Table.Briefing: Africa

Table.Alert: Putschversuch in Gabun

Liebe Leserin, lieber Leser,

nach den Wahlen in Gabun am Samstag hat das Militär das offizielle Ergebnis für ungültig erklärt und Präsident Ali Bongo abgesetzt. Noch ist unklar, ob die Putschisten sich an der Macht halten können. Doch ihr Rückhalt in der Bevölkerung scheint erheblich.

Sollte der Putsch in Gabun erfolgreich sein, wäre es der achte in einer ehemaligen französischen Kolonie auf dem Kontinent allein in den vergangenen drei Jahren. Das wirft nicht nur Zweifel an der westlichen Afrika-Politik auf, es weckt auch die Sorge, Afrika könnte insgesamt anfälliger für Gewaltregime werden. Doch es gibt auch eine positive Lesart. Christian von Hiller beleuchtet das Geschehen für uns von beiden Seiten.

Und wir werfen einen Blick in die Geschichte der Präsidentenfamilie. Die Bongos regieren Gabun inzwischen seit mehr als einem halben Jahrhundert. In dieser Zeit hat die Herrscherfamilie bei den Reichtümern ihres Landes ordentlich zugelangt – zum Leidwesen der gabunischen Bevölkerung.

Wenn Ihnen der Africa.Table gefällt, empfehlen Sie uns gerne weiter. Hier können Sie sich für den Africa.Table und weitere Themen anmelden.

Ihr
Arne Schütte
Bild von Arne  Schütte

Analyse

Putschversuch in Gabun schürt Angst vor Instabilität

Am heutigen Mittwoch hat in Gabun ein Putschversuch stattgefunden. Rund ein Dutzend Armeeoffiziere hat am frühen Morgen im staatlichen Fernsehen erklärt, dass sie die Macht im Land übernommen hätten, dass sie die Wahlergebnisse vom Samstag annullieren würden und dass sämtliche Institutionen des Landes aufgelöst seien. Bongo steht angeblich unter Hausarrest. Einer seiner Söhne sei wegen Hochverrats verhaftet worden. Auch seien die Grenzen geschlossen worden. Auf den Bildern seien auch Offiziere mit grüner Baskenmütze zu erkennen gewesen, was sie als Mitglieder der Republikanischen Garde, die den Präsidenten beschützen soll, ausweist. Die Putschisten bezeichneten sich als Mitglieder eines “Komitees zur Transition und zur Wiederherstellung der Institutionen” (Comité de transition et de restauration des institutions (CTRI).

Die nationale Wahlkommission hatte den bisherigen Amtsinhaber Ali-Ben Bongo Ondimba mit 64,27 Prozent der Stimmen zum Wahlsieger erklärt. Oppositionsführer Albert Ondo Ossa, der demnach 30,77 Prozent erhielt, sprach von Wahlbetrug und forderte den Wahlsieg für sich selbst.

Noch ist unklar, ob sich die Militärs an der Macht halten können. Sollte die gewaltsame Absetzung Ali Bongos Erfolg haben, wäre dies das Ende einer 53 Jahre währenden Herrschaft der Familie Bongo über Gabun. Das Land ist etwa so groß wie die alte Bundesrepublik vor der Wiedervereinigung, kommt aber nur auf 2,2 Millionen Einwohner.

Bongos kontrollierten Gabuns Schätze

Allerdings zählt es mit einer Fördermenge von neun Millionen Tonnen im Jahr 2021 zu den großen Erdölproduzenten der Welt und liegt hinter den ungleich größeren Ländern Nigeria, Libyen, Algerien, Angola, Ägypten und der Republik Kongo auf dem sechsten Rang in Afrika. Die Fördermenge ist jedoch seit Jahren rückläufig. Der Höhepunkt war im Jahr 2000 mit 13,9 Millionen Tonnen erreicht worden.

Gleichwohl bringen die riesigen Vorkommen vor der Küste gut 80 Prozent der Deviseneinnahmen. Zudem besitzt Gabun große Vorkommen an Eisenerzen, Gold und Mangan und exportiert auch Kaffee, Kakao, Kautschuk, Palmöl, Zucker und Erdnüsse. Etwa zwei Drittel des Landes sind mit Tropenwäldern bedeckt. Damit steht Gabun auch im Fokus der globalen Bemühungen, Regenwälder als natürlichen Speicher für Kohlendioxid zu nutzen. Gleichzeitig ist Gabun eines der größten Länder in Afrika für den Export von Tropenholz.

