in Johannesburg hat heute der lang erwartete 15. Brics-Gipfel begonnen. Die Präsidenten Chinas, Brasiliens, Indiens und Südafrikas beraten gemeinsam mit dem nur per Video zugeschalteten russischen Präsidenten über die Zukunft des Wirtschaftsblocks, der sich vor allem als Vertreter der Interessen des globalen Südens sieht.
Ganz oben auf der Agenda steht die mögliche Erweiterung der Gruppe um neue Mitglieder. Schwergewichte wie Indonesien, Saudi-Arabien und Argentinien sind im Gespräch, doch die fünf Brics-Länder sind sich uneins darüber, wer unter welchen Bedingungen beitreten sollte.
Darüber hinaus wollen die Länder beraten, wie sie ihre unangenehme Abhängigkeit von der globalen Leitwährung Dollar verringern können. Überhaupt ist es ein wichtiges Anliegen der Brics, Alternativen zur westlich geprägten globalen Ordnung zu schaffen.
In diesem Table.Special geben wir einen Überblick über die wichtigsten Daten und Fakten zur Brics-Gruppe, über die großen Themen des Gipfels sowie darüber, welche Ergebnisse zu erwarten sind, und was wohl eher aufgeschoben werden wird. Außerdem haben wir für Sie eine Übersicht relevanter internationaler Pressestimmen zu diesem historischen Gipfeltreffen zusammengestellt.
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Am Dienstag hat das 15. Gipfeltreffen der Brics-Staaten im Sandton Convention Centre in Johannesburg begonnen. Es könnte eine neue Ära einläuten und die Brics-Bewegung zu einem weltpolitischen Faktor werden lassen, den die Weltpolitik nicht mehr ignorieren kann. Neben Regierungsvertretern der fünf Mitgliedsstaaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika werden zahlreiche weitere Staaten vertreten sein. Die Brics-Staaten werden voraussichtlich mächtig wachsen: Die Aufnahme von Argentinien, Ägypten, Indonesien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien gilt laut Reuters als gesichert. Mehr als 40 Länder haben an einer Mitgliedschaft Interesse gezeigt, darunter Iran, Äthiopien, Kuba, die DR Kongo und Kasachstan. 22 Staaten haben schon einen formalen Antrag gestellt. Wir beantworten hier die wichtigsten Fragen.
Mit welchem Ziel wurde Brics gegründet?
Ursprünglich hatte der damalige Ökonom der US-Investmentbank Goldman Sachs, Jim O’Neill, vor mehr als 20 Jahren dieses Konzept entwickelt. Die Brics-Staaten hatten weder politisch, wirtschaftlich, kulturell noch historisch Gemeinsamkeiten. Doch sollte sie ein rasches Wirtschaftswachstum einen. Das war tatsächlich der Fall. Heute stehen die fünf Staaten nach südafrikanischen Regierungsangaben für 42 Prozent der Weltbevölkerung und 23 Prozent des Weltwirtschaftsleistung. Damit kommen die Brics-Staaten den entwickelten Ländern wirtschaftlich näher. Die G7-Gruppe der alten Industriestaaten USA, Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien, Kanada und Japan vereinen auf sich 44 Prozent der Weltwirtschaftsleistung und zehn Prozent der Weltbevölkerung.
Was hat die Diskussion um eine Brics-Erweiterung in Gang gebracht?
Die Brics-Länder Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika streben ein Ende der bestehenden Weltordnung und der Dominanz des Westens an mit dem Ziel, ein Gegengewicht in der Weltpolitik zu werden. Aus ihren Erfahrungen heraus halten sie die politischen Beziehungen zu den mächtigen USA für unberechenbar, besonders durch die außenpolitische Doktrin, nach der “demokratische Ideale” und eine neoliberale Wirtschaftspolitik notfalls auch mit Gewalt durchgesetzt werden.
Welche Interessen verfolgt China?
Mit Brics versucht Peking, neue Strukturen in der internationalen Politik aufzubauen. Herzstück der Machtambitionen ist die im vergangenen Jahr vorgestellte “Globale Sicherheitsstrategie”. Nach diesem Konzept definiert sich Peking als Friedensmacht, die Stabilität und Entwicklung garantiert, im Gegensatz zu den USA und seinen Verbündeten, die Kriege und Krise provozieren. Aus der transatlantischen Einigkeit leitet China Rückschlüsse für einen möglichen Konflikt mit Taiwan ab: Während Peking glaubt, sich auf westliche, demokratische Staaten nicht verlassen zu können, sieht es im Globalen Süden eine Chance, eine Isolation im Konfliktfall abzuwenden.
