in Kiel verleiht das Institut für Weltwirtschaft zur Stunde die Weltwirtschaftlichen Preise 2023 (WWP) an drei Preisträger. Seit 2005 zeichnet das renommierte Institut Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft dafür aus, Wohlstand und Lebensqualität der Menschen in der globalisierten Welt zu fördern und zu verbessern. Der Preis würdigt insbesondere die Verbindung von Marktwirtschaft mit sozialer Verantwortung und soll Anstöße geben, die großen weltwirtschaftlichen Herausforderungen durch kreative Problemlösungen zu bewältigen.
In diesem Jahr steht Afrika im Fokus der Auszeichnung. Grund genug für uns, Ihnen ganz aktuell die hochrangigen Preisträger des WWP 2023 vorzustellen. Mit Leonard Wantchekon, dem Gründer der African School of Economics, konnten wir kurz vor der Verleihung ein Gespräch führen, das Sie ebenfalls in dieser Sonderausgabe des Africa.Table finden.
Die Preisverleihung soll am Montag, 19. Juni von 17.30 Uhr an stattfinden. Unter diesem Link können Sie online daran teilnehmen: https://www.youtube.com/watch?v=BOTKKRyrVCI
Die Nigerianerin Ngozi Okonjo-Iweala ist seit gut zwei Jahren Generaldirektorin der World Trade Organization (WTO). Die in Genf ansässige Institution regelt die weltweiten Handels- und Wirtschaftsbeziehungen. Neben dem IWF und der Weltbank ist die WTO eine der zentralen internationalen Organisationen, die diese Themen mit globaler Reichweite verhandelt.
Ngozi Okonjo-Iweala, Generaldirektorin der WTO.
Okonjo-Iweala wurde ausgezeichnet für ihre maßgebliche Beteiligung an Wirtschaftsreformen in Nigeria, die zur Stabilisierung der Ökonomie und zur Verbesserung der steuerlichen Transparenz beigetragen hätten. Sie habe sich persönlich stark engagiert, betrügerische Machenschaften auszumerzen, die dem Land Ressourcen entziehen und den Armen wichtige Dienstleistungen vorenthalten. Damit sei die WTO-Generaldirektorin zur Vorreiterin im Kampf gegen die Korruption geworden. Als geschickte und hartnäckige Verhandlerin genieße sie das Vertrauen vieler Regierungen und anderer Interessengruppen.
Mit Eleni Gabre-Madhin erhält eine weitsichtige und gesellschaftlich verantwortungsbewusste Unternehmerin die Auszeichnung. Sie habe mit ihrem Einsatz maßgeblich dazu beigetragen, vor allem die Lebensbedingungen der ländlichen Bevölkerung und vieler junger Menschen in Afrika zu verbessern. Zudem gründete sie mit Eleni LLC ein Unternehmen für die Entwicklung von Rohstoffbörsen in Afrika. Stark engagiert ist sie darüber hinaus bei Äthiopiens führendem Inkubator und Investor für Startups im Agrarbereich. In ihrer gegenwärtigen Rolle als Chief Innovation Officer beim Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen setze sie eine revolutionäre Finanzierungsinitiative für wegweisende Jugendgründungen in Afrika um.
Leonard Wantchekon und Eleni Gabre-Madhin im Institut für Weltwirtschaft in Kiel.
Die dritte Auszeichnung geht in diesem Jahr an den Wirtschaftsprofessor Leonard Wantchekon, Gründer und Präsident der African School of Economics und Professor an der Princeton University. Die Jury des IfW würdigte ihn als herausragenden Politökonomen, Wirtschaftshistoriker und Entwicklungsökonom. Durch seine Herkunft habe Wantchekon einen einzigartigen Blick auf entwicklungsökonomische Probleme. Innovative wissenschaftliche Methoden und die daraus resultierenden bahnbrechenden Arbeiten des Princeton-Professors hätten ihm weltweite Anerkennung beschert. Die von ihm gegründete und geleitete African School of Economics öffne afrikanischen Studierenden den Weg zu einer international anerkannten wirtschaftswissenschaftlichen Ausbildung. Durch die Verknüpfung einer rigorosen methodischen Ausbildung mit multidisziplinären Inhalten zur afrikanischen Vergangenheit und Gegenwart vermittle er den Studierenden ein ausgeprägtes Verständnis für die Entwicklung auf dem gesamten Kontinent.
Table.Media sprach kurz vor der Preisverleihung mit Leonard Wantchekon.
Start-ups
WTO
Interview
“Afrika macht Fortschritte – das wird oft übersehen”
Leonard Wantchekon ist Professor für Ökonomie und Gründer der African School of Business.
