aufschwung behindert. Außerdem wollen wir Ihnen einen Künstler aus Nigeria vorstellen, der dieses Jahr international geprägt hat wie nur wenige auf der Welt.
In diesem Special von Africa.Table möchten wir Ihnen zeigen, welche Erkenntnisse 2023 für die kommenden Jahre gebracht hat. Unsere nächste, reguläre Ausgabe ist für den 2. Januar geplant. In der Zwischenzeit halten wir Sie über das aktuelle Geschehen auf dem Laufenden und senden Ihnen “100 Headlines, den aktuellen News-Überblick für die Table.Media-Community”, zu.
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Geht es allein um die Präsenz auf dem afrikanischen Kontinent, ist unbestreitbar, dass Afrika 2023 so stark wie in vielen Jahren nicht mehr in den Fokus der deutschen Politik gerückt ist. Fünf afrikanische Länder besuchte allein Bundeskanzler Olaf Scholz auf insgesamt drei Reisen. Hinzu kamen zahlreiche Ministerbesuche. Allein in der Woche vor Weihnachten absolvierte Außenministerin Annalena Baerbock eine Stippvisite zur Eröffnung der ersten Biontech-Fabrik in Ruanda, während Verteidigungsminister Pistorius kurz mal in den Niger flog.
Insgesamt machte sich fast die Hälfte der Kabinettsminister zu Besuchen in Afrika auf. Wenig überraschend zeigte sich Entwicklungsministerin Svenja Schulze als Vorsitzende der Sahel-Allianz besonders oft in Westafrika. Doch Schulze kam oft in Begleitung. So flog Pistorius bereits im April mit ihr nach Mali und Niger. Dort warb er damals noch unter vollkommen anderen Vorzeichen für eine Verlängerung des deutschen Engagements im Niger. Vor wenigen Tagen folgte dann der zweite, politisch heikle Besuch, bei dem Pistorius mit den neuen Putsch-Machthabern ein weiteres Zusammenarbeiten “unter erschwerten Bedingungen” in den Raum stellte – aller wertegeleiteten Außenpolitik zum Trotz.
Weniger heikel war der gemeinsame Besuch von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und Entwicklungsministerin Schulze in Ghana und der Elfenbeinküste. Dort prüften die beiden Minister die Wirksamkeit des Lieferkettengesetzes und das Potenzial für die Anwerbung von Fachkräften. Im März bereits hatte Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger Namibia und Südafrika besucht, um sich über Forschungsprojekte zu grünem Flugbenzin und Wasserstoff zu informieren. Nach dem Debakel in der Sahelzone versuchte Innenministerin Nancy Faeser dann Ende Oktober, mit Marokko ein neues Migrationsabkommen auf die Beine zu stellen.
Auch Finanzminister Christian Lindner reiste im Oktober nach Marokko. Der Anlass war die Tagung von IWF und Weltbank. Dass diese in Afrika stattfand, ist ein weiteres Indiz dafür, wie sehr sich der Kontinent als Gastgeber für internationale Gipfeltreffen in Position gebracht hat. Für Lindner war Marokko allerdings nicht der einzige Afrikabesuch in diesem Jahr. Seine erste Reise 2023 dürfte aber einen faden Beigeschmack hinterlassen haben. Denn Lindner musste im Februar in Westafrika am eigenen Leib erfahren, dass Deutschland keineswegs mehr der ultimative Sehnsuchtsort für gut ausgebildete internationale Fachkräfte ist. Beim Besuch einer Universität in Ghana fragte Lindner die Studenten, wer sich vorstellen könne, nach Deutschland zu kommen, um in der Industrie oder IT zu arbeiten. Kaum einer der Studenten meldete sich. Dieser Austausch verbreitete sich wenig später viral als kurzer Videoclip in den sozialen Medien.
Große Symbolkraft hatte andererseits der Besuch des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, in Tansania. Dort entschuldigte er sich Anfang November als erster deutscher Politiker öffentlich für die deutschen Kolonialverbrechen in Ostafrika. Zudem besuchte er Sambia und die Kapverdischen Inseln.
Die Berliner Politik beließ es allerdings nicht nur bei staatstragenden Stippvisiten auf dem Kontinent. Auch in Deutschland profilierte sich die Ampelregierung mit Strategien, Konferenzen und Versprechen an den Nachbarkontinent – dabei ging es selbstredend immer um Angebote auf “Augenhöhe” – ein Begriff, der in Afrika schon mal verwunderte Reaktionen hervorruft. Denn in Gesprächen mit Vertretern aus den USA oder Frankreich beispielsweise versprechen deutsche Politiker nie Beziehungen “auf Augenhöhe”.
Gleich zu Beginn des Jahres präsentierte das BMZ unter dem Titel “Gemeinsam mit Afrika Zukunft gestalten” seine neue Afrika-Strategie. Im Fokus: der “sozial-ökologische Wandel”, eine “feministische Entwicklungspolitik”, Geschlechtergerechtigkeit und das Ziel von 25 Millionen neu geschaffenen Arbeitsplätzen auf dem Kontinent. Nach Kritik aus der Wirtschaft legte das BMZ im September nach und justierte seine Wirtschaftskooperationen nach. Mit “Partners in Transformation” will das BMZ einfachere Beratungsangebote für jene Unternehmen schaffen, die Investitionen im Ausland anstreben, und bezieht außerdem Gewerkschaften in seine Entwicklungsstrategie ein. Die Reaktionen aus der Wirtschaft blieben eher verhalten.
Mehr auf die Wirtschaft will die Union setzen, die kurz vor Weihnachten ebenfalls eine eigene Afrika-Strategie vorlegte. Darin fordert die Union unter anderem eine jährliche deutsch-afrikanische Wirtschaftskonferenz, eine Neuaufstellung der Außenwirtschaftsförderung sowie mehr deutsche Präsenz in der Sahelzone.
Der Kurs der Ampel verlief bei diesem Thema im vergangenen Jahr schlingernd. Noch im Mai kündigte die Bundesregierung eine Neuaufstellung der Sahel-Politik an und bezeichnete Niger als “verlässlichem Partner” in der Region. Diese Strategie ging zunächst nur bis zum Putsch am 26. Juli auf. Wie es nun weitergehen wird, ist offen. Nach dem ersten Schock soll es nach Pistorius’ erneutem Besuch im Land jedoch wohl weitere Sicherheitspartnerschaften geben.
Wirtschaftspolitisch scheint der Weg für das Kanzleramt allerdings klar: Das will seinen Plan der wirtschaftlichen Verzahnung zwischen Deutschland und dem afrikanischen Kontinent fortführen. Ende November lud der Kanzler afrikanische Staats- und Regierungschefs nach Berlin ein und warb auf der Compact-with-Africa-Konferenz für mehr Investitionen deutscher Unternehmen in Afrika. Auffällig dabei ist, dass der Wirtschaftsminister Robert Habeck in diesem Jahr auf einen Besuch auf dem Kontinent verzichtete.
Schließlich bleibt jedoch ein umfangreiches Afrika-Jahr für die Bundespolitik, das – wenn es nach dem Bundeskanzleramt geht – keine Ausnahme bleiben soll. Denn den stetigen Austausch mit dem Nachbarkontinent will man unbedingt beibehalten.
Knapp eine Woche vor Weihnachten hat der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) Bundeswehrsoldaten in Niger besucht. Pistorius war zuvor nach Litauen gereist, wo deutsche Soldaten im Rahmen der NATO-Vorneverteidigung stationiert sind. So weit, so traditionell, die Vorweihnachtsbesuche bei deutschen Truppen zählen zur festen Terminplanung deutscher Verteidigungsminister.
In Niger allerdings bot Pistorius der Putschregierung am Dienstag an, Kooperationsprojekte weiterführen zu wollen. Es ist eine bemerkenswerte Wende in der deutschen Außenpolitik: weg von der strikten Ablehnung nicht-ziviler Regierungen hin zu pragmatischer orientierten Zusammenarbeit. Dieser Kurswechsel ist eine Reaktion auf die volatile Lage in der Sahelzone, die in diesem Jahr von erheblichen Verschiebungen in Politik, internationaler Zusammenarbeit und Sicherheit geprägt war.
Ein Blick zurück: Im Juli stürzten Militärs in Niger die demokratisch gewählte Regierung von Präsident Bazoum. Damit reihte sich das Land in die Liste jener Länder im Sahel ein, in denen das Militär die Macht an sich genommen hat. Der Westen verlor damit seinen wichtigsten Partner in der Sahelzone, in der Russland an Einfluss gewinnt.
“Wir haben in diesem Jahr einen schnellen und bewusst herbeigeführten Verfall demokratischer Werte im zentralen Sahel erlebt. Alle waren schockiert, als der Putsch in Niger stattfand, auch wenn es einige Anzeichen vor Ort gab: Korruption und Unzufriedenheit in der Bevölkerung”, fasst Aneliese Bernard im Gespräch mit Table.Media das Jahr 2023 zusammen. Aneliese Bernard ist Leiterin der in Washington DC ansässigen Beratungsgruppe Strategic Stabilization Advisors. Zuvor war sie im US-Außenministerium tätig und arbeitete von 2017 bis 2019 in der US-Botschaft in Niamey.
Seit 2020 schwappt eine Welle von Militärputschen über Westafrika bis in den Sudan, mit Gabun diesen August und Niger im Juli kamen zwei weitere dazu. Damit sind es neun Umstürze in der Region, je zwei in Mali (August 2020, Mai 2021) und Burkina Faso (Januar 2022, September 2022). Von Guinea am Atlantik (September 2021), über Mali, Burkina Faso, Niger, Gabun nach Tschad (April 2021) und bis in den Sudan (Oktober 2021) sind nun sieben Länder nicht mehr in ziviler Hand, sondern werden von Soldaten geführt.
