Table.Briefing: Africa

Nigeria unter Zugzwang + Kritik an EU-AKP-Abkommen + Afrikas Erwartungen an COP28

Liebe Leserin, lieber Leser,

Afrika ist in diesem Jahr in einem Maße in das Bewusstsein der deutschen Öffentlichkeit gerückt wie in vielen Jahren zuvor nicht. Die G20-Konferenz Compact with Africa am gestrigen Montag war der Höhepunkt. Am heutigen Dienstag geht es weiter mit einem Wirtschaftsforum Nigeria. Nach den Reden des Vortags machen wir einen Kassensturz: Wo steht Nigerias Wirtschaft? Ist die Lage wirklich so schlimm, wie es die Medienberichte vermuten lassen? Wir schauen auf die Fakten.

Im Compact-Trubel ist weitgehend untergegangen, dass die EU und die AKP-Staaten endlich das Post-Cotonou-Abkommen unterzeichnet haben. Der aus Tansania stammende Journalist Harrison Mwilima, der heute in Berlin lebt, analysiert, warum viele afrikanische Regierungen über Europa verärgert sind.

Im Gazakrieg schlagen sich viele afrikanische Regierungen auf die Seiten Palästinas. Dabei spielen alte Verbindungen eine Rolle. Doch manche Länder bekennen sich auch eindeutig zu Israel. Andreas Sieren beschreibt, wie der neue Nahostkonflikt in Afrika aufgenommen wird.

Mercedes-Benz glaubt fest an die Elektromobilität in Südafrika und will den Vertrieb dort entscheidend voranbringen. Dabei muss der deutsche Autohersteller ungewöhnliche Wege gehen.

Wir wünschen Ihnen eine interessante und spannende Lektüre.

Ihr
Christian von Hiller
Bild von Christian  von Hiller

Analyse

Nigerias wirtschaftspolitischer Wettlauf gegen die Zeit

Nigeria wirbt derzeit mit Macht um Vertrauen in seine Wirtschaft. Dazu ist Präsident Bola Tinubu gerade in Berlin und wirbt am heutigen Dienstag auf dem Deutsch-Nigerianischen Wirtschaftsforum für sein Land. Deutsche Unternehmen sollen verstärkt investieren. Schon Ende Oktober hatte die Regierung auf dem 29. Nigerianischen Wirtschaftsgipfel mit großer Personalstärke geworben: Präsident Tinubu kam mit Vizepräsident Kashim Shettima. Weitere Würdenträger stellten sich ein: der Präsident des Senats, der Sprecher des Repräsentantenhauses, verschiedene Minister und Gouverneure diverser Bundesstaaten. Aber auch große Unternehmen waren mit ihren Vorständen vertreten: etwa von Flour Mills Nigeria, OCP Fertilisers, Unilever Nigeria and Ghana, Helios Investment Partners, Google West Africa, Sterling Bank oder Afrexim Bank. Afrikas reichster Unternehmer, Aliko Dangote, nahm an dem Gipfel ebenfalls teil.

Nigerias Wirtschaft kann gute Nachrichten gut brauchen. Präsident Tinubu, seit Mai dieses Jahres im Amt, hat das Land von seinem Vorgänger Muhammadu Buhari in einem schlechten Zustand übernommen. Die Wachstumsraten von sieben Prozent jährlich im Durchschnitt der Jahre 2000 bis 2014 täuschten darüber hinweg, wie abhängig Nigeria von der Ölwirtschaft und wie fragil die gesamte Wirtschaft ist. Als nach Buharis Amtsantritt 2015 mit den Ölpreisen die Wachstumsraten sanken, blieb der Präsident weitgehend untätig.

Fluch des Ölreichtums

Nigeria ist ein klassischer Fall der Holländischen Krankheit. Damit beschreiben Volkswirte die negativen Folgen, die Rohstoffe für eine Wirtschaft bewirken können: Durch die hohen Exporterlöse aus dem Rohstoffverkauf fließen vermehrt Devisen ins Land, deren Umtausch zu einer realen, also nach Abzug der Inflation, Aufwertung der inländischen Währung führt. Das macht Importe billiger und Exporte teurer, wodurch sich die Wettbewerbsfähigkeit der nationalen Wirtschaft verschlechtert. Das hat im Falle Nigerias große Teile der Wirtschaft zerstört. So liegen beispielsweise tausende Hektar Plantagen brach, weil sich die Ernte des Palmöls nicht lohnt.

Zur Bekämpfung bleiben einer Regierung wenig Mittel. Der Ökonom Joseph Stiglitz empfiehlt, Devisen in Höhe des Leistungsbilanzüberschusses nicht umzutauschen, sondern im Ausland zu investieren. Durch diese Intervention am Devisenmarkt können eine Aufwertung der heimischen Währung und die einseitige Konzentration auf Rohstoffe abgewendet werden. So macht es Norwegen. In Nigeria waren die Symptome der “Holländischen Krankheit” besonders absurd geworden. So hatte das Ölland Nigeria lange Benzin und Diesel importiert, weil im Land erst jetzt die erste Raffinerie eingeweiht wurde.

Schwerste Krise seit Jahrzehnten

Tinubu will die Abhängigkeit der Wirtschaft vom Rohöl mindern, Importe nicht mehr begünstigen und die lokale Industrieproduktion stärken. Dazu hat er das komplizierte System mit subventionierten Wechselkursen gebrochen. Vor allem hat er auch die Subventionen für die Bevölkerung auf Benzin gestrichen. Gleichzeitig will er Steuern besser erheben und so die Staatsfinanzen verbessern.

Das warf das Land in die schwerste Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten. Schwache Fundamentaldaten trieben die Inflation im August mit 25,8 Prozent auf den höchsten Stand seit 17 Jahren. Zusammen mit einem schwachen Wachstum von voraussichtlich 2,9 Prozent in diesem Jahr sind Millionen Nigerianer von Armut betroffen.

Eine Alternative zu dieser Austeritätspolitik hat Tinubu nicht. Im besten Fall hat er Nigeria in eine Anpassungsrezession gestoßen. Dann wären die aktuellen Schwierigkeiten die Folgen einer Rosskur: Die Wirtschaft wird erst zurückgeworfen und kann dann auf einer reformierten Basis umso stärker durchstarten. Dann wäre die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft so gestärkt, dass sie nicht nur Importen standhalten, sondern auch exportieren kann. Sollte dies gelingen, könnte Nigeria endlich aus dem Vorteil, größte Volkswirtschaft des Kontinents zu sein, wirtschaftlichen Gewinn ziehen.

Es spricht manches dafür, dass dies gelingt. “Nach dem Regierungswechsel im Mai 2023 steht das Land an einem Scheideweg und hat die einmalige Chance, auf einen nachhaltigen und integrativen Wachstumspfad zurückzukehren“, heißt es in einer Analyse der Weltbank. “Es wird erwartet, dass die Wirtschaft zwischen 2023 und 2025 um durchschnittlich 3,4 Prozent wächst und dabei von den durchgeführten Reformen, einer Erholung im Agrar- und Dienstleistungssektor und im Laufe der Zeit einem größeren Spielraum für staatliche Entwicklungsausgaben profitiert.”

Allerdings ist das Risiko nicht zu unterschätzen, dass der Unmut der Bevölkerung in Massenproteste umschlägt und die Regierung die notwendigen Reformen unter dem Druck der Straße wieder zurücknehmen muss. Deshalb braucht Tinubu nicht nur wirtschaftliche Hilfe aus Europa, sondern in erster Linie rasche unbürokratische Unterstützung in Form von Investitionen und Industrieansiedlungen. Darum wird es bei den Wirtschaftsgesprächen am heutigen Dienstag in Berlin gehen.

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EU ignoriert im Abkommen mit AKP-Staaten wichtige Bedenken aus Afrika

Am 15. November haben die EU und die Organisation Afrikanischer, Karibischer und Pazifischer Staaten (OACPS) nach langen Verhandlungen ihr neues Abkommen offiziell unterzeichnet. Es erhielt den Namen Samoa-Abkommen, benannt nach dem polynesischen Staat, in dem die Unterzeichnung stattfand. Die neue Vereinbarung regelt die politischen, wirtschaftlichen und entwicklungspolitischen Beziehungen zwischen den 27 EU-Mitgliedstaaten und den 79 OACPS-Ländern für die nächsten 20 Jahre. Zu den OACPS-Mitgliedern zählen 47 Staaten aus Afrika, 16 aus der Karibik und 15 aus der Pazifikregion sowie die Republik Malediven. Die Organisation ist ein künstliches Konstrukt, eigens geschaffen für die Handelsbeziehungen der EU mit Ländern des Globalen Südens.

Die vorläufige Anwendung des Abkommens beginnt am 1. Januar 2024. Offiziell tritt es in Kraft, sobald alle EU-Mitgliedstaaten und mindestens zwei Drittel der OACPS-Mitglieder es ratifiziert haben. Die Zwei-Drittel-Anforderung seitens der OACPS wird voraussichtlich nicht erreicht.

Von den 79 Mitgliedern der OACPS haben 35 Länder das Samoa-Abkommen bisher nicht unterzeichnet. Darunter sind 20 afrikanische Länder: Benin, Botswana, Burundi, Zentralafrika, Äquatorialguinea, Eritrea, Eswatini, Guinea-Bissau, Liberia, Madagaskar, Malawi, Mali, Mauretanien, Namibia, Nigeria, Ruanda, Senegal, Somalia, Tansania und Uganda.

Länder mit wachsender Bedeutung für Europa

Länder wie Namibia, Nigeria und Senegal sind derzeit für die EU und ihre Mitgliedstaaten von großer Bedeutung. Namibia hat kürzlich eine Partnerschaft mit der EU zu nachhaltigen Rohstoffen und grünem Wasserstoff unterzeichnet und ist damit ein Hauptakteur in den europäischen Bemühungen um die Entwicklung von Wasserstoff geworden. Nigeria und Senegal haben an Bedeutung gewonnen, seitdem Europa versucht, seine Abhängigkeit von Erdgas aus Russland zu verringern. Beide Länder haben kürzlich Verträge mit einigen europäischen Ländern unterzeichnet, um diese mit Erdgas zu versorgen.

Es bleibt abzuwarten, ob die verbleibenden OACPS-Mitglieder den Pakt unterzeichnen werden. Auf EU-Seite gibt es jedoch verschiedene Mechanismen, um sicherzustellen, dass sich die Länder an die Arbeit machen. In einem Bericht der größten lokalen Zeitung, Samoa Observer, wird die EU-Kommissarin für internationale Partnerschaften, Jutta Urpilainen, zitiert. Sie hatte demnach gedroht, dass Länder, die das Abkommen nicht bis Ende des Jahres unterzeichnen, den Zugang zu finanziellen Mitteln der Europäischen Investitionsbank verlieren könnten. Eine weitere Konsequenz sei laut Urpilainen, dass die EU jene OACPS-Länder, die das Abkommen nicht mittragen, von der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP-EU im Februar nächsten Jahres ausschließt.

Anstatt unterschiedliche Konditionalitäten anzuwenden, etwa den Entzug der Hilfe oder den Ausschluss von Nichtunterzeichnern von der Teilnahme an Initiativen gemeinsamer Institutionen, sollte die EU jedoch auf die Zweifel reagieren, die einige AKP-Staaten laut äußern.

Namibia hält dem Druck der EU stand

Die Regierung von Namibia lässt sich von den Drohungen der EU nicht beeindrucken. Sie hat bereits angekündigt, das Abkommen nicht zu unterzeichnen. Die größte Tageszeitung, The Namibian, zitierte die stellvertretende Premierministerin und Ministerin für internationale Beziehungen und Zusammenarbeit, Netumbo Nandi-Ndaitwah. Diese sagte, dass es Bestimmungen im Pakt gebe, die nicht im Einklang mit der Verfassung des Landes stünden.

Zu den kritischen Punkten zählt Namibia die Unsicherheit in Bezug auf Protokolle, die eine Verpflichtung zur Umsetzung von Maßnahmen auf Grundlage der Erklärung von Peking und der Internationalen Konferenz über Bevölkerung und Entwicklung erfordern, sowie ein Artikel, der andere Vereinbarungen mit Dritten verbietet. Laut Nandi-Ndaitwah hat die Regierung von Namibia ihre Bedenken schon im Februar 2022 der EU mitgeteilt. Allerdings wurden sie in der endgültigen Fassung ignoriert.

Darüber hinaus besteht in vielen Punkten die Kritik am vorherigen Cotonou-Abkommen fort. So wird die Bestimmung, die die AKP-Staaten zur Unterzeichnung von Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) verpflichtet, im neuen Abkommen weiter als wesentlich erachtet. Einige afrikanische Länder sind jedoch der Ansicht, dass diese Handelspolitik zur Zerstörung ihrer lokalen Industrie führen könnte. Das ist besonders dann der Fall, wenn europäische Hersteller subventionierte Produkte ungehindert zu Discountpreisen auf ihre Märkte werfen können, ohne dass diese Länder ihre lokale Produktion durch Zölle schützen können.

