Table.Briefing: Africa

Table.Special: Afrika und die nationale Wasserstoffstrategie

Liebe Leserin, lieber Leser,

mit der nationalen Wasserstoffstrategie hat die Bundesregierung heute einen wichtigen Schritt in Richtung Klimaneutralität gemacht. Für den sonnenreichen afrikanischen Kontinent liegt darin eine enorme Zukunftschance. Der Aufbau einer Wasserstoff-Wirtschaft wäre sowohl in städtischen wie auch in ländlichen Regionen Westafrikas von hohem gesellschaftlichem und wirtschaftlichem Nutzen. Gemessen daran, dass Afrika bei der Erreichung der Ziele eine besonders wichtige Rolle zukommt, verwundert es allerdings, dass der Kontinent auf 28 Seiten nur an drei Stellen erwähnt wird.

Beim Megaprojekt Wasserstoffstrategie gibt es aber nicht nur viele Stakeholder, enorme Herausforderungen und regulatorische Stolperfallen, wie Nico Beckert in seiner Analyse beschreibt. In diesem Table.Special beleuchten wir in zwei weiteren Beiträgen den Entwicklungsstand von Wasserstoff in Mauretanien, einem der weltbesten Standorte dafür, sowie das enorme Potenzial des afrikanischen Kontinents: Es geht um sehr große Zahlen.  

Ihr
Harald Prokosch
Bild von Harald  Prokosch

Analyse

Details zu Klima und Entwicklung noch unklar

Die Bundesregierung hat am Mittwoch ihre neue Wasserstoffstrategie vorgestellt. Damit will sie die Versorgung Deutschlands mit diesem Energieträger sicherstellen und gleichzeitig eine nachhaltige Wirtschaft in den Kooperationsländern befördern. Allerdings fehlen noch konkrete Leitplanken, wie diese Ziele in Einklang zu bringen sind.

Die Versorgung mit “nachhaltigem und klimaneutralen Wasserstoff” gilt in der jetzt beschlossenen Überarbeitung der Strategie von 2020 als “unabdingbar” für die Erreichung der Klimaneutralität bis 2045. Gleichzeitig will die Bundesregierung in den Partnerländern “maximale Synergien mit einer lokalen sozial-ökologischen Gesellschafts- und Wirtschaftstransformation und Energiewende sowie den Nachhaltigkeitszielen (SDGs) sicherstellen”.

Die Kooperation mit Partnerländern ist wichtig: 2030 sollen etwa 50 bis 70 Prozent des deutschen Wasserstoffbedarfs importiert werden soll. Den Gesamtbedarf schätzt die Strategie auf 95 bis 130 Terawattstunden (TWh). Um 50 bis 90 Terawattstunden importieren zu können, muss auch in den Exportländern eine Wasserstoffwirtschaft entstehen.

Wasserstoffwirtschaft als “wirklicher Gamechanger” für die SDGs?

Im BMZ zeigt man sich überzeugt von den entwicklungspolitischen Potenzialen. Die Wasserstoffwirtschaft könne “ein wirklicher Gamechanger für die Umsetzung der Agenda 2030 werden”, sagt Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, mit Blick auf die Ziele für Nachhaltige Entwicklung (SDGs). Man müsse Nachhaltigkeit von Anfang an in den Strategien mitdenken, so Flasbarth. Wasserstoff könne zur Dekarbonisierung und Diversifizierung der Industrien in vielen Schwellen- und Entwicklungsländern beitragen.

Das BMZ mahnt dann auch an, Risikofaktoren zu beachten, um negative Folgen der Wasserstoffproduktion in den Partnerländern zu vermeiden:

  • Die Wasserstoffproduktion dürfe nicht dazu führen, dass fossile Kraftwerke länger laufen müssten
  • Deshalb müsse man die Energiewende in den Partnerländern voranbringen
  • Wenn die Nutzung von Wasserstoff in den Herkunftsländern insgesamt mehr Emissionen einspare, müsste diese lokale Wasserstoffnutzung “priorisiert werden”
  • Eine nachhaltige Wasser- und Flächennutzung müsse sichergestellt werden und Wasserstoff-Projekte dürften nicht zu höheren Energiekosten im Partnerland führen. Davor warnt auch Christoph Heinemann, Senior Researcher im Bereich Energie & Klimaschutz beim Öko-Institut. “In Staaten, die bisher kaum Windenergie nutzen, wie beispielsweise in Marrokko, könnte es zu einem Wettlauf um die besten Standorte kommen.” Sichern sich Wasserstoff-Projekte diese Standorte, könne “die Energiewende für das Inland teurer und eventuell verzögert werden”, so der Senior Researcher im Bereich Energie & Klimaschutz am Öko-Institut.
  • Auch der Nationale Wasserstoffrat hatte schon vor Risiken wie Wasserknappheit, Landnutzungskonflikten, Verschuldung und Energiearmut gewarnt, die bei Projekten in Partnerländern beachtet werden müssten.

Eine Strategie, um diesen Risiken zu begegnen, gibt es bislang noch nicht. Flasbarth räumt ein, man könne den positiven Nutzen einer Wasserstoffwirtschaft nicht “100 Prozent sicherstellen”, aber man müsse die Politik darauf ausrichten. Konkreter solle das in der Wasserstoff-Importstrategie ausgearbeitet werden, die soll bis Ende des Jahres erarbeitet werden.