Mehr als ein Zeichen eines Verfalls demokratischer Werte, sind diese Putsche Ausdruck eines Zerfalls der staatlichen Strukturen in diesen Ländern. Die zivile Verwaltung liegt oft am Boden, überlastet von überbordender Bürokratie, Beamte werden nicht mehr regelmäßig bezahlt und versuchen zum Teil auch über Korruption, Geld für ihre Familien zusammenzubekommen. Die Armee stellt sich selbst im Sahel häufig als die einzige Organisation da, die das Land noch zusammenhalten und für Recht und Ordnung sorgen kann.
Die Militärregierungen bemühen sich mehr oder minder um die Rückkehr zur demokratischen Ordnung. Gerade im zentralen Sahel scheint das dem immer gleichen Drehbuch zu folgen: Es gibt Versprechungen, einen nationalen Sicherheitsrat und Dialog mit der Zivilgesellschaft, umstrittene und mangelhaft inklusive Verfassungsreferenden wie in Mali und kürzlich im Tschad, schließlich oft die Verschiebung angesetzter Wahlen aufgrund von angeblichen Sicherheitsbedenken. So kündigte die Junta von Assimi Goïta, seit Mai 2021 Präsident von Mali, an, die Wahlen für Februar 2024 wegen “technischer Gründe etwas verschieben” zu müssen. Ein neues Datum gibt es bis jetzt nicht, und es scheinen auch keine Haushaltsmittel für die Durchführung von Wahlen eingeplant zu sein.
Frankreichs sicherheitspolitischer und Deutschlands entwicklungspolitischer Ansatz im Sahel scheinen beide gescheitert. Auch wenn Experten betonen, dass die Lage ohne das jeweilige Engagement für die Zivilbevölkerung viel früher noch schlimmer gewesen wäre – fest steht: Gut sieht es in den Sahelländern nicht aus. Vor allem die Bevölkerung leidet unter Hunger und zunehmender Gewalt in Mali, Burkina Faso und inzwischen auch in Niger.
Assimi Goïta ist ein Beispiel dafür, dass der sicherheitspolitische Ansatz nicht aufgeht in der Gleichung: Wer im Westen ausgebildet wurde, wird sich für westliche Werte und Interessen einsetzen. Der 41 Jahre alte Militär wurde zunächst an der École militaire interarmes in Koulikoro in Mali ausgebildet. Später absolvierte er zwei Mal kürzere Lehrgänge in Deutschland, unter anderem am deutsch-amerikanischen George C. Marshall Europäischen Zentrum für Sicherheitsstudien in Garmisch-Partenkichen. Als Oberst in einer Spezialeinheit zur Bekämpfung von Terroristen im Norden des Landes, die von den USA trainiert wurden, sammelte Goïta Kampferfahrung. Allen Kontakten mit westlichen Partnern zum Trotz hat die Militärjunta unter Goïta die Abwendung Malis vom Westen am heftigsten von allen Sahel-Ländern vorangetrieben.
Auch die USA haben mit ihrem kombinierten Ansatz aus Entwicklungs- und Sicherheitspolitik bisher nicht für langfristige Stabilität sorgen können. “Mit dem Putsch in Niger hat sich wirklich etwas verändert. Bis dahin verfolgte die US-Regierung den sogenannten 3D-Ansatz – das bedeutet, an guter Regierungsführung, Entwicklung und Sicherheit mit ihren Partnern zu arbeiten, auch wenn in Niger der Fokus auf Sicherheit stärker war. Im US-Außenministerium herrscht die Überzeugung, dass man die Dinge am besten auf diese Art angeht”, sagt die Analystin Aneliese Bernard.
Die USA haben den Putsch in Niger inzwischen zwar anerkannt, versuchen aber dennoch, business as usual zu suggerieren. “Offensichtlich sind sie dazu nicht wirklich in der Lage”, meint Bernard. “Ich nehme an, dass die USA hinter den Kulissen versuchen herauszufinden, was der nächste Schritt sein könnte.”
Das Jahr 2023 markiert auch die rigorose Abkehr der Sahelländer vom Westen, hin zu Russland:
Mali verwies die UN-Mission Minusma des Landes, nachdem Frankreich schon im vergangenen Sommer seine Truppen abziehen musste. Militärkooperationen mit Russland – was zum Teil auch die Präsenz von Wagner-Söldnern impliziert – wurden demonstrativ von Mali sowie auch von Burkina Faso und kürzlich Niger öffentlich zelebriert. Mit der Gründung des Dreierbündnisses, der Alliance des États de Sahel (AES) im Herbst trennten sich diese Länder demonstrativ von den Nachbarstaaten Mauretanien – das der EU verbunden ist – und dem immer noch Frankreich nahen Tschad. Die 2014 gegründete G5-Gruppe stellte Anfang Dezember ihre Auflösung in Aussicht, nur wenige Wochen nachdem die deutsche Entwicklungsministerin Svenja Schulze den Vorsitz der Sahel-Allianz zur Unterstützung der G5 übernommen hatte.
Analystin Bernard hält den russischen Einfluss auf die AES für hoch. Die USA unterhalten in Niger eine riesige Drohnenbasis zur Aufklärung in ganz West- und Nordafrika. Doch nun sei die Situation sehr schwierig geworden. “Die USA arbeiten normalerweise mit ihren Partnern zusammen und teilen auch Geheimdienstinformationen. Sie werden jedoch zögern, wenn Zweifel bestehen, dass diese Informationen mit Feinden der USA wie Russland oder China geteilt werden könnten. Es scheint, dass Russland in Niger die Hintergrundkanal-Positionen ersetzt, nachdem Frankreich gegangen ist”, meint Bernard.
Zuletzt forderte Niger auch die von der Deutschen Katja Dominik geleiteten Ausbildungsmission für Sicherheitskräfte, Eucap, zum Abzug auf. Umso überraschender ist vor diesem Hintergrund, dass der deutsche Verteidigungsminister Pistorius nun den Putschisten die Hand ausgestreckt hat. Er war der ranghöchste Vertreter eines EU-Landes, der Niger nach dem gewaltsamen Machtwechsel besuchte. Damit zeichnet sich auch eine Spaltung innerhalb der EU ab, die durch Frankreichs komplizierte Beziehung mit Westafrika blockiert ist.
Lange wurde in Johannesburg im August beim Brics-Gipfel über Aufnahmekriterien und -Länder verhandelt. Dann kam die Überraschung. Gleich sechs neue Kandidaten wurden in den Klub aufgenommen: Argentinien, die Ölstaaten Saudia-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate und der Iran – und aus Afrika mit Ägypten und Äthiopien zwei starke Nationen. Nigeria, die größte Volkswirtschaft des Kontinents, war einer der 23 Bewerber und schaffte es nicht, womöglich wollte Südafrika südlich der Sahara alleiniges Mitglied bleiben. Aber dennoch: Mit einem Schlag ist der globale Süden mit einem Anteil von 37 Prozent an der globalen Wirtschaftskraft stärker als die G7-Gruppe, die bei knapp 30 Prozent liegt, auch dank einer deutlich stärkeren Beteiligung von Afrika.
Der chinesische Präsident Xi Jinping sprach von einem “historischen” Moment, und der “Einheit und Zusammenarbeit” von größeren Entwicklungsländern. Diesen geht es um mehr Mitspracherecht in den globalen Institutionen wie Weltbank und IWF und deren Reform. Dazu gehört auch der Aufbau von Alternativen zum US-Dollar als internationales Zahlungsmittel. Auf diesem 15. Brics-Gipfel wurde Afrika als Global Player aufgewertet wie noch nie zuvor.
Das lag auch am diplomatischen Geschick des Gastgebers Cyril Ramaphosa, Präsident von Südafrika, der sich einen Namen als Verfechter der Interessen Afrikas gemacht hat, was ihm auch wegen seiner guten Beziehungen zu China, Indien und Brasilien gelang. Noch in den ersten Monaten des Jahres international kritisiert für die enge Verbindung mit Russland, punktete Ramaphosa mit einer afrikanischen Friedensinitiative, die im Ukrainekrieg vermittelte. Zum ersten Mal in der Geschichte reiste eine afrikanische Delegation nach Europa, um dort zu helfen, Frieden zu stiften. Auch in Afrika sind die Folgen des Krieges durch gestiegene Nahrungsmittelpreise zu spüren.
Ähnlich präsent war Ramaphosa beim Cairo Peace Summit Ende Oktober, auf dem um eine Lösung für den Konflikt zwischen Israel und Palästina gerungen wurde. Dabei sind viele afrikanische Regierungen auch bereit, mit geächteten Ländern wie Russland oder Palästina am Verhandlungstisch zu sitzen. Afrika zeigte auch im Oktober einen sicheren Auftritt beim Russland-Afrika-Gipfel in St. Petersburg. Ein weiteres historisches, bahnbrechendes Ereignis: Einen Monat zuvor war die Afrikanische Union (AU) offiziell beim Gipfel in Indien in die G20 aufgenommen worden.
Beim ersten Africa Climate Summit in Nairobi in Kenia im September trat der Kontinent ebenso selbstbewusst auf. Hier pochte Gastgeber William Ruto, Kenias Präsident, auf “afrikanische Lösungen” und “globale Partnerschaften”. Afrika leistet seinen Beitrag zu grüner Energieerzeugung und möchte vom globalen Norden dabei ernst genommen werden: Keine Opferrolle mehr und keine Lösungen, die Probleme des Westens angehen, aber nicht die Probleme Afrikas. Afrika ist mit seinen 1,5 Milliarden Einwohnern stark vom Klimawandel betroffen, trägt aber nur mit vier Prozent zu den Ursachen bei.