Mit einer Wirtschaftsleistung von rund 7300 Dollar je Kopf zählt Gabun formal zu den wirtschaftlich erfolgreichen Ländern des Kontinents. Allerdings hat die Familie Bongo in den vergangenen Jahrzehnten einen Großteil des Volksvermögens an sich gerissen. Auf dem Index der menschlichen Entwicklung der Vereinten Nationen liegt Gabun aktuell auf dem 112. Platz von 191 und damit nur leicht über dem Median.

Neue Phase der Instabilität?

Der Putsch in Gabun hat bei Afrika-Beobachtern die Sorge ausgelöst, der Kontinent sei in eine neue Phase der Instabilität geraten. In Ländern wie Libyen, Mali oder der Zentralafrikanischen Republik haben sich staatliche Strukturen weitgehend aufgelöst. Andere Länder wie Sudan, Somalia, der Tschad oder Äthiopien sind von Bürgerkriegen oder blutigen Konflikten zerrissen. In einer dritten Gruppe hat das Militär nach Staatsstreichen die Macht übernommen, zuletzt in Mali, Burkina Faso und Niger.

Hinzu kommt, dass sich die weltwirtschaftliche Lage durch steigende Zinsen, Lieferengpässen etwa bei Getreide und eine Verlangsamung der Weltkonjunktur viele Regierungen in eine schwierige Lage gebracht haben. Simbabwe, Ghana und Kenia verhandeln gerade ihre Auslandsschulden neu mit dem Ziel, die Last des Schuldendienstes zu reduzieren.

Eine lange Ära der Befriedung und des wirtschaftlichen Aufschwungs sei, so die Befürchtung, in Afrika zu Ende gegangen. Dabei hatte sich die Zahl und die Intensität regionaler Konflikte verringert. Auch im Hinblick auf eine Demokratisierung hat der Kontinent beachtliche Fortschritte erreicht. So haben sich in vielen Ländern – besonders in den wirtschaftlichen Schwergewichten Südafrika, Nigeria, Marokko, Ghana und Kenia – stabile Demokratien mit friedlichen Machtwechseln nach insgesamt fairen Wahlen etabliert.

Dadurch gibt es auch eine andere Lesart der gewaltsamen Umstürze, die in jüngster Zeit stattgefunden haben. Diese fanden vor allem in fragilen Staaten wie Mali, Burkina Faso oder Niger statt und nun in Gabun in einem rohstoffreichen Land, das von der Familie Bongo wie ein Privatbesitz behandelt worden ist. Zudem hat der Rückgang der Fördermenge und auch der jahrelang niedrige Ölpreis für ein Defizit im Staatshaushalt von Gabun gesorgt und die wirtschaftliche Lage insgesamt verschlechtert.

Jugend wird zum politischen Faktor

Nach dieser Interpretation wird die Jugend in Afrika zu einem politischen Faktor auf dem Kontinent. Gerade in den ärmeren Ländern stellen Jugendliche einen Großteil der Bevölkerung. Die Vereinten Nationen schätzen in Afrika die Zahl der Jugendlichen zwischen 15 und 24 Jahren auf 226 Millionen der rund 1,2 Milliarden großen Bevölkerung des Kontinents. Eines der jüngsten Länder der Welt ist Niger mit einem Altersdurchschnitt von gerade einmal 15,1 Jahren.

Afrikas Jugend ist besser ausgebildet und hat besseren Zugang zu Informationsquellen als die Generation ihrer Eltern. Sie ist nicht willens, die überkommenen Machtverhältnisse länger hinzunehmen. Die Jugend, besonders im Sahel, wirft ihren Politikern häufig vor, ihre Länder an die ehemalige Kolonialmacht Frankreich auszuliefern, ein Vorwurf, auf den Frankreich besonders seit den Präsidenten Hollande und Macron zu reagieren versucht.