Und was sind die Interessen Russlands?
Für nichts weniger als an einer “Demokratisierung des internationalen Lebens” wolle Russland weiterarbeiten, schrieb der russische Außenminister Sergej Lawrow zum Auftakt des Gipfels in einem Gastbeitrag für das südafrikanische Magazin Ubuntu. Russland arbeite für “eine Architektur internationaler Beziehungen, die sich auf unteilbare Sicherheit sowie zivilisatorischer Vielfalt stützt, und die allen Mitgliedern der Weltgemeinschaft, ohne Unterschied, gleiche Entwicklungen ermöglicht”. Lawrow spricht von “tektonischen Verschiebungen” auf der Welt, vom Bedeutungsverlust des Dollars, wirft dem Westen kollektiv Rassismus vor und sieht eine “gerechtere, multipolare Weltordnung entstehen – dank Brics und der erwarteten Erweiterung der Organisation.
Der Gipfel selbst ist für Russland zugleich eine kleine Schmach, denn der russische Präsident Wladimir Putin wird nur via Video dabei sein. Südafrika hätte ihn sonst bei einem Besuch verhaften und an den Internationalen Strafgerichtshof ausliefern müssen. Dieses Risiko ging Putin nicht ein. Darüber schrieb Lawrow ebenso wenig wie über die von Russland überfallene Ukraine. Doch der Tenor Lawrows wurde von wichtigen russischen Medien aufgegriffen, zitierte Experten in russischen Zeitungen loben die Entwicklung der multipolaren Welt.
Welche Position nimmt Afrika bei diesem Versuch einer Neuordnung ein?
Für viele afrikanische Länder bietet die globale Frontstellung zwischen China, Russland und den USA eine Chance. Sie werden umworben wie lange nicht, von den USA und Europa ebenso wie von China und Russland. Südafrika will dieses Momentum beim Gipfel in Johannesburg nutzen. Dabei geht es dem Land vor allem um Wachstum, nachhaltige Entwicklung und inklusiven Multilateralismus.
Was macht Brics für neue Mitglieder attraktiv?
Besonders die Schwellenländer versprechen sich von den Brics ein Gegengewicht zu den multilateralen Institutionen, wie sie nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden sind: Vereinte Nationen, IWF und Weltbank vor allem. In diesen haben sich die alten Mächte von damals den größten Einfluss gesichert, sodass sich die schnell wachsenden Länder in Asien, Lateinamerika, dem Nahen Osten und Afrika in diesen Institutionen zu wenig berücksichtigt fühlen.
In den vergangenen Jahren sind in Asien, Afrika, dem Nahen Osten und Lateinamerika neue Institutionen wie die Asian Infrastructure Investment Bank entstanden oder bestehende wie die African Development Bank gestärkt worden. Doch Brics hat sich als die bisher mächtigste Idee erwiesen, die bestehende Weltordnung infrage zu stellen. Diese Entwicklung behandelt Christian v. Hiller in seinem Ende 2022 erschienenen Buch “Die Neuordnung der Welt. Der Aufstieg der Schwellenländer und die Arroganz des Westens”.
Warum streben die Brics-Staaten eine eigene Währung an?
Die Dollar-Vorherrschaft räumt den USA große Privilegien in der Weltwirtschaft ein. Sie kann Länder wie beispielsweise den Iran oder Russland vom Zugang zu US-Dollar ausschließen. Auch müssen Zentralbanken und Regierungen fast zwangsläufig zumindest einen Teil ihrer Devisenreserven in Dollar anlegen. Dazu kaufen sie in der Regel US-Staatsanleihen, die liquideste Vermögensklasse der Welt, und finanzieren so den amerikanischen Staatshaushalt mit. Das wollen viele Brics-Staaten nicht mehr tun.
Allerdings dürfte die Etablierung einer neuen Weltleitwährung das ambitionierteste Projekt der aufstrebenden Länder sein. Die neue Währung müsste genauso liquide und genauso universell akzeptiert sein wie der Dollar. Auch muss der Emittent einer neuen Weltleitwährung Netto-Schuldner auf den internationalen Finanzmärkten sein, damit genügend Devisen in die Welt kommen. Eine Weltwährung zu besitzen, bringt auch Nachteile. So droht unter bestimmten Voraussetzungen der unkontrollierte Import von Inflation.
Denkbar ist jedoch, dass es den Brics gelingt, den Dollar punktuell zurückzudrängen, zum Beispiel im Handel von Rohstoffen wie Erdöl oder Gold. Welche Währung – eine bestehende wie der chinesische Yuan oder eine neue Kunstwährung – davon profitiert, ist offen.