Es fehlt in Afrika nicht an Willen, sondern vor allem an Kapital, um umweltfreundlicher zu werden. Lediglich drei Prozent aller weltweiten Investitionen in erneuerbare Energien werden in Afrika gemacht, auch wenn der Kontinent etwa 60 Prozent des globalen Solarpotentials hat. Zugang zu Strom und Stromerzeugung ist in Afrika ebenfalls strittig, und das spiegelte sich auch in der Abschlusserklärung des Weltklimagipfels in Dubai wider: Der Ausstieg aus fossilen Energiequellen ist kaum möglich, wenn die Finanzierung von klimafreundlicher Energie nicht gesichert ist. So setzte der afrikanische Kontinent auf eine gemeinsame Position in der Klimapolitik: umweltfreundliches Wachstum, getragen von einer neuen globalen Finanzarchitektur. Es geht um den “Neuen Energiepakt”, der auf eine engere Zusammenarbeit zwischen Afrika und seinen internationalen Partnern abzielt.
Nigeria schaffte es zwar nicht in den Brics-Klub, erregte aber in Westafrika Aufsehen mit einer Ecowas-Intervention. Als neuer Vorsitzender der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft machte sich der nigerianische Präsident Bola Tinubu einen Namen für “rasche demokratische Übergänge” in den von Militärjuntas regierten Mitgliedern Guinea, Mali und Burkina Faso. Dann kam im Juli der Putsch in Niger hinzu, der auch ein Versagen der französischen Afrikapolitik offenbarte. Ecowas unter Tinubu sah von einer Militärintervention ab, auch wenn diese zwischenzeitlich angedroht wurde. Jetzt im Dezember wurden die Verhandlungen zur Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung konkreter. Tinubu sprach von “Wiederaufnahme der Zusammenarbeit” und von “realistischen und kurzen” Übergangsplänen zur Demokratie. Zudem sollen die verhängten Sanktionen schrittweise abgebaut werden. Ziel: die Wiederherstellung der politischen und wirtschaftlichen Stabilität in Westafrika. Afrika, so scheint es, kann seine Probleme nun zunehmend selbst lösen.
Deutschland und Europa haben in diesem Jahr die wirtschaftlichen Beziehungen zu Afrika weiter ausgebaut. Die Europäische Union hat gleich zwei Abkommen abgeschlossen, die die wirtschaftlichen Beziehungen zu Afrika auf der zwischenstaatlichen Ebene vertiefen: ein Economic Partnership Agreement (EPA) mit Kenia und das Samoa-Abkommen mit der Organisation der Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifiks (OACPS). Beide waren lang erwartet worden – und auch jetzt stehen die Abkommen in der Kritik.
Die Verhandlungen für das EPA mit Kenia waren im Juni abgeschlossen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen reiste diese Woche zur Unterzeichnung nach Nairobi. Das Europaparlament muss dem Abkommen noch zustimmen, bevor es in Kraft treten kann.
Mit dem EPA öffnet die EU ihren Markt vollständig für Waren aus Kenia. Umgekehrt klammert Kenia hingegen einige Sektoren aus, darunter viele Agrarprodukte, Chemikalien und Textilien, um die lokalen Hersteller vor übermächtiger Konkurrenz aus Europa zu schützen. Das Abkommen enthält ein eigenes Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung, das etwa die Verpflichtung zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens umfasst.
Zwischen 2002 und 2014 hatte die EU bereits ein EPA mit der Ostafrikanischen Gemeinschaft EAC ausgehandelt, in der Kenia Mitglied ist. Weil jedoch nicht alle EAC-Staaten das Abkommen ratifizierten, einigten sich Kenia und die EU stattdessen auf ein bilaterales Abkommen. Laut Europäischer Kommission sollen mit dem Kenia-EPA die Bestimmungen des EAC-EPA umgesetzt werden. Kenias Präsident William Ruto betonte bei der Unterzeichnung, das Abkommen lasse die Tür weit offen für den Beitritt weiterer EAC-Länder.
Doch Kenias Nachbarn sind skeptisch. Tansania verweigerte 2016 die Unterzeichnung des EAC-EPA mit der Begründung, es gefährde bestehende lokale Industrien und die Entwicklung neuer Industrien. Auch Ugandas Präsident Yoweri Museveni stellte 2017 die Frage nach der strategischen industriellen Entwicklung. Und nun will eine in Uganda ansässige NGO, die sich für entwicklungsfördernden Handel in der EAC einsetzt, das Abkommen vor dem Ostafrikanischen Gerichtshof stoppen. Das Southern and Eastern Africa Trade Information and Negotiations Institute (Seatini) sieht einen Verstoß gegen die EAC-Regeln für Zölle und den Gemeinsamen Markt. Seatini argumentiert weiter, dass das EPA als Freihandelsabkommen billige Importe in die Region ermöglichen und damit die schwache Wirtschaft der EAC gefährden wird.
Auch das im November ratifizierte Samoa-Abkommen hat seine Schwächen. Die neue Vereinbarung folgt auf das Cotonou-Abkommen (2000) und regelt die politischen, wirtschaftlichen und entwicklungspolitischen Beziehungen zwischen den 27 EU-Mitgliedstaaten und den 79 OACPS-Ländern für die nächsten 20 Jahre. Wichtige afrikanische Staaten wie Südafrika und die nordafrikanischen Länder sind jedoch nicht Teil der OACPS.
20 afrikanische OACPS-Länder haben das Abkommen bisher nicht unterzeichnet. Einige Länder beklagen die Verpflichtung zum Abschluss von EPAs. Sie sind der Ansicht, dass diese Handelspolitik zur Zerstörung ihrer lokalen Industrie führen könnte. EU-Chefunterhändler Alexander Baum beklagte Anfang Dezember in einem Gastbeitrag für Table.Media, die EU habe durch eigene Fehler ihre Glaubwürdigkeit verloren.
Zudem sind zwei bisher wesentliche Pfeiler der EU-OACPS-Beziehungen aus dem Abkommen ausgenommen: Handel und Entwicklungsarbeit. Experten gehen davon aus, dass das Samoa-Abkommen angesichts der wachsenden Beziehungen zwischen EU und Afrikanischer Union zum Nebenschauplatz wird.
Neben den Wirtschaftsabkommen haben Deutschland und EU auch die Kooperation beim Klima vertieft. Im Juni unterzeichnete Senegal eine Just Energy Transition Partnership (JETP) mit Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Kanada und der EU. Im Oktober hat das BMZ Senegal 100 Millionen Euro für eine ökologisch und sozial ausgerichtete Energiewende im Rahmen der JETP zugesagt. Insgesamt sollen 2,5 Milliarden Euro über drei bis fünf Jahre zusammenkommen. Senegal ist nach Südafrika das zweite Land in Afrika, mit dem eine JETP vereinbart wurde. Wegen der anhaltenden Stromkrise im Land geht die Partnerschaft mit Südafrika allerdings kaum voran.
Auf der COP28 kündigte die Bundesregierung außerdem ihre Unterstützung der Alliance for Green Infrastructure in Africa (AGIA) an. Die Initiative wurde auf der COP27 von der Afrikanischen Entwicklungsbank und der Kommission der Afrikanischen Union gemeinsam mit weiteren Partnern ins Leben gerufen. Deutschland wird AGIA ab dem nächsten Jahr mit bis zu 26 Millionen Euro unterstützen.
Die afrikanischen Aktienmärkte haben in diesem Jahr nicht an das gute Abschneiden aus dem Vorjahr anknüpfen können. Im Jahr 2022 übertraf der Kursanstieg an den afrikanischen Aktienmärkten bei weitem die Performance der Börsen in den USA und Europa.
In diesem Jahr dagegen enttäuschten einige größere Börsen, vor allem für Anleger, die in Euro rechnen: In Lagos fiel der marktbreite Aktienindex NGX ASI kurz vor Ultimo um gut 23 Prozent. In Südafrika verlor der Index JSE ASI 6,6 Prozent und in Kenia der NSE ASI sogar knapp 43 Prozent. Damit haben drei der führenden Aktienmärkte des Kontinents hohe Kursverluste verzeichnet. Immerhin lag in Ägypten der Standardwerteindex EGX 30 kurz vor Jahresende mit beeindruckenden 31,6 Prozent im Plus. In Marokko stieg der Masi-Index um 15 Prozent.
In den schwachen Börsen in Nigeria, Kenia und Südafrika spiegelt sich eine nachlassende Wachstumsdynamik in Subsahara-Afrika. Im Oktober schätzte der IWF das Wirtschaftswachstum in Subsahara-Afrika für 2023 auf 3,3 Prozent und setzte seine Prognose somit um 0,2 Prozentpunkte gegenüber der Juli-Prognose herunter. Für 2024 rechnet der IWF nun mit 4,0 Prozent. Damit liegen die Zahlen zwar über dem Weltdurchschnitt von 3,0 Prozent für 2023 und 2,9 Prozent für 2024. Doch Afrika bleibt klar hinter der Region Emerging and Developing Asia zurück. Dort rechnet der IWF mit einem Plus von 5,2 Prozent für 2023 und von 4,8 Prozent für 2024.
Vor allem ausländische Investoren ziehen sich aus Afrika zurück. So erklären sich die Kursverluste an den Börsen von Lagos, Johannesburg und Nairobi zum Großteil mit dem Abzug internationalen Anlagegelds. Auch bei Venture Capital, das stark die aufstrebende Startup-Szene in den Metropolen Afrikas finanziert, blieb die erwartete Erholung nach der Bekämpfung der Corona-Pandemie 2023 aus. Der Gesamtwert privater Transaktionen, an denen Venture Capital in Afrika rund 80 Prozent ausmacht, fiel auf den niedrigsten Stand seit 2015. In den ersten drei Quartalen 2023 wurden laut der African Venture Capital Association 3,3 Milliarden Dollar erreicht, nach 7,6 Milliarden Dollar in den ersten neun Monaten 2022 und 7,4 Milliarden Dollar in den ersten neun Monaten 2021.