Als die EU und die OACPS-Mitglieder ihr neues Abkommen aushandelten, bestand die Hoffnung, dass es zu Verbesserungen in ihrer Zusammenarbeit käme. Doch das Festhalten an früheren Kritikpunkten zeigt, dass die EU afrikanische Anliegen weiterhin ignoriert. Das ist keine gute Voraussetzung, um die Handelsbeziehungen der EU mit dem Globalen Süden auf eine neue tragfähige Grundlage zu stellen.

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Diplomatische Unterstützung aus Pretoria für die Palästinenser

Es hatte sich angedeutet: Am vorletzten Freitag war es so weit. Der israelische Botschafter in Südafrika, Eliav Belotserkovsky, wurde von der südafrikanischen Regierung in Pretoria einbestellt. Das Außenministerium monierte kritische Äußerungen des Botschafters über Südafrikas Pro-Palästina-Politik. In einer Stellungnahme heißt es: “Botschafter Belotserkovsky wird aufgefordert, sich im Einklang mit den Wiener Konventionen zu verhalten, die den Leitern diplomatischer Mission bestimmte Privilegien und Verantwortlichkeiten einräumen, darunter die Anerkennung der souveränen Entscheidungen des Gastlandes”. Außenministerin Naledi Pandor war empört: “Bei einigen Botschaftern in Südafrika scheint es eine seltene Praxis zu geben, dass sie einfach sagen, was sie wollen.”

Die pro-palästinensische Position von Südafrika sorgt international für Aufsehen. Das Land am Kap reiht sich damit in die Handvoll Staaten ein, die stärkeren diplomatischen Druck auf Israel ausüben als auf Palästina, darunter Staaten, von denen die internationale Gemeinschaft nichts anderes erwartet wie Iran, Russland oder die Türkei, aber auch Chile, Honduras, Belgien und Spanien.

In Afrika tendieren Staaten eher dazu, Verständnis für Palästina auszudrücken und setzen sich für eine Zweistaatenlösung ein. Viele afrikanische Länder, die in den 1960er Jahren die Entkolonialisierung erlebten, vergleichen ihre eigenen Erfahrungen mit denen des palästinensischen Volkes, das seit der Gründung Israels 1948 um seine Daseinsberechtigung kämpft. Der Vorsitzende der Kommission der Afrikanischen Union, Moussa Faki Mahamat, sieht die “Verweigerung der Grundrechte des palästinensischen Volkes, insbesondere des Rechts auf einen unabhängigen Staat” als die Hauptursache des derzeitigen Konflikts. Algerien etwa ist ein Unterstützer von Palästina, und spricht damit auch für die anderen islamischen Staaten in Nordafrika.

Aber es gibt auch afrikanische Staaten, die eher Israel unterstützen, darunter die Demokratische Republik Kongo, Ghana, Kenia und Sambia. Kameruns Präsident Paul Biya, der das Land seit 1982 regiert, gilt als engster Verbündeter Israels in Afrika. Die Beziehungen beruhen vor allem auf militärischer Kooperation. Neben Eritrea ist Kamerun auch das einzige Land auf dem Kontinent, dass Palästina als Staat nicht anerkennt. Äthiopien, das eine langjährige Verbindung zu Israel pflegt, positioniert sich hingegen neutral. Dabei sind seit 1977 viele äthiopische Juden nach Israel geholt worden. Seitdem sind die Verbindungen zwischen beiden Ländern recht eng. So investieren viele israelische Unternehmen beispielsweise in die äthiopische Landwirtschaft oder den Blumenanbau.

Grund für die pro-israelische Haltung afrikanischer Länder sind nicht immer enge diplomatische Beziehungen, sondern komplexe Verbindungen mit westlichen Staaten, mit denen es sich die jeweiligen Regierungen nicht verscherzen wollen. Der Westen ist nach wie vor wichtigster Geber von Entwicklungshilfe. Und manche afrikanischen Länder beziehen Waffen aus Israel, was sie wenig kritisch macht.   

Seit Ende des Kalten Kriegs hingegen ist Südafrika die stärkste palästinensische Stimme in Afrika. Schon der damalige Präsident Nelson Mandela verglich in den 1990er Jahren das Schicksal der Palästinenser mit dem der Schwarzen Südafrikaner unter dem weißen Apartheidstaat. Im vergangenen Jahr zeigte sich Außenministerin Pandor besorgt darüber, dass Israel die Vereinten Nationen weiterhin “bedeutende Teil des Westjordanlandes” besetzt hielt und rief die UN dazu auf, Israel als Apartheid-Staat zu klassifizieren.

Diese Haltung hat sich seit dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober verstärkt. Der südafrikanische Präsident, Cyril Ramaphosa, drückte zwar sein Beileid über die Opfer auf beiden Seiten aus, bekannte sich aber umgehend solidarisch mit Palästina. Auf dem Nahostgipfel in Kairo im Oktober erklärte er: “Wir haben einen mutigen Kampf für die Freiheit geführt und mussten unsägliches Leid ertragen, genau wie die Palästinenser.”

Pandor spricht sich mittlerweile für einen Haftbefehl gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanyahu. Die andauernde Bombardierung von Palästinensergebieten bezeichnet sie als “Völkermord im Entstehen”. Vergangene Woche forderte dann Ramaphosa den Internationalen Straafsgerichtshof formell auf, mögliche Kriegsverbrechen Israels zu untersuchen. Das südafrikanische Parlament plant, alle diplomatischen Beziehungen mit Israel abzubrechen.    

Inzwischen hat Pretoria auch alle südafrikanischen Diplomaten aus Tel Aviv abgezogen, um mit ihnen über das weitere Vorgehen “zu beraten”. Pandor hatte auch zuvor mit Hamas-Führern telefoniert, und traf sich in Teheran mit dem iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi, was ihr im eigenen Land die Kritik einbrachte, pro-Hamas zu sein.

Aber ähnlich wie im Ukrainekrieg bietet sich Südafrika jetzt als Vermittler für Friedensverhandlungen an und rief zu sofortiger Waffenruhe auf. Ein Sieben-Punkte-Friedensplan soll bereits vorbereitet sein. Damit versucht Südafrika wie im Ukrainekrieg im Namen des globalen Südens international Punkte zu sammeln. Auf dem Weg zum Frieden in der Ukraine gäbe es “Fortschritte”, so die Außenministerin kürzlich.

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Was Afrika von der COP28 erwartet

Die COP28, das Treffen der Klimalobbyisten, wird in diesem Jahr in Dubai an einen kritischen Punkt kommen. Erstmals soll der Global Stocktake, eine weltweite Bestandsaufnahme, vorgestellt werden. Seit 2021 werden die Umsetzung des Klimaabkommens von Paris und die gemeinsamen Fortschritte bei dessen Verwirklichung überprüft.  

Zu den Zielen des afrikanischen Kontinents zählen ein breiter Zugang zu Energie, die Nutzung erneuerbarer Energie und Investitionen in die entsprechende Infrastruktur und Netze. Beim Africa Climate Summit (ACS) im September in Nairobi hat sich der Kontinent als wichtiger Akteur der globalen Klimapolitik präsentiert, der bereit ist, seine Ressourcen für klimafreundliches Wachstum einzusetzen. Die Nairobi-Deklaration ruft dazu auf, erneuerbare Energien um mehr als 500 Prozent bis 2030 aufzustocken.

Vor allem müssen mehr Finanzmittel nach Afrika fließen, um Ländern zu helfen, CO2-Emissionen zu reduzieren und sich gleichzeitig an den Klimawandel anzupassen. Doch damit wird es nicht getan sein, denn bisher waren Klimafinanzierungen überwiegend als Darlehen konzipiert und haben die Verschuldung Afrikas in die Höhe getrieben.

Es geht auch um innovative Technologien, die das enorme Potential des Kontinents freisetzen, Umweltrisiken reduzieren, Wachstum ankurbeln und Arbeitsplätze schaffen: “Wenn es uns gelingt, diese lebensrettende Klimafinanzierung in Dubai zum Laufen zu bringen, wäre das ein großer Gewinn für Afrika und die klimagefährdeten Menschen auf der Welt”, meint Mohamed Adow, Direktor von Powers Shift Africa, einer afrikanischen Klimalobbyorganisation in Kenia.

Energiezugang, nicht Energiewende

Amani Abou-Zeid, Kommissarin für Energie und Infrastruktur der Afrikanischen Union, wünscht sich, dass fairere Wertschöpfungsketten in Afrika auf dem COP28-Gipfel diskutiert werden. “Wir haben große Chancen, einschließlich einer Fülle erneuerbarer Energieressourcen und Entwicklungsmineralien, aber wir sehen die Entwicklung auf unserem Kontinent nicht so, wie wir es uns gewünscht hätten”, sagte sie. “Die Herausforderung wird darin bestehen, dass wir kleinere Volkswirtschaften darstellen und dass wir nicht unbedingt miteinander verbunden sind.” Nach wie vor hat ein Großteil der Bevölkerung Afrikas keinen Zugang zu Elektrizität. Der Kontinent befindet sich nicht in einer Diskussion über den Übergang, sondern auf der Ebene eines Zugangs zu Energie.

Die Präsidenten von Kenia und Frankreich, William Ruto und Emmanuel Macron, haben bereits angekündigt, auf der COP28 auf neue Klimaabgaben zu drängen. Die beiden Länder wollen eine internationale Steuer-Taskforce ins Leben rufen. Überlegungen zielen auf Steuern für die internationale Schifffahrt, den Flugverkehr, Finanztransaktionen und fossile Brennstoffe. Die Idee einer globalen CO2-Besteuerung entstand während des Africa Climate Summit in Kenia und wurde zuletzt weiter vorangetrieben. Beim Paris Peace Forum vor zwei Wochen versprach die französische Staatssekretärin für Entwicklungspolitik, Chrysoula Zacharopoulou, eine umfassende Analyse aller Steueroptionen. “Es ist ein sensibles Gespräch, das mit einem kühlen Kopf geführt werden muss”, sagt die Ministerin.

Finanzierung auch für Südafrika zentral

Auch für Südafrika steht Klimafinanzierung bei der COP28 im Mittelpunkt. Seit 2009 gibt es Zusagen von rund 100 Milliarden US-Dollar von Industrieländern an Entwicklungsländer, die nicht erfüllt wurden. Die Regierung erhofft sich mehr Klarheit darüber, wie es weitergehen soll, und will über ein neues Ziel zur Finanzierung verhandeln, da die 100 Milliarden Dollar im nächsten Jahr auslaufen.

“Bis 2025 sollten wir die Verhandlungen über ein neues Ziel abgeschlossen haben”, sagte Maesela Kekana, Südafrikas Chefunterhändlerin für die COP28. Das neue Ziel müsse sich an den Bedürfnissen der Entwicklungsländer orientieren, denn das 100-Milliarden-Dollar-Ziel reiche für die Bedürfnisse der Zielländer nicht aus. “Diese Verhandlung ist also wirklich wichtig”, sagte Kekana weiter.

Angesichts der im Vergleich zum Rest der Welt schnelleren Erwärmung des Kontinents benötigen besonders Südafrika und der afrikanische Kontinent Anpassungsfinanzierungen. So wirbt Afrika dafür, besondere Bedürfnisse und Umstände auf die Verhandlungsagenda zu setzen. Das jedoch wurde bisher zurückgewiesen. “Die Anerkennung der besonderen Umstände des afrikanischen Kontinents wird ein wichtiger Schritt zur Wahrung des Prinzips der differenzierten Verantwortung sein und würde die Anfälligkeit des Kontinents für den Klimawandel anerkennen, aber auch die Notwendigkeit von Eindämmungs- und Anpassungsunterstützung”, sagte Barbara Creecy, südafrikanische Umweltministerin.

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News

Südafrika: Mercedes baut Netz von Elektroladesäulen

Mercedes-Benz South Africa baut die Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge in Südafrika aus. Der deutsche Autobauer hat sich dazu mit dem Unternehmen Chargify zusammengetan. Geplant ist, entlang der wichtigsten Strecken im Land mehr als 120 Ladestationen, die mit Gleich- und Wechselstrom ausgestattet werden, aufzustellen. Chargify ist eine Abrechnungs- und Umsatz-Management-Plattform des amerikanischen Software-Anbieters Tibco. Die Kosten für den Bau der Ladesäulen werden bei umgerechnet zwei Millionen Euro liegen.