Welche Rolle spielt die New Development Bank?
Die New Development Bank (NDB) dient den Brics-Staaten als multilaterale Entwicklungsbank, die eine Alternative zu den Institutionen Weltbank und Internationaler Währungsfonds bieten soll. Die Idee für die Bank geht auf einen Vorschlag aus dem Jahr 2012 zurück, als die Brics-Länder erstmals die gemeinsame Verwaltung von Rücklagen in Erwägung zogen. Im Jahr 2014 gründeten die Brics die NDB und die Schwesterinstitution Contingent Reserve Arrangement (CAR). Aktuelle NDB-Chefin ist die ehemalige Staatspräsidentin Brasiliens Dilma Roussef. Die NDB finanziert vorrangig Entwicklungsprojekte und Infrastruktur innerhalb der fünf Brics-Staaten und soll damit eine Alternative zu westlich geprägten Entwicklungsbanken wie der Weltbank bilden. Die CAR dagegen ist vor allem als Schutz vor internationalen Liquiditätsengpässen gedacht und soll die nationalen Währungen der Brics-Länder gegen globalen finanziellen Druck schützen. Die mit 100 Milliarden Dollar ausgestattete CAR hat die Aufgabe, bei tatsächlichen oder potenziellen kurzfristigen Zahlungsbilanzbelastungen Unterstützung bereitzustellen. Damit ist die CAR vor allem eine Alternative zum IWF.
Wird diese Bank die internationale Entwicklungshilfe verändern?
Die New Development Bank könnte die Rolle der Brics-Gruppe in der Entwicklungspolitik stärken und damit neue Akzente in der internationalen Entwicklungshilfe setzen. Die Brics-Staaten sehen sich in der Tradition der Bandung-Konferenz, die 1955 in Indonesien stattfand und aus der die Bewegung der Blockfreien Staaten hervorgegangen ist. Die teilnehmenden Länder einte damals eine anti-kolonialistische und anti-imperialistische Haltung. Dazu zählt das Prinzip der Nicht-Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Staates. Damit lehnen auch die Brics-Staaten heute eine Entwicklungspolitik ab, wie sie der Westen betreibt, bei der er finanzielle Unterstützung als Hebel nutzt, um politische Ziele und Werte in den Empfängerländern durchzusetzen.
vf/hlr/hp/ajs
Wer die Weltleitwährung besitzt, hat gewaltige Vorteile. Die USA können sich beispielsweise unbegrenzt verschulden, weil unbegrenzt Nachfrage nach Dollar besteht. Damit können sie auch ein beliebig hohes Handelsdefizit aushalten.
Der Traum des globalen Südens, den Dollar als Leitwährung abzulösen, hat aber auch politisch-psychologische Gründe. Die ständige Verwendung des Dollar für Geschäfte auch fernab der USA erinnern ständig daran, wer immer noch die dominierende Volkswirtschaft auf dem Planeten ist.
Für die Ablösung des US-Dollar stehen nun zwei Möglichkeiten im Raum. China trägt seinen Handelspartnern recht offensiv die Nutzung seiner Währung an und schlägt den Übergang zum Yuan auch im Brics-Rahmen vor. Andere Brics-Länder bevorzugen dagegen die Idee einer ganz neuen Währung, weil sie nicht den Fokus auf die USA durch einen Fokus auf China ersetzen wollen. Ihr Ziel ist vielmehr echte Vielfalt.
Doch diese Diskussion betrifft eine ferne Zukunft. Tatsächlich macht der Dollar im internationalen Zahlungssystem Swift derzeit etwas mehr als 40 Prozent aller Transaktionen aus, danach folgt der Euro mit einem Wert zwischen 30 und 40 Prozent. Das britische Pfund und der japanische Yen stellen einstellige Prozentzahlen; und rund zwei Prozent des Transaktionsvolumens entfallen auf den Yuan.
Die genauen Werte schwanken monatlich. Wenn beispielsweise Deutschland von Katar eine Lieferung Flüssiggas bezieht und es bezahlt, dann erfolgt diese Transaktion in Dollar. Das gilt für praktisch alle Kreuz- und Querbeziehungen im Welthandel, auch ohne amerikanische Beteiligung.
Daran hat sich auch nichts geändert, seit China den Yuan als Alternative ins Spiel gebracht hat. Seit ungefähr 2010 existieren dafür eigene Programme, und es läuft eine Diskussion über die Fortschritte der Handelbarkeit. Große Hoffnungen knüpft Peking an Yuan-Handelsplätze im Ausland, beispielsweise in Frankfurt.