Zu den Schwierigkeiten kommt die niedrige Arbeitsproduktivität in fast allen afrikanischen Ländern hinzu. Diese behindert die Wettbewerbsfähigkeit des Produktionsstandorts Afrika gegenüber dem Rest der Welt. Einer muss es besonders gut wissen: Thomas Schäfer ist seit Mitte 2022 Mitglied im Konzernvorstand von VW und CEO der Marke Volkswagen. Er war von 2015 bis 2020 Chairman und Managing Director der Volkswagen Group South Africa. In Kariega, das bis 2021 Uitenhage hieß, betreibt VW ein Montagewerk mit mehreren tausend Beschäftigten.
Bei einem Besuch in Südafrika vor wenigen Wochen benannte Schäfer die Engpässe sehr genau: ständige Produktionsunterbrechungen mangels Strom, eine unzuverlässige Eisenbahn, veraltete und verstopfte Häfen. Hinzu kommen gestiegene Lohnkosten. “Warum bauen wir Autos in einer weniger wettbewerbsfähigen Fabrik, weit weg vom realen Markt, wo sie gekauft werden?”, fragte Schäfer und fügte hinzu: “Ich mache mir darüber große Sorgen … Wir sind nicht im Wohltätigkeitsgeschäft aktiv.”
Immerhin scheint die Region noch etwas als Absatzmarkt für Pkw zu bieten zu haben. Bei Mercedes soll bis 2027 jedes zweite verkaufte Fahrzeug in Südafrika einen Elektroantrieb haben. Dennoch bleibt die Gefahr, dass die Gleichung “Industriearbeitsplätze schaffen die Nachfrage für deutsche Qualitätsprodukte” in Südafrika auf mittlere Sicht nicht funktioniert.
Eine gute Nachricht kommt immerhin aus der Landwirtschaft: Seit dem Jahr 2000 hat dieser Sektor einen tiefgreifenden Wandel durchgemacht. Die Erweiterung der Anbauflächen auf dem Kontinent machen 52 Prozent des globalen Wachstums an Anbauflächen aus. Subsahara-Afrika verzeichnet mit 4,3 Prozent auch die höchste Wachstumsrate der landwirtschaftlichen Produktion aller Regionen der Welt. Damit trägt der afrikanische Agrarsektor stärker als in der Vergangenheit zur Ernährung der afrikanischen Bevölkerung bei.
Auch der Konsummarkt wächst weiter. Der Biermarkt ist einer der am schnellsten wachsenden Konsummärkte des Kontinents. Das liegt vor allem an der zunehmenden Mittelschicht, die bei moderatem Konsum gerne zu höherpreisigen Marken greift. 2023 könnte der Umsatz auf 29,4 Milliarden Dollar gestiegen sein mit einer geschätzten Wachstumsrate von 6,2 Prozent jährlich bis 2027.
Doch der französische Wein- und Bierkonzern Castel erlebte in diesem Jahr einen Rückschlag in Äthiopien. Das Familienunternehmen musste seine Tochtergesellschaft BGI Ethiopia umstrukturieren. Das kostete Castel die Marktführerschaft, die es an den niederländischen Rivalen Heineken abgeben musste. Am Wettrennen um die Marktführerschaft auf dem Kontinent nehmen auch Anheuser Busch Inbev aus Belgien und SAB Miller aus den USA teil.
Die deutschen Brauereien beobachten diesen boomenden Markt bisher aus der Ferne. Die Dortmunder Actien-Brauerei beispielsweise, heute Teil der Radeberger-Gruppe, zog sich Ende der 1990er Jahre aus einer Lizenzproduktion in Bandundu in der DR Kongo zurück. Doch von der steigenden Nachfrage nach Marken im Nahrungsmittelbereich erhofft sich der deutsche Maschinenbau Absatzchancen, wie VDMA-Präsident Karl Haeusgen jüngst sagte.
Es war das zweite Mal nach 2019, dass das Konzert des nigerianischen Afrobeat-Superstars Davido in der O2-Arena in London ausverkauft war. Im März 2022 musste der Musiker jedoch tief in die Tasche greifen, weil er seine Show vor einem begeisterten Publikum um 34 Minuten überzog – und somit gegen strenge Auflagen verstieß. Die Strafe von 340.000 britischen Pfund war ihm gleichgültig. Ende Januar 2024 will Davido wieder im O2 auftreten. Zweifellos zählt Davido zu jenen Künstlern, die im Jahr 2023 Afrika geprägt haben.
Nach mehr als zehn Jahren im internationalen Musikgeschäft ist Davido oben angekommen. Seine steile Karriere und Investitionen haben ihm ein Vermögen von rund 50 Millionen US-Dollar beschert. Nach vier erfolgreichen Alben folgen Davido mehr als 28 Millionen Menschen auf Instagram, auf X (ehemals Twitter) sind es 14,5 Millionen. Mehr als 8,5 Millionen Fans hören seine Lieder auf Spotify jeden Monat. Der 31 Jahre alte Sänger, dessen bürgerlicher Name David Adeleke ist, ist damit einer der Top-Musiker Afrikas und hat global eine wachsende Anhängerschaft.
Geboren wurde Davido als jüngster von fünf Geschwistern in Atlanta im US-Bundesstaat Georgia, wuchs aber in Nigeria auf. Mit elf Jahren traf ihn der erste Schicksalsschlag, als seine Mutter, eine Hochschullehrerin, starb. Sein Vater Adedeji Adeleke, ein erfolgreicher Tycoon, unterstütze ihn, wo er konnte. Auch seine Leidenschaft für die Musik förderte der Vater. Die entdeckte er während des Studiums an der Oakwood University in Alabama. Dort gründete er die Band KB International. Er schmiss das Studium und ging für drei Jahre nach London, um sich auf Musik zu konzentrieren.
Anschließend kehrte er nach Nigeria zurück, wo ihm 2012 mit dem Song Dami Duro der Durchbruch gelang. Es war die zweite Single seines ersten Albums Omo Baba Olowo. Den Universitätsabschluss holte er auf Rat seines Vaters 2015 an der Barbock University in Nigeria nach. Der Musiker war der erste und einzige Absolvent des neuen Musik-Studiengangs, den sein Vater finanziert hatte. 2016 bot das Label Sony Music Davido einen Vertrag an: Er unterschrieb.
Weitere Alben folgten: A Good Time (2019) und A Better Time (2020). Bereits 2014 im Alter von 21 Jahren gewann er den MTV Africa Music Award und den BET Award, der afroamerikanische Künstler würdigt. Er hat mit Stars wie Chris Brown, King of R&B, und Nicki Minaj, Queen of Rap, zusammengearbeitet. Auch setzte er sich für Menschenrechte in Afrika ein. 2019 zählte das New Africa Magazin ihn zu den 100 einflussreichsten Afrikanern.
Zwei Jahre später schaffte es Davido auf die Time 100-Liste, auf der das amerikanische Nachrichtenmagazin jährlich die 100 einflussreichsten Persönlichkeiten auflistet, wie der chinesische Präsident Xi Jinping, aber auch Ex-Kanzlerin Angela Merkel. Seine Single Hayya Hayya (Better Together), die er zusammen mit Trinidad Cardona und AISHA aufnahm, wurde zum Hit der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar und während der Abschlussfeier live gesunden. Davido war der erste Nigerianer, der bei einer FIFA-Weltmeisterschaft auftrat.
Im Oktober 2022 schlug das Schicksal erneut zu. Davidos Sohn Ifeanyi Adeleke ertrank im Alter von drei Jahren in einem Pool in Lagos. Der tragische Tod löste in Nigeria eine Debatte über die Sicherheit von Pools aus. Ein Jahr später wurde Davido und seine Frau Chioma Rowland, eine bekannte Köchin und Influencerin, Eltern von Zwillingen, einem Jungen und einem Mädchen.
Im November 2023 wurde Davidos viertes Album Timeless, erschienen im März 2023, und zwei der Lieder für die Grammy Awards 2024 nominiert. Auf dem Album, das Afrobeat-, R&B- und Popelemente kombiniert, arbeitet Davido unter anderem mit der beninisch-französischen Sängerin Angélique Kidjo zusammen. Das Magazin Rolling Stone nannte es “eines der besten Alben 2023”, das Fans in der ganzen Welt in den Bann zieht.
“Ich habe seit fast drei Jahren kein Album mehr herausgebracht. Und ich habe das Gefühl, dass die Welt diese Davido-Energie braucht. Ich möchte, dass Ihr beim Anhören des Albums einen Hauch frischer Luft spürt”, sagte der junge Star. Davido hatte nach dem Verlust seines Sohnes eine Auszeit genommen. Andreas Sieren
Afrika ist dieses Jahr in den Blickpunkt der Weltöffentlichkeit gerückt wie selten zuvor. Zu den Höhepunkten des Afrika-Jahres 2023 zählten mit Sicherheit der Brics-Gipfel in Südafrika, das Treffen von IWF und Weltbank in Marrakesch und der Afrika-Klimagipfel in Nairobi. Andreas Sieren hält die wichtigsten Aspekte fest. Arne Schütte präsentiert wichtige Wirtschaftsabkommen.