Diese vordergründig anti-französische Haltung richtet sich nach dieser Lesart gegen den Westen insgesamt, aber auch gegen die eigenen Machthaber im Land. So wird der Familie Bongo vorgeworfen, jahrzehntelang die Reichtümer des Landes an Frankreich verschleudert und sich selbst daran bereichert zu haben. Gegen Mitglieder der Familie Bongo laufen deshalb auch Strafverfahren in Frankreich.

Verwicklung in Elf-Skandal

Die Beziehungen des früheren französischen Staatskonzerns Elf Aquitaine zur Familie Bongo waren so eng, dass die Spitze des damaligen Ölkonzerns im Ruf stand, die Staatsgeschäfte in Gabun zu steuern. Dafür stand auch der Elf-Skandal, der bis in die Spitze des französischen Staates und der Wirtschaft reichte: 1994 wurde publik, dass der Vorstand mehr als 500 Millionen Dollar veruntreut hatte. In der Folge wurde Elf aufgelöst und in den Konzern Total Energies eingegliedert. Heute ist Gabun zwar Mitglied im Commonwealth. Doch die Verbindungen zu Frankreich sind weiterhin eng.

Manche Politiker greifen das Aufbegehren der Jugend auf. So hatte der kenianische Staatspräsident William Ruto seinen Wahlkampf mit Erfolg auf die Anliegen jüngerer Wähler ausgerichtet. Und auch in Südafrika richtet sich der Anführer der Economic Freedom Fighters (EFF) ebenfalls stark an die Jugend. Selbst in Burkina Faso findet die Militärregierung des gerade einmal 34 Jahren alten Offiziers Ibrahim Traoré durchaus Rückhalt in der überwiegend jugendlichen Bevölkerung.

Manche politische Beobachter in Afrika wie der politische Analyst Bakary Sambe sehen deshalb die derzeitigen Unruhen als Zeichen dafür, dass die Jugend in Afrika offenbar nicht länger bereit ist, inkompetente, korrupte und allein auf ihren Vorteil bedachte Politiker an der Staatsspitze hinzunehmen.

  • Frankreich
  • Militär
  • Putsch

Heads

Ali Bongo – Blasses Abbild seines Vaters

Ali Bongo.
Der gestürzte Präsident von Gabun, Ali Bongo.

Schon 14 Jahre lang war Ali-Ben Bongo Ondimba in Gabun an der Macht. Doch nie ist es ihm gelungen, aus dem langen Schatten seines Vaters herauszutreten. Richtig ist auf jeden Fall: Ohne seinen Vater Omar Bongo lässt sich die Persönlichkeit Ali Bongos nicht verstehen.

Omar Bongo Ondimba wurde 1935 geboren. Bis zu seiner Konversion zum Islam 1973 hieß er Albert-Bernard Bongo. 2003 fügte er Ondimba seinem Namen hinzu. Nach seinem Studium, unter anderem in Brazzaville, diente er von 1954 bis 1960 in der französischen Luftwaffe. Nach der Unabhängigkeit des Landes 1960 wurde er zunächst Außenminister in der Regierung des ersten Präsidenten Gabuns, Léon M’ba. Nach dessen Tod im November 1967 folgte ihm Omar Bongo. Er sollte das Land bis zu seinem Tod 2009 regieren, als er an Herzversagen in einem Krankenhaus in Barcelona starb.

Omar Bongo richtete seine Politik eng an Frankreich aus und öffnete sein Land weit für den Staatskonzern Elf Aquitaine, der die riesigen Ölreserven Gabuns nach Gutdünken ausbeuten konnte. So war er ebenfalls in den gigantischen Korruptionsskandal rund um Elf Aquitaine, der von 1994 die gesamte französische Republik erschüttern sollte, verwickelt.

Privatschulen in Frankreich

Ali Bongo kam 1959 unter dem Namen Alain Bernard Bongo zur Welt und stammte aus Omar Bongos erster, 1986 geschiedenen Ehe mit Patience Dabany. Wie sein Vater konvertierte er 1973 zum Islam und nahm den Namen Ali-Ben an.