Zwar ist der Yuan inzwischen zur wichtigsten Währung des direkten Handels mit China geworden, was ein Erfolg für die chinesische Devisenpolitik ist. Doch in diesem Fall nutzen die Handelspartner beispielsweise Yuan, die sie beim Verkauf von Rohstoffen eingenommen haben, um im Gegenzug Industrieprodukte aus China zu beziehen. Anders als der Dollar spielt der Yuan keinerlei Rolle, wenn seine Heimat nicht beteiligt ist.
Währungen spielen jedoch nicht nur im Handel eine Rolle, sondern auch als Devisenreserven. Dieses Phänomen gibt es erst seit dem Ende der Goldstandards. Vorher deckten sich die Zentralbanken mit Gold ein, um den eigenen Wechselkurs in Krisen stabilisieren zu können.
Heute ist Geld ein reines Computerspiel – und die Rolle des Goldes hat weitgehend der Dollar übernommen, weil er überall auf der Welt akzeptiert wird. Nach Zahlen des Internationalen Währungsfondsvon 2022 dominiert der Dollar die weltweiten Devisenreserven mit einem Anteil von knapp 60 Prozent, gefolgt vom Euro mit knapp 20 Prozent. Der Renminbi lag bei 2,9 Prozent.
Die weltweit hohen Dollar-Reserven haben ihre Ursache aber auch in dem gigantischen US-Handelsdefizit. Das Defizit bedeutet zwangsläufig, dass die USA mehr Waren erhalten als ihre Geschäftspartner im Ausland – und diese dafür auf ihren Dollar sitzenbleiben. So ergeht es auch China und seinen Unternehmen.
Und wer Dollar hält, muss sie in Dollar-Geldanlagen investieren. Das sind in erster Linie US-Staatsanleihen. Wenn China einen Handelsüberschuss mit den USA erzielt, dann liefert es nicht nur quasi kostenlose Produkte nach Amerika, sondern finanziert auch den US-Haushalt. Im Mai hielt China nach Angaben des Datenanbieters CEIC Data knapp 847.000 Milliarden Dollar allein an US-Staatsanleihen. Das ist zwar deutlich weniger als die 1.300 Milliarden im November 2013, aber immer noch eine ganze Menge.
Kein Wunder, dass auch China gerne von dieser toxischen Beziehung loskommen möchte. Das erweist sich aber als schwer. Chinas Exporteure schaffen im Amerikahandel wertvolle Arbeitsplätze. Es läuft daher zwar eine Umschichtung der Reserven weg vom Dollar. Diese ändert aber nichts an seiner Dominanz.
Eine gemeinsame Brics-Währung hätte jedoch gute Erfolgsaussichten, dem Dollar zumindest im globalen Süden als Devise für Handelsabwicklung und zur Bildung von Reserven Konkurrenz zu machen. Wenn die Brics-Staaten alle an einem Strang ziehen und ein solches Projekt fest entschlossen einführen, können Dollarraum und Eurozone nur wenig gegen ihren Bedeutungsverlust unternehmen.
Der Plan weckt Erinnerungen an den ECU. Die europäische Währungseinheit war ein Vorläufer des Euro, als die Mitgliedsstaaten noch ihre eigenen Devisen wie D-Mark und Francs hatten. Ein anderer Vergleich, der sich anbietet, sind die Sonderziehungsrechte des Internationalen Währungsfonds, die sich ebenfalls in Teilbereichen wie Geld verwenden lassen, ohne die nationalen Währungen zu verdrängen.
Es stellt sich jedoch die Frage, wie weit die Brics-Staaten ihre jeweils eigenen Interessen zurückstellen, um einem gemeinsamen Projekt den Weg freizumachen. Es eint sie zwar der Zorn auf den alten Westen, aber das reicht nicht als wirtschaftspolitisches Programm. Wird Russland, wird Indien, wird China, wird Brasilien wirklich seine finanzpolitische Freiheit zugunsten anderer einschränken?
Wie viel Koordination ein gemeinsames Währungsprojekt erfordert, zeigt schon der Euro. Er umspannt einen vergleichsweise homogenen Wirtschaftsraum und ist doch immer wieder von Problemen geplagt. Die Existenz des Euro ist das Produkt einer historischen Konstellation, in der alle Beteiligten zu großen Zugeständnissen bereit waren und finanzielle Souveränität abgegeben haben.
in Johannesburg hat heute der lang erwartete 15. Brics-Gipfel begonnen. Die Präsidenten Chinas, Brasiliens, Indiens und Südafrikas beraten gemeinsam mit dem nur per Video zugeschalteten russischen Präsidenten über die Zukunft des Wirtschaftsblocks, der sich vor allem als Vertreter der Interessen des globalen Südens sieht.