Zudem will die Bundesregierung auf G7/G20-Ebene für “Good Governance-Standards” werben, um die angestrebten positiven Effekte einer Wasserstoffwirtschaft zu erreichen – allerdings konnten sich die G20-Energieminister am Wochenende nur auf sehr vage gemeinsame Positionen zum Thema grüner Wasserstoff einigen.

Kritiker fürchten “signifikantes Risiko”

“Es besteht ein signifikantes Risiko, dass die Wasserstoffprojekte nicht den versprochenen Nutzen für produzierende Länder bringen”, sagt Leonie Beaucamp, Referentin für erneuerbare Energien und Wasserstoff bei der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch gegenüber Table.Media. “Der zeitliche und preisliche Druck, der durch den Hochlauf des globalen Wasserstoffhandels aufgebaut wird, kann sich negativ auf die Erfüllung der lokalen Bedürfnisse auswirken. Deshalb sollten in den Importstrategien strenge Nachhaltigkeitsstandards festgeschrieben werden.”

Auch Christoph Heinemann vom Öko-Institut mahnt: “Auf die Wasserstoffstrategie muss nun die Ausarbeitung von konkreten Kriterien folgen, die positive Effekte wie den Ausbau der Erneuerbaren oder die Verbesserung der Wasserversorgung in den Partnerländern anreizen.” Konkret könne die Bundesregierung solche Kriterien bei der Bewilligung von Fördergeldern und der Ausschreibung neuer Projekte vorschreiben.

Grüne Vorgaben seien auf dem Weltmarkt nicht unbedingt ein Wettbewerbsnachteil für Europa. “Bei Pipeline-Distanzen, also beispielsweise Importen aus Staaten in Nordafrika, ist der Kostenvorteil beim Transport so groß, dass die Fokussierung sehr stark auf den Markt Europa sein wird und strengere Nachhaltigkeitskriterien eingehalten werden müssten”, sagt Heinemann.

29 Partnerschaften, Kooperationen und Allianzen

Die Bundesregierung will laut Strategie zum Wasserstoff mit einer Reihe von Ländern “grenzüberschreitende Wertschöpfungsketten” aufbauen. Derzeit gibt es solche Allianzen mit 29 Partnerstaaten verschiedener Ausrichtung. Ein erster Überblick zeigt die verschiedenen Kategorien:

  • Abkommen zum Import von Wasserstoff oder Derivaten gibt es mit Kanada und Namibia (erste Lieferung ab 2025 bzw. 2026)
  • Vereinbarungen zum Bau von Anlagen: Eine Referenzanlage in Marokko (100 MW Elektrolyseleistung) und PtX-Pilotanlage in Tunesien (10MW). In Chile fördert das BMWK ein Projekt zur Herstellung von eFuels aus Wasserstoff und CO₂ (“Haru Oni”)
  • Abmachungen zum technischen und wissenschaftlichen Austausch über H2-Produktion, -Transport oder Dekarbonisierung der Industrie unter anderem mit Algerien (BMZ-Projekt: 6 Millionen Euro), Israel, Japan, Saudi-Arabien, Türkei, Indien VAE, USA, Australien und Südkorea.
  • Austausch über nationale Wasserstoffstrategien etwa mit Brasilien, Kasachstan, VAE, Algerien oder Mexiko und Südafrika, teilweise gefördert über BMZ-Projekte
  • Gespräche über Standards zur H2-Produktion mit China, sowie erste Projekte deutscher Unternehmen (Oman)
  • Austausch über mögliche H2-Potenziale mit Jordanien, Neuseeland und Katar
  • Büros für Wasserstoffdiplomatie, die das Auswärtige Amt in Angola, Nigeria, Russland (Arbeit ausgesetzt), Saudi-Arabien, Ukraine (in Vorbereitung) und Kasachstan eingerichtet hat.

Viele Projekte sind noch in der Planungsphase. Trotzdem gibt es auch bei vermeintlichen Vorzeigeprojekten schon Kritik. “Das HYPHEN Projekt in Namibia wird oft als Vorbildprojekt kommuniziert bezüglich der lokalen Entwicklungsmöglichkeiten. Zugleich werden hier bei genauerem Hinsehen aber auch Schwachstellen sichtbar. So fehlt es beispielsweise an Transparenz und Präsenz der Zivilgesellschaft in der Planung und auf dem Weg zur Implementierung des Projekts“, sagt Beaucamp von Germanwatch.

BMZ: 270 Millionen, um private Investitionen zu hebeln

Das BMZ hat zudem einen mit 270 Millionen Euro ausgestatteten “PtX-Entwicklungsfonds” aufgelegt, der im Herbst 2023 mit ersten Ausschreibungen an den Markt gehen soll. Über den Fonds sollen private Investitionen in Höhe von 1,3 Milliarden Euro “entlang der gesamten Wasserstoff-Wertschöpfungskette in den Partnerländern” gehebelt werden, so Jochen Flasbarth. Mit dem Förderprogramm H2Uppp unterstützt das BMWK zudem den Markthochlauf von grünem Wasserstoff und Derivaten in 15 Staaten, darunter Brasilien, Südafrika, Türkei, Indien und Nigeria.