Die Ladesäulen sollen in Ballungsräumen, an Flughäfen, in Einkaufszentren, in der Nähe von Restaurants, privaten Krankenhäusern, Wohnsiedlungen und Kleinstädten entstehen. Es ist geplant, im ersten Quartal 2024 67 Ladestationen der Marke Mercedes-Benz EQ in ganz Südafrika aufzustellen. Auch Nutzern anderer Marken werden sie zugänglich sein. EQ-Kunden erhalten einen Rabatt von zehn Prozent, wenn sie ihre Fahrzeuge über das Chargify-Netzwerk aufladen. In einer zweiten Phase, die nicht terminiert wurde, sollen weitere 60 Ladestationen hinzukommen.

Bald jeder zweite Verkauf mit Elektroantrieb

Mercedes ist auf dem südafrikanischen Markt mit einem Werk in East London vertreten und bietet derzeit sechs Elektromodelle in Südafrika an, vom EQA bis zum EQS. Mercedes-Benz erwartet in Südafrika eine steil steigende Nachfrage nach Elektrofahrzeugen. Bis 2027 wird nach den Erwartungen des Unternehmens jedes zweite verkaufte Fahrzeug im Land einen Elektroantrieb haben.

In Südafrika treiben verschiedene Anbieter den Ausbau der Ladeinfrastruktur voran. So hat das Unternehmen Zero Carbon Charge (Zero CC) angekündigt, alle 150 Kilometer entlang strategischer Routen in allen Provinzen Südafrikas ultraschnelle Ladestationen zu bauen. Zero CC will den Strom lokal erzeugen, sodass die Schnellladegeräte unabhängig vom Netz mit erneuerbarer Energie versorgt werden können. Bis zum ersten Quartal 2025 plant das Unternehmen mindestens 120 solcher HPC-Stationen. Die Installation des nationalen Netzwerks wird in der Provinz Nordwest entlang der Straße N12 beginnen.

Pionier beim Bau öffentlich zugänglicher Ladestationen in Südafrika war Audi. Schon Anfang 2022 hatte sich der deutsche Hersteller mit Grid Cars, Südafrikas größtem Betreiber eines Ladenetzes für Elektrofahrzeuge, verbündet. Grid Cars betreibt rund 400 Ladestationen im Land, die das Unternehmen in Zusammenarbeit mit Audi und Jaguar entwickelte. Der südafrikanische Vermögensverwalter Stanlib Asset Management hat im Sommer die Kontrolle beim Mehrheitseigner von Grid Cars, Solareff, übernommen.

Ein weiterer Betreiber, Rubicon, plant, seine Ladestationen bis Ende 2024 auf 250 zu erweitern. Darunter sollen 20 bis 30 neue 50-kW-Gleichstrom-Ladestationen mit Wechselstromadaptern bei Volvo-Händlern entstehen. Das südafrikanische Unternehmen Rubicon ist nicht zu verwechseln mit dem US-amerikanischen Unternehmen Rubicon Technologies oder mit Rubicon IT GmbH in Wien. hlr

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AfDB reicht Beschwerde gegen Äthiopien ein

Die Afrikanische Entwicklungsbank (AfDB) hat eine offizielle Beschwerde gegen die Behandlung von zwei Mitarbeitern des äthiopischen Büros der Bank bei den äthiopischen Behörden eingereicht. Laut einem Statement der Bank seien die AfDB-Mitarbeiter am 31. Oktober in Addis Abeba “rechtswidrig verhaftet, körperlich angegriffen und viele Stunden lang ohne offizielle Erklärung von Sicherheitskräften festgehalten” worden. Der Vorgang sei ein “sehr ernster diplomatischer Zwischenfall”.

Lokalen Medienberichten zufolge handelt es sich bei dem Vorfall um einen Disput zwischen der Bank und dem äthiopischen Finanzministerium. Dabei gehe es um Mitgliedsbeiträge, die Äthiopien nicht bezahlt haben soll. Weder die Bank noch die äthiopische Regierung haben dies offiziell bestätigt.

Äthiopiens Premierminister Abiy Ahmed hat die Freilassung der Mitarbeiter und eine unverzügliche Untersuchung des Vorfalls angeordnet. “Die Regierung hat den Eingang unserer Beschwerde offiziell bestätigt, die Schwere des Vorfalls anerkannt und uns versichert, dass alle an der Gesetzesübertretung Beteiligten gründlich untersucht und vor Gericht gestellt werden”, so die AfDB in ihrem Statement. Auf die Geschäfte der Bank in dem ostafrikanischen Land werde der Vorfall keine Auswirkungen haben.

Nach eigenen Angaben unterstützt die AfDB in Äthiopien derzeit acht Projekte mit einem Gesamtumfang von etwa 308 Millionen US-Dollar. Erst im September hatte die Bank hat ein Finanzierungspaket zum Bau von Stromleitungen bewilligt. ajs

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Amtsinhaber Rajoelina liegt bei Wahlen in Madagaskar vorn

Nach tagelangen gewalttätigen Unruhen in Madagaskar im Vorfeld der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen vergangene Woche ist in dem Inselstaat wieder Ruhe eingekehrt. Der amtierende Präsident Andry Rajoelina, 49, von der IRD-Partei führt derzeit die Hochrechnungen mit mehr als 60 Prozent der Stimmen. Stärkster Konkurrent ist der ehemalige Verbündete Rajoelinas, Siteny Randrianasoloniaiko, abgeschlagen mit rund 12 Prozent.

Elf Millionen Wähler, rund ein Drittel der Bevölkerung, waren für die Wahl registriert. Jedoch blieb die Wahlbeteiligung mit weniger als 40 Prozent auf einem historischen Tiefstand. Wegen der Unruhen waren die Wahlen um eine Woche verschoben worden. Rajeolina, ein ehemaliger Unternehmer, kam 2009 zum ersten Mal durch einen Militärcoup an die Macht und wurde Übergangspräsident. Damals war er Afrikas jüngstes Staatsoberhaupt. 2018 wurde zum zweiten Mal Präsident. Er ist zuversichtlich, wieder zu gewinnen, trotz wochenlanger, teilweise gewaltsam niedergeschlagener Proteste gegen ihn. Die Vereinten Nationen sprachen von “unnötiger und unverhältnismäßiger Gewalt”. Rajeolina nahm 2014 die französische Staatsbürgerschaft an und hätte demnach die Staatsbürgerschaft von Madagaskar abgeben müssen.

Die Opposition hatte im Vorfeld zum Wahlboykott aufgerufen. “Wir erkennen diese Wahlen nicht an, und die große Mehrheit der madagassischen Bevölkerung erkennt sie auch nicht an”, sagte Hajo Andrianainarivelo, Präsident von 2014 bis 2018 und einer der Oppositionskandidaten, die mangelnde demokratische Standards und niedrige Wahlbeteiligung in Madagaskar bemängeln. Bei den letzten Wahlen 2018 gingen noch 55 Prozent zu den Urnen. Auch Transparency International warnte vor einer Anerkennung des Wahlergebnisses, da der Wahlprozess “undurchsichtig und befangen” war.

Madagaskar, führender Produzent von Vanille, ist laut Weltbank eines der ärmsten Länder weltweit. Seit der Unabhängigkeit von Frankreich 1960 wurde es von einer Reihe von Krisen heimgesucht, zuletzt eine Hungersnot 2021 und 2022. Zwei Drittel der 30 Millionen Bewohner des Landes leben in Armut. Wichtige Einnahmequellen sind Landwirtschaft, Tourismus und Bergbau. Der Regierung werden enge Verbindungen zu Frankreich und Russland nachgesagt. Das vorläufige Endergebnis der Wahlen wird gegen Ende dieser Woche erwartet. Erreicht keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit, folgt am 20. Dezember eine Stichwahl. as

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Standpunkt

Afrika braucht Demokratien, die den Namen wert sind

Von Ghadafi Saibu
Ghadafi Saibu forscht am German Institute of Development and Sustainability (IDOS).

Die jüngsten Putsche in der Sahelzone sowie in West- und Zentralafrika scheinen in der afrikanischen Bevölkerung auf breite Unterstützung zu stoßen. Es gilt, aus diesen Ereignissen die richtigen Lehren ziehen, um weitere Putsche in Afrika zu vermeiden. Die große Frage ist, welche Art von Demokratie die internationale Gemeinschaft in Afrika unterstützen will. Gegenwärtig sind viele Länder Afrikas langjährige Wahlautokratien (Hybridregime), die sich hinter der Fassade von Wahlen nur als Demokratien ausgeben. Das Handeln oder auch das Nichthandeln der internationalen Akteure, die Demokratien in Afrika fördern wollen, lässt darauf schließen, dass sie diese Hybridregime unterstützen. Fast 64 Prozent der Netto-Entwicklungsleistungen aller Geber fließen in Länder, die nach international anerkannten Demokratieindizes wie dem Varieties of Democracy Index als nicht vollständig demokratisiert gelten. So können Entwicklungsleistungen dazu dienen, unvollständige Demokratien zu stabilisieren.

Wahlautokratie ist Afrikas häufigste Regierungsform

Demokratie ist in Afrika nicht mehr als ein zyklisches Phänomen, das durch scheinbar erfolgreiche Wahlen herbeigeführt wird, die allerdings mit einer Reihe systemischer Mängel einhergehen. So waren zwischen 1990 und 2023 etwa 70 Prozent der Regime in Afrika entweder geschlossene Autokratien (18 Prozent) oder Wahlautokratien (52 Prozent). Nur 25 Prozent waren Wahldemokratien und sechs Prozent liberale Demokratien. Die häufigste Regierungsform in afrikanischen Ländern scheint also die Wahlautokratie zu sein, die aufgrund erheblicher Unregelmäßigkeiten und Einschränkungen des Parteienwettbewerbs nicht demokratischen Standards entspricht.

Die Unterstützung dieser hybriden Regime erweckt den Eindruck, dass funktionierende Demokratien vorhanden sind. Tatsächlich sind diese jedoch nicht nachhaltig, denn sie sehen weder eine vertikale noch eine horizontale demokratische Rechenschaftspflicht vor, während öffentliches Geld und Ressourcen in großem Maßstab veruntreut werden. Aufgrund der institutionellen Schwächen und der Inkohärenz von Wahlautokratien sind die Regierenden nicht verpflichtet, ihre Wahlversprechen einzuhalten und können ungehindert ihre Macht missbrauchen. So kommt es, dass in vielen afrikanischen Ländern dringend benötigte öffentliche Güter fehlen, während sich korrupte Staatsbedienstete die Taschen füllen.

Scheindemokratien schaden dem Ansehen der Demokratie

Besonders problematisch ist, dass sich diese Regime durch scheinbar demokratische Wahlen als Demokratien ausgeben. Die Bevölkerung, die unter der Unfähigkeit ihrer Regierung leidet, zweifelt zunehmend an der Idee der Demokratie, weshalb andere Regierungsformen wie die Militärherrschaft beliebter werden. Menschen in ganz Afrika feierten die Staatsstreiche – nicht etwa, weil sie demokratische Systeme an sich ablehnen, sondern weil sie unzufrieden damit sind, wie die “Demokratie” funktioniert oder nicht funktioniert.

Ein weiterer wichtiger Punkt sind ungerechte Vereinbarungen zwischen afrikanischen Regierungen und ehemaligen Kolonialmächten, denn sie schüren Feindseligkeiten und begünstigen Staatsstreiche. Dies zeigt etwa der antikoloniale Diskurs gegen Frankreich bei den jüngsten Putschen. Die Bürger kritisieren ungerechte Steuerabkommen, die Monopolstellung von Air France in den frankophonen Ländern, die einseitige militärische Zusammenarbeit und die Dominanz französischer Unternehmen, zum Beispiel in den Uranminen. Verstärkt wurden diese Ressentiments durch die Ambitionen konkurrierender Supermächte, sich in der Region Wettbewerbsvorteile und eine Vormachtstellung zu verschaffen. So soll Russland mit Desinformationskampagnen die Stimmung zugunsten antidemokratischer Akteure in der Region aufgeheizt haben. Die Militärjuntas in diesen Ländern beziehen sich oft strategisch auf Russland. Allerdings war Russlands Rolle in vielen dieser Länder bisher eher rhetorischer Natur.

Demokratie ist mehr als nur Wahlen

Die Arbeit demokratischer Akteure wie der Ecowas sollte zur Stärkung der Demokratie über die Ermöglichung von Wahlen hinausgehen. Außerdem ist es notwendig, die demokratischen Verfahren zu institutionalisieren und zu festigen. Der derzeitige Ansatz internationaler Akteure, Hybridregime als gültige Form der Demokratie anzuerkennen, legt nahe, dass Wahlautokratien bereits liberalen Standards genügen würden. Allerdings gelten Wahlautokratien als eine fragile und defizitäre Form der Demokratie – weitere Schritte zur Demokratisierung sind notwendig. Zudem lässt sich die Zustimmung der afrikanischen Bevölkerung zur Demokratie nur dann gewinnen, wenn keine ungerechten (post-)kolonialen politischen Vereinbarungen mehr geschlossen werden.