Ganz oben auf der Agenda steht die mögliche Erweiterung der Gruppe um neue Mitglieder. Schwergewichte wie Indonesien, Saudi-Arabien und Argentinien sind im Gespräch, doch die fünf Brics-Länder sind sich uneins darüber, wer unter welchen Bedingungen beitreten sollte.
Darüber hinaus wollen die Länder beraten, wie sie ihre unangenehme Abhängigkeit von der globalen Leitwährung Dollar verringern können. Überhaupt ist es ein wichtiges Anliegen der Brics, Alternativen zur westlich geprägten globalen Ordnung zu schaffen.
In diesem Table.Special geben wir einen Überblick über die wichtigsten Daten und Fakten zur Brics-Gruppe, über die großen Themen des Gipfels sowie darüber, welche Ergebnisse zu erwarten sind, und was wohl eher aufgeschoben werden wird. Außerdem haben wir für Sie eine Übersicht relevanter internationaler Pressestimmen zu diesem historischen Gipfeltreffen zusammengestellt.
Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre!
Wenn Ihnen der Africa.Table gefällt, leiten Sie uns bitte weiter. Und falls Ihnen diese Mail selbst weitergeleitet wurde: Hier können Sie sich für den Africa.Table und weitere Themen anmelden.
Am Dienstag hat das 15. Gipfeltreffen der Brics-Staaten im Sandton Convention Centre in Johannesburg begonnen. Es könnte eine neue Ära einläuten und die Brics-Bewegung zu einem weltpolitischen Faktor werden lassen, den die Weltpolitik nicht mehr ignorieren kann. Neben Regierungsvertretern der fünf Mitgliedsstaaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika werden zahlreiche weitere Staaten vertreten sein. Die Brics-Staaten werden voraussichtlich mächtig wachsen: Die Aufnahme von Argentinien, Ägypten, Indonesien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien gilt laut Reuters als gesichert. Mehr als 40 Länder haben an einer Mitgliedschaft Interesse gezeigt, darunter Iran, Äthiopien, Kuba, die DR Kongo und Kasachstan. 22 Staaten haben schon einen formalen Antrag gestellt. Wir beantworten hier die wichtigsten Fragen.
Mit welchem Ziel wurde Brics gegründet?
Ursprünglich hatte der damalige Ökonom der US-Investmentbank Goldman Sachs, Jim O’Neill, vor mehr als 20 Jahren dieses Konzept entwickelt. Die Brics-Staaten hatten weder politisch, wirtschaftlich, kulturell noch historisch Gemeinsamkeiten. Doch sollte sie ein rasches Wirtschaftswachstum einen. Das war tatsächlich der Fall. Heute stehen die fünf Staaten nach südafrikanischen Regierungsangaben für 42 Prozent der Weltbevölkerung und 23 Prozent des Weltwirtschaftsleistung. Damit kommen die Brics-Staaten den entwickelten Ländern wirtschaftlich näher. Die G7-Gruppe der alten Industriestaaten USA, Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien, Kanada und Japan vereinen auf sich 44 Prozent der Weltwirtschaftsleistung und zehn Prozent der Weltbevölkerung.
Was hat die Diskussion um eine Brics-Erweiterung in Gang gebracht?
Die Brics-Länder Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika streben ein Ende der bestehenden Weltordnung und der Dominanz des Westens an mit dem Ziel, ein Gegengewicht in der Weltpolitik zu werden. Aus ihren Erfahrungen heraus halten sie die politischen Beziehungen zu den mächtigen USA für unberechenbar, besonders durch die außenpolitische Doktrin, nach der “demokratische Ideale” und eine neoliberale Wirtschaftspolitik notfalls auch mit Gewalt durchgesetzt werden.
Welche Interessen verfolgt China?
Mit Brics versucht Peking, neue Strukturen in der internationalen Politik aufzubauen. Herzstück der Machtambitionen ist die im vergangenen Jahr vorgestellte “Globale Sicherheitsstrategie”. Nach diesem Konzept definiert sich Peking als Friedensmacht, die Stabilität und Entwicklung garantiert, im Gegensatz zu den USA und seinen Verbündeten, die Kriege und Krise provozieren. Aus der transatlantischen Einigkeit leitet China Rückschlüsse für einen möglichen Konflikt mit Taiwan ab: Während Peking glaubt, sich auf westliche, demokratische Staaten nicht verlassen zu können, sieht es im Globalen Süden eine Chance, eine Isolation im Konfliktfall abzuwenden.