In der Laudatio zur Verleihung des Weltwirtschaftspreises an Sie heißt es: Ohne die von Ihnen gegründete African School of Economics und ihre innovativen wissenschaftlichen Methoden müssten afrikanische Talente auf andere Kontinente emigrieren, um einen hochwertigen Studienabschluss zu erhalten. Was ist die Besonderheit Ihrer Universität?
Wir verbinden drei Ansätze in Forschung und Lehre: Geschichte, Statistik und Mikroökonomie. Dabei beziehen wir Daten bis zurück ins 19. Jahrhundert in unsere Arbeit ein. Geschichte auf Mikroebene zu lernen, bis hinein in die individuelle Vergangenheit der Menschen, ist eine neue Art, Geschichte zu lehren. So geben wir den Menschen eine Stimme und bringen ihnen bei, nicht nur zu lernen, sondern mit ihrem Wissen auch etwas Sinnvolles zu tun – ein Unternehmen zu gründen, Güter zu produzieren oder mit anderen Wissensträgern zusammenzuarbeiten. Und ganz wichtig: Es braucht Unternehmergeist. Entwicklung für Afrika ist nur mit diesen beiden Elementen zu haben: hoch qualifizierte Bildung und Unternehmergeist.
Verbessert sich das Bildungsniveau schnell genug?
Noch nicht schnell genug, wenn sich auch das Schulwesen in vielen afrikanischen Ländern während der vergangenen Jahre deutlich verbessert hat. Schulische Bildung muss noch viel mehr in der Gesellschaft verankert sein. Das ist nicht nur Sache des Staates. Wenn wir junge Menschen mit ihrer Vergangenheit, mit ihrer unmittelbaren Umgebung und Geschichte verbinden, machen wir sie neugierig und lernbegierig.
Gibt es eigentlich deutsche Universitäten, mit denen eine Zusammenarbeit für Sie spannend wäre?
Natürlich, wir arbeiten bereits mit der Universität Mannheim, mit der Hertie School of Governance in Berlin oder mit den Hochschulen in Frankfurt und Bonn zusammen. Ich glaube im Übrigen, dass unsere Ideen und Ansätze auch für europäische Universitäten interessant sein könnten. Die Zukunft entdecken durch Lernen aus der Vergangenheit, das funktioniert auf der ganzen Welt. Wir entwickeln diese interdisziplinäre Herangehensweise gerade weiter. Bei der Gründung waren wir rein wirtschaftlich orientiert, heute erweitern wir um Wissenschaft, eine Business School und eine ingenieurwissenschaftliche Ausbildung.
Afrikas Selbstbewusstsein hat deutlich zugenommen. Die afrikanischen Länder wollen keine Almosen, sondern Hilfe zur Selbsthilfe, eine Beziehung auf Augenhöhe. Begegnet der Westen diesem Selbstbewusstsein auf adäquate Weise?
Die Einstellung hat sich bis heute sicher noch nicht überall verändert. Wir sollten von afrikanischen Regierungen nicht erwarten, dass sie sich bei allen Entscheidungen an westliche Vorstellungen anpassen. Sie sind souveräne Staaten. Also von Augenhöhe würde ich nicht sprechen. Viele Menschen betrachten Afrika noch immer sehr klischeehaft. Es geht um Entwicklungshilfe, lasst uns den Armen helfen, diese schreckliche Korruption.
Tatsache ist: Afrika ist ein völlig anderer Kontinent als vor 40 Jahren. Die Fortschritte werden gerne übersehen, aber es sind vielfach Riesenfortschritte. Den Medien kommt bei der Vermittlung eines zeitgemäßen Afrika-Bildes natürlich eine bedeutende Rolle zu. Das Narrativ über Afrika muss sich ändern. Dazu brauchen wir nicht nur Politik und Wirtschaft, sondern vor allem auch Bildung, Kunst und eben Kommunikation. Ich sage Ihnen: Das afrikanische Glas ist halb voll, nicht halb leer.
In wenigen Wochen wird Südafrika Gastgeber des BRICS-Gipfels sein. Mit dem russischen Präsidenten Putin ist ein extrem schwieriger Gast eingeladen, der im Land sofort festgenommen werden müsste. Wagen Sie eine Prognose, wie sich die südafrikanische Regierung verhalten wird, falls Putin kommen sollte?