Auch die Bundesregierung hat Afrika mittlerweile entdeckt. David Renke beschreibt in seinem Rückblick, wie sich die deutsche Reisediplomatie auf dem Kontinent entfaltet hat. Jahrelang war Afrika der vergessene Kontinent der deutschen Politik. Das hat sich 2023 geändert. Nun lautet die Aufgabe für die kommenden Jahre, sich von alten Vorurteilen zu lösen und dem Kontinent frei von Paternalismus (“Dialog auf Augenhöhe”) zu begegnen. Denn auch wohlwollender Paternalismus enthält ein Stück weit Herablassung. Lucia Weiß schaut auf die Erkenntnisse, die das Krisenjahr in der Sahelzone gebracht hat.
Wirtschaftlich hat Afrika in diesem Jahr enttäuscht. Während der Corona-Jahre zeigte sich die Wirtschaft des Kontinents noch krisenresistenter als in Europa und den USA. Doch nun haben gerade die Investoren aus diesen beiden Regionen Kapital abgezogen und den Aufschwung behindert. Außerdem wollen wir Ihnen einen Künstler aus Nigeria vorstellen, der dieses Jahr international geprägt hat wie nur wenige auf der Welt.
In diesem Special von Africa.Table möchten wir Ihnen zeigen, welche Erkenntnisse 2023 für die kommenden Jahre gebracht hat. Unsere nächste, reguläre Ausgabe ist für den 2. Januar geplant. In der Zwischenzeit halten wir Sie über das aktuelle Geschehen auf dem Laufenden und senden Ihnen “100 Headlines, den aktuellen News-Überblick für die Table.Media-Community”, zu.
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Geht es allein um die Präsenz auf dem afrikanischen Kontinent, ist unbestreitbar, dass Afrika 2023 so stark wie in vielen Jahren nicht mehr in den Fokus der deutschen Politik gerückt ist. Fünf afrikanische Länder besuchte allein Bundeskanzler Olaf Scholz auf insgesamt drei Reisen. Hinzu kamen zahlreiche Ministerbesuche. Allein in der Woche vor Weihnachten absolvierte Außenministerin Annalena Baerbock eine Stippvisite zur Eröffnung der ersten Biontech-Fabrik in Ruanda, während Verteidigungsminister Pistorius kurz mal in den Niger flog.
Insgesamt machte sich fast die Hälfte der Kabinettsminister zu Besuchen in Afrika auf. Wenig überraschend zeigte sich Entwicklungsministerin Svenja Schulze als Vorsitzende der Sahel-Allianz besonders oft in Westafrika. Doch Schulze kam oft in Begleitung. So flog Pistorius bereits im April mit ihr nach Mali und Niger. Dort warb er damals noch unter vollkommen anderen Vorzeichen für eine Verlängerung des deutschen Engagements im Niger. Vor wenigen Tagen folgte dann der zweite, politisch heikle Besuch, bei dem Pistorius mit den neuen Putsch-Machthabern ein weiteres Zusammenarbeiten “unter erschwerten Bedingungen” in den Raum stellte – aller wertegeleiteten Außenpolitik zum Trotz.
Weniger heikel war der gemeinsame Besuch von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und Entwicklungsministerin Schulze in Ghana und der Elfenbeinküste. Dort prüften die beiden Minister die Wirksamkeit des Lieferkettengesetzes und das Potenzial für die Anwerbung von Fachkräften. Im März bereits hatte Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger Namibia und Südafrika besucht, um sich über Forschungsprojekte zu grünem Flugbenzin und Wasserstoff zu informieren. Nach dem Debakel in der Sahelzone versuchte Innenministerin Nancy Faeser dann Ende Oktober, mit Marokko ein neues Migrationsabkommen auf die Beine zu stellen.
Auch Finanzminister Christian Lindner reiste im Oktober nach Marokko. Der Anlass war die Tagung von IWF und Weltbank. Dass diese in Afrika stattfand, ist ein weiteres Indiz dafür, wie sehr sich der Kontinent als Gastgeber für internationale Gipfeltreffen in Position gebracht hat. Für Lindner war Marokko allerdings nicht der einzige Afrikabesuch in diesem Jahr. Seine erste Reise 2023 dürfte aber einen faden Beigeschmack hinterlassen haben. Denn Lindner musste im Februar in Westafrika am eigenen Leib erfahren, dass Deutschland keineswegs mehr der ultimative Sehnsuchtsort für gut ausgebildete internationale Fachkräfte ist. Beim Besuch einer Universität in Ghana fragte Lindner die Studenten, wer sich vorstellen könne, nach Deutschland zu kommen, um in der Industrie oder IT zu arbeiten. Kaum einer der Studenten meldete sich. Dieser Austausch verbreitete sich wenig später viral als kurzer Videoclip in den sozialen Medien.
Große Symbolkraft hatte andererseits der Besuch des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, in Tansania. Dort entschuldigte er sich Anfang November als erster deutscher Politiker öffentlich für die deutschen Kolonialverbrechen in Ostafrika. Zudem besuchte er Sambia und die Kapverdischen Inseln.
Die Berliner Politik beließ es allerdings nicht nur bei staatstragenden Stippvisiten auf dem Kontinent. Auch in Deutschland profilierte sich die Ampelregierung mit Strategien, Konferenzen und Versprechen an den Nachbarkontinent – dabei ging es selbstredend immer um Angebote auf “Augenhöhe” – ein Begriff, der in Afrika schon mal verwunderte Reaktionen hervorruft. Denn in Gesprächen mit Vertretern aus den USA oder Frankreich beispielsweise versprechen deutsche Politiker nie Beziehungen “auf Augenhöhe”.
Gleich zu Beginn des Jahres präsentierte das BMZ unter dem Titel “Gemeinsam mit Afrika Zukunft gestalten” seine neue Afrika-Strategie. Im Fokus: der “sozial-ökologische Wandel”, eine “feministische Entwicklungspolitik”, Geschlechtergerechtigkeit und das Ziel von 25 Millionen neu geschaffenen Arbeitsplätzen auf dem Kontinent. Nach Kritik aus der Wirtschaft legte das BMZ im September nach und justierte seine Wirtschaftskooperationen nach. Mit “Partners in Transformation” will das BMZ einfachere Beratungsangebote für jene Unternehmen schaffen, die Investitionen im Ausland anstreben, und bezieht außerdem Gewerkschaften in seine Entwicklungsstrategie ein. Die Reaktionen aus der Wirtschaft blieben eher verhalten.
Mehr auf die Wirtschaft will die Union setzen, die kurz vor Weihnachten ebenfalls eine eigene Afrika-Strategie vorlegte. Darin fordert die Union unter anderem eine jährliche deutsch-afrikanische Wirtschaftskonferenz, eine Neuaufstellung der Außenwirtschaftsförderung sowie mehr deutsche Präsenz in der Sahelzone.
Der Kurs der Ampel verlief bei diesem Thema im vergangenen Jahr schlingernd. Noch im Mai kündigte die Bundesregierung eine Neuaufstellung der Sahel-Politik an und bezeichnete Niger als “verlässlichem Partner” in der Region. Diese Strategie ging zunächst nur bis zum Putsch am 26. Juli auf. Wie es nun weitergehen wird, ist offen. Nach dem ersten Schock soll es nach Pistorius’ erneutem Besuch im Land jedoch wohl weitere Sicherheitspartnerschaften geben.
Wirtschaftspolitisch scheint der Weg für das Kanzleramt allerdings klar: Das will seinen Plan der wirtschaftlichen Verzahnung zwischen Deutschland und dem afrikanischen Kontinent fortführen. Ende November lud der Kanzler afrikanische Staats- und Regierungschefs nach Berlin ein und warb auf der Compact-with-Africa-Konferenz für mehr Investitionen deutscher Unternehmen in Afrika. Auffällig dabei ist, dass der Wirtschaftsminister Robert Habeck in diesem Jahr auf einen Besuch auf dem Kontinent verzichtete.
Schließlich bleibt jedoch ein umfangreiches Afrika-Jahr für die Bundespolitik, das – wenn es nach dem Bundeskanzleramt geht – keine Ausnahme bleiben soll. Denn den stetigen Austausch mit dem Nachbarkontinent will man unbedingt beibehalten.
Knapp eine Woche vor Weihnachten hat der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) Bundeswehrsoldaten in Niger besucht. Pistorius war zuvor nach Litauen gereist, wo deutsche Soldaten im Rahmen der NATO-Vorneverteidigung stationiert sind. So weit, so traditionell, die Vorweihnachtsbesuche bei deutschen Truppen zählen zur festen Terminplanung deutscher Verteidigungsminister.
In Niger allerdings bot Pistorius der Putschregierung am Dienstag an, Kooperationsprojekte weiterführen zu wollen. Es ist eine bemerkenswerte Wende in der deutschen Außenpolitik: weg von der strikten Ablehnung nicht-ziviler Regierungen hin zu pragmatischer orientierten Zusammenarbeit. Dieser Kurswechsel ist eine Reaktion auf die volatile Lage in der Sahelzone, die in diesem Jahr von erheblichen Verschiebungen in Politik, internationaler Zusammenarbeit und Sicherheit geprägt war.
Ein Blick zurück: Im Juli stürzten Militärs in Niger die demokratisch gewählte Regierung von Präsident Bazoum. Damit reihte sich das Land in die Liste jener Länder im Sahel ein, in denen das Militär die Macht an sich genommen hat. Der Westen verlor damit seinen wichtigsten Partner in der Sahelzone, in der Russland an Einfluss gewinnt.
“Wir haben in diesem Jahr einen schnellen und bewusst herbeigeführten Verfall demokratischer Werte im zentralen Sahel erlebt. Alle waren schockiert, als der Putsch in Niger stattfand, auch wenn es einige Anzeichen vor Ort gab: Korruption und Unzufriedenheit in der Bevölkerung”, fasst Aneliese Bernard im Gespräch mit Table.Media das Jahr 2023 zusammen. Aneliese Bernard ist Leiterin der in Washington DC ansässigen Beratungsgruppe Strategic Stabilization Advisors. Zuvor war sie im US-Außenministerium tätig und arbeitete von 2017 bis 2019 in der US-Botschaft in Niamey.