Und was sind die Interessen Russlands?
Für nichts weniger als an einer “Demokratisierung des internationalen Lebens” wolle Russland weiterarbeiten, schrieb der russische Außenminister Sergej Lawrow zum Auftakt des Gipfels in einem Gastbeitrag für das südafrikanische Magazin Ubuntu. Russland arbeite für “eine Architektur internationaler Beziehungen, die sich auf unteilbare Sicherheit sowie zivilisatorischer Vielfalt stützt, und die allen Mitgliedern der Weltgemeinschaft, ohne Unterschied, gleiche Entwicklungen ermöglicht”. Lawrow spricht von “tektonischen Verschiebungen” auf der Welt, vom Bedeutungsverlust des Dollars, wirft dem Westen kollektiv Rassismus vor und sieht eine “gerechtere, multipolare Weltordnung entstehen – dank Brics und der erwarteten Erweiterung der Organisation.
Der Gipfel selbst ist für Russland zugleich eine kleine Schmach, denn der russische Präsident Wladimir Putin wird nur via Video dabei sein. Südafrika hätte ihn sonst bei einem Besuch verhaften und an den Internationalen Strafgerichtshof ausliefern müssen. Dieses Risiko ging Putin nicht ein. Darüber schrieb Lawrow ebenso wenig wie über die von Russland überfallene Ukraine. Doch der Tenor Lawrows wurde von wichtigen russischen Medien aufgegriffen, zitierte Experten in russischen Zeitungen loben die Entwicklung der multipolaren Welt.
Welche Position nimmt Afrika bei diesem Versuch einer Neuordnung ein?
Für viele afrikanische Länder bietet die globale Frontstellung zwischen China, Russland und den USA eine Chance. Sie werden umworben wie lange nicht, von den USA und Europa ebenso wie von China und Russland. Südafrika will dieses Momentum beim Gipfel in Johannesburg nutzen. Dabei geht es dem Land vor allem um Wachstum, nachhaltige Entwicklung und inklusiven Multilateralismus.
Was macht Brics für neue Mitglieder attraktiv?
Besonders die Schwellenländer versprechen sich von den Brics ein Gegengewicht zu den multilateralen Institutionen, wie sie nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden sind: Vereinte Nationen, IWF und Weltbank vor allem. In diesen haben sich die alten Mächte von damals den größten Einfluss gesichert, sodass sich die schnell wachsenden Länder in Asien, Lateinamerika, dem Nahen Osten und Afrika in diesen Institutionen zu wenig berücksichtigt fühlen.
In den vergangenen Jahren sind in Asien, Afrika, dem Nahen Osten und Lateinamerika neue Institutionen wie die Asian Infrastructure Investment Bank entstanden oder bestehende wie die African Development Bank gestärkt worden. Doch Brics hat sich als die bisher mächtigste Idee erwiesen, die bestehende Weltordnung infrage zu stellen. Diese Entwicklung behandelt Christian v. Hiller in seinem Ende 2022 erschienenen Buch “Die Neuordnung der Welt. Der Aufstieg der Schwellenländer und die Arroganz des Westens”.
Warum streben die Brics-Staaten eine eigene Währung an?
Die Dollar-Vorherrschaft räumt den USA große Privilegien in der Weltwirtschaft ein. Sie kann Länder wie beispielsweise den Iran oder Russland vom Zugang zu US-Dollar ausschließen. Auch müssen Zentralbanken und Regierungen fast zwangsläufig zumindest einen Teil ihrer Devisenreserven in Dollar anlegen. Dazu kaufen sie in der Regel US-Staatsanleihen, die liquideste Vermögensklasse der Welt, und finanzieren so den amerikanischen Staatshaushalt mit. Das wollen viele Brics-Staaten nicht mehr tun.
Allerdings dürfte die Etablierung einer neuen Weltleitwährung das ambitionierteste Projekt der aufstrebenden Länder sein. Die neue Währung müsste genauso liquide und genauso universell akzeptiert sein wie der Dollar. Auch muss der Emittent einer neuen Weltleitwährung Netto-Schuldner auf den internationalen Finanzmärkten sein, damit genügend Devisen in die Welt kommen. Eine Weltwährung zu besitzen, bringt auch Nachteile. So droht unter bestimmten Voraussetzungen der unkontrollierte Import von Inflation.