Viele afrikanischen Spitzenpolitiker aus ehemaligen französischen Kolonien sorgen dafür, dass ihre Kinder eine Ausbildung in Frankreich bekommen. Und so schickte ihn sein Vater im Alter von neun Jahren an ein privates Internat im Pariser Vorort Neuilly. Anschließend studierte Ali Bongo Jura an der Sorbonne in Paris. In Gabun wird ihm vorgeworfen, dass er zwar feine Privatschulen in Frankreich besucht habe, aber keine lokale Sprache aus Gabun spreche. Deshalb haftet ihm im Land bis heute ein Image als verwöhnter Playboy aus dem Ausland an.

Zwei Jahre lang, von 1989 bis 1991, diente er seinem Vater als Außenminister des Landes.  Bei den Wahlen 1990 und 1996 wurde er in die Nationalversammlung gewählt und war von 1999 bis zum Tod seines Vaters 2009 Verteidigungsminister. 41 Jahre lang hatte Omar Bongo Gabun regiert. Nur Paul Biya, seit 1982 Präsident von Kamerun, könnte eine längere Amtszeit in Afrika erreichen. Seit 1989 ist Ali Bongo mit der Französin Sylvia Valentin verheiratet.

Unspektakuläre Karriere

Bis dahin war Ali Bongos Leben eine ziemlich blasse Karriere aus dem afrikanischen Jetset, wie sie für Söhne afrikanischer Machthabers nicht ungewöhnlich ist. Die Konversion zum Islam bedeutete weder für seinen Vater wie auch für Ali Bongo einen Bruch mit Frankreich. Vater und Sohn sind führende Freimaurer nach dem französischen Ritus. 2009 übernahm er so nicht nur das Amt des Staatspräsidenten von seinem Vater, sondern auch dessen Funktion als Großmeister der Großloge von Gabun.

Allerdings bestand Ali Bongos Ehrgeiz darin, sich insofern aus dem Schatten seines Vaters zu lösen, als er eine demokratische Legitimation für seinen Spitzenposten im Staat anstrebte. Im September 2009 wurde er mit gerade einmal 41,7 Prozent der Stimmen zum Staatspräsidenten gewählt. 2016 ließ er eine weitere Wahl durchführen, die ohne große Überraschung gewann. Die Ergebnisse galten jedoch als gefälscht, sodass Ali Bongo sein eigentliches Ziel nicht erreichte. Nun sollten die Wahlen vom Samstag das erhoffte Plebiszit bringen.

Politisch geschwächt wurde Ali Bongo durch einen Schlaganfall, den er im Oktober 2018 in Saudi-Arabien erlitten hatte. Daraufhin versuchten schon im Januar 2019 Offiziere, ihn zu stürzen, als er zur medizinischen Behandlung in Marokko war – damals allerdings ohne Erfolg. Geblieben ist ihm seitdem, dass er sich nur mit Mühe bewegen kann. “Ich verstecke nichts”, sagte er laut dem Magazin Jeune Afrique. “Ich trickse nicht.”

Ermittlungen gegen seine Familie

In Gabun werden seit Jahren Gerüchte gestreut, besonders von der Opposition, dass Ali-Ben Bongo gar kein leiblicher Sohn Omar Bongos sei. In Wahrheit stamme er aus Biafra in Nigeria und sei von Omar Bongo adoptiert worden. Damit stellen sie die dynastische Legitimation Ali Bongos infrage.

In Paris ist sein Ansehen verblasst, seitdem Mitglieder seiner Familie in Frankreich strafrechtlich verfolgt werden. Fünf Kindern seines Vaters Omar Bongo, darunter die älteste, 66 Jahre alte Tochter Pascaline, wird vorgeworfen, sich Vermögenswerte, die ihr Vater gestohlen haben soll, widerrechtlich angeeignet zu haben. Die weiteren Anklagepunkte lauten auf Verschleierung der Veruntreuung öffentlichen Geldes, aktive und passive Korruption, Geldwäsche und Veruntreuung von Unternehmensvermögen.

Das “enorme Vermögen” der Familie Bongo stammt laut einem Urteil des Pariser Berufungsgerichts vom Februar 2022 “aus Geld, das aus der Veruntreuung öffentlicher Gelder und beträchtlichen Summen aus der Korruptionskriminalität von Ölunternehmen” stamme, insbesondere von Elf Aquitaine beziehungsweise Total Energies. Christian von Hiller

  • Putsch

Africa.Table Redaktion

AFRICA.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    nach den Wahlen in Gabun am Samstag hat das Militär das offizielle Ergebnis für ungültig erklärt und Präsident Ali Bongo abgesetzt. Noch ist unklar, ob die Putschisten sich an der Macht halten können. Doch ihr Rückhalt in der Bevölkerung scheint erheblich.