Seit 2020 schwappt eine Welle von Militärputschen über Westafrika bis in den Sudan, mit Gabun diesen August und Niger im Juli kamen zwei weitere dazu. Damit sind es neun Umstürze in der Region, je zwei in Mali (August 2020, Mai 2021) und Burkina Faso (Januar 2022, September 2022). Von Guinea am Atlantik (September 2021), über Mali, Burkina Faso, Niger, Gabun nach Tschad (April 2021) und bis in den Sudan (Oktober 2021) sind nun sieben Länder nicht mehr in ziviler Hand, sondern werden von Soldaten geführt.
Mehr als ein Zeichen eines Verfalls demokratischer Werte, sind diese Putsche Ausdruck eines Zerfalls der staatlichen Strukturen in diesen Ländern. Die zivile Verwaltung liegt oft am Boden, überlastet von überbordender Bürokratie, Beamte werden nicht mehr regelmäßig bezahlt und versuchen zum Teil auch über Korruption, Geld für ihre Familien zusammenzubekommen. Die Armee stellt sich selbst im Sahel häufig als die einzige Organisation da, die das Land noch zusammenhalten und für Recht und Ordnung sorgen kann.
Die Militärregierungen bemühen sich mehr oder minder um die Rückkehr zur demokratischen Ordnung. Gerade im zentralen Sahel scheint das dem immer gleichen Drehbuch zu folgen: Es gibt Versprechungen, einen nationalen Sicherheitsrat und Dialog mit der Zivilgesellschaft, umstrittene und mangelhaft inklusive Verfassungsreferenden wie in Mali und kürzlich im Tschad, schließlich oft die Verschiebung angesetzter Wahlen aufgrund von angeblichen Sicherheitsbedenken. So kündigte die Junta von Assimi Goïta, seit Mai 2021 Präsident von Mali, an, die Wahlen für Februar 2024 wegen “technischer Gründe etwas verschieben” zu müssen. Ein neues Datum gibt es bis jetzt nicht, und es scheinen auch keine Haushaltsmittel für die Durchführung von Wahlen eingeplant zu sein.
Frankreichs sicherheitspolitischer und Deutschlands entwicklungspolitischer Ansatz im Sahel scheinen beide gescheitert. Auch wenn Experten betonen, dass die Lage ohne das jeweilige Engagement für die Zivilbevölkerung viel früher noch schlimmer gewesen wäre – fest steht: Gut sieht es in den Sahelländern nicht aus. Vor allem die Bevölkerung leidet unter Hunger und zunehmender Gewalt in Mali, Burkina Faso und inzwischen auch in Niger.
Assimi Goïta ist ein Beispiel dafür, dass der sicherheitspolitische Ansatz nicht aufgeht in der Gleichung: Wer im Westen ausgebildet wurde, wird sich für westliche Werte und Interessen einsetzen. Der 41 Jahre alte Militär wurde zunächst an der École militaire interarmes in Koulikoro in Mali ausgebildet. Später absolvierte er zwei Mal kürzere Lehrgänge in Deutschland, unter anderem am deutsch-amerikanischen George C. Marshall Europäischen Zentrum für Sicherheitsstudien in Garmisch-Partenkichen. Als Oberst in einer Spezialeinheit zur Bekämpfung von Terroristen im Norden des Landes, die von den USA trainiert wurden, sammelte Goïta Kampferfahrung. Allen Kontakten mit westlichen Partnern zum Trotz hat die Militärjunta unter Goïta die Abwendung Malis vom Westen am heftigsten von allen Sahel-Ländern vorangetrieben.
Auch die USA haben mit ihrem kombinierten Ansatz aus Entwicklungs- und Sicherheitspolitik bisher nicht für langfristige Stabilität sorgen können. “Mit dem Putsch in Niger hat sich wirklich etwas verändert. Bis dahin verfolgte die US-Regierung den sogenannten 3D-Ansatz – das bedeutet, an guter Regierungsführung, Entwicklung und Sicherheit mit ihren Partnern zu arbeiten, auch wenn in Niger der Fokus auf Sicherheit stärker war. Im US-Außenministerium herrscht die Überzeugung, dass man die Dinge am besten auf diese Art angeht”, sagt die Analystin Aneliese Bernard.
Die USA haben den Putsch in Niger inzwischen zwar anerkannt, versuchen aber dennoch, business as usual zu suggerieren. “Offensichtlich sind sie dazu nicht wirklich in der Lage”, meint Bernard. “Ich nehme an, dass die USA hinter den Kulissen versuchen herauszufinden, was der nächste Schritt sein könnte.”
Das Jahr 2023 markiert auch die rigorose Abkehr der Sahelländer vom Westen, hin zu Russland:
Mali verwies die UN-Mission Minusma des Landes, nachdem Frankreich schon im vergangenen Sommer seine Truppen abziehen musste. Militärkooperationen mit Russland – was zum Teil auch die Präsenz von Wagner-Söldnern impliziert – wurden demonstrativ von Mali sowie auch von Burkina Faso und kürzlich Niger öffentlich zelebriert. Mit der Gründung des Dreierbündnisses, der Alliance des États de Sahel (AES) im Herbst trennten sich diese Länder demonstrativ von den Nachbarstaaten Mauretanien – das der EU verbunden ist – und dem immer noch Frankreich nahen Tschad. Die 2014 gegründete G5-Gruppe stellte Anfang Dezember ihre Auflösung in Aussicht, nur wenige Wochen nachdem die deutsche Entwicklungsministerin Svenja Schulze den Vorsitz der Sahel-Allianz zur Unterstützung der G5 übernommen hatte.
Analystin Bernard hält den russischen Einfluss auf die AES für hoch. Die USA unterhalten in Niger eine riesige Drohnenbasis zur Aufklärung in ganz West- und Nordafrika. Doch nun sei die Situation sehr schwierig geworden. “Die USA arbeiten normalerweise mit ihren Partnern zusammen und teilen auch Geheimdienstinformationen. Sie werden jedoch zögern, wenn Zweifel bestehen, dass diese Informationen mit Feinden der USA wie Russland oder China geteilt werden könnten. Es scheint, dass Russland in Niger die Hintergrundkanal-Positionen ersetzt, nachdem Frankreich gegangen ist”, meint Bernard.
Zuletzt forderte Niger auch die von der Deutschen Katja Dominik geleiteten Ausbildungsmission für Sicherheitskräfte, Eucap, zum Abzug auf. Umso überraschender ist vor diesem Hintergrund, dass der deutsche Verteidigungsminister Pistorius nun den Putschisten die Hand ausgestreckt hat. Er war der ranghöchste Vertreter eines EU-Landes, der Niger nach dem gewaltsamen Machtwechsel besuchte. Damit zeichnet sich auch eine Spaltung innerhalb der EU ab, die durch Frankreichs komplizierte Beziehung mit Westafrika blockiert ist.
Lange wurde in Johannesburg im August beim Brics-Gipfel über Aufnahmekriterien und -Länder verhandelt. Dann kam die Überraschung. Gleich sechs neue Kandidaten wurden in den Klub aufgenommen: Argentinien, die Ölstaaten Saudia-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate und der Iran – und aus Afrika mit Ägypten und Äthiopien zwei starke Nationen. Nigeria, die größte Volkswirtschaft des Kontinents, war einer der 23 Bewerber und schaffte es nicht, womöglich wollte Südafrika südlich der Sahara alleiniges Mitglied bleiben. Aber dennoch: Mit einem Schlag ist der globale Süden mit einem Anteil von 37 Prozent an der globalen Wirtschaftskraft stärker als die G7-Gruppe, die bei knapp 30 Prozent liegt, auch dank einer deutlich stärkeren Beteiligung von Afrika.
Der chinesische Präsident Xi Jinping sprach von einem “historischen” Moment, und der “Einheit und Zusammenarbeit” von größeren Entwicklungsländern. Diesen geht es um mehr Mitspracherecht in den globalen Institutionen wie Weltbank und IWF und deren Reform. Dazu gehört auch der Aufbau von Alternativen zum US-Dollar als internationales Zahlungsmittel. Auf diesem 15. Brics-Gipfel wurde Afrika als Global Player aufgewertet wie noch nie zuvor.
Das lag auch am diplomatischen Geschick des Gastgebers Cyril Ramaphosa, Präsident von Südafrika, der sich einen Namen als Verfechter der Interessen Afrikas gemacht hat, was ihm auch wegen seiner guten Beziehungen zu China, Indien und Brasilien gelang. Noch in den ersten Monaten des Jahres international kritisiert für die enge Verbindung mit Russland, punktete Ramaphosa mit einer afrikanischen Friedensinitiative, die im Ukrainekrieg vermittelte. Zum ersten Mal in der Geschichte reiste eine afrikanische Delegation nach Europa, um dort zu helfen, Frieden zu stiften. Auch in Afrika sind die Folgen des Krieges durch gestiegene Nahrungsmittelpreise zu spüren.
Ähnlich präsent war Ramaphosa beim Cairo Peace Summit Ende Oktober, auf dem um eine Lösung für den Konflikt zwischen Israel und Palästina gerungen wurde. Dabei sind viele afrikanische Regierungen auch bereit, mit geächteten Ländern wie Russland oder Palästina am Verhandlungstisch zu sitzen. Afrika zeigte auch im Oktober einen sicheren Auftritt beim Russland-Afrika-Gipfel in St. Petersburg. Ein weiteres historisches, bahnbrechendes Ereignis: Einen Monat zuvor war die Afrikanische Union (AU) offiziell beim Gipfel in Indien in die G20 aufgenommen worden.