Denkbar ist jedoch, dass es den Brics gelingt, den Dollar punktuell zurückzudrängen, zum Beispiel im Handel von Rohstoffen wie Erdöl oder Gold. Welche Währung – eine bestehende wie der chinesische Yuan oder eine neue Kunstwährung – davon profitiert, ist offen.
Welche Rolle spielt die New Development Bank?
Die New Development Bank (NDB) dient den Brics-Staaten als multilaterale Entwicklungsbank, die eine Alternative zu den Institutionen Weltbank und Internationaler Währungsfonds bieten soll. Die Idee für die Bank geht auf einen Vorschlag aus dem Jahr 2012 zurück, als die Brics-Länder erstmals die gemeinsame Verwaltung von Rücklagen in Erwägung zogen. Im Jahr 2014 gründeten die Brics die NDB und die Schwesterinstitution Contingent Reserve Arrangement (CAR). Aktuelle NDB-Chefin ist die ehemalige Staatspräsidentin Brasiliens Dilma Roussef. Die NDB finanziert vorrangig Entwicklungsprojekte und Infrastruktur innerhalb der fünf Brics-Staaten und soll damit eine Alternative zu westlich geprägten Entwicklungsbanken wie der Weltbank bilden. Die CAR dagegen ist vor allem als Schutz vor internationalen Liquiditätsengpässen gedacht und soll die nationalen Währungen der Brics-Länder gegen globalen finanziellen Druck schützen. Die mit 100 Milliarden Dollar ausgestattete CAR hat die Aufgabe, bei tatsächlichen oder potenziellen kurzfristigen Zahlungsbilanzbelastungen Unterstützung bereitzustellen. Damit ist die CAR vor allem eine Alternative zum IWF.
Wird diese Bank die internationale Entwicklungshilfe verändern?
Die New Development Bank könnte die Rolle der Brics-Gruppe in der Entwicklungspolitik stärken und damit neue Akzente in der internationalen Entwicklungshilfe setzen. Die Brics-Staaten sehen sich in der Tradition der Bandung-Konferenz, die 1955 in Indonesien stattfand und aus der die Bewegung der Blockfreien Staaten hervorgegangen ist. Die teilnehmenden Länder einte damals eine anti-kolonialistische und anti-imperialistische Haltung. Dazu zählt das Prinzip der Nicht-Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Staates. Damit lehnen auch die Brics-Staaten heute eine Entwicklungspolitik ab, wie sie der Westen betreibt, bei der er finanzielle Unterstützung als Hebel nutzt, um politische Ziele und Werte in den Empfängerländern durchzusetzen.
vf/hlr/hp/ajs
Wer die Weltleitwährung besitzt, hat gewaltige Vorteile. Die USA können sich beispielsweise unbegrenzt verschulden, weil unbegrenzt Nachfrage nach Dollar besteht. Damit können sie auch ein beliebig hohes Handelsdefizit aushalten.
Der Traum des globalen Südens, den Dollar als Leitwährung abzulösen, hat aber auch politisch-psychologische Gründe. Die ständige Verwendung des Dollar für Geschäfte auch fernab der USA erinnern ständig daran, wer immer noch die dominierende Volkswirtschaft auf dem Planeten ist.
Für die Ablösung des US-Dollar stehen nun zwei Möglichkeiten im Raum. China trägt seinen Handelspartnern recht offensiv die Nutzung seiner Währung an und schlägt den Übergang zum Yuan auch im Brics-Rahmen vor. Andere Brics-Länder bevorzugen dagegen die Idee einer ganz neuen Währung, weil sie nicht den Fokus auf die USA durch einen Fokus auf China ersetzen wollen. Ihr Ziel ist vielmehr echte Vielfalt.
Doch diese Diskussion betrifft eine ferne Zukunft. Tatsächlich macht der Dollar im internationalen Zahlungssystem Swift derzeit etwas mehr als 40 Prozent aller Transaktionen aus, danach folgt der Euro mit einem Wert zwischen 30 und 40 Prozent. Das britische Pfund und der japanische Yen stellen einstellige Prozentzahlen; und rund zwei Prozent des Transaktionsvolumens entfallen auf den Yuan.
Die genauen Werte schwanken monatlich. Wenn beispielsweise Deutschland von Katar eine Lieferung Flüssiggas bezieht und es bezahlt, dann erfolgt diese Transaktion in Dollar. Das gilt für praktisch alle Kreuz- und Querbeziehungen im Welthandel, auch ohne amerikanische Beteiligung.