Ich glaube, Putin hat sich schon oft in diesem Krieg verkalkuliert. Aber hier dürfte er die Zeichen an der Wand sehen. Er kann nichts gewinnen, wenn er kommt. Die südafrikanische Regierung ist souverän. Aber ich hoffe, dass es gar nicht so weit kommt.
in Kiel verleiht das Institut für Weltwirtschaft zur Stunde die Weltwirtschaftlichen Preise 2023 (WWP) an drei Preisträger. Seit 2005 zeichnet das renommierte Institut Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft dafür aus, Wohlstand und Lebensqualität der Menschen in der globalisierten Welt zu fördern und zu verbessern. Der Preis würdigt insbesondere die Verbindung von Marktwirtschaft mit sozialer Verantwortung und soll Anstöße geben, die großen weltwirtschaftlichen Herausforderungen durch kreative Problemlösungen zu bewältigen.
In diesem Jahr steht Afrika im Fokus der Auszeichnung. Grund genug für uns, Ihnen ganz aktuell die hochrangigen Preisträger des WWP 2023 vorzustellen. Mit Leonard Wantchekon, dem Gründer der African School of Economics, konnten wir kurz vor der Verleihung ein Gespräch führen, das Sie ebenfalls in dieser Sonderausgabe des Africa.Table finden.
Die Preisverleihung soll am Montag, 19. Juni von 17.30 Uhr an stattfinden. Unter diesem Link können Sie online daran teilnehmen: https://www.youtube.com/watch?v=BOTKKRyrVCI
Die Nigerianerin Ngozi Okonjo-Iweala ist seit gut zwei Jahren Generaldirektorin der World Trade Organization (WTO). Die in Genf ansässige Institution regelt die weltweiten Handels- und Wirtschaftsbeziehungen. Neben dem IWF und der Weltbank ist die WTO eine der zentralen internationalen Organisationen, die diese Themen mit globaler Reichweite verhandelt.
Ngozi Okonjo-Iweala, Generaldirektorin der WTO.
Okonjo-Iweala wurde ausgezeichnet für ihre maßgebliche Beteiligung an Wirtschaftsreformen in Nigeria, die zur Stabilisierung der Ökonomie und zur Verbesserung der steuerlichen Transparenz beigetragen hätten. Sie habe sich persönlich stark engagiert, betrügerische Machenschaften auszumerzen, die dem Land Ressourcen entziehen und den Armen wichtige Dienstleistungen vorenthalten. Damit sei die WTO-Generaldirektorin zur Vorreiterin im Kampf gegen die Korruption geworden. Als geschickte und hartnäckige Verhandlerin genieße sie das Vertrauen vieler Regierungen und anderer Interessengruppen.
Mit Eleni Gabre-Madhin erhält eine weitsichtige und gesellschaftlich verantwortungsbewusste Unternehmerin die Auszeichnung. Sie habe mit ihrem Einsatz maßgeblich dazu beigetragen, vor allem die Lebensbedingungen der ländlichen Bevölkerung und vieler junger Menschen in Afrika zu verbessern. Zudem gründete sie mit Eleni LLC ein Unternehmen für die Entwicklung von Rohstoffbörsen in Afrika. Stark engagiert ist sie darüber hinaus bei Äthiopiens führendem Inkubator und Investor für Startups im Agrarbereich. In ihrer gegenwärtigen Rolle als Chief Innovation Officer beim Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen setze sie eine revolutionäre Finanzierungsinitiative für wegweisende Jugendgründungen in Afrika um.
Leonard Wantchekon und Eleni Gabre-Madhin im Institut für Weltwirtschaft in Kiel.
Die dritte Auszeichnung geht in diesem Jahr an den Wirtschaftsprofessor Leonard Wantchekon, Gründer und Präsident der African School of Economics und Professor an der Princeton University. Die Jury des IfW würdigte ihn als herausragenden Politökonomen, Wirtschaftshistoriker und Entwicklungsökonom. Durch seine Herkunft habe Wantchekon einen einzigartigen Blick auf entwicklungsökonomische Probleme. Innovative wissenschaftliche Methoden und die daraus resultierenden bahnbrechenden Arbeiten des Princeton-Professors hätten ihm weltweite Anerkennung beschert. Die von ihm gegründete und geleitete African School of Economics öffne afrikanischen Studierenden den Weg zu einer international anerkannten wirtschaftswissenschaftlichen Ausbildung. Durch die Verknüpfung einer rigorosen methodischen Ausbildung mit multidisziplinären Inhalten zur afrikanischen Vergangenheit und Gegenwart vermittle er den Studierenden ein ausgeprägtes Verständnis für die Entwicklung auf dem gesamten Kontinent.
Table.Media sprach kurz vor der Preisverleihung mit Leonard Wantchekon.
Start-ups
WTO
Interview
“Afrika macht Fortschritte – das wird oft übersehen”
Leonard Wantchekon ist Professor für Ökonomie und Gründer der African School of Business.