Beim ersten Africa Climate Summit in Nairobi in Kenia im September trat der Kontinent ebenso selbstbewusst auf. Hier pochte Gastgeber William Ruto, Kenias Präsident, auf “afrikanische Lösungen” und “globale Partnerschaften”. Afrika leistet seinen Beitrag zu grüner Energieerzeugung und möchte vom globalen Norden dabei ernst genommen werden: Keine Opferrolle mehr und keine Lösungen, die Probleme des Westens angehen, aber nicht die Probleme Afrikas. Afrika ist mit seinen 1,5 Milliarden Einwohnern stark vom Klimawandel betroffen, trägt aber nur mit vier Prozent zu den Ursachen bei.
Es fehlt in Afrika nicht an Willen, sondern vor allem an Kapital, um umweltfreundlicher zu werden. Lediglich drei Prozent aller weltweiten Investitionen in erneuerbare Energien werden in Afrika gemacht, auch wenn der Kontinent etwa 60 Prozent des globalen Solarpotentials hat. Zugang zu Strom und Stromerzeugung ist in Afrika ebenfalls strittig, und das spiegelte sich auch in der Abschlusserklärung des Weltklimagipfels in Dubai wider: Der Ausstieg aus fossilen Energiequellen ist kaum möglich, wenn die Finanzierung von klimafreundlicher Energie nicht gesichert ist. So setzte der afrikanische Kontinent auf eine gemeinsame Position in der Klimapolitik: umweltfreundliches Wachstum, getragen von einer neuen globalen Finanzarchitektur. Es geht um den “Neuen Energiepakt”, der auf eine engere Zusammenarbeit zwischen Afrika und seinen internationalen Partnern abzielt.
Nigeria schaffte es zwar nicht in den Brics-Klub, erregte aber in Westafrika Aufsehen mit einer Ecowas-Intervention. Als neuer Vorsitzender der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft machte sich der nigerianische Präsident Bola Tinubu einen Namen für “rasche demokratische Übergänge” in den von Militärjuntas regierten Mitgliedern Guinea, Mali und Burkina Faso. Dann kam im Juli der Putsch in Niger hinzu, der auch ein Versagen der französischen Afrikapolitik offenbarte. Ecowas unter Tinubu sah von einer Militärintervention ab, auch wenn diese zwischenzeitlich angedroht wurde. Jetzt im Dezember wurden die Verhandlungen zur Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung konkreter. Tinubu sprach von “Wiederaufnahme der Zusammenarbeit” und von “realistischen und kurzen” Übergangsplänen zur Demokratie. Zudem sollen die verhängten Sanktionen schrittweise abgebaut werden. Ziel: die Wiederherstellung der politischen und wirtschaftlichen Stabilität in Westafrika. Afrika, so scheint es, kann seine Probleme nun zunehmend selbst lösen.
Deutschland und Europa haben in diesem Jahr die wirtschaftlichen Beziehungen zu Afrika weiter ausgebaut. Die Europäische Union hat gleich zwei Abkommen abgeschlossen, die die wirtschaftlichen Beziehungen zu Afrika auf der zwischenstaatlichen Ebene vertiefen: ein Economic Partnership Agreement (EPA) mit Kenia und das Samoa-Abkommen mit der Organisation der Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifiks (OACPS). Beide waren lang erwartet worden – und auch jetzt stehen die Abkommen in der Kritik.
Die Verhandlungen für das EPA mit Kenia waren im Juni abgeschlossen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen reiste diese Woche zur Unterzeichnung nach Nairobi. Das Europaparlament muss dem Abkommen noch zustimmen, bevor es in Kraft treten kann.
Mit dem EPA öffnet die EU ihren Markt vollständig für Waren aus Kenia. Umgekehrt klammert Kenia hingegen einige Sektoren aus, darunter viele Agrarprodukte, Chemikalien und Textilien, um die lokalen Hersteller vor übermächtiger Konkurrenz aus Europa zu schützen. Das Abkommen enthält ein eigenes Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung, das etwa die Verpflichtung zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens umfasst.
Zwischen 2002 und 2014 hatte die EU bereits ein EPA mit der Ostafrikanischen Gemeinschaft EAC ausgehandelt, in der Kenia Mitglied ist. Weil jedoch nicht alle EAC-Staaten das Abkommen ratifizierten, einigten sich Kenia und die EU stattdessen auf ein bilaterales Abkommen. Laut Europäischer Kommission sollen mit dem Kenia-EPA die Bestimmungen des EAC-EPA umgesetzt werden. Kenias Präsident William Ruto betonte bei der Unterzeichnung, das Abkommen lasse die Tür weit offen für den Beitritt weiterer EAC-Länder.
Doch Kenias Nachbarn sind skeptisch. Tansania verweigerte 2016 die Unterzeichnung des EAC-EPA mit der Begründung, es gefährde bestehende lokale Industrien und die Entwicklung neuer Industrien. Auch Ugandas Präsident Yoweri Museveni stellte 2017 die Frage nach der strategischen industriellen Entwicklung. Und nun will eine in Uganda ansässige NGO, die sich für entwicklungsfördernden Handel in der EAC einsetzt, das Abkommen vor dem Ostafrikanischen Gerichtshof stoppen. Das Southern and Eastern Africa Trade Information and Negotiations Institute (Seatini) sieht einen Verstoß gegen die EAC-Regeln für Zölle und den Gemeinsamen Markt. Seatini argumentiert weiter, dass das EPA als Freihandelsabkommen billige Importe in die Region ermöglichen und damit die schwache Wirtschaft der EAC gefährden wird.
Auch das im November ratifizierte Samoa-Abkommen hat seine Schwächen. Die neue Vereinbarung folgt auf das Cotonou-Abkommen (2000) und regelt die politischen, wirtschaftlichen und entwicklungspolitischen Beziehungen zwischen den 27 EU-Mitgliedstaaten und den 79 OACPS-Ländern für die nächsten 20 Jahre. Wichtige afrikanische Staaten wie Südafrika und die nordafrikanischen Länder sind jedoch nicht Teil der OACPS.
20 afrikanische OACPS-Länder haben das Abkommen bisher nicht unterzeichnet. Einige Länder beklagen die Verpflichtung zum Abschluss von EPAs. Sie sind der Ansicht, dass diese Handelspolitik zur Zerstörung ihrer lokalen Industrie führen könnte. EU-Chefunterhändler Alexander Baum beklagte Anfang Dezember in einem Gastbeitrag für Table.Media, die EU habe durch eigene Fehler ihre Glaubwürdigkeit verloren.
Zudem sind zwei bisher wesentliche Pfeiler der EU-OACPS-Beziehungen aus dem Abkommen ausgenommen: Handel und Entwicklungsarbeit. Experten gehen davon aus, dass das Samoa-Abkommen angesichts der wachsenden Beziehungen zwischen EU und Afrikanischer Union zum Nebenschauplatz wird.
Neben den Wirtschaftsabkommen haben Deutschland und EU auch die Kooperation beim Klima vertieft. Im Juni unterzeichnete Senegal eine Just Energy Transition Partnership (JETP) mit Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Kanada und der EU. Im Oktober hat das BMZ Senegal 100 Millionen Euro für eine ökologisch und sozial ausgerichtete Energiewende im Rahmen der JETP zugesagt. Insgesamt sollen 2,5 Milliarden Euro über drei bis fünf Jahre zusammenkommen. Senegal ist nach Südafrika das zweite Land in Afrika, mit dem eine JETP vereinbart wurde. Wegen der anhaltenden Stromkrise im Land geht die Partnerschaft mit Südafrika allerdings kaum voran.
Auf der COP28 kündigte die Bundesregierung außerdem ihre Unterstützung der Alliance for Green Infrastructure in Africa (AGIA) an. Die Initiative wurde auf der COP27 von der Afrikanischen Entwicklungsbank und der Kommission der Afrikanischen Union gemeinsam mit weiteren Partnern ins Leben gerufen. Deutschland wird AGIA ab dem nächsten Jahr mit bis zu 26 Millionen Euro unterstützen.
Die afrikanischen Aktienmärkte haben in diesem Jahr nicht an das gute Abschneiden aus dem Vorjahr anknüpfen können. Im Jahr 2022 übertraf der Kursanstieg an den afrikanischen Aktienmärkten bei weitem die Performance der Börsen in den USA und Europa.
In diesem Jahr dagegen enttäuschten einige größere Börsen, vor allem für Anleger, die in Euro rechnen: In Lagos fiel der marktbreite Aktienindex NGX ASI kurz vor Ultimo um gut 23 Prozent. In Südafrika verlor der Index JSE ASI 6,6 Prozent und in Kenia der NSE ASI sogar knapp 43 Prozent. Damit haben drei der führenden Aktienmärkte des Kontinents hohe Kursverluste verzeichnet. Immerhin lag in Ägypten der Standardwerteindex EGX 30 kurz vor Jahresende mit beeindruckenden 31,6 Prozent im Plus. In Marokko stieg der Masi-Index um 15 Prozent.
In den schwachen Börsen in Nigeria, Kenia und Südafrika spiegelt sich eine nachlassende Wachstumsdynamik in Subsahara-Afrika. Im Oktober schätzte der IWF das Wirtschaftswachstum in Subsahara-Afrika für 2023 auf 3,3 Prozent und setzte seine Prognose somit um 0,2 Prozentpunkte gegenüber der Juli-Prognose herunter. Für 2024 rechnet der IWF nun mit 4,0 Prozent. Damit liegen die Zahlen zwar über dem Weltdurchschnitt von 3,0 Prozent für 2023 und 2,9 Prozent für 2024. Doch Afrika bleibt klar hinter der Region Emerging and Developing Asia zurück. Dort rechnet der IWF mit einem Plus von 5,2 Prozent für 2023 und von 4,8 Prozent für 2024.