  • Nachhaltigkeitsstandards

Mauretanien steht erst am Anfang

Vor Ort in Mauretanien ist noch nichts zu sehen von grünem Wasserstoff, denn bisher gibt es nur eine Absichtserklärung zwischen dem Konsortium mit deutscher Beteiligung und der mauretanischen Regierung für das 34 Milliarden US-Dollar schwere Projekt. 2028 soll es dann losgehen für den deutschen Unternehmensberatung Conjuncta: mit einer 400-Megawatt-Anlage für die Produktion von grünem Wasserstoff, nordöstlich von der Hauptstadt Nouakchott. Das Hamburger Unternehmen hat sich dazu mit dem Gemeinschaftsunternehmen Infinity Power zusammengetan. Dahinter stehen der ägyptische Grünstromerzeuger Infinity aus Ägypten und ein Staatsunternehmen für erneuerbare Energien, Masdar aus dem Golfemirat Abu Dhabi. Den klimafreundlichen Strom für die Elektrolyse sollen Windräder und Photovoltaikanlagen in Mauretanien liefern, der Energie-Export soll dann über einen Hafen abgewickelt werden.

Von der Manufaktur zur Serienproduktion

“Die Technologien für die Erzeugung von grünem Wasserstoff sind da“, sagt Sylvia Schattauer, seit 2022 kommissarische Leiterin des Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme im Gespräch mit Table Media. Aber: “Jetzt geht es um das Hochskalieren. Die Systeme und Komponenten sind bisher manufakturgefertigt und sollen jetzt in großen Stückzahlen seriell hergestellt werden.” Für die Ingenieurin vergleichbar mit dem Übergang vom individuell zusammenschraubten Liebhaberauto zur Serienproduktion. “Es geht um Optimierung. Das ist keine Fragestellung der Grundlagenforschung, sondern eine Ingenieursaufgabe.”
Idee des Konsortiums mit deutscher Beteiligung ist denn auch, in Mauretanien zunächst mehrere kleine Anlagen modular zusammenzuschließen, um 2028 auf die angepeilten 400 Megawatt Elektrolysekapazität zu kommen.

Für die anwendungsnahen Forschung geht es laut Schattauer, die Umwelttechnik und Regenerative Energien in Berlin studierte und an der Universität Potsdam in Experimentalphysik promoviert wurde, unter anderem um den Bereich Offshore, also die Produktion von Windenergie auf dem offenen Meer, gekoppelt mit der Produktion von Wasserstoff. Eine Herausforderung, denn die Technik mag es nicht, immer im Grenzbereich gefahren zu werden, so Schattauer.

Gute Voraussetzungen in Mauretanien

“Mauretanien ist weltweit einer der besten Wasserstoff-Standorte”, sagt Stefan Liebing, Geschäftsführer von Conjuncta im Interview mit Table Media. Es gebe rund um die Uhr günstigen Strom – tagsüber aus Sonne, nachts aus Wind. Außerdem sei durch die Lage am Atlantik Zugang zu Wasser gegeben und eine Hafeninfrastruktur vorhanden. Voraussetzungen, die laut Liebing über die Wirtschaftlichkeit eines Projektes entscheiden.

Laut Conjuncta werden langfristig bis zu 10 Gigawatt Elektrolysekapazität angepeilt. Was das deutsche Projekt angeht, laufen derzeit zwei Schritte parallel: Die mauretanische Regierung, die noch mit drei weiteren internationalen Konsortien Memoranda of Understanding unterzeichnet hat, prüfe die rechtlichen und infrastrukturellen Voraussetzungen. Conjuncta führe eine eigene Machbarkeitsstudie zu Finanzierung, Technik, Standorten und Verbindungsinfrastruktur durch.
Fläche für den Aufbau von Anlagen für Wind- und Sonnenstrom gibt es jedenfalls reichlich. Mauretanien hat etwas mehr als eine Million Quadratkilometer und ist damit rund dreimal so groß wie Deutschland. Und das bei etwa einem Zwanzigstel der deutschen Bevölkerungsgröße: 4,2 Millionen Einwohner leben dort.

Ohne Stromnetz geht es nicht

Der mauretanische Energieminister Nani Ould Chrougha gibt sich im Gespräch mit Table.Media selbstbewusst:”Wir glauben, dass es nicht nur unser Land verändern wird, sondern dass wir damit auch zum weltweiten Paradigmenwechsel in Sachen Energie etwas beitragen können”. Der Mindset für das nötige Umsteuern in der Energiepolitik sei in Mauretanien jedenfalls ausgeprägt vorhanden: Sein Land spüre den Klimawandel stärker als der globale Norden, etwa durch die Veränderungen der Regenzeit.
Energieminister Chrougha, der erst im Juli das Amt des jetzigen Wirtschaftsministers Abdessalam Ould Mohamed Saleh übernommen hat, gibt sich realistisch und optimistisch: “Es stimmt, dass wir keine Gelder vor Ort haben und keine Technologien. Aber was wir haben ist großes Potenzial.”

Die Pläne des deutschen Konsortiums, bis 2028 rund 400 Megawatt Elektrolyse-Kapazität in Mauretanien aufzubauen, findet Fraunhofer-Forscherin Schattauer durchaus realistisch, sofern keine bürokratischen Hürden den Prozess verlangsamen. Eine Sache allerdings dürfe man langfristig nicht vergessen: “Für die Produktion von grünem Wasserstoff bedarf es eines funktionierenden Stromnetzes. Wenn keiner diese Investition tätigt, kann das nicht funktionieren.” Aus politischer Perspektive liegt hier die Win-Win-Situation für Mauretanien als einem der ärmsten Länder weltweit, das auf einen Entwicklungssprung hofft.