    Sollte der Putsch in Gabun erfolgreich sein, wäre es der achte in einer ehemaligen französischen Kolonie auf dem Kontinent allein in den vergangenen drei Jahren. Das wirft nicht nur Zweifel an der westlichen Afrika-Politik auf, es weckt auch die Sorge, Afrika könnte insgesamt anfälliger für Gewaltregime werden. Doch es gibt auch eine positive Lesart. Christian von Hiller beleuchtet das Geschehen für uns von beiden Seiten.

    Und wir werfen einen Blick in die Geschichte der Präsidentenfamilie. Die Bongos regieren Gabun inzwischen seit mehr als einem halben Jahrhundert. In dieser Zeit hat die Herrscherfamilie bei den Reichtümern ihres Landes ordentlich zugelangt – zum Leidwesen der gabunischen Bevölkerung.

    Wenn Ihnen der Africa.Table gefällt, empfehlen Sie uns gerne weiter. Hier können Sie sich für den Africa.Table und weitere Themen anmelden.

    Ihr
    Arne Schütte
    Bild von Arne  Schütte

    Analyse

    Putschversuch in Gabun schürt Angst vor Instabilität

    Am heutigen Mittwoch hat in Gabun ein Putschversuch stattgefunden. Rund ein Dutzend Armeeoffiziere hat am frühen Morgen im staatlichen Fernsehen erklärt, dass sie die Macht im Land übernommen hätten, dass sie die Wahlergebnisse vom Samstag annullieren würden und dass sämtliche Institutionen des Landes aufgelöst seien. Bongo steht angeblich unter Hausarrest. Einer seiner Söhne sei wegen Hochverrats verhaftet worden. Auch seien die Grenzen geschlossen worden. Auf den Bildern seien auch Offiziere mit grüner Baskenmütze zu erkennen gewesen, was sie als Mitglieder der Republikanischen Garde, die den Präsidenten beschützen soll, ausweist. Die Putschisten bezeichneten sich als Mitglieder eines “Komitees zur Transition und zur Wiederherstellung der Institutionen” (Comité de transition et de restauration des institutions (CTRI).

    Die nationale Wahlkommission hatte den bisherigen Amtsinhaber Ali-Ben Bongo Ondimba mit 64,27 Prozent der Stimmen zum Wahlsieger erklärt. Oppositionsführer Albert Ondo Ossa, der demnach 30,77 Prozent erhielt, sprach von Wahlbetrug und forderte den Wahlsieg für sich selbst.

    Noch ist unklar, ob sich die Militärs an der Macht halten können. Sollte die gewaltsame Absetzung Ali Bongos Erfolg haben, wäre dies das Ende einer 53 Jahre währenden Herrschaft der Familie Bongo über Gabun. Das Land ist etwa so groß wie die alte Bundesrepublik vor der Wiedervereinigung, kommt aber nur auf 2,2 Millionen Einwohner.

    Bongos kontrollierten Gabuns Schätze

    Allerdings zählt es mit einer Fördermenge von neun Millionen Tonnen im Jahr 2021 zu den großen Erdölproduzenten der Welt und liegt hinter den ungleich größeren Ländern Nigeria, Libyen, Algerien, Angola, Ägypten und der Republik Kongo auf dem sechsten Rang in Afrika. Die Fördermenge ist jedoch seit Jahren rückläufig. Der Höhepunkt war im Jahr 2000 mit 13,9 Millionen Tonnen erreicht worden.

    Gleichwohl bringen die riesigen Vorkommen vor der Küste gut 80 Prozent der Deviseneinnahmen. Zudem besitzt Gabun große Vorkommen an Eisenerzen, Gold und Mangan und exportiert auch Kaffee, Kakao, Kautschuk, Palmöl, Zucker und Erdnüsse. Etwa zwei Drittel des Landes sind mit Tropenwäldern bedeckt. Damit steht Gabun auch im Fokus der globalen Bemühungen, Regenwälder als natürlichen Speicher für Kohlendioxid zu nutzen. Gleichzeitig ist Gabun eines der größten Länder in Afrika für den Export von Tropenholz.