Ghadafi Saibu ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am German Institute of Development and Sustainability (IDOS) im Forschungsprogramm “Transformation politischer (Un-)Ordnung”. Er ist Politikwissenschaftler und arbeitet an Themen wie soziale Kohäsion, Demokratisierung, Autokratisierung, Desinformation in sozialen Medien, Gewaltausbrüche bei Wahlen und Bürgerkrieg.

Dieser leicht gekürzte Beitrag erschien ursprünglich in der Aktuellen Kolumne des German Institute of Development and Sustainability (IDOS), die jeden Montag Entwicklungen und Themen der internationalen Entwicklungspolitik kommentiert.

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Presseschau

Reuters: IWF muss möglicherweise das Ägypten-Programm wegen des Gaza-Krieges ausweiten. Der IWF erwägt laut ihrer geschäftsführenden Direktorin Kristalina Georgieva eine Aufstockung des Kreditprogramms für Ägypten. Grund seien wirtschaftlichen Schwierigkeiten nach den Terroranschlägen der Hamas in Israel. Aktuell liegt das Programm bei drei Milliarden Dollar.

Wall Street Journal: Miliz im Zentrum des Darfur-Genozids tötet Hunderte im Sudan. Eine Gruppe, die aus der berüchtigten Janjaweed-Miliz hervorgegangen ist, wird für die Ermordung von etwa 800 Menschen in einem Flüchtlingslager verantwortlich gemacht. In der Siedlung Ardamata im Westen Darfurs lebten etwa 30.000 nicht-arabische Sudanesen, die vor früheren Kämpfen im Bürgerkrieg des Landes geflohen waren.

African Business: Saudi-Arabien will Hunderte Millionen Dollar in Afrika investieren. Auf der saudi-arabisch-afrikanischen Wirtschaftskonferenz in Riad hat Saudi-Arabien afrikanischen Staaten Hunderte von Millionen Dollar an Krediten und Investitionen zugesagt. Das Land versucht, seinen politischen Einfluss auf dem Kontinent auszuweiten.

Africa Intelligence: Weltbank erwartet neue Auszahlungen für Staudämme in Burundi. Zwei burundische Wasserkraftwerke sollten bis Ende des Jahres in Betrieb genommen werden, doch ihr Bau liegt zwei Jahre hinter dem Zeitplan zurück. Einer der Hauptunterstützer des 50-MW-Projekts, die Weltbank, erwägt, weitere 50 Millionen US-Dollar bereitzustellen. Die Europäische Investitionsbank (EIB) und die Afrikanische Entwicklungsbank (AfDB) beteiligen sich auch an der Finanzierung.

African Arguments: Grüne Ausbeutung ist immer noch Ausbeutung. Fast 150 Jahre nach dem ersten “Scramble for Africa” werde das Narrativ der grünen Transformation und der Rolle Afrikas dabei hauptsächlich in europäischen Hauptstädten und für westliche Interessen gestaltet, beklagt eine Gruppe von Experten. Dies müsse sich ändern, denn wenn Afrikas Staats- und Regierungschefs der Versuchung kurzfristiger Gewinne nachgeben, werde der Abbau von Afrikas Mineralien der altbekannten kolonialen Dynamik folgen.

L’Économiste: Börse Casablanca stellt die neue Zusammensetzung des Index Masi ESG vor. Die Börse Casablanca hat die Berechnung der Nachhaltigkeitsstrategien der Unternehmen, die im Aktienindex Masi ESG gelistet sind, neu zusammengestellt. Gleichzeitig wurde er auf 20 Titel erweitert. Künftig wird der Index nach der Methode des Indexanbieters Refinitiv auf der Basis von 160 Kriterien berechnet.

News24: Steinhoff International Holding wird liquidiert. Ein Stück deutsche Wirtschaft in Südafrika ist abgewickelt worden. Nach einer beispiellosen Aufeinanderfolge von Bilanzmanipulationen und Betrügereien ist das Unternehmen, das der deutsche Möbelunternehmer Bruno Steinhoff in Südafrika gegründet und an die Börse geführt hatte, nun Geschichte.

Business Week: Diese fünf Länder sind wichtige “Verbindungsstücke” in einer fragmentierten Welt. Als einziges Land in Afrika zählt das amerikanische Wirtschaftsmagazin Marokko zu den Ländern, die von den geoökonomischen Veränderungen profitieren. Das Königreich werde am stärksten einen Nutzen aus der neuen Zusammensetzung der globalen Wertschöpfungsketten ziehen, zusammen mit Vietnam, Polen, Mexiko und Indonesien.

Heads

Patrice Motsepe – Unternehmer, der trotz schlechter Zahlen die Börse überzeugt

Patrice Motsepe
Patrice Motsepe, Gründer und Executive Chairman von Africa Rainbow Minerals.

Patrice Motsepe ist ein Kunststück gelungen, dass nur wenige Unternehmer schaffen: Trotz schlechter Zahlen überzeugt er die Börse. Er hatte einen Rückgang des Gewinns vermeldet und dennoch den Abwärtstrend der Aktie gebrochen. Am 26. Oktober hatte das an der Börse Johannesburg gelistete Bergbauunternehmen African Rainbow Minerals (ARM) seine Jahreszahlen vorgelegt. Bis dahin hat sich der Aktienkurs in diesem Jahr auf 150 Rand (7,50 Euro) halbiert. Die Zahlen für das zu Ende gegangene Geschäftsjahr 2023 waren schwach: Der Umsatz sank um 13 Prozent, der Rohgewinn um 37 Prozent. Trotzdem ist der Aktienkurs seitdem um gut 11 Prozent auf 167 Rand gestiegen.

Wie konnte Motsepe dennoch den Aktienkurs drehen? Zunächst hat er drastische Personalentscheidungen getroffen und sich von seinem Non-Executive Director Michael Arnold getrennt. Dieser hatte bis 2017 die Finanzen verantwortet. Seit 2020 ist die erst 41 Jahre alte Tsundzukani Mhlanga Finanzvorstand.

Schließlich scheint das Argument zu verfangen, dass nicht operative Mängel schuld sind, sondern die Marktlage. Richtig ist, dass African Rainbow 36,5 Prozent des Umsatzes mit Platin erzielt und dass sich Platin in einem starken Preisverfall befindet. Seit Jahresbeginn ist der Preis um mehr als 15 Prozent gestürzt.

Analysten sehen großes Potenzial

Offenbar hat Motsepe die Analysten überzeugt. Sie erwarten im Durchschnitt, dass der Aktienkurs ein Potenzial von gut 20 Prozent auf mehr als 200 Rand hat. Das Erstaunliche: Die Analysten erwarten auch für das laufende Geschäftsjahr einen Fall des Rohgewinns um weitere 20 Prozent. Doch in Bezug auf Profitabilität, Finanzstärke und Rendite hebt sich African Rainbow von den Wettbewerbern an der Börse Johannesburg positiv ab.

Schließlich erhöht Motsepe die Dividende von 1,20 Rand auf 1,40 Rand (0,07 Euro). Dank seiner Finanzstärke kann African Rainbow die Dividendenerhöhung leicht aus den Rücklagen finanzieren.

Patrice Motsepe, 61 Jahre alt, zählt zu den herausragenden Schwarzen Unternehmern in Südafrika. Er stammt – wie aufgrund der Apartheid für seine Generation üblich – aus bescheidenen Verhältnissen. Sein Vater hatte in Soweto einen Spaza shop betrieben, einen kleinen Laden, der vor allem die Bergbauarbeiter bediente und den er zu Hause eingerichtet hatte.

Eine erfolgreiche Familie

Heute ist die Familie Motsepe nicht nur dank Patrice Teil des Establishments. Seine Schwester Tshepo Motsepe hatte Medizin studiert und ist seit 1996 die dritte Frau von Staatspräsident Cyril Ramaphosa. Die zweite Schwester, Bridgette Radebe, ist ebenfalls eine erfolgreiche Unternehmerin im Bergbau. Sie ist Gründerin von Mmakau Mining und Mitglied im Brics Business Council. Patrice Motsepes Frau, Precious Moloi-Motsepe, hatte Medizin studiert, ist Rektorin der Universität Kapstadt und Gründerin des Modeunternehmens African Fashion International, das sich als “sozialbewusste, afrikanische Plattform für Luxusmode” versteht.

Patrice Motsepe selbst absolvierte ein Jurastudium an den Universitäten Swasiland und Witwatersrand und wurde 1994 der erste Schwarze Anwalt in der eingesessenen Kanzlei Bowman Gilfillan. Motsepe gründete bald darauf Future Mining, einen Dienstleister für den Bergbau. 1997, als der Goldpreis auf ein Tief von 331 Dollar je Feinunze (3,1 Gramm) gefallen war, begann Motsepe von den Bergbaukonzernen sogenannte marginale Goldminen zu kaufen, Minen, die nicht mehr kostendeckend arbeiteten. Das war der Grundstein von African Rainbow Minerals. Im Jahr 2002 führte er das Unternehmen an die Börse Johannesburg. Im Jahr 2008 gelang Motsepe als erstem Schwarzen Afrikaner der Sprung in die Milliardärsliste des US-Magazins Forbes. Heute wird sein Vermögen auf 2,4 Milliarden Dollar geschätzt.

Investor und Fußballfunktionär

2003 gründete er Ubuntu-Botho Investments, die 2016 African Rainbow Capital gründete, eine Investmentgesellschaft, die mittlerweile an mehr als 40 Unternehmen in Südafrika beteiligt ist, etwa an der Digitalbank Tyme, der Finanzgesellschaft Alexander Forbes, dem Landwirtschaftsunternehmen BKB, dem Telekom-Unternehmen Rain oder dem Luxusresort Val de Vie.

Für Extravaganzen ist der Unternehmer nicht bekannt. Allerdings hat er sich einen Fußballklub gegönnt und 2003 den Mamelodi Sundowns FC gekauft, der von seinen Fans Sundowners genannt wird und in der südafrikanischen Premier Soccer League spielt. Am Rugbyteam Blue Bulls ist er ebenfalls beteiligt. In Südafrika wurde Motsepe vor allem als Präsident des südafrikanischen Fußballverbands bekannt. Vor zwei Jahren wurde er zudem zum Präsidenten des afrikanischen Fußballverbands CAF gewählt. Seitdem leitet sein Sohn Thlopie Motsepe die Sundowners.

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Dessert

Hagel in Südafrika
Der Hagel in Johannesburg zerstörte Hausdächer, Solaranlagen – und Windschutzscheiben.

Es sollte ein normales Abendessen beim Chinesen werden, Montag vergangene Woche in Sunninghill, einem nördlichen Vorort von Johannesburg, als riesige dunkle Wolken aufzogen. Dann kommt eine Hagelsturmwarnung per SMS. Ich dränge auf die Rechnung. Minuten später im Auto setzt Sprühregen ein. 300 Meter weiter beginnt der Hagel. Innerhalb weniger Sekunden fängt es laut an zu knallen.

Ich versuche mit Vollgas dem Hagel davonzufahren. “Die Windschutzscheibe ist kaputt”, schreit meine Tochter vom Beifahrersitz gegen den Krach an. Eiskugeln, manche groß wie Tennisbälle, knallen aufs Auto. Die Windschutzscheibe bekommt Risse – wir können kaum noch durchsehen. Mittlerweile ist der Asphalt zentimeterhoch mit Eis bedeckt. Wir rutschen mehr, als dass wir fahren. Meiner Tochter wird es angst und bange. Zum nächsten Shopping Centre in die Tiefgarage. Diese ist leer, bis auf die zehn Autos, die den Eingang blockieren. Also nach oben, wo es ein Restaurant mit Dach gibt: die gleiche Situation. Quer über den Parkplatz. Dort finden wir das überhängende Dach eines Supermarkts. Rauf auf den hohen Bordstein, dicht an die Wand ran. Wir steigen aus und beobachten die Hageleinschläge. Nach zwei Minuten ist der Spuk vorbei, und es wird still.

Später erfahren wir, dass nur ein Quadratkilometer in unserem Viertel betroffen war. Der Sturm dauerte weniger als zehn Minuten. Das gleiche in einigen Nachbarvierteln, auch da ist die Zerstörung groß. Die Versicherungen sind dabei, die Verluste zu beziffern. Ich brauche zwei neue Autoscheiben, die Motorhaube und das Dach sind mit Dellen übersäht. Ähnlich sieht das Haus aus, fast 50 Dachziegel zerbrochen, die Solaranlage zerbröselt. Alles, was nicht unter Dach war, ist zerstört, der Garten nur noch Chaos. Bis Ende der Woche zählen wir 37 riesige Müllsäcke mit Blättern und Ästen. “Wetterextreme werden weiterhin von Zeit zu Zeit auftreten”, urteilt Lehlohonolo Thobela vom südafrikanischen Wetterdienst und verweist auf El Niño. as

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Africa.Table Redaktion

AFRICA.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    Afrika ist in diesem Jahr in einem Maße in das Bewusstsein der deutschen Öffentlichkeit gerückt wie in vielen Jahren zuvor nicht. Die G20-Konferenz Compact with Africa am gestrigen Montag war der Höhepunkt. Am heutigen Dienstag geht es weiter mit einem Wirtschaftsforum Nigeria. Nach den Reden des Vortags machen wir einen Kassensturz: Wo steht Nigerias Wirtschaft? Ist die Lage wirklich so schlimm, wie es die Medienberichte vermuten lassen? Wir schauen auf die Fakten.