  • Deutsche Wirtschaft
  • Mauretanien
  • Wasserstoff

Kontinent des grünen Wasserstoffs

Investitionen von einer Billion Euro in grünen Wasserstoff können das Äquivalent von mehr als einem Drittel des derzeitigen Energieverbrauchs Afrikas decken, das BIP steigern, die Versorgung mit sauberem Wasser verbessern und Gemeinden stärken, meinen die Autoren der EIB-Studie.

Sollte sich diese Studie bewahrheiten, dann wären die Zeiten, in denen Afrika als der Bittsteller der Welt gilt, vorbei. Grüner Wasserstoff würde auf dem Kontinent die Energie produzieren, die er braucht, um sein Wachstumspotenzial zu entfalten. Und er würde die Investitionen bringen, die den Aufbau gut bezahlter Arbeitsplätze in Gang setzen.

Eine Investition von einer Billion Euro könne sieben Exajoule Energie jährlich bringen. Das entspricht rund 1,9 Millionen GWh. Im Jahr 2021 lag der Verbrauch in Afrika bei 19,9 Exajoule. Dies würde laut EIB zu einem enormen Anstieg des BIP führen sowie dauerhafte und qualifizierte Arbeitsplätze in ganz Afrika schaffen.

Noch viele Fragen offen

Grüner Wasserstoff wäre dann ein gewaltiger Trigger für das Wachstum auf dem afrikanischen Kontinent. Noch sind diese Perspektiven vage Zukunft. Viele Fragen sind ungeklärt. Ein Streitpunkt könnte beispielsweise die Aufteilung des grünen Wasserstoffs zwischen dem globalen Norden und dem globalen Süden werden.

Die Regierung unter Premierministerin Saara Kuugongelwa-Amadhila hatte Im Frühjahr bereits den Weg für ein ehrgeiziges Energieprojekt in Namibia freigemacht. Ein Joint Venture der südafrikanischen Tochtergesellschaft des deutschen Unternehmens Enertrag SE mit der Nicholas Holding, einem Infrastruktur-Investor mit Sitz auf den britischen Virgin Islands, wird es vorantreiben. Das Projekt sieht Investitionen von zehn Milliarden Euro in den Bau von Anlagen zur Produktion grünen Wasserstoffs in der Nähe von Lüderitz vor. Der Staat Namibia kann sich mit bis zu 24 Prozent als Investor an dem Projekt beteiligen. Dazu stellen die niederländische Förderinstitution Invest International B.V. und die Europäische Investitionsbank der namibischen Regierung 540 Millionen Euro zu Vorzugsbedingungen bereit, wie es in einer Präsentation heißt.

Namibias Energiebereich könnte CO2-frei werden

Bis 2030 soll der Bau abgeschlossen sein. Dann soll Namibia mehr als zwei Millionen Tonnen Ammoniak für die globalen und lokalen Energiemärkte herstellen. Das Wasser wird über Meerwasserentsalzungsanlagen aus dem Atlantik gewonnen, der Strom zur Zerlegung des Wassers aus Wind- und Sonnenkraftwerken. Darüber hinaus werden Anlagen zur Umwandlung des Wasserstoffs in Ammoniak und ein neuer Hafen zur Verschiffung benötigt.

“Das Projekt ist so umfangreich konzipiert, dass es nicht nur das Potenzial hat, die wachsende Stadt Lüderitz mit Frischwasser zu versorgen, sondern auch den gesamten Energiebereich Namibias auf einen Schlag CO2-neutral zu gestalten”, meint Till Mansmann, der entwicklungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion.

Dieses Projekt ist eines von dreien, die mit deutscher Beteiligung in Afrika verwirklicht werden sollen. Der ehemalige Vorsitzende des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft, Stefan Liebing, ist in zwei weiteren engagiert: an einem in Angola, gemeinsam mit Gauff Engineering, und an einem unter ägyptisch-arabischer Führung in Mauretanien.

Afrika hat Wasser und Solarstrom

Neben den Deutschen sind viele andere Investoren und Projektentwickler in Afrika aktiv. Allein in Namibia sind zwei weitere, ähnliche Projekte in Vorbereitung. Aber auch anderswo sind die Investoren aktiv. Schließlich bietet der Kontinent eine einmalige Kombination aus Wasser aus dem Indischen Ozean und Atlantik und Sonne zur Erzeugung von Solarstrom. Manche Standorte bieten auch Windkraft.

Afrikanische Pionierländer wie Mauretanien zeigen den Weg und beweisen, dass Afrika der Welt mit grünem Wasserstoff helfen und sich so eine Zukunft der industriellen Entwicklung sowie schnelles und sauberes Wachstum für alle sichern kann”, sagt Thierry Lepercq, Präsident von Hydeal, einem Projekt, das Wasserstoff über Pipelines von Spanien nach Frankreich und Deutschland bringen soll.

Vier günstige Standorte hat die Europäische Investitionsbank (EIB) in einer Studie benannt: Marokko, Mauretanien, das südliche Afrika und Ägypten – Kenia, wo Deutschland ebenfalls Interesse zeigt, nannte die EIB nicht. “Die Nutzung der Sonnenenergie Afrikas zur Produktion von 50 Millionen Tonnen grünem Wasserstoff pro Jahr bis 2035 kann dazu beitragen, die globale Energieversorgung zu sichern, Arbeitsplätze zu schaffen, die Schwerindustrie zu dekarbonisieren, die globale Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und den Zugang zu sauberem Wasser und nachhaltiger Energie zu verändern”, heißt es in der Studie.