In der Laudatio zur Verleihung des Weltwirtschaftspreises an Sie heißt es: Ohne die von Ihnen gegründete African School of Economics und ihre innovativen wissenschaftlichen Methoden müssten afrikanische Talente auf andere Kontinente emigrieren, um einen hochwertigen Studienabschluss zu erhalten. Was ist die Besonderheit Ihrer Universität?
Wir verbinden drei Ansätze in Forschung und Lehre: Geschichte, Statistik und Mikroökonomie. Dabei beziehen wir Daten bis zurück ins 19. Jahrhundert in unsere Arbeit ein. Geschichte auf Mikroebene zu lernen, bis hinein in die individuelle Vergangenheit der Menschen, ist eine neue Art, Geschichte zu lehren. So geben wir den Menschen eine Stimme und bringen ihnen bei, nicht nur zu lernen, sondern mit ihrem Wissen auch etwas Sinnvolles zu tun – ein Unternehmen zu gründen, Güter zu produzieren oder mit anderen Wissensträgern zusammenzuarbeiten. Und ganz wichtig: Es braucht Unternehmergeist. Entwicklung für Afrika ist nur mit diesen beiden Elementen zu haben: hoch qualifizierte Bildung und Unternehmergeist.
Verbessert sich das Bildungsniveau schnell genug?
Noch nicht schnell genug, wenn sich auch das Schulwesen in vielen afrikanischen Ländern während der vergangenen Jahre deutlich verbessert hat. Schulische Bildung muss noch viel mehr in der Gesellschaft verankert sein. Das ist nicht nur Sache des Staates. Wenn wir junge Menschen mit ihrer Vergangenheit, mit ihrer unmittelbaren Umgebung und Geschichte verbinden, machen wir sie neugierig und lernbegierig.
Gibt es eigentlich deutsche Universitäten, mit denen eine Zusammenarbeit für Sie spannend wäre?
Natürlich, wir arbeiten bereits mit der Universität Mannheim, mit der Hertie School of Governance in Berlin oder mit den Hochschulen in Frankfurt und Bonn zusammen. Ich glaube im Übrigen, dass unsere Ideen und Ansätze auch für europäische Universitäten interessant sein könnten. Die Zukunft entdecken durch Lernen aus der Vergangenheit, das funktioniert auf der ganzen Welt. Wir entwickeln diese interdisziplinäre Herangehensweise gerade weiter. Bei der Gründung waren wir rein wirtschaftlich orientiert, heute erweitern wir um Wissenschaft, eine Business School und eine ingenieurwissenschaftliche Ausbildung.
Afrikas Selbstbewusstsein hat deutlich zugenommen. Die afrikanischen Länder wollen keine Almosen, sondern Hilfe zur Selbsthilfe, eine Beziehung auf Augenhöhe. Begegnet der Westen diesem Selbstbewusstsein auf adäquate Weise?
Die Einstellung hat sich bis heute sicher noch nicht überall verändert. Wir sollten von afrikanischen Regierungen nicht erwarten, dass sie sich bei allen Entscheidungen an westliche Vorstellungen anpassen. Sie sind souveräne Staaten. Also von Augenhöhe würde ich nicht sprechen. Viele Menschen betrachten Afrika noch immer sehr klischeehaft. Es geht um Entwicklungshilfe, lasst uns den Armen helfen, diese schreckliche Korruption.
Tatsache ist: Afrika ist ein völlig anderer Kontinent als vor 40 Jahren. Die Fortschritte werden gerne übersehen, aber es sind vielfach Riesenfortschritte. Den Medien kommt bei der Vermittlung eines zeitgemäßen Afrika-Bildes natürlich eine bedeutende Rolle zu. Das Narrativ über Afrika muss sich ändern. Dazu brauchen wir nicht nur Politik und Wirtschaft, sondern vor allem auch Bildung, Kunst und eben Kommunikation. Ich sage Ihnen: Das afrikanische Glas ist halb voll, nicht halb leer.
In wenigen Wochen wird Südafrika Gastgeber des BRICS-Gipfels sein. Mit dem russischen Präsidenten Putin ist ein extrem schwieriger Gast eingeladen, der im Land sofort festgenommen werden müsste. Wagen Sie eine Prognose, wie sich die südafrikanische Regierung verhalten wird, falls Putin kommen sollte?
Ich glaube, Putin hat sich schon oft in diesem Krieg verkalkuliert. Aber hier dürfte er die Zeichen an der Wand sehen. Er kann nichts gewinnen, wenn er kommt. Die südafrikanische Regierung ist souverän. Aber ich hoffe, dass es gar nicht so weit kommt.