    Im Compact-Trubel ist weitgehend untergegangen, dass die EU und die AKP-Staaten endlich das Post-Cotonou-Abkommen unterzeichnet haben. Der aus Tansania stammende Journalist Harrison Mwilima, der heute in Berlin lebt, analysiert, warum viele afrikanische Regierungen über Europa verärgert sind.

    Im Gazakrieg schlagen sich viele afrikanische Regierungen auf die Seiten Palästinas. Dabei spielen alte Verbindungen eine Rolle. Doch manche Länder bekennen sich auch eindeutig zu Israel. Andreas Sieren beschreibt, wie der neue Nahostkonflikt in Afrika aufgenommen wird.

    Mercedes-Benz glaubt fest an die Elektromobilität in Südafrika und will den Vertrieb dort entscheidend voranbringen. Dabei muss der deutsche Autohersteller ungewöhnliche Wege gehen.

    Wir wünschen Ihnen eine interessante und spannende Lektüre.

    Ihr
    Christian von Hiller
    Bild von Christian  von Hiller

    Analyse

    Nigerias wirtschaftspolitischer Wettlauf gegen die Zeit

    Nigeria wirbt derzeit mit Macht um Vertrauen in seine Wirtschaft. Dazu ist Präsident Bola Tinubu gerade in Berlin und wirbt am heutigen Dienstag auf dem Deutsch-Nigerianischen Wirtschaftsforum für sein Land. Deutsche Unternehmen sollen verstärkt investieren. Schon Ende Oktober hatte die Regierung auf dem 29. Nigerianischen Wirtschaftsgipfel mit großer Personalstärke geworben: Präsident Tinubu kam mit Vizepräsident Kashim Shettima. Weitere Würdenträger stellten sich ein: der Präsident des Senats, der Sprecher des Repräsentantenhauses, verschiedene Minister und Gouverneure diverser Bundesstaaten. Aber auch große Unternehmen waren mit ihren Vorständen vertreten: etwa von Flour Mills Nigeria, OCP Fertilisers, Unilever Nigeria and Ghana, Helios Investment Partners, Google West Africa, Sterling Bank oder Afrexim Bank. Afrikas reichster Unternehmer, Aliko Dangote, nahm an dem Gipfel ebenfalls teil.

    Nigerias Wirtschaft kann gute Nachrichten gut brauchen. Präsident Tinubu, seit Mai dieses Jahres im Amt, hat das Land von seinem Vorgänger Muhammadu Buhari in einem schlechten Zustand übernommen. Die Wachstumsraten von sieben Prozent jährlich im Durchschnitt der Jahre 2000 bis 2014 täuschten darüber hinweg, wie abhängig Nigeria von der Ölwirtschaft und wie fragil die gesamte Wirtschaft ist. Als nach Buharis Amtsantritt 2015 mit den Ölpreisen die Wachstumsraten sanken, blieb der Präsident weitgehend untätig.

    Fluch des Ölreichtums

    Nigeria ist ein klassischer Fall der Holländischen Krankheit. Damit beschreiben Volkswirte die negativen Folgen, die Rohstoffe für eine Wirtschaft bewirken können: Durch die hohen Exporterlöse aus dem Rohstoffverkauf fließen vermehrt Devisen ins Land, deren Umtausch zu einer realen, also nach Abzug der Inflation, Aufwertung der inländischen Währung führt. Das macht Importe billiger und Exporte teurer, wodurch sich die Wettbewerbsfähigkeit der nationalen Wirtschaft verschlechtert. Das hat im Falle Nigerias große Teile der Wirtschaft zerstört. So liegen beispielsweise tausende Hektar Plantagen brach, weil sich die Ernte des Palmöls nicht lohnt.

    Zur Bekämpfung bleiben einer Regierung wenig Mittel. Der Ökonom Joseph Stiglitz empfiehlt, Devisen in Höhe des Leistungsbilanzüberschusses nicht umzutauschen, sondern im Ausland zu investieren. Durch diese Intervention am Devisenmarkt können eine Aufwertung der heimischen Währung und die einseitige Konzentration auf Rohstoffe abgewendet werden. So macht es Norwegen. In Nigeria waren die Symptome der “Holländischen Krankheit” besonders absurd geworden. So hatte das Ölland Nigeria lange Benzin und Diesel importiert, weil im Land erst jetzt die erste Raffinerie eingeweiht wurde.

    Schwerste Krise seit Jahrzehnten

    Tinubu will die Abhängigkeit der Wirtschaft vom Rohöl mindern, Importe nicht mehr begünstigen und die lokale Industrieproduktion stärken. Dazu hat er das komplizierte System mit subventionierten Wechselkursen gebrochen. Vor allem hat er auch die Subventionen für die Bevölkerung auf Benzin gestrichen. Gleichzeitig will er Steuern besser erheben und so die Staatsfinanzen verbessern.

    Das warf das Land in die schwerste Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten. Schwache Fundamentaldaten trieben die Inflation im August mit 25,8 Prozent auf den höchsten Stand seit 17 Jahren. Zusammen mit einem schwachen Wachstum von voraussichtlich 2,9 Prozent in diesem Jahr sind Millionen Nigerianer von Armut betroffen.

    Eine Alternative zu dieser Austeritätspolitik hat Tinubu nicht. Im besten Fall hat er Nigeria in eine Anpassungsrezession gestoßen. Dann wären die aktuellen Schwierigkeiten die Folgen einer Rosskur: Die Wirtschaft wird erst zurückgeworfen und kann dann auf einer reformierten Basis umso stärker durchstarten. Dann wäre die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft so gestärkt, dass sie nicht nur Importen standhalten, sondern auch exportieren kann. Sollte dies gelingen, könnte Nigeria endlich aus dem Vorteil, größte Volkswirtschaft des Kontinents zu sein, wirtschaftlichen Gewinn ziehen.

    Es spricht manches dafür, dass dies gelingt. “Nach dem Regierungswechsel im Mai 2023 steht das Land an einem Scheideweg und hat die einmalige Chance, auf einen nachhaltigen und integrativen Wachstumspfad zurückzukehren“, heißt es in einer Analyse der Weltbank. “Es wird erwartet, dass die Wirtschaft zwischen 2023 und 2025 um durchschnittlich 3,4 Prozent wächst und dabei von den durchgeführten Reformen, einer Erholung im Agrar- und Dienstleistungssektor und im Laufe der Zeit einem größeren Spielraum für staatliche Entwicklungsausgaben profitiert.”

    Allerdings ist das Risiko nicht zu unterschätzen, dass der Unmut der Bevölkerung in Massenproteste umschlägt und die Regierung die notwendigen Reformen unter dem Druck der Straße wieder zurücknehmen muss. Deshalb braucht Tinubu nicht nur wirtschaftliche Hilfe aus Europa, sondern in erster Linie rasche unbürokratische Unterstützung in Form von Investitionen und Industrieansiedlungen. Darum wird es bei den Wirtschaftsgesprächen am heutigen Dienstag in Berlin gehen.

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    EU ignoriert im Abkommen mit AKP-Staaten wichtige Bedenken aus Afrika

    Am 15. November haben die EU und die Organisation Afrikanischer, Karibischer und Pazifischer Staaten (OACPS) nach langen Verhandlungen ihr neues Abkommen offiziell unterzeichnet. Es erhielt den Namen Samoa-Abkommen, benannt nach dem polynesischen Staat, in dem die Unterzeichnung stattfand. Die neue Vereinbarung regelt die politischen, wirtschaftlichen und entwicklungspolitischen Beziehungen zwischen den 27 EU-Mitgliedstaaten und den 79 OACPS-Ländern für die nächsten 20 Jahre. Zu den OACPS-Mitgliedern zählen 47 Staaten aus Afrika, 16 aus der Karibik und 15 aus der Pazifikregion sowie die Republik Malediven. Die Organisation ist ein künstliches Konstrukt, eigens geschaffen für die Handelsbeziehungen der EU mit Ländern des Globalen Südens.

    Die vorläufige Anwendung des Abkommens beginnt am 1. Januar 2024. Offiziell tritt es in Kraft, sobald alle EU-Mitgliedstaaten und mindestens zwei Drittel der OACPS-Mitglieder es ratifiziert haben. Die Zwei-Drittel-Anforderung seitens der OACPS wird voraussichtlich nicht erreicht.

    Von den 79 Mitgliedern der OACPS haben 35 Länder das Samoa-Abkommen bisher nicht unterzeichnet. Darunter sind 20 afrikanische Länder: Benin, Botswana, Burundi, Zentralafrika, Äquatorialguinea, Eritrea, Eswatini, Guinea-Bissau, Liberia, Madagaskar, Malawi, Mali, Mauretanien, Namibia, Nigeria, Ruanda, Senegal, Somalia, Tansania und Uganda.

    Länder mit wachsender Bedeutung für Europa

    Länder wie Namibia, Nigeria und Senegal sind derzeit für die EU und ihre Mitgliedstaaten von großer Bedeutung. Namibia hat kürzlich eine Partnerschaft mit der EU zu nachhaltigen Rohstoffen und grünem Wasserstoff unterzeichnet und ist damit ein Hauptakteur in den europäischen Bemühungen um die Entwicklung von Wasserstoff geworden. Nigeria und Senegal haben an Bedeutung gewonnen, seitdem Europa versucht, seine Abhängigkeit von Erdgas aus Russland zu verringern. Beide Länder haben kürzlich Verträge mit einigen europäischen Ländern unterzeichnet, um diese mit Erdgas zu versorgen.

    Es bleibt abzuwarten, ob die verbleibenden OACPS-Mitglieder den Pakt unterzeichnen werden. Auf EU-Seite gibt es jedoch verschiedene Mechanismen, um sicherzustellen, dass sich die Länder an die Arbeit machen. In einem Bericht der größten lokalen Zeitung, Samoa Observer, wird die EU-Kommissarin für internationale Partnerschaften, Jutta Urpilainen, zitiert. Sie hatte demnach gedroht, dass Länder, die das Abkommen nicht bis Ende des Jahres unterzeichnen, den Zugang zu finanziellen Mitteln der Europäischen Investitionsbank verlieren könnten. Eine weitere Konsequenz sei laut Urpilainen, dass die EU jene OACPS-Länder, die das Abkommen nicht mittragen, von der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP-EU im Februar nächsten Jahres ausschließt.

    Anstatt unterschiedliche Konditionalitäten anzuwenden, etwa den Entzug der Hilfe oder den Ausschluss von Nichtunterzeichnern von der Teilnahme an Initiativen gemeinsamer Institutionen, sollte die EU jedoch auf die Zweifel reagieren, die einige AKP-Staaten laut äußern.

    Namibia hält dem Druck der EU stand

    Die Regierung von Namibia lässt sich von den Drohungen der EU nicht beeindrucken. Sie hat bereits angekündigt, das Abkommen nicht zu unterzeichnen. Die größte Tageszeitung, The Namibian, zitierte die stellvertretende Premierministerin und Ministerin für internationale Beziehungen und Zusammenarbeit, Netumbo Nandi-Ndaitwah. Diese sagte, dass es Bestimmungen im Pakt gebe, die nicht im Einklang mit der Verfassung des Landes stünden.

    Zu den kritischen Punkten zählt Namibia die Unsicherheit in Bezug auf Protokolle, die eine Verpflichtung zur Umsetzung von Maßnahmen auf Grundlage der Erklärung von Peking und der Internationalen Konferenz über Bevölkerung und Entwicklung erfordern, sowie ein Artikel, der andere Vereinbarungen mit Dritten verbietet. Laut Nandi-Ndaitwah hat die Regierung von Namibia ihre Bedenken schon im Februar 2022 der EU mitgeteilt. Allerdings wurden sie in der endgültigen Fassung ignoriert.

    Darüber hinaus besteht in vielen Punkten die Kritik am vorherigen Cotonou-Abkommen fort. So wird die Bestimmung, die die AKP-Staaten zur Unterzeichnung von Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) verpflichtet, im neuen Abkommen weiter als wesentlich erachtet. Einige afrikanische Länder sind jedoch der Ansicht, dass diese Handelspolitik zur Zerstörung ihrer lokalen Industrie führen könnte. Das ist besonders dann der Fall, wenn europäische Hersteller subventionierte Produkte ungehindert zu Discountpreisen auf ihre Märkte werfen können, ohne dass diese Länder ihre lokale Produktion durch Zölle schützen können.