  • Afrika-Verein
  • Energie
  • Grüner Wasserstoff
  • Investitionen
  • Wasserstoff

Africa.Table Redaktion

AFRICA.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    mit der nationalen Wasserstoffstrategie hat die Bundesregierung heute einen wichtigen Schritt in Richtung Klimaneutralität gemacht. Für den sonnenreichen afrikanischen Kontinent liegt darin eine enorme Zukunftschance. Der Aufbau einer Wasserstoff-Wirtschaft wäre sowohl in städtischen wie auch in ländlichen Regionen Westafrikas von hohem gesellschaftlichem und wirtschaftlichem Nutzen. Gemessen daran, dass Afrika bei der Erreichung der Ziele eine besonders wichtige Rolle zukommt, verwundert es allerdings, dass der Kontinent auf 28 Seiten nur an drei Stellen erwähnt wird.

    Beim Megaprojekt Wasserstoffstrategie gibt es aber nicht nur viele Stakeholder, enorme Herausforderungen und regulatorische Stolperfallen, wie Nico Beckert in seiner Analyse beschreibt. In diesem Table.Special beleuchten wir in zwei weiteren Beiträgen den Entwicklungsstand von Wasserstoff in Mauretanien, einem der weltbesten Standorte dafür, sowie das enorme Potenzial des afrikanischen Kontinents: Es geht um sehr große Zahlen.  

    Ihr
    Harald Prokosch
    Bild von Harald  Prokosch

    Analyse

    Details zu Klima und Entwicklung noch unklar

    Die Bundesregierung hat am Mittwoch ihre neue Wasserstoffstrategie vorgestellt. Damit will sie die Versorgung Deutschlands mit diesem Energieträger sicherstellen und gleichzeitig eine nachhaltige Wirtschaft in den Kooperationsländern befördern. Allerdings fehlen noch konkrete Leitplanken, wie diese Ziele in Einklang zu bringen sind.

    Die Versorgung mit “nachhaltigem und klimaneutralen Wasserstoff” gilt in der jetzt beschlossenen Überarbeitung der Strategie von 2020 als “unabdingbar” für die Erreichung der Klimaneutralität bis 2045. Gleichzeitig will die Bundesregierung in den Partnerländern “maximale Synergien mit einer lokalen sozial-ökologischen Gesellschafts- und Wirtschaftstransformation und Energiewende sowie den Nachhaltigkeitszielen (SDGs) sicherstellen”.

    Die Kooperation mit Partnerländern ist wichtig: 2030 sollen etwa 50 bis 70 Prozent des deutschen Wasserstoffbedarfs importiert werden soll. Den Gesamtbedarf schätzt die Strategie auf 95 bis 130 Terawattstunden (TWh). Um 50 bis 90 Terawattstunden importieren zu können, muss auch in den Exportländern eine Wasserstoffwirtschaft entstehen.

    Wasserstoffwirtschaft als “wirklicher Gamechanger” für die SDGs?

    Im BMZ zeigt man sich überzeugt von den entwicklungspolitischen Potenzialen. Die Wasserstoffwirtschaft könne “ein wirklicher Gamechanger für die Umsetzung der Agenda 2030 werden”, sagt Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, mit Blick auf die Ziele für Nachhaltige Entwicklung (SDGs). Man müsse Nachhaltigkeit von Anfang an in den Strategien mitdenken, so Flasbarth. Wasserstoff könne zur Dekarbonisierung und Diversifizierung der Industrien in vielen Schwellen- und Entwicklungsländern beitragen.

    Das BMZ mahnt dann auch an, Risikofaktoren zu beachten, um negative Folgen der Wasserstoffproduktion in den Partnerländern zu vermeiden:

    • Die Wasserstoffproduktion dürfe nicht dazu führen, dass fossile Kraftwerke länger laufen müssten
    • Deshalb müsse man die Energiewende in den Partnerländern voranbringen
    • Wenn die Nutzung von Wasserstoff in den Herkunftsländern insgesamt mehr Emissionen einspare, müsste diese lokale Wasserstoffnutzung “priorisiert werden”
    • Eine nachhaltige Wasser- und Flächennutzung müsse sichergestellt werden und Wasserstoff-Projekte dürften nicht zu höheren Energiekosten im Partnerland führen. Davor warnt auch Christoph Heinemann, Senior Researcher im Bereich Energie & Klimaschutz beim Öko-Institut. “In Staaten, die bisher kaum Windenergie nutzen, wie beispielsweise in Marrokko, könnte es zu einem Wettlauf um die besten Standorte kommen.” Sichern sich Wasserstoff-Projekte diese Standorte, könne “die Energiewende für das Inland teurer und eventuell verzögert werden”, so der Senior Researcher im Bereich Energie & Klimaschutz am Öko-Institut.
    • Auch der Nationale Wasserstoffrat hatte schon vor Risiken wie Wasserknappheit, Landnutzungskonflikten, Verschuldung und Energiearmut gewarnt, die bei Projekten in Partnerländern beachtet werden müssten.

    Eine Strategie, um diesen Risiken zu begegnen, gibt es bislang noch nicht. Flasbarth räumt ein, man könne den positiven Nutzen einer Wasserstoffwirtschaft nicht “100 Prozent sicherstellen”, aber man müsse die Politik darauf ausrichten. Konkreter solle das in der Wasserstoff-Importstrategie ausgearbeitet werden, die soll bis Ende des Jahres erarbeitet werden.