Vor allem ausländische Investoren ziehen sich aus Afrika zurück. So erklären sich die Kursverluste an den Börsen von Lagos, Johannesburg und Nairobi zum Großteil mit dem Abzug internationalen Anlagegelds. Auch bei Venture Capital, das stark die aufstrebende Startup-Szene in den Metropolen Afrikas finanziert, blieb die erwartete Erholung nach der Bekämpfung der Corona-Pandemie 2023 aus. Der Gesamtwert privater Transaktionen, an denen Venture Capital in Afrika rund 80 Prozent ausmacht, fiel auf den niedrigsten Stand seit 2015. In den ersten drei Quartalen 2023 wurden laut der African Venture Capital Association 3,3 Milliarden Dollar erreicht, nach 7,6 Milliarden Dollar in den ersten neun Monaten 2022 und 7,4 Milliarden Dollar in den ersten neun Monaten 2021.
Zu den Schwierigkeiten kommt die niedrige Arbeitsproduktivität in fast allen afrikanischen Ländern hinzu. Diese behindert die Wettbewerbsfähigkeit des Produktionsstandorts Afrika gegenüber dem Rest der Welt. Einer muss es besonders gut wissen: Thomas Schäfer ist seit Mitte 2022 Mitglied im Konzernvorstand von VW und CEO der Marke Volkswagen. Er war von 2015 bis 2020 Chairman und Managing Director der Volkswagen Group South Africa. In Kariega, das bis 2021 Uitenhage hieß, betreibt VW ein Montagewerk mit mehreren tausend Beschäftigten.
Bei einem Besuch in Südafrika vor wenigen Wochen benannte Schäfer die Engpässe sehr genau: ständige Produktionsunterbrechungen mangels Strom, eine unzuverlässige Eisenbahn, veraltete und verstopfte Häfen. Hinzu kommen gestiegene Lohnkosten. “Warum bauen wir Autos in einer weniger wettbewerbsfähigen Fabrik, weit weg vom realen Markt, wo sie gekauft werden?”, fragte Schäfer und fügte hinzu: “Ich mache mir darüber große Sorgen … Wir sind nicht im Wohltätigkeitsgeschäft aktiv.”
Immerhin scheint die Region noch etwas als Absatzmarkt für Pkw zu bieten zu haben. Bei Mercedes soll bis 2027 jedes zweite verkaufte Fahrzeug in Südafrika einen Elektroantrieb haben. Dennoch bleibt die Gefahr, dass die Gleichung “Industriearbeitsplätze schaffen die Nachfrage für deutsche Qualitätsprodukte” in Südafrika auf mittlere Sicht nicht funktioniert.
Eine gute Nachricht kommt immerhin aus der Landwirtschaft: Seit dem Jahr 2000 hat dieser Sektor einen tiefgreifenden Wandel durchgemacht. Die Erweiterung der Anbauflächen auf dem Kontinent machen 52 Prozent des globalen Wachstums an Anbauflächen aus. Subsahara-Afrika verzeichnet mit 4,3 Prozent auch die höchste Wachstumsrate der landwirtschaftlichen Produktion aller Regionen der Welt. Damit trägt der afrikanische Agrarsektor stärker als in der Vergangenheit zur Ernährung der afrikanischen Bevölkerung bei.
Auch der Konsummarkt wächst weiter. Der Biermarkt ist einer der am schnellsten wachsenden Konsummärkte des Kontinents. Das liegt vor allem an der zunehmenden Mittelschicht, die bei moderatem Konsum gerne zu höherpreisigen Marken greift. 2023 könnte der Umsatz auf 29,4 Milliarden Dollar gestiegen sein mit einer geschätzten Wachstumsrate von 6,2 Prozent jährlich bis 2027.
Doch der französische Wein- und Bierkonzern Castel erlebte in diesem Jahr einen Rückschlag in Äthiopien. Das Familienunternehmen musste seine Tochtergesellschaft BGI Ethiopia umstrukturieren. Das kostete Castel die Marktführerschaft, die es an den niederländischen Rivalen Heineken abgeben musste. Am Wettrennen um die Marktführerschaft auf dem Kontinent nehmen auch Anheuser Busch Inbev aus Belgien und SAB Miller aus den USA teil.
Die deutschen Brauereien beobachten diesen boomenden Markt bisher aus der Ferne. Die Dortmunder Actien-Brauerei beispielsweise, heute Teil der Radeberger-Gruppe, zog sich Ende der 1990er Jahre aus einer Lizenzproduktion in Bandundu in der DR Kongo zurück. Doch von der steigenden Nachfrage nach Marken im Nahrungsmittelbereich erhofft sich der deutsche Maschinenbau Absatzchancen, wie VDMA-Präsident Karl Haeusgen jüngst sagte.
Es war das zweite Mal nach 2019, dass das Konzert des nigerianischen Afrobeat-Superstars Davido in der O2-Arena in London ausverkauft war. Im März 2022 musste der Musiker jedoch tief in die Tasche greifen, weil er seine Show vor einem begeisterten Publikum um 34 Minuten überzog – und somit gegen strenge Auflagen verstieß. Die Strafe von 340.000 britischen Pfund war ihm gleichgültig. Ende Januar 2024 will Davido wieder im O2 auftreten. Zweifellos zählt Davido zu jenen Künstlern, die im Jahr 2023 Afrika geprägt haben.
Nach mehr als zehn Jahren im internationalen Musikgeschäft ist Davido oben angekommen. Seine steile Karriere und Investitionen haben ihm ein Vermögen von rund 50 Millionen US-Dollar beschert. Nach vier erfolgreichen Alben folgen Davido mehr als 28 Millionen Menschen auf Instagram, auf X (ehemals Twitter) sind es 14,5 Millionen. Mehr als 8,5 Millionen Fans hören seine Lieder auf Spotify jeden Monat. Der 31 Jahre alte Sänger, dessen bürgerlicher Name David Adeleke ist, ist damit einer der Top-Musiker Afrikas und hat global eine wachsende Anhängerschaft.
Geboren wurde Davido als jüngster von fünf Geschwistern in Atlanta im US-Bundesstaat Georgia, wuchs aber in Nigeria auf. Mit elf Jahren traf ihn der erste Schicksalsschlag, als seine Mutter, eine Hochschullehrerin, starb. Sein Vater Adedeji Adeleke, ein erfolgreicher Tycoon, unterstütze ihn, wo er konnte. Auch seine Leidenschaft für die Musik förderte der Vater. Die entdeckte er während des Studiums an der Oakwood University in Alabama. Dort gründete er die Band KB International. Er schmiss das Studium und ging für drei Jahre nach London, um sich auf Musik zu konzentrieren.
Anschließend kehrte er nach Nigeria zurück, wo ihm 2012 mit dem Song Dami Duro der Durchbruch gelang. Es war die zweite Single seines ersten Albums Omo Baba Olowo. Den Universitätsabschluss holte er auf Rat seines Vaters 2015 an der Barbock University in Nigeria nach. Der Musiker war der erste und einzige Absolvent des neuen Musik-Studiengangs, den sein Vater finanziert hatte. 2016 bot das Label Sony Music Davido einen Vertrag an: Er unterschrieb.
Weitere Alben folgten: A Good Time (2019) und A Better Time (2020). Bereits 2014 im Alter von 21 Jahren gewann er den MTV Africa Music Award und den BET Award, der afroamerikanische Künstler würdigt. Er hat mit Stars wie Chris Brown, King of R&B, und Nicki Minaj, Queen of Rap, zusammengearbeitet. Auch setzte er sich für Menschenrechte in Afrika ein. 2019 zählte das New Africa Magazin ihn zu den 100 einflussreichsten Afrikanern.
Zwei Jahre später schaffte es Davido auf die Time 100-Liste, auf der das amerikanische Nachrichtenmagazin jährlich die 100 einflussreichsten Persönlichkeiten auflistet, wie der chinesische Präsident Xi Jinping, aber auch Ex-Kanzlerin Angela Merkel. Seine Single Hayya Hayya (Better Together), die er zusammen mit Trinidad Cardona und AISHA aufnahm, wurde zum Hit der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar und während der Abschlussfeier live gesunden. Davido war der erste Nigerianer, der bei einer FIFA-Weltmeisterschaft auftrat.
Im Oktober 2022 schlug das Schicksal erneut zu. Davidos Sohn Ifeanyi Adeleke ertrank im Alter von drei Jahren in einem Pool in Lagos. Der tragische Tod löste in Nigeria eine Debatte über die Sicherheit von Pools aus. Ein Jahr später wurde Davido und seine Frau Chioma Rowland, eine bekannte Köchin und Influencerin, Eltern von Zwillingen, einem Jungen und einem Mädchen.
Im November 2023 wurde Davidos viertes Album Timeless, erschienen im März 2023, und zwei der Lieder für die Grammy Awards 2024 nominiert. Auf dem Album, das Afrobeat-, R&B- und Popelemente kombiniert, arbeitet Davido unter anderem mit der beninisch-französischen Sängerin Angélique Kidjo zusammen. Das Magazin Rolling Stone nannte es “eines der besten Alben 2023”, das Fans in der ganzen Welt in den Bann zieht.
“Ich habe seit fast drei Jahren kein Album mehr herausgebracht. Und ich habe das Gefühl, dass die Welt diese Davido-Energie braucht. Ich möchte, dass Ihr beim Anhören des Albums einen Hauch frischer Luft spürt”, sagte der junge Star. Davido hatte nach dem Verlust seines Sohnes eine Auszeit genommen. Andreas Sieren