    Mit einer Wirtschaftsleistung von rund 7300 Dollar je Kopf zählt Gabun formal zu den wirtschaftlich erfolgreichen Ländern des Kontinents. Allerdings hat die Familie Bongo in den vergangenen Jahrzehnten einen Großteil des Volksvermögens an sich gerissen. Auf dem Index der menschlichen Entwicklung der Vereinten Nationen liegt Gabun aktuell auf dem 112. Platz von 191 und damit nur leicht über dem Median.

    Neue Phase der Instabilität?

    Der Putsch in Gabun hat bei Afrika-Beobachtern die Sorge ausgelöst, der Kontinent sei in eine neue Phase der Instabilität geraten. In Ländern wie Libyen, Mali oder der Zentralafrikanischen Republik haben sich staatliche Strukturen weitgehend aufgelöst. Andere Länder wie Sudan, Somalia, der Tschad oder Äthiopien sind von Bürgerkriegen oder blutigen Konflikten zerrissen. In einer dritten Gruppe hat das Militär nach Staatsstreichen die Macht übernommen, zuletzt in Mali, Burkina Faso und Niger.

    Hinzu kommt, dass sich die weltwirtschaftliche Lage durch steigende Zinsen, Lieferengpässen etwa bei Getreide und eine Verlangsamung der Weltkonjunktur viele Regierungen in eine schwierige Lage gebracht haben. Simbabwe, Ghana und Kenia verhandeln gerade ihre Auslandsschulden neu mit dem Ziel, die Last des Schuldendienstes zu reduzieren.

    Eine lange Ära der Befriedung und des wirtschaftlichen Aufschwungs sei, so die Befürchtung, in Afrika zu Ende gegangen. Dabei hatte sich die Zahl und die Intensität regionaler Konflikte verringert. Auch im Hinblick auf eine Demokratisierung hat der Kontinent beachtliche Fortschritte erreicht. So haben sich in vielen Ländern – besonders in den wirtschaftlichen Schwergewichten Südafrika, Nigeria, Marokko, Ghana und Kenia – stabile Demokratien mit friedlichen Machtwechseln nach insgesamt fairen Wahlen etabliert.

    Dadurch gibt es auch eine andere Lesart der gewaltsamen Umstürze, die in jüngster Zeit stattgefunden haben. Diese fanden vor allem in fragilen Staaten wie Mali, Burkina Faso oder Niger statt und nun in Gabun in einem rohstoffreichen Land, das von der Familie Bongo wie ein Privatbesitz behandelt worden ist. Zudem hat der Rückgang der Fördermenge und auch der jahrelang niedrige Ölpreis für ein Defizit im Staatshaushalt von Gabun gesorgt und die wirtschaftliche Lage insgesamt verschlechtert.

    Jugend wird zum politischen Faktor

    Nach dieser Interpretation wird die Jugend in Afrika zu einem politischen Faktor auf dem Kontinent. Gerade in den ärmeren Ländern stellen Jugendliche einen Großteil der Bevölkerung. Die Vereinten Nationen schätzen in Afrika die Zahl der Jugendlichen zwischen 15 und 24 Jahren auf 226 Millionen der rund 1,2 Milliarden großen Bevölkerung des Kontinents. Eines der jüngsten Länder der Welt ist Niger mit einem Altersdurchschnitt von gerade einmal 15,1 Jahren.

    Afrikas Jugend ist besser ausgebildet und hat besseren Zugang zu Informationsquellen als die Generation ihrer Eltern. Sie ist nicht willens, die überkommenen Machtverhältnisse länger hinzunehmen. Die Jugend, besonders im Sahel, wirft ihren Politikern häufig vor, ihre Länder an die ehemalige Kolonialmacht Frankreich auszuliefern, ein Vorwurf, auf den Frankreich besonders seit den Präsidenten Hollande und Macron zu reagieren versucht.

    Diese vordergründig anti-französische Haltung richtet sich nach dieser Lesart gegen den Westen insgesamt, aber auch gegen die eigenen Machthaber im Land. So wird der Familie Bongo vorgeworfen, jahrzehntelang die Reichtümer des Landes an Frankreich verschleudert und sich selbst daran bereichert zu haben. Gegen Mitglieder der Familie Bongo laufen deshalb auch Strafverfahren in Frankreich.