    Zudem will die Bundesregierung auf G7/G20-Ebene für “Good Governance-Standards” werben, um die angestrebten positiven Effekte einer Wasserstoffwirtschaft zu erreichen – allerdings konnten sich die G20-Energieminister am Wochenende nur auf sehr vage gemeinsame Positionen zum Thema grüner Wasserstoff einigen.

    Kritiker fürchten “signifikantes Risiko”

    “Es besteht ein signifikantes Risiko, dass die Wasserstoffprojekte nicht den versprochenen Nutzen für produzierende Länder bringen”, sagt Leonie Beaucamp, Referentin für erneuerbare Energien und Wasserstoff bei der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch gegenüber Table.Media. “Der zeitliche und preisliche Druck, der durch den Hochlauf des globalen Wasserstoffhandels aufgebaut wird, kann sich negativ auf die Erfüllung der lokalen Bedürfnisse auswirken. Deshalb sollten in den Importstrategien strenge Nachhaltigkeitsstandards festgeschrieben werden.”

    Auch Christoph Heinemann vom Öko-Institut mahnt: “Auf die Wasserstoffstrategie muss nun die Ausarbeitung von konkreten Kriterien folgen, die positive Effekte wie den Ausbau der Erneuerbaren oder die Verbesserung der Wasserversorgung in den Partnerländern anreizen.” Konkret könne die Bundesregierung solche Kriterien bei der Bewilligung von Fördergeldern und der Ausschreibung neuer Projekte vorschreiben.

    Grüne Vorgaben seien auf dem Weltmarkt nicht unbedingt ein Wettbewerbsnachteil für Europa. “Bei Pipeline-Distanzen, also beispielsweise Importen aus Staaten in Nordafrika, ist der Kostenvorteil beim Transport so groß, dass die Fokussierung sehr stark auf den Markt Europa sein wird und strengere Nachhaltigkeitskriterien eingehalten werden müssten”, sagt Heinemann.

    29 Partnerschaften, Kooperationen und Allianzen

    Die Bundesregierung will laut Strategie zum Wasserstoff mit einer Reihe von Ländern “grenzüberschreitende Wertschöpfungsketten” aufbauen. Derzeit gibt es solche Allianzen mit 29 Partnerstaaten verschiedener Ausrichtung. Ein erster Überblick zeigt die verschiedenen Kategorien:

    • Abkommen zum Import von Wasserstoff oder Derivaten gibt es mit Kanada und Namibia (erste Lieferung ab 2025 bzw. 2026)
    • Vereinbarungen zum Bau von Anlagen: Eine Referenzanlage in Marokko (100 MW Elektrolyseleistung) und PtX-Pilotanlage in Tunesien (10MW). In Chile fördert das BMWK ein Projekt zur Herstellung von eFuels aus Wasserstoff und CO₂ (“Haru Oni”)
    • Abmachungen zum technischen und wissenschaftlichen Austausch über H2-Produktion, -Transport oder Dekarbonisierung der Industrie unter anderem mit Algerien (BMZ-Projekt: 6 Millionen Euro), Israel, Japan, Saudi-Arabien, Türkei, Indien VAE, USA, Australien und Südkorea.
    • Austausch über nationale Wasserstoffstrategien etwa mit Brasilien, Kasachstan, VAE, Algerien oder Mexiko und Südafrika, teilweise gefördert über BMZ-Projekte
    • Gespräche über Standards zur H2-Produktion mit China, sowie erste Projekte deutscher Unternehmen (Oman)
    • Austausch über mögliche H2-Potenziale mit Jordanien, Neuseeland und Katar
    • Büros für Wasserstoffdiplomatie, die das Auswärtige Amt in Angola, Nigeria, Russland (Arbeit ausgesetzt), Saudi-Arabien, Ukraine (in Vorbereitung) und Kasachstan eingerichtet hat.

    Viele Projekte sind noch in der Planungsphase. Trotzdem gibt es auch bei vermeintlichen Vorzeigeprojekten schon Kritik. “Das HYPHEN Projekt in Namibia wird oft als Vorbildprojekt kommuniziert bezüglich der lokalen Entwicklungsmöglichkeiten. Zugleich werden hier bei genauerem Hinsehen aber auch Schwachstellen sichtbar. So fehlt es beispielsweise an Transparenz und Präsenz der Zivilgesellschaft in der Planung und auf dem Weg zur Implementierung des Projekts“, sagt Beaucamp von Germanwatch.

    BMZ: 270 Millionen, um private Investitionen zu hebeln

    Das BMZ hat zudem einen mit 270 Millionen Euro ausgestatteten “PtX-Entwicklungsfonds” aufgelegt, der im Herbst 2023 mit ersten Ausschreibungen an den Markt gehen soll. Über den Fonds sollen private Investitionen in Höhe von 1,3 Milliarden Euro “entlang der gesamten Wasserstoff-Wertschöpfungskette in den Partnerländern” gehebelt werden, so Jochen Flasbarth. Mit dem Förderprogramm H2Uppp unterstützt das BMWK zudem den Markthochlauf von grünem Wasserstoff und Derivaten in 15 Staaten, darunter Brasilien, Südafrika, Türkei, Indien und Nigeria.