Daran hat sich auch nichts geändert, seit China den Yuan als Alternative ins Spiel gebracht hat. Seit ungefähr 2010 existieren dafür eigene Programme, und es läuft eine Diskussion über die Fortschritte der Handelbarkeit. Große Hoffnungen knüpft Peking an Yuan-Handelsplätze im Ausland, beispielsweise in Frankfurt.
Zwar ist der Yuan inzwischen zur wichtigsten Währung des direkten Handels mit China geworden, was ein Erfolg für die chinesische Devisenpolitik ist. Doch in diesem Fall nutzen die Handelspartner beispielsweise Yuan, die sie beim Verkauf von Rohstoffen eingenommen haben, um im Gegenzug Industrieprodukte aus China zu beziehen. Anders als der Dollar spielt der Yuan keinerlei Rolle, wenn seine Heimat nicht beteiligt ist.
Währungen spielen jedoch nicht nur im Handel eine Rolle, sondern auch als Devisenreserven. Dieses Phänomen gibt es erst seit dem Ende der Goldstandards. Vorher deckten sich die Zentralbanken mit Gold ein, um den eigenen Wechselkurs in Krisen stabilisieren zu können.
Heute ist Geld ein reines Computerspiel – und die Rolle des Goldes hat weitgehend der Dollar übernommen, weil er überall auf der Welt akzeptiert wird. Nach Zahlen des Internationalen Währungsfondsvon 2022 dominiert der Dollar die weltweiten Devisenreserven mit einem Anteil von knapp 60 Prozent, gefolgt vom Euro mit knapp 20 Prozent. Der Renminbi lag bei 2,9 Prozent.
Die weltweit hohen Dollar-Reserven haben ihre Ursache aber auch in dem gigantischen US-Handelsdefizit. Das Defizit bedeutet zwangsläufig, dass die USA mehr Waren erhalten als ihre Geschäftspartner im Ausland – und diese dafür auf ihren Dollar sitzenbleiben. So ergeht es auch China und seinen Unternehmen.
Und wer Dollar hält, muss sie in Dollar-Geldanlagen investieren. Das sind in erster Linie US-Staatsanleihen. Wenn China einen Handelsüberschuss mit den USA erzielt, dann liefert es nicht nur quasi kostenlose Produkte nach Amerika, sondern finanziert auch den US-Haushalt. Im Mai hielt China nach Angaben des Datenanbieters CEIC Data knapp 847.000 Milliarden Dollar allein an US-Staatsanleihen. Das ist zwar deutlich weniger als die 1.300 Milliarden im November 2013, aber immer noch eine ganze Menge.
Kein Wunder, dass auch China gerne von dieser toxischen Beziehung loskommen möchte. Das erweist sich aber als schwer. Chinas Exporteure schaffen im Amerikahandel wertvolle Arbeitsplätze. Es läuft daher zwar eine Umschichtung der Reserven weg vom Dollar. Diese ändert aber nichts an seiner Dominanz.
Eine gemeinsame Brics-Währung hätte jedoch gute Erfolgsaussichten, dem Dollar zumindest im globalen Süden als Devise für Handelsabwicklung und zur Bildung von Reserven Konkurrenz zu machen. Wenn die Brics-Staaten alle an einem Strang ziehen und ein solches Projekt fest entschlossen einführen, können Dollarraum und Eurozone nur wenig gegen ihren Bedeutungsverlust unternehmen.
Der Plan weckt Erinnerungen an den ECU. Die europäische Währungseinheit war ein Vorläufer des Euro, als die Mitgliedsstaaten noch ihre eigenen Devisen wie D-Mark und Francs hatten. Ein anderer Vergleich, der sich anbietet, sind die Sonderziehungsrechte des Internationalen Währungsfonds, die sich ebenfalls in Teilbereichen wie Geld verwenden lassen, ohne die nationalen Währungen zu verdrängen.
Es stellt sich jedoch die Frage, wie weit die Brics-Staaten ihre jeweils eigenen Interessen zurückstellen, um einem gemeinsamen Projekt den Weg freizumachen. Es eint sie zwar der Zorn auf den alten Westen, aber das reicht nicht als wirtschaftspolitisches Programm. Wird Russland, wird Indien, wird China, wird Brasilien wirklich seine finanzpolitische Freiheit zugunsten anderer einschränken?
Wie viel Koordination ein gemeinsames Währungsprojekt erfordert, zeigt schon der Euro. Er umspannt einen vergleichsweise homogenen Wirtschaftsraum und ist doch immer wieder von Problemen geplagt. Die Existenz des Euro ist das Produkt einer historischen Konstellation, in der alle Beteiligten zu großen Zugeständnissen bereit waren und finanzielle Souveränität abgegeben haben.