    Als die EU und die OACPS-Mitglieder ihr neues Abkommen aushandelten, bestand die Hoffnung, dass es zu Verbesserungen in ihrer Zusammenarbeit käme. Doch das Festhalten an früheren Kritikpunkten zeigt, dass die EU afrikanische Anliegen weiterhin ignoriert. Das ist keine gute Voraussetzung, um die Handelsbeziehungen der EU mit dem Globalen Süden auf eine neue tragfähige Grundlage zu stellen.

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    Diplomatische Unterstützung aus Pretoria für die Palästinenser

    Es hatte sich angedeutet: Am vorletzten Freitag war es so weit. Der israelische Botschafter in Südafrika, Eliav Belotserkovsky, wurde von der südafrikanischen Regierung in Pretoria einbestellt. Das Außenministerium monierte kritische Äußerungen des Botschafters über Südafrikas Pro-Palästina-Politik. In einer Stellungnahme heißt es: “Botschafter Belotserkovsky wird aufgefordert, sich im Einklang mit den Wiener Konventionen zu verhalten, die den Leitern diplomatischer Mission bestimmte Privilegien und Verantwortlichkeiten einräumen, darunter die Anerkennung der souveränen Entscheidungen des Gastlandes”. Außenministerin Naledi Pandor war empört: “Bei einigen Botschaftern in Südafrika scheint es eine seltene Praxis zu geben, dass sie einfach sagen, was sie wollen.”

    Die pro-palästinensische Position von Südafrika sorgt international für Aufsehen. Das Land am Kap reiht sich damit in die Handvoll Staaten ein, die stärkeren diplomatischen Druck auf Israel ausüben als auf Palästina, darunter Staaten, von denen die internationale Gemeinschaft nichts anderes erwartet wie Iran, Russland oder die Türkei, aber auch Chile, Honduras, Belgien und Spanien.

    In Afrika tendieren Staaten eher dazu, Verständnis für Palästina auszudrücken und setzen sich für eine Zweistaatenlösung ein. Viele afrikanische Länder, die in den 1960er Jahren die Entkolonialisierung erlebten, vergleichen ihre eigenen Erfahrungen mit denen des palästinensischen Volkes, das seit der Gründung Israels 1948 um seine Daseinsberechtigung kämpft. Der Vorsitzende der Kommission der Afrikanischen Union, Moussa Faki Mahamat, sieht die “Verweigerung der Grundrechte des palästinensischen Volkes, insbesondere des Rechts auf einen unabhängigen Staat” als die Hauptursache des derzeitigen Konflikts. Algerien etwa ist ein Unterstützer von Palästina, und spricht damit auch für die anderen islamischen Staaten in Nordafrika.

    Aber es gibt auch afrikanische Staaten, die eher Israel unterstützen, darunter die Demokratische Republik Kongo, Ghana, Kenia und Sambia. Kameruns Präsident Paul Biya, der das Land seit 1982 regiert, gilt als engster Verbündeter Israels in Afrika. Die Beziehungen beruhen vor allem auf militärischer Kooperation. Neben Eritrea ist Kamerun auch das einzige Land auf dem Kontinent, dass Palästina als Staat nicht anerkennt. Äthiopien, das eine langjährige Verbindung zu Israel pflegt, positioniert sich hingegen neutral. Dabei sind seit 1977 viele äthiopische Juden nach Israel geholt worden. Seitdem sind die Verbindungen zwischen beiden Ländern recht eng. So investieren viele israelische Unternehmen beispielsweise in die äthiopische Landwirtschaft oder den Blumenanbau.

    Grund für die pro-israelische Haltung afrikanischer Länder sind nicht immer enge diplomatische Beziehungen, sondern komplexe Verbindungen mit westlichen Staaten, mit denen es sich die jeweiligen Regierungen nicht verscherzen wollen. Der Westen ist nach wie vor wichtigster Geber von Entwicklungshilfe. Und manche afrikanischen Länder beziehen Waffen aus Israel, was sie wenig kritisch macht.   

    Seit Ende des Kalten Kriegs hingegen ist Südafrika die stärkste palästinensische Stimme in Afrika. Schon der damalige Präsident Nelson Mandela verglich in den 1990er Jahren das Schicksal der Palästinenser mit dem der Schwarzen Südafrikaner unter dem weißen Apartheidstaat. Im vergangenen Jahr zeigte sich Außenministerin Pandor besorgt darüber, dass Israel die Vereinten Nationen weiterhin “bedeutende Teil des Westjordanlandes” besetzt hielt und rief die UN dazu auf, Israel als Apartheid-Staat zu klassifizieren.

    Diese Haltung hat sich seit dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober verstärkt. Der südafrikanische Präsident, Cyril Ramaphosa, drückte zwar sein Beileid über die Opfer auf beiden Seiten aus, bekannte sich aber umgehend solidarisch mit Palästina. Auf dem Nahostgipfel in Kairo im Oktober erklärte er: “Wir haben einen mutigen Kampf für die Freiheit geführt und mussten unsägliches Leid ertragen, genau wie die Palästinenser.”

    Pandor spricht sich mittlerweile für einen Haftbefehl gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanyahu. Die andauernde Bombardierung von Palästinensergebieten bezeichnet sie als “Völkermord im Entstehen”. Vergangene Woche forderte dann Ramaphosa den Internationalen Straafsgerichtshof formell auf, mögliche Kriegsverbrechen Israels zu untersuchen. Das südafrikanische Parlament plant, alle diplomatischen Beziehungen mit Israel abzubrechen.    

    Inzwischen hat Pretoria auch alle südafrikanischen Diplomaten aus Tel Aviv abgezogen, um mit ihnen über das weitere Vorgehen “zu beraten”. Pandor hatte auch zuvor mit Hamas-Führern telefoniert, und traf sich in Teheran mit dem iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi, was ihr im eigenen Land die Kritik einbrachte, pro-Hamas zu sein.

    Aber ähnlich wie im Ukrainekrieg bietet sich Südafrika jetzt als Vermittler für Friedensverhandlungen an und rief zu sofortiger Waffenruhe auf. Ein Sieben-Punkte-Friedensplan soll bereits vorbereitet sein. Damit versucht Südafrika wie im Ukrainekrieg im Namen des globalen Südens international Punkte zu sammeln. Auf dem Weg zum Frieden in der Ukraine gäbe es “Fortschritte”, so die Außenministerin kürzlich.

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    Was Afrika von der COP28 erwartet

    Die COP28, das Treffen der Klimalobbyisten, wird in diesem Jahr in Dubai an einen kritischen Punkt kommen. Erstmals soll der Global Stocktake, eine weltweite Bestandsaufnahme, vorgestellt werden. Seit 2021 werden die Umsetzung des Klimaabkommens von Paris und die gemeinsamen Fortschritte bei dessen Verwirklichung überprüft.  

    Zu den Zielen des afrikanischen Kontinents zählen ein breiter Zugang zu Energie, die Nutzung erneuerbarer Energie und Investitionen in die entsprechende Infrastruktur und Netze. Beim Africa Climate Summit (ACS) im September in Nairobi hat sich der Kontinent als wichtiger Akteur der globalen Klimapolitik präsentiert, der bereit ist, seine Ressourcen für klimafreundliches Wachstum einzusetzen. Die Nairobi-Deklaration ruft dazu auf, erneuerbare Energien um mehr als 500 Prozent bis 2030 aufzustocken.

    Vor allem müssen mehr Finanzmittel nach Afrika fließen, um Ländern zu helfen, CO2-Emissionen zu reduzieren und sich gleichzeitig an den Klimawandel anzupassen. Doch damit wird es nicht getan sein, denn bisher waren Klimafinanzierungen überwiegend als Darlehen konzipiert und haben die Verschuldung Afrikas in die Höhe getrieben.

    Es geht auch um innovative Technologien, die das enorme Potential des Kontinents freisetzen, Umweltrisiken reduzieren, Wachstum ankurbeln und Arbeitsplätze schaffen: “Wenn es uns gelingt, diese lebensrettende Klimafinanzierung in Dubai zum Laufen zu bringen, wäre das ein großer Gewinn für Afrika und die klimagefährdeten Menschen auf der Welt”, meint Mohamed Adow, Direktor von Powers Shift Africa, einer afrikanischen Klimalobbyorganisation in Kenia.

    Energiezugang, nicht Energiewende

    Amani Abou-Zeid, Kommissarin für Energie und Infrastruktur der Afrikanischen Union, wünscht sich, dass fairere Wertschöpfungsketten in Afrika auf dem COP28-Gipfel diskutiert werden. “Wir haben große Chancen, einschließlich einer Fülle erneuerbarer Energieressourcen und Entwicklungsmineralien, aber wir sehen die Entwicklung auf unserem Kontinent nicht so, wie wir es uns gewünscht hätten”, sagte sie. “Die Herausforderung wird darin bestehen, dass wir kleinere Volkswirtschaften darstellen und dass wir nicht unbedingt miteinander verbunden sind.” Nach wie vor hat ein Großteil der Bevölkerung Afrikas keinen Zugang zu Elektrizität. Der Kontinent befindet sich nicht in einer Diskussion über den Übergang, sondern auf der Ebene eines Zugangs zu Energie.

    Die Präsidenten von Kenia und Frankreich, William Ruto und Emmanuel Macron, haben bereits angekündigt, auf der COP28 auf neue Klimaabgaben zu drängen. Die beiden Länder wollen eine internationale Steuer-Taskforce ins Leben rufen. Überlegungen zielen auf Steuern für die internationale Schifffahrt, den Flugverkehr, Finanztransaktionen und fossile Brennstoffe. Die Idee einer globalen CO2-Besteuerung entstand während des Africa Climate Summit in Kenia und wurde zuletzt weiter vorangetrieben. Beim Paris Peace Forum vor zwei Wochen versprach die französische Staatssekretärin für Entwicklungspolitik, Chrysoula Zacharopoulou, eine umfassende Analyse aller Steueroptionen. “Es ist ein sensibles Gespräch, das mit einem kühlen Kopf geführt werden muss”, sagt die Ministerin.

    Finanzierung auch für Südafrika zentral

    Auch für Südafrika steht Klimafinanzierung bei der COP28 im Mittelpunkt. Seit 2009 gibt es Zusagen von rund 100 Milliarden US-Dollar von Industrieländern an Entwicklungsländer, die nicht erfüllt wurden. Die Regierung erhofft sich mehr Klarheit darüber, wie es weitergehen soll, und will über ein neues Ziel zur Finanzierung verhandeln, da die 100 Milliarden Dollar im nächsten Jahr auslaufen.

    “Bis 2025 sollten wir die Verhandlungen über ein neues Ziel abgeschlossen haben”, sagte Maesela Kekana, Südafrikas Chefunterhändlerin für die COP28. Das neue Ziel müsse sich an den Bedürfnissen der Entwicklungsländer orientieren, denn das 100-Milliarden-Dollar-Ziel reiche für die Bedürfnisse der Zielländer nicht aus. “Diese Verhandlung ist also wirklich wichtig”, sagte Kekana weiter.

    Angesichts der im Vergleich zum Rest der Welt schnelleren Erwärmung des Kontinents benötigen besonders Südafrika und der afrikanische Kontinent Anpassungsfinanzierungen. So wirbt Afrika dafür, besondere Bedürfnisse und Umstände auf die Verhandlungsagenda zu setzen. Das jedoch wurde bisher zurückgewiesen. “Die Anerkennung der besonderen Umstände des afrikanischen Kontinents wird ein wichtiger Schritt zur Wahrung des Prinzips der differenzierten Verantwortung sein und würde die Anfälligkeit des Kontinents für den Klimawandel anerkennen, aber auch die Notwendigkeit von Eindämmungs- und Anpassungsunterstützung”, sagte Barbara Creecy, südafrikanische Umweltministerin.

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    Südafrika: Mercedes baut Netz von Elektroladesäulen

    Mercedes-Benz South Africa baut die Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge in Südafrika aus. Der deutsche Autobauer hat sich dazu mit dem Unternehmen Chargify zusammengetan. Geplant ist, entlang der wichtigsten Strecken im Land mehr als 120 Ladestationen, die mit Gleich- und Wechselstrom ausgestattet werden, aufzustellen. Chargify ist eine Abrechnungs- und Umsatz-Management-Plattform des amerikanischen Software-Anbieters Tibco. Die Kosten für den Bau der Ladesäulen werden bei umgerechnet zwei Millionen Euro liegen.

    Die Ladesäulen sollen in Ballungsräumen, an Flughäfen, in Einkaufszentren, in der Nähe von Restaurants, privaten Krankenhäusern, Wohnsiedlungen und Kleinstädten entstehen. Es ist geplant, im ersten Quartal 2024 67 Ladestationen der Marke Mercedes-Benz EQ in ganz Südafrika aufzustellen. Auch Nutzern anderer Marken werden sie zugänglich sein. EQ-Kunden erhalten einen Rabatt von zehn Prozent, wenn sie ihre Fahrzeuge über das Chargify-Netzwerk aufladen. In einer zweiten Phase, die nicht terminiert wurde, sollen weitere 60 Ladestationen hinzukommen.