    • Nachhaltigkeitsstandards

    Mauretanien steht erst am Anfang

    Vor Ort in Mauretanien ist noch nichts zu sehen von grünem Wasserstoff, denn bisher gibt es nur eine Absichtserklärung zwischen dem Konsortium mit deutscher Beteiligung und der mauretanischen Regierung für das 34 Milliarden US-Dollar schwere Projekt. 2028 soll es dann losgehen für den deutschen Unternehmensberatung Conjuncta: mit einer 400-Megawatt-Anlage für die Produktion von grünem Wasserstoff, nordöstlich von der Hauptstadt Nouakchott. Das Hamburger Unternehmen hat sich dazu mit dem Gemeinschaftsunternehmen Infinity Power zusammengetan. Dahinter stehen der ägyptische Grünstromerzeuger Infinity aus Ägypten und ein Staatsunternehmen für erneuerbare Energien, Masdar aus dem Golfemirat Abu Dhabi. Den klimafreundlichen Strom für die Elektrolyse sollen Windräder und Photovoltaikanlagen in Mauretanien liefern, der Energie-Export soll dann über einen Hafen abgewickelt werden.

    Von der Manufaktur zur Serienproduktion

    “Die Technologien für die Erzeugung von grünem Wasserstoff sind da“, sagt Sylvia Schattauer, seit 2022 kommissarische Leiterin des Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme im Gespräch mit Table Media. Aber: “Jetzt geht es um das Hochskalieren. Die Systeme und Komponenten sind bisher manufakturgefertigt und sollen jetzt in großen Stückzahlen seriell hergestellt werden.” Für die Ingenieurin vergleichbar mit dem Übergang vom individuell zusammenschraubten Liebhaberauto zur Serienproduktion. “Es geht um Optimierung. Das ist keine Fragestellung der Grundlagenforschung, sondern eine Ingenieursaufgabe.”
    Idee des Konsortiums mit deutscher Beteiligung ist denn auch, in Mauretanien zunächst mehrere kleine Anlagen modular zusammenzuschließen, um 2028 auf die angepeilten 400 Megawatt Elektrolysekapazität zu kommen.

    Für die anwendungsnahen Forschung geht es laut Schattauer, die Umwelttechnik und Regenerative Energien in Berlin studierte und an der Universität Potsdam in Experimentalphysik promoviert wurde, unter anderem um den Bereich Offshore, also die Produktion von Windenergie auf dem offenen Meer, gekoppelt mit der Produktion von Wasserstoff. Eine Herausforderung, denn die Technik mag es nicht, immer im Grenzbereich gefahren zu werden, so Schattauer.

    Gute Voraussetzungen in Mauretanien

    “Mauretanien ist weltweit einer der besten Wasserstoff-Standorte”, sagt Stefan Liebing, Geschäftsführer von Conjuncta im Interview mit Table Media. Es gebe rund um die Uhr günstigen Strom – tagsüber aus Sonne, nachts aus Wind. Außerdem sei durch die Lage am Atlantik Zugang zu Wasser gegeben und eine Hafeninfrastruktur vorhanden. Voraussetzungen, die laut Liebing über die Wirtschaftlichkeit eines Projektes entscheiden.

    Laut Conjuncta werden langfristig bis zu 10 Gigawatt Elektrolysekapazität angepeilt. Was das deutsche Projekt angeht, laufen derzeit zwei Schritte parallel: Die mauretanische Regierung, die noch mit drei weiteren internationalen Konsortien Memoranda of Understanding unterzeichnet hat, prüfe die rechtlichen und infrastrukturellen Voraussetzungen. Conjuncta führe eine eigene Machbarkeitsstudie zu Finanzierung, Technik, Standorten und Verbindungsinfrastruktur durch.
    Fläche für den Aufbau von Anlagen für Wind- und Sonnenstrom gibt es jedenfalls reichlich. Mauretanien hat etwas mehr als eine Million Quadratkilometer und ist damit rund dreimal so groß wie Deutschland. Und das bei etwa einem Zwanzigstel der deutschen Bevölkerungsgröße: 4,2 Millionen Einwohner leben dort.

    Ohne Stromnetz geht es nicht

    Der mauretanische Energieminister Nani Ould Chrougha gibt sich im Gespräch mit Table.Media selbstbewusst:”Wir glauben, dass es nicht nur unser Land verändern wird, sondern dass wir damit auch zum weltweiten Paradigmenwechsel in Sachen Energie etwas beitragen können”. Der Mindset für das nötige Umsteuern in der Energiepolitik sei in Mauretanien jedenfalls ausgeprägt vorhanden: Sein Land spüre den Klimawandel stärker als der globale Norden, etwa durch die Veränderungen der Regenzeit.
    Energieminister Chrougha, der erst im Juli das Amt des jetzigen Wirtschaftsministers Abdessalam Ould Mohamed Saleh übernommen hat, gibt sich realistisch und optimistisch: “Es stimmt, dass wir keine Gelder vor Ort haben und keine Technologien. Aber was wir haben ist großes Potenzial.”

    Die Pläne des deutschen Konsortiums, bis 2028 rund 400 Megawatt Elektrolyse-Kapazität in Mauretanien aufzubauen, findet Fraunhofer-Forscherin Schattauer durchaus realistisch, sofern keine bürokratischen Hürden den Prozess verlangsamen. Eine Sache allerdings dürfe man langfristig nicht vergessen: “Für die Produktion von grünem Wasserstoff bedarf es eines funktionierenden Stromnetzes. Wenn keiner diese Investition tätigt, kann das nicht funktionieren.” Aus politischer Perspektive liegt hier die Win-Win-Situation für Mauretanien als einem der ärmsten Länder weltweit, das auf einen Entwicklungssprung hofft.