    Verwicklung in Elf-Skandal

    Die Beziehungen des früheren französischen Staatskonzerns Elf Aquitaine zur Familie Bongo waren so eng, dass die Spitze des damaligen Ölkonzerns im Ruf stand, die Staatsgeschäfte in Gabun zu steuern. Dafür stand auch der Elf-Skandal, der bis in die Spitze des französischen Staates und der Wirtschaft reichte: 1994 wurde publik, dass der Vorstand mehr als 500 Millionen Dollar veruntreut hatte. In der Folge wurde Elf aufgelöst und in den Konzern Total Energies eingegliedert. Heute ist Gabun zwar Mitglied im Commonwealth. Doch die Verbindungen zu Frankreich sind weiterhin eng.

    Manche Politiker greifen das Aufbegehren der Jugend auf. So hatte der kenianische Staatspräsident William Ruto seinen Wahlkampf mit Erfolg auf die Anliegen jüngerer Wähler ausgerichtet. Und auch in Südafrika richtet sich der Anführer der Economic Freedom Fighters (EFF) ebenfalls stark an die Jugend. Selbst in Burkina Faso findet die Militärregierung des gerade einmal 34 Jahren alten Offiziers Ibrahim Traoré durchaus Rückhalt in der überwiegend jugendlichen Bevölkerung.

    Manche politische Beobachter in Afrika wie der politische Analyst Bakary Sambe sehen deshalb die derzeitigen Unruhen als Zeichen dafür, dass die Jugend in Afrika offenbar nicht länger bereit ist, inkompetente, korrupte und allein auf ihren Vorteil bedachte Politiker an der Staatsspitze hinzunehmen.

    • Frankreich
    • Militär
    • Putsch

    Heads

    Ali Bongo – Blasses Abbild seines Vaters

    Ali Bongo.
    Der gestürzte Präsident von Gabun, Ali Bongo.

    Schon 14 Jahre lang war Ali-Ben Bongo Ondimba in Gabun an der Macht. Doch nie ist es ihm gelungen, aus dem langen Schatten seines Vaters herauszutreten. Richtig ist auf jeden Fall: Ohne seinen Vater Omar Bongo lässt sich die Persönlichkeit Ali Bongos nicht verstehen.

    Omar Bongo Ondimba wurde 1935 geboren. Bis zu seiner Konversion zum Islam 1973 hieß er Albert-Bernard Bongo. 2003 fügte er Ondimba seinem Namen hinzu. Nach seinem Studium, unter anderem in Brazzaville, diente er von 1954 bis 1960 in der französischen Luftwaffe. Nach der Unabhängigkeit des Landes 1960 wurde er zunächst Außenminister in der Regierung des ersten Präsidenten Gabuns, Léon M’ba. Nach dessen Tod im November 1967 folgte ihm Omar Bongo. Er sollte das Land bis zu seinem Tod 2009 regieren, als er an Herzversagen in einem Krankenhaus in Barcelona starb.

    Omar Bongo richtete seine Politik eng an Frankreich aus und öffnete sein Land weit für den Staatskonzern Elf Aquitaine, der die riesigen Ölreserven Gabuns nach Gutdünken ausbeuten konnte. So war er ebenfalls in den gigantischen Korruptionsskandal rund um Elf Aquitaine, der von 1994 die gesamte französische Republik erschüttern sollte, verwickelt.

    Privatschulen in Frankreich

    Ali Bongo kam 1959 unter dem Namen Alain Bernard Bongo zur Welt und stammte aus Omar Bongos erster, 1986 geschiedenen Ehe mit Patience Dabany. Wie sein Vater konvertierte er 1973 zum Islam und nahm den Namen Ali-Ben an.

    Viele afrikanischen Spitzenpolitiker aus ehemaligen französischen Kolonien sorgen dafür, dass ihre Kinder eine Ausbildung in Frankreich bekommen. Und so schickte ihn sein Vater im Alter von neun Jahren an ein privates Internat im Pariser Vorort Neuilly. Anschließend studierte Ali Bongo Jura an der Sorbonne in Paris. In Gabun wird ihm vorgeworfen, dass er zwar feine Privatschulen in Frankreich besucht habe, aber keine lokale Sprache aus Gabun spreche. Deshalb haftet ihm im Land bis heute ein Image als verwöhnter Playboy aus dem Ausland an.