    Bald jeder zweite Verkauf mit Elektroantrieb

    Mercedes ist auf dem südafrikanischen Markt mit einem Werk in East London vertreten und bietet derzeit sechs Elektromodelle in Südafrika an, vom EQA bis zum EQS. Mercedes-Benz erwartet in Südafrika eine steil steigende Nachfrage nach Elektrofahrzeugen. Bis 2027 wird nach den Erwartungen des Unternehmens jedes zweite verkaufte Fahrzeug im Land einen Elektroantrieb haben.

    In Südafrika treiben verschiedene Anbieter den Ausbau der Ladeinfrastruktur voran. So hat das Unternehmen Zero Carbon Charge (Zero CC) angekündigt, alle 150 Kilometer entlang strategischer Routen in allen Provinzen Südafrikas ultraschnelle Ladestationen zu bauen. Zero CC will den Strom lokal erzeugen, sodass die Schnellladegeräte unabhängig vom Netz mit erneuerbarer Energie versorgt werden können. Bis zum ersten Quartal 2025 plant das Unternehmen mindestens 120 solcher HPC-Stationen. Die Installation des nationalen Netzwerks wird in der Provinz Nordwest entlang der Straße N12 beginnen.

    Pionier beim Bau öffentlich zugänglicher Ladestationen in Südafrika war Audi. Schon Anfang 2022 hatte sich der deutsche Hersteller mit Grid Cars, Südafrikas größtem Betreiber eines Ladenetzes für Elektrofahrzeuge, verbündet. Grid Cars betreibt rund 400 Ladestationen im Land, die das Unternehmen in Zusammenarbeit mit Audi und Jaguar entwickelte. Der südafrikanische Vermögensverwalter Stanlib Asset Management hat im Sommer die Kontrolle beim Mehrheitseigner von Grid Cars, Solareff, übernommen.

    Ein weiterer Betreiber, Rubicon, plant, seine Ladestationen bis Ende 2024 auf 250 zu erweitern. Darunter sollen 20 bis 30 neue 50-kW-Gleichstrom-Ladestationen mit Wechselstromadaptern bei Volvo-Händlern entstehen. Das südafrikanische Unternehmen Rubicon ist nicht zu verwechseln mit dem US-amerikanischen Unternehmen Rubicon Technologies oder mit Rubicon IT GmbH in Wien. hlr

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    AfDB reicht Beschwerde gegen Äthiopien ein

    Die Afrikanische Entwicklungsbank (AfDB) hat eine offizielle Beschwerde gegen die Behandlung von zwei Mitarbeitern des äthiopischen Büros der Bank bei den äthiopischen Behörden eingereicht. Laut einem Statement der Bank seien die AfDB-Mitarbeiter am 31. Oktober in Addis Abeba “rechtswidrig verhaftet, körperlich angegriffen und viele Stunden lang ohne offizielle Erklärung von Sicherheitskräften festgehalten” worden. Der Vorgang sei ein “sehr ernster diplomatischer Zwischenfall”.

    Lokalen Medienberichten zufolge handelt es sich bei dem Vorfall um einen Disput zwischen der Bank und dem äthiopischen Finanzministerium. Dabei gehe es um Mitgliedsbeiträge, die Äthiopien nicht bezahlt haben soll. Weder die Bank noch die äthiopische Regierung haben dies offiziell bestätigt.

    Äthiopiens Premierminister Abiy Ahmed hat die Freilassung der Mitarbeiter und eine unverzügliche Untersuchung des Vorfalls angeordnet. “Die Regierung hat den Eingang unserer Beschwerde offiziell bestätigt, die Schwere des Vorfalls anerkannt und uns versichert, dass alle an der Gesetzesübertretung Beteiligten gründlich untersucht und vor Gericht gestellt werden”, so die AfDB in ihrem Statement. Auf die Geschäfte der Bank in dem ostafrikanischen Land werde der Vorfall keine Auswirkungen haben.

    Nach eigenen Angaben unterstützt die AfDB in Äthiopien derzeit acht Projekte mit einem Gesamtumfang von etwa 308 Millionen US-Dollar. Erst im September hatte die Bank hat ein Finanzierungspaket zum Bau von Stromleitungen bewilligt. ajs

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    Amtsinhaber Rajoelina liegt bei Wahlen in Madagaskar vorn

    Nach tagelangen gewalttätigen Unruhen in Madagaskar im Vorfeld der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen vergangene Woche ist in dem Inselstaat wieder Ruhe eingekehrt. Der amtierende Präsident Andry Rajoelina, 49, von der IRD-Partei führt derzeit die Hochrechnungen mit mehr als 60 Prozent der Stimmen. Stärkster Konkurrent ist der ehemalige Verbündete Rajoelinas, Siteny Randrianasoloniaiko, abgeschlagen mit rund 12 Prozent.

    Elf Millionen Wähler, rund ein Drittel der Bevölkerung, waren für die Wahl registriert. Jedoch blieb die Wahlbeteiligung mit weniger als 40 Prozent auf einem historischen Tiefstand. Wegen der Unruhen waren die Wahlen um eine Woche verschoben worden. Rajeolina, ein ehemaliger Unternehmer, kam 2009 zum ersten Mal durch einen Militärcoup an die Macht und wurde Übergangspräsident. Damals war er Afrikas jüngstes Staatsoberhaupt. 2018 wurde zum zweiten Mal Präsident. Er ist zuversichtlich, wieder zu gewinnen, trotz wochenlanger, teilweise gewaltsam niedergeschlagener Proteste gegen ihn. Die Vereinten Nationen sprachen von “unnötiger und unverhältnismäßiger Gewalt”. Rajeolina nahm 2014 die französische Staatsbürgerschaft an und hätte demnach die Staatsbürgerschaft von Madagaskar abgeben müssen.

    Die Opposition hatte im Vorfeld zum Wahlboykott aufgerufen. “Wir erkennen diese Wahlen nicht an, und die große Mehrheit der madagassischen Bevölkerung erkennt sie auch nicht an”, sagte Hajo Andrianainarivelo, Präsident von 2014 bis 2018 und einer der Oppositionskandidaten, die mangelnde demokratische Standards und niedrige Wahlbeteiligung in Madagaskar bemängeln. Bei den letzten Wahlen 2018 gingen noch 55 Prozent zu den Urnen. Auch Transparency International warnte vor einer Anerkennung des Wahlergebnisses, da der Wahlprozess “undurchsichtig und befangen” war.

    Madagaskar, führender Produzent von Vanille, ist laut Weltbank eines der ärmsten Länder weltweit. Seit der Unabhängigkeit von Frankreich 1960 wurde es von einer Reihe von Krisen heimgesucht, zuletzt eine Hungersnot 2021 und 2022. Zwei Drittel der 30 Millionen Bewohner des Landes leben in Armut. Wichtige Einnahmequellen sind Landwirtschaft, Tourismus und Bergbau. Der Regierung werden enge Verbindungen zu Frankreich und Russland nachgesagt. Das vorläufige Endergebnis der Wahlen wird gegen Ende dieser Woche erwartet. Erreicht keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit, folgt am 20. Dezember eine Stichwahl. as

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    Standpunkt

    Afrika braucht Demokratien, die den Namen wert sind

    Von Ghadafi Saibu
    Ghadafi Saibu forscht am German Institute of Development and Sustainability (IDOS).

    Die jüngsten Putsche in der Sahelzone sowie in West- und Zentralafrika scheinen in der afrikanischen Bevölkerung auf breite Unterstützung zu stoßen. Es gilt, aus diesen Ereignissen die richtigen Lehren ziehen, um weitere Putsche in Afrika zu vermeiden. Die große Frage ist, welche Art von Demokratie die internationale Gemeinschaft in Afrika unterstützen will. Gegenwärtig sind viele Länder Afrikas langjährige Wahlautokratien (Hybridregime), die sich hinter der Fassade von Wahlen nur als Demokratien ausgeben. Das Handeln oder auch das Nichthandeln der internationalen Akteure, die Demokratien in Afrika fördern wollen, lässt darauf schließen, dass sie diese Hybridregime unterstützen. Fast 64 Prozent der Netto-Entwicklungsleistungen aller Geber fließen in Länder, die nach international anerkannten Demokratieindizes wie dem Varieties of Democracy Index als nicht vollständig demokratisiert gelten. So können Entwicklungsleistungen dazu dienen, unvollständige Demokratien zu stabilisieren.

    Wahlautokratie ist Afrikas häufigste Regierungsform

    Demokratie ist in Afrika nicht mehr als ein zyklisches Phänomen, das durch scheinbar erfolgreiche Wahlen herbeigeführt wird, die allerdings mit einer Reihe systemischer Mängel einhergehen. So waren zwischen 1990 und 2023 etwa 70 Prozent der Regime in Afrika entweder geschlossene Autokratien (18 Prozent) oder Wahlautokratien (52 Prozent). Nur 25 Prozent waren Wahldemokratien und sechs Prozent liberale Demokratien. Die häufigste Regierungsform in afrikanischen Ländern scheint also die Wahlautokratie zu sein, die aufgrund erheblicher Unregelmäßigkeiten und Einschränkungen des Parteienwettbewerbs nicht demokratischen Standards entspricht.

    Die Unterstützung dieser hybriden Regime erweckt den Eindruck, dass funktionierende Demokratien vorhanden sind. Tatsächlich sind diese jedoch nicht nachhaltig, denn sie sehen weder eine vertikale noch eine horizontale demokratische Rechenschaftspflicht vor, während öffentliches Geld und Ressourcen in großem Maßstab veruntreut werden. Aufgrund der institutionellen Schwächen und der Inkohärenz von Wahlautokratien sind die Regierenden nicht verpflichtet, ihre Wahlversprechen einzuhalten und können ungehindert ihre Macht missbrauchen. So kommt es, dass in vielen afrikanischen Ländern dringend benötigte öffentliche Güter fehlen, während sich korrupte Staatsbedienstete die Taschen füllen.

    Scheindemokratien schaden dem Ansehen der Demokratie

    Besonders problematisch ist, dass sich diese Regime durch scheinbar demokratische Wahlen als Demokratien ausgeben. Die Bevölkerung, die unter der Unfähigkeit ihrer Regierung leidet, zweifelt zunehmend an der Idee der Demokratie, weshalb andere Regierungsformen wie die Militärherrschaft beliebter werden. Menschen in ganz Afrika feierten die Staatsstreiche – nicht etwa, weil sie demokratische Systeme an sich ablehnen, sondern weil sie unzufrieden damit sind, wie die “Demokratie” funktioniert oder nicht funktioniert.

    Ein weiterer wichtiger Punkt sind ungerechte Vereinbarungen zwischen afrikanischen Regierungen und ehemaligen Kolonialmächten, denn sie schüren Feindseligkeiten und begünstigen Staatsstreiche. Dies zeigt etwa der antikoloniale Diskurs gegen Frankreich bei den jüngsten Putschen. Die Bürger kritisieren ungerechte Steuerabkommen, die Monopolstellung von Air France in den frankophonen Ländern, die einseitige militärische Zusammenarbeit und die Dominanz französischer Unternehmen, zum Beispiel in den Uranminen. Verstärkt wurden diese Ressentiments durch die Ambitionen konkurrierender Supermächte, sich in der Region Wettbewerbsvorteile und eine Vormachtstellung zu verschaffen. So soll Russland mit Desinformationskampagnen die Stimmung zugunsten antidemokratischer Akteure in der Region aufgeheizt haben. Die Militärjuntas in diesen Ländern beziehen sich oft strategisch auf Russland. Allerdings war Russlands Rolle in vielen dieser Länder bisher eher rhetorischer Natur.

    Demokratie ist mehr als nur Wahlen

    Die Arbeit demokratischer Akteure wie der Ecowas sollte zur Stärkung der Demokratie über die Ermöglichung von Wahlen hinausgehen. Außerdem ist es notwendig, die demokratischen Verfahren zu institutionalisieren und zu festigen. Der derzeitige Ansatz internationaler Akteure, Hybridregime als gültige Form der Demokratie anzuerkennen, legt nahe, dass Wahlautokratien bereits liberalen Standards genügen würden. Allerdings gelten Wahlautokratien als eine fragile und defizitäre Form der Demokratie – weitere Schritte zur Demokratisierung sind notwendig. Zudem lässt sich die Zustimmung der afrikanischen Bevölkerung zur Demokratie nur dann gewinnen, wenn keine ungerechten (post-)kolonialen politischen Vereinbarungen mehr geschlossen werden.