    • Deutsche Wirtschaft
    • Mauretanien
    • Wasserstoff

    Kontinent des grünen Wasserstoffs

    Investitionen von einer Billion Euro in grünen Wasserstoff können das Äquivalent von mehr als einem Drittel des derzeitigen Energieverbrauchs Afrikas decken, das BIP steigern, die Versorgung mit sauberem Wasser verbessern und Gemeinden stärken, meinen die Autoren der EIB-Studie.

    Sollte sich diese Studie bewahrheiten, dann wären die Zeiten, in denen Afrika als der Bittsteller der Welt gilt, vorbei. Grüner Wasserstoff würde auf dem Kontinent die Energie produzieren, die er braucht, um sein Wachstumspotenzial zu entfalten. Und er würde die Investitionen bringen, die den Aufbau gut bezahlter Arbeitsplätze in Gang setzen.

    Eine Investition von einer Billion Euro könne sieben Exajoule Energie jährlich bringen. Das entspricht rund 1,9 Millionen GWh. Im Jahr 2021 lag der Verbrauch in Afrika bei 19,9 Exajoule. Dies würde laut EIB zu einem enormen Anstieg des BIP führen sowie dauerhafte und qualifizierte Arbeitsplätze in ganz Afrika schaffen.

    Noch viele Fragen offen

    Grüner Wasserstoff wäre dann ein gewaltiger Trigger für das Wachstum auf dem afrikanischen Kontinent. Noch sind diese Perspektiven vage Zukunft. Viele Fragen sind ungeklärt. Ein Streitpunkt könnte beispielsweise die Aufteilung des grünen Wasserstoffs zwischen dem globalen Norden und dem globalen Süden werden.

    Die Regierung unter Premierministerin Saara Kuugongelwa-Amadhila hatte Im Frühjahr bereits den Weg für ein ehrgeiziges Energieprojekt in Namibia freigemacht. Ein Joint Venture der südafrikanischen Tochtergesellschaft des deutschen Unternehmens Enertrag SE mit der Nicholas Holding, einem Infrastruktur-Investor mit Sitz auf den britischen Virgin Islands, wird es vorantreiben. Das Projekt sieht Investitionen von zehn Milliarden Euro in den Bau von Anlagen zur Produktion grünen Wasserstoffs in der Nähe von Lüderitz vor. Der Staat Namibia kann sich mit bis zu 24 Prozent als Investor an dem Projekt beteiligen. Dazu stellen die niederländische Förderinstitution Invest International B.V. und die Europäische Investitionsbank der namibischen Regierung 540 Millionen Euro zu Vorzugsbedingungen bereit, wie es in einer Präsentation heißt.

    Namibias Energiebereich könnte CO2-frei werden

    Bis 2030 soll der Bau abgeschlossen sein. Dann soll Namibia mehr als zwei Millionen Tonnen Ammoniak für die globalen und lokalen Energiemärkte herstellen. Das Wasser wird über Meerwasserentsalzungsanlagen aus dem Atlantik gewonnen, der Strom zur Zerlegung des Wassers aus Wind- und Sonnenkraftwerken. Darüber hinaus werden Anlagen zur Umwandlung des Wasserstoffs in Ammoniak und ein neuer Hafen zur Verschiffung benötigt.

    “Das Projekt ist so umfangreich konzipiert, dass es nicht nur das Potenzial hat, die wachsende Stadt Lüderitz mit Frischwasser zu versorgen, sondern auch den gesamten Energiebereich Namibias auf einen Schlag CO2-neutral zu gestalten”, meint Till Mansmann, der entwicklungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion.

    Dieses Projekt ist eines von dreien, die mit deutscher Beteiligung in Afrika verwirklicht werden sollen. Der ehemalige Vorsitzende des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft, Stefan Liebing, ist in zwei weiteren engagiert: an einem in Angola, gemeinsam mit Gauff Engineering, und an einem unter ägyptisch-arabischer Führung in Mauretanien.

    Afrika hat Wasser und Solarstrom

    Neben den Deutschen sind viele andere Investoren und Projektentwickler in Afrika aktiv. Allein in Namibia sind zwei weitere, ähnliche Projekte in Vorbereitung. Aber auch anderswo sind die Investoren aktiv. Schließlich bietet der Kontinent eine einmalige Kombination aus Wasser aus dem Indischen Ozean und Atlantik und Sonne zur Erzeugung von Solarstrom. Manche Standorte bieten auch Windkraft.

    Afrikanische Pionierländer wie Mauretanien zeigen den Weg und beweisen, dass Afrika der Welt mit grünem Wasserstoff helfen und sich so eine Zukunft der industriellen Entwicklung sowie schnelles und sauberes Wachstum für alle sichern kann”, sagt Thierry Lepercq, Präsident von Hydeal, einem Projekt, das Wasserstoff über Pipelines von Spanien nach Frankreich und Deutschland bringen soll.

    Vier günstige Standorte hat die Europäische Investitionsbank (EIB) in einer Studie benannt: Marokko, Mauretanien, das südliche Afrika und Ägypten – Kenia, wo Deutschland ebenfalls Interesse zeigt, nannte die EIB nicht. “Die Nutzung der Sonnenenergie Afrikas zur Produktion von 50 Millionen Tonnen grünem Wasserstoff pro Jahr bis 2035 kann dazu beitragen, die globale Energieversorgung zu sichern, Arbeitsplätze zu schaffen, die Schwerindustrie zu dekarbonisieren, die globale Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und den Zugang zu sauberem Wasser und nachhaltiger Energie zu verändern”, heißt es in der Studie.

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    Africa.Table Redaktion

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