    Zwei Jahre lang, von 1989 bis 1991, diente er seinem Vater als Außenminister des Landes.  Bei den Wahlen 1990 und 1996 wurde er in die Nationalversammlung gewählt und war von 1999 bis zum Tod seines Vaters 2009 Verteidigungsminister. 41 Jahre lang hatte Omar Bongo Gabun regiert. Nur Paul Biya, seit 1982 Präsident von Kamerun, könnte eine längere Amtszeit in Afrika erreichen. Seit 1989 ist Ali Bongo mit der Französin Sylvia Valentin verheiratet.

    Unspektakuläre Karriere

    Bis dahin war Ali Bongos Leben eine ziemlich blasse Karriere aus dem afrikanischen Jetset, wie sie für Söhne afrikanischer Machthabers nicht ungewöhnlich ist. Die Konversion zum Islam bedeutete weder für seinen Vater wie auch für Ali Bongo einen Bruch mit Frankreich. Vater und Sohn sind führende Freimaurer nach dem französischen Ritus. 2009 übernahm er so nicht nur das Amt des Staatspräsidenten von seinem Vater, sondern auch dessen Funktion als Großmeister der Großloge von Gabun.

    Allerdings bestand Ali Bongos Ehrgeiz darin, sich insofern aus dem Schatten seines Vaters zu lösen, als er eine demokratische Legitimation für seinen Spitzenposten im Staat anstrebte. Im September 2009 wurde er mit gerade einmal 41,7 Prozent der Stimmen zum Staatspräsidenten gewählt. 2016 ließ er eine weitere Wahl durchführen, die ohne große Überraschung gewann. Die Ergebnisse galten jedoch als gefälscht, sodass Ali Bongo sein eigentliches Ziel nicht erreichte. Nun sollten die Wahlen vom Samstag das erhoffte Plebiszit bringen.

    Politisch geschwächt wurde Ali Bongo durch einen Schlaganfall, den er im Oktober 2018 in Saudi-Arabien erlitten hatte. Daraufhin versuchten schon im Januar 2019 Offiziere, ihn zu stürzen, als er zur medizinischen Behandlung in Marokko war – damals allerdings ohne Erfolg. Geblieben ist ihm seitdem, dass er sich nur mit Mühe bewegen kann. “Ich verstecke nichts”, sagte er laut dem Magazin Jeune Afrique. “Ich trickse nicht.”

    Ermittlungen gegen seine Familie

    In Gabun werden seit Jahren Gerüchte gestreut, besonders von der Opposition, dass Ali-Ben Bongo gar kein leiblicher Sohn Omar Bongos sei. In Wahrheit stamme er aus Biafra in Nigeria und sei von Omar Bongo adoptiert worden. Damit stellen sie die dynastische Legitimation Ali Bongos infrage.

    In Paris ist sein Ansehen verblasst, seitdem Mitglieder seiner Familie in Frankreich strafrechtlich verfolgt werden. Fünf Kindern seines Vaters Omar Bongo, darunter die älteste, 66 Jahre alte Tochter Pascaline, wird vorgeworfen, sich Vermögenswerte, die ihr Vater gestohlen haben soll, widerrechtlich angeeignet zu haben. Die weiteren Anklagepunkte lauten auf Verschleierung der Veruntreuung öffentlichen Geldes, aktive und passive Korruption, Geldwäsche und Veruntreuung von Unternehmensvermögen.

    Das “enorme Vermögen” der Familie Bongo stammt laut einem Urteil des Pariser Berufungsgerichts vom Februar 2022 “aus Geld, das aus der Veruntreuung öffentlicher Gelder und beträchtlichen Summen aus der Korruptionskriminalität von Ölunternehmen” stamme, insbesondere von Elf Aquitaine beziehungsweise Total Energies. Christian von Hiller

    • Putsch

    Africa.Table Redaktion

    AFRICA.TABLE REDAKTION

    Licenses:

      Jetzt kostenlos anmelden und sofort weiterlesen

      Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

      Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

      Anmelden und weiterlesen