    Ghadafi Saibu ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am German Institute of Development and Sustainability (IDOS) im Forschungsprogramm “Transformation politischer (Un-)Ordnung”. Er ist Politikwissenschaftler und arbeitet an Themen wie soziale Kohäsion, Demokratisierung, Autokratisierung, Desinformation in sozialen Medien, Gewaltausbrüche bei Wahlen und Bürgerkrieg.

    Dieser leicht gekürzte Beitrag erschien ursprünglich in der Aktuellen Kolumne des German Institute of Development and Sustainability (IDOS), die jeden Montag Entwicklungen und Themen der internationalen Entwicklungspolitik kommentiert.

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    Presseschau

    Reuters: IWF muss möglicherweise das Ägypten-Programm wegen des Gaza-Krieges ausweiten. Der IWF erwägt laut ihrer geschäftsführenden Direktorin Kristalina Georgieva eine Aufstockung des Kreditprogramms für Ägypten. Grund seien wirtschaftlichen Schwierigkeiten nach den Terroranschlägen der Hamas in Israel. Aktuell liegt das Programm bei drei Milliarden Dollar.

    Wall Street Journal: Miliz im Zentrum des Darfur-Genozids tötet Hunderte im Sudan. Eine Gruppe, die aus der berüchtigten Janjaweed-Miliz hervorgegangen ist, wird für die Ermordung von etwa 800 Menschen in einem Flüchtlingslager verantwortlich gemacht. In der Siedlung Ardamata im Westen Darfurs lebten etwa 30.000 nicht-arabische Sudanesen, die vor früheren Kämpfen im Bürgerkrieg des Landes geflohen waren.

    African Business: Saudi-Arabien will Hunderte Millionen Dollar in Afrika investieren. Auf der saudi-arabisch-afrikanischen Wirtschaftskonferenz in Riad hat Saudi-Arabien afrikanischen Staaten Hunderte von Millionen Dollar an Krediten und Investitionen zugesagt. Das Land versucht, seinen politischen Einfluss auf dem Kontinent auszuweiten.

    Africa Intelligence: Weltbank erwartet neue Auszahlungen für Staudämme in Burundi. Zwei burundische Wasserkraftwerke sollten bis Ende des Jahres in Betrieb genommen werden, doch ihr Bau liegt zwei Jahre hinter dem Zeitplan zurück. Einer der Hauptunterstützer des 50-MW-Projekts, die Weltbank, erwägt, weitere 50 Millionen US-Dollar bereitzustellen. Die Europäische Investitionsbank (EIB) und die Afrikanische Entwicklungsbank (AfDB) beteiligen sich auch an der Finanzierung.

    African Arguments: Grüne Ausbeutung ist immer noch Ausbeutung. Fast 150 Jahre nach dem ersten “Scramble for Africa” werde das Narrativ der grünen Transformation und der Rolle Afrikas dabei hauptsächlich in europäischen Hauptstädten und für westliche Interessen gestaltet, beklagt eine Gruppe von Experten. Dies müsse sich ändern, denn wenn Afrikas Staats- und Regierungschefs der Versuchung kurzfristiger Gewinne nachgeben, werde der Abbau von Afrikas Mineralien der altbekannten kolonialen Dynamik folgen.

    L’Économiste: Börse Casablanca stellt die neue Zusammensetzung des Index Masi ESG vor. Die Börse Casablanca hat die Berechnung der Nachhaltigkeitsstrategien der Unternehmen, die im Aktienindex Masi ESG gelistet sind, neu zusammengestellt. Gleichzeitig wurde er auf 20 Titel erweitert. Künftig wird der Index nach der Methode des Indexanbieters Refinitiv auf der Basis von 160 Kriterien berechnet.

    News24: Steinhoff International Holding wird liquidiert. Ein Stück deutsche Wirtschaft in Südafrika ist abgewickelt worden. Nach einer beispiellosen Aufeinanderfolge von Bilanzmanipulationen und Betrügereien ist das Unternehmen, das der deutsche Möbelunternehmer Bruno Steinhoff in Südafrika gegründet und an die Börse geführt hatte, nun Geschichte.

    Business Week: Diese fünf Länder sind wichtige “Verbindungsstücke” in einer fragmentierten Welt. Als einziges Land in Afrika zählt das amerikanische Wirtschaftsmagazin Marokko zu den Ländern, die von den geoökonomischen Veränderungen profitieren. Das Königreich werde am stärksten einen Nutzen aus der neuen Zusammensetzung der globalen Wertschöpfungsketten ziehen, zusammen mit Vietnam, Polen, Mexiko und Indonesien.

    Heads

    Patrice Motsepe – Unternehmer, der trotz schlechter Zahlen die Börse überzeugt

    Patrice Motsepe
    Patrice Motsepe, Gründer und Executive Chairman von Africa Rainbow Minerals.

    Patrice Motsepe ist ein Kunststück gelungen, dass nur wenige Unternehmer schaffen: Trotz schlechter Zahlen überzeugt er die Börse. Er hatte einen Rückgang des Gewinns vermeldet und dennoch den Abwärtstrend der Aktie gebrochen. Am 26. Oktober hatte das an der Börse Johannesburg gelistete Bergbauunternehmen African Rainbow Minerals (ARM) seine Jahreszahlen vorgelegt. Bis dahin hat sich der Aktienkurs in diesem Jahr auf 150 Rand (7,50 Euro) halbiert. Die Zahlen für das zu Ende gegangene Geschäftsjahr 2023 waren schwach: Der Umsatz sank um 13 Prozent, der Rohgewinn um 37 Prozent. Trotzdem ist der Aktienkurs seitdem um gut 11 Prozent auf 167 Rand gestiegen.

    Wie konnte Motsepe dennoch den Aktienkurs drehen? Zunächst hat er drastische Personalentscheidungen getroffen und sich von seinem Non-Executive Director Michael Arnold getrennt. Dieser hatte bis 2017 die Finanzen verantwortet. Seit 2020 ist die erst 41 Jahre alte Tsundzukani Mhlanga Finanzvorstand.

    Schließlich scheint das Argument zu verfangen, dass nicht operative Mängel schuld sind, sondern die Marktlage. Richtig ist, dass African Rainbow 36,5 Prozent des Umsatzes mit Platin erzielt und dass sich Platin in einem starken Preisverfall befindet. Seit Jahresbeginn ist der Preis um mehr als 15 Prozent gestürzt.

    Analysten sehen großes Potenzial

    Offenbar hat Motsepe die Analysten überzeugt. Sie erwarten im Durchschnitt, dass der Aktienkurs ein Potenzial von gut 20 Prozent auf mehr als 200 Rand hat. Das Erstaunliche: Die Analysten erwarten auch für das laufende Geschäftsjahr einen Fall des Rohgewinns um weitere 20 Prozent. Doch in Bezug auf Profitabilität, Finanzstärke und Rendite hebt sich African Rainbow von den Wettbewerbern an der Börse Johannesburg positiv ab.

    Schließlich erhöht Motsepe die Dividende von 1,20 Rand auf 1,40 Rand (0,07 Euro). Dank seiner Finanzstärke kann African Rainbow die Dividendenerhöhung leicht aus den Rücklagen finanzieren.

    Patrice Motsepe, 61 Jahre alt, zählt zu den herausragenden Schwarzen Unternehmern in Südafrika. Er stammt – wie aufgrund der Apartheid für seine Generation üblich – aus bescheidenen Verhältnissen. Sein Vater hatte in Soweto einen Spaza shop betrieben, einen kleinen Laden, der vor allem die Bergbauarbeiter bediente und den er zu Hause eingerichtet hatte.

    Eine erfolgreiche Familie

    Heute ist die Familie Motsepe nicht nur dank Patrice Teil des Establishments. Seine Schwester Tshepo Motsepe hatte Medizin studiert und ist seit 1996 die dritte Frau von Staatspräsident Cyril Ramaphosa. Die zweite Schwester, Bridgette Radebe, ist ebenfalls eine erfolgreiche Unternehmerin im Bergbau. Sie ist Gründerin von Mmakau Mining und Mitglied im Brics Business Council. Patrice Motsepes Frau, Precious Moloi-Motsepe, hatte Medizin studiert, ist Rektorin der Universität Kapstadt und Gründerin des Modeunternehmens African Fashion International, das sich als “sozialbewusste, afrikanische Plattform für Luxusmode” versteht.

    Patrice Motsepe selbst absolvierte ein Jurastudium an den Universitäten Swasiland und Witwatersrand und wurde 1994 der erste Schwarze Anwalt in der eingesessenen Kanzlei Bowman Gilfillan. Motsepe gründete bald darauf Future Mining, einen Dienstleister für den Bergbau. 1997, als der Goldpreis auf ein Tief von 331 Dollar je Feinunze (3,1 Gramm) gefallen war, begann Motsepe von den Bergbaukonzernen sogenannte marginale Goldminen zu kaufen, Minen, die nicht mehr kostendeckend arbeiteten. Das war der Grundstein von African Rainbow Minerals. Im Jahr 2002 führte er das Unternehmen an die Börse Johannesburg. Im Jahr 2008 gelang Motsepe als erstem Schwarzen Afrikaner der Sprung in die Milliardärsliste des US-Magazins Forbes. Heute wird sein Vermögen auf 2,4 Milliarden Dollar geschätzt.

    Investor und Fußballfunktionär

    2003 gründete er Ubuntu-Botho Investments, die 2016 African Rainbow Capital gründete, eine Investmentgesellschaft, die mittlerweile an mehr als 40 Unternehmen in Südafrika beteiligt ist, etwa an der Digitalbank Tyme, der Finanzgesellschaft Alexander Forbes, dem Landwirtschaftsunternehmen BKB, dem Telekom-Unternehmen Rain oder dem Luxusresort Val de Vie.

    Für Extravaganzen ist der Unternehmer nicht bekannt. Allerdings hat er sich einen Fußballklub gegönnt und 2003 den Mamelodi Sundowns FC gekauft, der von seinen Fans Sundowners genannt wird und in der südafrikanischen Premier Soccer League spielt. Am Rugbyteam Blue Bulls ist er ebenfalls beteiligt. In Südafrika wurde Motsepe vor allem als Präsident des südafrikanischen Fußballverbands bekannt. Vor zwei Jahren wurde er zudem zum Präsidenten des afrikanischen Fußballverbands CAF gewählt. Seitdem leitet sein Sohn Thlopie Motsepe die Sundowners.

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    Dessert

    Hagel in Südafrika
    Der Hagel in Johannesburg zerstörte Hausdächer, Solaranlagen – und Windschutzscheiben.

    Es sollte ein normales Abendessen beim Chinesen werden, Montag vergangene Woche in Sunninghill, einem nördlichen Vorort von Johannesburg, als riesige dunkle Wolken aufzogen. Dann kommt eine Hagelsturmwarnung per SMS. Ich dränge auf die Rechnung. Minuten später im Auto setzt Sprühregen ein. 300 Meter weiter beginnt der Hagel. Innerhalb weniger Sekunden fängt es laut an zu knallen.

    Ich versuche mit Vollgas dem Hagel davonzufahren. “Die Windschutzscheibe ist kaputt”, schreit meine Tochter vom Beifahrersitz gegen den Krach an. Eiskugeln, manche groß wie Tennisbälle, knallen aufs Auto. Die Windschutzscheibe bekommt Risse – wir können kaum noch durchsehen. Mittlerweile ist der Asphalt zentimeterhoch mit Eis bedeckt. Wir rutschen mehr, als dass wir fahren. Meiner Tochter wird es angst und bange. Zum nächsten Shopping Centre in die Tiefgarage. Diese ist leer, bis auf die zehn Autos, die den Eingang blockieren. Also nach oben, wo es ein Restaurant mit Dach gibt: die gleiche Situation. Quer über den Parkplatz. Dort finden wir das überhängende Dach eines Supermarkts. Rauf auf den hohen Bordstein, dicht an die Wand ran. Wir steigen aus und beobachten die Hageleinschläge. Nach zwei Minuten ist der Spuk vorbei, und es wird still.

    Später erfahren wir, dass nur ein Quadratkilometer in unserem Viertel betroffen war. Der Sturm dauerte weniger als zehn Minuten. Das gleiche in einigen Nachbarvierteln, auch da ist die Zerstörung groß. Die Versicherungen sind dabei, die Verluste zu beziffern. Ich brauche zwei neue Autoscheiben, die Motorhaube und das Dach sind mit Dellen übersäht. Ähnlich sieht das Haus aus, fast 50 Dachziegel zerbrochen, die Solaranlage zerbröselt. Alles, was nicht unter Dach war, ist zerstört, der Garten nur noch Chaos. Bis Ende der Woche zählen wir 37 riesige Müllsäcke mit Blättern und Ästen. “Wetterextreme werden weiterhin von Zeit zu Zeit auftreten”, urteilt Lehlohonolo Thobela vom südafrikanischen Wetterdienst und verweist auf El Niño. as

    • Südafrika

    Africa.Table Redaktion

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